Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Politikwissenschaft Seminar: Einführung in die Vergleichende Politikwissenschaft Seminarleiterin: Stefanie Rauner Thema: Institutionelle Gewaltenteilung – Das präsidentielle Regierungssystem in den Vereinigten Staaten von Amerika und das semi-präsidentielle Regierungssystem in Frankreich Referenten: Philipp Bottin, Sebastian Faulstich, Robert Lindner, Andreas Müller, Stefan Pieper, Anton Posnak, Mario Schliephake, Harry Schmierer 21.05.2010 Die Regierungssysteme von USA und Frankreich im Vergleich 1. Das Regierungssystem der USA Repräsentantenhaus Besteht aus 435, die von der Bevölkerung alle zwei Jahre in Einmannwahlkreisen gewählt werden Finanzgesetze dürfen nur im Repräsentantenhaus eingebracht werden 20 ständige Ausschüsse Sonderrolle des Speakers: Führer der Mehrheitsfraktion, wenn Speaker und Präsident der gleichen Partei entstammen, vertritt er die Anliegen des Präsidenten im Repräsentantenhaus, ansonsten Gegenspieler des Präsidenten Der Senat Senat ist die zweite Kammer des Kongresses besteht aus 100 Senatoren, von denen jeder Bundesstaat jeweils zwei stellt alle zwei Jahre wird ein Drittel der Senatoren auf sechs Jahre neu gewählt im Senat gibt es 16 ständige Ausschüsse mit weiteren Unterausschüssen Gesetzgebung: Repräsentantenhaus und Senat gleichermaßen im Gegensatz zu Deutschland gibt es keine Unterscheidung zwischen zustimmungspflichtigen und nicht zustimmungspflichtigen Gesetzen – Senat muss grundsätzlich jedem amerikanischen Bundesgesetz zustimmen Jedes einzelne Mitglied einer der beiden Kammern kann Gesetzesvorhaben einbringen Gesetzesvorschläge werden, nachdem sie eingebracht wurden, in den Ausschüssen diskutiert und ggf. verändert Nach der Aussprache: Abstimmung und (bei Zustimmung) Übersendung der Gesetzesvorlage an das andere Haus Beide Kammern müssen den identischen Gesetzesentwurf verabschieden Impeachment-Verfahren Das Repräsentantenhaus kann gegen einen Bundesbeamten (einschließlich des Präsidenten) Anklage wegen Amtsvergehen erheben Über die Anklage befindet dann der Senat mit 2/3-Mehrheit Supreme Court Die oberste richterliche Gewalt liegt beim Supreme Court, der aus 9 Richtern besteht Der Präsident nominiert die Kandidaten für das Amt des Richters am Obersten Gerichtshof, der Senat wählt sie auf Lebenszeit Der Supreme Court kann jedes Gesetz für verfassungswidrig erklären und damit tief in die Kompetenzen der Legislative eingreifen Dem Obersten Gerichtshof kommt damit die Aufgabe zu, die Verfassung fortlaufend zu interpretieren Präsident Wahl durch das Electoral College Indirekte Wahl des Präsidenten durch 538 Wahlmänner, welche für den jeweiligen Bundesstaat der Anzahl der Abgeordneten im Repräsentantenhaus und im Senat entspricht Kandidat wird nach der relativen Mehrheit gewählt, d.h. wenn ein Kandidat die relative Mehrheit in einem Staat erringt, dann müssen alle Wahlmänner für ihn stimmen Der Präsident als Gesetzgeber Chief legislator – er ist zentraler Akteur der Gesetzgebung, kann aber selbst keine Vorlagen einbringen Präsidentielle Instrumente des Gesetzgebungsprozesses: qualifiziertes Vetorecht, Schützer der Verfassung gegen verfassungswidrige Gesetze Der Präsident in Außen- und Sicherheitspolitik Chef-Diplomat Entscheidet existenziell über Krieg und Frieden Vertragshoheit internationale Verträge abzuschließen, diese scheitert aber oft an der nötigen 2/3 Mehrheit im Senat Internationale Abkommen bedürfen aber keiner Zustimmung des Kongresses, daher schließt sie der Präsident als Chef der Exekutive selbst 2. Das französische Regierungssystem -zuständig für Gesetzgebung ist das Parlament -aufgeteilt in Nationalversammlung (577 Abgeordnete, gewählt nach absolutem Mehrheitswahlrecht) und Senat (321 Mitglieder, indirekt gewählt) -Gesetzesinitiative liegt formal gleichermaßen beim Parlament und beim Premierminister -die mit einem Gesetzentwurf der Regierung zuerst betraute Kammer muss die von der Regierung vorgelegte Fassung beraten -die zweitbetraute Kammer hat über den von der ersten vorgelegten Wortlaut zu beschließen -bei einer „Dringlichkeitserklärung“ der Regierung wird schon nach nur einer Lesung in Nationalversammlung und Senat ein Vermittlungsausschuss eingesetzt, sofern keine Einigung erfolgt ist -Premierminister kann auf Beschluss des Ministerrates die Abstimmung über eine Vorlage mit einer Vertrauensfrage verbinden -Verfassungsrat: Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze -Recht auf Anrufung: Präsident, Premierminister, Präsidenten von Nationalversammlung und Senat, mindestens 60 Abgeordnete bzw. Senatoren -Präsident ist das Staatsoberhaupt Frankreichs, wird auf 5 Jahre direkt vom Volk gewählt, laut Verfassung wacht er über die Einhaltung dieser und sichert mit seinem Schiedsspruch die ordnungsgemäße Tätigkeit der Staatsorgane -Ministerrat: setzt sich aus dem Premierminister und den jeweiligen Ministern zusammen, der Vorsitzende ist der Präsident -Premierminister wird vom Präsidenten ernannt und benötigt dessen Vertrauen sowie das des Parlaments, bildet mit seinen Ministern die Regierung und ist der Regierungschef, leitet die Amtsgeschäfte der Regierung 3 weitere Merkmale, die im Zusammenhang mit der starken Stellung der Exekutive stehen: 1.: starkes zentralistisches politisch-administratives System 2.: starke Bürokratie 3.: schwaches Parteien- und Verbandssystem 3. Forschungsprozess 3.1 Phänomen -deutliche Unterschiede zwischen den USA und Frankreich hinsichtlich der erfolgreichen Gesetzesverabschiedung und somit der politischen Handlungsfähigkeit -möglicher Grund: Machtstellung der Exekutive in den unterschiedlichen Regierungssystemen -Fragestellung: Ist die erfolgreiche Verabschiedung von Gesetzen in einem präsidentiellen Regierungssystem durch die Exekutive schwieriger durchzusetzen als in einem semi-präsidentiellen System? 3.2 Relevanz -Relevanz der Forschungsfragestellung ergibt sich aus der Aktualität (Rentenaltererhöhung in Frankreich und Krankenversicherung in den USA) -relevant für die politische Handlungsfähigkeit -für Interessenorganisationen von Bedeutung, um Interessen gezielt an politische Organe zu tragen 3.3 Hypothesen 1. Wenn ein präsidentielles Regierungssystem vorliegt, dann ist es schwieriger Gesetze seitens der Exekutive zu verabschieden. 2. Wenn ein semi-präsidentielles Regierungssystem vorliegt, dann ist es leichter Gesetze seitens der Exekutive zu verabschieden. 4. Konzeptspezifikation Regierungssystem: bezeichnet die Gesamtheit aller politischen Einrichtungen eines Staates, die sich daraus ergebenden politischen Strukturen und Funktionen sowie die geltenden politischen Ordnungen und Normen. Exekutive: In modernen Demokratien diejenige der drei staatlichen Gewalten, die verfassungsgemäß dafür zuständig ist, die Beschlüsse der Gesetzgebenden Gewalt auszuführen. Gesetze: Alle vom Gesetzgebungsorgan verfassungsgemäß verabschiedeten Rechtssätze. Operationalisierung: Gesetze Anzahl durchgebrachter Gesetze der Exekutive, Anzahl nicht durchgebrachter/geblockter Gesetze der Exekutive. 5. Datenanalyse Most-Similar-Case-Design Fall Gesetzes- Regierungs- Präsidenten ausstoß system F + + + USA + Demokratien + + Wahlsys- Rechtstem staat + + + + Kontextanalyse - Schlussfolgerung aus dem reinen Gegenüberstellen der Systeme - Analyse der institutionellen Rahmenbedingungen Statistische Auswertung - Anwendung statistischer Methoden - Auffinden signifikanter Unterschiede beim Durchsetzten von Gesetzte Dritt-Variablen-Kontrolle Überprüfen weitere Einflussfaktoren: Beispielhaft: - für Frankreich: ausgeprägte Streikkultur Generalstreik - für USA: Lobbyismus 6. Fazit -System der vielfältigen Gewaltenkontrolle und die hohe Anzahl der Vetospieler führt in den USA zu einem schwachen Staat, die Exekutive hat es schwer, ihre Gesetze verabschieden zu lassen -System in Frankreich ist auf eine starke Exekutive ausgerichtet, welches es ihr ermöglicht, die bestimmende Gewalt im Staat zu sein und ihre Politik weitestgehend durchzusetzen; Frankreich als starker Staat Literatur: Krempf, Udo, in: Das politische System Frankreichs, 4., aktual. u. erw. Auflage, Wiesbaden 2007. Lehner, Franz, Vergleichende Regierungslehre, Wiesbaden 2005, S. 115-131. http://www.assemblee-nationale.fr/deutsch/8cb.asp, Assemblee Nationale, zuletzt abgerufen am 09.01.2011.