Einführung

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Prof. Dr. Alexander Trunk
Vorlesung: Privatrecht für Wirtschaftswissenschaftler (WS 2008/2009)
Mittwoch, 14.00 h c.t. - 18.00 h, CAP 3, HS.3
5.11.2008: Einführung
Vorbemerkung
I. Ziel der Vorlesung
Ich möchte Ihnen in dieser Vorlesung eine Einführung in die für
Wirtschaftswissenschaftler wichtigsten Themenbereiche des Privatrechts geben.
Privatrecht - oder Zivilrecht - sind im wesentlichen die Rechtsmaterien, die im
Bürgerlichen Gesetzbuch (dem BGB) und im Handelsgesetzbuch (dem HGB)
geregelt sind. Wenn Sie das BGB einmal kurz aufschlagen, sehen Sie, dass es in
5 Bücher aufgeteilt ist: Allgemeiner Teil, Schuldrecht, Sachenrecht,
Familienrecht und Erbrecht. Der Schwerpunkt der Vorlesung wird im
Schuldrecht liegen, d.h. dem Recht der verpflichtenden Sonderbeziehungen
zwischen einzelnen Personen, insbesondere im Vertragsrecht. Daneben werden
wir uns auch mit dem Allgemeinen Teil des BGB und mit dem Sachenrecht
befassen. Anschließend werden wir auch einige Kernbereiche des Handels- und
Gesellschaftsrechts behandeln (Vertiefung in anderen Vorlesungen).
Typische Problemfälle sind etwa folgende:
1) Müller kauft bei Meier einen Fernseher.
a) Der Fernseher ist defekt. Welche Rechte hat Müller gegen Meier?
b) Umgekehrt: Müller zahlt den Fernseher nicht. Was kann Meier unternehmen?
--> Das ist ein Fall zum Vertragsrecht
2) Otto Opfer wird von Willi Wild mit dem Kfz angefahren. Er muß ins
Krankenhaus. Trotz verschiedener Operationen behält er eine Narbe im Gesicht.
Welche Ansprüche hat O gegen W?
--> Das ist ein Fall zum Deliktsrecht.
Worin liegen die Gemeinsamkeiten beider Fälle? In beiden Fällen geht es um
Konfliktlagen, die mit Hilfe rechtlicher Methoden gelöst werden sollen.
Worin liegen Unterschiede? Fall 1 = Vertrag (als Beispiel für sog.
Rechtsgeschäfte) und dessen ordnungsgemäße Erfüllung. Fall 2 = Rechtsfolgen
einer tatsächlichen Handlung (auch ohne Absicht des W). Recht gewährt für
derartige Situationen, auch ohne Vertrag, Ausgleichsansprüche(„Delikt“).
3. Elisabeth Eigen leiht ihrem Bekannten Fritz Freundlich einen Notebook PC. F
gerät unerwartet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und gibt das Notebook als
Sicherheit an seinen Gläubiger G. Kann E das Notebook von G
herausverlangen?
--> Das ist ein Fall zum Sachenrecht, es geht um die Rechte verschiedener
Personen an dem Computer als Sache.
Mit der juristischen Lösung derartiger Fragen werden wir uns in der Vorlesung
näher beschäftigen.
II. Struktur der Vorlesung
1. In der heutigen Vorlesung werde ich Ihnen eine Einführung in das Privatrecht
mit seinen Bezügen zu Nachbardisziplinen geben. Das wird vielleicht etwas
abstrakt sein, aber wir brauchen diese Grundlagen für die nächsten
Veranstaltungen. In den nächsten Vorlesungen werden wir regelmäßig auch mit
kleineren Fällen arbeiten.
Ca. 1 - 2 Tage nach der jeweiligen Vorlesung werde ich das Gliederungsskript
der Vorlesung auf die homepage einstellen. Das hat den Vorteil, dass Sie in der
Vorlesung nicht detailliert mitschreiben müssen. Sie können sich die Skripten zu
Vorlesungen später herunterladen.
2. Begleitende Literatur:
- Gesetzessammlung, z.B. von NOMOS-Verlag
- Jaensch, Grundzüge des Bürgerlichen Rechts (2007)
- Internet: z.B. Rechtsprechung, Angaben aus Ministerien etc. (Hinweise in
einzelnen Vorlesungen)
3. Auch wenn Sie das Skript - das grds. nur eine Stichwortgliederung sein wird von der homepage herunterladen können, würde ich Ihnen dennoch empfehlen,
in der Vorlesung einzelne Notizen zu machen. Zum einen ist es eine gute
Übung, aus einem mündlichen Vortrag die Kernelemente herauszuziehen. Zum
anderen haben Sie, wenn Sie die Notizen mit dem Skript vergleichen, eine
gewisse Kontrolle darüber, was Sie in der Vorlesung aufgenommen haben.
4. Ablauf der Vorlesung:
Klausuren am 26.11.2008 und 21.1.2009. Teilweise Multiple choice-Fragen,
teilweise kleine Falllösungen.
Nähere Informationen über das Verhältnis beider Klausuren zueinander folgen.
A. Begriff und Funktionen des Rechts
Bevor wir speziell auf das Privatrecht eingehen, das ja Gegenstand dieser
Vorlesung ist, müssen wir zunächst einige allgemeine Grundlagen zum Begriff
und den Funktionen von Recht klären.
Recht = Summe von Regeln innerhalb einer menschlichen Gesellschaft, die von
den Mitgliedern der Gesellschaft grds. als verbindlich anerkannt werden und
deren Beachtung typischerweise mit staatl. Zwang durchgesetzt werden kann.
Im Detail sehr str.: VölkerR ist grds. ohne staatl. Sanktion; R bestand auch
bereits vor Entstehen des modernen "Staates" (auch: andere Gemeinschaften
können "Recht" setzen: Stammesrechte o.ä.); "Anerkennung" durch die
Mitglieder kann kaum gemessen werden.
Abgrenzung R von anderen Normen, z.B. Höflichkeit, Sitte. R nimmt z.T. auf
diese außerrechtl. Normen Bezug, z.B. §§ 138, 826 BGB.
Recht ist einer von mehreren Steuerungsmechanismus für Gesellschaften, man
sollte – wenn man sich in der Gesellschaft bewegt – die wesentlichen
rechtlichen Spielregeln kennen, da man nur dann in der Lage ist, erfolgreich
(auch wirtschaftlich erfolgreich) zu handeln. Andererseits ist es klar, dass Recht
nicht immer Beachtung findet, und auch dass das Recht nicht alle Fragen des
täglichen Lebens regeln kann und will. D.h. man muss sich immer auch dessen
bewußt sein, wie rechtliche Regeln mit anderen Verhaltensregeln
zusammenspielen.
Konkretes Beispiel: das Recht enthält Vorschriften darüber, unter welchen
Voraussetzungen ein Vertrag verpflichtend ist und welche Folgen sich ergeben,
wenn eine Seite einen Vertrag nicht erfüllt. Aber wirtschaftlicher Erfolg lässt
sich allein durch diese Regeln nicht herbeizwingen. Z.B. kann es lange dauern,
bis man die vertragsverletzende Partei mit Hilfe von Gerichtsverfahren zur
Erfüllung oder zum Schadensersatz zwingt. Vielleicht bleibt man sogar vor
Gericht erfolglos, weil man z.B. bestimmte Umstände nicht beweisen kann.
Daher sollte man primär immer rechtsstreitvermeidend arbeiten. Andererseits
erhöhen sich natürlich die wirtschaftlichen Erfolgschancen, wenn man die
rechtlichen Grundlagen kennt und bei seinem Handeln berücksichtigt.
B. Rechtswissenschaft und Nebengebiete
I. Recht und Politik
Recht als Ergebnis von Politik, unterliegt dann aber eigenen Gesetzen der
Auslegung und Anwendung; Recht wirkt auf Politik zurück (Reformanstöße -->
Rechtspolitik.
II. Rechtssoziologie
RSoziologie als Teilgebiet der Soziologie (Lehre von der Gesellschaft),
betrachtet Recht als Phänomen der gesellschaftlichen Wirklichkeit: Zshang zw.
dem Recht und anderen gesellschaftlichen Phänomenen.
Abgrenzung insbes. zur Rechtsdogmatik; aber Verbindung zu
Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaft (aber RSoziologie interessiert
sich nicht nur für die ökonomischen Komponenten des R).
Angwandte RSoziologie: z.B. Rechtstatsachenforschung, Wirkungen von
Normen (z.B. Zivilprozesse, außergerichtl. Streitbeilegung, Analyse des
Juristenstandes - typ. Vorurteile etc.)
III. Ökonomische Analyse des Rechts
- Wirtschaftswissenschaft setzt häufig ein bestimmtes RSystem als gegeben
voraus, z.B. das Spiel von Angebot und Nachfrage beruht auf der Annahme von
Vertragsfreiheit und Verbindlichkeit/Durchsetzbarkeit von Verträgen)
- Ökonomische Analyse des Rechts macht Recht (Rechtsnorm,
Rechtsdurchsetzung) zum Objekt ökonomischer Betrachtung.
- Wesentliches Ziel: Effiziente Verteilung (Allokation) knapper Ressourcen
durch angemessene Ausgestaltung des Rechts. Z.B. Vertragsfreiheit als grds.
effizienteres Allokationssystem als eine bürokrat. Verteilung (vgl.
Zentralverwaltungswirtschaft) oder als jedesmaliges Aushandeln nach
Kräfteverhältnissen (Verringerung von Transaktionskosten; aber auch:
„Gerechtigkeit“).
--> Ökonom. Analyse des Rechts untersucht die erstrebten oder erreichten
Wirkungen von RNormen: Hilfe für Gesetzgeber. Beisp: Insolvenzrecht,
Verbraucherschutz, Mieterschutz (stets str.)
--> Ökonomische Analyse kann auch Instrument der RAnwendung sein, z.B.
Annahme von Nebenpflichten bei ergänzender Vertragsauslegung ("hypothet.
Wille" der Parteien: cheapest cost avoider etc.).
Lit:
- Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonom. Analyse des Zivilrechts.
- Journal of Law and Economics, Journal of Legal Studies.
Problem: ökonom. Modelle des R selektieren häufig einen Teil der Wirklichkeit
oder vereinfachen die rechtlichen Regelungen, so daß die Aussagekraft der
Modelle leidet. Zudem schließt die starke Mathematisierung der ökonomischen
Modelle die meisten Juristen von der Teilnahme an der Diskussion dieser
Modelle aus.
IV. Sonstige (Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte u.a.)
RPhilosophie befaßt sich mit dem Zshang zw. Recht und Gerechtigkeit. Was ist
„Gerechtigkeit“? Woher kommt das Bedürfnis nach Gerechtigkeit? Entsprechen
bestimmte Regeln des positiven Rechts dem Postulat von Gerechtigkeit?
Beispiel: Gerechtigkeit wird typischerweise mit dem Gedanken der
Gleichbehandlung verbunden: Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte wird in
der Rechtsphilosophie als ein Grundelement von Gerechtigkeit verstanden
(„unabhängig von Geld oder Macht“). Nicht unbedingt ökonomisch gefordert
(„Markt“ kann auch mit eingeschränkter Gerechtigkeit funktionieren).
C. Begriff und Quellen des Privatrechts
I. Grundkategorien
1. Privatrecht - Öffentliches Recht - Strafrecht
a) Grds.: Gleichordnung der Subjekte v. Über/Unterordnung.
b) Auch Staat kann an PrivatRVerkehr teilnehmen.
c) StrafR als Sonderzweig des öff. R mit bes. Zielsetzung und Ausgestaltung
(gesellschaftl./staatl. Sanktionen, grds. nicht individualnützig: anders ziv-r SEA)
2. Privatrecht (Zivilrecht) - Bürgerliches Recht - Handelsrecht - Wirtschaftsrecht
(priv. und öff.)
BGB - HGB - Sondergesetze (priv./öffr)
3. Materielles Recht - Verfahrensrecht
BGB/HGB - ZPO
II. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Privatrechts
Diff. Grundrechte (Art.1 - 19 GG) - Staatsorganisationsrecht (Art.20 - 146 GG)
1. Staatsorganisationsrecht (einschl. Gerichtsorganisation)
a) Art.74 Nr.1 GG (bürgerl. R, gerichtl. Verf.) - konkurrierende
Bundeskompetenz für Gesetzgebung
b) Gerichtswesen: Art.92 ff, insbes. Art.95 (Oberste Gerichte sind
Bundesgerichte: BGH, BAG u.a.; im übrigen sind die Länder für die Einrichtung
der Gerichte zuständig (aber im Rahmen von Bundesrecht: GVG, DRiG etc.)
2. Grundrechte (einschl. Rechtsstaatsprinzip und Justizgrundrechte)
a) Wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes (vgl. Art.15 GG - Möglk.
der Sozialisierung): aber GR-Schutz führt letztlich zu sozialer Marktwirtschaft.
Auch über Art.23 GG (Einwirkung EU-Recht in das dt. R, dazu s.u.)
b) Einzelgrundrechte: Eigentum (Art.14), Gleichheitssatz (Art.3), Berufsfreiheit
(Art.12), Unternehmerfreiheit als Teil der allg. Handlungsfreiheit (Art.2 I,
Koalitionsfreiheit (Art.9), Justizgrundrechte: Rechtsweggarantie (Art.19 IV),
Anspruch auf gesetzlichen, unabhängigen (Art.97) Richter (Art.101 I 2),
Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.103 I), fair trial.
aa) Ziv-r Normen können gg. das GG verstoßen, z.B. Art.14 GG
(Eigentumsgarantie), Art.3 GG (Gleichheit von Mann und Frau).
bb) GR-konforme Auslegung einfachen Gesetzesrechts, z.B. über
Generalklauseln (§ 826 BGB, § 138 BGB etc.)
cc) Grundrechte binden die öff. Hand - einschließlich Gerichte (s. Art.1 III
GG): im Verkehr zwischen Privaten grds. nur sog. mittelbare Wirkung von
Grund-rechten (z.B. über § 138 BGB).
c) (Konkr.) Normenkontrolle (Art.100 GG) und Verfassungsbeschwerde (Art.93
I Ziff.4 a GG iVm BVerfGG).
III. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Handelsgesetzbuch (HGB) und ihre
Nebengesetze
BGB ist Kerngesetz des Privatrechts = regelt die RBeziehungen zwischen allen
Personen, gleichgültig ob Privatleute oder Kaufleute, natürliche Personen oder
Gesellschaften. Auch Verhalten des Staates wird erfasst, wenn der Staat im
Rechtsverkehr auf der Ebene der Gleichordnung auftritt (nicht kraft seiner
Hoheitsbefugnisse).
HGB regelt demgegenüber das Sonderrecht der Kaufleute (untereinander oder
im Verhältnis zu Privatleuten).
Trennung BGB – HGB hat in Deutschland einerseits historische Ursachen
(„ADHGB“), aber auch sachliche Gründe (im kaufmännischen Verkehr
bestehen z.T. andere Interessenlagen als im allgemeinen Privatrechtsverkehr,
z.B. Bedürfnis nach Schnelligkeit und Rechtssicherheit, geringere
Schutzbedürfnisse etc.)
1. Entstehungshintergrund und Struktur des BGB
a) Geschichte
- Rezeption röm. R in Dt im 16. - 19. Jhr. ("gemeines R"/PandektenR: vg.
Common Law) mit Mischung dt-r und röm-r Elemente. Einfluß des frz. Code
Civil von 1804.
- RVereinheitlichung als Folge der Reichsgründung v. 1871.
Parallelen/Unterschiede zum europ. Recht?
- BGB in Kraft seit 1.1.1900. Umfang 2385 §§.
Vgl. andere ausländ. BGBs: Österreich („ABGB“ 1811), Frankreich, Schweiz,
Italien, Osteuropa.
- Einfluß der NS-Zeit: im wesentlichen über Generalklauseln.
- Zeit nach 2. Weltkrieg: RSpaltung 1975 (DDR-ZGB; sehr knappe Regelung;
ZGB im wesentlichen auf nichtkommerziellen Verkehr beschränkt; innerhalb
der sozialistischen Wirtschaftssektors galt sog. Vertragsgesetz mit
administrativem Charakter
- Seit 1990 wieder REinheit; einzelne Übergangsregelungen im Anhang zum
EinigungsV und in Spezialgesetzen.
b) Struktur BGB:
aa) 5 Bücher: AT, SchuldR, SachenR, FamR, ErbR. (beruht auf PandektenR,
insbes. das Vor-die-Klammer-Ziehen allg. Grundsätze).
Anders röm. R (Codex juris civilis ca. 600 n.Chr.: personae, res, actiones; so
grds.auch der frz. Code civil).
bb) SchuldR regelt verpflichtende RBeziehungen (Obligationen) zw. einzelnen
Personen. Im SchuldR (ObligationenR) Trennung zw. SchuldR-AT (§§ 241 432) und SchuldR-BT (einzelne Schuldverhältnisse, §§ 433 - 853: vertragliche
und außervertragl. Schuldverhältnisse). Grds. nur zw. den Beteiligten des
Schuldverhältnisses wirkend, vgl. § 311 ("zw. den Beteiligten"); Ausn. z.B. §
328 BGB.
Tiefgreifende Reform des deutschen SchuldR im Jahr 2002:
- Einarbeitung verschiedener europäischer Vorschriften in das BGB
(VerbrauchsgüterkaufRiL u.a.)
- Neuordnung der Systematik des SchuldR
= z.B. „Vereinfachung“ durch Einführung des allgemeinen Begriffs der
„Pflichtverletzung“ im Schuldverhältnis - § 280 BGB – statt gedanklicher
Trennung verschiedener Kategorieen [Unmöglichkeit, Verzug, PFV]
= bessere Integration des GewährleistungsR des KaufR in das sog.
allgemeine SchuldR),
- Kodifikation von Rechtsprechung, z.B. cic (§ 311 II BGB).
bb) SachenR regelt RBeziehung einer Person zu einer Sache bzw. das Verhältnis
mehrerer Personen in Bezug auf eine Sache. Grds. gegen jedermann wirkend. Im
SachenR Unterscheidung zw. ImmobiliarsachenR und MobiliarsachenR
cc) Allg. Teil des BGB regelt Fragen, die für alle Bücher des BGB gelten, z.B.
Bestimmung des Wohnsitzes von Personen (§§ 7ff) und insbes. allg.
Vorschriften über sog. Rechtsgeschäfte (Rechtshandlungen, die nach dem
Willen der Parteien bestimmte Wirkungen haben sollen), §§ 104 ff.
dd) RAnwendung geht vom Speziellen zum Allgemeinen: Ausgangspunkt im
SchuldR-BT, von da aus zum SchuldR-AT, von da aus zum BGB-AT. Das muß
eingeübt werden. Logisch stringent, aber manchmal unübersichtlich.
Vgl. demgegenüber ausländ. Ansätze: Vertrag nur im SchuldR geregelt (russ.
ZGB 1994). Analoge Anwendung auf ErbR, FamR etc.?
2. Grundwertungen des BGB
a) Liberale Grundwertung im VermögensR: Privatautonomie im SchuldR (vgl. §
311 BGB: Abschluß- und Inhaltsfreiheit bei Verträgen). Aber im SachenR öff.
Wertungen: Verkehrschutz im Vordergrund (Typenzwang, zwingendes R)
b) Ursprünglich patriarchalische Grundwertungen im Fam- und ErbR: nach 2.
Weltkrieg durch GG geändert: Gleichstellung Mann und Frau, ehel. und
nichtehel. Kind etc. (z.T. erst in jüngster Vergangenheit).
c) Soziale Wertungen:
aa) Z.T. auf der Grundlage von ausreichend abstrakten Normen des BGB,
insbes. Generalklauseln (z.B. Produzentenhaftung: Verkehrssicherungspflichten
bei § 823 I iVm § 276 FahrlkMaßstab, Umkehr der Beweislast)
bb) Z.T. sozial ausgerichtete Neuregelungen in das BGB eingefügt, z.B.
Mieterschutz §§ 535 ff
cc) Z.T. sozialschützende Sondergesetzgebung, z.B. MietR, ArbR (vgl. §§ 611
ff BGB: nur Minimalregelung). Insbesondere in jüngerer Zeit auch
Verbraucherschutz durch Einwirkung EU-Recht (Informationspflichten,
Sonderrechte des Verbrauchers).
3. HGB: besteht aus 5 Büchern:
- „Handelsstand“ = Regeln über Kaufmannsbegriff, Handelsregister,
handelsrechtliche Vollmachten und Handelsvertreter: §§ 1 - 104
- Handelsgesellschaften = OHG, KG, §§ 105 - 237. Gesondert geregelt sind
GmbH und AG (GmbhG, AktG), ferner die sog. BGB-Gesellschaft (§§ 705 ff
BGB).
- Handelsbücher (Buchführungs- und Bilanzrecht), §§ 238 – 342 e
- Handelsgeschäfte, §§ 343 – 475 h: z.B. Handelskauf, Kommission,
(Land)Transportrecht.
- Seehandelsrecht, §§ 476 - 903
IV. Gewohnheitsrecht: consuetudo longa + opinio juris: im bürgerl. R eher
selten, aber doch Beispiele, z.B. PFV und cic (ursprüngl. entwickelt anhand von
Analogien): seit einer umfangreichen Reform des dt Schuldrechts im Jahr 2002
heute in § 311 II und § 280 ausdrücklich geregelt.
V. Private Regelungswerke
AGBs, Satzungen von Vereinen, Publikumsgesellschaften u.a.:
- keine Rechtsnorm, da nicht von Hoheitsträger erlasssen (vertragl. Grundlage;
vgl. "le contrat fait loi entre les parties")
- aber Auslegung z.T. ähnlich wie RNormen (da auf Gruppe zielend)
- z.T. besondere Schutzvorschriften, insbes. §§ 305 – 310 BGB (früher
gesondert geregelt in AGBG).
D. Die Europäische und die internationale Dimension des Privatrechts
I. Europäisches Privatrecht
1. EUV i.V.m. EGV: ursprüngl. EWGV 1957 (+ EAG, EGKS), mehrfach
modifiziert, zuletzt durch Verträge von Maastricht 1992, Amsterdam 1997 und
Nizza 2000. Nach gescheitertem Plan zum Annahme eines Europäischen
Verfassungsvertrages (negative Volksabstimmungen in Frankreich und den
Niederlanden 2005) jetzt Ratifizierungsprozess eines vereinfachten
Reformvertrags (Vertrag von Lissabon 2007).
2. EGV enthält institutionelles Recht (Organisation der Europäischen
Gemeinschaft: Kommission, Rat, Parlament, EuGH) und Garantie von sog.
Grundfreiheiten (Warenverkehrs-, Dienstleistungs-, Niederlassungs-,
Arbeitnehmer- und Kapitalverkehrsfreiheit)
3. Die Europäischen Organe können aber auch auf der Grundlage des EGV
eigene Normen erlassen: insbesondere Richtlinien und Verordnungen: Art.249
EGV n.F.
a) Verordnungen gelten unmittelbar, Richtlinien müssen von den EUMitgliedstaaten in nat. R umgesetzt (transformiert werden), s. Art.249 II, III
EGV.
b) Diese Normen stehen - wie auch auch das sog. primäre Gemeinschaftsrecht
der EU-Verträge selbst - im Rang über dem nationalen Recht der EGMitgliedstaaten (sog. supranationales Recht).
--> Insoweit Ähnlichkeit mit VerfassungsR. Aber EU-Richt ist wesentlich
detaillierter.
c) Das EU-Sekundärrecht aufgrund von VOs und RiL greift zunehmend auch in
das nationale Privatrecht ein.
Beisp: AGB-RiL, Haustürgeschäfte-RiL, E-Commerce-RiL, RiL über den
Verbrauchsgüterkauf, EU-DatenschutzRiL. Tendenz: sehr detailliert. Prinzip der
begrenzten Einzelermächtigung wird zunehmend überspielt (vgl. a. allg.
RAngleichungsnorm Art.94 EGV n.F.: Bindung nur an Binnenmarkt.
"Unmittelbarkeit" kaum fassbar; ebso. sog. Subsidiarität, Art.5 EGV n.F.)
Dt. Gesetzgeber erläßt z.T. Spezialgesetze zur Umsetzung der RiL (z.B.
ProdukthaftungsG), z.T. Einarbeitung in das BGB (z.B. AGB-Kontrolle §§ 305
ff BGB, ReisevertragsRil §§ 651 a ff BGB).
Schwerpunkt der EU-Gesetzgebung im Bereich des bürgerlichen Rechts liegt
wohl im Verbraucherschutz, aber hat Tendenz, die nationalen Gesetzgeber zu
umfassenden Änderungen zu zwingen, um intern keine Widersprüche zu
erzeugen. Beisp: Projekt einer Änderung des dt. Kaufrechts (auf homepage des
BMJ: http://www.bmj.bund.de).
d) Sonderproblem: Nicht rechtzeitige Umsetzung von EU-RiL
aa) RiL bei Auslegung nat. R zu beachten: richtlinienkonforme Auslegung (gilt
auch bei rechtzeitiger Umsetzung)
bb) SEA gg. den Mitgliedstaat denkbar; aber keine unmittelbare Anwendung im
horizontalen Verhältnis zw. Privaten.
Beisp: verspätete Umsetzung der PauschalreiseRiL durch Bundesrep.
Deutschland.
II. Internationales Privatrecht
EGBGB, zuletzt geändert 2008.
Beisp.:
- Kaufmann K aus Kiel verkauft an Importeur I in Dänemark eine Ladung
Makrelen. Welches Recht gilt für diesen Kaufvertrag?
Art.27 ff EGBGB RWahlfreiheit, sonst R am Sitz des Verkäufers
(vertragscharakterist. Leistung).
- Das Presseunternehmen F in Paris veröffentlicht eine inhaltlich
unzutreffende Skandalnachricht über den in Deutschland lebenden
Adeligen A. Nach welchem Recht kann A Schadensersatzansprüche
gegen F geltend machen?
Art.40 ff EGBGB: Deliktsort, möglw. Handlungsort (Publikationsort) od.
Erfolgsort (Vertriebsort bzw. Wohnort des Opfers), im einzelnen str.
 Erhebliche Eingriffe stehen bevor durch Inkrafttreten von 2 EGVerordnungen von 2007 und 2008: Rom II-VO v 2007 in Kraft ab Januar 2009,
Rom I-VO in Kraft ab Januar 2010.
III. Rechtsvergleichung
Kenntnis Auslandsrecht notwendig
- für internationalen Rechtsverkehr bei Anwendung ausländ. Rechts (z.B. Export
- Import, Gründung einer Gesellschaft im Ausland etc.)
- für Gesetzgeber: ausländ. Erfahrungen.
Spezielle Zeitschriften und Monografien. Wichtig Originalquellen im Ausland.
Problematik von Übersetzungen.
IV. Rechtsvereinheitlichung (Rechtsangleichung)
z.B. UNCITRAL: UN-Kaufrechtsübereinkommen von 1980 (internat.
Handelskauf); zahlr. weitere Abkommen UNCITRAL. S.a. Europarat,
Spezialorganisationen (OECD, WIPO etc.). Problem: Verhältnis zu nationalem
Recht: nationales Recht geht häufig weiter (z.B. Europarats-DatenschutzÜbk BDSG).
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