Anarchismus Anarchismus war eine der stärksten politischen „Anti- Autoritätsströmungen“, vor allem in der Zeit ab 1880 bis 1980 und sicher eine der missinterpretierten Ideen in der Geschichte der politischen Theorie. Die meisten Menschen verstehen unter Anarchismus Chaos oder Gesetzeslosigkeit. Das Wort „Anarchie“, kommt aus dem Griechischen. Die Vorsilbe „An“ bedeutet „nicht“ oder „Abwesenheit von“ und „Archos“ „Herrscher“ oder „Autorität“ oder, wie Peter Kropotkin sagt, „Gegensatz zur Autorität“. Anarchismus entwickelte sich als politische Theorie, mit dem Ziel eine Anarchie zu schaffen. In anderen Worten war Anarchismus eine politische Theorie, die eine Gesellschaft schaffen wollte, in der Individuen frei und gleichberechtigt miteinander kooperieren. Anarchismus richtet sich gegen alle Arten von Hierarchie, sei es die Kontrolle durch den Staat oder den Kapitalismus. Diese werden als für das Individuum schädlich angesehen. Anarchismus ist eine sozial-ökonomische politische Theorie, aber keine Ideologie. Der Unterschied ist wichtig. Theorie bedeutet Ideen zu haben, Ideologie bedeutet von Ideen besessen zu sein. Viele Anarchisten, die sich von den negativen Aspekten und Bedeutungen des Wortes Anarchismus distanzieren wollten, versuchten andere Worte für dasselbe System einzuführen. Die bekanntesten waren „freier Sozialismus“, „freier Kommunismus“, „liberaler Sozialismus“ und „liberaler Kommunismus“. Für Anarchisten jedoch bezeichnen all diese Namen dieselbe Theorie. Der Ursprung des Anarchismus liegt im Kampf für die Freiheit und in unserer Sehnsucht nach einem erfüllten Leben. Ein Leben, in dem wir Zeit haben zu lieben und zu spielen. Anarchismus wurde nicht von elitären Menschen kreiert, die dem Leben fremd waren, sondern entsprang dem Widerstand der Arbeiterklasse gegen Autorität und Unterdrückung. Zitat Peter Kropotkin: „Anarchismus....entspringt dem täglichen Kampf........,die anarchistische Bewegung änderte sich jedes Mal, wenn ein neuer Eindruck aus dem praktischen Leben kam: Es bezieht seine Ursprünge aus der Lehre des Lebens selbst.“ Blickt man zurück auf die Geschichte, sieht man, dass es immer eine elitäre Ideologie gab, welche seit der Steinzeit die essentielle Rationalisierung aller Stände und herrschender Klassen war. Aus diesem Grund gab es auch immer Widerstand - die früheste Form des Anarchismus. George Barret sagt in seinem Buch „Objections to Anarchism“: „Die Stärke einer Regierung liegt nicht in ihr selbst, sondern beim Volk. Ein großer Tyrann kann ein Dummkopf sein und kein Supermann. Seine Stärke liegt nicht bei ihm selbst, sondern beim Fehlglauben des Volkes zu denken, dass es richtig sei, ihm zu folgen. Solange dieser Fehlglaube existiert, ist es sinnlos für einen Befreier, den Kopf der Tyrannei abzuschneiden; das Volk wird einen neuen finden, denn es hat sich daran gewöhnt sich auf etwas außerhalb ihrer selbst zu verlassen.“ Mit anderen Worten: Es ist immer einfacher zu folgen als selbst zu führen, denn solange es einen Führer gibt, ist er schuld, wenn etwas falsch läuft und sonst hat niemand Verantwortung. Das führt zu der Tatsache, dass Kinder in dem Glauben erzogen werden, es sei „richtig“ zu folgen und „falsch“ Fragen zu stellen oder gar gegen die Hierarchie zu rebellieren. Mit den Worten von Max Stirner: „Die Großen sind nur groß, weil wir auf unseren Knien sind.“ Die wichtigsten anarchistischen Bewegungen am Anfang des 20. Jahrhunderts waren eindeutig die „Machno-Bewegung“ in der Ukraine und der spanische „AnarchoSyndikalismus“. Während des Bürgerkrieges in der Ukraine verwalteten sich über eine Million Bauer selbst, ohne Führer und Gesetze, bis Trotzkis Rote Armee ihnen den Kommunismus aufzwang. Die Anarcho-Syndikalistische Gemeinschaft CNT in Spanien organisierte während des Bürgerkrieges Widerstand gegen die Franco-Faschisten in großen Teilen Kataloniens, eingeschlossen der Metropole Barcelona, und verwaltete sich selbst einige Monate. Obwohl Gerard Winstanley (The New Law of Righteousness, 1649) und William Godwin (Enquiry concerning political justice, 1793) sich schon im 17. und 18. Jh. mit der Philosophie des Anarchismus beschäftigt hatten, erschien Anarchismus als ganze Theorie erst Ende des 19. Jhs. Das war vor allem vier Männern zuzuschreiben: Einem Deutschen, Max Stirner (1806-1856), einem Franzosen, Pierre-Joseph Proudhon (1809-1865), und zwei Russen, Michael Bakunin (1814-1876) und Peter Kropotkin (1842-1921). Stirner, der während der deutschen Romantik geboren wurde, entwickelte seinen Anarchismus zu einer extremen Form des Individualismus oder Egoismus, in welcher er das Individuum über Staat, Gesetzt und Pflicht stellte. Er attackierte sowohl Kapitalismus als auch staatlichen Sozialismus. Seine Ideen sind immer noch ein Eckstein des Anarchismus. In den USA waren Emma Goldman und Alexander Berkman die führenden anarchistischen Denker und Aktivisten. Aus Italien kam Errico Malatesta, der über 50 Jahre auf der ganzen Welt für Anarchismus gekämpft hat. Seine Schriften zählen zu den wichtigsten der anarchistischen Theorie. Unzweifelhaft ist der Russe Leo Tolstoy der berühmteste Verbreiter des religiösen Anarchismus. Er hatte den größten Einfluss bei der Verbreitung des spirituellen und pazifistischen Gedankenguts. Manche Taktiken, die Anarchisten verwendet haben und auch heute noch verwenden, bestehen aus Pamphleten und Flaggen als Kleidungsaufnäher, um die eigene Meinung öffentlich auf der Straße zu zeigen. Aber auch drastischere Formen der Demonstration sind gängig. Anarchisten organisieren öffentliche Treffen, Kundgebungen und Protestmärsche. Auch gewalttätige Vorfälle wie Auftragsmord und Massenmord konnten vorkommen. Diese Art des gewalttätigen Widerstandes kann aber nicht mehr als Anarchismus bezeichnet werden, da er in das Leben anderer Menschen eingreift. Für mich persönlich ist Anarchismus die Theorie einer Gesellschaft, die funktionieren könnte, da sie nicht auf Angst und Macht basiert. Wenn ich über Dinge wie Terroranschläge, Überschussvernichtung von Nahrung oder Geld, das in Massenvernichtungswaffen investiert wird, nachdenke, kann ich einfach nicht glauben, dass Kapitalismus, welcher Geld höher wertet als Menschenleben, richtig sein kann, wenn man überhaupt über „richtig“ und „falsch“ in Bezug auf Gesellschaft sprechen kann. Der Glaube an eine freie Gesellschaft, mit Menschen, die verantwortungsvoll genug sind, um keinen „Führer“ zu brauchen, klingt vielleicht wie eine Utopie, aber nur solange wir uns nicht trauen sie zu leben! Quellennachweis: www.diy-punk.org/anarchy www.raw.at www.fau.org Text: Susanne Javorszky Übersetzung: Fanny Rasul