Aktuelles aus dem Steuer- und Wirtschaftsrecht

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AStW 2014/01
§ 13b UStG ................................................................................................................................................................... 2
Steuerschuldner bei Bauleistungen – ergänzendes BMF-Schreiben ................................................................................... 2
§ 4 EStG ....................................................................................................................................................................... 4
Beschränkter Schuldzinsenabzug bei Personengesellschaften........................................................................................... 4
§ 7 EStG ....................................................................................................................................................................... 5
Übernahme einer medizinischen Einzelpraxis ..................................................................................................................... 5
§ 7g EStG ..................................................................................................................................................................... 7
Investitionsabzugsbetrag bei Nutzung eines Wirtschaftsguts in verschiedenen Betrieben....................................................... 7
§ 9 EStG ....................................................................................................................................................................... 9
Heimatflughafen eines Piloten bis 2013 keine regelmäßige Arbeitsstätte ........................................................................... 9
§ 9 EStG ..................................................................................................................................................................... 12
Tunnelbaustelle ist keine regelmäßige Arbeitsstätte...................................................................................................... 12
§ 9 EStG ..................................................................................................................................................................... 14
Doppelte Haushaltsführung auch innerhalb einer Gemeinde möglich............................................................................... 14
§ 9 EStG ..................................................................................................................................................................... 16
Poolarbeitsplatz als „anderer Arbeitsplatz“ .................................................................................................................. 16
§ 16 EStG ................................................................................................................................................................... 18
Buchwertfortführung durch Realteilung bei Auflösung einer Personengesellschaft ............................................................. 18
§ 20 EStG ................................................................................................................................................................... 20
Verlustverrechnung bei Kapitaleinkünften ................................................................................................................... 20
§ 21 EStG ................................................................................................................................................................... 22
Nachträglicher Schuldzinsenabzug nach Veräußerung ................................................................................................... 22
§ 21 EStG ................................................................................................................................................................... 24
Nutzungsüberlassung bei „Kaufvertrag“ über Salzabbaugerechtigkeiten? ........................................................................ 24
§ 32 EStG ................................................................................................................................................................... 25
Kindergeldunschädliches geringfügiges Beschäftigungsverhältnis ................................................................................... 25
§ 32d EStG ................................................................................................................................................................. 26
Besteuerung von Zinserträgen aus Ehegattendarlehen.................................................................................................. 26
§ 33 EStG ................................................................................................................................................................... 27
Aufwendungen für Heileurythmie als außergewöhnliche Belastung ................................................................................. 27
§ 34 EStG ................................................................................................................................................................... 29
Tarifbegünstigung von Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten.................................................................................... 29
§ 35a EStG ................................................................................................................................................................. 31
Winterdienst auf öffentlichen Gehwegen als haushaltsnahe Dienstleistung ...................................................................... 31
§ 35 EStG ................................................................................................................................................................... 33
Aufwendungen für einen Hausanschluss als steuerbegünstigte Handwerkerleistung .......................................................... 33
§ 63 EStG ................................................................................................................................................................... 35
Kein Kindergeld für behindertes Kind in Haft ..................................................................................................................... 35
§ 63 EStG ................................................................................................................................................................... 36
Fehlender inländischer Wohnsitz des Kindes .................................................................................................................. 36
§ 6a GrEStG................................................................................................................................................................ 37
Vorbehaltensfrist bei Vorliegen einer Umwandlung durch Neugründung .......................................................................... 37
§ 9 UStG .................................................................................................................................................................... 39
Zeitliche Grenze der Rücknahme des Verzichts auf Steuerbefreiungen ............................................................................ 39
§ 15 UStG................................................................................................................................................................... 41
Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden ................................................................................................. 41
UStG .......................................................................................................................................................................... 43
Zurechnung der Umsätze von Eheleuten bei Ebay-Verkäufen......................................................................................... 43
AStW 2014/02
§ 13b UStG
Steuerschuldner bei Bauleistungen –
ergänzendes BMF-Schreiben
| Die Finanzverwaltung hat sich der neuen Rechtsprechung des BFH zur Steuerschuldnerschaft
bei Bauträgern angeschlossen. Das hierzu ergangene BMF-Schreiben gilt für alle offenen Fälle.
Somit können alle Bauträger die zu viel abgeführte Umsatzsteuer – ein Vorsteuerabzug
war i.d.R. aufgrund der Steuerbefreiung in § 4 Nr. 9 UStG nicht möglich – inklusive der
Zinsen zurückfordern. Wer von dieser Regelung profitieren kann und noch nicht gehandelt
hat, sollte sich beeilen: Die Finanzverwaltung scheint bestrebt zu sein, in allen offenen Fällen
den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben. |
Hintergrund
Der BFH hat im letzten Jahr entschieden, dass bei Bauleistungen an Bauträger die
Steuerschuldnerschaft häufig nicht auf den Bauträger als Leistungsempfänger übergeht. Die
Finanzverwaltung hat sich hierzu mit Schreiben vom 5.2.2014 geäußert und die bisherige
Verwaltungsauffassung grundlegend geändert. Am 8.5.2014 hat das BMF ein weiteres
Schreiben veröffentlicht.
Demnach wird es nicht beanstandet, wenn leistender Unternehmer und Leistungsempfänger
für eine Bauleistung, die vor dem 15.2.2014 ausgeführt wurde, einvernehmlich an der
Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers festhalten. Dies soll auch dann gelten, wenn
in
Anwendung
des
BFH-Urteils
der
leistende
Unternehmer
Steuerschuldner
wäre.
Rechnungsberichtigungen sind nach Ansicht des BMF dann nicht notwendig.
Bei nach dem 14.2.2014 ausgeführten Bauleistungen schuldet nunmehr der leistende
Unternehmer die Steuer. Er hat somit eine Rechnung auszustellen, in der er den
anzuwendenden Steuersatz und den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag anzugeben
hat. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der leistende Unternehmer das Entgelt oder
Teile des Entgelts vor dem 15.2.2014 vereinnahmt hat oder nicht. Auch in Fällen, in denen
bereits vor dem 15.2.2014 Anzahlungen geleistet bzw. vereinnahmt wurden, schuldet der
leistende Unternehmer die Steuer auf das gesamt Entgelt. Hierdurch kann es zu erheblichen
Nachforderungen zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Leistungsempfänger
kommen.
AStW 2014/03
Anmerkungen
Zudem kündigt das BMF ein gesondertes BMF-Schreiben zur Frage des Vertrauensschutzes
des leistenden Unternehmers an. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Finanzverwaltung
nunmehr bei den Leistungserbringern versuchen wird, die Umsatzsteuer zu erheben. Ob diese
Möglichkeit besteht, ist jedoch umstritten.
In der Literatur wird der Vertrauensschutz aus § 176 Abs. 2 AO für den leistenden
Unternehmer
bejaht.
Er
Umsatzsteuervoranmeldungen
soll
auch
abgegeben
dann
wurden,
da
gelten,
diese
wenn
nach
§
Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen.
FUNDSTELLE

BMF 8.5.14, IV D 3-S 7279/11/10002-03, astw.iww.de Abruf-Nr. 141558
bisher
168
AO
nur
einer
AStW 2014/04
§ 4 EStG
Beschränkter Schuldzinsenabzug
bei Personengesellschaften
| Schuldzinsen sind nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt
worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des
Gewinns
und
der
Einlagen
des
Wirtschaftsjahres
übersteigen.
Die
nicht
abziehbaren
Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der
Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den
vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen
haben, ermittelt. |
Gesellschafterdarlehen
Bei einer Personengesellschaft ist zu beachten, dass die von ihr gezahlten Schuldzinsen für
ein Darlehen des Gesellschafters an die Gesellschaft im Rahmen der Hinzurechnung gemäß §
4 Abs. 4a EStG nicht zu berücksichtigen sind. Denn nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4a
EStG
ist
der
Betriebsausgabenabzug
betrieblich
veranlasster
Schuldzinsen
teilweise
rückgängig zu machen, soweit der betriebliche Zinsaufwand durch Überentnahmen und damit
durch außerbetriebliche Vorgänge veranlasst ist. Die Beschränkung des Abzugs betrieblich
veranlasster Schuldzinsen setzt daher denknotwendig voraus, dass die Schuldzinsen
tatsächlich auch gewinnwirksam (aufwandswirksam) bei der steuerlichen Gewinnermittlung
berücksichtigt worden sind. Dies ist jedoch bei Zinsen für ein Gesellschafterdarlehen nicht der
Fall, da die Gewinnauswirkung im Gesamthandsvermögen (Gesellschaftsbilanz) durch die
Hinzurechnung der Schuldzinsen als Sondervergütung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1
Hs. 2 EStG wieder neutralisiert wird.
Aktuelle Entscheidung des BFH
Der BFH hat nun entschieden, dass diese Grundsätze gleichermaßen gelten, wenn der
Gesellschafter
nicht
Personengesellschaften
unmittelbar,
an
einer
sondern
nur
mittelbar
Personengesellschaft
über
beteiligt
eine
ist.
oder
Der
mehrere
mittelbare
Gesellschafter ist nämlich einem unmittelbaren Gesellschafter in Bezug auf Tätigkeits- und
Nutzungsvergütungen sowie Sonderbetriebsvermögen gleichgestellt.
FUNDSTELLE

BFH 12.2.14, IV R 22/10, astw.iww.de Abruf-Nr. 141860
AStW 2014/05
§ 7 EStG
Übernahme einer medizinischen Einzelpraxis
| In der aktuellen Entscheidung des FG Nürnberg war streitig, ob der Steuerpflichtige beim
Erwerb einer radiologisch-nuklear-medizinischen Praxis lediglich den wirtschaftlichen Vorteil
aus der Vertragsarztzulassung oder die gesamte Praxis erworben hatte. Das FA gelangte im
Rahmen einer Außenprüfung zu der Auffassung, dass der für die Praxis gezahlte Kaufpreis
ausschließlich für den Erwerb der Vertragsarztzulassung gezahlt worden sei. Somit liege ein
nicht abnutzbares Wirtschaftsgut vor. Insoweit handele es sich um ein nicht abschreibbares
immaterielles Wirtschaftsgut, das ausschließlich in dem mit der Vertragsarztzulassung
verbundenen wirtschaftlichen Vorteil bestehe. |
Finanzgerichtliche Entscheidung
Auch im finanzgerichtlichen Verfahren hatte der Steuerpflichtige keinen Erfolg. Zwar ist beim
Erwerb einer Vertragsarztpraxis im Regelfall neben dem erworbenen Praxiswert kein weiteres
selbstständiges immaterielles Wirtschaftsgut in Form des „mit einer Vertragsarztzulassung
verbundenen wirtschaftlichen Vorteils" vorhanden. Der Kaufpreis für eine Vertragsarztpraxis
lässt sich aber grundsätzlich nicht – auch nicht teilweise – dem wirtschaftlichen Vorteil aus der
Vertragsarztzulassung zuordnen. Der Erwerb einer eingeführten Arztpraxis schafft für den
Erwerber die Grundlage für die freiberufliche Tätigkeit. Das erworbene Chancenpaket bildet den
Praxiswert, der sich aus den verschiedenen wertbildenden Einzelbestandteilen zusammensetzt
(Patientenstamm, Standort, Umsatz, Facharztgruppe). Es handelt sich um einen Inbegriff von
im Einzelnen nicht messbaren Faktoren.
Diese Rechtsfolge ergibt sich nach Auffassung des FG jedoch nur dann, wenn sich der
Kaufpreis einer Praxis ausschließlich nach ihrem Verkehrswert richtet. In diesem Fall lässt
sich
von
dem
Praxiswert
kein
gesondertes
Wirtschaftsgut
„Vorteil
aus
der
Vertragsarztzulassung" abspalten. Dagegen kann ein unselbstständiger werterhöhender
Faktor eines Wirtschaftsguts zum Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs gemacht und
dadurch zu einem selbstständigen immateriellen Wirtschaftsgut konkretisiert werden (BFH
9.8.11, VIII R 13/08, BStBl II 2011, 875).
Diese
Voraussetzungen
lagen
im
Streitfall
vor,
da
aufgrund
eines
vorliegenden
Wertgutachtens der tatsächlich vereinbarte und geleistete Kaufpreis erheblich von dem
ermittelten Praxiswert abwich. Das FG kam daher zu dem Ergebnis, dass der Steuerpflichtige
AStW 2014/06
nicht die Praxis als solche, sondern den mit der Vertragsarztzulassung verbundenen
wirtschaftlichen Vorteil und damit ein nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut
erworben hatte. In einem derartigen Fall ist daher keine Aufspaltung des Kaufpreises in einen
Preis für die Praxis und einen für den Vertragsarztsitz vorzunehmen.
FUNDSTELLE

FG Nürnberg 12.12.13, 6 K 1496/12, Revision unter VIII R 7/14, astw.iww.de Abruf-Nr.
141962
AStW 2014/07
§ 7g EStG
Investitionsabzugsbetrag bei Nutzung eines
Wirtschaftsguts in verschiedenen Betrieben
| Im
Streitfall
vor
dem
BFH
ging
es
um
einen
Steuerpflichtigen,
der
aus
einem
selbstbewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft
erzielte, die er durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte. Darüber hinaus führte er als
Lohnunternehmer Arbeiten für andere Landwirte aus und wurde insoweit gewerblich tätig. Den
dort erzielten Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. |
Sachverhalt
Streitig war nun ein Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG in Höhe von 72.000 EUR, den
der Steuerpflichtige in 2008 für die voraussichtliche Anschaffung eines Mähdreschers geltend
machte. Tatsächlich erwarb er den Mähdrescher im Folgejahr 2009 für 180.000 EUR, der nach
seinen Angaben zu 80 % im Lohnunternehmen und zu 20 % im landwirtschaftlichen Betrieb
eingesetzt werden sollte. Das Fahrzeug wurde dem Betriebsvermögen des Lohnunternehmens
zugeordnet. Das FA versagte jedoch den begehrten Abzug mit der Begründung, der
Steuerpflichtige nutze den Mähdrescher zu mehr als 10 % außerhalb seines gewerblichen
Betriebs und erfülle damit nicht das Erfordernis der fast ausschließlichen betrieblichen
Nutzung (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EStG). Auch das Klageverfahren blieb für den
Steuerpflichtigen erfolglos.
Entscheidung
Der BFH sieht dies jedoch anders und entschied, dass die Nutzungsvoraussetzung des § 7g
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EStG auch dann erfüllt ist, wenn der Steuerpflichtige ein
Wirtschaftsgut sowohl in seinem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb als auch in den
landwirtschaftlichen Betrieben Dritter einsetzt. Dies gilt selbst dann, wenn der Einsatz in den
fremden
Betrieben
Gewerbebetrieb
dazu
führt,
dass
(Lohnunternehmen)
diese
Tätigkeit
verselbstständigt
ertragsteuerrechtlich
und
das
zu
Wirtschaftsgut
einem
dem
Betriebsvermögen dieses Gewerbebetriebs zugeordnet wird.
Die Gewährung des Investitionsabzugsbetrags setzt dann allerdings voraus, dass das
Größenmerkmal des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG (der durch Bilanzierung ermittelte
gewerbliche Gewinn darf aktuell 235.000 EUR nicht überschreiten) unter Einbeziehung
desjenigen Betriebs, in dem das Wirtschaftsgut ebenfalls genutzt werden soll, nicht
AStW 2014/08
überschritten wird. Da im Streitfall das FG diese Voraussetzung nicht geprüft hatte, verwies
der BFH den Streitfall an die Vorinstanz zur weiteren Sachaufklärung zurück.
Praxishinweis | Bei der Prüfung des Größenmerkmals sind der durch Bestandsvergleich
ermittelte
Gewinn
des
land-
und
forstwirtschaftlichen
Betriebs
und
der
durch
Überschussrechnung ermittelte Gewinn aus dem Lohnunternehmen zu addieren und mit dem
sich aus § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a EStG ergebenden Höchstbetrag zu vergleichen. Dabei hält
es der BFH aus Vereinfachungsgründen und wegen der Totalgewinngleichheit der beiden
Gewinnermittlungsarten für sachgerecht, den Gewinn des landwirtschaftlichen Betriebs ohne
Anpassung an die Grundsätze der Einnahmen-Überschuss-Rechnung dem Gewinn aus dem
Lohnunternehmen hinzuzurechnen.
FUNDSTELLE

BFH 19.3.14, X R 46/11, astw.iww.de Abruf-Nr. 141768
AStW 2014/09
§ 9 EStG
Heimatflughafen eines Piloten bis 2013 keine
regelmäßige Arbeitsstätte
| Der BFH musste aktuell entscheiden, ob Aufwendungen eines Verkehrsflugzeugführers für die
Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Heimatflughafen nur mit der Entfernungspauschale
in Höhe von 0,30 EUR je Entfernungskilometer (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) oder nach
Dienstreisegrundsätzen mit 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer zu berücksichtigen sind. |
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige ist Berufspilot und als Verkehrsflugzeugführer bei einer Fluggesellschaft
beschäftigt. Das FA berücksichtigte seine Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem
Heimatflughafen
im
Streitjahr
2007
lediglich
nach
den
Grundsätzen
der
Entfernungspauschale. Das FG kam dagegen zu dem Ergebnis, dass aufgrund der geänderten
Rechtsprechung des BFH zur Auslegung des Begriffs der regelmäßigen Arbeitsstätte der
Heimatflughafen nicht mehr als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen sei und daher die
Fahrten dorthin nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind.
Entscheidung
Der BFH gab dem Steuerpflichtigen ebenfalls Recht. Regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne der
bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2013 geltenden Fassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4
EStG ist nach der neueren Rechtsprechung des BFH nur der ortsgebundene Mittelpunkt der
dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers. Damit ist es der Ort, an dem
der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen
hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb, Zweigbetrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers,
denen der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer
gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht.
Eine Arbeitsstätte ist allerdings nicht jeder beliebige Tätigkeitsort, sondern der Ort, an dem
der Arbeitnehmer typischerweise seine Arbeitsleistung im Schwerpunkt zu erbringen hat.
Insoweit ist entscheidend, wo sich der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit
eines Arbeitnehmers befindet. Dort – und nur dort – liegt die eine regelmäßige Arbeitsstätte,
die ein Arbeitnehmer nur haben kann. Dieser Mittelpunkt der dauerhaft angelegten
beruflichen Tätigkeit bestimmt sich somit nach den qualitativen Merkmalen einer wie auch
immer gearteten Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte im Einzelnen
AStW 2014/010
wahrnimmt oder wahrzunehmen hat, sowie nach dem konkreten Gewicht dieser dort
verrichteten Tätigkeit.
Ist der Arbeitnehmer nicht an einer solchen dauerhaften betrieblichen Einrichtung tätig, liegt
regelmäßig eine Auswärtstätigkeit vor. Dies ist deshalb der Fall, weil der Arbeitnehmer
entweder vorübergehend von seiner Wohnung und auch dem ortsgebundenen Mittelpunkt
seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit (Tätigkeitsmittelpunkt) entfernt tätig wird
oder weil er schon über keinen dauerhaft angelegten ortsgebundenen Bezugspunkt für seine
berufliche Tätigkeit verfügt, sondern nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf
einem Fahrzeug eingesetzt wird.
Nach diesen Grundsätzen übt ein Verkehrsflugzeugführer eine Auswärtstätigkeit aus, und
zwar unabhängig davon, ob die der Fluggesellschaft als Arbeitgeberin möglicherweise
zuzuordnenden betrieblichen Einrichtungen auf dem Flughafengelände des Flughafens die
Voraussetzungen einer regelmäßigen Arbeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG
erfüllen.
Der Steuerpflichtige war als Verkehrsflugzeugführer und damit schwerpunktmäßig in einem
Flugzeug, das mangels Ortsfestigkeit seinerseits keine regelmäßige Arbeitsstätte ist, auswärts
tätig.
Der BFH hob hervor, dass selbst dann, wenn die Einrichtungen der Fluggesellschaft auf dem
Flughafengelände
als
betriebliche
Einrichtung
der
Arbeitgeberin
des
Steuerpflichtigen
anzusehen wären, es nicht genügt, dass der Steuerpflichtige diese (ggf. sogar arbeitstäglich)
aufgesucht hat. Entscheidend ist vielmehr, dass er seiner eigentlichen Tätigkeit, dem Führen
eines Verkehrsflugzeugs, außerhalb der Einrichtungen der Fluggesellschaft nachgegangen ist.
Praxishinweis |
Die
Veranlagungszeitraum
Entscheidung
2013.
Ab
betrifft
die
Rechtslage
Veranlagungszeitraum
2014
bis
ist
einschließlich
die
geänderte
Rechtsprechung des BFH zur regelmäßigen Arbeitsstätte (Bestimmung nach dem qualitativen
Schwerpunkt der Tätigkeit) aufgrund der gesetzlichen Änderungen durch das Gesetz zur
Änderung
und
Vereinfachung
der
Unternehmensbesteuerung
und
des
steuerlichen
Reisekostenrechts v. 20.2.2013 (BStBl. I 2013, 188) gegenstandslos geworden. Nunmehr
bestimmt sich die erste Tätigkeitsstätte nach der dauerhaften Zuordnung des Arbeitgebers (§
9 Abs. 4 Satz 1 EStG). Eine solche ist immer dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer dort
zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden soll (Auftragsbestätigungen, Stundenzettel,
Krank- und Urlaubsmeldung abgeben etc.). Ist der Arbeitnehmer der Tätigkeitsstätte dagegen
AStW 2014/011
nicht dauerhaft zugeordnet, kommen quantitative Zuordnungskriterien zur Anwendung, die
den vorgenannten Umfang deutlich überschreiten müssen (siehe hierzu im Einzelnen BMF
30.9.2013, IV C 5 – S 2353/13/10004, BStBl. I 2013, 1279 Rz. 25, 26).
FUNDSTELLE

BFH 26.2.14, VI R 68/12, astw.iww.de Abruf-Nr. 141963
AStW 2014/012
§ 9 EStG
Tunnelbaustelle ist keine regelmäßige
Arbeitsstätte
| Der BFH hatte aktuell zu klären, ob Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und
einer
Tunnelbaustelle
nach
Maßgabe
der
Entfernungspauschale
mit
0,30
EUR
je
Entfernungskilometer oder nach Dienstreisegrundsätzen mit 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer
als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. |
Grundsatz
Eine regelmäßige Arbeitsstätte kann nur eine ortsfeste, dauerhafte betriebliche Einrichtung
des Arbeitgebers sein, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich,
sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder (dauerhaft)
aufsucht. Regelmäßig handelt es sich dabei um den Betrieb des Arbeitgebers oder einen
Zweigbetrieb, nicht aber um die Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung des Kunden
des Arbeitgebers.
Entscheidung des BFH
Vor diesem Hintergrund hat der BFH entschieden, dass Bauausführungen oder Montagen
keine regelmäßigen Arbeitsstätten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sind. Denn es
handelt sich dabei um vorübergehende und nicht um dauerhafte Tätigkeitsstätten, auch wenn
dort nach § 12 Satz 2 AO eine Betriebsstätte oder Geschäftseinrichtung des Arbeitgebers
belegen sein sollte.
Diese Sichtweise gilt auch für auswärtige (Groß-)Baustellen. Auch eine auswärtige Baustelle
ist typisiert betrachtet kein dauerhafter, sondern nur ein vorübergehender – bis zur
Fertigstellung des Bauvorhabens zeitlich begrenzter – Tätigkeitsort des Arbeitnehmers.
Welche
infrastrukturellen
Gegebenheiten
der
Arbeitgeber
dort
vorhält,
ist
deshalb
unerheblich. Ohne Bedeutung ist auch, ob der Arbeitnehmer die Baustelle fortdauernd und
immer
wieder
(dauerhaft)
–
u.U.
für
die
gesamte
Dauer
seines
(befristeten)
Beschäftigungsverhältnisses – aufsucht. Denn eine auswärtige Tätigkeitsstätte oder eine
Baustelle wird nicht durch bloßen Zeitablauf zu einer regelmäßigen Arbeitsstätte i.S. von § 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.
AStW 2014/013
Praxishinweis | Die
Entscheidung
betrifft
die
Rechtslage
bis
einschließlich
Veranlagungszeitraum 2013. Ab 2014 kommt die Entfernungspauschale zur Anwendung,
wenn eine sog. erste Tätigkeitsstätte vorliegt, die auch in Form einer auswärtigen Baustelle
vorliegen kann.
FUNDSTELLE

BFH 20.3.14, VI R 74/13, astw.iww.de Abruf-Nr. 141845
AStW 2014/014
§ 9 EStG
Doppelte Haushaltsführung auch innerhalb einer
Gemeinde möglich
| Arbeitnehmer können u.a. notwendige Mehraufwendungen, die ihnen wegen einer aus
beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, als Werbungskosten
abziehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG). Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer außerhalb
des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am
Beschäftigungsort wohnt. |
Interpretation des Gesetzes durch den BFH
Dabei ist der Begriff des Beschäftigungsortes weit auszulegen. Darunter ist insbesondere
nicht nur dieselbe politische Gemeinde zu verstehen. Der BFH (19.4.12, VI R 59/11, BStBl II
2012, 833) leitet aus der gesetzlichen Definition der doppelten Haushaltsführung und der
beruflichen Veranlassung der Errichtung eines Zweithaushalts am Beschäftigungsort her, dass
der Arbeitnehmer in einer Wohnung am Beschäftigungsort wohnt, wenn er von dort aus
ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen seine Arbeitsstätte täglich aufsuchen kann.
Dies hat er in der vorgenannten Entscheidung bei einer Zugfahrzeit von einer Stunde und
einer Entfernung zwischen Zweitwohnung und Arbeitsplatz von 141 km bejaht.
Die politische Gemeinde
Zur Möglichkeit der Annahme einer doppelten Haushaltsführung bei Belegenheit sowohl des
eigenen Hausstandes wie der Zweitwohnung in der Nähe des Arbeitsplatzes in derselben
politischen Gemeinde hat sich bislang in der Rechtsprechung lediglich das FG BerlinBrandenburg (29.7.85, VIII 221/84, EFG 86, 286) geäußert. Danach ist der Ort des eigenen
Hausstandes
nicht
identisch
mit
der
politischen
Gemeinde
und
eine
doppelte
Haushaltsführung deshalb grundsätzlich auch innerhalb einer großflächigen politischen
Gemeinde möglich. Das FG Berlin stellt für die Eingrenzung des Ortes des eigenen
Hausstandes darauf ab, wo der Ort des privaten Lebensmittelpunktes liegt. Dort werden
üblicherweise die mit der Führung eines privaten Haushaltes verbundenen und von der
Wohnung
aus
unternommenen
Besorgungen
erledigt.
Dies
ist
der
Radius,
in
dem
Lebensmittelläden, Drogerien, Apotheken, Postamt, Bank und Tankstelle erreicht und übliche
Spaziergänge unternommen werden können. Bei einer im Streitfall vorliegenden Entfernung
der Zweitwohnung von 15 bis 20 km von der Familienwohnung hat das FG Berlin
AStW 2014/015
angenommen, dass die Zweitwohnung nicht mehr am Ort des eigenen Hausstandes liegt, hat
aber auch die Notwendigkeit der Prüfung der beruflichen Veranlassung betont.
Das FG Hamburg hat diese Rechtsauffassung jetzt aufgegriffen und modifiziert. Nach seiner
Auffassung kann für die Beurteilung, ob Beschäftigungsort und Ort des eigenen Hausstands
auseinanderfallen, nicht allein darauf abgestellt werden, wie weit der Ort des eigenen
Hausstandes als Ort des privaten Lebensmittelpunktes reicht. Vielmehr muss auch in den
Blick genommen werden, dass der Beschäftigungsort nicht eng zu verstehen ist, sondern eine
Wohnung am Beschäftigungsort vorliegt, wenn der Arbeitnehmer von dort in zumutbarer
Weise täglich seine Arbeitsstätte aufsuchen kann. Eine doppelte Haushaltsführung innerhalb
einer großflächigen politischen Gemeinde kann daher nur dann vorliegen, wenn der Ort des
eigenen Hausstandes und Beschäftigungsort sowohl aus der Perspektive des eigenen
Hausstandes wie aus der Perspektive des Beschäftigungsortes auseinanderfallen.
Fahrzeit unter einer Stunde
Befindet sich der eigene Hausstand am Beschäftigungsort, scheidet daher eine doppelte
Haushaltsführung
aus.
Es
kommt
bei
dieser
Beurteilung
auch
darauf
an,
ob
der
Steuerpflichtige seinen Arbeitsplatz in der Großstadt in zumutbarer Weise täglich vom
eigenen Hausstand aus aufsuchen kann und der eigene Hausstand daher auch dem
Beschäftigungsort zuzurechnen ist. Das FG hat die Klage abgewiesen, weil eine Entfernung
von 25 km bei einer Fahrzeit von 41 Minuten mit dem Pkw bzw. eine Wegezeit von unter
einer Stunde bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel unter großstädtischen Bedingungen
auch für den täglichen Arbeitsweg üblich und ohne weiteres zumutbar ist.
FUNDSTELLE

FG Hamburg 26.2.14, 1 K 234/12, astw.iww.de Abruf-Nr. 141964
AStW 2014/016
§ 9 EStG
Poolarbeitsplatz als „anderer Arbeitsplatz“
| Der Werbungskostenabzug für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ist bis zur
Höhe von max. 1.250 EUR möglich, wenn dem Steuerpflichtigen für seine betriebliche oder
berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). „Anderer Arbeitsplatz" i.S. dieser Vorschrift ist grundsätzlich jeder
Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weitere Anforderungen an
die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes sind nicht zu stellen. Die Abzugsbeschränkung setzt
insbesondere keinen eigenen, räumlich abgeschlossenen Arbeitsbereich voraus. Auch ein
Raum, den sich der Steuerpflichtige mit weiteren Personen teilt, kann ein anderer Arbeitsplatz
im Sinne der Abzugsbeschränkung sein, z.B. auch ein Großraumbüro oder ein Poolarbeitsplatz.
|
Entscheidung des BFH
Der BFH hat nun jedoch entschieden, dass ein Poolarbeitsplatz, bei dem sich acht
Großbetriebsprüfer drei Arbeitsplätze für die vor- und nachbereitenden Arbeiten der
Prüfungen teilen, nicht als anderer Arbeitsplatz im vorgenannten Sinne zur Verfügung steht,
wenn er zur Erledigung der Innendienstarbeiten nicht in dem erforderlichen Umfang genutzt
werden
kann.
In
einem
solchen
Fall
ist
also
der
auf
1.250
EUR
beschränkte
Werbungskostenabzug von Arbeitszimmeraufwendungen möglich.
Begründung des BFH
Der BFH begründet seine dem Steuerpflichtigen recht gebende Entscheidung insbesondere
mit dem Hinweis, dass der andere Arbeitsplatz nur dann für die betriebliche oder berufliche
Tätigkeit zur Verfügung steht, wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen
Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise auch tatsächlich nutzen kann. Denn
nur dann ist der Steuerpflichtige nicht auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen. Muss er
hingegen dort einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit verrichten, weil er
seinen Arbeitsplatz nur eingeschränkt nutzen kann, kommt das Abzugsverbot nach seinem
Sinn und Zweck nicht zum Tragen. Denn auch in einem solchen Fall ist das häusliche
Arbeitszimmer notwendig und er kann sich diesen Aufwendungen nicht entziehen.
Praxishinweis | Nutzungsmöglichkeit in dem erforderlichen Umfang bedeutet dabei nicht
"jederzeitige Zugriffsmöglichkeit" auf den anderen Arbeitsplatz. Dies ist nicht zwingende
AStW 2014/017
Voraussetzung des beschränkten Werbungskostenabzugs. Daher kann grundsätzlich auch ein
Poolarbeitszimmer als ein anderer Arbeitsplatz i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG
zur Verfügung stehen, wenn bei diesem nach den tatsächlichen Gegebenheiten, insbesondere
durch eine ausreichende
Anzahl an
Poolarbeitsplätzen gegebenenfalls
ergänzt
durch
arbeitgeberseitig organisierte dienstliche Nutzungseinteilungen gewährleistet ist, dass der
Arbeitnehmer seine beruflichen Tätigkeiten in dem konkret erforderlichen Umfang dort
erledigen
kann.
Im
Streitfall
war
jedoch
aufgrund
der
zu
geringen
Anzahl
an
Poolarbeitsplätzen gerade nicht gewährleistet, dass dem Steuerpflichtigen in zeitlicher
Hinsicht für seine gesamte Innendiensttätigkeit tatsächlich ein anderer Arbeitsplatz an der
Dienststelle zur Verfügung stand.
FUNDSTELLE

BFH 26.2.14, VI R 37/13, astw.iww.de Abruf-Nr. 141691
AStW 2014/018
§ 16 EStG
Buchwertfortführung durch Realteilung bei
Auflösung einer Personengesellschaft
| Werden
bei
einer
Personengesellschaft
im
Zuge
einer
Realteilung
Teilbetriebe,
Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der
einzelnen
Mitunternehmer
übertragen,
sind
bei
der
Ermittlung
des
Gewinns
der
Mitunternehmerschaft die Wirtschaftsgüter mit ihren Buchwerten anzusetzen (§ 16 Abs. 3 S. 2
EStG). Dies hat zur Folge, dass eine gewinnerhöhende Realisierung der stillen Reserven
vermieden
wird.
Nach
Auffassung
des
FG
Köln
gilt
das
auch
dann,
wenn
die
Personengesellschaft durch Liquidation aufgelöst wird und der bisherige Betrieb durch einen
Gesellschafter fortgeführt wird. |
Das FG machte insoweit deutlich, dass die Realteilung sogar zwingend eine Fortsetzung der
betrieblichen
Tätigkeit
erfordert,
denn
die
bisherigen
Mitunternehmer
müssen
die
Wirtschaftsgüter anderen Betriebsvermögen zuführen, damit die spätere Versteuerung der
stillen Reserven weiterhin gesichert ist: Anders als die Betriebsveräußerung und die
Betriebsaufgabe erfordert die Realteilung daher die Fortsetzung – irgendeiner – betrieblichen
Betätigung
durch
die
Realteiler.
Diese
kann
durchaus
auch
–
wie
im
Streitfall
-
branchenidentisch sein.
Im Streitfall hatte der Kommanditist einer GmbH & Co. KG den bisherigen Betrieb der
Gesellschaft
als
Einzelunternehmen
fortgeführt.
Dabei
war
der
Umstand,
Komplementär-GmbH, die nicht am Vermögen der KG beteiligt
Vermögensauseinandersetzung
beteiligt
wurde,
für
die
Annahme
dass
die
war, nicht an der
einer
Realteilung
unschädlich. Das FG machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass es nicht dem Wesen
der steuerlichen Realteilung als einem dem Zivilrecht folgenden Institut entsprechen könne,
für steuerliche Zwecke eine Beteiligung einer nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligten
Komplementär-GmbH an der Auseinandersetzung zu verlangen, obgleich dies wirtschaftlich
widersinnig wäre.
Praxishinweis | Grundsätzlich gilt: Partizipiert ein Mitunternehmer nicht am Vermögen der
Gesellschaft, muss er für Zwecke der Realteilung auch nicht mit Vermögensgegenständen
abgefunden werden.
AStW 2014/019
FUNDSTELLE

FG Köln 12.3.14, 4 K 1546/10, astw.iww.de Abruf-Nr. 141965
AStW 2014/020
§ 20 EStG
Verlustverrechnung bei Kapitaleinkünften
| Nach Einführung der Abgeltungsteuer ist zwischen Kapitalerträgen, die dem besonderen
Steuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG unterliegen und Kapitalerträgen, die tariflich besteuert
werden (§ 32d Abs. 2 EStG) zu unterscheiden. Das FG Rheinland-Pfalz hat nun entschieden,
dass eine Verrechnung von negativen Kapitalerträgen, die der Besteuerung nach § 32d Abs. 1
EStG unterliegen, mit positiven Kapitalerträgen, die gemäß § 32d Abs. 2 EStG tariflich
besteuert werden, nicht möglich ist. |
Begründung
Dass die Verrechnung nicht möglich ist, folgt nach Auffassung des Gerichts aus der
Einführung
der
abgeltenden
Kapitalertragsteuer
und
eines
diesbezüglichen
eigenen
Steuertarifs für Kapitaleinkünfte in § 32d Abs. 1 EStG.
Da private Kapitaleinkünfte nur noch mit einem reduzierten definitiven Steuersatz von 25 %
belegt sind, erschien es dem Gesetzgeber erforderlich, eine Verlustverrechnung nur noch
innerhalb dieser Einkunftsart zuzulassen (§ 20 Abs. 6 EStG). Anderenfalls könnten Verluste
aus steuerlich niedriger belasteten Einkunftsquellen durch die Verrechnung mit tarifbelasteten
positiven Einkünften aus sonstigen Einkunftsarten die steuerliche Bemessungsgrundlage für
den
höheren
progressiven
Tarif
mindern.
Aber
auch
innerhalb
der
Einkunftsart
Kapitalvermögen stehen negative Kapitalerträge, die unter den Abgeltungssteuertarif fallen,
schon deshalb für eine Verrechnung mit positiven, tariflich besteuerten Kapitalerträgen nicht
zur Verfügung, da abgeltungsbesteuerte Einkünfte in die Systematik der Ermittlung des zu
versteuernden Einkommens nach dem § 2 Abs. 2 - 5 EStG nicht einzubeziehen sind.
Eine Verlustverrechnung kann auch nicht über die sog. Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6
EStG erreicht werden, da für die nach § 32d Abs. 1 EStG belasteten Kapitalerträge auf die für
sie geltenden Voraussetzungen abzustellen ist. Dies bedeutet, dass deren Ermittlung vor
Einbeziehung in die tarifliche Besteuerung zunächst unter Berücksichtigung des § 20 Abs. 6
EStG (eingeschränkte Verlustverrechnung) sowie des § 20 Abs. 9 EStG (Ausschluss des
allgemeinen
Werbungskosten-Abzugsverbots
durch
Berücksichtigung
eines
Sparer-
Pauschbetrags) zu erfolgen hat. Erst dann kann die Höhe der so ermittelten Einkünfte aus
Kapitalvermögen zusammen mit den weiteren Einkünften in die Vergleichsberechnung der
Vorschrift einbezogen werden. Die Regelungen des § 20 Abs. 6 und Abs. 9 EStG haben
AStW 2014/021
insoweit Vorrang bei der Ermittlung der für § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG maßgeblichen
Kapitaleinkünfte, da in die Vergleichsberechnung nur diejenigen Kapitalerträge einzustellen
sind, die über den Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 EStG hinausgehen.
Praxishinweis | Das FG liegt damit auf der Linie der Verwaltungsauffassung. Im BMFSchreiben vom 9.10.12 (IV C 1 – S 2252/10/10013, BStBl. I 2012, 953 Rz. 119 a) wird die
Frage, ob Verluste aus Kapitaleinkünften, die nach § 32d Abs. 1 EStG dem besonderen
Steuersatz unterliegen, mit positiven Erträgen aus Kapitaleinkünften, die nach § 32d Abs. 2
EStG der tariflichen Steuer unterliegen, verrechnet werden dürfen, von der Finanzverwaltung
verneint. Da gegen die Entscheidung Revision eingelegt wurde, darf man auf die
Entscheidung des BFH gespannt sein.
FUNDSTELLE

FG Rheinland-Pfalz 22.1.14, 2 K 1485/12, Revision unter VIII R 11/14, astw.iww.de
Abruf-Nr. 141966
AStW 2014/022
§ 21 EStG
Nachträglicher Schuldzinsenabzug nach
Veräußerung
| Im Streitfall vor dem BFH ging es um die Frage, ob bei einem sowohl zu Wohnzwecken als
auch zu gewerblichen Zwecken vermieteten Objekt, das veräußert wird, ein weiterer,
nachträglicher
Werbungskostenabzug
von
Finanzierungskosten
möglich
ist,
wenn
der
Steuerpflichtige zuvor die Absicht der Einkünfteerzielung aufgegeben hat. |
Entscheidung
Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass ein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von
nachträglichen Schuldzinsen mit früheren Einkünften i.S. des § 21 EStG schon dem Grunde
nach nicht anzunehmen und damit ein weiterer Werbungskostenabzug ausgeschlossen ist,
wenn der Steuerpflichtige zwar ursprünglich mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat,
seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des
Immobilienobjekts aus anderen Gründen weggefallen ist.
BFH distanziert sich von der Auffassung des FG
Der BFH folgte damit nicht der vom FG vertretenen Auffassung. Das FG war der Meinung,
dass in einem solchen Fall in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung zur
Berücksichtigung betrieblich begründeter Schuldzinsen beim Übergang eines Betriebs zur
Liebhaberei (BFH 15.5.02, X R 3/99, BStBl II 2002, 809) auch bei den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung der nachträgliche Schuldzinsenabzug dahin zu erweitern sei,
dass ein solcher auch beim Übergang einer Vermietungstätigkeit zur Liebhaberei möglich
wird.
Der BFH hat den Streitfall jedoch nicht abschließend entscheiden können, sondern an die
Vorinstanz
zwecks
weiterer
Sachverhaltsermittlung
zurück
verwiesen.
Das
FG
hatte
unzulässigerweise bei Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht auf das Gesamtobjekt und nicht
auf jedes einzelne Vermietungsobjekt (Wohnung, Gewerberäume etc.) abgestellt. Die
Einkünfteerzielungsabsicht ist jedoch bezogen auf das jeweilige Vermietungsobjekt zu prüfen.
Kommt das FG nunmehr zu dem Ergebnis, dass der Steuerpflichtige zu einem bestimmten
Zeitpunkt seine Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich einzelner Objekte auf dem Grundstück
nicht aufgegeben hat, sind die geltend gemachten Schuldzinsen ggf. anteilig bei den
AStW 2014/023
hinsichtlich dieser Objekte auch nach Veräußerung des Grundstücks weiter zu ermittelnden
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
FUNDSTELLE

BFH 21.1.14, IX R 37/12, astw.iww.de Abruf-Nr. 141570
AStW 2014/024
§ 21 EStG
Nutzungsüberlassung bei „Kaufvertrag“ über
Salzabbaugerechtigkeiten?
| Die zeitlich begrenzte Überlassung von Grundstücken zur Hebung der darin ruhenden
Bodenschätze (sog. Ausbeuteverträge) stellen grundsätzlich Pachtverträge dar und führen zu
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG). Nur in besonderen Ausnahmefällen
können Ausbeuteverträge als Veräußerungsvorgänge angesehen werden, z.B. wenn es sich um
einen
zeitlich
begrenzten
Abbau
und
die
Lieferung
einer
festbegrenzten
Menge
an
Bodensubstanz handelt. Steuerlich ist entscheidend, ob sich der zu beurteilende Sachverhalt als
Überlassung zur Fruchtgewinnung und damit als Nutzung im Sinne von § 21 EStG darstellt oder
als Übertragung des überlassenen Gegenstands/Rechts und damit als (außerhalb des § 23 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht steuerbarer) Veräußerungsvorgang. |
Ob und inwieweit bei Substanzausbeuteverträgen eine zeitlich begrenzte, unter § 21 EStG
fallende entgeltliche Nutzungsüberlassung eines Grundstücks/teils oder von Rechten, die den
Vorschriften
des
bürgerlichen
Rechts
über
Grundstücke
unterliegen,
vorliegt,
hängt
maßgebend vom wirtschaftlichen Gehalt der zugrunde liegenden Vereinbarungen ab.
Sachverhalt
Im Streitfall hatte das FG nach Meinung des BFH zu Recht den Kaufvertrag über
Salzabbaugerechtigkeiten als Veräußerungsgeschäft und nicht als zu Vermietungseinkünften
führende Nutzungsüberlassung beurteilt. Bei einer Salzabbaugerechtigkeit handelt es sich
weder um ein Grundstück noch um ein beschränktes dingliches Recht an einem Grundstück,
sondern um ein grundstücksgleiches Recht, das mit seiner Eintragung in das Grundbuch von
dem weiteren rechtlichen Schicksal des Grundstücks unabhängig ist.
Die Salzabbaugerechtigkeiten wurden endgültig und unwiederbringlich veräußert und dinglich
übertragen, sodass der Steuerpflichtige damit sein Recht, die Salzstöcke abzubauen und die
Hohlräume zu nutzen, verloren hatte. Steht jedoch die endgültige Übertragung des
überlassenen Rechts (Veräußerung) und nicht die Verpachtung im Vordergrund, liegt ein
allenfalls nach § 23 EStG zu besteuerndes Veräußerungsgeschäft vor.
FUNDSTELLE

BFH 11.2.14, IX R 25/13, astw.iww.de Abruf-Nr. 141862
AStW 2014/025
§ 32 EStG
Kindergeldunschädliches geringfügiges
Beschäftigungsverhältnis
| Eine unschädliche Erwerbstätigkeit liegt (gem. § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG in der ab
2012 geltenden Fassung) nur vor, wenn diese bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher
Arbeitszeit
umfasst,
ein
Ausbildungsdienstverhältnis
oder
ein
geringfügiges
Beschäftigungsverhältnis (i.S. der §§ 8 und 8a SGB IV) vorliegen. Der BFH hatte sich nun in
einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit der Frage zu befassen, wie der Begriff
„geringfügiges Beschäftigungsverhältnis“ auszulegen ist. |
Entscheidung
Der BFH entschied, dass § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG durch die Verweisung auf § 8 SGB IV
dessen Voraussetzungen in den Tatbestand mit aufnimmt und deshalb nur
solche
Beschäftigungsverhältnisse begünstigt sind, die auch die Voraussetzungen des § 8 SGB IV
erfüllen.
Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV liegt eine geringfügige Beschäftigung nur vor,
wenn sie innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach
ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist. Die Vorschrift
stellt somit entscheidend auf das Kalenderjahr ab. Die Prüfung, ob die Zeitgrenzen
überschritten werden, ist daher in der Weise vorzunehmen, dass jeweils zu Beginn jeder
neuen als kurzfristig beabsichtigten Beschäftigung zu prüfen ist, ob die vorausgesehene
Dauer der Beschäftigung zusammen mit den schon im Laufe des Jahres ausgeübten
Beschäftigungen die geltenden Zeitgrenzen überschreitet. Es ist daher entsprechend dem
insoweit unmissverständlichen Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV regelmäßig eine
vorausschauende Betrachtungsweise geboten.
Praxishinweis | Der BFH stellte klar: „Auch wenn in § 8 SGB IV nur die Voraussetzungen
für die Versicherungsfreiheit des Beschäftigten in seiner geringfügigen Beschäftigung geregelt
sind, folgt hieraus nicht, es sei für die Kindergeldgewährung eine andere als die im
Sozialrecht vorherrschende Auslegung zugrunde zu legen“.
FUNDSTELLE

BFH 3.4.14, III B 159/13, astw.iww.de Abruf-Nr. 141967
AStW 2014/026
§ 32d EStG
Besteuerung von Zinserträgen
aus Ehegattendarlehen
| Mit
der
Neuordnung
der
Besteuerung
von
Kapitalerträgen
durch
das
Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 hat der Gesetzgeber gem. § 32 d Abs. 1 EStG einen
gesonderten Steuertarif von 25 % für Einkünfte aus Kapitalvermögen eingeführt. Da aus Sicht
des Gesetzgebers jedoch die Gefahr besteht, dass die Steuersatzspreizung ausgenutzt wird,
ohne dem Sinn und Zweck der Einführung des abgeltenden Steuersatzes zu entsprechen,
wurden in § 32 d Abs. 2 EStG im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise eine Reihe
von Fallgestaltungen normiert, in denen die Regelbesteuerung gelten soll. Dazu gehören u.a.
Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn Gläubiger und Schuldner einander
nahestehende Personen sind (§ 32 d Abs. 2 Nr. 1a EStG). Hintergrund für diese Regelung ist
der Umstand, dass eine besondere Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner besteht. |
Zinserträge aus Ehegattendarlehen
Zinserträge aus Ehegattendarlehen unterliegen daher gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG nicht
dem Abgeltungsteuersatz, da Eheleute nicht nur aus dem allgemeinen Sprachgebrauch und
aus der Legaldefinition nahestehender Personen in § 138 InsO, sondern auch aus der
bestehenden Interessenidentität heraus als nahestehende Personen im Sinne dieser Vorschrift
anzusehen sind.
Nach Auffassung des FG Köln bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen
die Vorschrift des § 32 d Abs. 2 Satz 1a EStG, die verfassungskonform dahingehend
auszulegen ist, dass sie nur Fälle eines Gesamtbelastungsvorteils (wie im vorliegenden
Streitfall bei Ehegatten) erfasst.
FUNDSTELLE

FG Köln 28.1.14, 12 K 3373/12; Revision unter VIII R 8/14, astw.iww.de Abruf-Nr.
141595
AStW 2014/027
§ 33 EStG
Aufwendungen für Heileurythmie
als außergewöhnliche Belastung
| Krankheitskosten erwachsen dem Steuerpflichtigen regelmäßig zwangsläufig im Sinne von
§ 33 EStG ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung. Sie können daher
nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Voraussetzung ist,
dass es sich um Aufwendungen handelt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B.
Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu
machen (z.B. bei Anschaffung eines Rollstuhls). |
Grundsatz
Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche
Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich
gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf. Dies gilt
aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der
Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung
der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden. Der Gesetzgeber hat
hierzu in § 64 EStDV angeordnet, dass die Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten
Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) durch eine
Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachgewiesen werden muss.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat nun entschieden, dass die Heileuryhtmie ein Heilmittel i.S. der §§ 2 und 32 SGB
V ist, da es sich um eine ärztlich verordnete Dienstleistung handelt, die einem Heilzweck
dient
oder
einen
Heilerfolg
sichern
soll
und
nur
von
entsprechend
ausgebildeten,
berufspraktisch erfahrenen Personen erbracht werden darf. Entsprechende Aufwendungen
sind daher nach § 33 EStG abziehbar, wenn der Steuerpflichtige deren Zwangsläufigkeit
durch
eine
Verordnung
eines
Arztes
oder
Heilpraktikers
(§
64
Abs.
1
Nr. 1 EStDV) nachweisen kann.
Praxishinweis | Der BFH stellte heraus, dass es zum Nachweis der Zwangsläufigkeit
derartiger
Aufwendungen
amtsärztlichen
Gutachtens
nicht
oder
eines
einer
vor
Beginn
vorherigen
der
Heilmaßnahme
ärztlichen
ausgestellten
Bescheinigung
eines
Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) bedarf. Diese Regelung (§ 64
AStW 2014/028
Abs.
1
Nr.
2
EStDV)
kommt
nur
bei
wissenschaftlich
nicht
anerkannten
Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelatund Eigenbluttherapie zur Anwendung. Die Heileuryhtmie fällt jedoch unter die in § 2 Abs. 1
Satz 2 SGB V aufgeführten besonderen Therapierichtungen, die auf der Grundlage eines von
der naturwissenschaftlich geprägten "Schulmedizin" sich abgrenzenden, weltanschaulichen
Denkansatzes
größere
Teile
der
Ärzteschaft
und
weite
Bevölkerungskreise
für
sich
eingenommen hat. Insoweit kann hier nicht von einer wissenschaftlich nicht anerkannten
Behandlungsmethode gesprochen werden.
FUNDSTELLE

BFH 26.2.14, VI R 27/13, astw.iww.de Abruf-Nr. 141861
AStW 2014/029
§ 34 EStG
Tarifbegünstigung von Vergütungen für
mehrjährige Tätigkeiten
| Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG können Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten als
außerordentliche Einkünfte begünstigt (§ 34 Abs. 1 EStG) besteuert werden. |
Der BFH hat nun entschieden, dass der Ertrag aufgrund der geballten Nachaktivierung von
Umsatzsteuer-Erstattungsansprüchen für sechs Jahre, die darauf beruhen, dass der EuGH die
gesamte
Tätigkeit
des
Steuerpflichtigen
für
umsatzsteuerfrei
hält,
auch
bei
einem
bilanzierenden Gewerbetreibenden als tarifbegünstigte Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten
anzusehen ist.
Typischerweise anfallende Progressionswirkung
Zwar sind Einnahmen, deren Höhe im Vergleich der einzelnen Jahre in Abhängigkeit vom
wirtschaftlichen Erfolg des Steuerpflichtigen schwankt, bei den Gewinneinkünften nicht
ungewöhnlich. Bei den im Streitfall in Rede stehenden Umsatzsteuer-Erstattungen trat aber
nicht nur im Einzelfall, sondern typischerweise eine Progressionswirkung ein. Es handelte sich
um einmalig anfallende Erträge, die sich für jedes verfahrensrechtlich noch offene Jahr auf 16
% des seinerzeitigen Umsatzes beliefen. Die Erstattungen betragen in derartigen Fällen, in
denen Umsatzsteuerveranlagungen für 6 bis 8 Jahre offen und damit noch änderbar sind,
insgesamt 96 bis 128 % des gewöhnlichen Umsatzes aus der Haupttätigkeit , sodass sich
typischerweise eine erhebliche Progressionswirkung ergibt.
Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche stellen auch „Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten"
i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar. Als Vergütungen kommen alle Vorteile von
wirtschaftlichem Wert in Betracht, die der Steuerpflichtige im Rahmen der jeweiligen
Einkunftsart erzielt. Eine Tätigkeit ist mehrjährig, soweit sie sich über mindestens zwei
Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.
Diese Voraussetzung war im Streitfall erfüllt, weil dem Steuerpflichtigen bisher einbehaltene
Teile des Entgelts für sechs Jahre seiner betrieblichen Tätigkeit nachgezahlt wurden. Der BFH
stellte klar, dass allein der Umstand, dass sich die zusammengeballt zu versteuernde
Vergütung aus mehreren Beträgen zusammensetzt, die jeweils einem bestimmten Einzeljahr
zugerechnet
werden
entgegensteht.
können,
der
Annahme
einer
"mehrjährigen"
Tätigkeit
nicht
AStW 2014/030
Abzustellen ist daher nicht auf den einzelnen Umsatz, für den das Entgelt in Gestalt einer
Umsatzsteuererstattung nun nachträglich realisiert wird, sondern auf die geballte Realisierung
der während eines insgesamt sechsjährigen Zeitraums erzielten Entgelt-Anteile.
Praxishinweis | Bei bilanzierenden Steuerpflichtigen ist zu beachten, dass die Grundsätze
der Bilanzierung, insbesondere die Pflicht zur Aktivierung von Forderungen und zur
Gewinnrealisierung bei teilfertigen Leistungen, Gewinnschwankungen in etwas größerem
Maße vermeiden können als dies bei Anwendung des reinen Zuflussprinzips möglich ist. Im
Streitfall war der Steuerpflichtige aber durch ein Aktivierungsverbot an der jährlichen
Realisierung der Gewinne aus den streitig gewesenen Forderungen gehindert, sodass es zu
einem späteren zusammengeballten Zufluss kam.
FUNDSTELLE

BFH 25.2.14, X R 10/12, astw.iww.de Abruf-Nr. 141863
AStW 2014/031
§ 35a EStG
Winterdienst auf öffentlichen Gehwegen
als haushaltsnahe Dienstleistung
| Die tarifliche Einkommensteuer ermäßigt sich nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG auf Antrag um
20 %, höchstens 4.000 EUR (im Streitjahr 2008: höchstens 600 EUR), der Aufwendungen des
Steuerpflichtigen für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die in einem
in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des
Steuerpflichtigen erbracht werden. Im Streitfall ging es nun um die Frage, ob Kosten der
Schneeräumung auf öffentlichen Gehwegen entlang der Grundstücksgrenze als haushaltsnahe
Dienstleistung berücksichtigt werden können. |
Sachverhalt
Unstreitig war, dass auch die Reinigung von Straßen und Gehwegen sowie der Winterdienst
zu den haushaltsnahen Dienstleistungen zählen. Diese müssen jedoch „im räumlichen Bereich
des vorhandenen Haushalts" geleistet werden. Hierzu gehört zunächst die Wohnung des
Steuerpflichtigen, aber auch der dazugehörige Grund und Boden, weil Arbeiten „auf dem
Grundstück" ebenfalls begünstigt werden sollen. Der Begriff „im Haushalt" ist daher räumlichfunktional auszulegen.
Entscheidung
Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Grenzen des Haushalts i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 1
EStG
nicht
ausnahmslos
unabhängig
von
den
Eigentumsverhältnissen
durch
die
Grundstücksgrenzen abgesteckt werden. Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von
Diensten, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund
geleistet werden, nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG begünstigt sein, vorausgesetzt, es handelt
sich dabei um Tätigkeiten, die anderenfalls üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht und
in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem
Haushalt dienen.
Hiervon ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Steuerpflichtige als Eigentümer oder
Mieter zur Reinigung und Schneeräumung von öffentlichen Straßen und (Geh)Wegen
verpflichtet
ist.
Denn
entsprechende
Dienstleistungen
sind
notwendiger
Annex
zur
Haushaltsführung und deshalb nicht nur anteilig, soweit sie auf Privatgelände entfallen,
sondern in vollem Umfang nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG begünstigt.
AStW 2014/032
Praxishinweis | Die Entscheidung des BFH korrespondiert nicht mit der Auffassung der
Finanzverwaltung, die die Aufwendungen nur insoweit anerkennt, als sie auf Privatgelände
entfallen (BMF 10.1.14, IV C 4 S 2296 b/07/0003:004, BStBl I 2014, 75 Rz. 9).
Es bleibt daher abzuwarten, ob sich die Finanzverwaltung der Auffassung des BFH
anschließen wird. Betroffene Steuerpflichtige sollten jedenfalls gegen die Berücksichtigung
der Kosten ablehnende Einkommensteuerbescheide unter Hinweis auf die Entscheidung des
BFH Einspruch einlegen.
FUNDSTELLE

BFH 20.3.14, VI R 55/12, astw.iww.de Abruf-Nr. 141766
AStW 2014/033
§ 35 EStG
Aufwendungen für einen Hausanschluss als
steuerbegünstigte Handwerkerleistung
| Der BFH hatte nun darüber zu befinden, ob und in welchem Umfang auch die auf das
öffentliche Straßenland vor dem Grundstück entfallenden Aufwendungen für den Anschluss
eines Grundstücks an zentrale Anlagen der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung
durch
den
zuständigen
Zweckverband
als
steuerbegünstigte
Handwerkerleistungen
zu
berücksichtigen sind. |
Räumlich-funktionale Auslegung des Begriffs „im Haushalt“
Aus dem Umstand, dass die Handwerkerleistung „in" einem inländischen Haushalt des
Steuerpflichtigen
handwerkliche
erbracht
werden
Tätigkeiten,
die
in
muss,
der
schließt
privaten
die
Finanzverwaltung,
Wohnung
bzw.
dem
dass
Haus
nur
nebst
Zubehörräumen und Garten geleistet werden, nicht aber solche, die „für" den Haushalt des
Steuerpflichtigen erbracht werden, nach § 35a EStG begünstigt sind (BMF 10.1.14, IV C 4 – S
2296-b/07/0003:004, BStBl. I 2014, 75, Tz. 15). Dieses enge Verständnis der Vorschrift
greift nach Auffassung des BFH jedoch zu kurz, da der Begriff „im Haushalt" räumlichfunktional auszulegen ist. Deshalb werden die Grenzen des Haushalts i.S. des § 35a Abs. 2
Satz 1 EStG nicht ausnahmslos
unabhängig von den Eigentumsverhältnissen durch die
Grundstücksgrenzen abgesteckt.
Unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zum Haushalt
Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der
Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden,
begünstigt sein. Es muss sich dabei allerdings um Leistungen handeln, die in unmittelbarem
räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen.
Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt des Steuerpflichtigen an das
öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wird.
Zwar handelt es sich bei Hausanschlüssen (auch insoweit als die Anschlussleitung innerhalb
des
Privatgrundstücks
des
Anschlussnehmers
verläuft)
um
Betriebsanlagen
des
Wasserversorgungsunternehmens. Gleichwohl ist der Hausanschluss insgesamt und damit
auch, soweit er im öffentlichen Straßenraum verläuft, zum Haushalt i.S. des § 35a EStG zu
zählen.
Denn
über
diesen
wird
der
auf
dem
Grundstück
gelegene
Haushalt
des
AStW 2014/034
Steuerpflichtigen über das öffentliche Versorgungsnetz mit den für eine Haushaltsführung
notwendigen Leistungen der Daseinsfürsorge versorgt. Ein Hausanschluss stellt sich damit als
notwendige Voraussetzung eines Haushalts dar.
Steuerbegünstigte Handwerkerleistungen können im Übrigen auch vorliegen, wenn sie von
der öffentlichen Hand erbracht werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine juristische
Person des öffentlichen Rechts (beispielsweise ein Zweckverband) mit dem Verlegen der
Hausanschlussleitungen gegen Kostenerstattung im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art
unternehmerisch tätig geworden ist.
Praxishinweis | Entsprechende Handwerkerleistungen sind daher nicht nur anteilig, soweit
sie auf Privatgelände entfallen, sondern in vollem Umfang nach § 35a EStG begünstigt. Wie
vorstehend erläutert, sieht die Finanzverwaltung dies jedoch bislang anders.
Es bleibt daher abzuwarten, ob sie sich der Meinung des BFH anschließen wird. Bis dahin
sollten
betroffene
Steuerpflichtige
in
jedem
Fall
gegen
derartige
Kosten
nicht
berücksichtigende Einkommensteuerbescheide unter Hinweis auf die Entscheidung des BFH
Einspruch einlegen und die volle Berücksichtigung der Kosten geltend machen.
FUNDSTELLE

BFH 20.3.14,VI R 56/12, astw.iww.de Abruf-Nr. 141767
AStW 2014/035
§ 63 EStG
Kein Kindergeld für behindertes Kind in Haft
| Ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, besteht
u.a.
dann,
wenn
dieses
wegen
körperlicher,
geistiger
oder
seelischer
Behinderung
außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 25.
Lebensjahrs – bei Eintritt der Behinderung vor dem 1.1. 2007 des 27. Lebensjahrs (§ 52 Abs.
40 Satz 8 EStG) – eingetreten ist (§ 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG). |
Sachverhalt
Im Streitfall vor dem BFH ging es nun um die Frage, ob ein psychisch erkranktes Kind, das
sich wegen einer behinderungsbedingt begangenen Straftat in Haft befindet, außerstande ist,
sich wegen seiner Behinderung zu unterhalten und damit einen Anspruch auf Kindergeld
begründet.
Entscheidung
Dies ist nach Auffassung des BFH jedoch nicht der Fall. Ein behindertes Kind ist imstande,
sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die
zur Bestreitung seines gesamten existenziellen Lebensbedarfs ausreicht. Hieran fehlt es,
soweit die Behinderung einer Erwerbstätigkeit entgegensteht und das Kind keine anderen
Einkünfte und Bezüge hat. Das kindergeldrechtlich zu berücksichtigende Kind muss "wegen"
seiner Behinderung außerstande sein, sich selbst zu unterhalten, d.h., die Behinderung muss
ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt sein.
Dies ist bei einem Kind, das aufgrund seiner Inhaftierung zum Selbstunterhalt unfähig ist,
nicht der Fall, da es an der Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum
Selbstunterhalt fehlt. Dies gilt selbst dann, wenn die Begehung der zur Inhaftierung
führenden Straftat behinderungsbedingt ist. Denn während der Haft ist ein Kind unabhängig
davon, ob es behindert ist oder nicht, grundsätzlich außerstande, einer Erwerbstätigkeit
nachzugehen. In diesen Fällen steht daher nicht die Behinderung eines Kindes der Ausübung
einer
Erwerbstätigkeit
zur
Bestreitung
des
Lebensunterhalts
Inhaftierung.
FUNDSTELLE

BFH 30.4.14, XI R 24/13, astw.iww.de Abruf-Nr. 141864
entgegen,
sondern
die
AStW 2014/036
§ 63 EStG
Fehlender inländischer Wohnsitz des Kindes
| Ein Kind kann u.a. dann nicht berücksichtigt werden, wenn es weder einen Wohnsitz im
Inland noch in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union noch in einem Staat, auf den das
Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, hat (§ 63 Abs. 1 Satz 3
EStG). |
Wohnsitzdefinition
Für die Frage, wann von einem Wohnsitz auszugehen ist, gilt die Wohnsitzdefinition des § 8
AO. Danach hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat,
die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Wichtig ist in
diesem Zusammenhang, dass ein Wohnsitz durch tatsächliches Handeln und nicht durch bloße
„Akklamation“ begründet wird. Nicht entscheidend ist daher die Anmeldung eines Wohnsitzes
des Kindes beim inländischen Einwohnermeldeamt.
Kein inländischer Wohnsitz
Im entschiedenen Streitfall hatte das Kind keinen inländischen Wohnsitz begründet, weil es
im Streitzeitraum ausschließlich in einem Drittland gewohnt hatte und erst nach über einem
Jahr nach seiner Geburt die Wohnung des Vaters bezog.
Praxishinweis | Der BFH macht zudem deutlich, dass der inländische Wohnsitz des Vaters
im Inland dem Kind nicht zuzurechnen war. Denn es gibt keinen Rechtsgrundsatz, wonach ein
Kind bis es sich persönlich und wirtschaftlich vom Elternhaus gelöst hat bei mehrfachem
Wohnsitz eines Elternteils diesen automatisch mitbegründet. Dies ist auch bereits aus dem
Gesetz
erkennbar,
das
in
§
62
und
§
63
EStG
zwischen
Kindergeldberechtigten und dem Wohnsitz des Kindes unterscheidet.
FUNDSTELLE

BFH 27.2.14, V R 15/13, astw.iww.de Abruf-Nr. 141968
dem
Wohnsitz
des
AStW 2014/037
§ 6a GrEStG
Vorbehaltensfrist bei Vorliegen einer
Umwandlung durch Neugründung
| Die fünfjährige Vorbehaltensfrist nach § 6a GrEStG gilt nach einer Entscheidung des FG
Düsseldorf nicht bei einer Umwandlung durch Neugründung. Das FG hat die Revision
zugelassen, sodass eine Entscheidung des BFH abzuwarten bleibt. |
Sachverhalt
Streitig war die Grunderwerbsteuer anlässlich einer Umwandlung. Im Juni 2012 beschlossen
die Gesellschafter der grundbesitzenden B-GmbH die Ausgliederung eines Teilbetriebs auf die
neu zu gründende C-GmbH mit Wirkung zum 1.1.2012. Alleinige Gesellschafterin der neu zu
gründenden C-GmbH wurde die B-GmbH. Im Rahmen der Umwandlung kam es zu
Grundstücksübertragungen, für die das Finanzamt Grunderwerbsteuer festsetzte. Dagegen
wandte sich die Klägerin und berief sich auf die Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen
im
Konzern;
auf
die
Einhaltung
der
für
diese
Fälle
vorgesehenen
fünfjährigen
Vorbehaltensfrist komme es nicht an.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt. Zwar sei die Vorbehaltensfrist von fünf Jahren für die erst mit
Vertrag vom Juni 2012 gegründete C-GmbH im Streitfall nicht erfüllt. Aus dem Zweck des
Gesetzes ergebe sich aber, dass § 6a GrEStG bei einer Umwandlung durch Neugründung
einer Gesellschaft einschränkend auszulegen sei. Die in § 6a Satz 4 GrEStG normierte Frist
diene der Verhinderung von Steuerumgehungen durch missbräuchliche Gestaltungen. Bei
einem
ausschließlich
ausgeschlossen.
Durch
konzerninternen
den
Vorgang
sei
Umwandlungsvorgang
ein
seien
solcher
keine
Missbrauch
Grundstücke
objektiv
aus
dem
Konzernverbund gelöst worden. Ebenso, wie die Einhaltung der Vorbehaltensfrist nach § 6 Abs.
4 Satz 1 GrEStG zu sinnwidrigen Ergebnissen führen könne, wenn die Gesamthand noch keine
fünf Jahre bestanden hat, sei die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG nicht bereits deshalb
zu versagen, wenn das herrschende Unternehmen seine Beteiligung an dem beherrschten
Unternehmen noch keine fünf Jahre gehalten habe, weil das beherrschte Unternehmen
neugegründet wurde.
AStW 2014/038
Erläuterungen
Grunderwerbsteuer wird nach § 6a GrEStG nicht erhoben, wenn an einem steuerbaren
Umwandlungsvorgang
i.S.d.
Umwandlungsgesetzes
ausschließlich
ein
beherrschendes
Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige
Gesellschaften
oder
mehrere
von
einem
herrschenden
Unternehmen
abhängige
Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Abhängig ist eine Gesellschaft gemäß § 6a
Satz 4 GrEStG, wenn an deren Kapital das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf
Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder
mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt
ist. Das auf die neugegründete Gesellschaft übergegangene Vermögen stammte im Streitfall
ausschließlich vom herrschenden Unternehmen. Wenn aber das herrschende Unternehmen
seine Beteiligung an dem beherrschten Unternehmen noch keine fünf Jahre gehalten hat, weil
das beherrschte Unternehmen neu gegründet wurde, könnten der Sinn und Zweck des § 6a
GrEStG
dagegen
sprechen,
die
Steuervergünstigung
lediglich
im
Hinblick
auf
die
Nichterfüllung der Frist von 5 Jahren zu versagen. So jedenfalls hat es das FG Düsseldorf
entschieden. Die
Revision wurde
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
zugelassen, sodass eine etwaige Entscheidung des BFH abzuwarten ist.
FUNDSTELLE

FG Düsseldorf 7.5.14, 7 K 281/14 GE; Revision zugelassen, astw.iww.de Abruf-Nr.
141969
AStW 2014/039
§ 9 UStG
Zeitliche Grenze der Rücknahme
des Verzichts auf Steuerbefreiungen
| Der BFH hat mit zwei Entscheidungen seine bisherige Rechtsprechung zur Rücknahme des
Verzichts auf eine Umsatzsteuerbefreiung (§ 9 UStG) klargestellt. Hiernach kann der Verzicht –
entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – zurückgenommen werden, solange die
Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines
Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist. |
Hintergrund
Nach allgemeiner Ansicht kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung wieder rückgängig
gemacht werden. Umstritten war bisher jedoch, ob dies nur bis zum Zeitpunkt der formellen
Unanfechtbarkeit der Umsatzsteuerfestsetzung des Jahres der Leistungserbringung oder
darüber hinaus noch möglich ist, solange die entsprechende Steuerfestsetzung nach § 164 AO
änderbar ist (materielle Bestandskraft).
Ausführungen des BFH
Soweit die bisherige Rechtsprechung dahin verstanden werden konnte, dass die Rücknahme
des Verzichts nur bis zur formellen Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung des
Leistenden zulässig ist, hält der Senat daran nicht fest (Klarstellung der Rechtsprechung).
Die Begrenzung des Verzichts oder seiner Rücknahme auf die formelle Bestandskraft sorgt
zwar für Rechtssicherheit und frühzeitig klare Verhältnisse, begrenzt den Steuerpflichtigen
aber unverhältnismäßig in der Ausübung seines Wahlrechts.
Eine derartig enge Eingrenzung ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie im Gesetz
vorgesehen ist. In solchen Fällen muss im Regelfall bis zur Unanfechtbarkeit der
Steuerfestsetzung und damit innerhalb der formellen Bestandskraft widerrufen werden.
§ 9 UStG enthält keine derartige Regelung und der Normzweck erfordert eine solche
Einschränkung auch nicht. Daher ist der Unternehmer berechtigt, den Verzicht auf die
Steuerbefreiung nach § 9 UStG und dessen Rücknahme solange geltend zu machen, wie die
Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines
Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist.
AStW 2014/040
Anmerkungen
Mit dieser Rechtsprechung weicht der V. Senat – nach seiner eigenen Einschätzung – nicht
von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab.
Dieser sei zwar in einem Urteil aus dem Jahre 2008 davon ausgegangen, dass „eine
Bindungswirkung an die Option zur Steuerpflicht ab dem Eintritt der formellen Bestandskraft
der jeweiligen Steuerfestsetzung" bestehe.
Diese Aussage sei für den vorliegenden Fall jedoch unerheblich, da es in dem vom XI. Senat
entschiedenen Streitfall um die Frage eines rückwirkenden Wechsels von der Besteuerung
nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) und damit um einen anderen Sachverhalt ging.
Soweit die Finanzverwaltung aus diesem Urteil folgert, dass sowohl die Erklärung zur Option
nach § 9 UStG als auch ihr Widerruf nur bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen
Jahressteuerfestsetzung zulässig sind folgt der V. Senat des BFH dieser Auffassung nicht.
FUNDSTELLEN

BFH 19.12.13, V R 6/12, astw.iww.de Abruf-Nr. 141687

BFH 19.12.13, V R 7/12, astw.iww.de Abruf-Nr. 141688
AStW 2014/041
§ 15 UStG
Vorsteueraufteilung
bei gemischt genutzten Gebäuden
| Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung zur Vorsteueraufteilung eines gemischt
genutzten Gebäudes präzisiert und z.T. geändert. Darüber hinaus hat er entschieden, dass die
Vorsteuerbeträge nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen sind, wenn
erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume
bestehen. |
Sachverhalt
In der Sache ging es – erneut – um die Höhe des Vorsteuerabzugs für Eingangsleistungen zur
Herstellung
eines
Gebäudes,
Vermietungsumsätze
erzielt
mit
dem
werden.
Da
sowohl
der
steuerfreie
Vorsteuerabzug
als
auch
nur
für
steuerpflichtige
steuerpflichtige
Ausgangsumsätze möglich ist, war eine Aufteilung der Vorsteuern erforderlich. Die Klägerin
nahm die Aufteilung nach dem sog. Umsatzschlüssel vor, während die Finanzverwaltung die
Vorsteuern nach dem ungünstigeren Flächenschlüssel aufteilte.
Entscheidung
Der BFH hob das der Klage stattgebende Urteil des FG auf und verwies die Sache zurück.
Ausführungen des BFH
Da der Flächenschlüssel in der Regel eine präzisere Bestimmung des Pro-rata-Satzes
ermöglicht, schließt er grundsätzlich sowohl den gesamtunternehmensbezogenen wie auch
den objektbezogenen Umsatzschlüssel aus.
Der Flächenschlüssel findet aber dann keine Anwendung, wenn die Ausstattung der
Räumlichkeiten
(Höhe
der
Räume,
Dicke
der
Wände,
Innenausstattung)
erhebliche
Unterschiede aufweist.
In solchen Fällen ist die Vorsteueraufteilung anhand des objektbezogenen Umsatzschlüssels
vorzunehmen.
Hintergrund
§ 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ordnet seit dem 1.1.2004 grundsätzlich einen Vorrang des
Flächenschlüssels vor dem Umsatzschlüssel an. Der EuGH hat (in der Rechtssache BLC
AStW 2014/042
Baumarkt) hierzu klargestellt, dass Deutschland die Vorsteueraufteilung bei gemischt
genutzten Gebäuden zwar nach dem Flächenverhältnis vorschreiben könne. Voraussetzung
sei jedoch, dass das Flächenverhältnis eine präzisere Bestimmung gewährleistet als die in den
MwStSystRL vorgesehene Umsatzmethode.
Die Feststellung, ob eine solche präzisere Bestimmung durch einen Flächenschlüssel
gewährleistet sei, hat der EuGH wiederum dem BFH überlassen. Dieser hat (BFH 22.8.13, V R
19/09) für den Vorlagefall weitgehend bejaht. Der BFH führte in der Entscheidung vom
22.8.2013 aus, dass in Fällen, in denen die maßgeblichen Vorsteuerbeträge nachfolgend der
potenziellen
Vorsteuerkorrektur
gem.
§
15a
UStG
unterliegen,
der
Flächenschlüssel
anzuwenden sei. Anders sei dies aber zu beurteilen, wenn keine Berichtigungspflicht gem. §
15a UStG vorliege, wie etwa bei Gebäudereinigungsleistungen.
In diesen Fällen sei die Anwendung eines Flächenschlüssels voraussichtlich unzulässig. Hieran
hält der BFH mit der nun veröffentlichten Entscheidung nicht mehr fest.
Anmerkungen
Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung zur Vorsteueraufteilung gemischt
genutzter Gebäude z.T. geändert.
Bei
Erstellung
eines
Gebäudes
ist
für
die
Gesamtvorsteuer
ein
einheitlicher
Aufteilungsschlüssel geboten. Grundsätzlich gilt hierfür der Flächenschlüssel. Der BFH hält
allerdings nicht mehr an der in Teilen des Schrifttums heftig kritisierten Auffassung fest,
wonach dies nur für Vorsteuern gelte, welche in den Anwendungsbereich des § 15a UStG
fallen.
Die Vorrangigkeit des Flächenschlüssels
ist aber dann nicht anwendbar, wenn der
Flächenschlüssel wegen unterschiedlicher Ausstattung der Gebäudeteile (z.B. Höhe der
Räume, Dicke der Wände und Decken, Innenausstattung) erhebliche Unterschiede ausweist.
Dann kann der Umsatzschlüssel in Betracht kommen, und zwar je nach Lage des Falles
unternehmensübergreifend oder objektbezogen.
Bei gemischt genutzten Immobilien führt i.d.R. die objektbezogene Zuordnung zu präziseren
Ergebnissen.
FUNDSTELLE

BFH 7.5.14 , V R 1/10, astw.iww.de Abruf-Nr. 141762
AStW 2014/043
UStG
Zurechnung der Umsätze
von Eheleuten bei Ebay-Verkäufen
| Der 1. Senat des FG Baden-Württemberg hat entschieden, dass umsatzsteuerpflichtige
Versteigerungen über eBay, die von mehreren Personen unter Verwendung eines gemeinsamen
Pseudonyms (eines sog. "Nickname") ausgeführt werden, im Regelfall allein von demjenigen zu
versteuern sind, der gegenüber eBay als Inhaber des Nutzerkontos aufgetreten ist. |
Sachverhalt
Die Steuerpflichtigen, eine aus einem Ehepaar bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts
(GbR), veräußerte über „eBay" unterschiedliche Gegenstände (u.a. Briefmarken, Puppen,
Modelleisenbahnen usw.). Die Sache befand sich nach ihrer Zurückverweisung vom BFH im
zweiten Rechtsgang.
Streitig war im ersten Rechtsgang zunächst, ob die über einen Zeitraum von mehreren Jahren
vorgenommene Veräußerung einer Vielzahl von Gebrauchsgegenständen auf der InternetAuktions-Plattform „ebay“ der Umsatzsteuer unterliegt. Nach Klärung dieser Rechtsfrage (BFH
26.4.12, V R 2/11) war im zweiten Rechtsgang noch streitig, ob die Klägerin (die Ehefrau) die
steuerpflichtigen Umsätze in den Streitjahren selbst als Unternehmerin ausgeführt hat oder
ob die Umsätze dem unternehmerischen Handeln eines oder beider ihrer Gesellschafter
zuzurechnen sind.
Die Kläger hatten über ein vom Ehemann auf seinen Namen angelegtes Nutzerkonto bei ebay
innerhalb von dreieinhalb Jahren über 1.200 Verkäufe abgewickelt, die teils dem einen, teils
dem anderen Ehegatten und teils beiden Eheleuten gemeinsam gehörten. Das Finanzamt
hatte die Verkäufe als umsatzsteuerpflichtig angesehen und als Steuerschuldner beide
Eheleute gemeinschaftlich herangezogen.
Entscheidung des FG Baden-Württemberg
Das FG ist dem Finanzamt, zumindest im zweiten Punkt, nicht gefolgt und hat Folgendes
festgestellt.
Der
leistende
Unternehmer
ist
nach
dem
sog.
objektiven
Empfängerhorizont
des
Meistbietenden zu bestimmen. Dies ist bei der Verwendung eines Pseudonyms ("Nickname")
derjenige, der sich diesen Nutzernamen von ebay bei der Kontoeröffnung hat zuteilen lassen.
AStW 2014/044
Handlungen, die der eigentliche Verkäufer erst nach Ablauf der Bieterphase vornimmt (wie
etwa der Versand von Bestätigungsschreiben oder der Ware selbst), sind demgegenüber für
die zivilrechtliche und umsatzsteuerrechtliche Bestimmung des leistenden Unternehmers in
der Regel ohne Belang.
Da die Verkäufe allein dem Ehemann zuzurechnen waren, war die Klage der beiden Eheleute
gegen die ihnen gegenüber gemeinschaftlich ergangenen Umsatzsteuerbescheide erfolgreich.
Anmerkungen
Auch der BFH muss sich demnächst in einer anderen Rechtssache wieder mit der
umsatzsteuerlichen Behandlung von eBay-Verkäufen beschäftigen. In dem (neuen) Verfahren
vor dem BFH geht es u.a. um die Frage, ob der Verkauf von Gegenständen aus dem
Privatvermögen über eBay der bereits vorhandenen unternehmerischen Tätigkeit des
Steuerpflichtigen zugeordnet werden kann? (BFH, XI R 43/13; Vorinstanz: FG BadenWürttemberg 18.7.12, 14 K 702/10).
FUNDSTELLE

FG Baden-Württemberg 19.12.13, 1 K 1939/12; rechtskräftig, astw.iww.de Abruf-Nr.
141550
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