Exzerpt zu Joest/von Lüpke: Dogmatik I: Die Wirklichkeit Gottes Erster Teil: Grund- und Anfangsfragen der Dogmatik -Dogmatik befasst sich mit dem Gehalt des christlichen Glaubens -Bezeichnung „Dogmatik“ erst in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts -früher: theologia oder sacra doctrina -Grund- und Anfangsfragen der Dogmatik werden als „Prolegomena“, „Theologische Prinzipienlehre“ oder „Fundamentaltheologie“ bezeichnet Zwei Fragerichtungen: 1. Was dem christlichen Glauben als Quelle und Norm zugrunde liegt: Die Heilige Schrift und die in ihr bezeugte Offenbarung -Heilige Schrift als Quelle, Urkunde, Richtschnur des Glaubens und Offenbarung -diese Quelle und Norm der Erkenntnis wird vorausgesetzt 2. Woran der christliche Glaube teilhat und worauf er sich kritisch bezieht: die Natur, die Religion, die Vernunft, die Wissenschaft -Metaphysik, natürliche Theologie, naturwissenschaftliche Erkenntnis etc. -verweigert sich evangelische Theologie diesem Diskurs, würde sie ihrem eigenen partikular begründeten Wahrheitsanspruch nicht mehr gerecht; sie würde fundamentalistisch I. Kapitel: Der Gegenstand der christlichen Dogmatik und die Frage nach Voraussetzungen und Bedingungen der Gotteserkenntnis 1. Gegenstand und Aufgabe der Dogmatik -Zu fragen ist nicht nur nach dem Gegenstand, also was unter dem Gehalt des christlichen Glaubens zu verstehen ist; zu fragen ist auch, wie sich Dogmatik auf diesen Gegenstand bezieht. Worin besteht ihre Aufgabe? Wie geht sie mit den Aussagen des chr. Glaubens um? -Aufgabe: Gehalt des christlichen Glaubens als Wahrheit behaupten -schließlich ist christliche Dogmatik keine Draufsicht auf irgendeine Religion, sondern „Innenansicht“ der christlichen, spezifisch der reformatorischen und evangelischen Religion; auch für Kritiker interessant, diese wollen wissen, was Christen als Wahrheit ihres Glaubens behaupten und vertreten -Gegenstand der Dogmatik: Gott selbst in seiner Zusage als Grund des Glaubens -Wahrheit des Glaubens hängt an der Wahrheit Gottes -Gegenstand der Dogmatik = Gegenstand des christlichen Glaubens -Schleiermacher war die Frage nach dem Wesen des Glaubens auf; Dogmatik als Glaubenslehre -nach Phase der prinzipiellen Abkehr in der dialektischen Theologie im 20. Jh. gegenwärtig wieder Hinwendung und Besinnung auf „das Wesen des Christlichen Glaubens“ (Tillich, Ebeling, Härle, Lange) -Luther stellte bereits den unauflöslichen Zusammenhang von Gotteserkenntnis und Glaube heraus: Einen Gott zu „haben“, sei „nicht anderes, denn ihm von Herzen trauen und glauben.“ -Aussage als Brücke zwischen reformatorischer Theologie Luthers und neuprotestantischen Entwürfen einer als Glaubenslehre verstandenen Dogmatik -im evangelischen Glauben gilt: Das Wort Gottes entscheidet über den Glauben -Die Wirklichkeit Gottes wird also im Glauben erkannt. Der Glaube verdankt sich erst der Selbstmitteilung (Offenbarung) Gottes -Die Besinnung auf den Glauben wird in der Dogmatik Joest/v. Lüpke nicht erläutert 1 -Wodurch lassen wir unsere Vorstellung von dem, was oder wer Gott ist, bestimmen? -christliche Antwort: Verweis auf Jesus Christus -die Offenbarung Gottes in Jesus Christus eröffnet die Gemeinschaft von Gott und Mensch -Darin, wie Jesus durch sein Tun, Reden und Leiden die Wirklichkeit Gottes unter den Menschen bekundet und vertreten hat, hat Gott selbst sich erschlossen als der, der er in Wahrheit ist -deshalb u.a. auch Christus im NT als „das Wort“ Gottes (Joh 1,1.14-18; Apk 19,13) -dies heißt letztlich für die Dogmatik, dass sie ihre Aussagen aus dem zieht, wie Gott sich in Jesus Christus bekundet hat, und damit alles, was diese Bekundung für Verstehen und Praxis unseres Lebens in sich schließt -traditioneller Begriff: Offenbarung -etwas wird uns (Menschen) eröffnet, was wir nicht selbst sagen können -dennoch: biblisch findet sich kein solcher Begriff der Selbstmitteilung Gottes -das Wort, durch das Gott sich in der Geschichte (mit den Menschen) mitteilt, ist die Zusage seiner Gegenwart - oder auch: Bundesformel „Ich bin JHWH, dein Gott - ihr sollt mein Volk sein“ -Gottesgemeinschaft durch Jesus Christus, der als „Immanu-El“ (Mt 1,23) „Gott mit uns“ zu den Menschen gekommen ist; Gott (dreieinig!) lässt sie nicht mit ihrer Welt allein -Die Geschichte von Christus markiert einen gewissen abschließenden Punkt in der Geschichte mit den Menschen, dennoch gilt aber: In Form Jesu Christi bleibt Gott gegenwärtig; er ist als auferstandener und gegenwärtiger Christus zu verkündigen -Die soteriologische Verdeutlichung: Das Wort der Selbstzusage Gottes vergegenwärtigt sich durch das Evangelium von der Rechtfertigung -Wort der Selbstzusage, in welchem sich Gott erschließt, ist in seiner Beziehung zum Mensch gleichzeitig das Wort des Evangeliums, in dem das Heil des Menschen liegt -Luther: Gegenstand (subiectum) der Theologie ist eigentlich (proprie) „der angeklagte und verlorene Mensch und der rechtfertigende und erlösende Gott“ -Begriffe Gott und Mensch können nur im Aufeinander-Bezogen-Sein beantwortet werden -Gegenstand der Dogmatik: Relation zwischen Gott und Mensch unter der Gnade einerseits, der Sünde andererseits -Aufgabe der Dogmatik als Funktion der Kirche und ihr Verhältnis zur Ethik: -Reden über den Glauben kommt dem Verkündigungsauftrag der Kirche nahe -Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden -Dogmatik als Reflexion der Inhalte des verkündigten Wortes; Dogmatik als „Funktion der Kirche“ -Glauben und Handeln kann man nicht trennen -Ethik und Dogmatik wurden versucht zu verbinden (KD von Barth, Tillich) -Freiheit eines Christenmenschen als Kern der Rechtfertigung und Kern für die evangelische Ethik 2 2. Christliche Dogmatik und die Möglichkeiten einer allgemeinen Gotteserkenntnis -Gegenstand und Aufgabe der Dogmatik sind nicht unumstritten; Exklusivität des Glaubens von Jesus her - christologische Engführung? 2.1. Die Frage der Schöpfungsoffenbarung -Wissen des Menschen durch Gott vorgegeben biblisch in Röm 1,19f. (Offenbarsein Gottes in den Werken der Schöpfung) und Röm 2,14f. (Gotteswille ist auch im Gewissen der Heiden eingeschrieben) -durch Gottes Schöpfungswerk ist der Mensch auf Gott als Urheber hingewiesen; er kann wissen, dass ein Gott ist -er weiß dadurch auch von Gott als Wesen: Allmacht, Weisheit, Güte, Heiligkeit -Heilswerk, das den Menschen aus Sünde erlöst und zum ewigen Leben führt wurde aber nur durch Christus offenbar -Die allgemeine Offenbarung, auf die der Mensch immer schon in seiner Vernunft bezogen ist, ist die Voraussetzung der besonderen Heilsoffenbarung -Lehre von der zweifachen Quelle der Gotteserkenntnis (Gott in seinem Wesen/Jesus Christus) findet sich schulmäßig ausgeprägt in der Scholastik -Unterscheidung zwischen: dem der Vernunft erschließbaren Wissen vor Gott (Th. v. Aquin: praeambula fidei) der Heilsoffenbarung, die auf die Autorität des Offenbarungswortes hin geglaubt wird o röm.-kath. Kirche bestätigte dies im Vaticanum I und setzte es als Dogma -die Reformatoren rechnen mit einem allgemeinen Wissen von Gott -altprotestantische Orthodoxie unterschied Gott gibt sich zu erkennen durch die revelatio generalis in den Werken der Schöpfung (per lumen externum) Gott gibt sich zu erkennen in der Stimme des Gewissens (per lumen internum), in seinem Heilswillen aber allein durch die revelatio specialis in Christus -neuere ev. Theologie im 19. und beginnenden 20. Jh. gehen von einem im Wesen des Menschen grundgelegten „religiösen Apriori“ aus (Paul Althaus) -Bultmann u.a. reden nicht von einer allgemeinen Offenbarung und Erkenntnis Gottes, aber von der Frage nach Gott, die in der Frage des Menschen verborgen ist (Bultmann) oder von dem Anspruch des darin freilich noch verborgenen Gottes, durch den der Mensch in der Wirklichkeit konfrontiert wird (Gogarten, Ebeling) -Tillich und Pannenberg: Begriff der Offenbarung durch das von Jesus Christus her begegnende Wort Gottes für den Ursprung vor- und außerchristlichen Wissens um Gott -Die Christusoffenbarung als Kritik der „natürlichen Theologie“ (K. Barth) -Behauptung einer allgemeinen Offenbarung und Gotteserkenntnis wurde entschieden widersprochen (v.a. Karl Barth u.a.) -Barmer Theologische Erklärung setzt Jesus Christus als „das eine Wort Gottes“ die Irrlehre entgegen, nach der noch „andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung“ wahrgenommen werden können -exklusiv christozentrische Offenbarung -Dogmatik hat im biblisch bezeugten Wort Jesu Christi ihren einzigen legitimen Gegenstand -Weil Gott der Herr ist, kann er grundsätzlich nicht zu den Erkenntnisgegenständen gehören, über die der Mensch aus seiner Welt- und Selbsterfahrung sich selbst Bescheid geben kann. Wird Gott erkannt, dann nur durch Jesus Christus (Barth) -Kritisch ggü. der Annahme einer allgemeinen Gotteserkenntnis ist zu bedenken: Gottesgedanke ist kein selbstverständlicher Gedanke der Vernunft 3 Gottesgedanke als Konstrukt der Vernunft bleibt undeutlich Erfahrungen, die Gott im Rekurs auf Natur, Geschichte und Gewissen zu beschreiben versuchen, sind zwei- bzw. mehrdeutig -Wissen in der neueren Theologie wird nicht mehr - wie bspw. in der Scholastik - auf Gottesbeweise gegründet, sondern man verweist eher auf existentielle Erfahrungen, die mehr emotional oder rational begründet sind (Naturerleben, geschichtliche Erfahrungen, Religion als „Gefühl“ bei Schleiermacher) -Das unverzichtbare Anliegen der „natürlichen Theologie“: der in Jesus Christus zum Menschen gekommene Gott ist identisch mit dem Schöpfer; er kommt in sein Eigentum es liegt in Gottes Macht, auch außerhalb der Kirche Menschen zu sich in Beziehung zu setzen -Als Christen sind wir weder genötigt noch berechtigt, uns das Urteil anzumaßen, dass alle religiösen Erfahrungen extra muros ecclesiae nichts anderes sein können als eigenmächtiges Gebilde menschlicher Ideologie -gerade weil Gott sich in Christus als Schöpfer gezeigt hat, der zu den Menschen kommt, kann ihm solche Möglichkeit nicht abgesprochen werden -allerdings muss auch gesagt werden, dass menschliche Religiosität sich auch Gottesbilder macht, die an dem in Christus offenbaren Gott vorbeigehen und denen dieser Gott widerspricht -Calvin hat den menschlichen Geist als „Götzenwerkstatt“ (fabrica idolorum) bezeichnet -Gottes Selbstmitteilung in Jesus Christus als absolutes Kriterium 2.2 Die Frage der Religionen -in der älteren Theologie waren andere religionen falsae religiones, die irche die religio vera -Toleranz der Aufklärung und Schleiermacher: Religionen als unterschiedliche Stufen in der geschichtlichen Entfaltung des im Wesen des Menschen angelegten Gottesbewusstseins -Christentum als dessen reifste Gestalt -Barths Kritik an einer allgemeinen Gotteserkenntnis implizierte den Bruch mit dieser Zuordnung des Christlichen zum Religiösen -Religion (v.a. christliche Religion) als Unglaube. Christlicher Glaube im Gegensatz zur Religion (Barth) -Kritiker Barths, namentlich Paul Tillich und Wolfhart Pannenberg, sehen Religionsgeschichte als Offenbarungsgeschichte an, in denen Jesus Christus das Ziel der Geschichte ist -in Jesus Christus ist Gott ganz offenbar geworden (Pannenberg) -Heil und Wahrheit in Christus (Exklusivismus), aber von ihm her auch in anderen Religionen (Inklusivismus); verschiedene Heilswege und Wahrheiten, gleichberechtigt und einander ergänzend (pluralistische Religionstheologie) -neuere katholische Theologie zielt auf Inklusivismus ab (Rahner) -auch andere Religionen können durch Christus heilsbedeutend für den Menschen sein; Rahner spricht vom „anonymen Christentum“ -Ex- und Inklusivismus werden von der pluralistischen Religionstheorie in Frage gestellt -hierin liegt die Grundannahme, dass alle Religionen es mit dem einen Gott zu tun haben, dessen Wirklichkeit und Wahrheit keine von ihnen ganz zu erfassen vermag -Religionen können nichts als perspektivisch begrenzt, ausschnitthaft wahrnehmen und sind daher aufeinander verwiesen. 4 -Trotz aller Differenzen gilt festzuhalten: Durch die Selbstzusage Gottes und dessen Offenbarung, kehrt Gott in sein „Eigentum“ ein (Welt und Menschen). „In ihm leben, weben und sind“ eben nicht nur die Christen, sondern auch Menschen anderen Glaubens vereint (vgl. Apg 17,27f.) -Eine pluralistische Auffassung, die von vornherein allen Religionen ihre Wahrheit zugesteht und damit die Frage nach der Wahrheit für nichtig erklärt, ist mit dem Selbstverständnis des christlichen Glaubens nicht vereinbar 2.3 Dogmatik in der Spannung zwischen Glaube und Vernunft -Voraussetzung: christlicher Glaube ist nicht Illusion, sondern in der Selbstzusage Gottes in Jesus Christus begründet -Das Wort Gottes ist die Wahrheit (Joh 14,6; 17,17 u.a.) -gleichzeitig stellt sich die Frage, ob dieser Anspruch begründet ist, wenn er doch keineswegs allen Menschen einsichtig und überzeugend erscheint -schon atl. Propheten stoßen mit ihrer Meinung auf Ablehnung -ntl. Worte vom Kreuz werden al Ärgernis und Torheit abgetan -doppelte Aufgabe der Dogmatik: Aufweis der inneren Konsistenz dessen, was der Glaube erkennt und Rechenschaft vor dem Forum der allgemeinen Vernunft -Voraussetzung des christlichen Glaubens als Prämisse, um dann Rechenschaft darüber geben zu können, inwiefern der Grund des Glaubens (Jesus Christus) bestimmte Aussagen fordert, trägt und rechtfertigt und wiederrum andere ausschließt -im Blick auf die Vernunft führt Pannenberg an, dass christlicher Glaube zum Verstehen der Wirklichkeit des Menschen in der Welt und zur Beantwortung unabweisbarer menschlicher Grundfragen besonders beiträgt -Aristoteles: Wissen beruht auf der Erkenntnis der Ursachen einer Sache -Scholastik: Existenz Gottes vor der Offenbarung seines Heilswerks hatte die Funktion, die Rede von Gott überhaupt in die Welt zu bringen -neuere katholische Fundamentaltheologie: Offenbarung ist zwar ihrem Inhalt nach nicht vernünftig nachweisbar, aber dass sie geschieht und Glauben beansprucht, ist vernünftig erwartbar. -christlicher Glaube muss vom allgemeinen religiösen Bewusstsein her interpretiert werden (Schleiermacher) -die durch Jesus bestimmte Religiosität ist reifste Entfaltungsgestalt des religiösen Bewusstseins überhaupt -Infragestellung der gesuchten allgemeinen Begründungsbasis für (christliche) Religion durch: religionsgeschichtliche Relativierung Religionskritik Aufweis der Selbstbegründungsmacht der Offenbarung Gottes in Jesus Christus (Barth) -am Ende des 19. Jh. wird die „Absolutheit des Christentums“ für Ernst Troeltsch zu einer nicht mehr begründbaren Behauptung -Mitte des 19. Jh. erwächst eine Religionskritik, die dieses „neuprotestantische“ Begründungsmodell als Basis nimmt -Barth konnte in Konsequenz seiner Ablehnung aller „natürlichen Theologie“ dem Versuch christliche Glaubensaussagen durch menschliche Vernunft und Erfahrung zu rechtfertigen nur eine grundsätzliche Absage erteilen -Ist Gott wirklich Gott, so kann seine Selbstoffenbarung nur das keiner menschlichen Nachprüfung fähige und bedürftige, sich in seiner Wahrheit souverän selbst begründete Wort sein! 5 -Wege der Bewahrheitung und Bewährung christlicher Glaubenserkenntnis zwischen Offenbarung und Erfahrung (Ebeling, Tillich, Pannenberg) -durch das Wort Gottes wird unsere Wirklichkeit praktisch „verifiziert“, d.h. in einem existenziellen Sinn wahrgemacht (Ebeling) -Aussagen des Christentums sollen sich auf das Leben beziehen -Gottesgedanke als notwendiger Gedanke der Vernunft (Tillich) -Unterscheidung von technischer und ontologischer Vernunft; nur mit Letzer ist Gott zu erfassen -In Christus ist der Grund unseres Seins letztgültig offenbar geworden und ermöglicht den Anfang eines neuen Seins. -Theologie darf der Verifikationsforderung anderer Wissenschaften nicht ausweichen (Pannenberg gegen Barth) -Theologie/Dogmatik hat ihre Aussagen an der erfahrenen Wirklichkeit von Mensch und Welt zu bewähren -Der Mensch ist das Wesen, das nicht im unmittelbar Gegebenen des Augenblicks aufgehen kann, sondern über alles Einzelne und jeweils Präsente hinausfragen muss nach einer Sinnund Zielbestimmung des Ganzen und damit auch des eigenen Daseins (Pannenberg) -hier setzt die Frage nach Gott ein -durch die Auferstehung der Toten in Christus ist die Zielbestimmung jedes Menschen gesetzt -technisch/empirisch ist solches aber nicht verifizierbar -Notwendige Unterscheidung: der in der Zusage sich mitteilende Grund des Glaubens - die in Form von Aussagen im Horizont des allgemeinen Wissens gesuchten Begründungen -Zentrum der Verkündigung: Zusage des in Christus gegebenen Heils für die Menschen VERSUS -Aussagen, die allgemein begründet werden können -Selbstverständlich ist, dass die Theologie auf Standards wissenschaftlichen Arbeitens verpflichtet ist und Dogmatik als reflektierende Rechenschaft über den christlichen Glaubens ihre Aussagen nicht einfach aneinanderreihen kann, sondern zu begründen hat. -der Glaube, der gewiss ist, dass ihm in der Selbstzusage Gottes in Christus der tragende Grund gegeben ist, bleibt der Möglichkeit ausgesetzt, dass diese Zuversicht durch Skepsis anderer und durch eigenen Zweifel angefochten wird -Skeptiker sehen im Glauben eine Willkürentscheidung eines Menschen -Die Bestreitung der Wirklichkeit Gottes lässt sich ebenso wenig rational begründen wie ihre Behauptung -Annahme einer Nichtwirklichkeit Gottes kann im Umkehrschluss nicht rational begründet werden -Verzicht der Dogmatik auf eine Begründung Gottes auf Grundlage menschlicher Vernunft und Erfahrung darf nicht so verstanden werden, als habe das, was sie von dem vorausgesetzen Grund des Glaubens her zu sagen hat, zu menschlicher Welt- und Selbsterfahrung keine Beziehung -vielmehr sieht sie ihre Aufgabe darin Einsichten des Glaubens auf die Lebenswirklichkeit zu beziehen, um „Erfahrungen mit der Erfahrung“ zu vermitteln -mit der Wahrheit, wie sie sich dem Glauben von der Zusage Gottes her erschließt, ist auch eine eigentümliche Vernunftkritik verbunden -Ziel: Aufzeigen der Grenzen menschlicher Vernunft -Vernunft ist einerseits ein geradezu göttliches Vermögen (coram mundo), andererseits ist sie blind und in Selbsttäuschungen gefangen (coram deo), so Luther -christliche Theologie vernimmt das Wort der Selbstzusage Gottes in den Heiligen Schriften des AT und NT 6 -wenn Theologie diesen Schriften den Rang der höchsten Autorität und Norm einräumt und in ihnen das Wirken des Heiligen Geistes wahrzunehmen sucht, so gewinnt sie in der Auslegung des biblischen Wortes auch ihre eigentümliche Sachlichkeit und Weisheit II. Kapitel: Die hermeneutische Aufgabe der Dogmatik 1. Schrift und Bekenntnis in ihrer normativen Bedeutung für die Dogmatik 1.1 Theologiegeschichtliche Entwicklung und konfessionelle Differenzen -chr. Verkündigung will dazu dienen, das Wort Gottes, weiter für die Menschen wahrnehmbar zu machen -Auslegung/Exegese ist hierzu nötig -Dogmatik soll der Verkündigung dienen, deshalb muss sie sich mit diesem Gedanken auseinandersetzen -Die Norm ist Gott selbst, und zwar in Verbindung mit der Person und Geschichte Jesu Christi gesprochenem Wort -Verkündigung soll christusgemäß sein -Dogmatik soll diese Christusgemäßheit erhellen und entfalten -ABER: Die Person Jesu Christi begegnet und durch hist. Überlieferung, hier entsteht ein Problem -frühe Kirche musste sich dieser Frage im 2. Jh. entgegenstellen. Gnosis und andere Gruppen stellten die Überlieferung in Frage -Kirche verwies auf die Nachfolger Jesu, die Apostel; man stellte den ältesten (jüdischen) Schriften nun den Kanon des Neuen Testaments zur Seite -daneben entstanden Glaubensbekenntnisse (Apostolisches und Nicaenisches) -in Streitfragen über die Auslegung der Schrift galt die Weisung, die Lehre der Bischöfe zu befolgen (als Träger des apostolischen Amtes) -das altkirchliche Normengefüge: 1. Schrift 2. Bekenntnis und Dogma 3. kirchliches Amt -wie diese Normen zu verstehen und handzuhaben sind war in der Folgezeit ein strittiger Punkt; zwei wesentliche Stationen waren daher der Konflikt und Trennung der West- und Ostkirche (1054) -Konflikt über das kirchliche Lehramt (Papst/Bischof von Rom vs. ökumenische Konzil des Gesamtepiskopat) der Konflikt zwischen römischen Katholizismus und Reformation -Konflikt über das Verhältnis zwischen kirchlichem Lehramt und Heiliger Schrift -sola scriptura - allein die Heilige Schrift als oberste Richtschnur (kein Lehramt etc.) -durch Relativierung der Autorität auch Relativierung der Dogmen -Konzil von Trient dagegen: zwei Quellen apostolischer Offenbarung: 1. Schrift 2. mündliche Unterweisung der Apostel -Ergebnis war katholischerseits die Einordnung der Schrift in die Kirche -Protestantismus: Schrift braucht keine Autorität um sich auszulegen; sie beglaubigt sich selbst durch das Zeugnis des Heiligen Geistes, das dem für alle verstehbaren Wort in den Herzen Glauben wirkt -Die Schrift vor dem Forum neuzeitlicher Rationalität - die Krise des Schriftprinzips -Normenproblematik im 18. Jh., Aufkommen wissenschaftlicher, insbesondere historischer Kritik und ihrer Anwendung auf die biblischen Schriften -Gegensatz Vernunft/Naturwissenschaft vs. Glaube 7 -historisch-kritische Exegese entsteht (prot. Unternehmen, erst ab 20.Jh. auch auf katholischer Seite) -deckt Irrtümer auf; Autoren der Bibel; Entstehungsgeschichte etc. Folgende Punkte werden nun im Hinblick auf die Heilige Schrift betrachtet werden müssen: Wort Gottes und Hl. Schrift (1.2); Einheit der biblischen Überlieferung (1.3); AT und NT (1.4); Exegese und Theologie (1.5) und kirchliche Bekenntnisse im Verhältnis (1.6) 1.2 Wort Gottes und Heilige Schrift -im biblischen Zeugnis wird Jesus Christus als das Wort Gottes bezeichnet (Joh 1,1.14-18) -er ist nicht allein als Übermittler der Botschaft über Gott zu sehen, sondern als Selbstzusage Gottes -das Wort Gottes ist also gerade nicht Schrift, sondern Geschehen zwischen Gott und Mensch -die Bibel als Buch ist der schriftliche Niederschlag des Wortes, das Jesus Christus selbst ist und das er Zeugen zur weiteren Verkündigung anvertraut hat -NT ist Niederschlag der Christusverkündigung, wie sie in der Anfangszeit der Christenheit geschah -Was unterscheidet jenes im NT festgehaltenen Zeugnis von anderen menschlichen Zeugnissen? Schriften der Apostel, die in der Nachfolge Christi und zur Verkündigung von ihm ausgesandt wurden (Matthäus, Johannes, Paulus, Petrus) Begleiter oder Schüler von Aposteln (Markus, Lukas) -DENNOCH ist der Begriff des Apostels nicht eindeutig zu definieren (Redaktoren der biblischen Bücher, Überarbeitungen etc.) -Das Kriterium der Apostolizität darf nicht zu eng geführt werden auf die Verfasserschaft der Apostel -in der neueren Theologie gilt daher nicht mehr so sehr das das personelle Element, sondern vielmehr die zeitliche Priorität der ntl. Schriften vor weiterem christlichen Schrifttum -größtmögliches und authentisches Christuszeugnis -früheste Christusverkündigung ist bezeugt -Dennoch meint das Kriterium der Authentizität nicht allein das historisch Älteste und durch Augenzeugenschaft zu Sichernde -biblische Berichte sind geprägt vom Glauben an Christus -Schriften, die später in den Kanon Eingang fanden, waren zuvor schon für die gottesdienstliche Lesung im Gebrauch und als solche für ihr Leben bedeutsam und wirksam -Die Anerkennung der Schrift als Gottes Wort gründet in der Erfahrung ihrer Glauben schaffenden Wirksamkeit -die Bibel hat keine formal-historische Funktion, wohl aber umso mehr eine geistliche Erfahrungsfunktion, die bedeutsam für den chr. Glauben ist -weil im Geschehen des Wortes Gottes Christus selbst gegenwärtig wird, kann die Bibel auch als das Werkzeug verstanden werden, durch das Christus die Kirche an sich bindet und ihr immer wieder neu begegnet -die auctoritas normativa, die der Schrift als Richterin über alle Menschenlehre zukommt, ist in ihrer auctoritas causativa begründet: Sie hat die schöpferische Kraft, den Glauben hervorzurufen, durch den der Mensch zu Gott heilsam ins Verhältnis gesetzt wird! -Der soteriologische Skopus der altprotestantischen Schriftlehre: Die Schrift als Erkenntnisprinzip und Mittel des Heils -Schrift schafft das Heil, das der Mensch aus eigenen Kräften nicht zu erreichen vermag -sie ist das Erkenntnisprinzip (principum cognoscendi), das der Wirklichkeit Gottes als dem principium essendi aller Theologie entspricht 8 -Schrift ist vollkommen durch Wirksamkeit (efficacia), Hinlänglichkeit (sufficientia) und Klarheit (claritas) -göttliche Prädikate für soteriologische Komponenten -die kommunikative Einheit von Gottes Wort und Menschenwort ist zu unterscheiden von der personalen Einheit von Gott und Mensch in Jesus Christus -Christen glauben nicht an die Bibel, sondern an den dreieinigen Gott -die Bibel gehört auf die Seite des Geschöpfs; sie ist nicht „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ -Bibel als geschichtliche Größe -die Bibel hat dennoch schöpferische Kraft des Wortes Gottes, deutet sie hin auf die göttliche Autorschaft des Heiligen Geistes und entspricht dem Heil, das der chr. Glaube in Jesus Christus erkennt -der dreieinige Gott kommt durch die Bibel zu den Menschen -die Bibel als Buch der Kirche - die Kirche als Geschöpf des in der Bibel wirksamen Wortes Gottes -Kanon als geschaffenes Buch durch die Kirche -vorher wurde erkannt, was den Menschen etwas bedeutet, diese Texte dienten der Zusammenstellung -Kirche als Handeln Gottes in der Welt 1.3 Vielfalt und Einheit der Schrift -Christus als Sohn Gott, das eine, einzigartige Wort Gottes -bei ihm liegen Anfang und Ende, er ist „das Alpha und das Omega“ (Apk 22,13) -er kennt das Geheimnis Gottes, seines Vaters und kann es den Menschen erschließen -In dem einen Wort Gottes liegen Anfang, Mitte und Ende der Universalgeschichte -die Vielfalt der biblischen Bücher mit ihren vielen Autoren, Redaktoren und Schichten bildet jedoch eine Einheit und ein verbindendes Element -die Bibel bildet ein Ganzes, als Anfang und Ende aufeinander verwiesen -Linie von der Schöpfung des Himmels und der Erde (Gen) bis hin zu Neuschöpfung von Himmel und Erde (Apk) -Weg Gottes mit den Menschen, wie er sich in der Geschichte des Volkes Israels und der Geschichte Jesu Christi darstellt, ist eingebettet in eine Universalgeschichte -die Geschichte der Bibel ist in ihrer Gesamtdarstellung ein „offenes“ Buch -Die Einheit des Kanons als Gesprächszusammenhang: Biblische Texte legen sich wechselseitig aus -AT und NT verweisen immer wieder aufeinander -Aufbau der Lutherbibel nach Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft für beide Teile -Geschichte der Kanonbildung ist eine Geschichte von Konflikten: einige Teile waren ganz klar schon früh in den Kanon eingebunden (Evangelien), andere Teile (Hebr., Jak, Jud) waren umstritten und sind strittig geblieben -Luther ordnete die Schriften entsprechend an: Kanonisch ist es, weil und sofern es „Christum treibet“ -„Was Christus treibet“ heißt für Luther: die Rechtfertigung des Sünders allein durch Gottes Tat in Jesus Christus predigen; Mitte der Schrift ist somit dies, dass Gott „SÜNDE VERGIBT“ in Röm 3,25) -in anderen Büchern des NT konnte Luther diese Botschaft nicht erkennen (Hebr.) und stellte sie ans Ende des Testamentes -einheitliche Geltung des Kanons wurde dann durch die hist.-kritische Exegese noch mehr in Frage gestellt -Erkenntnis, das man von einer theologischen Lehreinheit im NT nicht sprechen kann -dies rief die Frage nach einem „Kanon im Kanon“ hervor 9 -Die Einheit der Kirche begründet allein das Evangelium, mit Luther verstanden als die Christusverkündigung in ihrer Aktualisierung ad hominem als Zusage der Rechtfertigung des Gottlosen (Ernst Käsemann) -Barth stand dieser Position skeptisch gegenüber. Für ihn ist das „geschriebene Wort“ dem „offenbarten Wort“ Christi nachgeordnet. Nicht an sich, sondern durch die Autorität Christi kommt der Schrift eben Autorität zu. -Barth wehrt sich aber entschieden dagegen innerhalb der Schrift zwischen eigentlichem Christuszeugnis bzw. Evangelien und anderem zu unterscheiden -Auf die ganze Schrift hören: der Kanon als Korrektiv gegenüber einer auswählenden Theologie (Karl Barth) -die ganze Schrift (inkl. AT) ist als das von Gott der Kirche gegebene Christuszeugnis zu hören -durch Analyse eines Kanons im Kanon würde die Theologie in die Schrift hineinreden, statt sich anreden zu lassen -Aussagen dogmatisch passend zu machen (Widersprüche innerhalb der Ev.) kann keine Lösung sein -Das NT ist der schriftliche Niederschlag eines lebendigen Verkündigungsgeschehens; seine Spannungen sind auszuhalten! -Biblische Texte können gerade in ihrer Gegensätzlichkeit herausfordern und Leser ins Gespräch hineinnehmen, das der Kanon gleichsam inszeniert, indem er verschiedene Stimmen miteinander reden lässt -Aufgabe: Teilnahme am innerbiblischen Gespräch ohne einzelne Stimmen auszuschließen, aber auch ohne die Suche nach einer Mitte einzustellen -Mitte meint hier eine inhaltliche Mitte, keine formal ab- oder auszugrenzende 1.4 Altes und Neues Testament -bezieht sich das ntl. Christuszeugnis schon auf die atl. Messiaserwartung? Bedeutet nicht die Kritik Jesu am Gesetz Kritik am Wortlaut des überlieferten Gesetz des Mose? -angesichts vieler Fragen ist es erstaunlich, dass sich die Alte Kirche sich für den Doppelkanon und für eine typologische Deutung des AT entschieden hat (gegen Markion) -Schrift des Alten Testaments wurde als auf den kommenden Christus hinweisend gelesen; im NT ist dieser Schriftbeweis vielfach präsent -Differenzen zwischen den Aussagen des AT und Aussagen Christi legte man allegorisch, d.h. dem geistlichen Sinn nach, aus -die Kult- und Zeremonialordnung des AT sah man aber durch Christus aufgehoben -hist.-kritische Exegese brachte auch hier die Frage auf, wie das AT als in seiner Zeit geltendes religiöses Buch auf die Zukunft ausgerichtet sein könne -hat das so gelesene AT überhaupt noch eine Bedeutung für den chr. Glauben? -Theologen des 19. Jh. sahen im AT ein Dokument einer Religiosität, die in dem, was Jesus brachte, endgültig überschritten und in ihren Schranken überwunden ist (Schleiermacher, von Harnack) -Gegen die historisch-kritische und religionsgeschichtliche Relativierung des Alten Testaments: das AT als Christuszeugnis im Modus der Erwartung (Barth) die Einheit von AT und NT in der Dialektik von Gesetz und Evangelium (Lutheraner) -Ist Christus das Wort der Offenbarung Gottes, so ist mit dem apostolischen Zeugnis des Neuen auch das prophetische des AT als Christuszeugnis zu verstehen. AT bezeugt Christus im Modus der Erwartung, das NT bezeugt ihn im Modus der Erinnerung. (Barth) 10 -das Evangelium kann nur zum befreienden Wort werden, wenn es vorher das Gesetz gab (Lutheraner) -Christusverkündigung als Weltveränderung, nicht nur als innerliche Veränderung (Bultmann) -Alle Israel gegebenen Verheißungen bleiben auch im NT in Kraft, indem sie eine radikale, freilich alle vorläufigen Heilsgüter Israels übergreifende Weltveränderung ansagen! -Progaramme biblischer Theologie: theologische Zusammengehörigkeit auf dem Weg der geschichtlichen Offenbarung auf Christus hin sowie in der Identität des sich offenbarenden Gottes und in der Einheit seines Wortes -AT wird befragt als für das Christuszeugnis des NT bedeutend -Christus ist systematisch-theologisch von einer Glaubensgeschichte Israels nicht zu trennen -der Gott, dessen Wort und Handeln er authentisch zu vertreten beansprucht, ist kein anderer als der Gott, der zu Israel geredet hat -Eine Theologie, die voraussetzt, dass Jesus (als Jude und historische Person) das Wort Gottes ist, das dem Glauben Grund gibt, kann das AT nicht verneinen oder nicht beachten -Im Alten Testament hat das Neue Testament seinen Wurzel- bzw. Quellgrund, von dem es bleibend abhängig ist. -Das Neue Testament verhält sich dann zum Alten wie ein Kommentar zu Urtext: Es will dessen Bedeutung erschließen und verdeutlichen, ohne diese doch in ihrer Fülle jemals ganz ausschöpfen zu können Kontinuität und Diskontinuität im Übergang vom Alten zum Neuen Testament: Verändert sich auch die Norm? -verschiedene Übersetzungsstufen (BHS, LXX etc.) sind hier zu beachten -Überlieferungsprozess vom AT zum NT schließt auch Brüche, Neuansätze und Revisionen mit ein -manche Äußerungen atl. Glaubens und seiner Gottesvorstellung können wird nicht vereinbaren mit dem, wie Gott sich in Christus erzeigt hat -dennoch will Christus im Horizont der Universalgeschichte, von der Schöpfung bis zum Eschaton verstanden werden -die Schrift deutet hin auf Christus, der wiederum auf die Schrift verweist -Fazit: Die hermeneutische Spannung, in der das atl. und das ntl. Zeugnis innerhalb des Kanons aufeinander verwiesen sind, lässt sich nicht einseitig auflösen -Der Doppelkanon begründet das theologische Gespräch und hält es offen, insbesondere auch im Verhältnis zum Judentum 1.5 Historisch-kritische Bibelforschung und theologische Hermeneutik -Bibel als Sammlung menschlicher Glaubenszeugnisse, durch deren Dienst Gott weiterhin Glauben schafft und erhält -Heiliger Geist wirkt durch menschliche Zeugnisse hindurch -mit der Verbalinspiration in der altprotestantischen Auffassung lässt sich historisch-kritische Bibelforschung nicht vereinbaren -Bibel ist keine unfehlbare Gebrauchsanleitung für jede Situation im menschlichen Leben, sie will als Wegweisung zum Heil, als „Worte zum ewigen Leben“ (Joh 6,68f.) verstanden sein -Verdienst der historisch-kritischen Exegese: Sie hat die biblische Vielfalt sichtbar gemacht -Konfrontation mit dem geschichtlich ursprünglichen Sinn kann uns auch einen neuen Weg aufzeigen, den Text zu deuten -Die Möglichkeit, dass im Menschenwort der Bibel Gottes Wort wirkt, unterliegt nicht dem Urteil der historisch-kritischen Forschung 11 -Gottes Wort an uns Menschen ist mit historisch-kritischer Methode nicht zu erfassen -es liegt entscheidend in der Vollmacht des Heiligen Geistes, durch das Menschenwort der Bibel und durch dessen Auslegung als Menschenwort hindurch den Glauben zu schaffen „wo und wann es ihm gefällt“ (CA V) -Die Bibel ist im Geiste ihres göttlichen Autors zu verstehen, der sich in ihr auf vielstimmige Weise äußert -der Heilige Geist kommt zum Menschen, der Mensch verfügt nicht über ihn -das Kommen des Heiligen Geistes ist - in Analogie zur biblischen Überlieferung - ebenso das Kommen Jesu Christi -altkirchliche Schriftauslegung: vierfacher Schriftsinn (buchstäblich, allegorisch, moralisch, anagogisch); sensus literalis (Literalsinn) als Fundament -Die Bindung des Geistes an den Buchstaben: der sensus literalis ist grundlegend. Die Trias des geistlichen Sinnes entspricht der Trias der Geistesgaben von Glaube, Liebe und Hoffnung -Heilige Schrift will gelesen/verstanden werden als Dokument des Glaubens -diese Texte vermitteln Wahrnehmungen des Ewigen im Zeitlichen, des Unsichtbaren im Sichtbaren Buch der Hoffnung -sichtbar an Psalmen, prophetischen Texten, Vaterunser -diese Texte vermitteln Wahrnehmungen des Neuen in einer vergänglichen Welt, machen bewusst, dass alle menschliche Theologie „Theologie auf dem Wege“ (theologia viatorum) ist im Sinne der Liebe -Doppelgebot der Liebe -diese Texte wollen im Hinblick auf Gottes Zuwendung zum Menschen und des Menschen Umkehr zu Gott gelesen werden -Texte der Liebe schaffen Gottesgemeinschaft -die Bibel hat nicht nur eine rein textliche Funktion, sondern ermöglicht die Vergebung der Sünde, d.h. sie kann das Verhältnis zwischen Gott, Mensch und Welt wiederherstellen -Das wirksame Wort: durch die Sprachhandlungen von Gesetz und Evangelium kommen Gott und Mensch zusammen, es geschieht die Rechtfertigung des Sünders -fundamentaler Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium (Luther, s.u.) -der Mensch wird durch das Gesetz als Sünder überführt und in seine Grenzen gewiesen -das Evangelium als Wort der Selbstzusage Gottes steht dem gegenüber -allen Modellen (reformatorische Hermeneutik, Unterscheidung Gesetz/Evangelium, vierfacher Schriftsinn) ist gemein, dass sie von der Autorschaft des Heiligen Geistes als Grund der Wirkungsmacht des biblischen Wortes ausgehen. -gilt nur noch die historisch-kritische Exegese als einzige Wahrheit verliert Theologie ihren Gegenstand: Gottes Selbstzusage als das Wort, in dem Gott und Mensch, Göttliches und Menschliches zusammenkommen -deshalb ist Theologie wesentlich auf die Schriftauslegung im Sinne einer theologischen Auslegung angewiesen. 1.6 Die kirchlichen Bekenntnisse -Dass die Mitte der Schrift Jesus Christus heißt und dass Jesus Christus nicht irgendetwas, sondern Evangelium, befreiende Botschaft, darstellt ist in der Theologie kaum umstritten -es will jedoch ausgelegt werden, wer Jesus im Verhältnis zu Gott, zu uns Menschen ist und was dessen Befreiungsbotschaft bedeutet -kirchliche Bekenntnisse: 12 frühchristliches Taufbekenntnis als erstes Bekenntnis hieraus Entwicklung der dreigliedrigen Glaubensbekenntnisse, die in die gottesdienstliche Liturgie eingegangen sind (Apostolikum und NicaenoKonstantinopolitanum) theologische Auseinandersetzungen in der Alten Kirche; hieraus erwuchs das sog. Athanasianum in der protestantischen Tradition entstanden später noch weitere Bekenntnisse (Confessio Augustana); zusammengefasst wurden sie im Konkorienbuch (1580) in der Neuesten Zeit kam außerdem die Theologische Erklärung vom Barmen (1934) hinzu -im Verständnis der Verbindlichkeit kirchlichen Bekenntnisses und der Begründung dieser Verbindlichkeit bestehen zwischen römisch-katholischer und evangelischer Theologie Differenzen -evangelisch spricht man von „Bekenntnissen“ -diese verstehen sich nicht als autoritative Entscheidungen eines Lehramtes -röm.-kath. von „Dogmen“ -seine Verbindlichkeit hat das Dogma aus der Vollmacht des Lehramtes (Papst) -die Verbindlichkeit der Bekenntnisse beruht auf ihrer Übereinstimmung mit der Schrift, deren Normativität sie voraussetzen und zur Geltung bringen -altprotestantische Theologie brachte das zum Ausdruck, indem sie die Heilige Schrift als norma normans den Bekenntnissen als norma normata überordnete -Heilige Schrift als Richter, Regel und Richtschnur -Bekenntnisse als Zeugnis und Erklärung des Glaubens -Bekenntnisse wollen verstanden sein als Antwort, zu der die Glaubensgemeinschaft an entscheidenden Wegmarken ihrer bisherigen Geschichte durch die Anrede des durch die Schrift sich selbst bezeugenden Christus herausgefordert wurde -Glaube in der Teilhabe als von Christus begründeter Glaubensgemeinschaft -Die Aufgabe der Dogmatik: der in den Bekenntnissen zum Ausdruck gebrachten Erfahrung mit der Schrift kritisch nachdenken -die Kirche ist auch in ihrer Bekenntnisbildung nicht unfehlbar; dies ist deshalb so, weil es evangelischerseits eben kein autoritäres Lehramt gibt 2. Die Aufgabe der Vermittlung 2.1 Das Problem -Das in Christus gesprochene Wort Gottes will durch die Zeiten hindurch in seiner Identität bewahrt werden; es will aber auch in seiner Relevanz im Hinblick auf die Menschen ihrer Zeit wahrgenommen werden -hierauf zielt die theologische Auslegung der Hl. Schrift; die Relevanz der Schrift im Hinblick auf die Lebenssituation der Menschen -die Daseinsbedingungen des Menschen verändern sich aber enorm -Wie kann also das Wort, das allen Menschen und Zeiten gilt, in den Horizont einer veränderten Welterfahrung hinein übertragen werden? -geschichtlich spricht schon Paulus vom Heil in Christus anders als bspw. das Matthäusev. -Vermittlung des Textes in der Übersetzung: Treue zum Original und Verständlichkeit für die gesellschaftliche Situation als Hauptkriterien -Problem in der Predigt, Seelsorge und persönlichem Gespräch -Aufgabe der Dogmatik: verkündigten Texte UND Lebenswelt der Menschen interpretieren -Adressaten sollen ihr Leben vor Gott neu verstehen durch Verkündigung! 13 -Transformationen reformatorischer Theologie im Neuprotestantismus und die Frage nach der Freiheit -Glaube als Akt der subjektiven Aneignung (reformatorische Theologie) -Glaube als Verwirklichung christlicher Freiheit (Schleiermacher/Neuprotestantismus) -zurück zum altprotestantischen Schriftprinzip und altkirchlichen Dogma würde Gefahr laufen, Glaube ggü. dem Wahrheitsbewusstsein abzuschotten und eben nicht lebendig wirken zu lassen -ein Glaube unter Verleugnung der historischen und naturwissenschaftlichen Wissenschaft verkümmert zu einem pseudowissenschaftlichen Für-wahr-Halten -demgegenüber ist das Anliegen neuprotestantischer Theologie dem Menschen Gewissheit und Freiheit im Glauben zu vermitteln -Im Blick auf manche Übersetzungen muss man sich fragen, ob sie das in Christus gesprochene Wort Gottes noch übersetzen oder nicht vielmehr durch andere Worte ersetzen -deshalb Aufgabe der Theologie: Zeugnis der Schrift als Quelle und Norm des Glaubens zu Geltung bringen 2.2 Lösungsmodelle -Versuche der neueren Theologie, dem Problem der Vermittlung zu begegnen: Ausgangspunkt: das in der Verkündigung Jesu eigentlich Gemeinte kann nichts anderes sein als das, was auch im Bewusstsein der eigenen Zeit als das religiös Wesentliche erscheint o rationalistische Theologie (vor und nach 1800): „vernünftiger“ Gottesgedanke; Jesus als Prediger und vorbildlicher Erfüller des Sittengesetzes; maßgeblich ist der vernünftig-moralische Kerngehalt der Religion, den es gewissermaßen in Reinkultur darzustellen gilt o Schleiermacher/Theologie des 19. Jh.: zweifacher Religionsbegriff, erstens Anthropologie und Theorie des menschlichen Bewusstseins, zweitens spezifisch christliche Religion und in ihr Jesus Christus als das Wort Gottes; religiöses Bewusstsein; Joh 1,14 („Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“) als Grundtext der Dogmatik fraglich bleibt hier sein Verständnis der Sünde und der Heiligen Schrift o Barth (19./beginnendes 20. Jh.): theologische Auslegung des Offenbarungswortes auf Faktoren gegenwärtiger Wirklichkeitserfahrung hin zu orientieren, gerät unter den Verdacht der ideologischen Anpassung an den jeweils „modernen“ Menschen; das Wort Gottes ist für den Menschen überhaupt nicht und zu keiner Zeit unter menschlichen Bedingungen verstehbar, es wird verstanden, wenn Gott selbst, der Heilige Geist, im Menschen Hören und Verstehen wirkt! Der Prediger spricht dieses Wort Gottes nach und lässt es in Gottes Hand, das es wirkt o Bultmann: Entmythologisierung; Entscheidung des Glaubens wird nicht durch vermittelnde Interpretation, sondern durch die Macht des Wortes gewirkt, das zum Glauben ruft (hier einig mit Barth); es kann aber erst zum Glauben bzw. Unglauben kommen, wenn der Mensch versteht, inwiefern dieses Wort seine Existenz in der Welt betrifft; mythologische Sprache der Bibel verhindert dies mythologische bei Bultmann: eine Sprache, in der das Heilswirken Gottes in der Gestalt von Fakten veranschaulicht wird, die den natürlichen Weltzusammenhang gegenständlich, „wunderhaft“ durchbrechen Zurück in die mythologische Sprache zu gehen, hieße für einen Menschen in eine Welt einzudringen, die nicht seine ist; Übersetzung und Erhellung der 14 biblischen Inhalte als philosophische Frage, die im Vorfeld der theologischen Interpretation des Kerygmas zu geschehen hat; existentiale Interpretation der biblischen Botschaft o Tillich: Methode der Korrelation; zuerst Fragen der Vernunft reflektieren um dann Gehalt des chr. Glaubens als „Antwort der Offenbarung“ zu erarbeiten (hier einig mit Bultmann); als Frage der Vernunft versteht er Schlüsse, vor die sich die menschliche Vernunft in Bezug auf das Ganze der Welt den Weg und die Zukunft der Geschichte gestellt sieht; Theologie muss diese Frage so formulieren, wie sie der Wirklichkeit der eigenen Zeit entspricht; in unserer Zeit bedeutet dies „das neue Sein in Jesus dem Christus“ -In den Entwürfen Bultmanns und Tillichs wird deutlich, dass es das aus menschlicher Selbsterfahrung nicht abzuleitende Offenbarungswort Gottes (Bultmann: das „Kerygma“) ist, dessen Gehalt es zu vermittelt gilt. Dies steht auch im Zusammenhang mit Barth und auch mit Bonhoeffer, der seine Gedanken in der Haft umrissen hat. o Bonhoeffer: sucht nach einer „nicht-religiösen Interpretation“ biblischer Begriffe; nicht-religiös meint: Gott kommt in Jesus Christus „ohnmächtig und schwach“ zur Welt, er hilft nicht „kraft seiner Allmacht, sondern kraft seiner Schwachheit, seines Leidens“ o Theologie der 1970er Jahre: „Tod Gottes“ (Tod der Vorstellung Gottes als eines personhaften, übermenschlichen Gegenübers) als Denkhypothese; „Gott geschieht“ in der Freiheit und Liebe, die der Mensch Jesus gelebt hat, und da, wo in seiner Nachfolge Menschen dazu kommen, in gleicher Freiheit und Liebe zu leben und miteinander umzugehen in Anlehnung an die Religionskritik Feuerbachs und Nietzsches wird die Übersetzung der Theologie in Anthropologie gefordert; Christus weniger als Erlöser, vielmehr als Vorbild o Theologie des 21. Jh.: „Wiederkehr der Götter“, Rückbesinnung auf Religion; Begriff der Religion wird nicht mehr der biblischen Offenbarung entgegengesetzt, er dient Vermittlung zwischen den Text- und Lebenswelten der Bibel einerseits und der modernen religiösen Subjektivität andererseits; Begriff des Sinns als wichtige Brückenfunktion 2.3 Kritische Überlegungen -es ist zu unterscheiden, was Vermittlung bedeutet und wollen kann und was nicht -Die doppelte Aufgabe der Vermittlung: Übersetzung der biblischen Botschaft in die gegenwärtige Lebenswelt Versetzung des Menschen in die Gegenwart Gottes -indem Gott Mensch wurde, hat er sich auf die geschichtlichen Bedingungen des menschlichen Daseins eingelassen -Jesus will als Gegenwärtiger begegnen -Gott will in seinem Wort so zum Menschen kommen, dass dieser zu ihm kommt -Vermittlung zielt darauf ab, Hörer aus ihrer durch die Sünde bestimmten „alten“ Lebenssituation in eine „neue“ Geschichte zu versetzen, so wie sie durch die Bibel als Geschichte des Heils erschlossen wird -verschiedene Neuerungen sind hierbei - gedanklich - zu berücksichtigen: technischer Fortschritt, komplett andere Lebenswelt, mediale Vernetzung usw. -dass das Leben dadurch besser geworden ist, darüber kann man streiten, aber es ist definitiv anders geworden -das Leben im Horizont der Daseinsverhältnisse -hiervon zu unterscheiden ist, wie die Menschen ihr Leben vollziehen, ihr sog. Daseinsverhalten; verschiedene Grundhaltungen stehen nebeneinander 15 -Verkündigung und theologische Reflexion müssen auf diese Verhältnisse eingehen -Die Wahrnehmung der Daseinsverhältnisse: im Spiegel wissenschaftlicher Theorie im Wandel sozialer Ordnungen angesichts neuer Möglichkeiten des Handelns -Naturwissenschaftliche, psychologische...Erkenntnisse können nicht als etwas verstanden werden, woraus wir durch das Evangelium zur Umkehr gerufen werden -Glaube und Naturwissenschaft können und müssen nebeneinander akzeptiert und an einigen Punkten auch vereint werden -Aufgabe ist das im Glauben ermöglichte neue Daseinsverhalten -es soll ersichtlich werden, dass und wie Gottes Selbstzusage die Daseinsfragen der Gegenwart so betrifft, dass sie den, der sich im Glauben auf sie einlässt, in seinem Umgehen mit diesen Fragen bestimmt und verändert -mit der Zusage der Wirklichkeit Gottes verbindet sich die Zumutung, die Daseinsfragen neu zu verstehen, anders als sie dort, wo der Mensch meint, mit sich und der Welt allein zu sein, verstanden werden -Der Glaube eröffnet eine neue „Erfahrung mit der Erfahrung“ (Ebeling, Jüngel) -Übersetzung traditioneller christlicher Rede in die Moderne -Glaube, der sich auf die Zusage Gottes verlässt, „lokalisiert“ die Glaubenden in der Geschichte, die in der Bibel erzählt wird -Heil, Vergebung der Sünde und Aufnahme in Gottes Gemeinschaft entstehen hier und jetzt 3. Fragen der Darstellungsgliederung -herkömmlich werden Dogmatiken nach den „Prolegomena“ folgendermaßen gegliedert: Gotteslehre (in der alten Dogmatik geteilt in Lehre von Gottes Wesen und Eigenschaften im Allgemeinen und die Lehre von Gottes Dreieinigkeit; in der neueren Dogmatik ist die Stellung der Trinitätslehre Lehre von Gottes Schöpfung und Vorsehung Anthropologie (der Mensch in seiner geschöpflichen Bestimmung und der Mensch als Sünder im Widerspruch zu dieser Bestimmung Christologie (Person und Werk Jesu Christi) Soteriologie (Heilszueignung durch das Werk des Heiligen Geistes im Menschen: Rechtfertigung und Heiligung, Glaube und Werke) Ekklesiologie (Lehre von der Kirche und den „Gnadenmitteln“: Wort und Sakramente) Eschatologie (Lehre von den „letzten“ Dingen“ bzw. von der christlichen Hoffnung) -Gliederung von der Schöpfung bis zur Vollendung der Welt -Zweiteilung des Werkes in 1. Die Wirklichkeit Gottes 2. Der Weg Gottes mit dem Menschen -Ansatz der Dogmatik als christozentrisch. Dass und wie Gott „in Christus“ ist (2Kor 5,19), steht im Zentrum unserer Besinnung auf die Wirklichkeit Gottes -erster und zweiter Teil verweisen immer wieder aufeinander und beziehen sich gegenseitig ein 16 Zweiter Teil: Die Wirklichkeit Gottes -kein dogmatisches Problem ist unabhängig von der Gottesfrage zu beantworten -Die Wirklichkeit Gottes als Thema der gesamten Dogmatik: Gottes Sein erschließt sich in seinem Wirken -Gottes geschichtliches Wirken, Reden und Handeln zeigt sich am Menschen und mit dem Menschen auch, wer er wirklich ist -sie lässt sich nicht in Tatsachenbeschreibungen ergründen -Gottes-, Welt- und Selbsterkenntnis gehören zusammen -Gotteserkenntnis: Luther: Akt des Glaubens; alle metaphysische Versuche, die Wirklichkeit Gottes unabhängig von den Erfahrungen des Glaubens zu begreifen sind zu verwerfen; „Denn die zwei gehören zuhaufe, Glaube und Gott. Worauf Du [...] Dein Herz hängest und verlässest, das ist eigentlich Dein Gott.“ Schleiermacher: Vorverständnis Luthers; Glaube als „frommes Selbstbewusstsein“; Gotteslehre wird eine Theorie des Glaubens vorangestellt Pannenberg, Härle, Lange: Gotteslehre muss fundamentalanthropologische Überlegungen voranstellen; Wirklichkeit Gottes wird in der Verschränkung mit einer Theorie des Glaubens thematisiert (im Anschluss an Schleiermacher) o auf Basis eines Religionsbegriffs, demzufolge der Mensch wesentlich religiös ist (Pannenberg) o im Sinne einer Wesensbestimmung des christlichen Glaubens (Ebeling/Härle) o im Sinne einer religionsphilosophischen Grundlegung (Lange) -Grundlegend für die Gotteslehre ist nicht eine allgemeine Theorie des Glaubens oder der religiösen Erfahrung, sondern die besondere Geschichte des biblischen Zegnisses (Joest/von Lüpke) Glaube im Kontext der Gnadenlehre verstehen; Glaube als Antwort -Mensch befindet sich (unter Einschluss seines seelischen und geistigen Vermögens) im Widerspruch zu Gott -Als Sünder will der Mensch nicht, dass Gott sei, er maßt sich vielmehr selbst die Stelle Gottes an -von der Wirklichkeit Gottes zu reden, heißt wahrzunehmen, wie und wodurch Gott sich selbst zusagt; diese Wirklichkeit entsteht aufgrund seiner Selbstmitteilung, die sich in Jesus Christus vollendet III. Kapitel: Gott, der Vater und allmächtige Schöpfer 1. Die grundlegende Geschichte der Selbstmitteilung Gottes in ihrer biblischen Bezeugung -„Narrative Theologie“ ist mehr als bloßen Nacherzählen; sie muss gedanklich verarbeiten, Begriffe bilden und argumentieren (zusammen mit Dogmatik) -dennoch bleibt Grund und Ziel Jesus Christus in seiner Geschichte -Schöpfung und Sündenfall eröffnen die Bibel; in ihnen ist angesprochen, was aller konkret erfahrbaren Geschichte vorausliegt. Die prophetische Schau konnte dieses Vorausliegen erst in einer Heils- und Unheilsgeschichte mit dem Gott, der sich offenbart hat, richtig deuten. Das Hereinkommen Gottes in die von ihm entfremdete Welt wird in der Bibel bezeugt. Die Geschichte beginnt bei Abraham und führt zu Jesus. Die Frage hierbei ist: Als wer hat Gott sich in der Geschichte gezeigt? Gott ruft mitten aus dieser im Abseits von ihm lebenden Menschheit Abraham. Hiernach (seine Nachkommen) ruft er aufs Neue Mose. Die Geschichte mit dem Volk 17 Israel beginnt. Es geschieht etwas Neues. Gott spricht aus seiner bisherigen Unerkanntheit heraus Menschen an und bringt sie auf einen Weg der Geschichte Gottes mit den Menschen. Gottes Zusage: Gegenwart im Zusammensein mit seinem Volk Es entsteht ein intensives Verhältnis zu Gott selbst. Seine Grundzusage ist von Anfang an Zusage seiner Gegenwart: Ich bin der Herr dein Gott. Ich werde mit dir sein. Auf die Frage Moses hin, wer Gott sei, antwortet dieser mit dem rätselhaften „ehje ascher ehje“ (Ex 3,14) (in etwa: „Ich werde dabei sein/Ich bin der, der dabei sein wird.“) Außerdem beansprucht Gott die Menschen durch „Ihr sollt mein Volk sein!“ -Gott ist äußert exklusiv. Er will nicht für einen Gott neben anderen gehalten werden, ist nicht mit anderen Gestalten austauschbar, er will allein der eine Gott dieses Volkes sein. Auffällig ist aber auch, dass Gott in seiner Gegenwart zugleich in einem bestimmten Sinn ungreifbar, unverfügbar bleiben will. Er will nicht als Bild (als bloßes Ding) dargestellt sein. „Mein Angesicht kannst du nicht sehen - der Mensch, der mich sieht, müsste sterben (Ex 33,20) Das Mit-Sein Gottes erweist sich in Heilstaten. Gott hilft heraus (Exodus), wirkt unerwartete Rettung. Abraham wird neuer Lebensraum, Herdenbesitz und ein Sohn geschenkt. Das in Ägypten unterdrückte Volk wird aus der Knechtschaft herausgeführt, vor seinen Verfolgern gerettet, ihm wird eigenes Land gegeben. Die Botschaft Gottes ist hierbei stets: Ich werde das tun. Ich habe das getan. Daran sollt ihr erkennen, dass ich der Herr, euer Gott bin. Das Wirken Gottes in der Geschichte erschließt sich durch sein Wort und will im Glauben wahrgenommen werden Gott beansprucht das Volk, ihm einen Dienst durch den Glauben zu erweisen. Dies geschieht einerseits durch die Anbetung, Lobpreisung, andererseits aber auch im menschlichen Miteinander (10 Gebote). -Mit Heilserweisen Gottes verbinden sich immer wieder Heilverheißungen, die Ansage von Zukünftigem, das Gott tun wird. Gott ist hierin der Gegenwärtige und der Kommende. Schon in der Abrahamsgeschichte wird klar: Gott fängt seine besondere Geschichte mit diesem einen Volk nicht an, um mit ihm eingeschlossen und allein zu bleiben. Er zielt mit dieser Geschichte letztlich auf alle Völker (Gen 12,3: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“). Alle Völker also sollen herkommen zu dem Gott, der Israel herausgerufen hat. Schon bald wird aus der Geschichte des Volkes mit Gott eine Geschichte von Katastrophen. Es folgt das goldene Kalb (Ex 32), die lange Wüstenwanderung, die immer wieder mit Abfällen und Strafgerichten verbunden ist. Auch nach der Landnahme fällt das Volk von Gott ab bis hin zur Katastrophe des Exils. Es zeichnet sich eine Grundsignatur ab: Der von Gott geschenkte Anfang geht immer wieder in menschlichem Versagen unter. Klar wird, das Volk kann diesem Gott nicht entsprechen. Es wendet sich immer wieder „greifbaren“ Göttern und Dingen in der Umwelt zu; es verkehrt Barmherzigkeit zur Ungerechtigkeit. Die Geschichte Israels mit Gott wird zur Geschichte seines Scheiterns an diesem Gott. Der Konflikt zwischen Gott und Mensch wird hier akut -Gott sieht nicht in aller Ruhe über die Verfehlungen des Volkes hinweg. Er erweist sich als höchst irritierbar, leidenschaftlich, verletzlich. Damit erweist sich Gott als menschlich in seiner Verletzbarkeit durch die Menschen, mit denen er zusammen sein will Gottes Antwort auf den Widerspruch des Menschen: Gericht und Verheißung Gottes Zorn entbrennt am immer wiederkehrenden Abfall seines Volkes. Seine Gerichte steigern sich bis dahin, dass schließlich alles zurückgenommen wird und das 18 Land, der Tempel, die Bundeslade verloren gehen. Gott stößt sein Volk in eine neue ägyptische Knechtschaft in Gestalt des babylonischen Exils. Aber gerade hier geht Gottes Geschichte mit Israel weiter. Jetzt kommt der Stärkere über den Starken, der Perser über den Babylonier. Die neuen Herrscher lassen die Gefangenen frei, sie dürfen heim in das Land, aus dem sie ausgestoßen waren. Hieraus wird klar: JHWH ist in Wahrheit der Stärkere, der über den Starken gekommen ist. Die politischen Mächte sind die Werkzeuge seiner Hand. Sein radikales Gerichtswort wird nun zum radikalen Aufrichtungswort: „Tröstet, tröstet mein Volk.“ (Jes 40,1). Neue Verheißungen ergehen an das Volk: Friedensreich, in dem der Streit zwischen Mensch und Mensch ein Ende haben wird. -Gott wird erkennbar als Herr der Welt. Der Gott, der aus Ende Anfang, aus Tod neues Leben macht gibt sich zu erkennen als der Schöpfer, von dem alles Leben herkommt und dessen Zukunftswille darum auch alles umfasst. Gottes Handeln als Erweis seiner Schöpfermacht, Treue und Gnade -Das Geheimnis Gottes im Zorn ist nicht die Rachsucht, es ist der Eifer der leidenschaftlichen, an und um den Menschen leidenden Liebe, die ihn aus seiner Abkehr und Verhaftung an falsche Götter und Lebensquellen heraus gewinnen will. „Sein Zorn währt eine kurze Zeit, aber in Ewigkeit seine Gnade.“ (Ps 30,6) Weiter wird durch die gesamte Geschichte hindurch klar: „Nicht dass du mich gerufen hättest, Jakob, oder dass du um mich gearbeitet hättest, Israel. Mir hast du Arbeit gemacht mit deinen Sünden und hast mir Mühe gemacht mit deinen Missetaten. Aber ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht.“ (Jes 43,2225) -Die Frage, wie sich Gottes Heilswille zum menschlichen Leiden verhält, bleibt unbeantwortet - gerade im Hiob-Buch -Die Erfüllung der Verheißungen, die der chr. Glaube in Jesus Christus erkennt, lässt nicht die Gaben und Verheißungen (Röm 9,4) hinfällig werden, die den Weg Israels nach wie vor bestimmen und ihm seine besondere heilsgeschichtliche Bedeutung verleihen. -Was ist nun durch und in Jesus Christus geschehen? Gott identifiziert sich mit dem Menschen In der Auferweckung des Gekreuzigten macht er ihren Tod aus dem Ort ihrer Gottverlassenheit zum Eingang in die Gottesgemeinschaft Gott überschreitet die Kluft zwischen Israel und allen Völker und teilt seine Selbstzusage allen Völkern auf Erden mit Wer und wie ist der Gott, der sich hier offenbart? 1. Dieser Gott ist nicht jederzeit und von vornherein in menschlicher Selbst- und Welterfahrung erfassbar. Er gibt sich zu erkennen in besonderem Geschehen 2. Gott entzieht sich „Bildnis und Gleichnis“ er lässt sich nicht durch das Bild der in der Natur und Geschichte wirksamen Kräfte repräsentieren. Er identifiziert sich selbst durch sein Wort - und zuletzt in Jesus Christus 3. Gott unterscheidet sich von allem, was Welt und in der Welt ist, als der schlechthin Überlegene. Er ist der Welt aber handelnd gegenwärtig; er geht mit dem Menschen in der Welt eine Geschichte ein, die auf Zukunft hin ausgerichtet ist. 4. Diese Geschichte offenbart Konflikte zwischen Mensch und Gott. Gott aber lässt sich bewegen; er reagiert auf das Verhalten des Menschen, durchaus verschieden in Zuwendung und Gericht, beständig aber darin, dass er sein Ziel mit Mensch und Welt nicht aufgibt 5. Sein auf dieses Ziel gerichteter Wille darf von Jesus Christus her als der Wille einer un-bedingten, alle widergöttlichen Mächte überwindenden Liebe verstanden werden. 19 2. Die Gotteslehre der kirchlichen Überlieferung -Altprotestantische Theologen verstehen ihre Aussagen von Gott als im biblischen Offenbarungszeugnis, aber zumindest teilweise auch in einem dem Menschen allgemein möglichen Wissen um die Wirklichkeit Gottes begründet. -das steht unter der Voraussetzung einer zweifachen Offenbarung Gottes (siehe I,2.1) -Gotteslehre folgt der Lehre von der Heiligen Schrift und behandelt folgende Themen: 1. die Frage, ob Gott ist und ob die Annahme seiner Existenz denknotwendig ist? 2. die Frage nach Wesen und Eigenschaften Gottes: Wer bzw. was ist Gott? Was ist Gott wesentlich? Wie ist Gott? 3. das Geheimnis der Dreieinigkeit Gottes 4. das Wirken Gottes in Schöpfung und Vorsehung und sein Verhältnis zum Wirken der Geschöpfe 2.1 Das Wissen um die Existenz Gottes -Die Gewissheit, dass Gott ist (vgl. Hebr 11,6) ist für den Christen in dem biblischen offenbarten Wort und Handeln Gottes und dem die Schriftoffenbarung beglaubigenden Zeugnis des Heiligen Geistes begründet. -altprotestantische Theologie: in jedem Menschen ist Gott ins „Gewissen“ geschrieben -mittelalterliche Theologie: Gottesbeweise in der Scholastik -Der Glaube braucht keine Beweise, aber im Blick auf die nicht oder noch nicht glaubenden Menschen war den Theologen der Zeit der Hinweis auf die Möglichkeit eines Vor-Wissens von Gott wichtig -Exemplarisch sind hier die fünf Beweiswege (viae) des Thomas von Aquin -Durch Tatsachen innerweltlicher Erfahrung erwachsen transzendierte, d.h. aus innerweltlichen Größen nicht beantwortbare Fragen -Sonderform: „ontologischer“ Gottesbeweis des Anselm von Canterbury Gottesbeweise als Wege, die von der Beschaffenheit der Welt ausgehend zu Annahme der Existenz Gottes führen -Beantwortung der Fragen ist nur durch eine transzendentale Größe, Gott, möglich -die ersten drei Wege des Thomas: Gegeben sind in unserer Welterfahrung nur Größen, deren Existenz durch andere Größen bedingt ist, die zuvor existieren, aber ihrerseits wieder durch vorhergehende bedingt sind usw. Die Frage stellt sich, woher das erste Glied einer solchen Kette kommt? Das erste Glied muss unbedingtes Sein (esse absolutum) zukommen, die also in Ewigkeit und aus sich selbst besteht -der vierte Weg des Thomas: es gibt verschiedene Wertigkeiten von Schönheit, Gutem, Gerechtem o es muss aber einen Höchstwert als Maßstab geben (summum bonum); dessen Existenz ist vorauszusetzen -der fünfte Weg des Thomas: dieser Weg entspricht dem später sog. teleologischen Beweis Ausgangspunkt: Befähigung der menschlichen Intelligenz, sich Ziele zu setzen und auf ihre Verwirklichung hin zu handeln; zugleich aber unerklärliche Vorgänge in der Natur o Erklärt werden kann dies nur über die Annahme eines überweltlichen Wesens von höchster Intelligenz, durch das die Welt geschaffen wurde und regiert wird 20 Der „ontologische“ Gottesbeweis: Der Begriff Gottes impliziert die Annahme des Seins dieser Beweis will die Existenz Gottes nicht durch Rückschluss aus Tatsachen der Welterfahrung, sondern aus dem inneren Gehalt des Gottesgedankens heraus erweisen Voraussetzung: Begriff des vollkommensten Wesens; Gott ist „das, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann“ o Somit existiert dieses Wesen als Gedanke Begriff Vollkommenheit schließt aber für Anselm reale Existenz in sich („esse in re“ ist vollkommener als „esse in intellectu“) nimmt man also an, „das vollkommenste Wesen“ existiere nur als Gebilde unseres Denkens, so würde dieser Begriff in sich widersprüchlich; denn dann könnte ein noch vollkommeneres „vollkommenstes Wesen“ gedacht werden, welches nicht nur als Gedanke, sondern auch in Wirklichkeit existiert -Kant hat die Gottesbeweise später als nicht-schlüssig abgetan. Für ihn ergibt sich, dass weder die Existenz noch die Nichtexistenz Gottes durch theoretische Vernunftschlüsse bewiesen werden können -dennoch rechtfertigt auch er den Gottesgedanken in der „Kritik der praktischen Vernunft“ -will man sittliches Bewusstsein nicht preisgeben, so ist man genötigt, eine überweltliche Macht anzunehmen, die den Widerspruch lösen kann, indem sie Tugend und Glückseligkeit letztlich zusammenführt -sog. „moralischer“ Gottesbeweis 2.2 Die Erkenntnis des Wesens Gottes und das Problem der Analogie -Das Wesen Gottes entzieht sich jeder Definition i.e.S. -dennoch finden sich Ansätze zu Wesensaussagen scholastische Theologie: Gott ist das Sein-Selbst (esse ipsum), d.h. die Größe, deren Wesen es ist zu sein, die zu ihrer Existenz keines Anderen als Voraussetzung bedarf, vielmehr selbst der Grund des Seins aller anderen Größen ist altprotestantische Theologie: Gott als ens infinitum spirituale, als Geistwesen, dem Unendlichkeit zukommt -diese Thesen bleiben aber alle abstrakt und können nicht erschöpfend sein -Rechenschaft darüber, was „Gott“ heißt, beschränkt sich nicht auf solche Formeln -in der älteren Theologie benennt man eine Vielheit von Eigenschaften (attributa) die auf das in ihrer Mitte stehende Wesen gleichsam hinzeigen -Aussage aufgrund biblischer Belege -Zur Gewinnung von ontologischen (Seins-)Aussagen folgte man besonders in der mittelalterlichen, aber auch in der altprotestantischen Theologie den drei Wegen des Pseudo Dionysius Areopagita 1. Steigerung (via eminentiae): Alle in den Kreaturen relativ und begrenzt gegebenen Vollkommenheiten sind von Gott in unendlicher, unbegrenzter Fülle auszusagen 2. Verneinung (via negationis): Alle kreatürlichen Begrenzungen und Unvollkommenheiten sind aus Gottes Wesen auszuschließen 3. Begründung (via causalitatis): Von Gott sind diejenigen Eigenschaften auszusagen, die aufgrund seines Wirkens als Schöpfer und Erhalter des kreatürlichen Seins in ihm vorausgesetzt werden müssen. -alle Eigenschaftsaussagen in Anwendung auf Gott sind nur analog verstehbar, d.h. sie sind genötigt, Begriffe auf Gott zu übertragen, um überhaupt von ihm reden zu können -dies kann nur geschehen in dem Bewusstsein, dass Gottes Wesen den irdischen Wortsinn dieser Begriffe übersteigt, sie also nur gleichnishaft sein können 21 -in der Scholastik begründete man das Problem der analogen Rede von Gott mit der Theorie, Schöpfung bedeutet, dass der Schöpfer als das summum esse dem Geschaffenen in unterschiedlichen Graden Teilhabe an dem Sein gewähre, das er selbst in Vollkommenheit hat und ist. -dies begründet eine reale Ähnlichkeit der Kreatur zu Gott, die es erlaubt, kreatürliche Begriffe für Gott zu finden. -Theorie der Analogie der Wörter -altprotestantische Dogmatik unterscheidet in ihrer Lehre von den Eigenschaften Gottes durchweg zwei Gruppen: 1. Worin sich Gott vom Menschen unterscheidet 2. Wodurch Gott sich auf den Menschen bezieht und mit ihm kommuniziert -lutherische Orthodoxie: Unterscheidung zwischen attributa dei absoluta und operativa -Eigenschaften des göttlichen Wesens in sich selbst und -Eigenschaften, durch die Gott seine Beziehung zu den Geschöpfen betätigt -reformierte Theologie: Zweiheit von attributa incommunicabilia und communicabilia -Eigenschaften, die Gott allein zukommen -Eigenschaften, die in der Kreatur kraft der Mitteilung Gottes eine Entsprechung haben können -Unterscheidung zwischen articuli fidei mixti: begründbar aus Schrift und Vernunft und articuli fidei puri: erkennbar allein in dem der Schriftoffenbarung folgenden Glauben -Hinweis auf das „Mysterium“ der Trinitätslehre 2.3 Gottes Werk: Schöpfung und Vorsehung -Unterscheidung zwischen erster, unmittelbarer Schöpfung (creatio prima sive immediata), die ohne eine vorauszusetzende Materie erfolgt, und einer zweiten, mittelbaren Schöpfung (creatio secunda sive mediata), durch die der Schöpfer in und mit seinen Geschöpfen schöpferisch wirksam ist. -Sinn dieser Einteilung ist v.a. der Hinweis auf die Unterscheidung von Gott und Welt -Erschaffung der Welt ist ein Werk der Freiheit Gottes; er hätte auch ohne Geschöpfe bleiben können, wollte es aber nicht -Gott hat die Welt geschaffen ex nihilo, allein durch sein Wort, durch das er voraussetzungslos Wirklichkeit aus dem Nichts ins Dasein ruft. -er hat nicht die Welt geformt aus etwas, etwa einer Urmaterie (Platons Vorstellung des Demiurgen) -Gott hat der Welt einen Anfang gegeben und wird ihr mit der Wiederkunft Christi auch ein zeitliches Ende setzen -mit der Welt schuf Gott auch die Zeit -Gott als Ewiger -Welt als Nicht-Ewiges -Gott zieht sich nicht aus seiner Schöpfung zurück, er bleibt in ihr wirksam -um diese Aktualität des trinitarisch ausgelegten Schöpfungshandelns zu verdeutlichen, verknüpfte man die Schöpfungslehre mit der Lehre von der Vorsehung (providentia) Gottes -diese Vorsehung Gottes wehrt sich gegen die Kritik, Gott habe nach der Schöpfung die Welt sich selbst überlassen -providentia = creatio continua -Folgende Momente sind in der Lehre von der Vorsehung Gottes zu unterscheiden: -Conservatio: Gott erhält jede Kreatur in der Seinskonstitution, in der er sie je in ihrer Eigenart am Anfang geschaffen hat 22 -Concursus: In allem kreatürlichen Geschehen und Wirken wirkt Gott -Gubernatio: Gott lenkt die Kreaturen so, dass sie den Zielen seines guten Willen mit seiner Schöpfung dienen -permissio: Gott verhindert die Sünde nicht gewaltsam, er lässt sie zu -impeditio: Gott wirkt der Sünde so entgegen, dass er böse Absichten in ihrer Auswirkung verhindern kann -directio: Gott bewährt sein überlegenes Wirken so, dass er auch Sünde in Dienst nehmen kann, um Gutes daraus kommen zu lassen -determinatio: Gott setzt den geschöpflichen Wirkungsmöglichkeiten überhaupt den Möglichkeiten, Böses zu wirken, bestimmte Grenzen, die der Mensch nicht überschreiten kann 3. Infragestellung des überlieferten Gottesgedankens -die Erfahrung der Infragestellung begleitet den Glauben von Anfang an -drei Aspekte der Rationalität des Gottesgedankens: 1. Gottesgedanke als eine entbehrliche „Arbeitshypothese“ in der theoretischen Vernunft, die zu erkennen sucht, was wirklich ist 2. Gottesgedanke als eine zu bekämpfende Gegeninstanz in der praktischen Vernunft, die auf die Selbstverwirklichung des Menschen aus ist 3. Gottesgedanke als in sich widersprüchlich in der theologischen Vernunft, die die Wirklichkeit Gottes zu begreifen sucht 3.1 Wirklichkeitsverständnis ohne Gott -Für Gottesbeweise gilt heute: Beweise im eigentlichen Sinn können sie nicht sein -das Erklärenwollen des Weltganzen hat durch diesen Modus keinen Sinn, da es kein Gegenstand möglicher Erfahrung sein kann -Die Wirklichkeit ist erkennbar, ohne den Gottesgedanken zu Hilfe zu nehmen. Ein Gottesgedanke ohne ausweisbaren Bezug auf Wirklichkeit erscheint als sinnlos -Fortschritt der wissenschaftlich-technischen Zivilisation verdrängt Natur- und Lebenserfahrung -ist dadurch ein „religionsloses“ Zeitalter abzusehen? Solche Ansätze, wie sie Bonhoeffer gesehen hat, gehen wohl zu weit -dennoch auch in der Philosophie: Metaphysik unverstehbar, da sie keinen empirisch fassbaren Gegenstand hat -Attribute Gottes (Ewigkeit, Unendlichkeit, Unveränderlichkeit, Allgegenwart, Allmacht) sind empirisch inhaltsleer -theologische Begriffe wie Vater, Herr, Liebe, Gerechtigkeit müssen entsprechend gedeutet werden; Vater als weltlicher Begriff wird theologisch anders verstanden -Konsequenz ist ein dezidierter Agnostizismus, eine völlige Sprachlosigkeit in Bezug auf Gott -Wittgenstein: „Wenn wir alles gesagt haben was wir sagen können, dann sind unsere tiefsten Lebensprobleme noch gar nicht berührt.“ -Aber: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ 3.2 Humanismus gegen Gott -Rede von Gott wird spätestens seit Mitte des 19. Jh kritisiert -Religionskritik durch Marx, Freud, Feuerbach -atheistischer Humanismus versus Gottesglaube -„Religion muss überwunden werden, damit der Mensch endlich ganz zu sich selbst kommt“ 23 -Der Gottesgedanke wird praktisch widerlegt, indem der Mensch das im Glauben von Gott Geglaubte selbst zu verwirklichen unternimmt. -marxistischer Atheismus: politisch motiviert; Gottesglaube wird bekämpft, weil er als religiöse Sanktionierung bestehender Autoritäten und ungerechter Verhältnisse den sozialen Fortschritt verhindert -Nietzsche: Verkündigung des Todes Gottes; Gottesgedanke des christlichen Glaubens wird als lebensfeindlich, als krank machen abgewiesen -Wir (Menschen) haben Gott getötet und müssen nun selbst mit unserer Macht die Stelle Gottes einnehmen -Freud: Gottesvorstellung als Projektion frühkindlicher Vaterbindung; ekklesiogene Neurose -moderner Rationalismus: Wir können uns die Gottesillusion nicht mehr leisten 3.3 Gott im Widerspruch -Wenn Gott wäre, müsste die Welt anders aussehen: Verhältnis reicher und armer Länder zueinander, Kriege und Katastrophen -Wenn ein allmächtiger Schöpfer wäre, dann müsste er angesichts dieser Welt unter Anklage gestellt werden -Dieser Protest findet sich auch in der Theologie wieder. Einem Allmächtigen, aus dessen Hand auch die schrecklichsten Leiden, die Menschen einander zufügen, demütig angenommen werden sollen, wird da der Glaube aufgekündigt Leugnung Gottes als Antwort auf die Theodizeeproblematik: Die Nicht-Vereinbarkeit von Allmacht und Güte Gottes erweist den Gottesgedanken als in sich widersprüchlich und daher unhaltbar -Nach Auschwitz muss die überlieferte Gotteslehre einer tiefgreifenden Revision unterzogen werden -Hans Jonas: Soll das Wort „Gott“ noch einen Sinn behalten und soll dieser Sinn von der Menschlichkeit Jesu her verstanden werden, so muss, was damit gemeint ist, anderswo gesucht werden als auf dem Thron einer alles lenkenden Allmacht. Der Thron dieser Allmacht ist leer, seine Anbetung sinnlos geworden -Rede von Gott als sinnlos durch Sprachanalyse: Theologie behauptet Gottes Almacht; zugleich behauptet sie, das Wollen und Wesen dieses Gottes sei Liebe. Weltliche (schreckliche) Erfahrungen bedingen diese Liebe in Frage zu ziehen, doch hierauf lautet die Antwort theologisch nein! So wird die Liebe Gottes zur inhaltsleeren Behauptung, zum bloßen Wort. 4. Gott der Vater 4.1. Das Kommen Gottes als Grund der Gotteserkenntnis -Grund christlicher Gotteserkenntnis: „Gott ist nicht jederzeit und von vornherein in menschlicher Welt- und Selbsterfahrung erfassbar. Es muss von ihm her sich ereignen, dass er erkannt wird. Gott gibt sich zu erkennen in besonderem Geschehen.“ -in Jesus Christus ist der Erkenntnisgrund und das Wahrheitskriterium aller christlichen Rede von Gott zu suchen -Es ereignet sich die Hereinkunft Gottes in die Menschheitsgeschichte, die gezeichnet ist von der Abwendung des Menschen von Gott -Geschichte des Konfliktes Gottes mit dem Menschen -von der Heilung des Bruches durch Gott selbst her will erkannt sein, wer Gott in Wahrheit ist und wie es um den Menschen in seiner Beziehung zu Gott steht -Wäre unser Leben mit Gott geeint, so wären wir seiner Wirklichkeit gewiss; da jedoch eine solche ontologische Einheit nicht vorausgesetzt werden kann, sind wir darauf angewiesen, dass der Bruch von Seiten Gottes überwunden wird 24 -Wir werden seiner gewiss, wo er sich als der unsere Abwendung Überwindende zu erkennen gibt. Gotteserkenntnis setzt die Geschichte des Kommens Gottes zum Menschen voraus. -was Jesus von dem Gott sagt, der schon immer mit Welt und Mensch zu tun hat, ist nicht zu trennen von dem, was in ihm von diesem Gott her geschieht. Der Gott, von dem Jesus herkommt, ist kein anderer als der Gott, der in Jesus zu uns kommt -Das Wissen darum, dass Gott der Vater in der Sendung des Sohnes und im Wirken seines Geistes sich ganz und gar des Menschen angenommen hat, wirkt begründend ein in alles, was wir überhaupt von Gott sagen können. -Gotteslehre setzt also Christologie und Pneumatologie schon voraus -Luther: verborgener Gott (deus absconditus) und der sich in seinem Wort mitteilende Gott (deus praedicatus) -Gott ist auch in seinem Zorn (bspw. über das Volk Israel) kein anderer als der, der in Jesus Christus zu seinem Ziel mit den Menschen kommt. Es gibt keine von diesem Weg zu isolierende Erkenntnis eines Richtergottes -Dennoch führt Lehre von Gott, der sich in einem besonderen Geschehen seiner Selbstzusage zu erkennen gibt, zu gewissen zu bedenkenden Problemen: -Gott, der sich in Jesus Christus als der Barmherzige erweist, ist und bleibt der Allmächtige, dessen Wirken in allem Weltgeschehen anzunehmen ist, auch wenn es in dieser Universalität verborgen und widersprüchlich bleibt -der sich von Gott abkehrende Mensch hat dennoch mit Gott zu tun. Als Geschöpf lebt er von der ihm sich mitteilenden Güte Gottes, auch wenn er sich nicht glaubend von ihr empfängt -er entrinnt auch nicht dem Gesetz Gottes (als Sünder) 4.2. Möglichkeit und Wahrheit der Rede von Gott -Wie und warum können wir von Gott reden: -Wir können darum von Gott reden, weil er selbst zu Menschen geredet hat, und wir können und sollen so von ihm reden, wie es diesem seinem eigenen Reden entspricht -Problem: Gottes Reden hören wir immer durch menschliche Worte -es liegt auf der Hand, dass Aussagen über Gott nicht als wahr oder falsch gedeutet werden können Rede von Gott bezieht sich auf die Wirklichkeit Gottes, lässt sich jedoch nicht auf Aussagen über sie reduzieren -Dass Sprache nicht nur eine vorhandene Wirklichkeit abbilden, sondern auch neue Verhältnisse schaffen und damit die Wirklichkeit verändern kann, ist eine Einsicht, die in der reformatorischen Theologie des Wortes verankert ist. -Begriff des wirksamen Wortes (verbum efficax) -Rede von Gott impliziert expressive und appellative Momente Die Wahrheit der Rede von Gott ist in seiner Zusage begründet und assertorisch (versichernd) zu behaupten. -Luther: Behauptungscharakter theologischer Rede und ihren Gewissheitsanspruch als assertio -im Lebenszusammenhang des Glaubens ist assertorische Rede als antwortendes Bekenntnis zu dem Lebendigen zu verstehen, dessen Anruf gehört wird und trägt -hierin macht sie in der Tat Aussagen von Gott mit dem Anspruch, es sei wahr, was sie aussagt 25 -Inwiefern können Aussagen über Gott, die doch immer mit menschlichen Worten auf seine Wirklichkeit hinweisen, wahre Aussagen sein? -mittelalterliche und altprotestantische Theologie: analogia entis; Kreatürliches kann darum für Gott sprechen, weil er, der das Sein in seiner ursprünglichen Fülle ist, die Geschöpfe am Sein teilhaben lässt; dennoch besteht (v.a. für Scholastiker) immer noch ein großer Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf -Problem: Wenn alles Kreatürliche schon auf Gott verweist, woeso dann nicht auch das, was wir als Übel und Unwert erfahren? -Gottesbegriff wird undeutlich -Barth: Unähnlichkeit ist fundamental; Gegner des Prinzips der analogia entis; Zwischen Gott dem Herrn und dem Geschöpf gibt es keine „natürliche“ Verbindung, sondern nur die Beziehung, die Gott in Christus aus der souveränen Freiheit seiner Gnade mit uns eingegangen ist; Gott und Geschöpf können auch nicht unter dem Begriff des Seins zusammen gedacht werden -analogia fidei: Nur in dem durch Gott selbst gewirkten Glauben werde menschliche Worte in demjenigen Sinn verstehbar und dann auch brauchbar, in dem Gott sie für sich sprechend werden lässt. -Tillich: Gegner der Theorie Barths; nahm den Gedanken einer analogia entis wieder auf; endlich Seiendes (der Mensch) kann kraft seiner Verbindung mit Gott als dem „Sein-Selbst“ oder „Grund des Seins“ zum Symbol für ihn werden Die Wahrheit analoger Rede von Gott ist nicht allgemein ontologisch begründet. Menschliche Rede entspricht Gott, sofern sie dem Weg seiner Selbstmitteilung folgt. -Wir sind an den Weg gewiesen, den Gott gewählt hat, um sich Menschen durch Menschliches erkennbar und aussagbar zu machen -in der Gestalt Jesu hat Gott selbst uns das eine „Bild“ gegeben, in dem wir sein „unsichtbares“ Wesen erkennen sollen (Kol 1,15): seine Verkündigung, die Gleichnisse, in denen er von Gott redet, in Einheit mit seinem ganzen Verhalten, in dem er die Gegenwart Gottes zu Menschen bringt -Menschliches Reden von Gott kann dann rechtes, Gott in Wahrheit entsprechendes Reden sein, wenn es sich davon bestimmen lässt, dass und wie Gott selbst sich in dieser Geschichte durch Menschliches mitteilt -das Prinzip einer analogia entis ist kein mögliches Fundament der christlichen Rede von Gott -der Sinn menschlicher Worte wird nicht vollständig umgedeutet, zwar hat bspw. das Wort Liebe eine vielfache Bedeutung im Menschlichen ist dem aber nicht fremd, was Gott im biblischen Zeugnis als „Liebe“ erkennen lässt“ 4.3. Das Sein des lebendigen Gottes -Rede von der Wirklichkeit Gottes impliziert die Behauptung, dass Gott ist -alte Theologie hatte Gott Sein in einem eminenten Sinn zugesprochen: Er ist das höchste Sein (summum esse) -Einzigartigkeit, Überlegenheit des Seins Gottes ggü. dem der Kreaturen Gottes Sein unterscheidet sich vom innerweltlich Seienden -Gott ist das Sein, das für alles, was es gibt, der Grund seines Daseins ist -Scholastik bildete hierfür den Begriff aseitas: Gott ist a se, d.h. in und aus sich selbst, „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ -modernem Denken ist dies befremdlich, hier ist nur noch das, was „es gibt“ 26 Gottes Sein wird in der neuen/moderneren Theologie interpretiert als: Sein-Selbst (Tillich) -das Sein-Selbst will er nicht als eine völlig jenseitige Transzendenz verstehen wissen -Gott ist in allem, was ist, wirksame Macht -metaphorische Bezeichnung des Ortes Gottes: Symbol der „Tiefe“ -absoluter Glaube: ein jenseits von Theismus und Atheismus auf „Gott über Gott“ ausgerichtet Sein im Werden (Prozesstheologie) -Welt wird verstanden als zielgerichtet evolvierender Prozess -Gott ist in den Prozess involviert, nicht nur als die ihn steuernde schöpferische Macht, sondern auch indem er sich durch ihn beeinflussen, bewegen und verändern lässt Sein im Geschehen des Wortes (Bultmann) -Sein Gottes als das personhafte Gegenüber, in dem Gott dem Menschen durch sein Wort begegnet -wir können von Gott nur so reden, dass wir zugleich vom Menschen reden Sein im Geschehen der Selbstoffenbarung in Jesus Christus (Barth) -Gottes Selbst als Offenbarung in Jesus Christus durch den Heiligen Geist -zum Sein Gottes gehört dessen Freiheit zur Selbstbestimmung -Gottes Sein lässt sich nicht einem von der Welterfahrung her entworfenen Verständnis der formalen Struktur des Wirklichkeitsganzen, einer „Ontologie“ einordnen -in einer positivistischen Ontologie (nur das ist, was „es gibt“) ist Gottes Wirklichkeit nicht aussagbar -Festzuhalten wäre, dass Gott geschieht. Seine Selbstmitteilung geschieht, und durch sie geschieht auch etwas in und unter Menschen -ABER: Was da in und unter Menschen geschieht ist nicht Gott -Das Dabei-Sein Gottes in das Geschehen von Mitmenschlichkeit hinein auflösen zu wollen wäre unmöglich -Das Sein Gottes lässt sich nicht einordnen Als der in die Wirklichkeit von Mensch und Welt hereinkommende entzieht sich Gott der Einordnung in diese Wirklichkeit -Gott ist also nicht transzendent in dem Sinn, dass seine Weise zu „sein“ in ein allem konkreten Jetzt und Hier ggü. Jenseitiges eingeschlossen wäre. Und nur aufgrund dieses seines Hereinkommens können wir von ihm reden -Die Worte Sein und ist werden heute als etwas Existierenden interpretiert, doch die biblische Weise, von Gott zu reden, bewegt sich eben nicht in solchen Abstraktionen, sondern überall in Worten, die ein lebendiges Verhalten bezeichnen. -bessere Begriffe wären „das Leben-Selbst“ oder „der Lebendige“ -Ist Gott Person? -ältere Theologie ist die Anwendung dieser Kategorie auf Gott noch fremd -von neueren Theolgen wird das Personsein Gottes ausdrücklich behauptet Dass Gott mit dem Menschen kommuniziert und sich selbst mitteilt, setzt ein personales Selbst voraus. -wir können von Gott also nicht a-personal reden -unumgänglich ist es, von Gott das Verhalten auszusagen, in dem er sich als der Lebendige erweist, der seine Geschichte mit uns haben will und zum Ziel bringt 27 4.4. Wie ist Gott? -Frage „Wie ist Gott?“ muss erweitert werden um die Frage „Wie hat sich Gott in seiner Geschichte offenbart?“ -alte Dogmatik gliederte die Eigenschaften in seiner Beziehung auf Mensch und Welt (attributa absoluta) und soche, in denen er diese Beziehung betätigt (attributa relativa) -festgestellt wurde aber, dass der Mensch keine inhaltlichen Aussagen über Gottes Wesen machen will und kann -„Gott verharrt nicht unveränderlich und unberührbar in sich selbst, er lässt sich vielmehr bewegen; er reagiert auf das Verhalten des Menschen, durchaus verschieden in Zuwendung und Gericht, beständig aber darin, dass er auch durch katastrophale Wendungen hindurch sein Ziel mit Mensch und Welt nicht aufgibt“. Gottes Freiheit: Gott ist anders als es den Vorstellung des Menschen entspricht -Gott entzieht sich der Auffindbarkeit und Einordnung in den Rahmen dessen, was menschliche Fragen und Antworten sowie Bilder und Begriffe vorgeben -Gott ist frei, sich um das Ganze seiner Schöpfung und ebenso mit der ganzen Zuwendung seiner selbst um das Einzelne und den Einzelnen wie um das Gebet eines Kindes zu kümmern -Gott ist frei dazu, sich so tief und persönlich mit dem Menschen einzulassen, dass er durch unser Unrecht getroffen wird Gottes Heiligkeit: Gott entscheidet über das Gerechte -Gott ist allein in sich selbst recht; er will das Rechte und wirkt -unsere Auffassung von Recht und Gerechtigkeit kann dem entgegenstehen -Gott verwirklicht durch sich selbst, durch die Sendung des Sohnes zu uns und das Wirken seines Geistes in uns, das Rechte in unserem Leben Gottes Liebe: Gott überwindet die Verschlossenheit des Menschen; sein Wille zur Gemeinschaft setzt sich durch -in Gott ist nicht nur Liebe, sondern auch Zorn - er will nicht nur retten, sondern auch vernichten, nicht nur das Leben, sondern auch den Tod -Weil in Gott Liebe ist, darum kann sie nicht sein ohne Zorn -Die Liebe Gottes ist die Dominante in allen seinen Erweisungen, das Motiv der Freiheit, in der er seine Geschichte mit den Menschen eingeht, das Wesen seiner Heiligkeit und des Rechten, das er in sich ist und unter uns verwirklichen will -Liebe ist das einzige unter allen Worten, mit denen im NT unmittelbar Gott selbst bezeichnet werden kann Gott ist Liebe: Die Liebe ist das Motiv seiner Freiheit und das Wesen seiner Heiligkeit -Gott ist Liebe (1Joh 4,16) -Gott anerkennen als den Gott, der unser Leben will; auf ihn „über alle Dinge“, über allem, was um uns und ins uns dagegen spricht, unser Vertrauen setzen, so dass wir uns ihm ganz anvertrauen, in und trotz unserer Weltangst und Selbstverzweiflung -Verborgen bleibt Gott dem von ihm abgekehrten Menschen 4.5. Der Vater-Name Gottes -erster Artikel des Glaubensbekenntnis thematisiert Gott als Vater -ohne Jesus als Sohn ist diese Zusage nicht gänzlich zu verstehen -Vater-Name im AT korrespondiert mit Israel als Sohn („bajit jisrael) -Gott kann und darf darum als Vater angerufen werden, weil er Versöhnung gewirkt hat -nicht biologisch zu verstehen, sondern symbolisch und metaphorisch -Religionskritik sieht in der Vorstellung des Vatergottes den Ausdruck eines Zurückbleibens in infantiler Haltung 28 Gott als Vater: Autorität und Zuwendung, Gehorsam und Vertrauen -Gott der Vater ist auch Gott, der HERR -Gott erweist sich letztlich darin, wie er in Jesus Christus den Menschen begegnet 5. Gott der Schöpfer, der Allmächtige 5.1. Der Grund des Bekenntnisses zu Gott dem Schöpfer -Gott als Schöpfer kommt v.a. im AT als Vorstellung zum Tragen -Schöpfungsberichte der Genesis, prophetische Verkündigung, Gotteslob der Psalmen, Spruchweisheiten Israels -im NT: in der Verkündigung Jesu (Mt 6,25-34; 19,4-6 par.) -zu fragen ist, ob in früherer Zeit gelebter Glaube an Gott den Schöpfer einen anderen und tieferen Grund hatte als den, dass er Erklärung des sonst Unerklärlichen (Entstehung der Welt) bot -biblisches Bekenntnis zu Gottes Schöpfermacht kann nicht in erster Linie aus einem gedanklichen Bedürfnis nach Welterklärung entstanden sein -Schöpfung steht hier im Zusammenhang mit den Erfahrungen gegenwärtiger und Zukunft eröffnender Selbstmitteilung des Gottes Israels -Gott wird geglaubt als Herr, der des Ganzen von Welt und Geschichte mächtig ist -Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer ist Bekenntnis der Hoffnung zu seiner Macht, Leben aus dem Verderben zu retten -Paulus bekennt sich zu Schöpfermacht, die „dem, was nicht ist, ruft, dass es sei“, mit dem Bekenntnis zu Gott, der in Christus „die Toten lebendig macht“ (Röm 4,17), weil er „den Gottlosen gerechtspricht.“ (Röm 4,5) Schöpfung aus dem Nichts, Auferweckung aus dem Tode und Rechtfertigung des Gottlosen verweisen aufeinander. -Luther stellte Gottes Gnade als den Erweis des jede Mitwirkung ausschließenden Schöpferwirkens heraus -allein aus Gnade empfängt der Sünder Rechtfertigung und neues Leben -im Schöpfungshandeln Gottes kann man die Zuwendung seiner Gnade erkennen -Ohne Zuversicht zu Gott, der das Heil des Lebens wirkt und ihm Zukunft gibt, mangelt es dem Glauben an Gewissheit -Das chr. Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer ist also nicht in erster Linie die Antwort auf die Frage nach dem Grund, der die Welt und das Leben erklären kann. Es hat seinen Ort und seine Gewissheit in dem Wort Gottes, das den Grund gibt, unser Leben in dieser Welt zu bestehen. -Wort ist Erkenntnisgrund und Gegenstand des Schöpfungsglaubens -Wort ist in Jesus Christus ausgesprochen, sofern in ihm Gott sich uns zusagt als der Wille und die Kraft der schöpferischen Liebe -Wort Jesu Christi ist nach Joh identisch mit dem Wort, durch das alles geworden ist (en arche en ho logos) -Barth verstand das Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer konsequent aus dem Selbsterweis Gottes in Jesus Christus heraus -„Die Schöpfung ist der äußere Grund des Bundes - der Bund ist der innere Grund der Schöpfung“ -Gemeinschaftswille Gottes (der mit dem Mensch zusammenzusein) ist der Grund, aus dem Gott überhaupt das Dasein des Menschen will und wirkt Schöpfung durch das Wort: Eröffnung und Bewahrung der Gemeinschaft von Schöpfer und Geschöpf -das Mittel der Schöpfung (alte Dogmatik: causa instrumentalis) ist zugleich das kommunikative Band, das Schöpfer und Geschöpf miteinander verbindet 29 -Oswald Bayer: „Schöpfung ist Stiftung und Bewahrung von Gemeinschaft.“ -Gott bleibt in seiner Schöpfung wirksam gegenwärtig, Gutes wirkend und Leben erhaltend auch wenn der Mensch sich von ihm abkehrt und ihm nicht für seine Wohltaten dankt -Erschaffung und Erhaltung des Lebens aus der Treue Gottes, der dieses Leben auf sein Heil, auf die Gemeinschaft von Schöpfer und Geschöpf hin erhalten und vollenden will -Werke und Wirken Gottes bleiben entstellt durch menschliche Sünde -Grund und Gewissheit um Gott unseren Schöpfer ist das Wort, in dem er sich seiner Schöpfung als ihr Erlöser zuspricht. 5.2. Gott der Schöpfer „des Himmels und der Erde“ -Gott ist Schöpfer des Ganzen, was wir „Welt“ nennen -im biblischen Kontext wird darunter noch nicht das Weltall verstanden -modernes nat.wiss. Bild scheint dem entgegen zu stehen (Evolutionstheorie, Big Bang etc.) -unendlicher Raum des Weltalls vs. Begrenztheit der Schöpfung Gottes auf Mensch, Tier, Himmel, Erde -„existentiale Interpretation“ (Bultmann, Gogarten) verstanden die Schöpfung als Geschehen von Gott und Mensch, der Punkt „Gott und Kosmos“ wurde ausgeklammert -Schöpfermacht Gottes erweist sich im je akktuellen Geschehen seines Wortes -Unterscheidung von „naturhaft“ und „personal“ ist nicht durchführbar/nicht konsequent Der biblische Schöpfungsglaube umfasst Existenzverständnis und Kosmologie. Als Geschöpf ist der Mensch hineingebunden in den Kontext von Natur und Geschichte -unser Leben ist leiblich verfasst, deshalb haben wir auch unser Verhältnis zu Gott nicht anders als in dieser Hineingebundenheit unseres Daseins in das Ganze von Natur und Geschichte zu verstehen -Geschichte/Naturwissenschaft/Evolution können dies nicht vermitteln -dennoch kann man die Entstehung der Welt nicht ausklammern -wir müssen nicht behaupten, dass es Gott dem Schöpfer nur um das Leben des Menschen auf dieser Erde ging, aber wir dürfen glauben, dass Gott es ganz, mit der ganzen Zuwendung seiner selbst, mit den Menschen und seinem Leben zu tun hat -ihn auf Teilbereiche zu begrenzen würde der Vorstellung von Gott widerstreben -die Frage wie er anderen, möglicherweise auch außer-irdischen Lebewesen gegenübersteht, muss Dogmatik nicht beantworten -glauben wir aber seinem Wort, so wird er auch in uns unzugänglichen Räumen seine Zusage halten Naturwissenschaften geben die Wirklichkeit in einer bestimmten Perspektive, unter bestimmten methodischen Bedingungen zu erkennen. -die Naturwissenschaft kann von ihren methodischen Voraussetzungen her keinen Gottesbeweis liefern (ebenso wenig wie philosophische Spekulation ihn liefern kann) -die Theologie hat andererseits kein Recht, aus Gründen des Glaubens die Einsichten des durch Naturwissenschaft erarbeiteten Aspektes der Wirklichkeit zu bestreiten -die Theologie muss nat.wiss. Erkenntnissen auch nicht distanziert ggü.stehen -denn: auch hinter den vielfältig zusammenwirkenden kosmischen Bedingungen kann dann Gottes JA zu diesem Leben und hinter der Konstanz dessen, was wir „Naturgesetze“ nennen, stehen Der Raum der Schöpfung: nicht zweigeteilt (Himmel/Firmament und Erde), aber mehrdimensional -Schlechthin alles, was nicht Gott selbst ist, ob es uns erkennbar wird oder verborgen und insofern vielleicht unheimlich bleibt, ist seine Kreatur, über die er der eine Herr ist -dies nimmt das nicaenische Glaubensbekenntnis auf: „Ich glaube an Gott [...] Schöpfer des Himmels und der Erde, alles dessen, was sichtbar ist und unsichtbar.“ 30 5.3. „Im Anfang“ schuf Gott - Schöpfung, Entwicklung und Bewahrung -alte Theologie: creatio continua - Das einmal von Gott Geschaffene erhält sich nicht aus sich selbst. Gott bleibt seiner Schöpfung jederzeit so gegenwärtig, dass es sein Wollen und Wirken ist, aus dem sie lebt Gottes schöpferisches Handeln durchwirkt Natur und Geschichte und ist als ein Geschehen in der Zeit auszulegen -Luther: Übertragung des Gedankens der creatio ex nihilo auf die creatio continua - Gottes Schaffen ist ein immer wieder neues Anfangen; und erhalten zu werden heißt immer wieder neu geschaffen werden; und das ohne unser Zutun, „ohne all mein Verdienst und Würdigkeit“ (Rechtfertigungstheologie) -Evolutionstheorie lässt sich hiermit verbinden: neue Geschöpfe gehen aus anderen hervor -Begriff der Emergenz deutet auf solche Übergänge hin: Gottes Wirken kann nicht im Bezug auf die Naturgeschichte bewiesen werden; es ist aber auch nicht möglich, dieses im Bezug auf die Evolution auszuschließen Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie müssen einander nicht ausschließen. -Evolutionsforschung kann über ein Wirken Gottes nichts aussagen -Theologie sollte ihre Rede vom Schöpferhandeln Gottes nicht auf „Lücken“ nat.wiss. Erklärung beschränken -traditionelle Theologie: creatio continua vs. creation prima -c. prima: Die Welt, der Gott ständig gegenwärig bleibt, wurde inmal, „im Anfang“, durch ihn ins Dasein gerufen. Gott allein ist „von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Dem Geschaffenen hat er den Anfang gesetzt, vor dem es nicht war. Wie sieht dieser Anfang aus? ältere Theologie/Augustin: Gott hat nicht in der Zeit die Welt, sondern mit der Welt die Zeit erschaffen Origenes/neuzeitliche Theologie: Da Gott wesenhaft Schöpfer ist, kann und konnte er nie ohne Schöpfung sein Gottes Schöpfung unabhängig von der Zeit; das „ewige Jetzt“ (nun aeternum) Die erlebte Zeit als Geschichte und die Fragen nach Anfang und Ende des Lebens -Das Erleben unseres Dasein als zeitlich (denn Zeit an sich erleben wir nicht; wir erleben, was sich „zeitigend“ mit und um uns begibt) hat keineswegs den Charakter eines bloßen Nebenund Nacheinander von beliebigen Ereignispunkten. -Es hat Prozesscharakter, wir als Weg einer Geschichte erfahren -Glauben an Gott den Schöpfer bedeutet, die Zeitlichkeit unseres Lebens als die von Gott gewährte Zeit verstehen -Anfang unseres Lebens ist nicht nur das Produkt irdischer Faktoren und Umstände -in dem Glauben, dass Gott meinem Leben den Anfang gegeben hat, ist eingeschlossen, dass dieser Gott es ist, der das Ganze des Weltprozesses und in ihm der Menschheitsgeschichte auf seinen Weg geschickt hat, wie er ihm sein Ziel geben wird Schöpfung als Prozess: Die creatio continua weist zurück auf Gottes uranfängliches Schaffen und voraus auf seine endzeitliche Zielsetzung. -creatio continua kann nicht ohne ein anfängliches Schaffen Gottes gesehen werden -dies aber ist gewiss kein Anfang in der Zeit -der Satz, dass Gott mit der Welt die Zeit geschaffen hat, ist zu bejahen -Beziehung des Schöpferanfangs auf unsere Zeitlichkeit hin zu erfassen ist nicht möglich -Der Ursprung aller Geschichte des kreatürlichen Seins in Gottes Schöpfertat bleibt aller „historischen“ und zeitlichen Vorstellung entzogen. 31 5.4. Gott „der Allmächtige“ -Nichts im Geschehen (Schöpfer, Mitwirkung an der Welt) entgleitet Gottes Hand; Frage nach Gottes Allmacht -alte Theologie: providentia extraordinaria - Gott kann den Wirkungszusammenhang des kreatürlichen Geschehens nicht nur benutzen, sondern auch durchbrechen, er tut Wunder Der Glaube an Gottes Allmacht und die naturwissenschaftliche Sicht der Wirklichkeit -Naturwissenschaft: nat.wiss. Analysen geben nicht einfach das objektive Bild der Wirklichkeit wider, sondern von spezifischen Voraussetzungen geprägt; sie kann anders geartete, tiefer greifende Erfahrung weder ausschließen noch widerlegen -Genesung von Krankheit könnte als ein Handeln Gottes empfunden werden, obgleich des Wissens, dass medizinische Analyse hier auch immanente Ursachen feststellen könnte -Wunder durchbrechen diese Grenze, sie sind Vorzeichen der Auferweckung (signa resurrectionis), Geschehnisse, in denen Gott die heilvolle Zukunft ansagt, die er über seiner Schöpfung heraufführen will -Ein Geschehen, das auf seine natürlichen, weltlichen Ursachen befragt werden kann, kann als Handeln Gottes erfahren werden, wenn Gottes Wort uns seiner Gegenwart gewiss werden lässt. -Leiden, Krieg, Gewalt stehen dem entgegen Der Glaube an Gottes Allmacht und die Erfahrung des Leidens und des Unrechts im Weltgeschehen: das Theodizeeproblem -wenn Allmacht bedeutet: Schlechthin alles, was ist und geschieht, dann müssen hiermit auch schreckliche Dinge, Unrecht und Leiden, inkludiert werden -das widerspricht aber der Eigenschaft Gottes, schöpferische Liebe zu vermitteln (s.o.) -seit G.W. Leibniz spricht man vom „Theodizeeproblem“ -dessen Lösung: „beste aller möglichen Welten“ Theoretische Theodizee: Rechtefertigung des Handelns Gottes in Schöpfung und Vorsehung (Leibniz) -wäre eine bessere Welt denkbar, die Gott nicht schaffen konnte, dann wäre Gott nicht allmächtig -hätte er sie schaffen können, wollte dies aber nicht, dann wäre er nicht allgütig -das Übel (malum): Gott schafft eine Welt, die seiner Vollkommenheit entspricht, aber doch ihrer Endlichkeit von ihm selbst unterschieden, also nicht ebenso vollkommen wie er selbst ist auch die „beste aller möglichen Welten“ ist ein begrenztes Sein (malum metaphysicum) o Übel als Eigenschaft der Natur (malum naturale) im Leiden der Kreatur o Leiden als Folge menschlicher Freiheit (malum morale) -dies darf nicht unmittelbar auf den Willen Gottes zurückgeführt werden, ist aber in den Plan Gottes eingeschlossen Aktive Theodizee: Vermittlung der Gerechtigkeit Gottes durch das moralische Handeln des Menschen -unter Verweis auf Hiob betont Kant, dass das Übel für die theoretische Vernunft unerklärbar bleibt -Gottes Ratsschluss verbirgt sich -authentische Theodizee: statt darüber zu spektulieren, wie sich Gutes und Böses im Allgemeinen zueinander verhalten, sollen die Menschen selbst sich befreit finden, das Gute zu tun, und dürfen darauf hoffen, dass dieses Tun des Guten nicht umsonst sein wird 32 Anthropodizee: Der Mensch als Schöpfer und Richter an Gottes Stelle -Voraussetzung ist der „Tod Gottes“ (nach Nietzsche etc.) -der Rechtsstreit mit Gott wird nun als Rechtsstreit des Menschen mit sich selbst weitergeführt; Theodizee wird zur Anthropodizee -Gott ruft den Menschen zur Verantwortung, indem er dem Menschen seine „Sache“ übergibt und ihn damit zur Verantwortung ruft (H. Jonas) „Der Gottesbegriff nach Auschwitz“: Selbstbeschränkung und Selbstentäußerung Gottes Freiheit und Verantwortung des Menschen -die Frage stellt sich, ob wir angesichts des Leidens, das Menschen einander zufügen, am Bekenntnis zu Gott, dem allmächtigen Vater, festhalten können -Luther: Leiden der Menschheit als Stigma der Sünde; dennoch konnten einige Punkte so nicht erklärt werden; Luther verwies dann auf die Majestät des verborgenen Gott (deus absconditus) Gottes Allmacht liegt in seinem Wort, das Freiheit schafft. -Luther: „Allein das Wort dringt in den Grund des Herzens hinein und wirkt durch den Heiligen Geist“ -Wort Gottes setzt den Menschen richtend und befreiend ins rechte Verhältnis zu Gott und erweist sich darin als schöpferische Kraft -Der Gott, den wir aufgrund von Jesus Christus als den Schöpfer glauben, will und wirkt nicht Leiden zur Zerstörung unseres Lebens -Gott will Leiden als Macht der Lebenszerstörung so wenig, wie er die Sünde will, in der der Mensch selbst sein Leben zerstört -Gott kann Leiden in seine Hand nehmen, Menschen im Leiden begegnen und sie zu sich führen -Glaube, dass Gott auch Leiden und Tod in seine Hand nehmen kann, ist einer der Grundpfeiler chr. Überlieferung des Glaubens -ABER: Die faktische Welt ist nicht in harmonischem Einklang mit dem Willen des Gottes, den wir als ihren Schöpfer glauben, sondern Schöpfung, in der zerstörende Macht wirksam ist, Schöpfung also, die auf ihre Erlösung wartet Gottes Allmacht: nicht Allkausalität, sondern eine den Widerspruch der Sünde überwindende Macht -Glaube an Gott, der dieser Welt über allem, was in ihr geschieht, allmächtig gegenübersteht -im Umkehrschluss: Gott ist denjenigen, die seine Schöpfung zerstören, nicht bejahend, sondern verneinend gegenwärtig -Allmacht heißt glauben, dass der Gott, der in Jesus Christus seine Liebesmacht, seinen Lebens- und Rettungswillen kundgetan hat, dahingehend allmächtig ist, dass er zu überwinden vermag, was diesem seinen Willen jetzt in der Welt und in uns selbst entgegensteht -In der faktischen Welt wird das Gotteslob der Schöpfung verstellt durch das, was die Werke des von Gott abgekehrten Menschen aus ihr gemacht haben und machen -nur in einem dieser Faktizität sich entgegensetzenden Dennoch, aufgrund des großen Dennoch, in dem Gott selbst sich in Christus der Verkehrung als ihr Überwinder entgegengesetzt hat, wird er als der Schöpfer dieser Welt geglaubt und bekannt 33 IV. Kapitel: Gott, der in Jesus Christus gegenwärtige Sohn und Versöhner -wir reden von Gott, der sich in der Person und Geschichte des Menschen Jesus für uns identifiziert hat -Selbstzusage Gottes in Jesus Christus bildet daher das Zentrum, von dem her eine Gotteslehre ihre spezifisch christliche Prägung erhält -in systematischer Hinsicht bildet die Christologie die Mitte, von der her sich das Ganze christlicher Theologie erschließt -das Sein Jesu Christi ist eingelassen in die besondere Geschichte Gottes mit Israel -hierin ist es auch verknüpft mit der Wirklichkeit des schöpferischen und bewahrenden Handeln Gottes, das Natur und Geschichte insgesamt bewegt und durchdringt -Sein Jesu Christi kann nur verstanden werden als unter diesen Voraussetzungen, die in dem Bund Gottes mit Israel beschlossen liegen, und in dem universalen Horizont, der im Schöpfungsglauben erschlossen wird -die Erkenntnis der Wirklichkeit Gottes durch Christus weist aber auch über sich hinaus, indem sie auf die Gabe des Heiligen Geistes als Mittler verweist -„Niemand kann Jesus den Herrn nennen außer durch den Heiligen Geist (1Kor 12,3) -Luther im Kl. Katechismus: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus [...] glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen [...].“ -Christologie im Glaubensbekenntnis ist wie in der Systematik eng mit dem ersten (Gott) und dem dritten (Heiliger Geist) Glaubensartikel verbunden -Fragen zur Voraussetzung christologischer Erkenntnis/Grundfragen der Christologie: 1. Wie ist Erkenntnis Jesu Christi möglich? 2. Wer ist Jesus Christus? 3. Was ist sein „Werk“? 1. Zugänge und Methodenfragen 1.1. Die Einheit von göttlichem Handeln und menschlicher Geschichte und die Einheit von Person und Werk Jesu -Frage nach dem sachgemäßen Ansatz der Christologie wurde verschieden beantwortet: -Christologie von oben: Der Einsatz erfolgt hier bei der Gottheit des Sohnes als der zweiten „Person“ der Trinität; ausgehend vom inntertrinitarischen Ratschluss wird Lehre von der Inkarnation entfaltet, wonach die zwei „Naturen“ in der einen Person des Menschgewordenen, und schließlich die Lehre vom Werk des „Gottesmenschen“ Jesus Christus zum Tragen kommen -kritische Rückfrage: wird Jesus hier noch ausreichend als Mensch erkennbar? Als Geschichte Gottes mit den Menschen? -Christologie von unten: Ausgangspunkt ist der Mensch Jesus und seine Geschichte; auf dieser Basis werden Aussagen über sein besonderes Gottesverhältnis kritisch rekonstruiert -kritische Rückfrage: wie solle in Jesus Erlösung, Befreiung des Menschen aus seiner Gottesferne geschehen? Christologie von oben oder Christologie von unten eine falsche Alternative: Die Menschlichkeit Jesu ist nicht ohne das in seiner Geschichte sich vollziehende Wirken Gottes, Gottes Sein nicht ohne die Geschichte des Menschen Jesus zu denken. -Wir können nur in diesem Unten der Geschichte des Menschen Jesus den Gott erkennen, der sich uns von seinem Oben her gibt -der „Ort“ dessen, was in Jesus durch Gott geschieht, ist die Geschichte eines wirklichen Menschen unter Menschen 34 -Wirklichkeit der Geschichte Jesu kann verstanden werden von dem her, was geschehen ist o Werke, Taten Tatsachen handelnde Personen o Charakter, Eigenschaften Die Frage nach der Person Jesu ist nicht ohne sein Werk, die Frage nach seinem Werk nicht ohne Erkenntnis seiner Person zu beantworten -Frage „Wer ist Jesus Christus?“ darf nicht von der Frage nach Taten noch von der Frage nach Charakter getrennt werden; Kompromiss aus beidem -ältere Tradition: zuerst Lehre von der „Person“ Jesu Christi, dann Lehre von seinem „Werk“ (Lebenshingabe am Kreuz und die dadurch bewirkte Versöhnung) -neuere Theologie: Wer Jesus Christus ist und was durch ihn geschieht kann nicht getrennt erkannt werden -Erweist sich Jesus als der Christus nicht gerade im Vollbringen seiner Sendung? -A. Schlatter: in seiner Dogmatik „Das Werk Jesu“ entfaltet er nach dem Bedenken des Werkes heraus Angaben über die Person -Barth: in seiner Kirchlichen Dogmatik findet er in der Versöhnungslehre einen genialen Weg, Person, Weg und Werk in eins zu sehen und in einem einheitlichen Zusammenhang darzustellen -DENNOCH: viele neuere Dogmatiker halten die klassische Unterscheidung bei Der soteriologische Skopus der Christologie: Gottes Kommen als Versöhnungsgeschehen -Gegenwart Gottes in Jesus muss als die in ihm geschehende Bewegung des Kommens Gottes in die Tiefe des gottfernen Menschen bedacht werden -Gott und Mensch kommen in Jesus Christus so zusammen, dass sich in ihm Gottes Gegenwart als Heil für uns Menschen erschließt 1.2. Historische Jesusforschung und Christologie -Gegenstand ist der „historische Jesus“, besser wäre es von der historischen Frage nach dem irdischen Jesus zu sprechen -faktisches Handeln unter Absehen von Wertungen, Deutungen, Umdeutungen -Spezifikum: es wird nach dem faktisch Geschehenen gefragt! Die Diskrepanz zwischen historischem Wissen und der Überzeugung des Glaubens -Reformatoren: Kritik an einem Glaubensverständnis, das sich auf ein bloßes Wissen um geschichtliche Sachverhalte reduziert (Begriff des „historischen Glaubens“ (fides historica)) -Lessing: kategoriale Differenz zwischen „zufälligen Geschichtswahrheiten“ und „notwendigen Vernunftswahrheiten“ -Was die Evangelien von den Wundern Jesu und besonders vom Wunder seiner Auferstehung berichten, mag historisch zutreffend sein oder auch nicht, die Erkenntnis des Glaubens hängt davon aber nicht ab. Sie beruht auf dem „Beweis des Geistes und der Kraft“ (1Kor 2,4), also darauf, dass sich der Gegenstand des Glaubens selbst als gegenwärtig wirksam, als überzeugend erweist. -historische Jesusforschung setzt im 18. Jh. ein; mit dem Auftauchen der hist.-kritischen Methode verbunden -Leben-Jesu-Forschung, die für das erste Stadium der historischen Frage nach Jesus bis zum Ende des 19. Jh. kennzeichnend ist 35 Leben-Jesu-Forschung: der Mensch Jesus, nicht der Christus des Dogmas -Ziel: aus der Überlieferung der Evanglien die wirkliche Geschichte Jesu zu rekonstruieren -vorwiegend antidogmatisch und antichristologisch: Gegen den Christus des Dogmas will man den Menschen Jesus herausstellen, um sich an ihm, nicht an dem Gottmenschen der kirchlichen Lehre, religiös zu orientieren -Ende der Etappe: A. Schweitzers „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung“ -Kritik durch die idealistische Vorstellung der eigenen Zeit -wirklicher historischer Jesus war für Schweitzer ein apokalyptischer Prediger -Danach: Entwicklung der formgeschichtlichen Methode (Dibelius/Bultmann); einzelne Stücke der Evangelien werden auf ihre jeweilige Gestalt durch die Bedürfnisse der urchristlichen Predigt und Unterweisung hin befragt -Möglichkeit, aus Evangelien ein historisches Gesamtbild zu bekommen, wird sehr zurückhaltend beurteilt -Ziel dieser Untersuchungen: Welche Erzählstücke/Logien gehen auf einen historischen Kern bzw. auf Jesus selbst zurück -Bultmann: Glaube hat seinen Grund in dem von Ostern herkommenden Christuskerygma, das die Bedeutsamkeit des Kreuzes und der Auferweckung zuspricht, nicht in den Fakten des Lebens und der Worte des irdischen Jesus -Theologische Kritik: Der Glaube stützt sich auf das Kerygma, nicht auf den historischen Jesus (Bultmann) -für das Christuskerygma ist für Bultmann lediglich bedeutsam, dass Jesus von Nazareth gekommen sei -E. Käsemann: Kritik am Denken Bultmanns; Aufsatz „Das Problem des historischen Jesus“. -weiterhin liegt der Fokus auf der Findung des Kerns einzelner Erzählstücke/Logien Die neue Frage nach dem historischen Jesus: das Christuskerygma nicht ohne Verkündigung und Wirken Jesu -Bezug des Kerygmas (Verkündigung des geglaubten Jesus als der Christus) auf die Verkündigung des irdischen Jesus hin beziehen -Mensch Jesus gerade als Christus bezeugen -„neue Frage“ nach dem historischen Jesus: -Glaube an Jesus Christus soll verständlich gemacht werden -Wort und Tat sind unablösbar mit dem Glauben verbunden -Gefahr, damit die Gemeinsamkeiten, die Jesus und das frühe Christentum mit ihrem kulturellen und religiösen Umfeld verbinden, sucht nochmals neue Forschung, die sog. „dritte Frage („third quest for the historical Jesus“) Die „dritte Frage nach dem historischen Jesus“: der Jude Jesus im religiösen und sozialen Kontext seiner Zeit Interesse: Jesus im Kontext der sozialen, religiösen und kulturellen Bewegungen seiner Zeit wahrnehmen -verstärkt werden auch außerkanonische Schriften herangezogen -dasjenige gilt als authentisch, was auch im Judentum und Hellenismus belegt werden kann -Jesus wird verstanden als Vertreter einer innerjüdischen Erneuerungsbewegung, die in Grundzügen anderen vergleichbaren Bewegungen entspricht -kritische Tendenz bei Theissen: Jesus, der „Menschensohn“ als Urheber einer „Human-Christologie“ 36 Worin liegt die Bedeutung der historischen Jesusforschung und ihrer Ergebnisse für die theologische Christologie? 1. Historische Jesusforschung ist möglich; ihre Ergebnisse sind jedoch mir Unsicherheiten behaftet -historische Jesusforschung kann, muss aber nicht mit einem antichristologischen Interesse verbunden sein, deshalb muss die Theologie die Frage nach dem historischen Jesus stellen dürfen -trotzdem bleiben die Urteile darüber, was in der Jesusüberlieferung „historisch“ sein kann oder nicht, manchmal durch theologische Vorentscheidungen/Vorurteile beeinflusst 2. Den Ergebnissen der historischen Jesusforschung kommt keine konstitutive Bedeutung für die Christologie zu -Ergebnisse haben keine konstitutive Bedeutung, weil Glaube an die Gegenwart und das Handeln Gottes in Jesus kann historische Forschung so wenig begründen wie sie die Wirklichkeit Gottes überhaupt begründen kann o sie kann nur fragmentarisch das „Aussehen“ der Geschichte und Verkündigung des Menschen Jesus zeigen Ergebnisse können nicht darauf rekurrieren, was die Forschung aus den Evangelien als historisches Faktum und als von Jesus selbst gesprochene Worte (ipsissima verba Iesu) herausgearbeitet hat o Wirklichkeit auch des irdischen Jesus ist mehr als was historisch an ihr festgestellt werden kann o zu Jesu Wirklichkeit gehört auch dessen Wirkung: der Glaube, den er erweckte 3. Die kritisch-regulative Bedeutung der historischen Jesusforschung liegt darin, dass sie zwischen Christologie und ideologischen Christusbildern zu unterscheiden lehrt. -historische Jesusforschung wird für die theologische Christologie aber nicht unerheblich, ihr kommt regulative Bedeutung zu -irdischer Jesus als Gegenstand setzt das christologische Denken in Beziehung zu dem wirklichen Menschen Jesus von Nazareth -historische Forschung kann dazu beitragen, dass Gestalten und Geschehnisse der Vergangenheit das gegenwärtige Wahrheitsbewusstsein in Frage stellen und bereichern -wichtig ist auch: Was für ein Mensch wird aufgrund welchen Verhaltens ans Kreuz gebracht und nun als der für uns Gekreuzigte und um unserer Rechtfertigung willen Auferweckte (Röm 4,25) verkündigt -Bultmann wird hierin nicht wiedergegeben: Für ihn zählt nur, dass Jesus gekommen ist, die Kreuzigung ist nachrangig -Christologie kann durch historische Jesusforschung vor dem Abgleiten in ein doketisches (scheinendes; Jesu Leib als „Scheinleib“) Christusbild gewarnt sein 4. Die Geschichte Jesu, die Gegenstand historischen Nachfragens ist, deutet hin auf eine Tiefendimension, in der sie mit der Geschichte aller Menschen verbunden ist und in der sie an der Wirklichkeit Gottes teilhat. Dass sie als die Geschichte des Menschen Jesus auch Geschichte Gottes mit der Menschheit ist, kann die historische Forschung nicht beweisen, sollte sie aber auch nicht ausschließen. -Christologie als Reflexion des Glaubens an die Gegenwart Gottes in Jesus bezieht sich nicht nur auf das, was die Forschung in der historischen Jesusüberlieferung als Faktum verifizieren kann. Ihre Quelle ist das neutestamentliche Glaubenszeugnis von Jesus als dem Christus im Ganzen. Soweit aber Elemente mit guter Begründung als „unhistorisch“ erkennbar werden, sollten sie nicht weiter dogmatisch behauptet werden; sie sind auf ihren theol. Aussagesinn hin zu befragen 37 2. Grundlagen und Grundentscheidungen der Christologie 2.1. Grundzüge der Geschichte Jesu im Spiegel der Evangelien im Alter von etwa dreißig ist Jesus hervorgetreten; Jahre vorher werden nicht überliefert; Kindheitsgeschichten in Mt und Lk haben mehr theologischen als biographischen Charakter; Geschichte Jesu umspannt etwa drei Jahre, vielleicht aber auch nur ein Jahr; in seinem eigenen Land hat Jesus große Bewegung hervorgerufen: Zulauf, Befremden, Empörung o Wer ist Jesus? Prophet in Israel (manche Menschen behaupteten dies), der verheißene und erwartete Messias (Petrus), ein von dämonischen Kräften besessener Verführer (theologische Gegner), etwas von Sinnen gekommen (seine Familie); sicher nicht: politischer Revolutionär, als den man ihn dem Pilatus hinstellen wollte; Redet zu Gott in der vertrauten Anrede „Abba“, er spricht von „meinem Vater im Himmel“, besondere Verbundenheit zu Gott in Passion und Kreuzigung Was tat Jesus? o führte das Leben eines Wanderpredigers; verkündet das Wort Gottes; Heilungen; Hauptaussage: Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen (Mk 1,15 parr); am Ja oder Nein zu Jesus entscheidet sich die Teilhabe am Reich Gottes bzw. der Zukunft Anspruch Gottes auf den Menschen; Jesus beansprucht das Gesetz authentisch auszulegen; Konflikt mit Schriftgelehrten und Pharisäern (die mit der Erfüllung des Gesetzes bemüht sind); Jesus durchbricht die Vorschriften durch Wort und Verhalten, aber er bricht sie nicht, um den Gotteswillen leichter zu machen, das Gegenteil ist der Fall: Gott fordert mehr, als durch die Erfüllung einzelner Vorschriften geleistet werden kann o Gott will das, was niemand aus sich selbst machen kann: den Menschen, der nicht nur vieles tut und unterlässt, sondern anders ist, weil er aus der Liebe lebt Jesus vertritt die radikale Zusage Gottes; Gott nimmt den Menschen bedingungslos an; Eingang in das Reich Gottes wird nicht verdient, sondern geschenkt; Jesus wendet sich Armen, Gesetzlosen, Hungernden zu; Jesus spricht Vergebung menschlicher Sünde zu o bedingungslose Gewährung des Heils bedeutet nicht: andere, die sich um das Vermeiden offenkundiger Übertretungen bemühen, sind ausgeschlossen Rechtfertigung oder gar Bestärkung in der Sünde „Freifahrtsschein“ in das Reich Gottes, da Jesus für die Sünden gestorben ist; Gott verzichtet nicht auf das Geschehen seines Willens Jesus hat in seinem Tun die neuschaffende Lebensmacht Gottes vertreten; Heilungen und Predigten (Tun und Verkünden gehören zusammen); „Wenn es der Finger Gottes ist, durch den ich die Dämonen austreibe, so kommt ja das Reich Gottes zu euch herein.“ (Lk 11,20 par.) Weg des Menschen Jesus führt zum Leidensweg; Erwartungen an den politischen Messias werden enttäuscht; Jünger bleiben bis kurz vor Schluss, am Ende ist Jesus ganz allein; Prozess Jesu war ein Häresieprozess; Kreuzestod; Jesus hat gewusst, dass seine Sendung in den Tod führen wird; er steht dem Tod aber nicht übermächtig gegenüber, er durchlitt die menschliche Todesangst im Garten von Gethsemane (Mk 14,32-42 parr); am Kreuz hängt ein Mensch, der nach Gott schreit und nichts mehr von dessen Nähe spürt Gott hat den Gekreuzigten auferweckt; Tod nicht als Widerlegung, sondern als Vollzug von Jesu Sendung durch Gott; ohne Osterereignis hätte weder Glauben noch Theologie einen Sinn 38 2.2. Christologische Ansätze im Neuen Testament -der vorösterliche Jesus hat sich nicht einfach mit der Vorstellung eines eschatologischen Gottgesandten identifiziert -Evangelien schildert, dass er sich solchen Würdenamen entzieht, v.a. durch den Hinweis auf den Leidensweg, der ihm bevorsteht -Ausnahme: Titulierung als „Menschensohn“ -„implizite Christologie“: durch Jesu Verkündigen und Tun wird ein außerordentlicher Vollmachtsanspruch deutlich -„explizite Christologie“: Ostererfahrung prägt diese Vorstellung; der Gekreuzigte als der lebendige Herr; Jesus als Christus, d.h. als Messias, der endzeitliche König Israels -Jesus ist Mensch, durch den Gott seinen Prozess mit den Menschen endgültig entscheidet, aber anders, als das in der vorgegebenen Menschensohn-Erwartung vorgestellt wurde -der Richter, der selbst das Gericht auf sich nimmt, der Menschensohn, der sich für die Ungerechten kreuzigen lässt, war in dieser Vorstellung nicht erwartet worden -Kyrios-Titel (Herr): Der erhöhte Christus bleibt dennoch Jesus, der als der Dienende das Kreuz auf sich nahm -Bekenntnis zu Jesus als der Sohn Gottes: Jesus ist nicht ein, er ist der Sohn Gottes, im Johev. der „eingeborene“ Sohn; Gott hat den Menschen Jesus zum Sohn proklamiert und eingesetzt (Taufe durch Johannes in Mk 1,11 oder durch Auferweckung aus den Toten Röm 1,4) - diese Vorstellung ist jedoch teilweise irreführend, denn: Der Mensch Jesus wurde nicht erst zum Sohn - er ist der Sohn Gottes schon im Ursprung seines Daseins und Wesens, als der Sohn wurde er in seine irdische Existenz hinein geboren und gesandt! 2.3. Das christologische Dogma Die christologische Aufgabe: Über Jesus Christus denken wie über Gott -2.Clem 1,1: „Brüder, so müssen wir über Jesus Christus denken wie über Gott.“ -Reden und Lehren von Gott bezieht sich nicht nur auf den Vater, sondern auch auf den Sohn (Eusebius) -Logos, der zum Fleisch wurde (in Christus) -Ist damit ein erstes Geschöpf zu verstehen, das alle anderen Geschöpfe überragt (Arianer/arianischer Streit)? -Nicäa 325 führt zur Beilegung/Lösung des Konfliktes: Der Logos ist vom Vater zwar zu unterscheiden, aber mit ihm „eines Wesens“ (homousios to patri) -Jesus Christus ist also wirklich Gott der Sohn (Konstantinopel 381 fügt später den Heiligen Geist - Gott in Vater, Sohn und Geist als den dreieinigen Gott hinzu) -Wie ist die Einheit Mensch - Gott in Jesus zu denken? -Jesus hat anstelle der menschlichen Seele den göttlichen Logos (Apollinaris, gest. um 390) -kritische Frage: ist ein Mensch ohne menschliche Seele noch menschlich? -Jesus ist ein gotteinheitlicher Logos, Gott der Sohn; Gott begleitet einen vollmenschlichen Jesus so, dass dieser in seinem Willen ständig mit ihm geeint bleibt (antiochenische Theologie) -kritische Frage: zweigeteilte Person (Spaltung in göttlichen Christus, menschl. Jesus)? -der gottheitliche Logos ist mit diesem Menschen identisch, indem er in seine Natur eingeht, sie durchdringt und vergöttlicht (alexandrinische Theologie) 39 -kritische Frage: Ist ein Christus, dessen menschliche Natur von vornherein ineins mit göttlicher Natur gedacht wird, noch als wirklicher Mensch zu verstehen? Ist er mit uns noch eines Wesens (homousios)? Das christologische Dogma ist soteriologisch motiviert -Konzil von Chalkedon 451 hat eine Entscheidung getroffen -Anliegen dieses Dogmas ist die Behauptung der Einheit der Person Jesu Christi, zugleich aber seine zweifach zu bestimmende Wesensgleichheit als Gott-Sohn mit dem Vater wie als Mensch mit uns Menschen -dieses Anliegen ist soteriologisch zu verstehen, es geht um das in Jesus Christus beschlossene Heil. In diesem Heil ist Gott selbst zum Menschen gekommen, in ihm und durch ihn ist die Gemeinschaft von Gott und Mensch eröffnet -Göttliche Natur ist in Jesus Christus mit menschlicher Natur eine Person geworden. Gott der Sohn hat in Jesus unter Wahrung seiner göttlichen Natur menschliche Natur in die Einheit mit sich selbst aufgenommen („Assumptions“-Christologie). Die göttliche Natur ist wesensgleich mit Gott, die menschliche wesengleich mit uns. Andernfalls wäre in Christus Gott nicht ganz beim Menschen, wir hätten eine Art Zwitterwesen zwischen Gott und Mensch. -Vier Verneinungen (apha privativa) drücken das Verhältnis der beiden Naturen in Christus aus: unvermischt, unverändert (asynchytos, atreptos): Die Integrität der Naturen bleibt erhalten! ungetrennt, unzerteilt (adihairetos, achoristos): Die Einheit der Person wird gewahrt! -Wir werden hierdurch angewiesen, die Einheit der Person und die Integrität der Naturen zusammenzudenken, ohne dass gesagt wird, wie man das denken kann. -theologische Weiterentwicklung von Chalkedon: Lehre von der Anhypostasie (6.Jh.) der menschlichen Natur in Christus; Lehre einer communicatio idiomatum, d.h. einer kraft der Einheit der Person stattfindenden Teilhabe Jesus als Mensch an dem, was er als Gott ist und tut, und umgekehrt 2.4. Die Christologie in der altprotestantischen Dogmatik -zum Ersten handelt die Christologie der altprotestantischen Dogmatik zunächst von der Person Jesu Christi, seinem gottmenschlichen Wesen -zum Zweiten handelt sie von seinem zweifachen „Stand“: Erniedrigung und Erhöhung als die Stadien seines Weges -zum Dritten handelt sie von seinem dreifachen, nämlich prophetischen, priesterlichen und königlichen „Amt“ als dem Vollzug seines Werkes Hinter allen Punkten steht: Was in und durch Christus geschieht, bestimmt sich aus dem, wer er im Verhältnis zu Gott und zu den Menschen ist. 2.4.1. De persona Christi -CAIII: „...dass Gott der Sohn sein Mensch geworden, geboren aus der reinen Jungfrau Maria, und dass die zwei Naturen, die göttliche und die menschliche, in einer Person also unzertrennlich vereinigt, ein Christus sind, welcher wahrer Gott und wahrer Mensch ist [...vere Deus et vere homo].“ Der eine Christus: wahrer Gott und wahrer Mensch -in der göttlichen Natur Jesu Christi eignet er sich alle Eigenschaften Gottes selbst an (auch die metaphysischen wie Unendlichkeit, Allmacht, Allwissenheit, Allgegenwart, Unveränderlichkeit etc.) 40 -in der menschlichen Natur hat Jesus teil an den Begrenzungen unseres Menschseins: Endlichkeit, Ortsgebundenheit, Gebundenheit an den Leib etc -Christus kommen folgende Sondereigenschaften (proprietates praerogativae) zu: Sündlosigkeit (impeccabilitas) Unsterblichkeit (immortalitas) -Christus nahm also den Tod der Sünder freiwillig auf sich -Christus kommt folgender außerordentlicher Umstand (extraordinaria conceptio) des ZurWelt-Kommens zu: Empfängnis und Geburt aus der Jungfrau ohne männliches Zutun -altprotestantische Dogmatik übernahm die Lehre von der impersonalitas sive anhypostasia, die die altkirchliche Theologie im Anschluss an Chalkedon ausgebildet hatte. Sie besagt: Die menschliche Natur in Christus hat als solche und neben dem göttlichen Logos kein eigenes Selbst, das ihr Träger wäre. Sie hat ihr Selbst in der Person (Hypostase) des Logos, der sie angenommen hat. In sich selbst anhypostatisch (personlos), ist sie in die Person Gottes des Sohnes aufgenommen, in ihm enhypostasiert („einpersönlicht“). -Einheit der Person Christi wird in der weiteren Entfaltung der Christologie vom Inkarnationsgeschehen her interpretiert -Was es heißt, dass Gott Mensch wird, wird assumptionschristologisch präzisiert: Gott der Sohn nimmt im Mutterschoß Marias menschliche (als solche hier „anhypostatische“) Natur in Personeinheit mit sich selbst auf (unitio personalis). -Insbesondere die lutherische Theologie lehrt, dass auch der erhöhte Christus als Gott der Sohn zugleich der Mensch Jesus bleibt. Unbeschadet ihrer jeweiligen Integrität stehen die beiden Naturen in Christus nicht im Verhältnis eines bloßen Nebeneinanders, sondern in inniger Gemeinschaft (communio naturarum). Das Geheimnis der Person: Gott und Mensch in Beziehung -Lehre der Perichorese: Zwischen Gott und Mensch findet eine perichoresis statt, ein Durchwalten und Durchdringen, wobei die göttliche Natur aktiv, die menschliche empfanged ist -lutherische Theologie: communicatio idiomatum: wechselseitige Teilhabe des Göttlichen in Christus am Menschlichen und umgekehrt in einer Person. -d.h. die gottmenschliche Person als ganze ist Träger der Eigenschaften jeder der beiden Naturen. Jesus Christus ist auch als Mensch Träger der seiner göttlichen Natur zukommenden Eigenschaften, weil er in Person zugleich Gott ist; er ist als Gott Träger der Eigenschaften auch seiner menschlichen Natur, weil er in Person zugleich Mensch ist. (genus idiomaticum/Idiomenkommunikation) -Die gottmenschliche Person als ganze ist Subjekt der Funktionen, die sie durch jede ihrer Naturen ausübt. Jesus Christus ist als Mensch an dem Erlösungswerk beteiligt, bzw. auch als Gott an dem seiner menschlichen Natur widerfahrenden Leiden beteiligt, weil er in einer Person zugleich Gott und Mensch ist. (genus apotelesmaticum/Vollbringungskommunikation) -lutherische Orthodoxie formulierte noch ein genus maiestaticum: Nicht nur in der einen Person ist das, was ihr in ihrer menschlichen Natur widerfährt, mit dem, was sie in ihrer Gottheit ist und wirkt, zusammengebunden. Auch die menschliche Natur Jesu als solche empfängt Anteil an den Majestätseigenschaften der göttlichen Natur -altreformatorische Theologie: trennte sich von der communicatio idiomatum, besonders aber vom genus maiestaticum -Lehre von der communicatio idiomatum will von ihrem soteriologischen Standpunkt her verstanden werden. Kritik gab es von Schleiermacher: theoretische Spekulationen über das Wesen Jesu Christi sind entbehrlich 41 2.4.2. De statu Christi duplice -Wer Jesus Christus ist, kommt in der Lehre vom zwiefachen Stand zur Sprache (De statu Christi duplice) -wurde erst in der späten altprotestantischen Theologie (frühes 17. Jh.) entwickelt -Grundlage Phil 2,5-11 („er erniedrigte sich selbst....,darum hat ihn Gott erhöht“) -Unterscheidung zwischen status exinanitionis - Jesu Erdenleben von der Krippe bis zum Kreuz status exaltationis - die Erhöhung des auferstandenen Herrn zur Rechten Gottes -Nach Phil 2 entäußert sich der präexistente Sohn, indem er Mensch wird und „Knechtsgestalt“ annimmt, seiner göttlichen Herrlichkeit -In der Sprache der Zwei-Naturen-Lehre: Die Entäußerung betrifft gerade seine göttliche Natur -orthodoxes Lehrsystem: Entäußerung oder Beschränkung des göttlichen Logos ist undenkbar. Die Entäußerung kann nur auf etwas der menschlichen Natur Christi Zustehendes bezogen werden -im 17. Jh tritt der sog. Kenosis-Krypsis-Streit zwischen Gießen und Tübingen auf (theol. Fakultäten): Verzichtet Jesus Christus im Stand der Erniedrigung auf den Gebrauch göttlicher Wesenseigenschaften oder übt er sie, wenn auch verborgen, aus? -beide Richtungen hatten vorausgesetzt, dass Christus auch im Stand der Erniedrigung im vollen Besitz göttlicher Herrlichkeit blieb -Gießen: ein Christus, der einerseits (als Gott) göttliche Macht ungebrochen innehat und ausübt, zugleich aber andererseits (als Mensch) sie nicht ausübt -stand unter dem Verdacht einer Spaltung der Person -Tübingen: ein Christus, dessen menschliche Natur auch da noch an der Unveränderlichkeit, Seligkeit und Leidensfreiheit der göttlichen teilhat -stand unter dem Verdacht: müsste dies dann nicht sichtbar werden? -Lösung des Konfliktes 1624 durch „Decisio Saxonica“, eine Kompromissformel, die in der Sache stärker der Gießener Auffassung entsprach; Endpunkt der orthodoxen christologischen Lehrentfaltung der Zwei-Naturen-Lehre -Kritik im 19. Jh. durch eine Gruppe lutherischer Theologen: Kritik an der älteren Lehre vom status exinanitionis; Entäußerung auf die Teilhabe der menschlichen Natur Jesu wird an den göttlichen Eigenschaften beschränkt, derselbe Jesus wird nach seiner göttlichen Natur aber auch während seines Erdenlebens im Vollbesitz dieser Eigenschaften gedacht -Kritik setzte sich nicht durch, wird aber bis heute u.a. von Moltmann, Pannenberg, Jüngel u.a. diskutiert 2.4.3. De munere Christi triplice -Unterscheidung des dreifachen Amtes (prophetisch, priesterlich, königlich) wurde von Calvin ausgebildet, dann aber auch in die lutherische Theologie übernommen -Grundlage: atl. Überlieferung, die im Blick auf Propheten, Priester und Könige die Salbung kennt -im Werk Jesu Christi sind diese drei Funktionen vereint und hierin als Hinweis auf künftiges Heil erfüllt Jesus Christus vermittelt zwischen Gott und Mensch in dreifacher Weise: als Prophet, Priester und König. 1. munus propheticum: Christus handelt als Verkündiger des Gesetzes und des Evangeliums -Vermittler der Erkenntnis des Willens Gottes -in seinem Erdenleben übte Jesus das Amt unmittelbar (immediate) aus -vom Himmel her übt Jesus das Amt durch apostolische Predigt und der in ihrer Nachfolge bleibenden kirchlichen Verkündigung aus (mediate) 42 2. munus sacerdotale: Christus wird das Werkzeug der Vollstreckung des Heilsratschlusses und zwar so, dass durch ihn Vermittlung geschieht zwischen Gottes Rettungswillen und seinem Zorn, der die Sünder verwerfen muss -Christus hat solche Vermittlung vollbracht durch Genugtuung (satisfacito), in welcher er stellvertretend Gott darbringt, was die Sünder ihm schulden: in seinem aktiven Gehorsam (oboedientia activa) die vollkommene Erfüllung seines Gesetzes, in seinem Leiden und Sterben (oboedientia passiva) die Übernahme der Strafe, die nach dem Urteil des Gesetzes die Sünder treffen müsste 3. munus regium: Christus vermittelt die Frucht seines Heilswerkes durch die Sendung des Heiligen Geistes und so durch die Sammlung seiner Gemeinde, die er als ihr Haupt regiert -über prophetisches und königliches Amt Christi gab es in der älteren Theologie kaum Auseinandersetzungen. Dagegen war das Verständnis der Heilsbedeutung des Todes Jesu (munus sacerdotale) schon in der altkirchlichen und mittelalterlichen Theologie Gegenstand eingehender und unterschiedlicher Auslegungsversuche; in neuerer Theologiegeschichte wiederrum Brennpunkt der Auseinandersetzungen 2.5. Fragen zum christologischen Dogma -dem Zeitalter der altprotestantischen Orthodoxie folgte die Aufklärung, die unter ihrem Einfluss innerhalb der Theologie eine besonders rationalistische Richtung auftat -christologisches Dogma verlor an Bedeutung -was übrig blieb war das Bild des Menschen Jesus -Gott als Geber des Sittengesetzes -Jesus, der dem Sittengesetz in Wort und Tat ungebrochen entsprochen hat (Vorbildfunktion) Christologie in der Spannung zwischen Gesetz und Evangelium: Jesus als Mensch, der in vorbildlicher Weise das moralische Gesetz erfüllt - Gottes Kommen zum Menschen in Jesus als Geschehen des Evangeliums -auch das biblische Zeugnis redet von Nachfolge, es redet aber auch davon, was Gott in Jesus getan hat -in Christus geschieht erst die Befreiung der Gebundenen -Gott selbst kommt zu dem Menschen, der sich von ihm entfernt hat -Besonderes Näheverhältnis, die den Menschen „nicht mehr scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist“ (Röm 8,39) -in Jesus geschieht das Evangelium -eine Theologie, die das festhalten will, kann das christologische Dogma nicht außer Acht lassen -Fragen am christologischen Dogma treten v.a. am in Gestalt der Zwei-Naturen-Lehre zutage. Gegenwart Gottes in dem Menschen Jesus, d.h. in der Person Jesus Christus sind zwei „Naturen“, d.h. Wesensarten mit den jeder von ihnen zukommenden Eigenschaften zu einer Einheit verbunden -diese Eigenschaften müssen sich doch zum Teil widersprechen; besonders deutlich wird dies bei der Behauptung der Unveränderlichkeit und der Erhabenheit über das Widerfahrnis von Leiden, die man der göttlichen Natur meinte zusprechen zu müssen -wie sollte so der irdische Jesus nach seiner göttlichen Natur im unverminderten Besitz aller dieser Natur zukommenden Majestätseigenschaften gedacht werden? 43 Die ontologische Problematik: Die Fragwürdigkeit des Begriffs der Natur im Verhältnis zum geschichtlichen Selbsterweis Gottes -Entscheidende Frage: Ist es möglich, die Natur, also das Wesen Gottes und seine Eigenschaften ontologisch zu bestimmen und dies nicht mit der Geschichte Jesu Christi zu verbinden? -Frage betrifft das Axiom der Unveränderlichkeit göttlicher „Natur“ -Beständigkeit/Verlässlichkeit Gottes in seiner Treue diese Treue hatte ja gerade ihren Grund in der Geschichte mit Jesus, in der Gott nicht in seiner Transzendenz verharrt, sondern „immanent“ geworden ist -Axiom der Unveränderlichkeit meinte nun eine ontologische Bestimmung des transzendenten Wesen Gottes liefern zu können, die seinem Selbsterweis in Jesus vorweg feststeht, und an die er in dessen Vollzug gebunden bleibt (sonst wäre er ja nicht mehr Gott) -Menschwerdung Gottes darf nicht im Schema der Hinzunahme einer menschlichen Natur zur schon bestehenden göttlichen Natur gedacht werden -vielmehr muss Gott in die Person des Menschen Jesus eingehen, macht sich für uns mit ihr identisch. -Nicht Natur kommt zu Natur, sondern Person wird zu Person! Die Einheit von Gott und Mensch in Jesus Christus nicht als Kombination zweier „Naturen“, die auch für sich gedacht werden könnten, sondern als personale Selbstvergegenwärtigung Gottes -Gott hat sich erweisen als der Gott, dem das möglich ist: in der Person dieses Menschen und in allem, was ihn als Mensch betrifft, auch in Ohnmacht, Leiden und Sterben gegenwärtig zu werden, ohne aufzuhören, Gott zu sein. -Barth hat diese Einsicht vertreten -Luther hat auch schon die Inkarnation als Selbstbewegung Gottes in die vollkommene Einheit mit dem Menschen Jesus, als das ganze Eingehen der Gottheit in die menschlische Niedrigkeit der Krippe und des Kreuzes verstanden -Ausdruck fand dies u.a. in seinem Lied EG 23,3 „Den aller Weltkreis nie beschloss, der liegt in Mariens Schoß“; ebenso in seiner Schrift „Vom Abendmahl Christi“ Die theologische Problematik: Gegenwart Gottes in dem Menschen, der doch im Gegenüber zu Gott lebt? -Jesus lebt doch stellvertretend für die Menschen -betet zu dem Vater, er ist ihm gehorsam; Einheit mit Gott -betet im Garten Gethsemane darum, den Willen des Vaters anzunehmen; Gegenüber von Gott (auch in der Frage: Warum hast du mich verlassen?) -Wie ist das zu verstehen? -trinitarisches Denken: Nicht einfachhin Gott, sondern Gott der Sohn - die zweite Person der Trinität - wurde und ist dieser Mensch -nicht einfach Gott betet sich zu, sondern Gott der Sohn betet in der Person dieses Menschen zu Gott dem Vater; Gott der Sohn gehorcht Gott dem Vater; Gott der Sohn fragt den Vater: Warum hast du mich verlassen? -Wenn also die Aussage der Gegenwart Gottes in dem Menschen Jesus ernst genommen wird, dann wird sie dahin führen, dass von diesem Gott, der in Jesus ganz zum Menschen gekommen ist, trinitarisch geredet werden muss -ABER: Wie kann sich Gott der Sohn zugleich als Mensch unter Gott stellen bis in die Dunkelheit der letzten Sunde? -kann unter Preisgabe des Axioms der göttlichen Unveränderlichkeit beantwortet werden; Jesus hört darin nicht auf, Gott der Sohn zu sein, 44 ist es aber nun als dieser Mensch und in den Begrenzungen und Widerfahrnissen, die Jesus als Mensch und in ihm nun eben Gott mit uns teilt Die Aufgabe: Christologie in soteriologischer Perspektive Zusammenfassung: In seiner Begriffsgestalt als Zwei-Naturen-Lehre besagt das christologische Dogma: In der Person Jesus Christus sind göttliche und menschliche Natur mit je ihren Eigenschaften vereint. Wird nun die göttliche Natur als in ihren metaphysischen Majestätseigenschaften unveränderlich verharrend gedacht und um der Personeinheit willen der menschlichen Natur eine Teilhabe an diesen Eigenschaften zugesprochen, so ist die Teilhabe Jesu an unserem Menschsein, insbesondere in seinem irdischen Lebens- und Leidensweg kaum mehr zu verstehen. Wird aber die Teilhabe seiner menschlichen Natur an seiner göttlichen Majestät als im irdischen Weg Jesu „entäußert“ gedacht, dann droht die Einheit der Person jedenfalls des irdischen Jesus in zwei Hälften auseinander zu fallen: Einerseits hat er als Mensch an allen Begrenzungen und Widerfahrnissen unseres Menschseins teil, andererseits ist er zugleich als Gott allwissend, allmächtig, allem Leiden überlegen. 2.6. Christologische Entwürfe in der neueren Theologie -Strauß (im Anschluss an Hegel): Gedanke einer Gegenwart Gottes im Menschen, zugleich Anstoß an der Behauptung als übernatürliche Wesensbeschaffenheit des einen Menschen Jesus; Immanenz Gottes im Menschen als ideale Wesensbestimmung des Menschseins überhaupt -Jesus wird philosophisch gedeutet als Symbol der wesenhaften Präsenz des göttlichen im menschlichen Geist -Schleiermacher: Christologie als Aussage einer einmaligen Bedeutung der Person Jesus von Nazareth; Vorstellung des moralischen Vorbild Jesus wird abgelehnt; soteriologische Wirkung, die von Jesus ausgeht; was Jesus vom Menschen unterscheidet ist seine sündlose Vollkommenheit als Mensch; Jesus ist nicht der „Gottmensch“ des Dogmas, wohl aber der urbildliche Mensch und als solcher durchaus eine schöpferische Neusetzung Gottes inmitten der geschichtlichen Menschheit; Jesus befreit uns (Menschen) aus unserer Gottvergessenheit -Barth: nahm - gegen die neuprotestantischen Konzeptionen - den Anschluss an das Dogma wieder auf; Gott der Sohn ist in der Person des Menschen Jesus gegenwärtig geworden; Gott gibt sich in Christus zu erkenne, das ist der Ausgangspunkt von Barths Offenbarungstheologie; Gott ist von Ewigkeit her in sich selbst bewegt im Gegenüber von Vater, Sohn und Geist; Vorstellung vom Nebeneinander der zwei Naturen wird durch Barth überwunden, indem er das Einssein von Gott und Mensch in Jesus von einer doppelten, gegenläufigen Bewegung her versteht, vom Weg der Erniedrigung und Erhöhung, den Gott in Jesus zu uns und mit uns gegangen ist (soteriologische Deutung) -Jesus Christus ist „der wahre, nämlich der sich selbst erniedrigende und so der versöhnende Gott.“ oder „Jesus Christus, der Herr als Knecht“ -Jesus Christus ist „der wahre, nämlich der von Gott erhöhte und so versöhnte Mensch.“ oder „Jesus Christus, der Knecht als Herr“ Barth überwindet das Dilemma der Zwei-Naturen-Lehre, entweder der Teilhabe Jesu an der menschlichen Niedrigkeit oder die Einheit des Göttlichen und Menschlichen an seiner Person: -Nicht „obwohl“ er Gott ist und bleibt, kann er als Mensch unser Leiden und Sterben erfahren; und dass er als Mensch auf sich nimmt, bedeutet keine Spaltung in ihm zwischen leidender menschlicher und allmächtig bleibender göttlicher Natur. Sondern Gott selbst geht als dieser Mensch in Leiden, Ohnmacht und Tod. Gerade darin, dass 45 er dies konnte, erweist er seine Allmacht, und dass er es wollte, deutet hin auf die Freiheit seiner Liebe -Gogarten: auch er sieht in Jesus den Träger des Offenbarungswortes Gottes (einig mit Barth), er löst aber die personale Identität Jesu mit Gott, dem Sohn; das Einssein Jesu mit Gott liegt für ihn in dem Verhalten zu Gott, das er als Mensch gelebt hat: Jesus existierte ganz und ungebrochen in vertrauendem Gehorsam aus der Güte des Vaters -Pannenberg: personale Einheit von Gott und Mensch in Jesus soll festgehalten werden; diese Einheit darf nicht durch die Vorstellung eines bloß exemplarischen Gemeinschaftsverhältnisses des Menschen Jesus zu Gott ersetzt werden; Gott als Dreieiniger Ursprung der Einheit Jesu mit Gott als Inkarnation Gottes des Sohnes; P. hält am wirklichen Menschsein des irdischen Jesus in echtem Gegenüber zu Gott fest; in der Ewigkeit ist für Gott die Einheit des Sohnes mit Jesus wohl schon immer gegenwärtig, aber in der Zeit und für die Menschen, auch für Jesus selbst, war sie bis zu seiner Auferstehung verborgen; Identität Jesu mit dem Sohne Gottes ist vermittelt durch „Selbsterniedrigung“ (Leiden, Sterben, Tod), erst in der Auferweckung erweist sich Gott -„Die Begründung der Einheit Jesu mit Gott in der rückwirkenden Kraft seiner Auferstehung macht die Verborgenheit dieser Einheit während des irdischen Weges Jesu verständlich und hält so den Raum für die echte Menschlichkeit dieses Weges offen.“ 3. Die Gegenwart Gottes in dem Menschen Jesus 3.1. Jesus der Mensch vor Gott -in dem Menschen Jesus ist Gott gegenwärtig -Frage: Wer ist Jesus als Mensch? -Als ein Mensch, der auf der Erde lebte und starb, hatte er teil an der kreatürlichen Endlichkeit, Bedürftigkeit und Begrenzung unseres Daseins. -Evangelien verbergen dies nicht, sind aber in ihrer Darstellung hin auf das Osterereignis ausgerichtet Jesus, der wirkliche Mensch: uns verbunden in seiner Kreatürlichkeit, im Glauben und in der Erfahrung der Sünde und des Todes -Chalkedon hat die Wesensgleichheit Jesu Christi nach seiner Menschheit mit unserer menschlichen Natur (homousius hemin) herausgestellt -zum Menschsein Jesu gehört die besondere Geschichtlichkeit, in der er teilhat am Glauben seines Volkes -als wirklicher Mensch ist er wirklicher Jude, geprägt durch die Tradition derer, die ihm im Glauben vorangegangen sind und mit denen er als „Anfänger und Vollender des Glaubens“ (Hebr 12,2) verbunden ist -Evangelien berichten nicht ausdrücklich vom Glauben Jesu, dennoch kann es keinen Zweifel daran geben, dass er am religiösen Leben seiner Zeit teilgenommen hat -deutlich wird dies u.a. am Vater-Unser (Mt 6,9-13) -Jesus lebte unter den Bestimmungen, denen unser Leben von der Macht der Sünde her unterworfen ist -Jesus hat gelitten an der Sünde und Feindschaft der Menschen, an der dämonischen Macht des Bösen (Mt 4 - Versuchungsgeschichte) -der Tod geschah auch bei Jesus nicht angstfrei, er war unserer Todesangst unterworfen -Jesus hat im Sterben Gottverlassenheit erfahren; ausgesagt ist dies durch den Schrei, den Mk und Mt überliefern: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ 46 -Die Erzählungen der Evangelien wird durch die Inhalte der Briefe unterstrichen: Jesus Christus hat „Knechtgestalt angenommen, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt“ (Phil 2,6); „Gott sandte seinen Sohn in der Gestalt des Fleisches der Sünde“ (Röm 8,3), „geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan“ (Gal 4,4); „Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht“ (2Kor 5,21) -Jesus, wirklicher Mensch, das heißt: In allem, was Menschen betreffen und bedrängen kann, ist er ganz an unserer Seite. Es gibt nichts, worin er uns nicht verstehen könnte. Jesus ist der Mensch mit uns - unser Bruder Jesus, der wahre Mensch: von uns als Sündern unterschieden in der ungebrochenen Gottesgemeinschaft, in der er das vollkommene Ebenbild Gottes ist -Jesus hat nicht für sich selbst gelebt, sondern ganz im Zusammensein mit Gott und aus der Macht der Liebe Gottes in der Zuwendung zu den Menschen -so erfüllte er das Doppelgebot der Liebe -als der wahre Mensch steht Jesus, der ganz mit uns, an unserer Seite ist, zugleich für uns, an unserer Stelle, vor Gott: als Mensch, der Gott gibt, was wir ihm schuldig bleiben -ntl. Christuszeugnis bringt das zum Ausdruck durch den Begriff der Sündlosigkeit Jesu (Joh 8,46; 1Petr 2,22 u.a.) -Frage: Steht diese Sündlosigkeit nicht im Widerspruch zum Menschsein? Wie können dem, in dem keine Sünde ist, die Belastungen widerfahren, denen wir unterliegen, weil wir Sünder sind? -psychologisches Erklären kommt hier an seine Grenze -man kann nur noch antworten: Er, der Sündlose, konnte und musste das erfahren, was in uns von unserem Sündersein unabtrennbar ist, weil Gott ihn dies erfahren lassen wollte, ihn bis in dies hinein an unsere „Stelle“ schickte. Das Geschehen dieser „Stellvertretung“ entzieht sich der psychologischen Einordnung in das nach unserer Selbsterfahrung Mögliche. Es ist, in dem Menschen Jesus, die Möglichkeit Gottes. -gerade hierin liegt auch das Geheimnis der Person Jesu Christi 3.2. Gott in Jesus mit dem Menschen Die Gegenwart Gottes in Jesus ist nicht nur ein Bewusstseinsphänomen. Jesus redet und handelt in der Vollmacht Gottes. Er ist in seiner Person Gott mit uns. -„Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst.“ (2Kor 5,19) -das kann so verstanden werden, dass Jesus als der wahre Mensch das rechte Verhalten des Menschen zu Gott exemplarisch gelebt und dadurch seinen Nachvollzug ermöglicht hätte -das kann so verstanden werden, dass in Jesus Gottes Kommen zu uns, sein schöpferisches, befreiendes und rechtfertigendes Handeln an uns und für uns Ereignis wurde -Evangelien unterstützen dies dadurch, dass der irdische Jesus in der Vollmacht Gottes handelt; er beansprucht, den Willen Gottes so zu kennen und geltend zu machen, wie Gott ihn selbst kennt -Zusage an uns Menschen: Denen, die durch ihr faktisches Leben von Gott getrennt sind, wird zugesprochen, dass diese Trennung durch Christus aufgehoben ist, dass sie sich nun als die bedingungslos Angenommenen und Geliebten wissen dürfen -diese Zusage des Angenommensein heißt: Gott kommt zu denen, die in der Abkehr von ihm und darin mit sich selbst und der Welt allein gelebt haben -Jesus erweißt sich als Immanuel, ereignet sich in seiner Person Gottes Sein mit uns 47 Einheit von Person und Werk Jesu Christi -das Werk Jesu erfüllt sich gerade darin, dass er in seiner Person Gottes Gegenwart zu den von Gott Geschiedenen bringt. Und umgekehrt: Ist in der Person Jesu Gott selbst gegenwärtig, so ist er es im Geschehen dieses Werkes, im Vollzug seines Kommens zu den Gottlosen -Frage: Wie aber ist die Behauptung, in Jesus sei Gott selbst in Wort und Tat gegenwärtig mit der Selbstunterscheidung Jesu von Gott vereinbar? -Luthers Grundsatz theologischer Erkenntnis: Gott kann „nicht unter der Kategorie der Substanz, sondern unter der Kategorie der Relation“ gedacht werden -das Zugleich der Gegenwart Gottes in Jesus und sein menschliches Gegenüber zu Gott ist nicht substantial (im Sinne einer Doppelherrschaft in einer Person), sondern relational als das Miteinander zweier Beziehungen zu verstehen Relationale Christologie: Das menschliche Verhältnis, in dem Jesus sich auf Gott, seinen Vater bezieht, und das göttliche Verhältnis, in dem Gott zum Menschen kommt und in seinem Sohn ganz gegenwärtig ist, gehören untrennbar zusammen. -In seinem eigenen Verhältnis und Verhalten zu Gott war der auf dieser Erde lebende und sterbende Jesus als Mensch im Gegenüber zu Gott, und zwar als der wahre Mensch inder Ganzheit vertrauender und gehorsamer Hingabe bis dahin, dass er sich von Gott an den Ort stellen ließ, der uns zukommt: unter das Todesgericht -Jesus als unser Bruder; er war dies als der Irdische, er bleibt dies als der Erhöhte Sohn Gottes und Ebenbild Gottes in zweifacher Relation: die exemplarische Verwirklichung des Menschseins vor Gott und die sakramentale Gegenwart Gottes für den Menschen -Jesus lebt in völligem Vertrauen und Gehorsam im Hinblick auf Gott, den Vater -Jesus als exemplum der Sohnschaft, in die auch wir in seiner Nachfolge gerufen werden -Jesus ist zeitgleich bevollmächtigt das Sein und Tun des Vaters zu vertreten; Jesus als sacramentum der Gemeinschaft schenkenden Gegenwart Gottes bei uns -im sacramentum versagt der menschliche Vergleich mit Christus -Jesus ist auf Erden nicht Repräsentant eines abwesenden Gottes, sondern gerade durch und mit ihm handelnd -Kernthese muss also lauten: Jesus ist das Person-Sakrament der die Sünder annehmenden Gemeinschaft Gottes mit den Menschen. -Frage: Begriff des Sakraments (wie in Taufe und Abendmahl) als zureichend, um die vollkommene Einheit von Gott und Mensch in Jesus Christus zu begreifen? -unio sacramentalis; Jesus ist ununterscheidbar Gott selbst in der Gestalt, in der er zu uns in unser Menschsein gekommen ist, und so in der Tat Gott der Sohn -Jesus ist in der Relation (nicht Substantion!), die Gott in seiner Person zu uns Menschen eingegangen ist, vollständig aufgegangen. -dass Gott in Jesus sein eigenes Sein mit uns und für uns gibt, bedeutet dann nicht, dass Jesus als Mensch für und in sich selbst zugleich göttliche Eigenschaften besessen haben müsste. -Das Anliegen der Naturenchristologie („Gott selbst ist in Jesus ganz für uns Menschen da“) kann durch eine relationale und sakramentale Christologie interpretiert werden. -Zusammenfassen lässt sich: Der irdische Jesus ist in seiner eigenen Relation zu Gott der wahre Mensch, der sich Gott untergibt bis hin zur Gottesferne des Kreuzes. Er tritt damit an die Stelle, die uns vor Gott zukommt. In der Relation, die Gott in ihm zu uns her vollzieht, ist Jesus der Eine, in dem in Wahrheit Gott selbst mit uns wurde, auch dies bis hinein in die Gottesferne unseres Sterbens, so dass sein Hinabsteigen in diesen äußersten Ort für uns die Gottverlassenheit dieses Ortes aufhebt. Indem er die Gegenwart Gottes in unseren Tod hereinträgt, verwandelt er ihn zum 48 Eingang in die endgültige Gottesgemeinschaft. In der Einheit dieser doppelten Relation ist Jesus Christus als Person-Sakrament das Ereignis der vollkommenen Gottesgemeinschaft. -dies kann nur unter der Voraussetzung der Auferweckung von den Toten bzw. die Hoffnung auf das Ewige Leben gesagt werden -Auferweckung Jesu als Offenbarung seiner Einheit mit Gott -Liegt also das Geheimnis der Person Jesu Christi darin, dass in ihm Gott und Mensch in einer doppelten Relation miteinander kommunizieren, so lassen sich von daher auch die Wunder verstehen, von denen in den Evangelien erzählt wird. -diese Wunder wollen verstanden sein in ihrem besonderen Zusammenhang mit der Verkündigung und Geschichte Jesu, also mit dem, wozu Gott ihn gesandt hat -Jesu Wunder waren nur durch seine Gottesgemeinschaft möglich (vgl. Joh 5,17) Wunder Jesu im schöpfungstheologischen und eschatologischen Horizont: Zeichen der vollendeten Gottesgemeinschaft -Jesus selbst sah seine Wunder als Zeichen des „nahe herbeigekommenen“ Reich Gottes (Mt 12,28) -signa resurrectionis: Vorzeichen des neuen Lebens, das Gott aus dem Tod erschaffen wird und das den ganzen Menschen, die ganze Schöpfung meint. -was durch Jesus geschehen ist, ist Vorzeichen des Neuen, das es im Lauf dieser Welt noch nicht „gibt“, und zugleich Vollendung dessen, was Gott mit der Schöpfung ins Werk gesetzt hat. -klar ist: in keinem Fall handelte Jesus in Wundern/Zeichen als ein Mensch, der seine eigenen quasigöttlichen Kräfte einsetzt oder gar zur Schau stellt (vgl. Mt 4,1-11) 3.3. Der Ursprung Jesu in Gott -Geschichte Jesu kann schlecht „von unten“, sondern nur „von oben“ verstehbar werden -Gott schafft den Menschen, der ihm ganz entspricht, den „zweiten Adam“, inmitten einer Menschheit, die diesen Menschen nicht aus sich hervorbringen konnte -in seiner psychischen und körperlichen Entwicklung vom Kind zum Mann ist Jesus geworden wie wir alle. Aber als der, der er ist in seinem Verhältnis zu Gott und in dem Verhältnis Gottes in ihm zu uns, ist er nicht geworden, sondern gekommen, gesendet -In Jesus geschieht nicht Apotheose (Aufstieg des Menschen zu Gott), sondern Kondeszendenz (Herabsteigen Gotte zum Menschen) Das Kommen des Sohnes Gottes ereignet sich im Werden eines Menschen (Inkarnation), ohne aus den „fleischlichen“ Bedingungen des menschlichen Lebens ableitbar zu sein. Es setzt vielmehr die Präexistenz des Sohnes Gottes und Schöpfungsmittlers voraus. -dies sagen Berichte von Jesu Empfängnis durch Maria aus Gottes Schöpfertat (Mt 1,18 u.a.) -ebenso Aussagen der Präexistenz, die sowohl die ewige, schon vor Grundlegung der Welt bestehende Gemeinschaft von Vater und Sohn (Joh 1,18) als auch dessen universale Wirksamkeit in der Schöpfung (1Kor 8,6) bezeugen -Jesus als präexistent „ewig“ bestehender Sohn Gottes in „Knechtsgestalt“ -Der „einzig-geborene Sohn“ ist „vor allen Zeiten“ aus dem Vater gezeugt, als „wahrer Gott aus wahrem Gott“ und wird in seiner Fleischwerdung „aus dem heiligen Geist und Maria, der Jungfrau, geboren“ (Glaubensbekenntnis Nicäa-Kontantinopel) -Erzählungen von der wunderbaren Empfängnis und Geburt Jesu meinen keineswegs, dass Gott im biologischen Sinn an die Stelle des menschlichen Vaters getreten sei, so wie in einigen altorienalischen und auch antiken Parallelerzählungen. -mehrfach wird Josef als Vater genannt; es können keine dogmatischen Gründe angeführt werden, aus denen die jungfräuliche Geburt Jesu als Tatsache zu postulieren wäre 49 -dass Jesus nur durch die unberührte Empfängnis sündlos bleiben konnte, kann ebenso wiederlegt werden (Maria ist Teil der Menschheit) wie die Behauptung, Gott hätte nur so zu den Menschen kommen können (Ausschaltung der menschlichen Vaterschaft -Festzuhalten bleibt: Auf keinen Fall sollte man die jungfräuliche Geburt Jesu als „Heilstatsache“ auf einer Ebene sehen mit dem Geschehen seines Kreuzes und seiner Auferweckung -wäre dies so, hätte es auch Paulus und Johannes überliefert (dies ist nicht der Fall!) -Ob es sich wirklich um die Tatsache eines von Gott gewirkten realen Zeichens oder um ein im Glaubensdenken früher Christen erwachsenes symbolisches Zeichen für das Ursprungsgeheimnis Jesu handelt, sollte offen bleiben Der in Jesus Christus kommende Sohn Gottes ist identisch mit dem ewigen Sohn Gottes. Das heißt: 1. Gottes Sein ist nicht ohne diesen Sohn zu denken. 2. Die Schöpfung besteht nicht ohne seine beständige schöpferische und erhaltende Gegenwart. -der Sohn Gottes entsteht nicht erst durch seine Menschwerdung, sondern gehörte schon „vor aller Zeit“ zu Gott -man darf die Gottessohnschaft in der Welt auch nicht so verstehen, dass man das Kommen Gottes zum Menschen in Jesus als Einbruch in eine zuvor von Gott verlassene, gottlose Welt versteht -der Logos, der in Jesus Christus Fleisch wurde (Joh 1,14) ist kein anderer als der, durch den alles Seiende geschaffen und erhalten wird, „ohn den nichts ist, was ist, von dem wir alles haben.“ (EG 495,1) -Sendung des Sohnes gehört mit der Gottheit Gottes zusammen 4. Das Kreuz Jesu Christi -was Jesus tut und bewirkt ist eine Kommunikation, eine Beziehungswirklichkeit, die in seinem persönlichen Eintreten für den Menschen bleiben begründet ist -nur so ist auch das Leiden und Sterben seinem „Werk“ zuzurechnen -nur weil Gott in Christus war (2Kor 5,19), weil in diesem menschlichen Leben, von seinem irdischen Anfang bis zu seinem irdischen Ende, Gott selbst sich mit uns Menschen verbunden hat, kann die Behauptung gewagt werden, dass mit dem Tod Jesu am Kreuz das Todesgeschick des Menschen gewendet worden ist -durch den Tod Jesu am Kreuz vollendet sich die Schöpfung durch das „Wort“; Gott erweist uns seine Liebe -es gilt zu bedenken: In der Verurteilung Jesu zum Tod am Kreuz und darin, dass ihn letzlich alle dem Tod ausliefern, manifestiert sich die Sünde des Menschen, der sich die Liebe Gottes gerade nicht gefallen lässt, sondern selbst das „Erbe“ Gottes anzutreten sucht und damit zum Mörder Gottes wird -dass Jesus Christus „gestorben ist für unsere Sünden“ (1Kor 15,3) will als Antwort auf die Wirklichkeit des Todes verstanden werden, als Überwindung der Sünde und des Todes Der Tod Jesu am Kreuz: Auswirkung der Sünde des Menschen und Überwindung der Sünde durch die Liebe Gottes -im Tod Jesu kommt des Menschen Gottlosigkeit und gleichzeitig die Liebe Gottes „bis ans Ende“ (Joh 13,1) zum Tragen -durch Leiden und Sterben Jesu wird Heil für die Menschen geschaffen 50 4.1. Grundelemente der Deutung des Kreuzes im Neuen Testament -Die Hinrichtung Jesu war - aus geschichtlicher Perspektive - das Ergebnis eines Häresieprozesses, in dem Menschen über ihn zu Gericht gesessen haben -dies bedeutete für seine Jünger zunächst radikale Infragestellung seiner Sendung und ihres Glaubens -durch Ostererfahrung wurde dieser Glaube neu gegründet; erst hier lernten sie das Kreuz verstehen; das Kreuz musste von Gott her geschehen -Das Verständnis des Kreuzestodes, wie es im NT überliefert ist, schließt mehrere Aussagen in sich zu einer Einheit zusammen: 1. Grund des Kreuzesgeschehens ist der Wille Gottes -Tat der Liebe Gottes: Gott für uns -In Jesu Lebenshingabe erkennt der Glaube, dass Gott „für uns“ ist und dass nichts „uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ (Röm 8,31.39) 2. Am Kreuz erleidet Jesus den „Widerspruch der Sünder“ (Hebr 12,2); Jesus trägt „der Welt Sünde“ (Joh 1,29) -Vollzug des Gerichts: das Todesurteil gilt dem Menschen als Sünder -die Sünde des Menschen wird in ihren mörderischen und unschuldigen, sündlichen Christus treffenden Konsequenzen offenbar und gerichtet -der Mensch, der sich als Sünder gegen oder ohne Gott zu behaupten versucht, wird zum Tode verurteilt -Mitgekreuzigtwerden 3. Jesu Leiden und Sterben steht unter dem Vorzeichen der Selbsthingabe und hat darin stellvertretende Kraft -Jesus ist für uns gekreuzigt, indem er an unserer Stelle vollbracht hat, was nur er allein vollbringen kann: die Hinwegnahme der Sünde -Stellvertretung: Jesus tritt für alle ein - er allein vermag die Herrschaft der Sünde und des Todes zu überwinden. -der Gekreuzigte als Erlöser -diese Kraft wird im NT dargestellt als: Terminologie Opferkult - das durch Jesus dargebrachte Sühneopfer (Joh 1,29) Terminologie Strafrecht - anstelle des Schuldigen übernimmt der Schuldlose die Strafe (Gal 3,13; Kol 2,14) Terminologie Besitzrecht - Loskauf der Versklavten aus der Herrschaft der Verderbensmacht, der sie verfassen waren (Mk 10,45 par.) 4. Stellvertretende Kraft wirkt nicht an der Teilhabe des Menschen vorbei -Die Gabe des neuen Lebens: in der Gemeinschaft mit Jesus sterben und auferweckt werden -Jesus ist für uns gekreuzigt, damit wir mit ihm gekreuzigt werden, jedoch nicht zu unserem Verderben, sondern zu unserem wahren Leben -aus der Lebenshingabe Jesu erwächst für uns „neues“ Leben, insbesondere in der Teilhabe am Leib Christi (im Abendmahl) Zusammenfassung: Was sich hier ereignet hat, ist die Tat Gottes aus dem Grund seiner Liebe zu den Sündern (für uns) und Vollzug seines Gerichtes über die Sünde (gegen uns); es ist stellvertretend für uns geschehen, indem der eine, von allen verlassen, unser Unheil auf sich nimmt und es ohne unser Zutun zum Heil wendet, und zwar so, dass wir in dieses Geschehen einbezogen werden (mit uns und in uns). 51 4.2. Die Satisfaktionslehre -Christologie der altkirchlichen Theologie: gottmenschliche Person Jesu Christi -Lehre vom Kreuz war noch nicht ausgebildet, sondern erst in Ansätzen vorhanden -im Mittelpunkt der Ansätze stand der Gedanke, dass Christus durch seine eigene Preisgabe an den Tod in den Machtbereich des Todes und des Teufels eingedrungen ist und die Menschen, die in diesem Machtbereich gefangen waren, aus ihm losgekauft hat -Christus führt die Gefangenen an Satan vorbei in die Freiheit -bei einzelnen altkirchlichen Theologen war auch die Vorstellung vorhanden, dass durch das Kreuz Befreiung aus dem Zorngericht Gottes geschieht -in der abendländischen Theologie, v.a. bei Anselm von Canterbury (1033-1109) trat der Gedanke: das Kreuz Jesu als die Gott selbst zu erbringende „Genugtuung“ in den Vordergrund -Ausgangspunkt ist der Gedanke: Die Sünde des Menschen ist als Angriff auf die Majestät Gottes von unendlichem Gewicht -dieser Angriff fordert nach dem Gesetz eine Widerherstellung des „Urzustandes“ -Alternativen sind: Bestrafung, d.h. Vernichtung der Menschen, oder eine die Sünde aufwiegende Ersatzleistung (aut poena aut satisfactio) -poena würde selbst der Ehre Gottes widersprechen -satisfactio kann nicht durch die Menschen erbracht werden, weshalb Gott selbst zum Mensch werden musste, um als der Gottmensch Gott dem Vater sein Leben als satisfactio für die Sündenschuld der Menschen darzubringen -altprotestantische Theologie: folgte dem Modell des Kreuzesverständis von Anselm im Grunde nach -Die Verletzung der Majestät Gottes durch die Sünde fordert das Lebensopfer Jesu, weil Gnade nicht wirksam werden kann, wenn sie sich über die Ordnung des göttlichen Gesetzes hinwegsetzt. -Unterschied zu Anselm: Kreuz nicht als stellvertretende Darbringung einer die Strafverhängung ablösende Ersatzleistung, sondern als das stellvertretende Erleiden der Strafe selbst, mit der der Zorn Gottes die Menschheit treffen müsste. Satisfactio bedeutet hier Genugtuung nicht durch Ersatzleistung, sondern durch Übernahme der Strafe -offen bleibt wie das Kreuzesgeschehen in unser eigenes Verhältnis zu Gott verändernd eingreift... 4.3. Deutungen des Kreuzesgeschehens in der neueren Theologie -Satisfaktionslehre (Kap. 4.2) wurde ist der Aufklärung zu einem besonders umstrittenen Thema -Protest bereits von den Sozinianern des späten 16. Jh. geäußert: Die Vorstellung, Gott könne nicht vergeben, ohne dass ihm zuvor Genugtuung dargebracht wird, scheint seiner Güte zu widersprechen -die Übertragung einer Strafe auf Christus erscheint hinterfragbar -rationalistische Theologie des 18. Jh. nahm diese Einwände auf, liberale Theologie des 19.Jh. modifizierte sie mehr oder weniger -A. Ritschl: stellt in seinem Hauptwerk „Rechtfertigung und Versöhnung“ (1874) der Satisfaktionslehre einen Gegenentwurf dar -Kritik am Vergeltungsschema (Jesus muss für uns Sterben, Genugtuung Gottes) -Vorschlag: Die Sendung Jesu überhaupt und so auch sein Sterben muss als Manifestation der vorbehaltlosen Liebe Gottes des Vaters verstanden werden. Diese Liebe gilt auch dem Sünder 52 -in Gott selbst ist kein Zorn, sondern grenzenlose Vergebungsbereitschaft -der Mensch stellt sich einen zornigen Gott vor, und dieses Misstrauen ggü. Gott ist wiederum Sünde -nicht Gott musste mit dem Menschen versöhnt werden, sondern der Mensch musste mit Gott versöhnt werden, d.h. aus seinem Misstrauen befreit werden. Das geschieht durch die Verkündigung Jesu, die uns die Liebe Gottes offenbart -Problem des Gerichts über die Sünde ist hier eliminiert; Bedeutung des Kreuzes für die Veränderung des inneren Verhältnisses des Menschen zu Gott zu erhellen, geht am ntl. Sinn - im Glauben sterben auch wir mit Christus, um mit ihm auferweckt zu werden - schlicht vorbei -Bultmann: lehnt ebenfalls die Vorstellung, das Faktum des Todes Jesu als stellvertretendes Strafleiden, ab -diese Botschaft bringe nicht zum Ausdruck, inwiefern die Botschaft vom Kreuz den Menschen innerlich von der Sünde löst und sein Verhältnis zu Gott neu bestimmt -im Unterschied zu Ritschl versteht er das Kreuz als Offenbarung nicht nur der Liebe Gottes zu den Sündern, sondern auch seines Gerichtes über die Sünde -Offenbarung durch das Wort vom Kreuz -im Wort vom Kreuz wird und das zum neuen Leben aus Gott befreiende Gericht zugesprochen -Gnade und Gericht Gottes werden zusammen gedacht -Problem: das Geschehen der Kreuzigung wird nicht oder kaum beachtet, nur das Wort spielt eine Rolle, wie Jesus starb hingegen nicht. Es wird nicht mehr deutlich, was das Sterben Jesu als Ereignis mit der Bedeutung des Kruezes für uns zu tun hat -Barth: größere Nähe zu den biblischen Aussagen -Grundansatz ist Barths Christologie: Gott in Christus als Subjekt der Hingabe in die Erniedrigung: „Der Herr wird Knecht“ und erweist eben darin seine göttliche Allmacht, dass er der „Veränderung“ fähig und willens ist, menschliches Leiden und Sterben auf sich zu nehmen, ohne aufzuhören Gott zu sein -Gott wird nicht Empfänger einer Leistung, damit an die Stelle seines Zornes seine gnädige Zuwendung treten kann. Gott hat vielmehr in dem Gekreuzigten sein Zorngericht über die Sünde so vollstreckt, dass er es in der Person des Sohnes auf sich selbst genommen hat. -Gott geht am Gericht nicht vorbei, aber für den Menschen hat er die Befreiung, die Lossprechung gewählt, für sich selbst aber in Christus die Strafe -Im Kreuz ist das Gericht über die Sünde durch Gott an seinem Sohn vollstreckt und damit ein für allemal von uns weggenommen -Kreuzesgeschehen als freie Tat der zuvorkommenden Gnade Gottes -Wir als der „alte Mensch“ sind im Sterben Jesu ebenso wirklich schon mitgekreuzigt und gestorben wie wir zu einem neuen Menschsein in ihm versöhnt sind -einige neuere kreuzestheologische Entwürfe führen die Einsicht weiter, dass Gott selbst in Christus als der sich für uns Hingebende verstanden werden muss: Gott im Leiden und Sterben Jesu: Leiden und Tod in Gott -gemeinsam ist den neueren Entwürfen, dass sie der Auslegung der Geschichte des Gekreuzigten eine Schlüsselbedeutung für die Gotteslehre überhaupt beimessen -Eberhard Jüngel: Eintritt Gottes in unseren Tod, der uns als „der Sünde Sold“ in die völlige Verhältnislosigkeit stoßen müsste -indem Gott selbst das Elend dieses Todes mit dem Menschen teilt und sich mit dem Gekreuzigten identifiziert, hebt er diese Verhältnislosigkeit auf und macht unseren Tod zum Eingang in das Leben eines neuen Verhältnisses zu ihm selbst. 53 -Jürgen Moltmann: Kreuz Jesu als Eintreten Gottes in den Tod des Menschen -in der Person des Gekreuzigten nimmt er die Gottverlassenheit des Todes auf sich, um so ein für allemal bei den elenden, leidenden, sterbenden Menschen zu sein und darin ihre Gottverlassenheit aufzuheben -Augenmerk auf das Paradox: Gott ist in dem Gekreuzigten, und zugleich ist der Gekreuzigte von Gott selbst verlassen -nur trinitarisch zu verstehen: In Gott sind Vater und Sohn sich gegenüber, nur darum kann es zu jener Auseinandersetzung kommen, die Moltmann als „Revolution im Gottesbegriff“ auslegt („Gott gegen Gott“) -Dietrich Bonhoeffer: hat im Blick auf das Kreuzesgeschehens die Ohnmacht Gottes betont und das „Für-andere-Dasein“ Jesu als „die Transzendenzerfahrung“ bezeichnet; „nur der leidende Gott kann helfen“ -Dorothee Sölle: im Anschluss an Bonhoeffer hat Sölle das Motiv der Stellvertretung in einer „Theologie nach dem ,Tode‘ Gottes“ gedeutet -das Sterben Jesu als konsequenter Vollzug des Lebens menschlicher Hingabe, die er uns voraus verwirklicht hat -Jesus ist damit zunächst an Gottes Stelle getreten -Dieser „alte“ Gott ist tot, gleichsam ist er durch Jesus abgelöst worden -was für uns noch „Gott“ heißen kann, ist die Kraft der Hingabe, die Jesus vorgelebt hat und zu entbinden vermag -Stellvertretung als Schlüsselbegriff in diesem Entwurf -in der Beziehung auf den Tod Jesu verquickt sich der Gedanke der Proexistenz, der stellvertretenden Lebenshingabe mit der Hinnahme der gewaltsamen Tötung, der grausamen Hinrichtung, die Jesus am Kreuz als unschuldig Verurteilter erleidet. -ist diese Vorstellung theologisch zu verantworten? -hier setzt die feministische Theologie an: dass Gott es ist, der das Leiden und Sterben Jesu verfügt und in seinen Heilsplan aufnimmt, wird hier in zweifacher Hinsicht in Frage gestellt: als Vorstellung, die zum einen patriarchale Momente in das Gottesbild einzeichnet, zum anderen eine Opferhaltung fordert, wie sie insbesondere Frauen - angeblich (M.F.) - immer wieder zugewiesen worden ist Der Gekreuzigte als Opfer im doppelten Sinn: Er erleidet die mörderische Gewalt, die er zugleich kraft seiner liebenden Selbsthingabe überwindet -Kreuz ist in einem doppelten Sinn zu deuten: mörderische Gewalt, die Jesus erlitten hat konfrontiert die Menschen mit seiner Schuld im Verhältnis zu Gott und seinen Mitmenschen Gekreuzigter ist andererseits derjenige, der kraft seiner Selbsthingabe den mörderischen „Opfermechanismus“ durchbricht und Versöhnung für alle schafft, die in die Urgeschichte (Gen 4 - Kain und Abel) als Täter und Opfer verstrickt sind 4.4. Versuch einer Interpretation Zwei Fragen müssen gestellt werden: 1. Wie kann das Kreuz Jesu als die Tat der bedingungslosen Zuwendung Gottes zu den Sündern und zugleich als die Vollstreckung seines Gerichtes über die Sünde verstanden werden? 2. Wie kann Gottes stellvertretendes Eintreten für den Menschen zugleich als ein den Menschen einbeziehendes Geschehen verstanden werden? -Einfach gesagt: Wie sind die - sich erst einmal widersprechenden - Aussagen zusammen zu denken? 54 4.4.1. Der Weg der Liebe Gottes durch das Gericht -Es ist der Weg der Liebe Gottes zu den Menschen, der Jesus unter das Gericht führt, das seinen Zorn „über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen“ offenbart (Röm 1,18) -Gott ist das Subjekt des Versöhnungsgeschehens, nicht er muss versöhnt werden, um daraufhin lieben zu können. Es ist seine Liebe, die ihn bewegt, sich dem Menschen, der als der Sünder in der Tat „Zorn verdient hat“ (EG 85,4) zuzuwenden Gottes Liebe kann die Sünde nicht hinnehmen - Gottes Zorn kann seine Liebe nicht aufheben -Was in Gott Liebe und was in Gott Zorn heißt, ist unter menschlichen Kriterien nicht zu verstehen bzw. korrekt zu interpretieren -Gottes Zorn ist zugleich sein Schmerz um den Menschen, nicht Hass und Tötungswille. Weil dieser Liebeswille im Zorn nicht untergeht, so wie unser Lieben sich in Hassen verwandeln kann, darum ist Gott mit dem Menschen gerade nicht „fertig“ -Gericht ist dann doppelt zu verstehen: im menschlichen Sinn: da Jesus mit den Gesetzlosen Gemeinschaft übte, musste er mit den Gesetzeslehrern in Konflikt geraten Gottes Gericht im menschlichen Gericht: In der Verurteilung Jesu manifestiert sich die Sünde aller Menschen und wird darin verurteilt -Was Sünde ist wird in Kap. VII erläutert, es muss jedoch hier schon einmal erörter werden Sünde als Aufkündigung und Verkehrung tragender Lebensbeziehungen bringt den Tod mit sich. -das Grundverhalten der Sünde trägt in sich den Tod -Die Sünde zahlt den Tod aus als ihre eigene innere Konsequenz, und zwar den Tod als den endgültigen Verlust der Gemeinschaft mit Gott und den Menschen -Sterben heißt dann, nach Jüngel, Hinausfallen in das Verlassensein von Menschen und von Gott Bewährung des wahren Menschseins vor Gott am Ort des wirklichen, von Sünde und Tod gezeichneten Menschseins -Jesus tritt in seinem Sterben und Tod an den Ort, auf den das von der Sünde bestimmte Leben letztlich hintreibt -er, der Sündlose, erfährt den Tod so, der Mensch, als das völlige Verlassensein -Christus ist bis zu letzten Stelle (dem Tod/Verlassensein) in und zum Menschen gekommen -Er hat das NEIN formuliert, das uns aus dem Verlassensein des Todes erlöst und hinführt in das ewige Leben in Gemeinschaft mit Gott Eintreten Gottes für den Menschen in der Tiefe der Gottverlassenheit -Durch den Menschen, der an unserer Stelle das Gericht der Gottverlassenheit erfährt, ist Gott selbst in dieses Gericht eingetreten -In der Person des gekreuzigten Jesus ist Gott in unserem Tod mit uns geworden 4.4.2. Der Weg des Gekreuzigten mit uns -NT spricht davon, dass im Glauben an den Einen, der für uns gestorben ist, wir alle gestorben sind, um mit ihm neu zu leben (Röm 6,1-14; 14,7-9 u.a) -Kreuz Jesu wird hier verstanden als das Geschehen, in dem Gott den vor ihm schuldigen Menschen mit sich selbst versöhnt. „Inklusive“ Stellvertretung: Versöhnung nicht ohne Anerkennung unserer Schuld, nicht ohne Gerichtetwerden -Die Umkehr vom Weg der Selbstrechtfertigung, in der man immer wieder nur das eigene, unvollkommene Sehen und Anerkennen von Schuld in Jesu vollkommenes Bekenntnis hineinlegen und von ihm tragen lassen kann, das ist unsere Teilhabe am Kreuz 55 „Exklusive“ Stellvertretung: Versöhnung als Gottes bedingungsloses Eintreten für uns, als Gottes Zuwendung bis in den Tod hinein -Ist Jesus an unserer Stelle der wahre Mensch vor Gott, so ist er an Gottes Stelle zugleich der Eine, in dem Gott selbst ganz für uns eintritt: Gott mit uns, bis in unseren Tod -Wir können, selbst wenn im Sterben die Sünden unseres ganzen Lebens über uns herfallen, in kein Gericht, keinen Tod und keine Gottverlassenheit geraten, in der nicht der gekreuzigte Jesus uns schon voraus auf unserer Seite ist und in ihm Gott selbst, der uns aufnimmt. -Jesus als Grund des Glaubens, in dem das „Mitsterben“ möglich wird -Glauben heißt sich in den eigenen Tod fallen lassen in dem Vertrauen, dass in Jesu Tod Gott für uns da ist und uns aufnimmt, und dass wir darum nicht in eine letzte, ausweglose Einsamkeit, sondern ins Leben hinein sterben werden! 5. Jesus Christus der Auferstandene -Jesu Weg in unseren Tod wäre nicht Gottes befreiendes Kommen in diesen Tod ohne das Leben, das gerade hier seinen Ursprung hat -Jesu Kreuz und Jesu Auferstehung gehören zusammen -„Ist Christus nicht auferweckt, so ist euer Glaube ein leerer Wahn, so seid ihr noch in euren Sünden.“ (1Kor 15,17) -dennoch ist das Geschehen der Auferstehung für den irdischen Menschen nur schwer fassbar 5.1. Zu den Osterberichten im Neuen Testament -Ereignis der Auferstehung wird im NT nirgend beschrieben -berichtet werden eine Reihe von Widerfahrnissen, in denen Jesus als der Auferstandene sich Menschen zeigte, die dem Kreis seiner Jünger angehörten -berichtet wird auch vom leeren Grab am dritten Tag nach seiner Kreuzigung -an der Authentizität der Osterereignisse ist grundsätzlich nicht zu zweifeln -Aus einer am Karfreitag zerstreuten, mutlosen Schar von Jüngern wurde infolge der Ostererlebnisse eine Bewegung initiiert, die Jesu Evangelium verkündeten, ungeachtet von Widerspruch und Verfolgung -sachliche Spannung in den Berichten betrifft die Leiblichkeit des Auferstandenen -in einigen Berichten wird auf die Andersartigkeit ggü. der irdischen Gestalt hingewiesen: Maria Magdalena hält ihn für den Gärtner, Emmausjünger wissen nicht, wer der Fremde ist. Erst durch ein andredendes Wort gibt Jesus sich Maria (Joh 20), den Emmausjüngern im Gestus des Brotbrechens zu erkennen (Lk 24) -in anderen Berichten (der ungläubige Thomas, Joh 20, 24-29) tritt der Auferstandene leibhaftig auf, Thomas fühlt seine Wunden -Paulus betont in 1Kor 15,35ff. nach der Auferstehung die Andersartigkeit des „pneumatischen Leibes“ ggü. der irdischen Gestalt 5.2. Zur Diskussion in der der neueren Theologie -lange Zeit war weder das Ereignis der Auferweckung Jesu noch seine Bedeutung für den Glauben Gegenstand von Auseinandersetzungen -erst mit Aufkommen hist. Kritik entstand die Diskussion Interpretationen der Erscheinungserlebnisse: das Kreuz wird als Heilsereignis verkündigt (Bultmann) „die ,Sache Jesu‘ geht weiter“ (Marxsen) -Bultmann: Jesus begegnet uns im Wort der Verkündigung -deshalb ist Jesus „ins Kerygma auferstanden“ 56 -Willi Marxsen: Jesus als Person ist ein Vergangener - der für uns allein fassbare Sinn der Osterbotschaft ist, dass die ,Sache Jesu‘ weitergeht -visionäre Berichte der Zeugen werden natürlich nicht bezweifelt, liegen aber der Vorstellung des Judentums einer leiblichen Totenauferweckung am Ende der Zeiten zugrunde -wir heute haben diesen Vorstellungsrahmen nicht mehr und können uns im Rahmen der Ostererfahrung: Jesus in Person ist auferweckt dies auch nicht mehr einfach zu eigen machen -Hans Graß: Erscheinungserlebnisse nicht als leibhaftige Begegnungen, sondern als visionäre Schau -Durch das Medium der visionären Schau hat Jesus sich den Jüngern selbst als der Lebendige und Gegenwärtige bekundet -Er in Person lebt, nicht nur seine Botschaft lebt weiter -Die Frage nach dem Ereignis der Auferstehung: kein Ereignis im historischen Sinn, aber Erfahrung und Erschließung der Wirklichkeit göttlichen Lebens, in das Jesus hineingenommen wird -der wirkliche Vorgang der Auferstehung liegt nicht auf der Linie historischer, innerweltlicher Ereignisse, er besteht darin, dass das am Kreuz abgeschlossene Leben Jesu in den „Bezugsrahmen“ des göttlichen Lebens hineingenommen wird; es handelt sich um ein „göttliches Offenbarungsgeschehen“, um ein „Erschließungsgeschehen“ (Schwöbel) -Gemeinsam ist allen Ansichten der Einspruch gegen die Deutung der Osterwiderfahrnisse als Visionen, in deren Zusammenhang nur eine psychische Gewissheit entstand - sei es dass die Sache Jesu weitergeht, sei es dass Jesus selbst lebt. Die Frage nach dem Verhältnis des Auferstehungslebens zur physischen Welt und die Bedeutung des leeren Grabes -in der Auferstehung vollendet sich die Fleischwerdung des Wortes, durch sie wird das geschichtliche Leben Jesu immer wieder neu zur Gegenwart. -dies schließt eine metaphysische Vergeistigung aus! -Barth versteht das leere Grab, ähnlich wie die Jungfrauengeburt, als ein von Gott real gegebenes Zeichen seiner Auferweckungstat, ohne eine real existierende Notwendigkeit dafür zu postulieren -Andere behaupten: ist Christus wirklich leibhaftig auferstanden und gesehen worden, dann musste das Grab leer sein -Joest/von Lüpke: Konnte der Auferstandene real gesehen werden, so nicht darum, weil sein wiedererweckter Leib für alle so sichtbar gewesen wäre wie zuvor, sondern weil er sich aus dem Geheimnis seines neuen Lebens heraus seinen erwählten Zeugen - und nur ihnen sichtbar machte, sich von ihnen greifen ließ -das leere Grab deutet hin auf die Realität der Auferweckung, die die Person Jesus in ihrer Ganzheit und so auch seinen Leib betrifft 5.3. Die Bedeutung des Ostergeschehens 5.3.1. Jesus Christus, der Gegenwärtige -die „Sache“, die Jesus zu vertreten hat, ist nicht zu Ende -„Gott war in Christus“ (2Kor 5,19) - auch und gerade in dem Gekreuzigten Gegenwart des Auferstandenen: Die Gemeinschaft von Gott und Mensch ist bleibend in ihm vermittelt -Jesus Christus ist nicht nur in seinen Worten der Prediger des Wortes Gottes gewesen; er ist vielmehr das Personsakrament, in dem Gott zu den von ihm Getrennten kommt und Gemeinschaft eröffnet -Gottes Leben hat sich mit in Jesus mit uns vereinigt; Jesus lebt, seine Sache geht weiter 57 5.3.2. Jesus Christus, der Bürge der Zukunft -Auferweckung von den Toten wird ntl. als Erwartung eschatologischer Hoffnung verstanden, die Gott über dieser Welt heraufführen wird: Jesus ist der „Erstling“ (1Kor 15,20.23; Kol 1,18) des neuen Lebens im Reich Gottes -Fragt man, wohin Jesus auferstanden ist, kann die Antwort nur lauten: Er ist auferstanden in das Leben der Zukunft, die Gott dieser Welt geben wird -Der eschatologische Horizont: Die Auferweckung Jesu begründet unsere Hoffnung auf das Leben der Zukunft -Jesus Christus wird am Ende aller Wege gegenwärtig sein als der, an dem kein Weg mehr vorbeiführen wird, an dem vorbei es keine Zukunft geben kann. -Ein Osterglaube, der nicht seine Auferweckung in das Leben der Zukunft glaubte, sondern nur eine Fortwirkung seines Erdenwirkens ohne ihn selbst, könnte auch für unser Leben keine den Tod übergreifende Hoffnung haben -„Sterben wir mit, so werden wir mit leben.“ (2Tim 2,11) 5.3.3. Jesus Christus, der erhöhte Herr -Grundlage: Christuslied in Phil 2,6-11 -Gott hat Christus erhöht und hat ihm „den Namen gegeben, der über alle Namen ist“ -Herr ist Jesus Christus. -Dem auferweckten Christus ist „alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ gegeben (Mt 28,18) -Jesu Auferweckung ist zugleich seine Erhöhung zum Herrn über die gesamte Schöpfung in Einheit mit Gott dem Vater -Die kosmologische Dimension: der Auferstandene als Herr über die ganze Schöpfung -Jesus Christus und in ihm die Macht der Liebe wird das letzte Wort behalten, und keinerlei menschliche Mächte oder übermenschliche Zwänge dieser Welt werden ihm widerstehen -Die Herrschaft Jesu Christi ist Herrschaft durch das Wort -durch die Macht seines Wortes richtet er, erweist er sich aber auch als der Fürsprecher -Unter der Gegenwartsgestalt dieser Welt bleibt die Gegenwart des Erhöhten und die Kraft seines Wirkens noch verborgen. Dass er der Herr ist, dem alle Knie sich beugen werden, bleibt noch verborgen unter einem Weltgeschehen, das seine Herrschaft ignoriert, ja das man eher als seine fortgesetzte Verwerfung und Kreuzigung bezeichnen muss 5.4. Das Ereignis der Auferweckung Jesu -Was an Jesus geschehen ist zwischen Tod und neuem Leben, ist Gottes Tat -Die Gottestat der Auferweckung des Gekreuzigten ist nur der Tat der Schöpfung „im Anfang“ vergleichbar: Aus dem Nichts ruft Gott Leben ins Dasein; aus dem Tod schafft er das neue Leben Als schöpferische, in die Welt eingreifende Tat Gottes ist die Auferweckung doch nicht in den Kategorien weltlicher Wissenschaft fassbar. - es ist unmöglich, dieses Ereignis der Auferweckung in Kategorien verstehen zu wollen, nach denen wir im Rahmen unserer Welterfahrung von Ereignissen sprechen bzw. beurteilen, ob etwas sich ereignet hat oder nicht -wir sollten darauf verzichten den „Modus“ der Auferstehung kategorial bestimmen zu wollen und zwar weder als Visionen noch als ein körperliches Sehen und Greifen von der Art, wie wir Personen in weltlicher Körperlichkeit sehen und greifen können -Der Glaube bedarf keiner Vorstellung über das Wie der Auferstehung. Ihn trägt das Zeugnis, dass Gott Jesus Christus auferweckt hat von den Toten, und die Gewissheit: Er ist gegenwärtig, der Herr unserer Zukunft, der Grund unserer Hoffnung für die Zukunft der Welt. 58 V. Kapitel: Gott, der sich seinen Geschöpfen mitteilende Heilige Geist 1. Das Wirken des Heiligen Geistes als Herausforderung der Dogmatik -die christologischen Entscheidungen des Konzils von Nicäa (325) haben nicht nur die weiteren Aussagen über das Wirken und die Wirklichkeit des Heiligen Geistes nach sich gezogen, wie sie im dritten Artikel des Bekenntnisses von Konstantinopel (381) verbindlich geworden sind. Sie haben damit auch zu einem Nachdenken über die Wirklichkeit Gottes, der als Vater, Sohn und Heiliger Geist angerufen wird, geführt. -Ohne das Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Sohn, der mit dem Vater „wesensgleich“ (homousios) ist, und ohne das Bekenntnis zu dem Heiligen Geist, wie er „mit dem Vater und dem Sohn zugleich angebetet und mitverherrlicht wird“, hätte sich die Trinitätslehre nicht ausbilden und als Bekenntnisgrundlage in die Kirche eingehen können -Pneumatologie und Trinitätslehre liegen in der inneren Konsequenz der Christologie -Die Lehre vom Heiligen Geist (Pneumatologie) hat in der kirchlichen Lehrtradition kaum eine zusammenfassende, mit der Christologie vergleichbare Lehrgestalt gefunden. -schon biblisch sagt Jesus zu Nikodemus „Der Geist weht, wo er will.“ (Joh 3,8) -der Heilige Geist entzieht sich einem Begreifen, das seiner Wirksamkeit auf den Grund zu kommen sucht, um darin eben „begeistern“ zu können Pneumatologie im Spannungsfeld zwischen kirchlicher Lehre und geistlichen Erfahrungen: spiritualistische Bewegungen als Herausforderung -von der altkirchlichen Zeit bis heute entstanden immer wieder Bewegungen, die das lebendige Wirken des Heiligen Geistes im verkirchlichten Christentum vermissten und als ihre eigene, besondere Erfahrung beanspruchten -Montanismus im 2. Jh.: Montanus, der in der Abschiedsrede des Johannesevangeliums verheißene Paraklet zu sein glaubte und neue Offenbarungen bringen wollte -Abt Joachim von Fiore im 13. Jh.: Erwartung eines Zeitalters des Heiligen Geistes, das nach dem des Vaters (im Alten Testament) und dem des Sohnes (in der bisherigen Geschichte der Kirche) nunmehr anbrechen und die Christenheit erst in die Vollgestalt des geistlichen Lebens bringen werde -Schwärmer im 16. Jh.: spiritualistische Gruppen, die sich z.T. gegen das Hängen an die Schrift auf innere Erleuchtung durch den Geist beriefen -Pfingstbewegung im 19. Jh.: In Amerika entstanden, entstand aus dem Verlangen nach unmittelbarer Geisterfahrung -aus Pfingstbewegungen entstanden mitunter auch Sekten, die kirchlicherseits abgelehnt wurden/werden -Abwehr gegen enthusiastische Gruppierungen hat die kirchliche Theologie, insbesondere auch in ihrer evangelischen, lutherischen Ausprägung nachhaltig bestimmt -CA V: Alle diejenigen werden verdammt, die „lehren, dass wir ohne das leibliche Wort des Evangelii den Heiligen Geist durch eigene Bereitung, Gedanken und Werk erlangen.“ Die fundamentaltheologische Problematik: Geist nicht ohne Wort - Verständnis des Wortes nicht ohne den Geist -an den Heiligen Geist zu glauben heißt nach Luthers Kleinem Katechismus einzugestehen, „dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann.“ -nur durch den Geist, der Gottes eigener Geist ist, wird es dem Menschen möglich, „die Tiefen der Gottheit“ zu erforschen (1Kor 2,10) 59 -reformatorische Theologie hat die Bindung des Heiligen Geistes an das äußere Wort der Schrift gestellt, zugleich aber auch das Verstehen der Schrift auf das „innere Zeugnis des Heiligen Geistes“ (testimonium spiritus sancti internum) verwiesen -Schriftlehre als primärer Ort der Pneumatologie -Indem Theologie sich konstitutiv als Schriftauslegung versteht, begibt sie sich von vornherein in die „Schule des Heiligen Geistes.“ Der soteriologische Kontext: Der Heilige Geist als Vermittler der Heilsgaben und als Band der Gemeinschaft mit Jesus Christus -Verbindung der Pneumatologie mit Fragen der Soteriologie und Ekklesiologie wird bereits im dritten Artikel des Glaubensbekenntnisses deutlich („Ich glaube an den Heiligen Geist, die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung....“) -Entfaltung der Lehre vom Heiligen Geist steht in der traditionellen evangelischen Dogmatik fest verankert: Das Heil, das Jesus Christus durch sein Leiden und Sterben „erworben“ hat, wird dem Menschen durch den Heiligen Geist „zugeeignet“. -hier stimmen lutherische (Großer Katechismus) und reformierte Katechismustraditionen (Heidelberger Katechismus) überein -Calvin: der Heilige Geist ist „das Band, durch das uns Christus wirksam mit sich verbindet“ -Schleiermacher: Heiliger Geist als den „Gemeingeist des von Christo gestifteten neuen Gesamtlebens“ Zwischen Theologie und Anthropologie: Die Aufgabe der Pneumatologie im Rahmen der trinitarischen Gotteslehre -Barth: Lehre vom Heiligen Geist von vornherein in die Trinitätslehre eingeflochten und diese in die Lehre vom Wort Gottes als Prolegomena in seiner Dogmatik -Pneumatologie und Trinitätslehre kommt „Scharnierfunktion“ zu. Mit ihnen wird die Besinnung auf die Wirklichkeit Gottes zum Abschluss gebracht und zugleich übergeleitet zu den weiterführenden Fragen Biblische Theologie des Geistes als Grundlage -es existiert ein reiches biblisches Zeugnis vom Geist -Charakteristisch sind die biblischen Passagen, die davon sprechen, was durch den Geist geschieht -was der Heilige Geist ist, wird dagegen weniger klar 2. Das Wirken des Heiligen Geistes nach dem biblischen Zeugnis -atl. Geistaussagen (2.1), Jesus Christus als Träger und Vermittler des Geistes (2.2), Wirkungen und Gaben des Geistes in der christlichen Gemeinde (2.3), dogmatische Betrachtung (2.4) -cantus firmus lautet: Was der Geist wirkt, kommt von Christus her, hat in ihm seinen Grund und verbindet mit ihm 2.1. Der Geist als Kraft des Lebens in Schöpfung und Geschichte -im AT gibt es Aussagen, die das Wirken des Geistes Gottes mit Gottes Schöpferwirken gleichsetzen -Gottes Geist schwebt über der Tiefe (Gen 1,2) -Durch Gottes Wort und seinen Geisthauch wir „der Himmel und sein Heer“ ins Sein gesetzt (Ps 33,6) 60 Gottes Geist als Kraft des Lebens und die Unterscheidung von Schöpfer und Geschöpf -Gottes Geist bläst dem Erdenkloß den „Lebensodem“ in die Nase, ein lebendiger Mensch entsteht (Gen 2,7) -hebr. ruach, gr. pneuma (Wind, Geist, Atemhauch) -Atem als Zeichen des Lebens -Der Geist Gottes, das ist Gott selbst, sofern er im Menschen die Kraft zu dessen Leben ist -Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf -Verdeutlichung der creatio continua, aus der kreatürliches Sein sich beständig aktuell empfängt und ohne die es keinen Augenblick Bestand haben könnte -Der Mensch wird erst durch den Geist Gottes zum Leben erschaffen Das Wirken des Geistes in atl. Geschichte: Befähigung zu außergewöhnlichen Taten -Geist Gottes wirkt in denen, die zur Herstellung der Stiftshütte berufen werden (Ex 31,3) -Saul wird der Geist Gottes zur politischen Befähigung mitgegeben (1Sam 16,13f.) -„Der Geist ist es in den Menschen und der Odem des Allmächtigen, der sie verständig macht“ - Geist Gottes als Weisheitsgabe (Hi 32,8) -Geist Gottes überkommt die Menschen und treibt sie zu unglaublichen Kraftakten Othniel (Ri 3,9f.) Gideon (Ri 6,34) Jephta (Ri 11,29) Simson (Ri 13,25; 14,6.19) -Geist Gottes treibt zu ekstatischer Rede und Tanz (besonders Propheten) (1Sam 19,19-24) -Geist Gottes wirkt nicht in allen, sondern nur in besonders Berufenen, in Rettern Israels usw. -Hierdurch besteht eine Differenz zwischen Universalität und Partikularität des Geistwirkens: alle Menschen erhalten den „Odem Gottes“ als Initiation des Lebens einzelne Menschen nur erhalten den Geist; Gottes Eingreifen in die Geschichte wird deutlich Der Geist in der prophetischen Verkündigung: Gericht und Erneuerung -Geist Gottes und Wort Gottes treten zusammen -Geist Gottes als Befähigung das Wort Gottes dem Volk und seinen Führern mitzuteilen (Sach 7,12) -„Ich bin erfüllt mit Kraft und Geist des Herrn, dass ich Jakob seine Übertretung und Israel seine Sünde anzeige“ (Mi 3,8) -Jeremia sagt durch den Geist Gottes den Beschluss Gottes zu Gericht und Untergang -der Geist Gottes macht den tödlichen Konflikt zwischen Israel und seinem Gott offenbar -ABER: Bitte um „einen neuen beständigen Geist“ (Ps 51,112) wird ebenfalls erhört -In einem neuen Bund mit Gott werden auch nicht mehr Einzelne Träger des Geistes sein, er wird allen zuteil (Joel 3,1f.) -auf alle wird Gott seinen Geist ausgießen: „Es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern belehren und sagen: Erkenne den Herrn, sondern sie sollen mich alle kennen, klein und groß“ (Jer 31,34) -Universalität wird deutlich; Gott und Israel erweitern sich zu Gott und die Völker 61 2.2. Der Geist in Jesus Christus und die Gegenwart Jesu Christi im Geist -prophetisches Wort aus dem AT: „Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais [...] auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.“ (Jes 11,1f.) -messianische Verheißung -das NT sieht die Erwartung des einen Kommenden in Jesus Christus (Lk 4,16-21) und die Verheißung der Geistausgießung auf alle im Pfingstgeschehen erfüllt -Durch Jesus Christus, sein in der Vollmacht des Geistes vollbrachtes Werk kommt der Heilige Geist über alle, die an ihn glauben -Evangelien sagen: Durch den Heiligen Geist ist Jesus der Sohn Gottes -Geist waltet über Christi Empfängnis und Geburt (Mt 1,18.20; Lk 1,35) -Getauft durch Johannes sieht Jesus den Geist Gottes über sich kommen (Mk 1,10) -Jesus Christus ist als Sohn Gottes erwiesen im Heiligen Geist durch die Auferweckung von den Toten (Röm 1,3f.) -Es wird deutlich: Nicht durch menschliche Voraussetzungen ist in dem Menschen Jesus das entstanden, was ihn den Sohn Gottes sein lässt; er ist, der er ist, vielmehr durch den Heiligen Geist, d.h. durch Gottes Schöpfermacht -Jesus Christus als Träger dieses Geistes Das Wirken des Geistes bestimmt Person und Werk Jesu Christi -Propheten des AT handelten, wenn sie vom Geist erfasst wurden; Jesus Christus handelt, weil er vom Geist Gottes erfüllt wurde -seine ganze Existenz, sein ganzer Lebensvollzug bis hin zum Kreuz ist der ihm gegebene Auftrag -die Person Jesu kann man von seinem Erfülltsein durch den Geist Gottes nicht unterscheiden -er redet das Wort Gottes „in Vollmacht und nicht wie die Schriftgelehrten“ (Mt 7,29) -„Amen, ich sage euch...“, so spricht der Eine, der vom Geist Gottes erfüllt ist -als Träger des Geistes steht der irdische Jesus zunächst allen, auch denen, die ihm nachfolgen, gegenüber und voran. Aber den Glaubenden spricht er zu, dass auch sie vom Heiligen Geist erfüllt sein werden Jesus Christus als Träger und Vermittler des Geistes -Vater wird denen seinen Geist geben, die ihn bitten (Lk 11,11-13) -Bericht von der Geistmitteilung an die Jünger (Joh 20,22f.), in dem der Auferstandene selbst als der Spender des Geistes erscheint. -Ausgießung des Geistes/Pfingstgeschehen Act 2 -steht in enger Verbindung zum Osterereignis -Geist bewirkt in denen, die von ihm ergriffen werden, einen Aufbruch, der nicht aus ihrer eigenen inneren Möglichkeit kommt, zu dem sie sich nicht selbst bewegen konnten, nun aber bewegt werden -Geist bevollmächtigt dazu, den Namen Jesu öffentlich auszurufen -Der Geist ermächtigt zum Christuszeugnis und zur Mission -Impuls zur Mission: Der Name des Herrn muss in die Welt hinein ausgebreitet werden -ntl. Zeugnis: unablösbare Verbindung des Geistwirkens mit der Vergegenwärtigung des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus -geistgewirkte Verkündigung = Christusverkündigung -geistgewirkter Glaube = Christusglaube Gemeinschaft mit Christus im Heiligen Geist -Christus verheißt seinen Jüngern die Sendung des Geistes, des Parakleten; dies bedeutet seine eigene Gegenwart in diesem Parakleten 62 -„Ich will euch nicht verwaist zurücklassen, ich komme zu euch.“ (Joh 14,17f.) -„Sein en pneumati“ und „Sein in Christus“ sind für Paulus gleichbedeutende Aussagen -Durch den Geist wirkt Christus die Zugehörigkeit zu sich selbst, holt hinein in die Teilhabe an seinem eigenen Sterben und Leben, macht einen Menschen mit dem biblischen Bild gesprochen zu einem Glied an seinem Leib. (1Kor 12) 2.3. Das Wirken des Geistes in der Gemeinde und seine Gaben Glaube, Liebe und Hoffnung Die neue Gemeinschaft: Gleichheit der Kinder Gottes in der Verschiedenheit ihrer Begabungen -für die Glieder einer Gemeinde verlieren die Unterschiede von Geschlecht, Stand und Nation ihre trennende Bedeutung -grundsätzlich aufgehoben in der Gemeinde des Neuen Bundes (mit Jesus Christus) ist auch die Unterscheidung von „Geistlichen“ und „Laien“ -diese Gleichheit schließt aber nicht die einzelnen Geistgaben aus, die der Geist in der Gemeinde wirkt und durch die Einzelne ausgerüstet werden, unterschiedliche Dienste wahrnehmen -Gaben des Geistes werden sie, indem sie sie für das Leben in der Christusgemeinde in Dienst nehmen -Paulus macht klar: die Geistgaben sind nicht hierarchisch geordnet; keine ist mehr wert als eine andere -in den Großkirchen sind manche Gaben (Zungenrede, Gebetsheilung etc.) weitgehend fremd geworden, weshalb sie von Pfingstbewegungen als außerhalb der Norm bzw. „Abwesend vom Geist“ gedeutet werden Kriterien für das Wirken des Geistes Gottes: Christusbekenntnis und Auferbauung der Gemeinde -das, was durch den Heiligen Geist geschieht, geschieht im Namen Jesu -das, was durch den Heiligen Geist geschieht, geschieht im Hinblick auf die Verbundenheit aller Gemeinden mit Christus -dabei lebt auch in den Gliedern der Gemeinde immer noch der „alte Mensch“, der dem, wozu der Geist Gottes bewegt, widerstrebt -Geist bringt also irdische Konflikte hervor (Geist willig, Fleisch schwach!) Glaube als Gottesgewissheit im Vertrauen auf Gottes Zusage -Der Geist ist es, der Glauben wirkt -Menschliches Wort von Gott und menschliches Annehmen dieses Wortes bleiben ganz und gar darauf angewiesen, dass Gott selbst durch dieses Wort reden und das Wahrnehmen und Wahrhaben seiner Gegenwart wirkt -Geistgewirkter Glaube ist v.a. unbedingte Zuversicht zu diesem Gott, Leben im Vertrauen auf die Treue seiner Selbstzusage -Der Geist wirkt Liebe -„Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unseren Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,5) -Petrus Lombarus im Anschluss an Augustin: Liebe ist der Heilige Geist selbst, der in uns wohnt und uns in unserem Selbst bewegt -Die Macht der Liebe, die das Böse mit Gutem überwindet, ist Gottes Macht -Gott selbst ist Liebesmacht -Heiliger Geist bedeutet die schöpferische Kraft Gottes, Menschen in die Bewegung seines Liebens hineinzuziehen 63 Liebe als Erfüllung des Gesetzes im Geist der Freiheit -Der Geist wirkt Hoffnung -ntl. Geistaussagen sind immer auch eschatologisch ausgerichtet -Geist ist die Teilhabe an der Zukunft des Reiches Gottes -In Jesus ist Gott auf diese Zukunft hin mit uns geworden -„Wenn der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird der, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch den Geist, der in euch wohnt.“ (Röm 8,11) -kein Glaube ohne Hoffnung! Hoffnung auf die zukünftige Erlösung, individuell und universal -Hoffnung auf die Erlösung des eigenen Lebens von dem „Leib dieses Todes“ (Röm 7,24f.) -Für Paulus verbindet dies sich mit der Hoffnung für die ganze Schöpfung Gottes, auf ihre endliche Befreiung aus den Mächten der Zerstörung -Hoffnung als Gabe und Kraft des Geistes, das ist eine Hoffnung, die sich allein der Macht Gottes verdankt (Röm 15,13) 2.4. Der Geist des Schöpfers und Erlösers -Ist der Geist/Oden Gottes im AT identisch mit dem Heiligen Geist, der nach dem ntl. Zeugnis von Jesus Christus ausgeht und durch den wir neues Leben empfangen? in protestantisch theologischer Tradition ist die Tendenz bemerkbar, den Heiligen Geist ausschließlich als Kraft der Erlösung zu verstehen o im Hl. Geist Christi und seinem Wirken wäre dann etwas anders zu sehen als in jenem Geisthauch, durch den geschöpfliches Leben überhaupt gewirkt wird Neuere Ansätze einer Theologie des Heiligen Geistes kritisieren diese soteriologische Engführung o es ist an das Geistwirken als schöpferische Kraft zu erinnern -um verschiedene Deutungen zusammenzuführen lässt sich festhalten: 1. Die universale Aussage des Ursprungs: Alles geschöpfliche Leben verdankt sich dem Geist Gottes; Heiliger Geist als die Kraft Gottes, die neues Leben entstehen lässt. 2. Die Wahrheit des Lebens ist in dem Menschen Jesus offenbar geworden, in dem Gott selbst mit uns wird, um uns durch seinen Geist in dieses Leben einzuholen. 3. Der Leben wirkende Geist des Schöpfers ist kein anderer als der in und durch Christus wirkende Geist des Erlösers. 4. unsere Welt lebt im Widerspruch zu diesem Geist; der Mensch existiert im Grunde im Gegensatz zum Heiligen Geist 5. Darum wird gerade da, wo Gott den ihm abgekehrten Menschen „heimzusuchen“ beginnt, zunächst die Entfremdung dieses Menschen vom Geist offenbar. Durch das Werkzeug besonders Berufener greift Gottes Geist kritisch in das entfremdete Leben ein. 6. Darin, dass Gott das geschaffene Leben nicht preisgibt, sondern auf das Ziel seiner Vollendung in Christus hin erhält, geht sein Schöpferwillen beständig gegen die ihm entgegenwirkende Macht der Zerstörung an. In solch „natürlichem“ Guten darf also das Wirken seines Leben schenkenden Geistes gesehen werden 7. Menschen, die zum Glauben an Jesus Christus erweckt wurden, werden bewegt, in diese Welt hinein die Kraft der Versöhnung zu bezeugen, in der Gott auf einen neuen Weg des Lebens ruft Der Geist des Schöpfers ist in seiner Macht, das Zerstörende zu überwinden, auch der Geist des Versöhners und Erlösers. Und der Geist des Versöhners und Erlösers ist kein anderer als der Geist des Schöpfers, der dem von ihm geschenkten Leben in Treue verbunden ist. 8. Was der Geist der Versöhnung wirkt, ist neues Leben, Hoffnung auf die Zukunft mit Gott; Gottes Heil für die ganze Schöpfung 64 3. Die Wirklichkeit Gottes des Heiligen Geistes -Frage: Was ist der Heilige Geist? Ist es sinnvoll sie zu stellen und möglich sie zu beantworten? -In der Bibel wird vom Wirken des Heiligen Geistes gesprochen, von seinem Wesen nicht -Das Wort „Der Wind weht, wo er will, und sein Sausen hörst du wohl, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt“ (Joh 3,8) verweist darauf, dass das „Wesen“ des Heiligen Geistes sich verstandesmäßiger Einordnung entzieht -Das Wort „Geist“ wie auch ruach und pneuma werden ebenfalls im NT anthropologisch gebraucht -Bezeichnung für etwas, das zum Menschen gehört; „Wer kennt das Menschliche wenn nicht der Geist des Menschen, der in ihm ist“ (1Thess 5,23) -Geist des Menschen als Motivation und Ausrichtung des Wollens, der ganzen Lebensbewegung -Der Heilige Geist ist aber keineswegs ein menschlicher Geist, der „heilig“ geworden ist. Er ist vielmehr heiligender Geist. Er gehört zur Wirklichkeit und zum Wirken Gottes, der der Heilige ist. -Unterschieden ist er vom Menschen dadurch, dass er auch „Geist Gottes“ oder „Geist Christi“ ist Theologie und Anthropologie: Gottes Geist, bezogen auf das menschliche Selbst -der Geist Gottes hat aber auch eine anthropologische, auf das menschliche Selbst bezogene Bedeutung -Gott als Heiliger Geist verbindet sich in besonderer Weise mit der Lebensbewegung des menschlichen Selbst -er ist in uns die Kraft zu unserem geschöpflichen Leben 3.1. Der Heilige Geist im Verhältnis zu Gott dem Vater und dem Sohn -trinitarisches Dogma der Kirche spricht vom Heiligen Geist als der dritten „Person“ der Trinität -Frage: Wie kann der Geist als personhafte Wirklichkeit verstanden werden? -biblische Aussagen verbinden Aussagen über den Geist mit Kraft, die geschenkt wird -Christen „sind“ und leben „im Geist“ ebenso wie Christen „in Christus“ sind -Heiliger Geist als der Lebensraum, in dem zu leben uns durch Gottes Kommen in Christus eröffnet ist -Die Frage, ob der Heilige Geist personhafte Gegenwart oder „nur“ von Gott ausgehende Kraft und Gabe, durch ihn gewährter Lebensraum ist, wäre unangemessen Gottes Geist: Kraft, Lebensraum, Gabe und darin Gott selbst als der Wirkende -In allem, was hier Kraft, Gabe, Lebensraum ist, haben wir es mit Gott selbst zu tun -deshalb muss auch vom Heiligen Geist in personhafter Weise geredet werden, weil in dem, was von Gott ausgeht, Gott selbst „in Person“ ist -in seinen Wirkungen ist Gott selbst als der Wirkende Heiliger Geist als Kraft - das ist Gott selbst als der Kräftige Heiliger Geist als Gabe - in allen Geistesgaben ist die Gabe, in der sie ihren Grund und Ursprung haben, das Mit-uns-Sein Gottes selbst, das uns in Jesus Christus geschenkt ist Heiliger Geist als Lebensraum - der Raum in den wir eingeholt werden, ist das Zusammensein mit Gott selbst 65 Dialektik von Unterscheidung und Ineinssetzung im Verhältnis des Geistes zum Sohn und zum Vater -Problem des Doppelaspektes: Der Geist wird vom Vater und dem Sohn unterschieden, aber zugleich mit Vater und Sohn in eins gesehen -„Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand (parakletos) geben, der mit euch sein wird, den Geist der Wahrheit“ (Joh 14,16f.) -hier wird der Geist von Jesus unterschieden; ebenso vom Vater, auch wenn gesagt wird, dass dieser ihn senden wird -unmittelbar sagt Christus darauf „Ich werde euch nicht verwaist lassen, ich werde zu euch kommen.“ (Joh 14,18) -hier Identifikation mit dem Geist; neue Gegenwart Christi und des Vaters durch den Geist -Die Besonderheit des Geistes im Gegenüber zu Vater und Sohn bestimmt sich durch die Besonderheit des Ortes, an dem er gegenwärtig und wirksam wird -dieser „Ort“ ist die Person des Menschen, die den Geist empfängt -Gott, der als der Schöpfer vor und über uns ist, Christus, der zu uns Menschen gekommen ist, wird als der Heilige Geist nun auch im Menschen, im Zentrum unserer eigenen Lebensbewegung wirksam gegenwärtig -Die Frage nach der Personalität des Geistes im Gegenüber zu Vater und Sohn kann also beantwortet werden mit: Gottes Wirken geht von verschiedenen Orten bzw. Aktzentren aus, die sich aufeinander beziehen -Das Christusgeschehen dringt durch den Heiligen Geist mit schöpferischer Macht in das Innere des Menschen, überwindet die Distanz, holt ihn selbst in sich hinein -Der Heilige Geist ist nicht nur Organ und Medium, durch das Vater und Sohn am Ort des Geschöpfes wirken; er ist auch Autor eines besonderen Wirkens im Gegenüber zu Vater und Sohn Der Geist als Schöpfer des menschlichen Selbst -mit den Gaben Glaube, Liebe, Hoffnung schafft der Geist die Person, die imstande ist zu glauben, zu lieben und zu hoffen -Geist begegnet dem Menschen sprachlich, indem er ihn tröstet, ermahnt, lehrt usw. 3.2. Der Heilige Geist im Verhältnis zum Selbst des Menschen -nicht das Individuum „Mensch“ ist durch das Geistwirken „befähigt“, der Geist wirkt als er selbst im Ganzen der Gemeinde -Bultmann: „Der moderne Mensch [...] versteht [...] sich als ein einheitliches Wesen, das sich selbst sein Empfinden, sein Denken und Wollen zuschreibt. [...] Er sieht nicht ein, daß überhaupt in das geschlossene Gefüge der natürlichen Kräfte ein übernatürliches Etwas, das pneuma, eindringen und in ihm wirksam sein kann.“ -die Rede vom pneuma soll gewahrt und als Möglichkeit erhalten bleiben -die „mythische“ Rede vom pneuma müsse entschlüsselt werden, dann ergibt sich bei etwa bei Paulus, „dass er im Grunde den Geist als die im Glauben erschlossene faktische Möglichkeit eines neuen Lebens versteht.“ -Heiliger Geist als Möglichkeit für den Menschen, neu zu leben -Es ist aber festzuhalten, dass der Heilige Geist keineswegs das Selbst des Menschen aufhebt oder ausschaltet. Vielmehr wird das „Herz“ des Menschen, sein Wollen, Denken und Tun durch den Geist bewegt Der Heilige Geist bewegt den Menschen im Herzen, er befreit zum Einsatz des Eigenen. -nicht „es“ glaubt in uns, liebt, hofft, bekennt etc., sondern wir glauben, lieben, hoffen, bekennen, wenn der Geist uns dazu bewegt 66 -Durch den Geist wird nicht der Mensch abgelöst, sondern zum (geäußerten) Glauben (in Gebet, Bekenntnis etc.) befähigt -Hierdurch entsteht ein Mittelweg zwischen den Extemen Selbst- bzw. Fremdbestimmung. Der Geist leitet an, übernimmt aber nicht das Denken, Handeln, Lieben für uns... -„Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ (2Kor 3,17). Diese Freiheit heißt: leben in der Macht, die das Leben aus seinem Verderben befreit und zu seiner Wahrheit bringt. VI. Kapitel: Der dreieinige Gott 1. Die Stellung der Trinitätslehre im Gesamtzusammenhang der Dogmatik -Trinitätslehre hatte in der alten Dogmatik ihren festen Platz innerhalb der Gotteslehre (De Deo), und zwar als deren zweiter Teil (De Deo trino oder auch De sanctissimo trinitatis mysterio) -hiermit war die Lehre von Gott selbst abgeschlossen; die oeconomia, d.h. die Geschichte der Heilszuwendung Gottes in Christus und im Heiligen Geist, wurde erst danach entfaltet -Aber gerade im Heilshandeln Gottes hat das christliche Bekenntnis zum dreieinigen Gott seine Wurzel -Andere Orte: am Ende: Anhang oder Zusammenfassung in der Mitte: nach Christologie und Pneumatologie, innerhalb der Soteriologie am Anfang: Grundlegung der gesamten Dogmatik -bei Schleiermacher erscheint sie am Ende seiner Glaubenslehre -Althaus, Schlink und Ebeling stellen sie ans Ende -bei Tillich in der Mitte bzw. zum Abschluss des vierten Teils -Barth stellt sie an den Anfang seiner Dogmatik -Nur in Christus und nur durch den Heiligen Geist wird Gott erkannt -Joest/von Lüpke: unter dem Thema „Die Wirklichkeit Gottes“ wurden Christologie und Pneumatologie vereint -Trinitätslehre als in den Zusammenhang der Gotteslehre gestellt, und dies nicht als zweiter Teil, sondern in zusammenfassenden Bezug auf das Ganze christlicher Erkenntnis der Wirklichkeit Gottes -Die Geschichte, in der Gott selbst sich uns erschließt, ist in der Tat trinitarisches Geschehen (darin stimmt dies mit Barth überein). Im Unterschied zu Barth steht die Trinitätslehre aber nicht am Anfang, sondern am Abschluss der Gotteslehre 2. Entstehung und Gestalt des trinitarischen Dogmas 2.1. Biblische Grundlagen -Das NT ist Zeugnis des Handelns Gottes in Jesus Christus und im Geist -NT enthält keine Aussage über das dreieinige Sein Gottes -Wohl aber Formulierungen mit drei „Namen“: Gott der Vater, Jesus der Herr, Gottes Geist -„Es sind mancherlei Gaben, aber es ist ein Geist [...] ein Herr [...] ein Gott, der da wirkt alles in allen.“ (1Kor 12,4-6) -„Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.“ (2Kor 13,13) 67 Gottes Sein im Verhältnis zur Welt der Geschöpfe: Unterscheidung, Beziehung, Selbstunterscheidung -Gott wird biblisch folgendermaßen belegt: ist im Himmel und auf Erden bleibt ewig, sein Reich ist unvergänglich; greift als Retter und Nothelfer in das irdische Geschehen ein (Dan 6,27f.) wohnt in der Höhe und ist zugleich bei denen, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind (Jes 57,15) entäußert sich in dem als Messias erwarteten Sohn, dem gottheitliche Prädikate zuerkannt werden (Jes 7,14; 9,5; 11,2) -Der eine Gott ist gerade darin unvergleichbar, dass er ganz auf die Seite des Menschen zu treten vermag, um diesen in seine Liebe einzuholen -Im NT will im Hinblick auf das AT verstanden werden. Man kann daher nicht sagen, dass der Gott Israels sich zum dreieinigen Gott entwickelt oder die Personen des Sohnes und des Heiligen Geistes hinzugekommen wären Gott war in Christus (2Kor 5,19) in Christus ist Gnade, Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes erschienen (Tit 2,11; 3,4) Die Gemeinschaft Jesu mit dem Vater erschließt das Wesen Gottes als in sich differenzierte, kommunikative Einheit -Jesus Christus ist vor aller Schöpfung mit Gott, dem Vater, verbunden -Der Sohn ist im Vater, so wie auch der Vater in ihm ist (Joh 10,38; 14,11) -Jesus sitzt zur Rechten des Vaters, ihm gebührt der Name, der über alle Namen ist (Phil 2,9) - dieses Prädikat kommt nicht nur dem Vater, sondern auch dem Sohn zu -Wer Gott ist, will in dieser durch den heiligen Geist vermittelten kommunikativen Gemeinschaft erkannt werden 2.2. Die Herausbildung der altkirchlichen Trinitätslehre -Wie und inwiefern Vater, Sohn und Heiliger Geist zusammengehören, das wird im Anschluss an das NT Gegenstand eindringlicher theologischer Reflexion -Notwendige Aufgabe zur Reflexion des christlichen Glaubens 2.2.1. Abgrenzungen Abgewiesene Lösungsversuche: Tritheismus, Subordinatianismus, Modalismus -Tritheismus: Vorstellung: Vater, Sohn und Geist sind drei verschiedene Götter sind durch eine gemeinsame Teilhabe am göttlichen Wesen geeint diese Lösung konnte nicht in Frage kommen; nur vorübergehend und in Randgruppen tauchte derartiges auf -Subordinatianismus: Vorstellung: der eine Gott im eigentlichen Sinn ist der Vater Sohn und Geist sind - ob als übergeschöpfliche oder als ersterschaffene Wesenheiten zu verstehen - jedenfalls Gott untergeordnete Größen haben nur in einem sekundären Sinn am göttlichen Wesen Anteil wurde von starken Strömungen innerhalb der Kirche in verschiedenen Abwandlungen vertreten, am radikalsten von den Arianern des 4. Jh. o liegt im Endeffekt dem Tritheismus nahe: ein eigentlicher Gott und zwei weniger eigentliche „Untergötter“ 68 -Modalismus: Vorstellung: Gott in seinem Wesen ist unbedingte, unteilbare Einheit Vater, Sohn und Geist sind nur verschiedene Erscheinungsweisen (modi), in denen der eine Gott zu verschiedene Zeiten sich manifestiert hat Gott erscheint einmal in dieser, bald in jener Gestalt hier schien die Einheit Gottes ebenso gewahrt wie seine Gegenwart als Sohn und als Geist o Modalismus konnte sich in Rom sogar einige Zeit als gültige Lehre durchsetzen; doch konnte man die Erscheinungsweise nacheinander wirklich als Gotteseinheit verstehen? -Die Trinitätslehre in der aktuellen Dogmengestalt entstand also aus der Abwehr von Theorieangeboten, die so oder so als dem biblischen Gotteszeugnis nicht entsprechend erkannt wurden -Sie ist auch in sich im Grunde mehr Ausgrenzung begrifflich eindeutiger Lösungen, als dass sie selbst eine solche Lösung wäre -Gemeinsamkeit mit christologischer Formel von Chalkedon -Ergebnis der Trinitätslehre wurde auf dem Konzil von Konstantinopel 381 formuliert 2.2.2. Die trinitarische Grundaussage -gr. Theologie des Ostens einigte sich auf die Formel: Gott ist mia ousia in treis hypostaseis -ousia bedeutet im philosophischen Gebrauch zumeist die Wesensart, die vielen Individuen gemeinsam sein kann -hypostaseis bedeutet das konkrete Einzelwesen, das Träger solcher Wesensart ist -gr. Formel besagt: ein Wesen in drei Einheiten -dies erinnert stark an Tritheismus?! -in der Theologie des Westens einigte man sich auf die von Tertullian geprägte Formel: una substantia, tres personae -substantia entspricht eher dem, was gr. durch hypostasis bezeichnet wird: die konkrete Einzelgröße -persona meint aber ursprünglich die Rolle oder Gestalt, in der jemand auftritt -lat. Formel besagt: eine Einheit in drei Gestalten -dies erinnert stark an den Modalismus?! -zwischen westlicher und östlicher Theologie bestand folglich eine relative Akzentverschiedenheit. Der Westen betonte stärker die Einheit Gottes in der Unterschiedenheit der Personen, der Osten stärker die Unterschiedenheit der Personen in der Einheit Gottes -aber weder Tritheismus oder Modalismus waren in den Entwürfen gemeint, man was sich in deren Abwehr durchaus einig! -Theologisch konnte die Bezeugung zum dreieinigen Gott nur so gemeint sein, dass die Eindeutigkeit des rationalen Gehalts dieser Begriffe und des logischen Verhältnisses, in dem sie im philosophischen Kontext zueinander stehen, gesprengt wurde! -Trinitätstheologie in aus der Philosophie entnommenen Begriffen konnte nicht den Vorstellungen entsprechen! -Zusammenfassend kommt das altkirchliche Verständnis der Trinität im Athanasianum zum Ausdruck -„dass wir den einen Gott in der Dreifaltigkeit und die Dreifaltigkeit in der Einheit verehren, ohne die Personen zu vermischen noch die Substanz zu trennen.“ 69 Die Einheit Gottes in der Unterschiedenheit denken: Gottes Sein ist wesentlich relational. -Die Einheit Gottes umfasst die Dreiheit; d.h. das Prädikat der Einheit ist nicht allein dem Vater vorbehalten, so dass von dieser Einheit die beiden anderen Personen, Sohn und Geist, als Entfaltungsstufen oder Darstellungsformen einer zugrunde liegenden Einheit aufzufassen wären. -philosophisch gesprochen: Es handelt sich bei den Beziehungen zwischen Vater, Sohn und Heiliger Geist um die Seinsweise des ewigen Gottes. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind einander „gleichewig“ -In dieser Dreifaltigkeit ist nichts früher oder später, nichts größer oder kleiner, sondern alle drei Personen sind untereinander gleich ewig und gleichartig -Lehre von der aequalitas der drei Personen in Gott: Keine von ihnen ist weniger Gott selbst als die andere. In keiner von ihnen ist der eine Gott weniger er selbst als in der anderen -Lehre von der perichoresis bzw. wechselseitigen Immanenz der Personen: Sie sind, wiewohl zu unterscheiden, nicht gegeneinander abgeschlossen, sondern durchdringen einander, so dass in jeder von ihnen auch die anderen gegenwärtig sein -im Westen konnte anstelle von substantia auch der dem gr. ousia genauer entsprechende Terminus essentia eingesetzt werden: Gott ist unus in essentia, trinus in personis -in dieser Terminologie erscheint die Trinitätsaussage im ersten Artikel der CA 2.2.3. Die trinitarischen Distinktionen -Wurzel der Trinitätslehre liegt in der biblischen Bezeugung des Heilshandelns Gottes -Gott wird als Vater in der Sendung seines Sohnes und in der Ausgießung des Geistes gegenwärtig -die kirchliche Theologie erkannte an, dass allein im Heilsgeschehen, in der Sendung des Sohnes und der Ausgießung des Geistes der Erkenntnisgrund, die Offenbarung der Dreieinigkeit Gottes für den Glauben gegeben ist -sie bejahte den ökonomischen Aspekt (auf die Abfolge verschiedener Erscheinungsformen des einen Gottes im Modus seiner Heilsoffenbarung begrenzt) der Trinitätslehre, beschränkte sich aber nicht auf diesen Aspekt Ökonomie als Erkenntnisgrund der Theologie - immanente Trinität als Seinsgrund der ökonomischen Trinität -„Vor aller Zeit“ ist Gott in sich selbst der Dreieinige; von Ewigkeit her ist der Sohn mit dem Vater -Trinität darf nicht nur als ökonomische, sie muss als Wesenstrinität verstanden werden -hierzu sagt man auch immanente, d.h. dem Wesen Gottes als solchem innewohnende Trinität -in der Entsprechung zu der Unterscheidung zwischen ökonomisch-trinitarischer Heilsoffenbarung und immanent-trinitarischem Wesen Gottes in sich selbst unterschied man nun auch opera trinitatis ad extra -Schöpfung, Versöhnung, Heiligung, Erlösung -das auf die Welt, den Mensch und sein Heil gerichtetes Handeln des dreieinigen Gottes -„Opera trinitatis ad extra sunt indivisa” - in jedem dieser Werke handelt nicht jeweils eine Person, sondern der dreieinige Gott in ungeteiltem Miteinander von Vater, Sohn und Geist opera trinitatis ad intra -das Verhältnis der göttlichen Personen zueinander im Inneren der Trinität 70 -altkirchliche Theologie antwortete auf die Frage, wodurch sie unterschieden werden, dass in der Relation des Ursprungs, in der sie innerhalb Gottes zueinander stehen eine Unterscheidung liegt -Gott der Vater hat keinen Ursprung in einer anderen Person der Trinität, sie ist vielmehr selbst deren Ursprung. Der Sohn aber wird vom Vater „gezeugt“ (generatur) ist ist eben dadurch von ihm unterschieden. Der Geist wird vom Vater (und dem Sohn) „gehaucht“ (spiratur) und ist dadurch von beiden unterschieden. -„Opera trinitatis ad intra sunt divisa” - Bestimmungen kommen jeweils nur einer der Personen als solcher zu; sie sind aber sich vollziehende und beständig in actu bleibende Personen -Das „Gezeugt“-Werden des Sohnes ist also nicht mit seiner in der Zeit geschehenen Inkarnation zu verwechseln; es ist als sein immerwährendes Hervorgehen aus dem Vater zu verstehen -Das „Gehaucht“-Werden des Geistes ist nicht mit dem heilsgeschichtlichen Ereignis seiner Ausgießung gleichzusetzen; es ist sein immerwährendes Hervorgehen aus und in Gott selbst -Aus der Unterscheidung der Hervorgänge in Gott wurden dann die notiones personales (Eigentümlichkeiten jeder Person in Relation zu den je anderen) entfaltet: Dem Vater eignet: o agennesía („Ungewordenheit“) in sich selbst o generatio activa („Zeugen“) in Relation zum Sohn o spiratio activa („Hauchen“) in Relation zum Geist. Dem Sohn eignet: o generatio passiva („Gezeugtwerden“) in Relation zum Vater) o spiratio activa („Hauchen“) in Relation zum Geist Dem Geist eignet: o spiratio passiva („Gehauchtwerden“) in Relation zum Vater und dem Sohn -Worte wie Zeugen und Hauchen grenzen sich vom menschlichen Vokabular ab. Das Reden von Gott kommt hier an seine Grenze 3. Zur älteren und neueren Geschichte der Trinitätslehre -im Westen wurde die Trinitätstheologie Augustins (De Trinitate) bestimmend -Augustin: suchte die Einheit der Personen in Gott und ihre gegenseitigen Relationen verstehbar zu machen -Vergleich mit der Einheit von memoria (Bewusstsein), intellectus (Intellekt) und voluntas (Wille) in der Seele des Menschen -Spuren der Trinität (vestigia trinitatis) kann man in allerlei geschöpflichen Dreieinheiten auffinden (z.B. das eine Licht in der Sonne, Strahl und Schein; das eine Wasser in Quelle, Fluss und Meer) -Augustin lehrte das Hervorgehen des Heiligen Geistes aus Vater und Sohn -seit dem 6. Jh. erscheint der bis dahin noch fehlende Zusatz (Credo in Spiritum sanctum qui procedit ex patre) filioque. -im Osten sprach man wie vom Gezeugtwerden des Sohnes auch vom Hervorgehen des Geistes allein aus dem Vater -das filioque führte in der Ostkirche zu entschiedenem Einspruch. Im 9. Jh. erfolgte eine vorübergehende, 1054 das endgültige Schisma zwischen griechischer Ost- und römischer Westkirche -Die Differenz über das Ausgehen des Geistes war - und ist bis heute das größte dogmatische Problem zwischen beiden Kirchen 71 Das Problem des Filioque: der Vater als der eine Ursprung von Sohn und Geist (Patrozentrik) oder zwei Ursprünge in Gott (Vater und Sohn) -Einspruch gegen das filioque wurde theologisch begründet: Die Behauptung des Hervorgehens des Geistes aus Vater und Sohn würde in Gott zwei Ursprünge setzen; Ursprung innerhalb der Gotttheit kann aber allein der Vater sein -Die Trinitätslehre blieb in Gestalt der in der alten Kirche hervorgegangenen Form erhalten -auch die Reformatoren erkannten sie an, nicht nur aus formaler Traditionstreue, sondern überzeugt von der in ihr ausgesprochenen Wahrheit - Luthers Gnaden- und Rechtfertigungsverständnis wäre undenkbar ohne seinen Glauben an die volle Gegenwart Gottes in Christus und im Geist -dennoch war reformatorische Trinitätstheologie besonders am Heilshandeln Gottes orientiert Aufnahme des Apostolicum, des Nicaeno-Constantinopolitanum und des Symbolum Athanasianum -antitrinitarische Strömung: ausgehend vom Humanismus entstand der Sozinianismus (Ablehnung von Präexistenz und Menschwerdung Gottes); Unitarier (lehnten das Dogma der Trinität ab, da sie Luthers sola scriptura-Prinzip verletzt sahen); mit der Aufklärung entstand der Deismus (Glaube an Gott aus Verstandesgründen im Gegensatz zum Glaube an Gott als Offenbarungsgeschehen) -Philosophie des spekulativen Idealismus setzte die Trinitätslehre, wenn auch unter philosophisch-mythologischer (v.a. durch Schelling, Hegel), wieder an ihren alten Platz; dies war aber nur eine Randbewegung -ein die Trinitätslehre ablegender Rationalismus blieb in der Theologie Episode -Gewichtung und Auslegung fiel bei den protestantischen Theologen im 19. und 20. Jahrhundert sehr unterschiedlich aus -Schleiermacher: drei göttliche „Personen“: in sich selbst, im vollkommenen Gottesbewusstsein Jesu und in dem von ihm erweckten „Gemeingeist der christlichen Kirche“ -Einheit und Dreiheit zugleich zu denken war für ihn sinnloser Widerspruch -Barth: Gottes Selbstoffenbarung impliziert seine Dreieinigkeit; Gott nimmt in dem Menschen Jesus die Gestalt an, in der er von uns erkannt sein will; Gottes Geist wirkt in uns das Erkennen seiner selbst in Jesus -Trinitarische Offenbarung konnte darum geschehen, weil der Gott, der sich so offenbart, zuvor in sich selbst der Dreieinige ist. -„Gott kann als Vater Jesu Christi darum unser Vater sein, weil er schon zuvor [...] in sich selber Vater ist, weil Vaterschaft eine ewige Seinsweise des göttlichen Lebens ist.“ (Barth in seiner KD) -Barth nimmt die Lehre der immanenten Trinität (Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit) wieder auf -Karl Rahner: These: „Die ökonomische Trinität ist die immanente Trinität und umgekehrt“ -gemeinsam ist allen neueren dogmatischen Entwürfen die Verschränkung von Ökonomie und Theologie; das dreieinige Sein Gottes muss ganz aus der Geschichte seines Kommens zum Menschen, ja als in der Bewegung dieses Kommens sich vollziehend verstanden werden Ökonomische und immanente Trinität: Wer Gott ist, kann nur in der Geschichte seines Kommens erkannt werden. In dieser Geschichte ist Gott erkennbar als der, der er in Wahrheit ist. -Eberhard Jüngel: Gottes Sein ist die Bewegung der Liebe, die zum Menschen und gerade so zu sich selbst kommt 72 -Moltmann: „Trinität und Reich Gottes“; Die Geschichte Gottes mit dem Menschen ist im „weiten Raum“ der Trinität zu verstehen, d.h. die Wirklichkeit Gottes selbst geschichtlich zu denken: Gottes Sich-Einlassen auf die geschöpfliche Wirklichkeit -feministische Theologie: Namen sind männlich gefasst (Vater, Sohn, Geist), fügen sich aber nicht als Ganzes in ein patriarchales Denkmuster -Diskussion um die Sprache bzw. Namensgebung - irrelevant für den Inhalt Der Glaube an den einen Gott, der als der Vater Jesu Christi mit dem Gott Israels, dem Gott Abrahams identisch ist. Zugleich gilt: Die Identität des einen Gottes ist christlich nicht ohne Sohn und Geist zu denken -Differenzpunkt der Trinitätslehre: christlich ist Gott nicht ohne seine Dreiheit zu denken Konflikt mit anderen Religionen 4. Das Bekenntnis zum dreieinigen Gott -Trinitätslehre ist kein unmittelbarer Inhalt der Offenbarung und auch kein unmittelbarer Ausdruck des Glaubens -sie ist aber auch keine glaubensfremde Spekulation -der Glaube kann nicht anders, also Gott in den drei Namen zu bekennen Trinitätslehre sucht in Begriffe zu fassen, was zuvor im gottesdienstlichen Bekenntnis als Antwort auf die in der Bibel bezeugte Selbstmitteilung zur Sprache kommt 4.1. Trinitätslehre als Auslegung der Geschichte der Selbstmitteilung Gottes -Gott ist der Schöpfer, durch den alles Leben hat. Alles ist durch ihn, und so ist er vor und über allem, auch über dem von ihm geschaffenen Menschen Der Gemeinschaftswille Gottes (mit dem Menschen) als Grund seiner trinitarischen Selbstmitteilung -Gottes Gemeinschaftswille ist Versöhnungsgeschehen mit den Menschen -Gott bleibt nicht in sich verschlossen; er verzichtet nicht auf den Menschen, und er wäre nicht der Gott, der er in Wahrheit ist, wenn er auf ihn verzichten würde -Gott wird uns von seiner Hoheit her, in der er der Schöpfer und Herr über alles ist und bleibt, in der Person Jesu so gegenwärtig, dass er uns in ihm als der uns unbedingt Liebende begegnet. Gottes Selbstmitteilung als Erweis seiner Liebe: er selbst begegnet in Jesus Christus; er selbst bewegt uns auf Christus hin -in Jesus drückt sich die Selbstbewegung Gottes aus: er ist zu uns Menschen gekommen -Gottesaussage ist Ausdruck des Evangeliums: die theologische Übersetzung dessen, was soteriologisch als das sola gratia der Rechtfertigung des Gottlosen geglaubt und bekannt werden darf. Der soteriologische Sinn der Trinitätslehre: Antwort auf das Evangelium von der Rechtfertigung der Gottlosen 4.2. Selbstunterscheidungen in Gott als Thema der immanenten Trinitätslehre -im neuzeitlichen Verständnis hat sich der „Personenbegriff“ nochmals gewandelt -er wird auf das individuelle Selbst und Selbstbewusstsein des Menschen bezogen -Problematik der trinitätstheologischen Verwendung des Personenbegriffes wird in der neueren Theologie vielfach gesehen und angesprochen: Barth: Vorschlag von den drei Seinsweisen Gottes zu reden -will man eine Entsprechung des Begriffes suchen, bietet es sich an, von drei Orten zu sprechen 73 -Jesus ist der Ort, an dem Gott mit uns geworden ist; im Heiligen Geist macht Gott unser Selbst zu dem „Ort“, in dem er ist und wirkt Selbstunterscheidung Gottes: Gott selbst ist an verschiedenen Orten gegenwärtig und eröffnet so ein Feld intensiver Kommunikation. -Gott wird an unterschiedlichen Orten verschieden gegenwärtig und ist doch in jedem ganz gegenwärtig, in keinem von seiner Gegenwart in den je anderen geschieden -Die Kommunikation schließt sich nicht im „Binnenraum“ eines göttlichen Monologs ab, sondern erschließt sich in dem Wort, das Mensch wird, um den Menschen in die Gemeinschaft mit Gott einzuholen. Das Geheimnis der Trinität: die Selbstbewegung Gottes als Liebe -Gott an verschiedenen Orten bedeutet: Er ist da als er selbst -Vom Vater, Sohn und Heiligen Geist geht göttliches Leben und Handeln in Liebe aus -Sie sind Subjekte eines je eigenen Wirkens, nicht nur Prädikate, Wirkweisen eines ihnen zugrunde liegenden und von ihnen nochmals zu unterscheidenden Subjekts 4.3. Die Wirklichkeit Gottes als Einheit von Offenbarungs- und Wesenstrinität -Dass es theologisch notwendig ist, von der Offenbarungstrinität in die ihr vorausgegebenen immanente Trinität zurückzudenken, wird etwa durch folgende Erwägung begründet: Gottes Offenbarung ist die Tat seiner Freiheit. Sie darf also nicht so verstanden werden, als ob Gott durch sie erst zu dem würde, der er ist. Vielmehr kommt er in ihr von sich selbst schon her -Gott ist seiner Offenbarung vorausgehend der, der er ist, in sich selbst. Wäre er in sich selbst anders, dann wäre Offenbarung nicht Offenbarung Die Einheit von Offenbarungs- und Wesenstrinität liegt im Begriff der Offenbarung als Selbst-Erweis -Das NT spricht von der Präsenz des Sohnes nicht erst in seiner Menschwerdung, sondern schon im Schöpferhandeln Gottes (Joh 1,1-4); es spricht von der Menschwerdung als dem Herabsteigen des Sohnes aus seinem Sein bei Gott in die Niedrigkeit des Menschen (Phil 2,6f) -In seinem Schöpferhandeln ist bei Gott der Sohn (der Jesus heißen wird) nicht ein Sohn, der gedacht werden könnte, auch wenn Jesus nie gekommen wäre oder Gott überhaupt keine Welt geschaffen hätte -auch für die Existenz des Geistes, der über den Wassern schweb (Gen 1,2) gilt entsprechendes Gott offenbart sich, weil er so und nicht anders Gott sein will. Die Suche nach dahinter liegenden Gründen im Wesen Gottes sind ebenso unmöglich wie unnötig -Gott konnte sich als der Dreieinige offenbaren, weil er dies wollte, weil er nicht anders Gott sein will und darum nicht anders Gott ist als so, dass er diese seine Selbstbewegung vollzieht -in Jesus kommt er als der Sohn zu uns, erweist er sein Sein mit uns, in das er uns als der Geist hineinnimmt, ohne aufzuhören als der Vater über uns und allem zu sein Die Wirklichkeit Gottes: Gottes Wille zur Gemeinschaft mit dem Menschen als Gnade -sola gratia, als dessen Lobpreis wir das Bekenntnis zu dem dreieinigen Gott verstanden haben, ist kein nachträglicher Behelf; es ist Gottes erster und letzter Wille mit dem Menschen. Es gilt nicht nur um der Wirklichkeit der Sünde willen. Es gilt um der Wirklichkeit Gottes willen. 74