1 Gutes Leben - auch bei Demenz Akademietag 12.1.2013 Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihnen allen ein herzliches Willkommen zum Auftakt unserer diesjährigen Akademietage. Es sind die 37. seit 1976. Ich begrüße Sie im Namen aller pallottinischen Gemeinschaften hier am Ort, die gemeinsam die Akademietage verantworten: die Phil.-Theol. Hochschule, das Haus Wasserburg und die Kath. Pfarrei Vallendar. Auch begrüße ich Sie im Namen unserer Kooperationspartner: der Fachstelle der Kath. Erwachsenenbildung in Koblenz (vertreten durch ihren Leiter Herrn Georg Falke), und dem Kath. Bildungswerk Westerwald-Rhein-Lahn (vertreten durch Frau Eva KnöllingerAcker). Besonders heiße ich willkommen den Referenten und die Referentin dieses Akademietags, Herrn Prof. Dr. Hermann Brandenburg von der Pflegewissenschaftlichen Fakultät unserer Phil.-Theol. Hochschule, Frau Dr. Verena Wetzstein von der Katholischen Akademie Freiburg. Auch begrüße ich Frau Andrea Paolazzi vom Pflegestützpunkt Mayen, die an der Podiumsdiskussion teilnehmen wird. Schließlich begrüße ich den ehemaligen Leiter des Kath. Bildungswerkes Westerwald/Montabaur Herrn Heinz-Peter Rüffin, der die Diskussion im Anschluss an die Vorträge moderieren wird. – Ich werde Ihnen die Damen und Herren noch näher vorstellen, sobald sie mit ihrem Beitrag an der Reihe sind. „Gutes Leben - auch bei Demenz“ ist das Thema, dem wir uns heute stellen wollen. Demenz – so kann man ohne Übertreibung 2 sagen - stellt sich mehr und mehr als „Volkskrankheit“ dar. Die Verhältnisse hierzulande dürften sich von denen in der Schweiz kaum unterscheiden, wo die an Demenz Verstorbenen in einer Sterbestatistik gesondert erfasst werden. Demenz steht hier nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs an dritter Stelle bei den häufigsten Todesursachen. (Vgl. Cinthia Brisenio.) In dem so genannten „Demenz-Report“ des Berliner Instituts für Bevölkerung und Entwicklung ist nachzulesen, dass die Zahl der an Demenz Erkrankten in Deutschland rasant zunimmt. Zur Zeit leben in Deutschland ca. 1,3 Millionen Menschen mit der Erkrankung Demenz, und in wenigen Jahrzehnten, um 2050, wird die Zahl der Demenzkranken doppelt so hoch sein. (Vgl. C. Brisenio.) Die „Rhein-Zeitung“ berichtete am 15. September des vergangenen Jahres über eine Veranstaltung, die im Rahmen der „Wochen der Demenz“ angeboten wurde. Bei dieser Gelegenheit hat der bekannte Alternsforscher Prof. Dr. Reimer Gronemeyer, Universität Gießen, hier im Rathaus der Verbandsgemeinde Vallendar zu dem Thema „Auf dem Weg zur demenzfreundlichen Kommune“ gesprochen. Als ich diesen Zeitungsbericht las, ging mir durch den Kopf: Jetzt wird unser Akademietag für viele nicht mehr aktuell und interessant sein; folglich sollten wir das Thema Demenz aus dem Programm unserer Akademietage 2013 streichen. Doch bei der Vorbereitung auf den heutigen Akademietag kam ich zu der Erkenntnis: Demenz ist ein schier unerschöpfliches Thema; es werden noch viele Veranstaltungen folgen müssen, um sachliche und gründliche Aufklärungsarbeit zu leisten. Das Thema Demenz 3 ist so vielseitig, dass man jeweils bedenken muss, welcher Aspekt bzw. welche Aspekte zur Sprache gebracht werden sollen. Die Notwendigkeit einer Beschränkung gilt auch für unsere heutige Vortrags- und Diskussionsveranstaltung. In den Überlegungen des Planungsteams schoben sich vor allem drei Aspekte in den Vordergrund. Angestoßen vom Thema des heutigen Tages stellt sich erstens die Frage: Ist sinnvolles Leben und das Erleben von Lebensqualität auch mit einer Demenzerkrankung überhaupt möglich? M. a. W.: Was ist „gutes Leben“ für einen an Demenz Erkrankten? Schon der Begriff Demenz, bzw. Alzheimer, die am häufigsten vorkommende Form der Demenz (vgl. Huub Buijssen) löst bei vielen Menschen Horrorvorstellungen aus. Es ist die Rede von „lebenden Toten“, von „welken Hüllen“, die sinnlos dahinvegetieren. Alzheimer – dieses Schicksal möchte niemand erleiden. Gunter Sachs z. B. hat sich – so schreibt er in seinem Abschiedsbrief – aus Angst vor „der ausweglosen Krankheit Alzheimer“ erschossen. Der Tod schien ihm die bessere Alternative. – Inzwischen gehen immer mehr Betroffene mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit. Denn Menschen mit Demenz erleben sich selbst keineswegs nur im Zustand abgrundtiefer Verzweiflung. Wie Befragungen zeigen, finden sie durchaus noch Freude am Leben, haben noch immer ein subjektives Erleben und einen Rest von Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung. Ihre Zufriedenheit hängt ab von erfüllenden Tätigkeiten, von der Bindung an Familie und Freunde, vom Gefühl, respektvoll behandelt und doch noch irgendwie gebraucht zu 4 werden. (Vgl. Thomas Vasek.) „Gutes Leben – auch bei Demenz“ scheint also möglich. Darüber werden wir heute wohl noch mehr hören. „Gutes Leben“ bei Demenz setzt jedoch voraus, dass auch das gesellschaftliche Umfeld die erforderlichen Hilfen und Unterstützungen bereitstellt. Damit sind wir bei dem zweiten Aspekt, auf den sich unsere Aufmerksamkeit richtet. Demenzerkrankungen werden unser Leben, unsere Gesellschaft und das Miteinander zunehmend prägen. Dieser Herausforderung müsse sich die alternde Gesellschaft stellen, heißt es in dem oben genannten Demenz-Report des Berliner Instituts. Zwar hat Deutschland eine zumindest grob umrissene Strategie für das Zukunftsthema „Energiewende“, es hat aber, was Weltgesundheitsorganisation und Gesundheitsverbände seit Jahren fordern, keine nationale Demenzstrategie. Die Vorschläge und Anregungen, dem Demenzproblem gesellschaftlich zu begegnen, reichen von mehr Aufklärung und Information über Demenz über die Gründung von Wohngemeinschaften bis hin zu nationalen Demenzplänen, wie sie z. B. in Frankreich existieren, mit verbindlichen Maßnahmen gegen die Volkskrankheit. Besonders gelte es, Angehörige bei der Pflege der Demenzkranken zu entlasten. (Vgl. C. Briseno.) Eine bedenkenswerte Frage stellte der Verfasser eines Beitrags in der FAZ: „Warum hat Deutschland nicht schon längst einen Demenz-Beauftragten, einen Bundespräsidenten der Weißhaarigen, jemanden wie Henning Scherf?“ (Uwe Ebbinghaus) 5 An dieser Stelle möchte ich Sie aufmerksam machen auf das „Netzwerk Demenz Mayen-Koblenz“; ein informeller Zusammenschluss von ambulanten und stationären Einrichtungen, der Wohlfahrts- und Gesundheitspflege, der Selbsthilfe und Ehrenamtlichen sowie privater Anbieter im Landkreis MayenKoblenz. Näheres können Sie dem Prospekt entnehmen, der in der Eingangshalle vor der Aula ausliegt. Ich komme zum dritten und letzten Aspekt. Bei allen Maßnahmen zur Versorgung und Pflege der Demenzkranken darf aber eines nicht übersehen werden: nämlich der rücksichtsvolle und respektvolle Umgang mit Demenzkranken, gewiss kein leichtes Unterfangen, aber vielleicht das wichtigste Erfordernis in dem Bemühen, die Lebensqualität von Demenzkranken zu gewährleisten. Bei der Betreuung und Pflege von dementiellen Verwandten sind Angehörige immer wieder auch vor schwierige ethische Fragen gestellt. Der Arbeitsausschuss „Ethik“ der Deutschen Alzheimer Gesellschaft hat deshalb eine Reihe von „Empfehlungen“ erarbeitet, um für die verschiedenen Situationen praxisorientierte Anregungen und Entscheidungshilfen zu geben. Auch sei auf einschlägige Bücher verwiesen, die sich diesem Thema in breiterem Umfang widmen. (Vgl. Huub Buijssen.) Ziel und Maß aller Empfehlungen ist die Sicherstellung der Lebensqualität von Demenzkranken und die Förderung der noch vorhandenen Fähigkeit zur Selbstbestimmung. Die Referentin und der Referent des heutigen Akademietag werden gewiss zu diesem Thema 6 ethisch orientierten Umgangs mit Demenzkranken gute Anregungen geben. Doch zuvor einige Informationen zum Ablauf des heutigen Nachmittags. Wir werden 2 Vorträge hören. Nach dem ersten Vortrag werden wir eine Pause von etwa 30 Minuten einlegen, in der Sie sich mit einer Tasse Kaffee erfrischen können. Danach wird der zweite Vortrag folgen, und im unmittelbaren Anschluss daran soll eine kurze Podiumsdiskussion stattfinden und eine Diskussion mit Ihnen, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an dem heutigen Akademietag. Ich möchte Ihnen nun den ersten Referenten, Herrn Prof. Dr. Hermann Brandenburg, vorstellen. Herr Prof. Brandenburg ist Lehrstuhlinhaber für Gerontologische Pflege an der Pflegewissenschaftlichen Fakultät unserer Hochschule. Der gerontologischen Pflege geht es um wissenschaftlich gestützte Maßnahmen zur Verbesserung der körperlichen, sozialen und psychischen Situation von hilfe- und pflegebedürftigen alten Menschen und ihrer Angehörigen sowie ihrer professionellen Betreuer. - Herr Prof. Brandenburg hat neben der Gerontologie auch Sozialwissenschaften, Philosophie und Neuere Deutsche Literaturwissenschaft studiert und promovierte unter der Betreuerin Prof. Dr. Ursula Lehr mit dem Thema „Formen der Lebensführung im Alltag bei hilfe- und pflegebedürftigen älteren Menschen“. Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. Gerontologische Pflege und Lebensqualität bei Menschen mit Demenz. Seine zahlreichen Veröffentlichungen haben durchweg Themen dieser 7 Forschungsschwerpunkte zum Inhalt. - Prof. Brandenburg ist aber nicht nur ein Mann der Wissenschaft, sondern auch ein Mann der Praxis. Er ist staatlich anerkannter Altenpfleger und war mehrere Jahre in verschiedenen Pflegeheimen tätig. Er wird deshalb auch einen reichen Schatz an Erfahrungen angesammelt haben und folglich als auch Erfahrener reden. - Ich bitte um Ihren Vortrag. Frau Dr. Verena Wetzstein ist Studienleiterin an der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg. Sie hat Theologie und Germanistik studiert und ihren Doktortitel erworben mit einer Arbeit zu dem Thema: „Diagnose Alzheimer. Grundlagen einer Ethik der Demenz“. Diese Arbeit ist mit dem Bernhard-Welte-Preis 2004 der Theologischen Fakultät Freiburg ausgezeichnet worden. Viele ihrer Veröffentlichungen – die Liste ist sehr lang – befassen sich mit ethischen Aspekten der Demenz und mit Fragen der medizinischen Ethik. Wir freuen uns, in ihr die rechte Frau für den rechten Ort gefunden zu haben. Dies verdanken wir nicht zuletzt Herrn Prof. Brandenburg, der sie uns empfohlen hat. Frau Dr. Wetzstein, wir freuen uns auf ihren Vortrag. Frau Andrea Paolazzi kommt vom, Pflegestützpunkt Mayen. Von Beruf ist sie Sozialpädagogin. Sie ist tätig als Mitarbeiterin des Caritas-Verbandes Rhein-Mosel-Ahr. Hier bietet sie seit mehr als 20 Jahren Beratung für ältere Menschen an. 8