Universiteit van Amsterdam Masterarbeit Literature and Culture: German 2015 Begleiterin: E. Huwiler Zweitleserin: C. Dauven – van Knippenberg Abgabe: 15.6.2015 Prüfung: 23.6.2015 Der Hitler-Mythos Zum ‚Führer‘ in der populären Kultur Coene Wouters 6288537 0 Inhaltsverzeichnis Einleitung 3 1. Halbwachs und Baudrillard - zur Methodik und Terminologie 8 1.1 Das kollektive Gedächtnis 8 1.2 Simulakren und Simulation 9 2. Der Hitler-Diskurs 11 2.1 Einleitung 11 2.2 Grundlagen des kollektiven Hitler-Bildes 12 2.3 Die ‚historische‘ Hitler-Figur 14 2.4 Die fiktionale Hitler-Figur 15 2.4.1 Der ‚subversive‘ Hitler 16 2.4.2 Der ‚ernsthafte‘ Hitler 19 2.5 Hitler-Simulakren 21 2.6 Fazit 24 3. Der Untergang – eine Analyse 25 3.1 Beschreibung 25 3.2 Analyse 28 3.2.1 Charakterisierung der Hitler-Figur 28 3.2.2 Die Hitler-Figur im Untergang als Simulakrum 30 3.3 Fazit 34 4. ADOLF. Ich hock‘ in meinem Bonker – eine Analyse 35 4.1 Beschreibung 35 4.2 Analyse 37 4.2.1 Charakterisierung der Hitler-Figur 37 4.2.2 ‚Adolf, die Nazi-Sau‘ als Simulakrum 39 4.3 Fazit 41 5. Er ist wieder da – eine Analyse 42 5.1 Beschreibung 42 1 5.2 Analyse 44 5.2.1 Charakterisierung der Hitler-Figur 44 5.2.2 Vermes’ Hitler als Simulakrum 47 5.3 Fazit 50 6. Die populäre Hitler-Figur – Parallelen 52 6.1 Tendenzen bezüglich der analysierten Hitler-Darstellungen 52 6.1.1 Der ‚Hitler‘-Hitler 52 6.1.2 Der nationalsozialistische Hitler 52 6.1.3 Der militaristische Hitler 52 6.1.4 Der narzisstische Hitler 53 6.1.5 Der realitätsentfremdete Hitler 53 6.1.6 Der nostalgische Hitler 54 6.1.7 Der sympathische Hitler 54 6.2 Die populäre Hitler-Figur - Evaluation 54 Konklusion 56 Literatur 59 Fernsehen 62 Filmographie 63 Sonstige Quellen 63 Bilderverzeichnis 64 2 Einleitung1 Noch vor sechzig Jahren hätte ich nicht den geringsten Wert darauf gelegt, unter al jenen unattraktiven und unverständlichen Kopfgeburten einer vorgeblichen ‚Kultur‘ beschwätzt zu werden. Doch zwischenzeitlich war eine Bewegung entstanden, nach der neuerdings so gut wie alles als Kultur gelten kann oder auch zu einer solchen erhoben wird.2 Der Protagonist von Timur Vermes‘ 2012 erschienenem satirischem Roman Er ist wieder da kann es kaum fassen: Mehr als sechzig Jahre nach seinem angeblichen Tod ist er Kultur. Dass so etwas gerade ihn noch erwischen würde… Indem er für manche als der „größte Verbrecher aller Zeiten“3 gilt, ist er offensichtlich nicht der einzige, der auf diese Tatsache im Grunde „nicht den geringsten Wert“ legt. Zur Illustration: Er habe bei vielen einen dermaßen schlechten Ruf, dass er Filmwissenschaftler Klaus Kreimeier zufolge „[…] die einzige Figur in der deutschen Geschichte [sei], deren künstlerische Nachbildung als anrüchig, ‚geschmacklos‘, ‚unmöglich‘ empfunden wird“.4 Dass es in Bezug auf ihn jedoch nichtdestotrotz zugleich so etwas wie eine ‚kollektive Faszination‘ geben soll, war auch Thomas Mann schon klar: „Der Bursche ist eine Katastrophe; das ist kein Grund, ihn als Charakter und Schicksal nicht interessant zu finden“.5 Eine mögliche Erklärung für die Faszination für den ‚Burschen‘ lässt sich einer seiner vielen Autobiographien entnehmen: Die bekannte Geschichte verzeichnet keine Erscheinung wie ihn; soll man ihn „groß“ nennen? Niemand hat soviel [sic] Jubel, Hysterie und Heilserwartung erweckt wie er; niemand soviel Haß. Kein anderer hat, in einem nur wenige Jahre dauernden Alleingang, dem Zeitlauf so unglaubliche Beschleunigungen gegeben und den Weltzustand verändert wie er; keiner hat eine solche Spur von Trümmern hinterlassen.6 Fast keiner ruft derartig gemischte Gefühle hervor wie der Mann, der in Er ist wieder da als Hauptfigur aufgeführt wird. Sein Name: selbstverständlich Adolf Hitler. Während der ehemalige ‚Führer‘ des Dritten Reichs (1889-1945) selbst seit seinem Selbstmord vom Erdboden verschwunden ist, gilt er in der populären Kultur heutzutage als 1 Teile dieser Einleitung sind der Arbeit Diktator am Schirm. Zur Wahrnehmung der Fiktionalität bei Hitler entnommen. Vgl. Coene Wouters: Diktator am Schirm. Zur Wahrnehmung der Fiktionalität bei Hitler. Bachelorarbeit. Begleiter: Elke Huwiler. Universiteit van Amsterdam 2014. S. 3-4. 2 Timur Vermes: Er ist wieder da. Köln: Eichborn 2012. S. 293-294. Wird im laufenden Text weiter in Klammern mit dem Sigel ‚EIWD‘ angegeben. 3 Margarete Wilhelm: Der größte Verbrecher aller Zeiten? Zu Hitlers Finanzierung. Mohrkirch: Kritik Verlag 1976. 4 Klaus Kreimeier: ‚Trennungen. G. W. Pabst und seine Filme‘. In: Wolfgang Jacobsen (Hg.): G. W. Pabst. Berlin: Argon 1997. S. 117-122. S. 177. 5 Thomas Mann: Politische Schriften und Reden. Band 3. Frankfurt am Main: Fischer 1968. S. 54. 6 Joachim Fest: Hitler. Eine Biographie. Erster Band (‚Der Aufstieg‘). Berlin: Propyläen 1978. S. 17. 3 eine fast unverzichtbare Figur. Es gebe seit einigen Jahren einen richtigen „HitlerBoom[…]“7, so Filmwissenschaftlerin Sonja M. Schultz, überdies nach Journalistin Cornelia Fiedler sogar eine Epidemie der „Hitleritis“8. „Irgendwann wird es einen kleinen Hitler als Figur bei McDonalds, oder im Überraschungsei, oder im Souvenirshop geben“, so Rechtsanwalt Ferdinand von Schirach, Enkel des Enkel des ehemaligen NSReichsjugendführers Baldur von Schirach (1907-1974).9 Wie populär die Figur Adolf Hitler tatsächlich ist, zeigt sich unter anderem im Internet. Das online Videoportal YouTube alleine offeriert unter dem Schlagwort ‚Hitler‘ zum Beispiel schon mehr als 3 Millionen Einträge10, während ehemalige ‚Kollegen‘ wie Stalin und Mussolini mit 641 00011 beziehungsweise 158 00012 Einträgen von einer derartigen OnlineAbb.1: Den ‚Führer‘ trifft man überall. Präsenz (bisher) weit entfernt bleiben. Wer sich im Internet noch weiter nach dem ‚Führer‘ umschaut, kann weiterhin unter anderem auf die Website Catsthatlooklikehitler.com treffen – eine Sammlung voller Fotos von Katzen, die dank eines grillenhaften Spiels des Schicksals bemerkenswerte physische Ähnlichkeiten mit dem früheren Diktator vorweisen (siehe Abbildung 1).13 Als sehr populäre Hitler-bezogene Produktion im Internet kann Felix Gönnerts 2006 erschienener Kurzfilm ADOLF. Ich hock‘ in meinem Bonker bezeichnet werden. Während um seinen Bunker herum Bomben geworfen werden, singt im Video ein animierter Hitler namens ‚Adolf, die Nazi-Sau‘ wie viel er von Kapitulation hält („nix“). Der knapp drei Minuten dauernder Clip, der ins Französische und ins Englische übersetzt wurde, ist in den online Videoportalen YouTube und MyVideo seit seinem Erscheinen insgesamt mehr als 6 Millionen Mal aufgerufen worden14, und wurde außerdem ins Programm des Musiksenders Sonja M. Schultz: ‚Hitler 2.0. Der Diktator im Internet‘. In: Rainer Rother und Karin Herbst-Meßlinger (Hg.): Hitler darstellen. Zur Entwicklung und Bedeutung einer filmischen Figur. München: Richard Boorberg Verlag, 2008. S. 86-100. S. 89. 8 Cornelia Fiedler: ‚Ha, ha, Hitler‘. In: Süddeutsche.de. 9.1.2013. URL: http://www.sueddeutsche.de/kultur/bestseller-roman-er-ist-wieder-da-ha-ha-hitler-1.1568685 (letzter Zugriff: 10.6.2015). 9 Jens Anker: ‚„Irgendwann gibt es Hitler im Überrasschungsei“‘. Interview mit Baldur von Schirach. In: Welt Online. 27.7.2008. URL: http://www.welt.de/kultur/article2253401/Irgendwann-gibt-es-Hitler-imUeberraschungsei.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). 10 YouTube.com. URL: http://www.youtube.com/results?search_query=hitler&sm=3 (letzter Zugriff: 10.6.2015). 11 Ebd. URL: http://www.youtube.com/results?search_query=stalin (letzter Zugriff: 10.6.2015). 12 Ebd. URL: http://www.youtube.com/results?search_query=mussolini&sm=3 (letzter Zugriff: 10.6.2015). 13 Die bezüglichen Katzen bezeichne man nach Angaben dieser Website als ‚Kitlers‘. Vgl. Catshatlooklikehitler.com. URL: http://catsthatlooklikehitler.com/cgi-bin/seigmiaow.pl (letzter Zugriff: 10.6.2015). 14 Vgl. MyVideo.de. URL: http://www.myvideo.de/search?q=ich+hock+in+meinem+bonker (letzter Zugriff: 10.6.2015); YouTube.com. URL: 7 4 MTV Deutschland aufgenommen. Das Lied aus dem Video (komponiert und gesungen von Thomas Pigor) erschien Anfang September 2006 als Single, und gelangte sogar in die deutschen und österreichischen Charts.15 Nicht nur im Internet, sondern auch im Fernsehen und im Kino bildet die Hitler-Figur seit Jahren eine feste Größe: Dokumentarfilme über den Zweiten Weltkrieg zeigen immer wieder die mittlerweile kanonischen Archivbilder des ‚authentischen‘ Hitlers16, der Diktator taucht in etlichen Sketchshows auf, und der ‚Führer‘ ist in den amerikanischen Animationsserien Family Guy und The Simpsons sogar regelmäßig als Zeichentrickfigur zu sehen. Die Zahl der filmischen Hitler-Darstellungen belief sich nach Angaben des amerikanischen Filmexperten Charles P. Mitchell im Jahre 2000 schon auf mehr als 100.17 Seither erschienene Filme wie Daniel Levys Mein Führer – die wirklichste Wahrheit über Adolf Hitler (2007), Bryan Singers Valkyrie (2008) und Quentin Tarantinos Inglorious Basterds (2009) können zu dieser an sich schon beeindruckendem Zahl sogar noch hinzugefügt werden. Ein Film, der ebenfalls unbestreitbar in eine aktuelle Version von Mitchells Filmographie aufgenommen werden sollte, ist die nach Zahlen bisher populärste deutsche filmische Hitler-Darstellung aller Zeiten: Oliver Hirschbiegels Spielfilm Der Untergang (2004). Der Film, in dem die letzten Tage des Dritten Reichs thematisiert werden, wurde von September 2004 bis Februar 2005 in den deutschen Kinos von 4,5 Millionen Zuschauern gesehen - eine Zahl, die in Deutschland vorher noch nie durch einen Film um die Figur Adolf Hitler erreicht wurde.18 Obwohl nach Zahlen populär, war und ist Der Untergang offensichtlich nicht bei jedem in gleichem Maße beliebt: Cineast Wim Wenders bezeichnete den Film kritisch als zu empfindlich, und deswegen als „Verharmlosung“ der historischen Figur Adolf Hitler.19 Der https://www.youtube.com/results?search_query=ich+hock+in+meinem+bonker+original+video (letzter Zugriff: 10.6.2015). 15 Vgl. ‚Adolf, die Nazi-Sau – Ich hock‘ in meinem Bonker‘. In: Chartsurfer.de. URL: http://www.chartsurfer.de/artist/walter-moers-thomas-pigor/adolf-die-nazisau-ich-hock-in-meinem-bonkersong_fuehg.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). 16 Zu denken is die hierbei zum Beispiel an Bilder wie die von Hitler in Nürnberg, Hitler auf der ChampsElysées, oder Hitler in seinem Feriendomizil auf dem Obersalzberg. Vgl. Martin Loiperdinger, Rudolf Herz, Ulrich Pohlmann (Hg.): Führerbilder. Hitler, Mussolini, Roosevelt, Stalin in Fotographie und Film. München: Piper 1995. 17 Vgl. Charles P. Mitchell: The Hitler Filmography. Jefferson (North Carolina): McFarland & Company 2002. S. 1-2. 18 Vgl. Wilhelm Hofmann und Anna Baumert: ‚Hitler als Figur der psychologischen Medienforschung‘. In: Rainer Rother und Karin Herbst-Meßlinger (Hg.): Hitler darstellen. Zur Entwicklung und Bedeutung einer filmischen Figur. München: Richard Boorberg Verlag, 2008. S. 133-144. S. 134. 19 Wim Wenders: ‚Tja, dann wollen wir mal‘. In: Zeit.de. 21.10.2004. URL: http://www.zeit.de/2004/44/Untergang_n (letzter Zugriff: 10.6.2015). 5 am Anfang dieser Einleitung erwähnte Roman Er ist wieder da, der bis auf Platz 1 der Bestsellerliste der Zeitschrift Spiegel gelangte20, geriet bei seinem Erscheinen Ende 2012 in ähnliche Kritik. Die Deutschen, so Rudolf Dreßler, deutscher Botschafter in Israel, in einer Sendung der ARD-Talkshow Hart aber fair, haben hinsichtlich des Zweiten Weltkriegs eine Verantwortung der Welt gegenüber: Die Figur Adolf Hitler sollte immer ernst genommen, unter keiner Bedingung ‚entlarvt‘ werden.21 Das Darstellen Adolf Hitlers ist offenbar immer wieder Stoff zur Diskussion. Die Frage stellt sich im Hintergrund jedoch, was die (Verwendung der) Hitler-Figur in der populären Kultur tatsächlich kennzeichnet: Wie lassen sich die populärsten HitlerDarstellungen genau charakterisieren? In anderen Worten: Wie und warum wird der „größte Verbrecher aller Zeiten“ in diesen Fällen eigentlich dargestellt? Diese Studie versucht diese Frage zu beantworten in Bezug auf drei der populärsten deutschen Hitler-bezogenen Kunstwerke der letzten Jahre: Hirschbiegels Untergang, Gönnerts Ich hock‘ in meinem Bonker und Vermes‘ Er ist wieder da. Wie wird die Hitler-Figur in diesen Werken dargestellt? Zu welchen Zielen und mit welchen Mitteln wird sie aufgeführt? Auf welche Hitler-Bilder beziehen sich diese Darstellungen? Und woher stammen diese Bilder? Die Methodik zur Ausführung dieser Analyse liefern zwei französische Sozialphilosophen, die sich in ihren Werken beide weitgehend mit gerade dem Zustandekommen von Bilderdiskursen beschäftigen: Jean Baudrillard (1929-2007) und Maurice Halbwachs (1877-1945). Baudrillard bezeichnet in seinem Werk Simulacres et simulation (1981) Kunstwerke als ‚Simulakren‘, also Repräsentationen eines bestimmten Objekts. Manche Simulakren sind Repräsentationen anderer Simulakren, und haben deshalb streng genommen keine Bindung zur faktischen Welt.22 In Bezug auf die Analyse ist relevant, auf welche Objekte die besprochenen Hitler-Darstellungen tatsächlich Bezug nehmen: Beziehen sich die analysierten Hitler-Bilder (nur) auf eine historische Figur, oder (auch) aufeinander? Ein ähnlich hilfreicher Ansatz zur Analyse der Hitler-Bilder ist bei Maurice Halbwachs zu finden. In seinem postmortal publizierten Werk La mémoire collective (1950) vertritt Halbwachs die Ansicht, dass es bestimmte Ideen und Assoziationen gibt, die nicht nur Vgl. ‚Belletristik‘. In: Spiegel Online. 17.12.2012. URL: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-90157613.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). 21 Vgl. Hart aber fair: ‚Hitler als Witzfigur – worüber darf Deutschland lachen?‘. Talkshow im ARD. 25.02.2013. 22 Vgl. Jean Baudrillard: Simulacra and simulation [Simulacres et simulation, 1981]. Aus dem Französischen ins Englische übersetzt von Sheila Faria Glaser. Ann Arbor: University of Michigan Press, 1994. P. 3-7. Wird im laufenden Text weiter in Klammern mit dem Sigel ‚SaS‘ angegeben. 20 6 als individuelles Wissen, sondern auch als die Gedächtnisleistung einer Gruppe von Menschen zu bezeichnen sind. Dieses ‚kollektive Gedächtnis‘ ist ein soziales Konstrukt: Es nimmt keinen Bezug auf (historische) Fakte, sondern vielmehr auf geteilte, aus bestimmten sozialen und kulturellen Verhältnissen hervorgehende Weltansichten.23 Da zu behaupten ist, dass es auch im Fall-Hitler gewisse ‚kollektive‘ Bilder und Gedanken gibt, kann unter anderem die Frage sein, auf welche dieser gemeinsamen Ideen sich die drei zu besprechenden Kunstwerke beziehen. Eine ausführlichere Erklärung zur Methodik und Terminologie der Analyse findet sich in Kapitel 1. In Kapitel 2 ist eine Auseinandersetzung mit dem breiteren (Bilder-)Diskurs um die Figur Adolf Hitler zu finden, in der die Fragen beantwortet werden, wie man sich diese Figur üblicherweise vorstellt, und wonach sich die kollektiven Hitler-Bilder formen. In den Kapiteln 3, 4 und 5 finden sich Analysen zu dem Untergang, Ich hock‘ in meinem Bonker beziehungsweise Er ist wieder da, wobei jeweils die Frage ist, wie die besprochene HitlerDarstellung im betreffenden Kunstwerk zu charakterisieren ist. In Kapitel 6 findet sich schließlich eine Auseinandersetzung mit den interessantesten Parallelen zwischen den drei besprochenen Kunstwerken: Welche Gemeinsamkeiten kennzeichnen diese rezenten HitlerDarstellungen? 23 Vgl. Maurice Halbwachs: Das kollektive Gedächtnis [La mémoire collective, 1950]. Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Holde Lhoest-Offermann. Stuttgart: Ferdinand Enke, 1967. P. 66-71. Wird im laufenden Text weiter in Klammern mit dem Sigel ‚DKG‘ angegeben. 7 1. Halbwachs und Baudrillard - zur Methodik und Terminologie In diesem Kapitel findet sich eine Erklärung zu der für diese Untersuchung angewendeten Analysemethodik, und den dafür relevanten Begriffen. Die Methodik basiert auf Maurice Halbwachs‘ La Mémoire Collective und Jean Baudrillards Simulacres et Simulation und wird, wenn nötig, unter Erwähnung der jeweiligen Titel anhand weiterer Werke ergänzt oder erklärt. 1.1 Das kollektive Gedächtnis In seinem postum veröffentlichten Werk La Mémoire Collective (1950) vertritt der französische Soziologe Maurice Halbwachs (1877-1945) die Ansicht, dass bestimmte Ideen und Assoziationen nicht nur als individuelles Wissen, sondern auch als die Gedächtnisleistung einer Gruppe von Menschen zu bezeichnen sind: Neben der individuellen Erinnerung, so Halbwachs, gibt es ein kollektives Gedächtnis. Dieses kollektive Gedächtnis unterscheidet sich von der individuellen Erinnerung, indem es nicht aus individueller Perzeption, sondern vielmehr aus sozialer Zugehörigkeit hervorgeht: Es kommt recht häufig vor, dass wir uns selbst Vorstellungen und Überlegungen oder Gefühle und Leidenschaften zuschreiben […], die uns von unserer Gruppe eingegeben worden sind. Dann sind wir so gut auf unsere Mitmenschen abgestimmt, dass wir mit ihnen „im Gleichtakt schwingen“ und nicht mehr wissen, wo der Ausgangspunkt der Schwingungen liegt, ob in uns oder in den anderen. Wie oft bringt man dann nicht mit einer ganz persönlich scheinenden Überzeugung Überlegungen zum Ausdruck, die man einer Zeitung, einem Buch oder einer Unterhaltung übernommen hat? (DKG, S. 26-27). Das kollektive Gedächtnis ist der Rahmen des gemeinsamen Wissens einer bestimmten Gruppe, und enthält demnach Erinnerungsbildern, die nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Individuums existieren (DKG, S. 1-12). Obwohl diese Erinnerungsbilder durch Institutionalisierung zu geschichtlichen Fakten werden können (DKG, S. 66-71), nehmen sie nicht notwendigerweise Bezug auf dasjenige, was als ‚historisch korrekt‘ bezeichnet wird: „[D]as kollektive Gedächtnis ist nicht mit der Geschichte zu verwechseln“, so Halbwachs (DKG, S. 66). Vielmehr ist das kollektive Wissen als soziales Konstrukt zu charakterisieren: Die gemeinsame Erinnerungsbilder entsprechen der kulturellen Identität einer bestimmten Gruppe, und können an neue Mitglieder dieser Gruppe weitergereicht werden. Die Trennungslinie zwischen kollektiven und individuellen Erinnerungsbilder ist Halbwachs zufolge prinzipiell unklar. Alle individuellen Erinnerungen können zu kollektiven Erinnerungen werden und vice versa: 8 [U]nsere Erinnerungen [sind] kollektiv und werden uns von anderen Menschen ins Gedächtnis zurückgerufen – selbst dann wenn es sich um Ereignisse handelt, die allein wir durchlebt und um Gegenstände, die alle allein wir gesehen haben. Das bedeutet, dass wir in Wirklichkeit niemals allein sind. Es ist nicht notwendig, dass andere Menschen anwesend sind, die sich materiell von uns unterscheiden: denn wir tragen stets eine Anzahl unverwechselbarer Personen mit und in uns. (DKG, S. 2). 1.2. Simulakren und Simulation In seinem Schlüsselwerk Simulacres et Simulation (1981) reflektiert der französische Sozialphilosoph Jean Baudrillard (1929-2007) auf die Beziehung zwischen Bildern, Gesellschaft und Realität. Es gibt nach Baudrillard vier Arten oder Ordnungen24 eines Bildes: it is the reflection of a profound reality; it masks and denatures a profound reality; it masks the absence of a profound reality; it has no relation to any reality whatsoever: it is its own pure simulacrum. (SaS, S. 6). Nur ein Bild der ersten Ordnung ist das, was man in strengem Sinne als die ‚naturgemäße‘ Wiedergabe von einem Aspekt der Wirklichkeit charakterisieren könnte – Bilder der drei weiteren Ordnung bieten keine Repräsentationen eines ‚echten‘ Objektes, sondern bearbeitete Versionen dieses Objektes (die zweite Ordnung), beziehungsweise konstruierte Wahrheiten, die sich für bestimmte ‚echte‘ Objekte ausgeben (die dritte Ordnung), sowie Vorstellungen, die überhaupt in keinerlei Beziehung zur Wirklichkeit stehen (die vierte Ordnung). Die Bilder der letzten drei Kategorien bezeichnet Baudrillard als Simulakren [simulacres], die Wiedergabe eines nicht existenten Objektes als Simulation [simulation] (SaS, S. 6-7).25 In der (post)modernen Gesellschaft sind Simulakren wegen der Allgegenwärtigkeit der Medien nicht nur omnipräsent, sondern Baudrillard zufolge auch unmöglich von dem zu unterscheiden, was man als ‚Realität‘ bezeichnen würde: Simulakren spiegeln andere Simulakren. Es gibt folglich eine Genese der Simulakren [précession des simulacres]: Weil die Wirklichkeit und Simulationen der Wirklichkeit nicht differenzierbar sind, hat sich die Perzeption der Realität völlig nach Simulationen geformt. Die Landschaft definiert so nicht die Landkarte, sondern umgekehrt: Die Welt an sich wird durch simulierte Wirklichkeiten Die deutsche Fassungen der Baudrillard’schen Begrifflichkeiten sind der deutschen Übersetzung seines Werkes L’échange symbolique et la mort entnommen. Vgl. Jean Baudrillard: Der symbolische Tausch und der Tod [L’échange symbolique et la mort, 1976]. Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Gerd Bergfleth, Gabriel Ricke und Ronald Voullié. München: Matthes & Seitz 1982. S. 90. 25 Die Begriffe ‘Simulakrum’ und ‘Simulation’ werden von Baudrillard manchmal auswechselbar gebraucht. Vgl. u.a. SaS, S. 12-14. 24 9 erfahren. Die Qualifikationen ‚echt‘ und ‚unecht‘ sind inhaltlos – Simulationen sind überall (SaS, S. 1-3).26 Wenn eine Simulation zur ‚neuen‘ Wahrheit wird, ist die Rede von einer Hyperrealität [hyperréalité]. Eine Repräsentation ohne Referenten wird in diesem Szenario als ‚echt‘ erfahren. Ein Beispiel einer solchen Hyperrealität ist die Ökonomie. Die Ökonomie ist ein im Grunde ‚leeres‘ Symbol: Sie ist ein Modell, in dem auf Objekte wie aus Papier hergestellte Banknoten ein bestimmter ‚Wert‘ projiziert wird, über den sie streng genommen nicht verfügen. Trotz seiner Fiktionalität bildet dieses System jedoch unbestreitbar einen wichtigen Teil des gesellschaftlichen Lebens: Eine Simulation wird zur Realität. Auch beispielhaft in Bezug auf Hyperrealität ist Disneyland. Im Fall dieses Vergnügungsparks ist es aber nicht die Simulation an sich, die als Wirklichkeit verstanden wird, sondern ihre Implikation, dass die Welt außer Disneyland die ‚echte‘ ist. Simulationen beschränken sich laut Baudrillard nicht exklusiv auf Vergnügungsparks, sondern bestimmen überall im gesellschaftlichen Leben, wie man die Welt wahrnimmt und versteht. Disneyland ist demnach nicht nur als Simulakrum der zweiten (man könnte meinen, dass der Park eine Verarbeitung der amerikanischen Lebensweise bietet) und vierten (der Park zeigt Märchen), sondern vor allem als Simulakrum der dritten Ordnung zu bezeichnen: Disneyland prätendiert fiktional zu sein, was es aber nicht ist – nicht mehr, auf jeden Fall, als der Rest der Welt (SaS, S. 12-14). Das Konzept des Realen fungiert Baudrillard zufolge nicht selten als ‚Alibi‘ um gewisse Machtstrukturen zu schützen. Vgl. unter anderem SaS, S. 14-19. 26 10 2. Der Hitler-Diskurs27 Dieses Kapitel untersucht die Wirkung des Hitler-Diskurses. Wie stellt man (sich) Hitler üblicherweise vor? Wie erkennt man den Diktator? Welche Wesenszüge bringt man mit ihm in Verbindung? Und wonach formt sich das kollektive Hitler-Bild? 2.1 Einleitung In strengem Sinne ist ein Konzept wie ‚Identität‘ immer als ‚diskursiv‘ zu bezeichnen: Ein Objekt als etwas zu erkennen hat ja nicht nur mit dem Objekt an sich, sondern vielmehr mit der Beziehung zwischen Wahrnehmer und Objekt zu tun – einer Beziehung, in der sozial bestimmte Konventionen entscheidend sind. Anders formuliert: Es geht in der Wahrnehmung einer Figur nicht um die Merkmale, die diese Figur definieren, sondern um die Merkmale, von denen man es aus diskursiven Gründen gewohnt ist, dass sie die betreffende Figur definieren. Identität, so ist zu behaupten, ist ein Konstrukt.28 Vor allem beim Erkennen von einer Figur wie Adolf Hitler spielt dieses Prinzip eine große Rolle. Fast jeder, der den Namen des Diktators hört, ‚weiß‘, wer gemeint wird. Es kann daher durchaus behauptet werden, dass die Hitler-Figur dasjenige repräsentiert, was vom im vorigen Kapitel aufgeführten Soziologen Maurice Halbwachs als kollektives Erinnerungsbild bezeichnet wird: Man hört den Namen Hitler oder sieht ein bestimmtes Bild, und bezieht diese Wahrnehmungen auf die eigenen Vorstellungen der historischen Figur Adolf Hitler – Vorstellungen, die bei vielen durchaus ähnlich aussehen. Da man also - nicht unberechtigt - meinen könnte, dass das Erkennen der Hitler-Figur aus einem Diskurs hervorgeht, macht es hier Sinn, diesen Diskurs der Hitler-Bilder näher zu betrachten. Wie erkennt man, nach dem vorherrschenden Diskurs, Adolf Hitler? Wie sehen die kollektiven Hitler-Bilder aus, worauf sich auch die in den Kapiteln 3, 4 und 5 zu besprechenden Kunstwerke beziehen? In dieser Analyse den ganzen Hitler-Diskurs durchzuleuchten, wäre alleine schon wegen der fast unendlichen Zahl der verfügbaren Hitler-Bilder ein wenig zu ambitiös: Mit schon mehr als 3,2 Millionen Einträgen im online Video-Portal YouTube alleine, sind die als ‚Hitler-Bild‘ zu bezeichnenden Bilder fast allgegenwärtig. Ein zu mehr oder weniger generellen Erkenntnissen führender Durchblick bietet sich aufgrund eines Durchschnitts dieser Bilder jedoch schon. 27 Teile dieses Kapitels sind der Arbeit Diktator am Schirm. Zur Wahrnehmung der Fiktionalität bei Hitler entnommen. Vgl. Wouters 2014. S. 7-9, 21-24. 28 Vgl. Baudrillard 1982. S. 90. 11 Von den Grundlagen dieses kollektiven Hitler-Bildes handelt es in 2.2: Welche Merkmale braucht man, damit man etwas als Verweis auf Hitler erkennt? In 2.3 geht es um das kollektive Bild des ‚authentischen‘ Hitlers, und wird die Frage beantwortet, welche Wesenszüge dem Diskurs zufolge generell als Eigenheiten der historischen Figur Adolf Hitler anzudeuten sind. Um die Fragen, was im Allgemeinen die fiktionalen Darstellungen der Hitler-Figur kennzeichnet, und wie sich diese Adaptionen zu den kollektiven Bildern des ‚historischen‘ Hitlers verhalten, handeln sich schließlich 2.4 und 2.5. Was charakterisiert den Hitler-Diskurs? 2.2 Grundlagen des kollektiven Hitler-Bildes Die Frage „Wie erkennt man Adolf Hitler?“, so ergibt sich ziemlich schnell, lässt sich erstens und vor allem anhand eines einzigen körperlichen Merkmals beantworten: eines Schnurrbarts. Es wäre nicht unberechtigt, den kleinen, schwarzen Schnurrbart als bedeutendstes HitlerAttribut zu bezeichnen: Wo Hitler ist, ist der Schnurrbart, und - so ist zudem erkennbar - wo der Schnurrbart ist, ist Hitler. Der schwarze Schnurbart und, in geringerem Mäße, die schwarze Seitenscheitel bilden einen roten Faden durch die Mehrheit der als Hitler-Bild bezeichneten Bildnisse. Beispielhaft für die Wirkung des Hitler-Schnurrbarts sind die Abbildungen 3, 4, 5, 6 und 7. Die wiedergegebenen Bilder zeigen zwar keinen ‚authentischen‘ Hitler, haben aber schon bewiesen, im kollektiven Gedächtnis das Bild des Diktators hervorrufen zu können. Abbildung 2, zum Beispiel, zeigt ein Foto, das von der Internetseite Abb. 2: HitlerKatze. Catsthatlooklikehitler.com stammt – einer Site voller Fotos von Katzen, die in physischer Hinsicht, zumindest nach der Meinung der Website-Besucher, irgendwie Adolf Hitler ähneln.29 In Abbildung 3 ist der Umschlag des in Kapitel 4 näher zu betrachtenden Bestsellers Er ist wieder da (2012) zu sehen. Auch hier wird durch die Wiedergabe eines (in diesem Fall aus Buchstaben zusammengestellten) Abb. 3: HitlerSchnurrbarts in Kombination mit einer schwarzen Seitenscheitel eine Umschlag. Hitler-Assoziation hervorgerufen. Abbildung 4 zeigt eine Teekanne, die im Jahre 2013 von der amerikanischen Firma J.C. Penney ins Sortiment aufgenommen wurde. Wegen ihrer angeblichen Ähnlichkeiten mit Adolf Hitler entwickelte sich diese Kanne bald zu einem 29 Vgl. Catsthatlooklikehitler.com. 12 Kultobjekt, und wurde gleich darauf aus dem Handel genommen.30 Die Teekanne verfügt auf dem Foto nicht nur über Schnurrbart und Seitenscheitel, sondern scheint mit ihrer Tülle sogar einen Hitlergruß abzubilden. In Abbildung 5 ergibt sich, dass auch schon relativ bekannte Figuren wie der russische Präsident Vladimir Putin durch Hinzufügung einer gewissen Frisur zu einer erkennbaren Hitler-Figur gemacht werden können.31 Ähnliches passiert in Abbildung 6, in diesem Fall jedoch auf eigene Initiative der ‚hitlerisierten‘ Person. PegidaParteivorsitzender Lutz Bachmann posiert auf diesem Anfang 2015 im sozialen Netzwerk Facebook aufgefundenen Foto mit ‚klassischer‘ Hitler-Frisur. Der Verweis auf Hitler sei hier – nach Abb. 4: Hitler-Teekanne. Angaben des Protagonisten – als „Scherz“ gemeint: „Ich hatte das Foto zur Veröffentlichung des Satire-Hörbuchs von Er ist wieder da beim Friseur geknipst und [Hörbuchsprecher, CW] Christoph Maria Herbst auf die Pinwand gepostet“, wurde der Abb. 5: Hitler-Putin. 32 Politiker zitiert. Die ungewollte Veröffentlichung des ‚scherzhaften‘ Fotos stellte Bachmann jedoch ins Zentrum der öffentlichen Kritik, wobei auch die rechte Abb. 6: Hitler-Bachmann. Signatur seiner Partei eine Rolle zu spielen schien: „Wer sich in der Politik wie Hitler maskiert, ist entweder ein ziemlicher Idiot oder ein Nazi“, so SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel.33 Bachmann trat (zwar zeitlich) als Pegida-Vorsitzender zurück – ein Zeichen dafür, was eine einfache Frisur bedeuten kann. Nicht nur rein visuelle Aspekte können zu den Grundlagen einer auf Hitler verweisenden Figur gezählt werden, sondern auch bestimmte auditive Elemente. Hierbei ist vor allem zu denken an diejenige Sprechweise, die im kollektiven Gedächtnis als Sprachduktus des ‚Führers‘ gilt. Wer den Diktator verbal zu imitieren versucht, bedient sich durchaus eines Sprachduktus, der von einer charakteristischen, generell Hitler Vgl. ‚Das Ende der Hitler-Teekanne‘. N24.de. 30.5.2013. URL: http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Panorama/d/2922574/das-ende-der-hitler-teekanne.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). 31 Vgl. Jan Hunin: ‚“Vladimir Poetin is de nieuwe Adolf Hitler“‘. In: Volkskrant.nl. 14.3.2014. URL: http://www.volkskrant.nl/vk/nl/30323/Onrust-in-Oekraine/article/detail/3607100/2014/03/04/Vladimir-Poetin-isde-nieuwe-Adolf-Hitler.dhtml (letzter Zugriff: 10.6.2015). 32 ‚Pegida-Gründer spielt Hitler‘. In: FAZ.net. 21.1.2015. URL: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/lutzbachmann-pegida-gruender-spielt-hitler-13382531.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). Bachmanns Darstellung wurde von Herbst später durch dessen Anwalt dementiert. Vgl. ‚Pegida-Gründer Bachmann verteidigt HitlerFoto auf Facebook als Spaß‘. In: Focus Online. 21.1.2015. URL: http://www.focus.de/politik/deutschland/umstrittenes-selfie-nur-spass-pegida-gruender-verteidigt-hitlerfoto_id_4418414.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). 33 ‚Pegida-Gründer spielt Hitler‘. 30 13 zugeschriebenen Betonung der Worten geprägt wird. Als beispielhaft für diese spezifische Interpretation des Hitler’schen Sprechens können unter anderem Hitler-Imitationen etlicher Kabarettisten34 bezeichnet werden, wie auch ein bis vor kurzem im Internet verfügbares Sprachprogramm namens Hitlerizer, das einen beliebigen Text unter anderem durch Hinzufügung rollender ‚R‘s‘ ‚hitlerisiert‘35. Auch im verbalen Bereich gilt also, dass die Frage, inwieweit eine Hitler-Imitation überhaupt dem des ‚historischen‘ Diktators ähnelt, für eine gelungene Hitler-Imitation eigentlich nur in geringem Maße relevant ist: Man braucht nur einfache Grundlagen, um im kollektiven Gedächtnis das Bild der historischen Figur Adolf Hitler hervorzurufen. 2.3 Die ‚historische‘ Hitler-Figur Die obenstehenden Beispiele illustrieren, dass eine Figur nur ein paar Merkmale (eine HitlerFrisur, eine gewisse Körperhaltung, eine bestimmte Art und Weise des Sprechens) braucht, um im kollektiven Gedächtnis Adolf Hitler hervorzurufen, und daher als Hitler-Figur zu gelten. Als Bilder des ‚echten‘ Hitlers werden eine Teekanne oder ein Buchumschlag von den meisten wahrscheinlich aber nicht wahrgenommen. Wie ist nach dem heutigen Diskurs dieser ‚authentische‘ Hitler zu charakterisieren? Eine Antwort auf diese Frage liegt in den Bildern der historischen Figur Adolf Hitler, und in deren Verarbeitung in zum Beispiel Dokumentarfilmen. Hitler kennt man demzufolge als ein meist uniformierter, mit Schnurrbart und Seitenscheitel versehener, deutschsprachiger Mann, der nicht nur sein Volk einen Gruß mit seinem eigenen Namen Abb. 7: Adolf Hitler in Leni Riefenstahls Triumph des Willens (1935). verwenden lässt, sondern auch während emotionaler Reden, wie es Hitler-Biograph Joachim Fest bezeichnet, als „große[r] Demagoge“ Ideen und Worten „als Instrumente“ verwendet36. Ikonische Bilder bilden diesbezüglich zum Beispiel Hitlers von unter anderem Fotografen Heinrich Hoffmann37 und Filmregisseurin Leni Riefenstahl38 verewigten Reden in Nürnberg (siehe Abbildung 7). Vgl. u.a. ‚Harald Schmidt als Hitler verkleidet‘. In: Youtube.com. 6.11.2006. URL: https://www.youtube.com/watch?v=yCLralhpcdI (letzter Zugriff: 10.6.2015). 35 Vgl. Daniel Erk: ‚Es geht om Doitschland‘. In: Hitler-Blog. 15.10.2006. URL: http://blogs.taz.de/hitlerblog/2006/10/15/es-geht-om-doitschland/ (letzter Zugriff: 10.6.2015). 36 Joachim Fest: Hitler. Eine Biographie. Zweiter Band (‚Der Führer‘). Berlin: Propyläen 1978. S. 1041 37 Hoffmann (1885-1857) galt als bevorzugter Fotograf Hitlers, und war für einen großen Teil der offiziellen Hitler-Fotos verantwortlich. Vgl. Loiperdinger 1995. 38 Vgl. Leni Riefenstahl (Regie, Produktion): Triumph des Willens. Dokumentarfilm. Deutschland: Leni Riefenstahl-Produktion, 1935. 34 14 Zu den etwas weniger bekannten (wobei ‚etwas weniger bekannt‘ hier als relative Andeutung gelten soll), nichtsdestotrotz aber im kollektiven Gedächtnis gespeicherten, ‚kanonischen‘ Merkmalen des historischen Hitlers können unter anderem die ihn kennzeichnenden Körperhaltungen, etliche biographische ‚Fakten‘ wie Hitlers (historisch belegte) Vorliebe für Kuchen39 und die Opern Wagners40, und Zitate wie „Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen!“41 gerechnet werden. Weiterhin ist der ‚echte‘ Hitler im kollektiven Gedächtnis eng verknüpft mit seinem aus mittlerweile ebenfalls als ‚ikonisch‘ zu bezeichnenden Figuren bestehenden Umfeld: Propagandaminister Joseph Goebbels, Reichsmarschall Hermann Goering, SS-Führer Heinrich Himmler, dem italienischen Duce Benito Mussolini, Architekten Albert Speer, Eva Braun oder sogar Blondi, dem Hund des Diktators. Eines der wichtigsten im kollektiven Gedächtnis mit dem Namen ‚Adolf Hitler‘ assoziierten Konzepte bildet jedoch dasjenige, was den ‚Führer‘ vielen zufolge bis heute zum ‚Symbol des Bösen‘ machen wird: seine Ideologie. Unumgänglich im Hitler-Diskurs ist die durch unter anderem Militarismus und ausgeprägten Antisemitismus gekennzeichnete nationalsozialistische Politik, und Hitlers spezifische Rolle innerhalb dieser Politik: Da [der Faschismus] in so hohem Maße Reaktion und verzweifelter Abwehrreflex ist, liegt es in der Natur seines Wesens, dass die Voraussetzungen, auf die er gründet, nur Voraussetzungen sind; das heißt, faschistische Bewegungen bedürfen, stärker als andere politische Gruppierungen, des überragenden Führers. Er sammelt die Ressentiments, bezeichnet die Feinde, verwandelt die Depression in Rausch und bringt die Schwäche zum Bewusstsein ihrer Kraft. 42 Adolf Hitler als berechnender Volksverführer, rücksichtloser Diktator, Megalomaner, eigenartiger Redner, Symbol des Bösen, Antisemit, Tierfreund und/oder Wagner-Fan – alles dominante Vorstellungen über die historische Figur Hitler. Inwieweit widerspiegeln sich diese Ideen in den fiktionalen Darstellungen Hitlers? 2.4 Die fiktionale Hitler-Figur Zahlreicher noch als die Auftritte des ‚authentischen‘ Hitlers sind die fiktionalen Darstellungen des Diktators. Da diese unzähligen (künstlerischen) Adaptionen der Figur ‚Adolf Hitler‘ – sei es nur wegen der Diskussionen um den rezenten „Hitler-Boom“ - einen unumgänglichen Beitrag leisten zu demjenigen Diskurs, mit dem auch die in den Kapiteln 3, 4 Fest 1978 (‚Der Führer‘). S. 992. Vgl. u.a. Ian Kershaw: Hitler 1936-1945: Nemesis. London: Penguin 2000. S. 13, 16. 41 Hitler am 1. September im Reichstag zum Anfang des Polenfeldzugs. 1978 (‚Der Führer‘). S. 823. 42 Fest 1978 (‚Der Führer‘). S. 1041. 39 40 15 und 5 zu besprechenden Kunstwerke eng verknüpft sind, wäre eine Betrachtung des Durchschnitts der Hitler-Bilder ohne Bezugnahme auf die fiktionalen Diktator-Vorstellungen alles andere als vollständig. Zu welchen allgemeinen Erkenntnissen führt diese Bezugnahme? Und wie verhält sich der fiktionale Hitler generell zum ‚authentischen‘ Hitler? Im Feld der künstlerischen Hitler-Darstellungen gibt es Filmwissenschaftlerin Margrit Fröhlich zufolge „im wesentlichen“ zwei Zugänge: die „um Geschichtsdeutung und Aufklärung bemühte ernsthafte Auseinandersetzung“ einerseits, den respektlose[n], subversive[n] Umgang […]“ andererseits. Beide Darstellungsarten würden sich unterschiedlich zum Führerbild der NS-Propaganda verhalten: Die „ernsthafte Auseinandersetzung“ bediene sich einer „realistischen oder pseudorealistischen Rekonstruktion historischer Ereignisse“, während die „subversive“ Darstellung der HitlerFigur „bevorzugt die burleske Karikatur und das Lächerlichmachen als wirksame Mittel“ einsetze.43 Obwohl Fröhlichs Unterschied, wie in §2.5 zu lesen sein wird, prinzipiell nicht zu behaupten ist, reicht er im Rahmen dieses Kapitels nichtsdestotrotz als provisorischer Ausgangspunkt für eine – wiederum – unmöglich zu vervollständigende, aber dennoch zu generellen Erkenntnissen führende Übersicht über das (breite) Spektrum der fiktionalen Hitler-Darstellungen.44 2.4.1 Der ‚subversive‘ Hitler An erster Stelle zu besprechen in dieser Übersicht ist der nach Fröhlich als ‚subversiv‘ zu bezeichnende Zugang zur Hitler-Figur. Als besonders beispielhaft für diese Gattung der Führer-Adaptionen kann ihr als ältester kommerziell erfolgreicher45 – und, nach vieler Behauptung, einflussreichster46 – Exponent bezeichnet werden: Charlie Chaplins Spielfilm The Great Dictator (USA, 1940). In diesem 124 Minuten dauernden und heutzutage als fester Vgl. Margrit Fröhlich: ‚Tot oder lebendig. Hitler als Figur im Spielfilm‘. In: Rainer Rother und Karin HerbstMeßlinger (Hg.): Hitler darstellen. Zur Entwicklung und Bedeutung einer filmischen Figur. München: Richard Boorberg Verlag, 2008. S. 13-33. S. 13-14. 44 Der Spielfilm Der Untergang, der Internetclip Ich hock‘ in meinem Bonker und der Roman Er ist wieder da sind in diese Übersicht nicht oder nur indirekt aufgenommen, und werden in den Kapiteln 3, 4, 5 und 6 ausführlich besprochen. Ebenfalls außer Betracht gelassen werden, ihrer relativen Obskurität wegen, pornografische und rechtsextreme Hitler-Darstellungen. Vgl. Mitchell 2000. S. 2; Sonja M.: ‚Hitler 2.0. Der Diktator im Internet‘. In: Rainer Rother und Karin Herbst-Meßlinger (Hg.): Hitler darstellen. Zur Entwicklung und Bedeutung einer filmischen Figur. München: Richard Boorberg Verlag, 2008. S. 86-100. S. 95-97. 45 Vgl. Mitchell 2000 46 Vgl. u.a. Mitchell 2000: S. 78-81; Fröhlich 2008: 20-22. 43 16 Teil des kinematographischen Kanons geltenden47 Film spielt der (zudem für Regie und Szenario verantwortliche) amerikanische Komiker Charlie Chaplin sowohl einen jüdischen Friseur als auch einen Hitler ähnelnden Diktator namens Adenoid Hynkel.48 Die von Chaplin dargestellte Hitler-Figur bezieht sich hierbei aus gegenwärtiger Sicht nachdrücklich auf mehrere der in §2.2 und §2.3 erwähnten Hitler-Vorstellungen. Wer sich den Spielfilm – der sich, wie im Vorspann erwähnt wird, zwischen zwei Weltkriegen abspielt - anschaut, stößt bei Adenoid Hynkel auf die ‚Basismerkmale‘ einer Hitler-Figur: den Schnurrbart und die Seitenscheitel. Chaplins Diktator trägt zudem eine Uniform, ist überzeugter Antisemit, lässt sich mit „Hail Hynkel!“ begrüßen, und arbeitet in einem Palast – allesamt Merkmale, die auf das (zumindest) heutzutage gültige kollektive Bild des ‚authentischen‘ Hitlers verweisen. Besonders beispielhaft für die Beziehung des Chaplin-Films zum Bild des ‚echten‘ Hitlers sind Szenen wie die, worin Hynkel eine öffentliche Rede hält. Szenen wie diese sind fast als ‚Bildzitate‘ zu betrachten: Viele Elemente um die im Film dargestellte Rede verweisen mehr oder weniger direkt auf diejenigen Reden, die den ‚echten‘ Hitler im kollektiven Gedächtnis kennzeichnen. Wer sich von Hynkels Rede in The Great Dictator zum Beispiel nur die Inszenierung anschaut, wird wahrscheinlich schon bewusst oder unbewusst an bestimmte historische Bilder erinnert (vgl. Abbildungen 8 und 9). Auch bezüglich der Rede an sich werden einige im heutigen Diskurs übliche Bilder Hitlers aufgerufen: Heftig gestikulierend redet Chaplins Diktator in höchst emotionaler Weise, wobei ihm die anwesende Menschenmasse regelmäßig zujauchzt. Das Abb. 8: Adenoid Hynkel in The Great Dictator… Abb. 9: … Adolf Hitler bei einem NSDAP-Ortsgruppenfeier. soziale Umfeld des Diktators besteht unterdessen aus Figuren wie Garbitsch – einer, der nicht nur durch das von ihm bekleideten Amt des Propagandaministers, sondern auch seines Äußeres und seines Namens wegen den ‚echten‘ Propagandaminister des Dritten Reichs, Vgl. u.a. Charles Robert Cole: ‚Anglo-American Anti-fascist Film Propaganda in a Time of Neutrality: „The Great Dictator“ (1940)’. In : Historical Journal of Film, Radio and Television 21:2 (2001). S. 137-152; Adrian Daub: ‚"Hannah, can you hear me?" : Chaplin's "Great Dictator", "Schtonk", and the vicissitudes of voice’. Criticism 51:3 (2009). S. 451-482. 48 Vgl. Charlie Chaplin (Produzent, Regisseur): The Great Dictator. Spielfilm. USA: United Artists, 1940. 47 17 Joseph Goebbels, in Erinnerung ruft - Kriegsminister Herring (Goering?) und einem in italienischem Akzent sprechenden Staatsoberhaupt namens Napaloni (Mussolini?). Chaplin stellt seinen Diktator als selbstverliebte, sich selbst inszenierende, megalomane Figur dar, die mehrmals zum gleichen Zeitpunkt für sowohl einen Maler als auch für einen Bildhauer posiert, und ständig das besuchende Staatsoberhaupt Napaloni psychologisch zu erniedrigen versucht. Illustrativ ist auch die Szene, in der Hynkel unter den Klängen von Wagners Lohengrin – einem Verweis auf den bevorzugten Komponisten des ‚echten‘ Hitlers - fast kindisch mit einer Weltkugel tanzt, bis dieser ihm schließlich unter den Händen zerplatzt. Kennzeichnend für Chaplins Hitler-Darstellung ist zudem die Bearbeitung des emotionalen Hitler’schen Sprechens, in dem keine Botschaft – oder überhaupt Kohärenz erscheint, und nur ab zu Wörter wie „Schnitzel“, „Wurst und “Katzenjammer“ erkennbar sind. Obwohl sich der Protagonist des Great Dictator in vielerlei Hinsicht klar auf die historische Figur Adolf Hitler bezieht, wird man ihn durchaus nicht als punktgenaue Kopie dieser Figur betrachten. Vielmehr handelt es sich in Chaplins Film um eine Adaption, wobei die Diktator-Figur durch Hervorhebung - oder vielleicht sogar Hinzufügung? - bestimmter Wesenszüge (Eitelkeit, fast infantiler Megalomanie) lächerlich gemacht wird. Zudem wirkt die Hitler-Figur in The Great Dictator komisch (oder sogar ‚entlarvt‘), indem sie in Situationen gezeigt wird, die kontrastieren mit dem Bild des ‚monumentalen‘ Hitlers: Es findet eine Neukontextualisierung des Diktators statt. Die gezielte Übertreibung und Neukontextualisierung Abb. 10: ‚Respektlose‘ Neukontextualisierung der Hitler-Figur: In Trainingsanzug… der historischen Figur Adolf Hitler bilden Elemente, die generell in jedem als ‚respektlose‘ Auseinandersetzung mit dem ‚Führer‘ zu bezeichnenden Kunstwerk aufzufinden sind. In Dani Levys populärer Komödie Mein Führer – die wirklichste Wahrheit über Adolf Hitler (2007) wird Hitler zum Beispiel unter anderem in unvorteilhaftem Abb. 11: …und in der Badewanne. Trainingsanzug (Abbildung 10) und mit einer Modellschiff in einer Badewanne gezeigt (Abbildung 11) 49, während er in Mel Brooks‘ im Jahre 2005 neuverfilmten The Producers (USA, 1968) begleitet von einem SS-Showballet in einem Dani Levy (Regie), Stefan Arndt (Produktion): Mein Führer – die wirklichste Wahrheit über Adolf Hitler. Spielfilm. Deutschland: X Filme 2007. 49 18 Musical auftaucht.50 Im Videoclip zum Song To Be or Not to Be (The Hitler Rap) rapt der Regisseur des letztgenannten Films in der Rolle Adolf Hitlers über die wichtigsten Ereignisse im Leben des Diktators. Hierbei ist zu sehen, wie der ‚Führer‘ Breakdance macht.51 Mit dem schon in §2.2 erwähnten Hitlerizer wird die Figur Hitler auf einen für ihn charakteristisch geachteten Sprachduktus reduziert und in einem neuen Kontext dargestellt, Abb. 12: Adolf Hitler mit seinem Bruder Peter. indem man ‚‘Hitler‘ jeden beliebigen Text aussprechen lassen kann. In der amerikanischen Zeichentrickserie Family Guy wird gezeigt, wie Hitler während einer Rede in München von seinem dicken Bruder Peter geärgert wird (Abbildung 12) . Dieser bringt schließlich das Volk zum Jubeln, indem er „Free beer on this Motherführer!“ durch das Mikrofon ruft.52 Dass sich die scherzhaft gemeinte Neukontextualisierung der Hitler-Figur offenbar auch in weniger gelungener Form präsentieren kann, zeigt schließlich der Fall Lutz Bachmann (siehe §2.2). Dass eine groteske, unrealistische Hitler-Darstellung nicht immer eindeutig ‚lustig‘ gemeint zu sein braucht, zeigt das Beispiel des amerikanischen Computerspiels Wolfenstein. Im Spiel tritt ein Zombie-Hitler als Antagonist des Spielers auf.53 Obwohl in hohem Maße fraglich sein darf, inwieweit hier von einer programmatischen Entmystifizierung des ‚Führers‘ die Rede ist, wird der Diktator in diesem Fall, ähnlich wie bei den eindeutig satirisch gemeinten Hitler-Darstellungen, in einer gewissen Weise karikiert, indem sein Ruf als idealer Bösewicht ad absurdum geführt wird. 2.4.2 Der ‚ernsthafte‘ Hitler Während es sich bei den als ‚respektlos‘ zu bezeichnenden ‚Führer‘-Darstellungen im Allgemeinen um nicht selten scherzhaft intendierte Neukontextualisierungen und Übertreibungen der historischen Figur Adolf Hitler handelt, sind bei den von Fröhlich als „ernsthaft[…]“ charakterisierten Auseinandersetzungen mit dieser Figur im Allgemeinen andere Tendenzen wahrnehmbar. Als beispielhaft für diese Tendenzen kann hier der – wie The Great Dictator mittlerweile als ‚kanonisch‘ zu bezeichnenden54 - Spielfilm Der letzte Akt 50 Vgl. Mel Brooks (Regie), Sidney Glazier (Produktion): The Producers. USA: Embassy Pictures, 1968. Vgl. Mel Brooks (Regie): To Be or Not to Be (The Hitler Rap). Videoclip. USA: Island Records, 1983 52 Vgl. Zac Moncrief (Regie), Seth MacFarlane (Produktion): Family Guy, Saison 4, Folge 27 (‚The Griffin Family History‘). Animation. USA: 20th Century Fox Television 2006. 53 Vgl. id Software: Wolfenstein. Computerspiel. USA: Raven Software 2009. 54 Vgl. unter anderem Andreas Kilb: ‚Ein Mahnmal, ein Reißer, ein Meisterwerk? Das Ende Adolf Hitlers: Der letzte Akt von Georg Wilhelm Pabst und Der Untergang von Oliver Hirschbiegel im Vergleich‘. In: Margrit Fröhlich, Christian Schneider, Karsten Visarius (Hg.): Das Böse im Blick. Die Gegenwart des Nationalsozialismus im Film. München: Edition Text + Kritik 2007. S. 87-97; Mitchell 137-139. 51 19 (BRD, 1955) aufgeführt werden. Georg Wilhelm Pabsts Drama – der erste deutschsprachige Film, in dem Hitler von einem Schauspieler dargestellt wird55 - handelt vom in der Filmgeschichte öfter adaptierten (siehe Kapitel 3) Motiv der letzten zehn Tage Hitlers in seinem Bunker in Berlin.56 Dass sich Der letzte Akt – zumindest programmatisch – von den ‚respektlosen‘ Auseinandersetzungen mit der Figur Hitler unterscheidet, zeigt unter anderem der erste Text im Vorspann zum Film: Dieser Film erzählt die Geschichte einer Zeit, wie sie war und nie mehr wiederkehren darf. Berichte der Überlebenden und geschichtliche Quellen lieferten den Stoff für die Gestaltung des Drehbuches. Inwieweit die in Pabsts Film wiedergegebenen Ereignisse und Figuren wirklich als geschichtlich völlig akkurat zu bezeichnen sind, gilt als umstritten.57 Anders als bei zum Beispiel The Great Dictator gibt es hier jedoch anscheinend den Anspruch, irgendwie ein (zum größten Teil) geschichtlich untermauertes‚ wahrhaftes‘ Bild der Figur Adolf Hitler wiederzugeben, wie auch die Absicht, sie zu deuten. Hierbei wird in vielerlei Hinsicht enger Bezug genommen auf das in §2.3 skizzierte (zumindest zum heutigen Tag gültige) kollektive Bild des ‚echten‘ Diktators als bei den ‚subversiven‘ Hitler-Darstellungen. Weiterhin wird dieses Bild nicht in einer ‚burlesken‘, sondern eher in einer als ‚tragisch‘ zu bezeichnenden Weise adaptiert. Beispielhaft ist diesbezüglich eine Szene in Pabsts Film, in der sich Hitler (Albin Skoda) alleine in seinem Arbeitszimmer im Bunker einem – historisch belegten58 – Porträt des preußischen Königs Friedrich des Großen gegenüber in einer ‚hitlerisch‘ anmutenden Rede verliert (Abbildung 13). Anders als bei den bekannten Reden Hitlers ist hier Ratlosigkeit, und sogar Manie spürbar, indem der Diktator mit seinem Ende in Sicht mit sich selbst redet. Skoda erklärte zu seiner Hitler-Darstellung: „Die äußere Abb. 13: Albin Skoda als Adolf Hitler (Der letzte Akt). Erscheinung meines Hitlers gleicht zwangsläufig nicht dem Führer der Parteitage, Paraden und Postkarten, meinem Hitler fehlen Posen und Pathos. Ohne Masken und ohne Nerven wütet er im Bunker unter der zerstörten 55 Vgl. Fröhlich 2008. S.14-15. Vgl. Georg Wilhelm Pabst (Regie), Carl Skozoll (Produktion): Der letzte Akt. BRD, Österreich: CosmopolFilm 1955 57 Vgl. Mitchell 2000. S. 139. 58 Vgl. Fest 1978 (‚Der Führer‘). S. 991. 56 20 Reichskanzlei, ein Vernichteter mit krummem Rücken, mit schleppendem Fuß, das schlurfende Wrack eines Tyrannen. […] Mein Hitler ist ein Demaskierter ohne Gloriole“.59 Ziel des Regisseurs sei es mittlerweile gewesen, „[…] die Shakespearsche Tragödie des Menschen Hitler und seiner letzten Tage [zu] gestalten“.60 Der letzte Akt kann hinsichtlich seiner Absichten in Bezug auf die Hitler-Figur als exemplarisch für eine bestimmte Kategorie der Hitler-Darstellungen angesehen werden, der auch ein Spielfilm wie Valkyrie (2008)61 zuzuordnen ist. In den dieser Kategorie zugehörigen Kunstwerken wird durchaus – nicht selten mithilfe des ‚Authentizitätsgestus‘ der geschichtlichen Fakten – versucht, die Figur Hitler in irgendeiner Weise zu deuten. Sie wird ‚hinter den Kulissen‘ gezeigt, und mithin – wie sich zeigt am Beispiel von Pabsts Film psychologisiert. Hierbei werden oft ‚menschliche‘ Eigentümlichkeiten auf den Diktator projiziert, die den Archivbildern des rücksichtlosen, furiosen Redners zwar nicht immer direkt entsprechen, aber trotzdem mit diesen Bildern in Verbindung zu setzen sind. Vermeintliche Wesenszüge Hitlers werden aufgegriffen, um im jeweiligen Kunstwerk einen ‚glaubwürdig‘ geachteten Hitler darzustellen – eine Figur, die dementsprechend nicht allzu sehr vom kollektiven Bild des Diktators abweicht, aber nichtsdestotrotz dasjenige repräsentiert, was als eine ‚interessant‘ zu bezeichnende dramatische Figur definiert. 2.5 Hitler-Simulakren Wie schwierig die von Fröhlich vorgeschlagene Dichotomie zwischen „ernsthaften“ und „subversiven“ Hitler-Darstellungen zu verteidigen ist, zeigt sich anhand des Beispiels von Oliver Hirschbiegels in Kapitel 3 zu besprechenden Spielfilm Der Untergang - einem Film, den man im Grunde durchaus als ‚ernsthafte‘ Auseinandersetzung mit Adolf Hitler charakterisieren würde. Zahlreiche einzelne Szenen aus dem Film sind im Internet aufzufinden, manchmal mit anderssprachigen Untertiteln. Oft geht es hierbei um (mehr oder weniger) korrekte Übersetzungen der jeweiligen Szenen, nicht selten aber auch um gezielte Persiflagen, in denen zwar der gesprochene Originaltext erhalten geblieben ist, dieser Text in den Untertiteln aber als ernsthafte Auseinandersetzung mit einem Thema wie der ‚Größer Schauspieler als Hitler! Burgschauspieler Albin Skoda spielt in dem Cosmopol-Film der Columbia die Rolle Adolf Hitlers‘. In: Columbia Filmgesellschaft mbH (Hg.): Columbia hilft werben! Presseheft zum Spielfilm Der letzte Akt. Heidelberg: Columbia 1955. Zitiert in: Fröhlich 2008. S. 16. 60 Zitiert in Kilb 2007. S. 88. 61 Vgl. Bryan Slinger (Regie, Produktion), Christopher McQuarrie (Produktion): Valkyrie. Spielfilm. USA: United Artists 2008. 59 21 Fußballweltmeisterschaft in Brasilien (2014)62 oder Pferde-Viagra63 übersetzt wird. Der Effekt: Hitler erlebt in seinem Bunker einen emotionalen Wutausbruch, während dem er seinen Generälen das Ignorieren seiner Befehle vorwirft. Den Untertiteln zufolge beschwert sich der ‚Führer‘ jedoch darüber, dass die Generale im Toto fälschlich auf einen 5:1-Sieg von Spanien gegen die Niederlande gewettet haben. Eine angeblich ‚ernsthafte‘ Auseinandersetzung mit der historischen Figur Adolf Hitler wird demzufolge durch Hinzufügung einer Unterschrift zu einer Satire, in der die Hitler-Figur, indem sie sich über Themen wie Viagra aufregt, eine Neukontextualisierung erfährt. Da die Tatsache, dass der gesprochene Text nicht mit den Untertiteln übereinstimmt, hierbei für ein nichtdeutschsprachiges Publikum nicht erkennbar zu sein braucht, ist ein Unterschied zwischen Ernst und Satire hier in manchen Fällen nicht oder kaum festzustellen. Es darf sogar angezweifelt werden, ob dieser Unterschied in Bezug auf HitlerDarstellungen überhaupt festzustellen ist. Diejenigen Elemente, die als Merkmale einer Hitler-Satire bezeichnet werden können – ein beabsichtigter komisch-kritischer Effekt, Übertreibung, Neukontextualisierung – sind innerhalb eines Kunstwerks prinzipiell ja nicht objektiv als solche erkennbar. Eine gewisse Absicht, zum einen, lässt sich nur aus (im Grunde arbiträr zu interpretierenden64) Symbolen erschließen. Das Erkennen von sowohl Übertreibung als auch Neukontextualisierung, zum zweiten, gründet bezüglich der HitlerFigur auf einem objektiven Unterschied zwischen dem ‚authentischen‘, vom jeweiligen Kunstwerk zu kritisierenden Hitler einerseits und einem fiktionalen, burlesken Hitler andererseits. Gerade diese Grenze ist jedoch vage. Dass das kollektive Bild des ‚authentischen‘ Hitlers nicht nur auf historischem Material gründet, sondern auch von Hitler-bezogener Fiktion beeinflusst wird, ist evident: Fast alle Bilder mit dem ‚authentischen‘ Hitler sind Propagandafilme65, demnach in gewissem Maße inszeniert, und daher in strengem Sinne als eine Art Fiktion zu bezeichnen. Zudem ist durchaus zu behaupten, dass (fiktionale) Filme, Bücher und Fernsehserien über Hitler einen bestimmten Einfluss auf historische Studien nach dem, und daher auf den Diskurs um den ‚echten‘ Hitler ausüben.66 Vgl. ‚Hitler voorspelt WK wedstrijd Spanje Nederland‘ [sic]. Internetclip. In: Youtube.com. 14.6.2011. URL: https://www.youtube.com/watch?v=YBdmNGPR7tM (letzter Zugriff: 10.6.2015). 63 Vgl. ‚Hitler takes too much Viagra‘. Internetclip. In: Youtube.com. 6.9.2011. URL: https://www.youtube.com/watch?v=wAqyWpBo9OU (letzter Zugriff: 10.6.2015). 64 Vgl. Baudrillard 1982. S. 90. 65 Vgl. Fröhlich 2008. S. 13-14. 66 Vgl. Michael Wildt: ‚Hitler goes Fiction. Hitler-Filme und Geschichtswissenschaft’. In: Rainer Rother und Karin Herbst-Meßlinger (Hg.): Hitler darstellen. Zur Entwicklung und Bedeutung einer filmischen Figur. München: Richard Boorberg Verlag 2008. S. 113-120. 62 22 Es ist daher fraglich, inwieweit die in 2.3 erwähnten kollektiven Bilder dem historischen Hitler entsprechen, oder Hitler-bezogener Fiktion entstammen. Verweist Chaplin in The Great Dictator zum Beispiel auf Hitler-Bilder, die schon kollektive Bilder sind, oder macht er sie zu kollektiven Bildern, indem er auf sie verweist? Reproduziert Chaplin gewisse Hitler-Bilder, oder produziert er sie? Ist Pabsts Hitler nicht ebenso karikaturistisch wie Adenoid Hynkel? Eine Antwort auf diese Fragen ist kaum festzulegen. Zu behaupten ist aber schon, dass – auch wegen der in Bezug auf die historische Figur Adolf Hitler gültige Dominanz der Propagandabilder - eine ‚wahrhafte‘ Hitler-Adaption zudem eine Adaption anderer Hitler-Adaptionen, und dementsprechend irgendwie eine Repräsentation des vom Diskurs erschaffenen Bildes des Diktators ist. Was genau den ‚wahren‘ Hitler charakterisieren soll, ist prinzipiell nicht festzustellen. In Bezug auf den Hitler-Diskurs scheint sich gerade dasjenige abzuspielen, was von Jean Baudrillard als Genese der Simulakren bezeichnet wird: Weil die Hitler-Figur in der (vor allem im 20. und 21. Jahrhundert rasch zunehmenden) Vielheit der Bilder allgegenwärtig ist, sind die Begriffe ‚echt‘ und ‚unecht‘ bezüglich dieser Figur inhaltslos geworden. Der HitlerDiskurs wird von einer dermaßen komplizierten Intertextualität gekennzeichnet, dass nicht abzuleiten ist, inwieweit sich die Adaptionen auf eine ‚echte‘ Person beziehen. Dass die bezügliche ‚echte‘ Person schon seit 1945 vom Erdboden verschwunden ist, und von ihr vor allem Propagandabilder und zeitgenössische Zeugnisse überliefert sind, spielt hierbei eine erhebliche Rolle. Wer die Figur Adolf Hitler – sei es in Worten, sei es in Bildern – medial zu verarbeiten versucht, kann sich in diesem Prozess nur auf Erinnerungskonstrukte und Hitler-Darstellungen anderer verlassen. Die Archivbilder des ‚echten‘ Hitlers zu verwenden, würde eine Neukontextualisierung bedeuten, die dem (von Baudrillard in diesem Fall also nicht zu Unrecht verworfenen) Konzept des Realen auch nicht entsprechen würde. Die Vorstellung der Figur Adolf Hitler ändert sich im kollektiven Gedächtnis dementsprechend ständig, indem sie sich von jedem (sich auf andere Hitler-Vorstellungen beziehenden) Film, Text oder Bild beeinflussen lässt, worin auf Hitler verwiesen wird. Simulationen bestimmen also das Bild des Diktators. Alle medialen Anwendungen der Figur Adolf Hitler - seien sie Filme wie The Great Dictator oder Der Untergang oder die von Joachim Fest erstellte Biographie - sind im Grunde Simulakren, die anderen Simulakren widerspiegeln. Wie es Baudrillard umschreibt: Kunst ist daher überall, denn das Künstlerische steht im Zentrum der Realität. Die Kunst ist daher tot, nicht nur weil ihre kritische Transzendenz tot ist , sondern weil die Realität selbst […] mit ihrem eigenen Bild verschmolzen ist. Sie hat noch nicht einmal mehr Zeit, den Anschein von Realität 23 anzunehmen. Sie überbietet auch die Fiktion nicht mehr: sie ergreift jeden Traum, bevor er den Anschein eines Traumes bekommt. Ein schizophrener Rausch von seriellen Zeichen, die keine Imitation, keine Sublimierung kennen, die in ihrer Wiederholung eingeschlossen sind – wer könnte sagen, wo die Realität dessen ist, was sie simulieren? […] Das Simulationsprinzip überwindet das Realitätsprinzip […].67 Eine Darstellung der Figur Adolf Hitler wird immer ein Simulakrum sein. Interessant ist diesbezüglich, was genau simuliert wird: Wie lassen sich die heutigen Hitler-Simulakren definieren? Welche Hitler-Bilder werden (re)produziert? Mögliche Antworten präsentieren sich in den nächsten drei Kapiteln anhand dreier Analysen populärer rezenter HitlerDarstellungen. 2.6 Fazit Um die Figur Adolf Hitler findet sich ein umfangreicher, ständig wechselnder Diskurs, der bestimmten mit dem Diktator in Verbindung zu bringenden Wesenszügen eine prominente Stelle im kollektiven Gedächtnis verliehen hat. Zu diesem Diskurs trägt nicht nur die Gesamtheit der Archivbilder des historischen ‚Führers‘ bei, sondern auch die Hitler-bezogene Fiktion. Da fiktionale Vorstellungen des Diktators also das kollektive Hitler-Bild beeinflussen, ist im Grunde keine klare Grenze zu ziehen zwischen dem ‚echten‘ Hitler, ‚ernsthaften‘ Hitler-Darstellungen und Hitler-Karikaturen. Eine Hitler-Darstellung darf daher – auch wegen der Absenz eines ‚echten‘ Hitlers und aufgrund der propagandistischen Art der Archivbilder dieser Figur - im Sinne Jean Baudrillards durchaus als Simulakrum gelten. 67 Baudrillard 1982. S. 119. 24 3. Der Untergang – eine Analyse In diesem Kapitel finden sich eine Beschreibung (§3.1) und Analyse (§3.2) des Spielfilms Der Untergang (2004). Fokus bildet die von Bruno Ganz dargestellte Hitler-Figur. Die Beschreibung und die Analyse beziehen sich auf die 175 Minuten dauernde TV-Fassung des Films. Die kommentierten Szenen sind mit einer globalen, auf die Dauer des gesamten Spielfilms zutreffenden Zeitangabe versehen. Wie ist die Hitler-Darstellung im Untergang zu charakterisieren? Auf welche Hitler-Bilder wird implizit oder explizit Bezug genommen? Und zu welchen Zielen wird die Hitler-Figur abgebildet? 3.1 Beschreibung Der Untergang ist ein Spielfilm des deutschen Regisseurs Oliver Hirschbiegel (1957). Der unter anderem auf dem gleichnamigen Werk des Historikers Joachim Fest (1926-2006)68 und den Memoiren von Hitlers Sekretärin Traudl Junge (1920-2002)69 basierende Film thematisiert die letzten Tage des Dritten Reichs und das Ende Adolf Hitlers. Der Untergang feierte am 14. September 2004 seine internationale Premiere auf dem Toronto International Film Festival, und wurde 2005 für den Oscar in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film nominiert. In Deutschland wurde der Film von September 2004 bis Februar 2005 von 4,5 Millionen Zuschauern gesehen - eine Zahl, die in Deutschland vorher noch nie durch einen Film um die Figur Adolf Hitler erreicht wurde.70 Nach einem Fragment aus einem aus dem Dokumentarfilm Im toten Winkel (2002) stammenden Interview mit Traudl Junge71 fängt Der Untergang im Jahre 1942 an im ostpreußischen ‚Führerhauptquartier Wolfsschanze‘. Zu sehen ist, wie fünf junge Frauen sich bewerben für eine Stelle als Privatsekretärin Adolf Hitlers (0:01:30-0:06:30). Der vom schweizerischen Schauspieler Bruno Ganz dargestellte Hitler – in Anzug gestochen, sprechend mit rollendem ‚R‘, und leicht bucklig - begrüßt die Frauen freundlich, und erbittet sie das übliche „Heil, mein Führer“ zu unterlassen. Traudl Junge (Alexandra Maria Lara) - zu dieser Zeitpunkt im Film noch Traudl Humps (nach ihrem Geburtsnamen) - stellt sich vor als Münchnerin, und wird von Hitler gleich zum Büroraum gebeten für eine Tauglichkeitsprüfung. Im Büro stellt der Diktator Junge seinen Hund Blondi vor 68 Vgl. Traudl Junge und Melissa Müller: Bis zur letzten Stunde. Hitlers Sekretärin erzählt ihr Leben. München: Claassen Verlag 2002. 69 Vgl. Joachim Fest: Der Untergang. Berlin: Alexander Fest Verlag 2002. 70 Vgl. Hofmann und Baumert 2008. S. 134. 71 Vgl. André Heller und Othmar Schmiederer (Regie), Danny Krausz und Kurt Stocker (Produktion): Im toten Winkel. Dokumentarfilm. Österreich: Dor Film, 2002. 25 („intelligenter als die meisten Menschen“) und versucht er die nervöse junge Frau zu beruhigen („Ich mache bei meinen Diktaten so viele Fehler, so viele können sie unmöglich machen“). Trotz erheblicher Fehler beim Transkribieren eines Hitler-Diktats wird Junge als Sekretärin angestellt. Die nächste Szene (0:06:30-0:08:40) spielt sich im kriegszerstörten Berlin ab. Das Datum ist laut einem ins Bild einblendenden Text der 20. April 1945: der 56. Geburtstag Adolf Hitlers. Nach einem Artillerieangriff erfährt Hitler in seinem Bunker telefonisch, dass „der Russe“ sich bis auf 12 Kilometer vom Stadtkern genähert hat. Während der Diktator den Hörer mit Gewalt auflegt, entbrennt er in Wut („Man müsse die ganze Luftwaffe-Führung sofort aufhängen!“). Der linke Hand Hitlers erscheint hierbei spastisch. Es wird der ‚Fall Clausewitz‘ ausgegeben: Berlin wird zur Frontstadt erklärt. SS-Führer Heinrich Himmler (Ulrich Noethen) und Walther Hewel (Gerald Held) versuchen Hitler davon zu überzeugen, die Hauptstadt zu verlassen. Dieser aber insistiert darauf, zu bleiben (0:11:45-0:13:00), und treibt mit Architekten Albert Speer (Heino Ferch) sogar schon architektonische Planungen für die Periode nach dem „Endsieg“ voran (0:14:40-0:16:50). Die Rote Armee rückt auf. Nachdem Hitler eine offenbar unrealistische Strategie zur Verteidigung Berlins entfaltet hat (0:18:40-0:21:00) und zur Aussage gekommen ist, dass er das deutsche Volk lieber sterben als kapitulieren sieht (0:26:30-0:25:40), entsteht unter dessen Generälen Uneinigkeit darüber, ob der ‚Führer‘ vielleicht „den Sinn für die Realität“ verloren habe. Als vier Generale Hitler die aussichtslose Lage im Streit um Berlin klarzumachen versuchen, reagiert dieser mit einem Wutausbruch (0:38:50-0:44:00). Der Diktator bezeichnet seine Generale als „treulose Feiglinge“ und erklärt, dass er sich vom ganzen Militärwesen verraten fühlt. „Es ist aus, der Krieg ist verloren“, sagt er zum Schluss. Während in Berlin Chaos herrscht, gibt es unter den unterschiedlichen hohen Offizieren und politischen Führungsleuten des Dritten Reichs offenbar divergierende Interessen. Propagandaminister Joseph Goebbels (Ulrich Matthes), der einem Militär gegenüber erklärt, dass das deutsche Volk seinem Untergang selbst schuld ist (0:51:400:52:50), lässt seine Frau und Kinder im Führerbunker unterbringen. Die sechs GoebbelsKinder singen ein Lied für den Diktator („Onkel Hitler“), was dieser offenbar zu schätzen weiß (0:54:10-0:54:40). In der nächsten Szene (0:54:40-0:56:00) bespricht Hitler mit Eva Braun und seinen Sekretärinnen das Thema ‚Suizid‘. Die Frauen würden im Fall eines Selbstmordes einen Blausäurekapsel bevorzugen, Hitler favorisiert einen Pistolenschuss. „[D]ann platzt der Schädel“, lautet seine plastische Beschreibung dieses Vorgangs. 26 Hitler erfährt, dass drei seiner engsten Vertrauten gegen seine Befehle handeln: Göring (Mathias Gnädiger), der Berlin entflohen ist, versucht von außen die Regierungsgewalt zu übernehmen (1:02:40-1:04:50), Speer gibt offen zu, seit Monaten Hitlers ‚Taktik der verbrennten Erde‘ nicht zur Ausführung zu bringen (1:04:50-1:13:00), und Himmler unterbreitet den Alliierten in Lübeck ein Kapitulationsangebot (1:15:20-1:18:30). Nach den Berichten Görings und Himmlers reagiert Hitler mit weiteren Wutausbrüchen, Speers Bekenntnis ruft beim Diktator nur stilles Entsetzen hervor. Hitler, der offenbar doch noch an einen Endsieg glaubt, nimmt sich vor Göring und Himmler zu strafen. Er ernennt Robert Ritter von Reims (Dittrich Hollinderbäumer) als Nachfolger Görings. Hitler lässt Verbindungsoffizier Hermann Fegelein (Thomas Kretschmann), den Schwager von Eva Braun, wegen ‚Fahnenflucht‘ erschießen (1:28:20-1:29:00): „Mit Verrätern gibt es kein Mitleid“, so der Diktator (1:24:20). Während die russische Armee weiter aufrückt, diktiert Hitler Traudl Junge sein politisches Testament (1:29:40-1:31:50). Eine Szene später heiratet er im Bunker Eva Braun (1:32:00-1:33:00). Als Hitler erfährt, dass die Russen dem Bunker – in dem mittlerweile exzessiv getrunken wird - bis auf einige hunderte Meter genähert sind und zudem die von ihm erhoffte Militärhilfe von außen ausbleiben wird, entscheidet er sich dafür, sich das Leben zu nehmen (1:35:00-1:38:00): Zuerst tötet er seinen Hund Blondi (1:41:00-1:42:00), dann begeht er zusammen mit Eva Braun Selbstmord (1:52:00-1:53:00). Ihre Leichname werden vor der Reichskanzlei mit Benzin übergossen und verbrannt (1:53:00-1:55:00). Auch das Ehepaar Goebbels begeht, nachdem Magda Goebbels (Corinna Harfouch) zuerst ihre Kinder mit Blausäurekapseln umgebracht hat (2:03:00-2:05:00), Selbstmord (2:10:00-2:11:30). Traudl Junge entflieht dem Führerbunker (2:12:00-2:23:30) Die Handlung des Films endet mit der Kapitulation der Wehrmacht (2:22:30-2:23:30). Es folgt ein Nachspann, in dem über die weiteren Lebenswege der dargestellten historischen Figuren zu lesen ist (2:24:50-2:27:20). Darauf wird, wie am Anfang des Films, ein Fragment aus einem Interview mit der ‚echten‘ Traudl Junge (2:27:20-2:28:40) gezeigt. Letztlich sind die Schlusstitel zu sehen. 27 3.2 Analyse 3.2.1 Charakterisierung der Hitler-Figur Im Untergang handelt es sich um eine filmische Adaption der Figur Adolf Hitler. Die Mittel, mit denen der Diktator dargestellt wird, sind demnach visuell (bewegender Farbfilm) wie auch auditiv (Tonband). In visueller Hinsicht fällt auf, dass die vom Schauspieler Bruno Ganz verkörperte Vorstellung des ‚Führers‘ äußerlich in hohem Maße den kollektiven Bildern des ‚historischen‘ Hitlers entspricht (vgl. Abbildungen 14 und 15). Nähere Beachtung verdienen diesbezüglich jedoch einige Details der körperlichen Verfassung, in der Hitler – vor allem in den Bunkerszenen - vorgestellt wird: Anders als der ‚monumentale‘ Diktator der Archivbilder läuft Ganz‘ Hitler mühsam, wobei die linke Hand Abb. 14: Bruno Ganz als Hitler im Spielfilm Der Untergang… Abb. 15: …und Adolf Hitler als Hitler in Leni Riefenstahls Triumph des Willens. zittert, und in Nahaufnahmen graue Haare sichtbar sind. Der Untergang zeigt einen ‚alten‘, gebrechlichen Hitler. Dieser ‚alte‘ Hitler wird in einer Umgebung dargestellt, die scheinbar weitgehend nach geschichtlichen ‚Fakten‘ modelliert ist: Die Zeit (Der Zweite Weltkrieg) und der Ort (ein Bunker unter der Reichskanzlei) der Handlung, wie auch das Umfeld der dargestellten HitlerFigur (von Himmler und Goebbels bis auf weniger bekannte Teile der Entourage wie SSOffizier Fegelein) werden im kollektiven Gedächtnis durchaus in engem Zusammenhang mit dem historischen Diktator stehen. Auch Details wie das als Bild im kollektiven Gedächtnis wahrscheinlich weniger weitverbreite aber nichtsdestotrotz als historisch belegt geltende72 Porträt Friedrichs des Großen im Arbeitszimmer Hitlers (0:59:00-0:59:30) unterstützen hier die Idee einer in geschichtlicher Hinsicht ‚wahrhaften‘ Hitler-Darstellung. Nicht nur visuell, sondern auch sprachlich entspricht die Hitler-Figur im Untergang dem Bild des ‚echten‘ Hitlers, indem sich der Protagonist des Films mit seinem Akzent, seiner Betonung und seiner auch in Privatgesprächen oft pathetisch anmutenden Wortwahl („Das Leben vergibt keine Schwäche“ (1:16:25)) des aus den Reden Hitlers bekannten Sprachduktus bedient. Auffällig sind hierbei die Wutanfälle des Diktators, während deren er schreit, fast 72 Vgl. Fest 1978 (‚Der Führer‘). S. 991. 28 spastisch mit dem Oberkörper bewegt, und seinen Generälen unter anderem zufügt, er hätte gut daran getan, sie alle liquidieren zu lassen (0:38:50-0:44:00). Trotz der für die deutsche Armee (und damit für ihn persönlich) aussichtslosen Lage des Krieges, hält der Hitler im Untergang – zumindest gegenüber seinem Umfeld - lange stur daran fest, dass es noch einen Endsieg geben wird. Freiwillig abgesperrt von der Außenwelt denkt er sich eigenwillig unrealistisch anmutende Gegenoffensive gegen die russische Armee aus, und setzt er sich persönlich mit den architektonischen Planungen für die Periode nach dem Endsieg auseinander. Exemplarisch ist hierbei Hitlers Vertrauen in die eigene Fähigkeiten. Der Diktator wähnt sich als einer, der sich im Leben durch Kampf eigenmächtig ‚hochgearbeitet‘ hat – ein Vorgang, der ihm mit dem Architekten Albert Speer gleichsetzen und ihm im Vergleich zu ausgebildeten Militärangehörigen sogar die bessere Position verschaffen würde. Hitler wird dargestellt, als sehe er sich als Selfmademan: „Ich war nie auf der [Militär-]Akademie, und doch habe ich alleine, alleine auf mich gestellt, ganz Europa erobert“, fügt er der Generalität beispielsweise zu (0:41:20-0:41:35). Später im Film zeigt sich ein Hitler, der seine ambitionierte Selbstüberzeugung und sein vermeintes Auf-Sich-Gestellt-Sein in einer eher melancholischen Weise kanalisiert (1:10:00-1:11:00). Hierbei ergibt sich auch das bekannte Bild des rücksichtlosen, überzeugt antisemitischen Diktators: Ich habe Großes vorgehabt mit den Deutschen und mit der Welt. Keiner hat mich begriffen, nicht einmal meine ältesten Mitkämpfer. […] Das Einzige, was ich mir zugutehalten kann, ist, dass ich die Juden immer mit offenem Visier bekämpft habe, und das ich den deutschen Lebensraum vom jüdischen Gift gesäubert habe. Kapitulation kommt nach der Ideologie des Diktators nicht in Frage („Ich werde niemals kapitulieren, niemals!“ (1:36:00)), und für ‚Verlierer‘ gibt es keinen Platz. Diesen Auffassungen zufolge lässt er eine dezimierte, sich teilweise aus Kindern zusammensetzende (u.a. 0:16:50-0:18:40) Streitmacht trotz fehlender Perspektive gegen die Russen weiterkämpfen, und wählt er selbst schließlich den Freitod (1:52:00-1:53:00). Beschwerden seiner Vertrauten zum Trotz lässt er zudem den Befehl ausgehen, alle wichtige Infrastruktur zu zerstören. Der Stärkere werde immer gewinnen, und Selbstmord und Selbstzerstörung seien einer Niederlage jederzeit vorzuziehen, monologisiert er hinsichtlich dieses Befehls gelassen im Beisein Speers (0:26:30-0:25:40): Wenn der Krieg verloren geht, ist es vollkommen wurscht, wenn auch das Volk verloren geht. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil: Es ist besser, diese Dinge selbst zu zerstören. Denn das 29 Volk hat sich als das schwächere erwiesen und es ist nur ein Naturgesetz, dass es dann eben ausgerottet wird. Hitlers scheinbare Entfernung von der Realität hat unter anderem zu Folge, dass seine mentale Gesundheit im Umfeld angezweifelt wird (0:21:00-0:21:40), und unrealistisch anmutende Befehle des Diktators von mehreren hohen Offizieren (u.a. 0:38:50-0:44:00), wie auch von engen Vertrauten wie Himmler (1:15:20-1:18:30) und Speer (1:04:50-1:13:00) mutwillig ignoriert werden. Dieser „Verrat“ (1:17:15) ruft bei Hitler sowohl die schon beschriebenen Wutanfälle (im Fall der Offiziere und im Fall Himmlers) als auch heftige Enttäuschung (im Fall Speers, wobei der Diktator sogar weint) hervor. Im Kontext seiner perspektivlosen Lage, seines fehlenden Realitätssinns und seiner schlechten körperlichen Verfassung muten die unkontrollierten Wutanfälle und das Weinen Hitler verzweifelt und machtlos an: Es wird ein Hitler dargestellt, dessen Autorität als souveräner ‚Führer‘ angetastet scheint. Im Untergang erscheint die Hitler-Figur trotz ihrer als mindestens ‚sehr zweifelhaft‘ einzustufenden Auffassungen nicht eindeutig als berechnendes ‚Symbol des Bösen‘: Der Diktator ist hier vor allem ‚menschlich‘. Der ‚menschliche‘ Hitler zeigt sich weiterhin unter anderem in seinem liebevollen Umgang mit seinem Hund Blondi, der Sekretärin Traudl Junge (beides u.a. 0:01:30-0:06:30) und den Kindern des Ehepaars Goebbels (1:44:20-1:44:50). Der scheinbare Unterschied zwischen diesem ‚menschlichen‘ Hitler und dem rücksichtlosen Diktator wird in einem Dialog zwischen Junge und Eva Braun direkt angesprochen: Traudl Junge: Manchmal glaube ich, dass er niemanden in sich hereinschauen lassen will. So richtig meine ich… Wenn er privat ist… Er kann so fürsorglich sein. Und dann wieder…sagt er brutales an. Eva Braun: Sie meinen: Wenn er ‚der Führer‘ ist? Mittels der von Braun gestellten Frage schlägt der Film eine Erklärung bezüglich der paradoxalen Charakteristika der im Untergang dargestellten Hitler-Figur vor: Es gebe sowohl einen einfühlsamen, ‚privaten‘ Hitler als auch einen harten, brutalen Hitler. Der Protagonist des Films wird dem Zuschauer mithin psychologisch gedeutet: Hinter dem ‚Monster‘ stecke ein Mensch, so wird impliziert. 3.2.2 Die Hitler-Figur im Untergang als Simulakrum Zur weiteren Charakterisierung der Hitler-Darstellung im Spielfilm Der Untergang kann Jean Baudrillards Simulationstheorie beitragen. In Simulacres et simulations bietet Baudrillard eine für diese Analyse hilfreiche und 30 interessante Perspektive auf die Adaption geschichtlicher Materie im Film. „History is our lost referential, that is to say our myth“, behauptet er (SaS, S. 43) – Geschichte erfülle im Zeitalter der Postmoderne die Funktion einer neuen ‚Mythologie‘. Im postmodernen Bilderfluss gebe es eine Sehnsucht nach der (im Diskurs im Allgemeinen durch ihre Extreme gekennzeichneten) Vergangenheit. Dass sich zur Erfüllung dieser Sehnsucht insbesondere eine Figur wie Adolf Hitler eignet, sei der Theorie des französischen Sozialphilosophen zufolge als logisch zu bezeichnen: Whereas so many generations […] lived in the march of history […] – today one has the impression that history has retreated, leaving behind it an indifferent nebula, traversed by currents, but emptied of references. It is into this void that the phantasms of a past history recede, the panoply of events, ideologies, retro fashions – no longer because people believe in them or still place hope in them, but simply to resurrect the period when at least there was history, at least there was violence (albeit fascist), when at least life and death were at stake. […] [T]he fetishized history will preferably be the one immediately preceding our ‘irreferential’ era. Whence the omnipresence of fascism and of war in retro – a coincidence, an affinity that is not at all political; it is naïve to conclude that the evocation of fascism signals a current renewal of fascism (it is precisely because one is no longer there, because one is in something else, which is still less amusing, it is for this reason that fascism can again become fascinating in its filtered cruelty, aestheticized by retro). (SaS, S. 43-44). Obwohl in Frage gestellt werden darf, inwieweit das Adaptieren geschichtlicher Themen, wie Baudrillard behauptet, tatsächlich vorwiegend aus Sensationsgier hervorgeht – eine Frage, die diese Arbeit nicht behandeln wird - ist die hier aufgeworfene Idee der geschichtlichen ‚Mythologie‘ eine interessante. Eine Adaption geschichtlicher Vorgänge erhält, wie die Bezeichnung ‚Mythologie‘ schon impliziert, faktisch fast ausschließlich ‚leere‘ Symbole, da nicht auf etwas Reales verwiesen werden kann: Geschichtliche Vorgänge sind von ihrer Definition her schon geschehen. Eine Verarbeitung dieser Vorgänge wäre daher nach Baudrillards Klassifikation als Simulakrum der dritten Ordnung – also als eine Maskierung davon, dass es keinen realen Referenten gibt - zu bezeichnen. Als Simulakrum bezieht sich ein historischer Film dementsprechend nicht auf die zu verarbeitenden Vorgänge an sich, sondern – wie schon in 2.5 besprochen – auf Simulakren dieser Vorgänge. Da, zurückkommend auf die von Baudrillard selbst formulierte Theorie, ein historischer Film also prinzipiell nur auf andere Simulakren verweisen kann, ist in Bezug auf die vorgestellten Vorgänge die Rede von Hyperrealität: […] [T]he history that is “given back” to us […] has no more of a relation to a “historical real” than neofiguration in painting does to the classical figuration of the real. Neofiguration is an invocation of resemblance, but at the same time the flagrant proof of the disappearance of objects in their very representation: hyperreal. (SaS, S. 45). 31 Der Untergang ist als Spielfilm einzuordnen, in Bezug auf den in mehreren Weisen historische Authentizität versprochen wird. Innerhalb des Films suggerieren zum Beispiel unter anderem das Aufführen eines Interviews mit der ‚echten‘ Traudl Junge am Anfang und am Ende des Films und die Verwendung der eingeblendeten Textstellen mit historischen Daten (u.a. 0:01:30, 0:06:30) eine gewisse geschichtliche Wahrhaftigkeit der gezeigten Bilder. Ebenfalls als illustrativ zu bezeichnen ist eine April 2003 von Produzent und Drehbuchautor Bernd Eichinger in der Zeitschrift Spiegel formulierte Ambition bezüglich des damals noch nicht vollendeten Filmprojekts: „Wir machen einen großen epischen Film fürs Kino. Allerdings halten wir uns dabei an die Dokumente. An Stenogramme der Lagenbesprechungen und an die Aufzeichnungen von Zeitungen. Was historisch nicht belegt ist, kommt nicht vor. […] Ich denke, unser Film wird authentischer als alle vorherigen“.73 Zu den Simulakren, die im Spielfilm Der Untergang am explizitesten wahrnehmbar ‚zitiert‘ werden, gehören, wie die Worten Eichingers schon vermuten lassen, vor allem ‚historisch belegte’ Texte. Das Bild des alten, gebrechlichen Hitlers, zum Beispiel, ist unter anderem in Joachim Fests Biographie des Diktators anzutreffen: „[Hitler] bot körperlich ein furchtbares Bild. Er schleppte sich mühsam und schwerfällig, der Oberkörper vorwärts werfend, die Beine nachziehend von seinem Wohnraum in den Besprechungsraum des Bunkers […]. Die Augen waren blutunterlaufen; obgleich alle für ihn bestimmte Schriftstücke mit dreimal vergrößerten Buchstaben […] geschrieben waren, konnte er sie nur mit einer scharfen Brille lesen. Aus den Mundwinkeln traf häufig der Speichel…“.74 In Fests als Grundlage zum Film dienenden75 Werk Der Untergang (2002) ist sogar eine bildlich fast integral ‚übersetzte‘ Szene (vgl. 0:38:50-0:44:00) vorzufinden: In einem Ausbruch, wie ihn keiner der Anwesenden je erlebt hatte, fuhr Hitler plötzlich aus seinem Sessel hoch, warf die farbigen Stifte, die er während der Lagebesprechung stets bei sich trug, mit einem zornigen Bewegung über den Tisch und begann zu schreien. Seine seit Wochen matte und tonlose Stimme gewann noch einmal etwas von ihrer einstigen Kraft. […] Er schmähte die Generalität, die unausgesetzten Widerstände, mit denen er sich habe herumschlagen müssen, seit Jahren sei er von Verrätern und Versagern umgeben. […] [A]ußer sich schlug er mit der Faust in die offenen Hand, während ihm Tränen über die Wangen liefen: Unter diesen Umständen, wiederholte er viele Male, könne er nicht länger führen, seine Befehle seien in den Wind gesprochen, er wisse nicht mehr weiter. „Der Krieg ist verloren!“, rief er.76 ‚Ich halte mich ausschließlich an die Geschichte‘. Interview mit Bernd Eichinger. In: Der Spiegel. 19.4.2003. S. 153. 74 Fest 1978 (‚Der Führer‘). S. 991. 75 Vgl. ebd. 76 Fest 2002. S. 78-79. 73 32 Der Hitler, der sich aus den ‚zitierten‘ Simulakren ergibt, entspricht in mehreren Hinsichten nicht dem aus der NS-Propaganda bekannten ‚Führer‘. Dem furiosen Redner der Archivbilder (siehe 2.3) wird im Film ein durch historische Quellen ‚belegter‘ Hitler gegenübergesetzt, der unter anderem als kränkelnde, weinende, machtlos anmutende Figur dargestellt wird. Dass gerade der letztere Hitler aufgeführt wird, als sei er „authentischer“ (Eichinger) als die meisten anderen Interpretationen des Diktators, und Schauspieler Bruno Ganz über seine Rollenauffassung erklärte, er habe von sich erfahren wollen, „ob es möglich ist, diese als unspielbar geltende Figur plausibel und für uns nachvollziehbar darzustellen“, kann hinsichtlich der Charakterisierung der Hitler-Darstellung im Untergang als bezeichnend aufgefasst werden: Es handelt sich hier um die nach Margrit Fröhlichs (im Grunde problematischer) Dichotomie (siehe 2.4, 2.5) als „ernsthaft“ zu bezeichnenden Zugang zur Hitler-Figur. Der Spielfilm Der Untergang präsentiert sich als (und wird präsentiert als) dasjenige, was von Fröhlich als „um Geschichtsdeutung und Aufklärung bemühte ernsthafte Auseinandersetzung“ durch „realistische[…] oder pseudorealistische[…] Rekonstruktion historischer Ereignisse“ charakterisiert wird. Die Auffassung, dass die historische Figur Hitler Deutung bedarf, deren Handeln erklärt werden soll, und die Bilder der NS-Propaganda nicht den ‚ganzen‘ Hitler zeigen, scheint im Film ein primärer Triebfeder zur Hitler-Darstellung zu sein. Vom Film wird dementsprechend ein enger Bezug zwischen ‚seinem‘ menschlichen, „nachvollziehbare[n]“, nach historischen Quellen gestalteten Hitler einerseits und dem historischen Diktator andererseits impliziert. Es wird suggeriert, dass es einen idealen, ‚echten‘ Hitler gebe, den es darzustellen gilt – einen Hitler, den Bruno Ganz so gut wie möglich zu verkörpern versuche. Der Film präsentiert sich als künstlerische Bearbeitung eines realen Objekts, und demnach im Sinne Baudrillards als Simulakrum der zweiten Ordnung. Das im Untergang vorgestellte Bild Hitlers basiert mittlerweile jedoch nicht auf der (nicht weiterexistierenden) Person Adolf Hitler an sich, sondern, wie besprochen, auf (schriftlichen) Bildnissen dieser Person: Ganz‘ Darstellung ist - wie am Anfang dieses Abschnitts in Bezug auf die Idee des historischen Films im Allgemeinen schon angesprochen – nicht als Simulakrum der zweiten, sondern als Simulakrum der dritten Ordnung anzumerken. Die Darstellung des ‚Führers‘ im Untergang wirkt bezüglich des in Kapitel 2 skizzierten Hitler-Diskurs ähnlich wie das von Baudrillard bezeichnete Beispiel des Vergnügungsparks Disneyworld: Es wird die Idee einer Realität (in diesem Fall das Bild eines ‚authentischen‘ Hitlers) angesprochen, die im Grunde nicht in solcher Weise anzudeuten ist. Die Vorstellung im Spielfilm ist in Bezug auf andere Hitler-Bilder prinzipiell nicht objektiv 33 als ‚authentischer‘ oder ‚realitätsnäher‘ zu bewerten. Die Simulation betrifft hier also nicht nur die Darstellung des ‚Führers‘ an sich, sondern auch die Voraussetzung einer realisierbaren ‚wahrhaften‘ Hitler-Darstellung. Dass die tatsächliche Ausarbeitung dieser Voraussetzung das kollektive Erinnerungsbild des historischen Hitlers beeinflusst, darf in diesem Fall also nach Baudrillard als Hyperrealität bezeichnet werden - eine historische Figur wird zum ‚Mythos‘. 3.3 Fazit Im Spielfilm Der Untergang wird dem ‚Führer‘ Hitler der ‚Mensch‘ Hitler gegenübergestellt, indem die von Bruno Ganz verkörperte Hitler-Figur nicht nur über die Wesenszüge des ‚monumentalen‘ Diktators, sondern auch über die eines gebrechlichen, alten, vielleicht sogar realitätsentfernten Mannes verfügt. Die Hitler-Darstellung im Film bezieht sich explizit auf als ‚historische Quellen‘ zu bezeichnende Dokumente, und ist als Simulakrum der dritten Ordnung anzudeuten, indem auf einen als ‚real‘ aufgeführten Referenten verwiesen wird, den es nicht (mehr) gibt: Adolf Hitler. Weiterhin handelt es sich um einen Versuch, die historische Figur Adolf Hitler zu deuten und verständlich zu machen. Die Voraussetzung, dass diese Figur ‚wahrhaftig‘ dargestellt werden kann, ist als prominentes Charakteristikum des Films zu bezeichnen. 34 4. ADOLF. Ich hock‘ in meinem Bonker – eine Analyse In diesem Kapitel finden sich eine Beschreibung (3.1) und Analyse (3.2) des Internetclips ADOLF. Ich hock‘ in meinem Bonker. Wie wird in diesem Kurzfilm die Hitler-Figur dargestellt? Die Beschreibung und die Analyse beziehen sich auf die im online Videoportal YouTube verfügbare Version des Videos. 4.1 Beschreibung ADOLF. Ich hock‘ in meinem Bonker ist ein 2006 im Internet erschienener Kurzfilm von Felix Gönnert (1975). Den Protagonisten des Videos bildet eine animierte Version der von Walter Moers (1957) erschaffenen Comic-Figur ‚Adolf, die Nazi-Sau‘.77 Der knapp drei Minuten dauernder Clip, der ins Französische und ins Englische übersetzt wurde, ist in den online Videoportalen YouTube und MyVideo seit seinem Erscheinen insgesamt mehr als 6 Millionen Mal aufgerufen worden78, und wurde außerdem ins Programm des Musiksenders MTV Deutschland aufgenommen. Das Lied aus dem Video (komponiert und gesungen von Thomas Pigor) erschien Anfang September 2006 als Single, und gelangte in die deutschen und österreichischen Charts.79 Wer sich die deutsche Fassung des Internetclips ADOLF. Ich hock‘ in meinem Bonker anschaut, sieht sich zuerst mit einem Vorspann konfrontiert, in dem vor einem schwarzen Hintergrund in roten und weißen Buchstaben der Titel des Videos wiedergegeben wird. Abb. 16: Miniaturbunker der ‚NaziSau‘. Gleich darauf sind Sirenen zu hören. Es wird ein einleitender Text eingeblendet, der von einem unsichtbaren Erzähler (dem deutschen Journalisten Sven Kuntze) vorgelesen wird: Berlin, 30. April 1945. Die Welt brennt, Deutschland liegt in Schutt und Asche, und Japan geht es auch nicht mehr so gut. 77 Vgl. unter Anderem Walter Moers: Adolf. Äch bin wieder da!!. Frankfurt am Main: Eichborn, 1998; Walter Moers: Adolf. Äch bin schon wieder da!!. Frankfurt am Main: Eichborn, 1999. 78 Vgl. MyVideo.de; YouTube.com. 79 Vgl. Chartsurfer.de. 35 Aber einer lässt sich nicht unterkriegen. Im Führerbunker brennt noch Licht… Es wird eine ‚postapokalyptische‘ Szenerie gezeigt, in der vor einer nächtlichen Kulisse des zerstörten Berlins ein mit Graffiti beschmierter Miniaturbunker steht (siehe Abbildung 16). Als sich die Kamera dem Bunker annähert, stellt sich heraus, dass er nur ein schwarz-rot-weiß gekacheltes Badezimmer beherbergt. In diesem Badezimmer befinden sich Adolf (‚die NaziSau‘) und sein Hund Blondi. Der Diktator ist nackt, klein, dick, und hat eine Knollennase. Begleitet von entspannter Reggae-Musik fängt er an zu singen: Ich hock‘ in meinem Bonker mitten in Berlin Ich habe Blausäurekapseln und genug Benzin Die Luftwaffe ist futsch, die Marine das Heer Der Zweite Weltkrieg macht keinen Spaß mehr Kapitulation, nö da halt ich nix davon Ich habe über mir drei Meter Stahlbeton Kapitulation? Nö nö Mir bleibt doch Blondi Und 'ne Flasche Rosé Während Adolf singt, sind im Badezimmer Details wahrnehmbar wie eine das Hitler-Antlitz imitierende Toilettenrolle-Halterung und ein mit einem kapitalen ‚A‘ bedruckter Klobürstenhalter (siehe Abbildung 17). An der Wand hängen Fotos des Protagonisten in etlichen Rednerposen. Adolf selbst sitzt mittlerweile abwechselnd auf der – ebenfalls mit der Großbuchstabe ‚A‘ Abb. 17: ‚Adolf’ in seinem Badezimmer. versehenden – Klosettschüssel und in der Badewanne mit seinem Hund. Als er vor dem Spiegel steht, singt ihm eine sich aus seinen Spiegelbildern zusammengesetzte Vokalgruppe in Close Harmony den Refrain zu: Adolf, du alte Nazi-Sau, Kapitulier‘ doch endlich Adolf, du alte Nazi-Sau Adolf, du alte Nazi-Sau Kapitulier‘ doch endlich Adolf, du Sau Adolf hat offenbar keine Lust auf Kapitulation, und muckt während des Refrains, dass er sich niemals ergeben wird. Nach dem Refrain singt er selbst weiter: 36 Ich bin mit 53 Ländern im Kriegszustand Und die Bomben nicht auf England, sondern Deutschland Diese alliierten Bomberverbände nerven Weil die nicht nur Bomben, sondern Bombenteppiche werfen Keiner hört mehr auf mich, jeder macht, was er will Und hinter allem steckt dieser Churchill Das tut weh, das tut weh Ich steh‘ allein da mit Blondi Und 'ner Flasche Rosé Nach die zweite Strophe Adolfs klingt wieder der mehrstimmige Refrain, jetzt gesungen von drei Hitler-förmigen Badeenten. Der Diktator schaut kurz in seine (halbleere) Flasche Rosé, fängt wieder an zu protestieren („Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage, dass sich der Churchill hinterher noch ins Fäustchen lacht… Nein, dieser Churchill… Ich kapituliere nicht! Ich kapituliere niemals!“), und versenkt schließlich die singenden Badeenten. Die Musik hört hierauf kurz auf. Adolf spricht Blondi beruhigend zu: Is [sic] ja gut Blondi, is ja gut Blondi… Wir kapitulieren nicht. Nein, keine Angst […]. Wir könnten den Krieg vielleicht sogar noch gewinnen. [Blondi bellt.] Denke schon… Bin auch ganz zuversichtlich, eigentlich… Während ein kurzes Outro spielt, entfernt sich die Kamera aus dem Führerbunker. Das Licht im Bunker geht aus. Es folgt ein Abspann, der von Adolf mit Kommentar versehen wird („Halt! Das is ja viel zu schnell!“). Als am Ende des Abspanns die Abkürzung GFP (German Film Productions) erscheint, spricht der Diktator seine für diesen Kurzfilm wohl letzten Worte: „G-F-P: Großer Führerbunker. Wahrscheinlich falsch geschrieben…“. 4.2 Analyse 4.2.1 Charakterisierung der Hitler-Figur Als Diktator-Porträt scheint Ich hock‘ in meinem Bonker auf erster Sicht einen total anderen Ton anzuschlagen als Der Untergang. Hinweise auf diese andere Art der von Moers und Gönnert erschaffenen Hitler-Figur lassen sich schon am Anfang des kaum drei Minuten dauernden Clips erkennen: „Adolf. Ich hock‘ in meinem Bonker“, heißt es im Vorspann des Videos, wobei man diese Titelwiedergabe aufgrund ihrer wenig sachlich Abb. 18: Ich hock’ in meinem Bonker: Titelwiedergabe. anmutenden Schriftart und Wortwahl eher mit einem Comicbuch als mit einem historischen Drama in Verbindung bringen würde (siehe Abbildung 18). Eine ähnliche Assoziation ruft 37 der einleitende Text hervor. Während eine einführende Texteinblendung mit historischen Daten im kollektiven Gedächtnis nicht selten als Mittel gesehen wird, das in Spielfilmen geschichtliche Wahrhaftigkeit suggerieren soll80, wird sie hier vom Inhalt her darüber hinaus noch ein vollkommen anderes, aber ebenso deutlich im kollektiven Gedächtnis gespeichertes Phänomen in Erinnerung rufen: Wir befinden uns im Jahre 50 v.Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt... Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.81 Mit einem ähnlichen Text („[…] einer lässt sich nicht unterkriegen… Im Führerbunker brennt noch Licht“) wie am Anfang jedes Abenteuers der mittlerweile als ‚kanonisch‘ zu bezeichnenden Comicfigur Asterix wird Moers‘ Hitler-Figur als standhafter ‚Underdog‘ introduziert. Tatsächlich ist im Video anschließend zu sehen, wie ‚Adolf, die Nazi-Sau‘, ähnlich wie Asterix und seine Gallier, als einsamer ‚Widerstandskämpfer‘ beharrlich ein nicht allzu großes Habitat zu verteidigen versucht. Hierbei weist die Hitler-Figur sogar gewisse physische Ähnlichkeiten mit Asterix (siehe Abbildung 19) auf: ‚Adolf, die Nazi-Sau‘ verfügt zwar über (den fast obligatorischen) Abb. 19: Asterix der Gallier. Schnurrbart und Seitenscheitel, ist sonst aber - wie Uderzos Gallier – klein, gedrungen und versehen mit einer Knollennase. Anders als Asterix führt ‚Adolf‘ jedoch einen scheinbar ziemlich perspektivlosen Kampf: Wo die Gallier noch auf ihren Zaubertrank zurückgreifen können, versteckt sich der Diktator alleine mit seinem Hund in einem mit Texten wie „Nazis raus!“ beschmierten Bunker. Er gibt hierbei eine allesamt tragische Figur ab: Nackt, machtlos („Keiner hört mehr auf mich, jeder macht, was er will“) und mit hängenden Schultern sitzt er auf der Toilette. Der Krieg scheint verloren: „Der Zweite Weltkrieg macht keinen Spaß mehr“, singt er, während um den Bunker herum Bombenteppiche geworfen werden. Dem ‚Führer‘ bleiben nur noch der von ihm voller Zuneigung gebadeten und zugesprochenen Hund Blondi und eine Flasche Rosé – ein Getränk, das hinsichtlich der vermeintlichen Abstinenz des ‚echten‘ Hitlers als weiterer Beleg dafür gesehen werden kann, dass ‚Adolf, die Nazi-Sau‘ in einer grundsätzlich 80 Sonja M. Schultz. S. 87. Vgl. u.a. Goscinny, René (Autor) und Albert Uderzo (Illustrator): Asterix der Gallier [Astérix le Gaulois]. Comicheft. Berlin: Egmont Ehapa Verlag, 1966. S. 3 81 38 anderen Beziehung zum ‚historischen‘ Diktator steht als die auf geschichtliche Details fokussierte Hitler-Darstellung im Untergang. Ähnlich sind jedoch in beiden Werken die Beharrlichkeit und der demnach als ‚fehlend‘ zu bezeichnende Realitätssinn der Hitler-Figur: Obwohl sich ‚Adolf‘ in einer aussichtslosen Lage befindet, weigert er sich, zu kapitulieren. Der Diktator verharrt stur in seinem Bunker, und verspricht Blondi sogar noch den Endsieg im Krieg. Als ein Chor aus Miniatur-Hitlern – ins Leben gerufen, so ist anzunehmen, von ‚Adolfs‘ Alkoholeinnahme ihn singend zu überreden versucht, sich zu ergeben, beantwortet er diesen Vorschlag schließlich mit einem Wutausbruch: Auch wenn der Diktator eigentlich schon weiß, dass der Krieg für ihn zu Ende ist, beharrt er krampfhaft in seinem Glauben an den Endsieg, so scheint impliziert zu werden. Dass ‚Adolf‘ in ein Gespräch tritt mit einer multiplizierten Version seiner eigenen Person, ist exemplarisch für einen weiteren prominent hervorgehobenen Charakterzug der in Ich hock‘ in meinem Bonker aufgeführten Hitler-Figur: Narzissmus. Überall im Bunker ist das Hitler-Antlitz erkennbar: auf den Badeenten, an der Wand, und sogar in der Form der Toilettenrolle-Halterung. Das ganze Badezimmer ist überdies in den NSDAP-Farben Schwarz, Weiß und Rot gekachelt, während das Toilettenpapier und etliche andere Objekte im Raum mit dem Großbuchstaben ‚A‘ versehen sind. Die Figur ‚Adolf Hitler‘ ist im Bunker in jeder Hinsicht allgegenwärtig. Auch während des Abspanns des Kurzfilms zeigt sich ‚Adolfs‘ selbstzentriertes Weltbild, indem der Diktator die Abkürzung GFP als „Großer Führerbunker“ interpretiert. 4.2.2 ‚Adolf, die Nazi-Sau‘ als Simulakrum Bei Ich hock‘ in meinem Bunker handelt es sich wie beim im vorigen Kapitel besprochenen Spielfilm Der Untergang um eine filmische Appropriation der Figur Adolf Hitler: Die Diktator-Figur ist als bewegendes Bild zu sehen und – in diesem Fall sogar singend – zu hören. Anders als in Hirschbiegels ‚Epos‘ manifestiert sich die Hitler-Figur in Gönnerts Kurzfilm jedoch nicht in der Gestalt eines Schauspielers, sondern als 3D-Animation. Dass Moers‘ Hitler-Figur äußerlich in geringerem Maße Bezug nimmt auf die historischen Bilder des ‚echten‘ Diktators als zum Beispiel Bruno Ganz‘ Hitler-Darstellung im Untergang, ist hinsichtlich der Knollennase und kleinen, dicken Gestalt klar. Trotz der (fast obligatorischen) Hitler-Frisur wirkt Ich hock‘ in meinem Bonker nicht als ein Versuch, den ‚echten‘ Hitler so genau wie möglich nachzuahmen. Obwohl mit unter anderem dem Bunker im kriegszerstörten Berlin, Blondi, und dem schon im Titel des Kurzfilms 39 widerspiegelten Sprachduktus des ‚Führers‘ bestimmte Eigenheiten aufgegriffen werden, die in anderen ‚Texten‘ mit der Figur Adolf Hitler in Verbindung gebracht werden, wird hierbei nicht der Schein geweckt, dass es sich im Video um einen Versuch handelt, den Diktator so ‚authentisch‘ wie möglich darzustellen. Ich hock‘ in meinem Bonker bezieht sich zwar auf dasjenige, was im kollektiven Gedächtnis mit der historischen Figur Adolf Hitler assoziiert wird, kopiert diese Figur aber nicht. Vielmehr scheint hier die Rede von einem im Kontext der kollektiven Bilder des ‚echten‘ Hitlers durchaus als ‚Satire‘ zu charakterisierenden Zugang zur Hitler-Figur zu sein. Dieser Zugang beinhaltet, wie unter anderem in 2.4.1 besprochen, einen scherzhaft intendierten, „respektlosen“ (Fröhlich) Umgang mit der historischen Figur des ‚Führers‘. Die bevorzugten Mittel eines solchen Umgangs – Übertreibung und Neukontextualisierung – sind in Ich hock‘ in meinem Bonker deutlich erkennbar: Übertreibung, zum einen, ist unter anderem wahrnehmbar in ‚Adolfs‘ ad absurdum geführtem Eigendünkel, eine ‚entlarvende‘ Neukontextualisierung erfährt die Hitler-Figur zum anderen, indem sie nackt und singend – und überdies: als Comicfigur - im Badezimmer dargestellt wird. Als satirische Bearbeitung der historischen Figur Adolf Hitler ist Ich hock‘ in meinem Bonker als Simulakrum der dritten Ordnung zu bezeichnen. Obwohl in keinerlei Hinsicht der Eindruck erweckt wird, dass es sich im Internetclip, wie im Untergang, um eine geschichtlich korrekte Auseinandersetzung mit dem ‚echten‘ Diktator handele, wird im Grunde Bezug genommen auf gleichartiges ‚Ausgangsmaterial‘: die historischen ‚Fakten‘ um Adolf Hitler.82 Fraglich darf jedoch sein, ob in Ich hock‘ in meinem Bonker nur die historische Figur Adolf Hitler parodiert wird. Nicht unwahrscheinlich, sogar plausibel ist die Theorie der deutschen Filmjournalistin und Kunsthistorikerin Sonja M. Schultz, dass es sich im Fall des Internetvideos ebenfalls um eine satirische Auseinandersetzung mit dem „Detailfetischismus von Filmdramen mit historischem Anspruch wie Der Untergang“ handelt.83 Für Schultz‘ Theorie spricht, dass in Ich hock‘ in meinem Bonker (2006) auf Elemente verwiesen wird, die auch im erst zwei Jahre zuvor erschienen Untergang eine (teilweise sehr prominente) Rolle spielen: Nicht nur die einblendenden Textstellen, die im Untergang als Mittel zur Suggestion historischer ‚Wahrhaftigkeit‘ zu fungieren scheinen, werden im Internetclip aufgegriffen, sondern auch das Motiv des im Bunker beharrenden Diktators, Blausäurekapsel und Benzin, und Blondi. Anders als in Hirschbiegels Film werden diese 82 Ein Zugang, der nach Baudrillards Theorie nicht als Verneinung des dominanten Hitler-Bildes gelten soll, sondern vielmehr als Bestätigung. 83 Vgl. Schultz 2006. S. 89. 40 Elemente im Internetvideo jedoch in einem allesamt scherzhaften Kontext dargestellt. Die im Untergang unter anderem durch detaillierte historische Quellen belegte ‚Vermenschlichung‘ Hitlers (siehe Kapitel 3) scheint in Ich hock‘ in meinem Bonker ins Lächerliche durchgezogen zu werden, indem der ‚Führer‘, der im Spielfilm unter anderem unter anderem weinend zu sehen ist, in Ich hock‘ in meinem Bonker sogar in der ‚ultimativen‘ Privatsituation gezeigt wird: auf der Toilette. Als satirische Auseinandersetzung mit einem Film wie dem Untergang wäre Ich hock‘ in meinem Bonker nicht nur als Simulakrum der dritten, sondern auch als Simulakrum der zweiten Ordnung zu bezeichnen, da in diesem Fall neben einer nicht-(weiter)existierenden Figur (Adolf Hitler), auch ein reales Objekt (einen Film) adaptiert wird. 4.3 Fazit Im kurzen Animationsfilm Ich hock‘ in meinem Bonker wird eine singende, comicartige, als ‚Karikatur‘ zu bezeichnende Adaption Hitlers dargestellt. Der Protagonist des Clips (‚Adolf, die Nazi-Sau‘) beharrt krampfhaft in seiner Badewanne statt zu kapitulieren, und zeigt mithin Realitätsentfremdung und Narzissmus auf. Die Darstellung ist sowohl als Hitler-Persiflage als auch als Parodie eines Geschichtsdramas aufzufassen. Als satirische Wiedergabe der historischen Figur Adolf Hitler ist sie als Simulakrum der zweiten, als intendierte Parodie auf einen spezifischen Film wie Der Untergang zudem als Simulakrum der dritten Ordnung anzusehen. 41 5. Er ist wieder da – eine Analyse In diesem Kapitel finden sich eine Beschreibung (4.1) und Analyse (4.2) des Romans Er ist wieder da. Wie stellt Timur Vermes mit literarischen Mitteln die Hitler-Figur dar? 5.1 Beschreibung Er ist wieder da ist der Debütroman des deutschen Autors und Journalisten Timur Vermes (1967). Protagonist des Romans ist ein im Jahre 2011 ins Leben zurückgekehrter Adolf Hitler. Er ist wieder da gelangte bis auf Platz 1 der Bestsellerliste der Zeitschrift Spiegel84. Eine vom deutschen Schauspieler Christoph Maria Herbst (1966) gelesene Hörspielausgabe des Romans wurde mehr als 400.000 Mal verkauft, und ist daher derzeit das meistverkaufte deutschsprachige Hörbuch aller Zeiten.85 In Er ist wieder da wird - aus der Perspektive des Diktators selbst - über eine ‚Auferstehung‘ Hitlers im modernen Deutschland erzählt. Der ‚Führer‘ kommentiert hierbei, nicht ohne Rücksichtnahme auf seine eigene Vergangenheit, seine Erlebnisse in der heutigen Gesellschaft. Die Handlung des Romans fängt an mit dem Erwachen Hitlers auf einer Wiese in Berlin-Mitte (EIWD, S. 10). Der Diktator - fest davon überzeugt, dass immer noch Krieg herrsche – wird entdeckt von einer Truppe Fußball spielender Jungen, die ihn jedoch nicht erkennt (EIWD, S. 13). Als sich der uniformierte Hitler in die Stadt begibt, meint er zu sehen, dass das Deutsche Reich während seiner Absenz den Zweiten Weltkrieg gewonnen habe. Die Türken seien an diesem Endsieg wahrscheinlich maßgeblich beteiligt, folgert er aufgrund der ethnischen Varietät im Straßenbild (EIWD, S. 19). An einem Kiosk findet Hitler das Datum heraus: den 11. August 2011. Der Kioskinhaber, der es nach einem Gespräch mit dem Diktator glaubt mit einem obdachlosen Schauspieler zu tun zu haben glaubt, bietet Hitler seinen Kiosk als Schlafplatz an. Beeindruckt von der „Hitler-Nummer“ seines Gastes bringt er ihn in Kontakt mit Joachim Sensenbrink und Frank Sawatzki der Agentur Flashlight. Sensenbrink und Sawatzki sind dermaßen begeistert vom ‚Komiker‘ Hitler, dass sie ihm vorschlagen, ihm „ein paar Leute in der Firma“ vorzustellen (EIWD, S. 68). Der Diktator nimmt dieses Angebot an. Vgl. ‚Belletristik‘. Stefan Krombach: ‚„Er ist wieder da“ ist erfolgreichstes Hörbuch aller Zeiten‘. In: Hörspiel-News.de. 17.12.2013. URL: http://www.hoerspiel-news.de/2013/12/17/news/zahlen-fakten/er-ist-wieder-da-isterfolgreichstes-hoerbuch-aller-zeiten/ (letzter Zugriff: 10.6.2015). 84 85 42 Hitler wird hierauf von Flashlight in einem Hotelzimmer untergebracht, wo er Bekanntschaft mit der modernen deutschen Fernsehlandschaft macht (EIWD, S. 71-86). Er trifft auf ‚Frau Bellini‘, den Vizepräsidenten der Agentur (EIWD, S. 90). Bei der Firma versteht man alles, was Hitler macht, als eine brillante Parodie. Dem Diktator wird hierauf ein Dauerauftritt in der Fernsehshow ‚Krass, Alter‘ des türkischstämmigen Komikers Ali Wizgür in Aussicht gestellt. Hitler glaubt, dass man ihm bei Flashlight nicht als Komiker, sondern als Politiker ein Podium bieten möchte, und nimmt das Angebot an. In seinem ersten Auftritt hält er eine von jedem als Comedy aufgefasste, von ihm selbst jedoch ernst gemeinte Rede über Ausländer (EIWD, S. 161-163). Obwohl Wizgür alles andere als begeistert ist von Hitler, werden dessen Beiträge über die deutsche Politik vom großen Publikum in zunehmender Maße geschätzt. Auch Online wird Hitler, der das Internet als „Propagandamittel“ entdeckt hat, zu einem großen Hit. Als die Popularität des Diktators wächst, fängt jedoch auch die negative Berichterstattung an: Die wegen ihrer Themenwahl anfangs noch von Hitler geschätzte Boulevardzeitung Bild nennt den ‚Führer‘ „geschmacklos[..]“ (EIWD, S. 219) und berichtet, der Diktator habe ein Verhältnis zu seiner Sekretärin Vera Krömeier (EIWD, S. 233). Hitler verabredet sich mit einer Bild-Journalistin im Berliner Hotel Adlon Kempinski für ein Interview. Im Fragegespräch erklärt er offen, dass er ein Nazi sei, worauf die Redakteurin der Boulevardzeitung, die sich erhofft hatte, mehr über die ‚wahre‘ Identität des „Youtube-Hitler[s]“ (EIWD, S. 227) herauszufinden, das Interview frühzeitig beendet (EIWD, S. 255-257). „Das ist keine Satire mehr“, heißt es im folgenden Bild-Artikel, „das ist Volksverhetzung (…). Wann ermittelt endlich der Staatsanwalt?“ (EIWD, S. 278). Mit einem Foto, worauf zu sehen ist, wie die Bild-Redakteurin nach dem Interview die Rechnung im Adlon zählt, gelingt Hitler eine Revanche: Er fängt an, unter dem Slogan “Bild finanzierte den Führer“ Merchandising-Produkte zu verkaufen, was seine Popularität erheblich steigert (EIWD, 287-292). Der Diktator, der im Internet mittlerweile über eine Homepage namens ‚Führerhauptquartier‘ verfügt (EIWD, S. 241), bekommt in der Presse immer mehr positive Kritiken. Für eine Sonderreportage, in der Hitler die Parteizentrale der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) besucht und dort die Partei und deren Mitglieder kritisiert (EIWD, S. 260-272), erhält er den Grimme-Preis (EIWD, S. 303). Der ‚Führer‘, der von jedem für einen parodierenden Kabarettisten gehalten wird, bekommt eine eigene Show, in der er wöchentlich Gäste wie Grünen-Politiker Renate Künast empfängt 43 (EIWD, S. 333-339). Die neue Show, deren Dekor dem ‚Führerhauptquartier Wolfsschanze‘ ähnelt, wird zu einem großen Erfolg: Hitler gilt jetzt als ‚Fernsehstar‘ (EIWD, S. 339). Nachdem Hitler in München das Oktoberfest besucht hat, wo er auf (ihm unbekannte) Prominente wie Lothar Matthäus trifft (EIWD, S. 353), geht er auf Wohnungssuche in Berlin. Ein passendes Objekt findet er am Prenzlauer Berg, nicht weit entfernt vom „Regierungsviertel“ – „man konnte ja nicht wissen, wie schnell die Nähe dorthin nötig würde“, so der Diktator (EIWD, S. 369). Am selben Abend wird Hitler verprügelt von rechtsextremen Skinheads, die ihm vorwerfen, den Nationalsozialismus - und insbesondere die Figur Adolf Hitler – lächerlich zu machen (EIWD, S. 372-373). Im Krankenhaus bekommt der verletzte Hitler daraufhin Anrufe von mehreren Politikern, die seinen ‚Bürgermut‘ loben, und ihn bitten, in ihre jeweilige Parteien einzutreten (EIWD, S. 384-387). Zudem unterbreitet ein Verlag Hitler telefonisch das Angebot, ein von ihm zu schreibendes Buch zu publizieren – eine Offerte, die der Diktator annimmt (EIWD, S. 387-388). Am Ende des Romans gründet Hitler mit seiner Agentur eine neue politische Bewegung - „Es war nicht alles schlecht“, lautet der Slogan (EIWD, S. 396). 5.2 Analyse 5.2.1 Charakterisierung der Hitler-Figur Bei Er ist wieder da handelt es sich, anders als bei den anderen besprochenen Beispielen, nicht um eine filmische, sondern um eine literarische Appropriation der Figur Adolf Hitler. Die Mittel, mit denen die Hitler-Figur porträtiert wird, unterscheiden sich demnach grundsätzlich von denen, die in Bezug auf den Untergang und Ich hock‘ in meinem Bonker verwendet werden: Der Diktator wird nicht mit tatsächlichen Bildern, sondern – mit Ausnahme des Buchumschlags - ausschließlich mit Worten charakterisiert. Die in dieser Analyse zu besprechenden Merkmale der Hitler-Figur sind hier also literarischen ‚Bildern‘ zu entnehmen, was im Fall des Romans Er ist wieder da konkret heißt: den Worten ‚Adolf Hitlers‘. Das erste Vermes‘ Hitler-Figur zuzuschreibende Charakteristikum entspricht gerade dem Medium ‚Literatur‘: Der literarische Stil des Diktators. Im völlig als ‚Memoirenband‘ Hitlers geschriebenen Roman ist eine Sprache zu lesen, die wegen ihrer oft pathetisch anmutenden Wortwahl und Satzstruktur Assoziationen mit dem Vokabular des ‚echten‘ Adolf Hitlers hervorruft: 44 Es gibt für eine junge Bewegung nichts Gefährlicheres als den raschen Erfolg […]. Was hatte ich 1919, 1920 noch kämpfen müssen, ringen, was hatte mir damals der Sturm der Medien in das Antlitz geblasen, der Geifer der bürgerlichen Parteien, was hatte ich mühsam Lage um Lage des jüdischen Lügengewirks zerfetzt, nur um mich hernach abermals noch klebriger umsponnen zu sehen aus den Drüsen jenes Ungeziefers, alldieweil der Gegner in hundertfacher, tausendfacher Übermacht sein immer neues und immer widerwärtigeres Gift versprühte […]. (EIWD, S. 97). Ich gehe meinem Volk jetzt voran als sein erster Soldat, und hinter mir, das mag die Welt wissen, marschiert jetzt ein Volk, und zwar ein anderes als das vom Jahre 1918… Es wird meinen Willen als seinen Willen empfinden, genauso wie ich seine Zukunft und sein Schicksal als den Auftraggeber meines Handelns ansehe! Und wir wollen diesen gemeinsamen Willen jetzt so stärken, wie wir ihn in der Kampfzeit besaßen, in der Zeit, in der ich noch als einfacher unbekannter Soldat auszog, um einen Reich zu erobern…86 (Adolf Hitler, Rede im Berliner Sportpalast am 26. September 1938. Fragment). Wie der ‚authentische‘ Hitler im obenstehenden Fragment präsentiert sich der Protagonist in Er ist wieder da in seinen Monologen als rücksichtloser, pflichttreuer Einzelgänger („Der Starke ist am mächtigsten allein“, EIWD, S. 275), der sich – sich hierbei vorzugsweise eines militaristischen Idioms bedienend - ständig fest davon überzeugt zeigt, immer das Richtige für ‚sein‘ Volk zu machen (vgl. u.a. EIWD, S. 97-98). Er scheut es hierbei nicht, die Rolle der eigenen Person hervorzuheben und zu mythologisieren: Es sind die Momente der Krise, die den wahren Führer offenbaren. In denen er Nervenstärke zeigt, Durchhaltewillen, unbedingte Entschlossenheit, obgleich die Welt sich gegen ihn stellt. Wenn Deutschland mich nicht gehabt hätte, wäre 1936 niemand ins Rheinland einmarschiert. Alle haben sie gezittert, wir hätten nichts tun können, wenn der Gegner sich zum Losschlagen entschlossen hätte. Gerade mal fünf Divisionen hatten wir einsatzbereit, die Franzosen allein das Sechsfache, und dennoch habe ich es gewagt. Niemand hätte das getan außer mir, und ich habe in jener Zeit genau beobachtet, wer zu mir stand, mit den Beinen oder mit dem Herzen, das Schwert in der Hand, Seite an Seite. (EIWD, S. 167). Obwohl Vermes‘ Hitler, wie sich aus dessen vielen Monologen herausstellt, unbestreitbar über narzisstische Züge verfügt, sieht er sich nicht als Alleskönner: Als ‚Führer‘ sei man nichts ohne „exzellente Mitarbeiter“, so der Diktator (EIWD, S. 208). Vieles hält er demnach von dem, was er selbst als Loyalität an seiner Person wahrnimmt. Dies zeigt sich vor allem in seiner Beziehung zu Sawatzki, Bellini und Krömeier, die – obwohl tatsächlich ‚nur‘ Angestellte der Produktionsfirma – Hitler zufolge alles dafür machen würden, um ihm die Rückkehr in die deutsche Politik zu ermöglichen. Himmler sei ein indes „ein Brillen tragendes Verrätertum“ (EIWD, S. 279). Vermes‘ Hitler präsentiert sich als Tierfreund (u.a. EIWD, S. 373), Kinderfreund (u.a. EIWD, S. 188, S. 327), und Umweltschützer (EIWD, S. 328-330). Vor allem bezeichnet er sich aber als Nationalsozialist, was dem Diskurs um den ‚historischen‘ Diktator ebenso 86 Fest 1978 (‚Der Führer‘). S. 766. 45 entspricht wie seine Feindseligkeit gegenüber Sozialdemokraten (EIWD, S. 282), sein Rassismus (EIWD, S. 153) und sein rabiater, dezidiert geäußerter Antisemitismus: [E]s ist bei großen Aufgaben immer ein unseriöses Vorgehen, die unbedeutenden Einzelfälle aufzuzeigen, in denen das Vorhaben vorübergehend kleinere Unerfreulichkeiten mit sich bringt […]. Aber deshalb kann ich doch die Zukunft des Volkes nicht ignorieren? Und wenn man die Notwendigkeit erkennt hat, Millionen Juden, und so viele sind es nun einmal damals gewesen, Millionen Juden auszurotten, da findet man natürlich immer wieder mal einen, bei dem sich der mitfühlende einfache Deutsche denkt, ach, nun ja, so sehr schlimm war jetzt dieser Jude nicht, den oder auch jenen Juden dort hätte man schon noch einige Jahre ertragen können [...]. Es ist dies ein altes Lied: Jeder ist überzeugt von der Bekämpfung der Ratten, aber wenn es zur Sache geht, ist das Mitleid mit der einzelnen Ratte groß. Wohlgemerkt: lediglich das Mitleid, nicht der Wunsch, die Ratte zu behalten. (EIWD, S. 230-231). Vermes charakterisiert seinen Protagonisten als pragmatischen Demagogen, der weit geht, um ‚sein‘ Volk erreichen zu können. Obwohl Hitler das Niveau der Fernsehshow Krass, alter beispielsweise eindeutig kritisch beäugt, gibt es bei ihm keinen Zweifel über das Angebot, im Programm aufzutreten: „Ich habe schon frühzeitig Goebbels klargemacht, dass ich notfalls auch bereit bin, den Hanswurst zu geben, sofern ich nur die Aufmerksamkeit der Menschen bekomme“, so der Diktator (EIWD, S. 151-152). Der ‚Führer‘ in Er ist wieder da verwendet diesbezüglich sogar Humor als Instrument: In seiner eigenen Fernsehshow lässt er als festes Element im Programm irgendwo im Studio eine tickende Aktentasche verstecken, in Bezug auf die er sich während der Sendung, wenn der jeweilige Gast die Tasche entdeckt, laut die Frage stellt, wo „Stauffenberg“ denn eigentlich geblieben sei (EIWD, S. 338-339). Hitler zeigt die feste Überzeugung auf, die Welt aus einer nationalsozialistischen Perspektive erklären zu können: Die ihm unbekannte online Enzyklopädie Wikipedia sei dem Diktator zufolge nach den Wikingern genannt (EIWD, S. 133), einen Mann, den er erfolglos einen Laubbläser verwenden sieht, bezeichnet er als Symbol des deutschen Durchhaltevermögens („[E]r erfüllte tapfer und stoisch lärmend seine Pflicht. Wie die treuen Männer der SS“ (EIWD, S. 112)). Auf seiner Homepage namens „Führerhauptquartier“ beantwortet Hitler eine im Grunde aller Wahrscheinlichkeit nach ironisch gemeinte Frage über Hundezucht („[W]er ist der Jude unter den Hunden?“) mit einer „des Führers würdigen Gründlichkeit“ (EIWD, S. 243): Der deutscheste aller Hunde ist der Schäferhund, dann kommen in absteigender Reihenfolge die Dogge, der Dobermann, der Schweizer Sennenhund (aber nur aus der deutschsprachigen Schweiz), der Rottweiler, sämtliche Schnauzer, Münsterländer und meinetwegen auch noch der schon bei Wilhelm Busch erwähnte Spitz. Undeutsche Hunde hingegen sind – abgesehen von den ohnehin fremdländisch eingeführten Hunden wie Terrier, Bassett und ähnlichem Hundegesindel der Weimaraner (nomen est omen!) – der eitle Spaniel, der unsportliche Mops wie überhaupt sämtliche degenerierten Zierhunde. (EIWD, S. 245). 46 Die von Vermes‘ Hitler erdachteten ‚Lösungen‘ gehen offensichtlich nicht nur aus einer politischen Ideologie, sondern auch aus einem spezifischen, scheinbar auf den Amt des ‚Führers‘ Bezug habenden Würdigkeitsbegriff hervor. Beispielhaft ist diesbezüglich unter anderem, dass der Diktator als Klingelton Wagners Walküre bevorzugt: ‚Normale‘ Tone würden ihm zufolge klingen, „[…] als spiele ein betrunkener Clown Xylophon“ (EIWD, S. 190)). Auch illustrativ ist Hitlers Reaktion, als seine eigentliche Uniform in der Reinigung ist, und ihm der Kioskinhaber demzufolge ein Hemd und ein Paar Jeans ausleiht: Ich beschloss, dem Ensemble mit meinen bescheidenen Mitteln so weit als möglich Würde zu verleihen, indem ich entgegen seiner bizarren Vorstellung, das Hemd einfach lose über der Hose zu tragen, das Hemd sogar besonders tief in meinen Hosenbund schob. Mit meinem Gürtel gelang es mir, die etwas zu weite, aber stramm hochgezogene Hose ordentlich zu befestigen. Dann schnallte ich meinen Riemen über die rechte Schulter. Der Gesamteindruck war zwar nicht die einer deutschen Uniform, aber doch in jedem Falle wenigstens der eines Mannes, der sich anständig zu kleiden wusste. (EIWD, S. 51). Indem der Protagonist des Romans seine (veralteten) Denkmuster auf eine moderne Gesellschaft projiziert, erhält er nicht nur eine komische, sondern auch eine tragische Dimension: Er wird als Anachronismus dargestellt. Hitler, der, wie besprochen, bereit sei, „den Hanswurst zu geben, sofern [er] nur die Aufmerksamkeit der Menschen bekomme“, gibt unbewusst den ‚Hanswurst‘, indem sein ernst gemeintes Verhalten oft nicht nur komisch wirkt, sondern sogar als Comedy interpretiert wird. Es wird in dieser Weise ein ‚Führer‘ gezeigt, der sich in einer Welt zurechtzufinden versucht, die ihn einerseits nicht versteht, und anderseits von ihm selbst nicht verstanden wird – Hitler ist unbewusst Mittelpunkt einer Komödie. 5.2.2 Vermes‘ Hitler als Simulakrum Obwohl in Er ist wieder da explizit die Rede scheint von einer aus satirischen Gründen aufgeführten Hitler-Figur („Eine Persiflage? Eine Satire? Eine Polit-Comedy? All das und mehr […]“, verspricht der Umschlag), soll die Hitler-Figur an sich dem Vorwort des Romans zufolge nicht ohne weiteres als Satire angesehen werden: Er ist wieder da – aber was könnte Hitler denn heute noch ausrichten? Diese bitterböse Satire probiert es einfach aus, indem sie ihn im heutigen Berlin wiedererweckt. Und sie trifft deshalb von der ersten Seite so schmerzhaft, weil ihr Protagonist der echte Hitler ist. Nicht der TV-Ulkhitler, nicht Hollywoods Haudraufhitler, sondern der Mann, der seine Umwelt eigenwillig analysiert. Der messerscharf und blitzartig die Schwächen der Menschen erkennt. Der sturheil seiner bizarren Logik folgt, verbohrt, aber eben nicht bescheuert. (EIWD, S. 3). 47 Das Versprechen, dass es sich im Roman nicht um eine Hitler-Parodie, sondern vielmehr um eine ins moderne Deutschland versetzte, in hohem Maße als ‚wahrheitsgetreu‘ zu bezeichnende schriftliche Adaption des Diktators handelt, macht auch Autor Timur Vermes: Das Szenario Hitler in die Gegenwart zu versetzen, ist ein phantastisches Element, das ich mir erlaubt habe. Des Weiteren habe ich versucht, nicht zu flunkern, sondern nahe an der historischen Figur zu bleiben. So stammt der Stil aus "Mein Kampf": Er kommt von Hölzchen zu Stöckchen, ist prätentiös, wie einer aus kleinen Verhältnissen glaubt, dass ein Buch sein müsste. Inhaltlich haben seine Monologe im Führerhauptquartier weitergeholfen.87 Der Hitler in Er ist wieder da repräsentiere im Roman nach den Worten des Autors den ‚authentischen‘ Hitler, und sei literarisch und charakterlich nach dem Schreibstil dieser historischen Figur gebildet. Im Sinne Baudrillards wäre er demnach – wie der Hitler im Untergang - als Simulakrum der dritten Ordnung zu charakterisieren. Ähnlich wie beim Spielfilm gibt es hier zudem offenbar die Absicht, durch eine künstlerische Verarbeitung der Hitler-Figur den historischen ‚Führer‘ in gewissen Maße nachvollziehbar zu machen: Die Medien zeigen heute vor allem den Monsterhitler, der alle einschüchtert, und den Kasperhitler. Seine Wähler von damals sehen von diesem Standpunkt aus wie Idioten. Und wir zappen beruhigt weiter: Heute sind wir schlauer, wir würden nie Monstern oder Kaspern nachlaufen. So schlau wie wir waren die damals aber schon auch. Hitler konnte offensichtlich auch freundlich, klug und charmant wirken. Das ist der Punkt, mit dem wir uns ziemlich schwertun. Ein monströser Hitler macht es uns einfach. Denn je unwiderstehlicher das Böse war, desto weniger Schuld scheinen diejenigen auf sich geladen zu haben, die ihm eifrig geholfen haben. Im Umkehrschluss: Wenn Hitler nicht absolut böse war, sondern auch nette Seiten hatte, kann das mit dem Monster so nicht stimmen. Dann wird plötzlich deutlich, dass viel mehr Menschen freiwillig mitgemacht haben.88 Obwohl der Protagonist des Romans nach Vermes kein „Kasperhitler“ sei, wirkt er trotzdem komisch, indem er in prätentiöser Weise seine Ideologie auf die moderne Gesellschaft projiziert (siehe 5.2.1). Dass gerade dieser ‚anachronistische‘ Hitler im Roman nichtsdestotrotz zu einem erfolg- und einflussreichen Fernsehstar, Autor und – wie im Schlusskapitel impliziert wird – Politiker aufsteigen kann, scheint ein zentrales Thema bei dieser ‚Führer‘-Darstellung: Die Bezeichnung ‚Satire‘, so wird offenbar beabsichtigt, hat an erster Stelle nicht so sehr einen spezifischen Bezug auf die Figur des Diktators selbst, sondern vielmehr auf das im Roman skizzierte Deutschland (Vermes: „Ich habe versucht zu zeigen, dass Hitler [heutzutage] durchaus eine Chance hätte, Erfolg zu haben - nur etwas anders“89). Oliver Das Gupta: ‚“Wir haben zu viel vom gleichen Hitler“‘. Interview mit Timur Vermes. In: Süddeutsche.de. 13.12.2012. URL: http://www.sueddeutsche.de/kultur/bestseller-autor-timur-vermes-wir-habenzu-viel-vom-gleichen-hitler-1.1548976 (letzter Zugriff: 10.6.2015). 88 Ebd. 89 Ebd. 87 48 Nochmals zurückgreifend auf den von Fröhlich definierten Unterschied zwischen „ernsthaften“ und „respektlose[n]“ Zugängen zur Hitler-Figur, ist der Protagonist in Er ist wieder da als eine in diesem Kontext interessante ‚Hybride‘ anzusehen: Die Hitler-Figur wird einerseits satirisch eingesetzt, soll aber andererseits offenbar nicht weitgehend vom ‚echten‘ Hitler abweichen, und zur Deutung dieser historischen Figur beitragen. Im Endeffekt führt diese Ambivalenz zu einer Hitler-Figur, die zwar nicht durch (charakterliche) Übertreibung lächerlich gemacht ist, durch eine radikale Neukontextualisierung jedoch nichtsdestotrotz lächerlich wirkt.90 Die Idee der ‚Hitler-Simulakren‘ ist bei Er ist wieder da nicht nur hinsichtlich der Charakterisierung des Protagonisten, sondern vor allem auch in Bezug auf die Thematik des Romans von zentraler Bedeutung, indem die Problematik eines Unterschieds zwischen dem ‚echten‘ Hitler einerseits und ein Simulakrum des ‚echten‘ Hitlers andererseits von Vermes in mehreren Weise zum Thema gemacht wird. Es ist gerade diese prinzipiell als arbiträr zu charakterisierende Differenz zwischen Original und Simulakrum, die im Roman dem raschen ‚Aufstieg‘ des Protagonisten zugrunde liegt: Weil Hitler als Hitler-Imitator angesehen wird, und alles, was er sagt, demnach ironisch interpretiert wird, gilt er nicht als staatsgefährdendes Individuum, sondern als genialer Komiker. Die Idee wird aufgegriffen, dass ein satirischer Hitler irgendwie ‚entlarvt‘ sei, und deshalb keine bedeutenden Aussagen machen könne. „Herr Hitler hat alles, was er gesagt hat, als Adolf Hitler gesagt“, lautet beispielsweise Verteidigung der Produktionsfirma, als Hitler in einem Interview mit Bild behauptet, er sei ein Nazi (EIWD, S. 277). Dass „Adolf Hitler“ hierbei tatsächlich Adolf Hitler ist, und der Unterschied zwischen Ernst und Satire demnach nur von der Interpretation des jeweiligen Zuhörers abhängig ist, zeichnet die schon in 2.5 besprochene Problematik der HitlerDarstellungen aus: ‚Echt‘ und ‚unecht‘ sind hier im Grunde inhaltslose Begriffe. Nicht nur der Unterschied zwischen Ernst und Satire, sondern auch die Diskrepanz zwischen kollektiven Hitler-Bildern und der historischen Figur des Diktators wird von Vermes thematisiert. Adolf Hitler sieht sich in Er ist wieder da mit einer Differenz konfrontiert zwischen seinem tatsächlichen Habitus und den üblichen Weisen, in denen er fast siebzig Jahre nach seinem angeblichen Tod im kollektiven Gedächtnis vorgestellt wird. Bei den anderen im Roman aufgeführten Figuren existieren gemäß diesen kollektiven Bildern Vorstellungen eines ‚echten‘ Hitlers, die nicht aus dem im Roman aufgeführten ‚Führer‘, sondern aus (Hitler-)Simulakren hervorgehen. Es treten hierbei als Hyperrealität zu 90 Hierbei kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass von Vermes die Gedanke zum Ausgangspunkt genommen wird, dass die historische Figur Adolf Hitler an sich schon eine im Grunde lächerliche Figur sei. 49 bezeichnende Situationen auf: Vera Krömeier bringt den Diktator – fälschlich, so stellt sich heraus – mit geschrienen Hitler-Grüßen (EIWD, S. 126) und der Verwendung der Bezeichnung „Schweinehund“ (EIWD, S. 211) in Verbindung, Ali Wizgür zeigt sich damit unzufrieden, dass Hitlers Auftreten in Krass, Alter nicht seiner Vorstellung einer „NaziNummer“ (EIWD, S. 158) entspricht („Du bist ein Amateur“ (EIWD, S. 165)). Bestimmte kollektive Hitler-Bilder werden in diesen Situationen (unbewusst) als ‚authentischer‘ angesehen als der ‚echte‘ Hitler – im Sinne Baudrillards eine klare Genese der Simulakren. In der Diskrepanz zwischen Vermes‘ Hitler-Darstellung und den im Roman aufgeführten kollektiven ‚Führer‘-Bildern ist, wie vom Autor selbst im hier zitierten Interview schon angesprochen, ein gewisser Kommentar zum Diskurs der populären Hitler-Bilder erkennbar. Es wird darauf angespielt, dass das Aufführen der Hitler-Figur einen einfachen Weg zu (kommerziellem) Erfolg bildet – Sawatzki rät dem Diktator unter anderem einen „Ratgeber à la Hitler“ mit dem Titel Mein Kampf – mit meiner Frau zu schreiben („Das verkauft sich schon durch den Titel wie geschnitten [sic] Brot“ (EIWD, S. 179) – und mehrmals wird impliziert, dass die populären Darstellungsarten der Hitler-Figur weitgehend vom als Protagonist auftretenden ‚echten‘ Diktator differieren. Auf dem Münchner Oktoberfest wird die Hauptfigur beispielsweise mit dem im Vorwort von Vermes angesprochenen „TV-Ulkhitler“ verglichen: „[D]as ist der Hitler von Wizgür. Freitags bei MyTV! Oder nein, der hat jetzt eine eigene Sendung. Mussdu gucken, du schmeißt dich weg“. „Aber ganz anders als sonst, das ist irgendwie auch politisch, […] fast wie Harald Schmidt“. (EIWD, S. 49). Ein ‚ultimativer‘ Fall der Hyperrealität hinsichtlich der Hitler-Figur ist letztlich in der Szene in der türkischen Reinigung zu finden. Die Arbeitnehmer kennen die historische Figur Adolf Hitler offensichtlich nicht, und identifizieren den Diktator als einen (tatsächlich Hitler parodierenden) Schauspieler aus der Comedy-Serie Switch reloaded (EIWD, S. 60-61). Die historische Figur Adolf Hitler wird hier nicht nur einem bestimmten Simulakrum untergeordnet, sondern sogar dargestellt, als existiere sie im kollektiven Gedächtnis überhaupt nicht: Der ‚populäre‘ Hitler hat den historischen Hitler überwunden. 5.3 Fazit Timur Vermes‘ Roman Er ist wieder da zeigt einen im gegenwärtigen Deutschland wiedererweckten Adolf Hitler, der prätentiöse, ‚hitlerisch‘ anmutende Weltanschauungen auf 50 die moderne Gesellschaft projiziert. Der Protagonist im als ‚Satire‘ zu bezeichnenden Roman gründet auf historischen Quellen um die historische Figur Adolf Hitler, und ist demnach als Simulakrum der dritten Ordnung anzudeuten. Der Roman ist als Versuch, die historische Figur Adolf Hitler zu deuten, wie auch als Gesellschaftssatire zu charakterisieren Auch das Thema ‚Hitler darstellen‘ wird thematisiert, indem in mehreren Weisen der Diskurs der (populären) Hitler-Bilder kommentiert wird. 51 6. Die populäre Hitler-Figur – Parallelen In diesem letzten Kapitel findet sich eine Auseinandersetzung mit den relevantesten zwischen den drei besprochenen Kunstwerken aufzuzeigenden Parallelen: Welche bemerkenswerten Gemeinsamkeiten kennzeichnen diese rezenten Hitler-Darstellungen? Gibt es bezüglich dieser Darstellungen bestimmte dominante Hitler-Bilder? In 6.1 ist eine mit Beispielen belegte Auflistung der auffälligsten gemeinsamen (charakterlichen) Wesenszüge der aufgeführten Hitler-Figuren zu finden, in 6.2 eine Evaluation der aufgezeigten Tendenzen. 6.1 Tendenzen bezüglich der analysierten Hitler-Darstellungen 6.1.1 Der ‚Hitler‘-Hitler Das erste als charakteristisch zu bezeichnende gemeinsame Merkmal der drei besprochenen Kunstwerke bildet die vielleicht als selbstverständlich anmutende, deshalb aber nicht weniger relevante Gegebenheit, dass jede der aufgeführten Hitler-Figuren über die in 2.2 besprochenen Grundlagen einer Hitler-Darstellung verfügt. Sowohl im Untergang als auch in Ich hock‘ in meinem Bonker wird eine mit schwarzem Schnurrbart, Seitenscheitel und ‚Hitler‘scher‘ Sprechweise versehene Figur aufgeführt. Der Protagonist in Er ist wieder da lässt diese Grundlagen in literarischer Form ebenfalls vermuten: Ich sah [den Kioskinhaber] empört an: „Sehe ich aus wie ein Verbrecher?“. Er sah mich an: „Sie sehen aus wie Adolf Hitler“. „Eben“, sagte ich. (EIWD, S. 29). 6.1.2 Der nationalsozialistische Hitler Ebenfalls kaum überraschend, aber trotzdem erwähnenswert ist die Tatsache, dass die HitlerFigur in den drei besprochenen Kunstwerken jeweils mit der politischen Ideologie des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht wird: Der Hauptdarsteller des Internetclips wird als ‚Nazi-Sau‘ charakterisiert, im Spielfilm und im Roman setzen sich die betreffenden Protagonisten sogar inhaltlich mit der Ideologie auseinander. 6.1.3 Der militaristische Hitler Adolf Hitler wird in den analysierten Exponenten der populären Kultur als auf Kampf und Krieg fixierte Figur dargestellt, die geradlinig mit beinahe jedem Aspekt ihres Handelns 52 bestimmte als militärisch zu bezeichnende Prinzipien verknüpft. Alle dargestellten Hitler legen offensichtlich großen Wert auf (meistens mit dem Zweiten Weltkrieg in Verbindung zu bringende) Kriegführung und militären Erfolg. In Ich hock‘ in meinem Bonker beschwert sich ‚Adolf, die Nazi-Sau‘ sogar darüber, der Zweite Weltkrieg mache „keinen Spaß“ mehr, mithin implizierend, dass ihm das Phänomen ‚Krieg‘ normalerweise eine gewisse Freude bereiten würde. Die aufgeführten Hitler betrachten Kapitulation als weitgehenden Gesichtsverlust: Im Untergang und in Ich hock‘ in meinem Bonker bevorzugen die jeweiligen Hauptfiguren Selbstmord (‚Adolf‘: „Ich habe Blausäurekapsel und genug Benzin“), in Er ist wieder da versucht der Protagonist während des Angriffs der rechtsextremen Skinheads, „Haltung und Stolz zu wahren“ (EIWD, S. 372). Auffällig ist weiterhin, dass die drei aufgeführten HitlerFiguren allesamt großen Wert auf Autorität und Loyalität legen. Im Untergang wird der Diktator – vor allem, wenn es seine „treuesten Mitkämpfer“ betrifft - emotional, als seine Befehle verweigert werden; im Internetclip zeigt sich ‚Adolf‘ unzufrieden darüber, dass außer Blondi keiner mehr auf ihn hört; im Roman lobt Hitler unter anderem die ‚Loyalität‘ seiner Agentur und die ‚Pflichttreue‘ bezüglich des Laubbläsers („Befehl ist Befehl“, EIWD, S. 113). 6.1.4 Der narzisstische Hitler In den drei besprochenen Kunstwerken wird Adolf Hitler als Figur mit narzisstischen Zügen dargestellt. Vermes‘ Hitler ist ein ‚Besserwisser‘, der ständig alles nur aus seiner eigenen (nationalsozialistischen) Perspektive erklärt. Wie der Hitler im Untergang mythologisiert er zudem konsequent das eigene Selbst. Weiterhin glauben beide ‚Führer‘ für fast jeden Auftraf geeignet zu sein: Die Hauptfigur im Spielfilm denkt ‚zusammen‘ mit Albert Speer ein neues Berlin aus, der Protagonist des Romans entwirft in seiner Freizeit unter anderem eine Brücke nach England und zwei Opernhäuser mit jeweils 150 000 Sitzplätzen. „[W]er macht so etwas, wenn ich es nicht selbst in die Hand nehme?“, lautet seine diesbezüglich illustrative rhetorische Frage (EIWD, S. 275-276). ‚Adolf‘ zeigt in Ich hock‘ in meinem Bonker eine in ihrer Extremität sogar als comicartig zu bezeichnende Selbstverliebtheit auf, indem er sich mit Hitler-Bildnissen umgibt. 6.1.5 Der realitätsentfremdete Hitler Die drei dargestellten Hitler-Figuren weisen allesamt eine gewisse Verfremdung von der Realität auf. Diese Realitätsentfremdung geht in allen drei Fällen aus den in 6.1.4. 53 besprochenen Selbstbildern hervor, und ergibt sich ebenfalls aus unter anderem unrealistischem Siegesglauben (Der Untergang und Ich hock‘ in meinem Bonker) und tiefgreifendem Unverständnis hinsichtlich (der eigenen Position in) der modernen Gesellschaft. 6.1.6 Der nostalgische Hitler In jedem der drei besprochenen Kunstwerken wird bei der Hauptfigur eine gewisse Nostalgie suggeriert: Im Untergang reflektiert Hitler melancholisch über seine einstigen Zukunftsperspektiven („Ich habe Großes vorgehabt mit den Deutschen […]“), ‚Adolf‘ sehnt In ich hock‘ in meinem Bonker nach der Zeit zurück, als der Krieg offenbar noch „Spaß“ machte, und der Protagonist in Er ist wieder da wird nostalgisch, als er auf die Periode nach der Ersten Weltkrieg zurückblickt (u.a. EIWD, S. 97). 6.1.7 Der sympathische Hitler Ein letztes hier zu besprechendes gemeinsames Merkmal der drei besprochenen Darstellungen bildet die Idee eines ‚sympathischen‘ Hitlers. Die Hitler-Figur, nicht selten eindeutig als Symbol des Bösen angesehen, verfugt in jedem der analysierten Kunstwerke über eine ‚menschliche‘, sogar als ‚sympathisch‘ anzudeutende Seite. Der Spielfilm-Hitler ist zwar rücksichtlos und antisemitisch, unter anderem aber auch freundlich und empathisch seiner Sekretärin gegenüber; der Roman-Hitler ist ein gefährlicher Narzisst, zugleich aber auch ein anständiger Umweltschützer und Kinderfreund; der badende Internet-Hitler kümmert sich um seinen Hund, und – auch wegen seiner Gestalt - mutet allesamt fast total ungefährlich an. 6.2 Die populäre Hitler-Figur - Evaluation Der Untergang, Ich hock‘ in meinem Bonker, und Er ist wieder da weisen, wie besprochen in den jeweiligen Kapiteln, als Hitler-Darstellung im Vergleich zueinander strukturelle Unterschiede auf. Nicht nur gibt es bei jedem Kunstwerk bezüglich des Aufführens der HitlerFigur offensichtlich andere Zielsetzungen (Deutung, Satire, beziehungsweise Deutung und Satire), auch wird der Diktator in jedem besprochen Fall mit anderen ‚Mitteln‘ dargestellt: Im Untergang wird Hitler von einem Schauspieler gespielt, in Ich hock‘ in meinem Bonker durch eine animierte 3D-Figur dargestellt, in Er ist wieder da literarisch gestaltet. Den Unterschieden zum Trotz sind, wie aufgelistet und belegt in 6.1, in Bezug auf die Charakterisierung der Hitler-Figur bestimmte Parallelen aufzuzeigen. Hinsichtlich dieser Parallelen fällt auf, dass keine der besprochenen Hitler-Darstellungen die Figur des ‚Führers‘ 54 (völlig) aus ihrem historischen Kontext loslöst: Obwohl Ich hock‘ in meinem Bonker den Diktator als karikaturistische Comicfigur darstellt, und Vermes ihn im gegenwärtigen Deutschland aufführt, wird die Hitler-Figur in den drei analysierten Kunstwerken konsequent mit unter anderem Deutschland, dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg in Verbindung gebracht. Adolf Hitler entspricht hier allen manchmal phantastischen Elementen zum Trotz immer noch dem kollektiven Bild des nationalsozialistischen Diktators. Bei Er ist wieder da und dem Untergang ist dieser klare Bezug auf die Geschichte damit zu erklären, dass es sich bei beiden Kunstwerken offensichtlich um Versuche handelt, die historische Figur Adolf Hitler zu deuten – ein völlig außerhalb seines ursprünglichen Kontextes dargestellter ‚Führer‘ würde kaum noch auf kollektive Hitler-Bilder verweisen, und einen solchen Versuch somit erheblich erschweren. Indem Ich hock‘ in meinem Bonker teilweise als Hitler-Persiflage, teilweise als satirische Auseinandersetzung mit Geschichtsdramen anzusehen ist, ist auch hinsichtlich ‚Adolf, die Nazi-Sau‘ den klaren Bezug auf den historischen Hitler erklärbar. Bemerkenswert ist evenfalls die Tatsache, dass die Hitler-Figur in allen drei Fällen nicht ausschließlich über negativ konnotierte Eigenschaften verfügt. Der Diktator bekommt in den besprochenen Kunstwerken eine ‚menschliche‘ Seite: Er wird nicht (nur) als „Größte[r] Verbrecher aller Zeiten“, sondern auch als unter anderem aufrichtig liebevoller Mensch, anständiger Herr und Umweltschützer dargestellt. Eine mögliche Erklärung zum ‚menschlichen‘ Hitler-Bild bietet in Bezug auf Spielfilm und Roman auch hier die beabsichtigte Deutung des historischen Diktators: Gerade die (teilweise) historisch belegten als ‚menschlich‘ zu bezeichnenden Eigenschaften Hitlers machen ihn nachvollziehbar, so könnte hier der logische Hintergedanke sein. Bei Ich hock‘ in meinem Bonker könnte die weitgehende Vermenschlichung (‚Adolf‘ in der Badewanne mit seinem Hund) gerade eine Übertreibung bilden von diesem ‚Nachvollziehbar-Machen‘ Hitlers. Allen möglichen Erklärungen zu den in den besprochenen Kunstwerken aufgeführten Wahl der Hitler-Bilder zum Trotz ist klar, dass bestimmte Hitler-Bilder in Bezug auf die drei besprochenen Kunstwerke als ‚dominant‘ zu bezeichnen sind. Inwieweit diese Bilder in Bezug auf den historischen Diktator als Produktion, und inwieweit als Reproduktion zu charakterisieren sind, muss man jedoch unbedingt als unklar bezeichnen – die HitlerSimulakren definieren den Diskurs. 55 Konklusion Wer sich das breite Spektrum der Hitler-Darstellungen – Kapitel 2 dieser Arbeit kann diesbezüglich selbstverständlich nur einen kleinen Durchschnitt zeigen – anschaut, kann nur zum Schluss kommen, dass dieses Spektrum durch eine Variation gekennzeichnet wird, wofür man sich bei der Getränkeabteilung eines durchschnittlichen Supermarktes überhaupt nicht zu schämen brauchte. Hitler als heißblütige Zeichentrickfigur, Hitler als Tier, Hitler als sensibler Politiker, Hitler als Zombie – eine vollständige Liste der unterschiedlichen Darstellungen des alten Diktators würde gewiss mehrere Seiten brauchen. Im Vergleich von drei sehr populären rezenten deutschen Hitler-bezogenen Kunstwerken – dem Spielfilm Der Untergang, dem Internetclip Ich hock‘ in meinem Bonker und dem Roman Er ist wieder da - ist im Hinblick auf die Darstellung der ‚Führer‘-Figur eine ähnlich interessante Verschiedenheit wahrnehmbar. Obwohl bezüglich der Charakterisierung der aufgeführten Hitler-Figuren, wie besprochen in Kapitel 6, klare Parallelen aufzuzeigen sind, sind in Bezug auf Ziel und Ausarbeitung der Hitler-Darstellungen wie auch hinsichtlich ihrer jeweiligen Beziehung zur historischen Figur Adolf-Hitler mehrere Extreme anzutreffen. Der in Kapitel 3 besprochene Spielfilm Der Untergang handelt von den letzten zehn Tagen Adolf Hitlers. Der Film versucht eine so wahrheitsgetreu wie mögliche Dramatisierung bestimmter historischen Ereignisse. Mithin wird prätendiert, dass eine ziemlich akkurate Darstellung Hitlers dargeboten wird. Im Internetclip Ich hock‘ in meinem Bonker (Kapitel 4) wird, anders als beim Untergang, mit dem Aufführen der Hitler-Figur ein satirisches Kommentar betrachtet. Im Animationsfilm sitzt die Hauptfigur ‚Adolf, die Nazi-Sau‘ – ein comicartiger Hitler – nackt im Badezimmer ihres Bunkers. Der Kurzfilm persifliert durch Übertreibung und komisch wirkende Neukontextualisierung die historische Figur Adolf Hitler wie auch deren Verarbeitung in Dramen wie Der Untergang. In Timur Vermes‘ Er ist wieder da wird Adolf Hitler 2011 in Berlin wiedererweckt. In Monologform wird vom Diktator beschrieben, wie er als Komiker zum Fernsehstar aufsteigt. ‚Hitlerisch‘ anmutende Weltanschauungen bilden, wie besprochen in Kapitel 5, einen roten Faden durch den als satirisch zu bezeichnenden Roman, indem der Protagonist ohne jeden Zweifel am eigenen Kenntnisstand bezüglich der gegenwärtigen Gesellschaft die moderne Welt kommentiert. Die aufgeführte Hitler-Figur ist wie beim Untergang nach geschichtlichen Quellen um Adolf Hitler geformt. Der radikalen Neukontextualisierung zum Trotz ist versucht, die Hauptfigur historisch korrekt darzustellen, und diese dem Leser mithin in 56 irgendeiner Weise nachvollziehbar zu machen. Im Roman bildet in erster Linie nicht Adolf Hitler selbst, sondern eher dessen Rolle in der gegenwärtigen Gesellschaft das Objekt der Satire: Hitler wird nicht persifliert, sondern als Mittel verwendet, um die Gesellschaft wie auch der Diskurs der populären Hitler-Bilder satirisch zu kommentieren. Eine Tendenz, die in dieser Arbeit in Bezug auf jedes der analysierten Kunstwerken angesprochen worden, und hinsichtlich einer Hitler-Darstellung als prinzipiell unumgänglich zu bezeichnen ist, ist das ‚Zitieren‘ anderer Hitler-Darstellungen. Der Untergang präsentiert explizit ein Werk Joachim Fests und die Memoiren der Hitler-Sekretärin Traudl Junge als Grundlagen der Hitler-Darstellung. Bei Ich hock‘ in meinem Bonker und Er ist wieder da gibt es bezüglich der Darstellung des Diktators sogar eine Metaebene: Nicht (nur) die Figur Adolf Hitler an sich, sondern auch deren Erscheinen in anderen Medien ist Thema der Vorstellung. In anderen Worten: Nicht nur das Bild, sondern auch das Abbilden wird thematisiert. Obwohl immer noch eine Beziehung zum historischen ‚Führer‘ suggeriert wird, stehen Verweise auf andere Hitler-Darstellungen bei diesen Kunstwerken mindestens ebenso deutlich im Zentrum der Vorstellung wie „der größte Verbrecher aller Zeiten“ selbst. Dass mediale Hitler-Bilder keine ‚realen‘ Objekte, sondern andere mediale Bilder verarbeiten ist, wie besprochen in Kapitel 2, unumgänglich, dass dieser Bilderdiskurs schließlich selbst zum Thema wird eine vielleicht logische Folge. Keine unsinnige Idee scheint jedenfalls der in Kapitel 3 angesprochene ‚Hitler-Mythos‘. Hitler ist als nicht (weiter-) existierende Figur zu bezeichnen, die wegen ihrer Rolle in der Weltgeschichte und ihrer weitgehenden Monumentalisierung und ‚Entmenschlichung‘ heutzutage nicht nur als allgemein bekannt, sondern in gewissem Maße auch als mysteriös gelten darf, und deshalb sowohl einen guten Bezugspunkt als eine ideale Projektionsfläche bildet. Ob Geschichtsdeuter oder Internetbastler: Mit dem alten Diktator kann jedem etwas anfangen. Das kollektive Hitler-Bild wird nicht nur von medialen Bildern widerspiegelt, sondern auch von medialen Bildern erschaffen. Der historische Adolf Hitler spielt also, wie durchgehend angesprochen und aufgezeigt, im Bilderfluss bezüglich seiner Person in strengem Sinne eine eher untergeordnete Rolle: Er dient vor allem zum Ausgangspunkt. Für Adolf Hitler gibt es, seinen unzähligen gegenwärtigen Media-Auftritten nach, siebzig Jahre nach seinem Tod nur noch einen Bereich, in dem er in gewissem Maße noch als einer der absoluten ‚Führer‘ anzudeuten wäre: die populäre Kultur. Wie Joachim Fest schon schrieb über den Diktator: „Unter den Dokumenten, die von der psychischen Gewalt seiner 57 Erscheinung zeugen, blieb nicht viel mehr als der Eindruck seiner Stimme […]“.91 Und die können wir mittlerweile alle nachahmen. 91 Fest 1978 (‚Der Führer‘). S. 1041. 58 Literatur ‚Adolf, die Nazi-Sau – Ich hock‘ in meinem Bonker‘. In: Chartsurfer.de. URL: http://www.chartsurfer.de/artist/walter-moers-thomas-pigor/adolf-die-nazisau-ichhock-in-meinem-bonker-song_fuehg.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). ‚Belletristik‘. In: Spiegel Online. 17.12.2012. URL: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-90157613.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). ‚Das Ende der Hitler-Teekanne‘. In: N24.de. 30.5.2013. URL: http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Panorama/d/2922574/das-ende-der-hitlerteekanne.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). ‚Der Untergang‘. In: International Movie Database. URL: http://www.imdb.com/title/tt0363163/?ref_=nv_sr_1 (letzter Zugriff: 10.6.2015). ‚Größer Schauspieler als Hitler! Burgschauspieler Albin Skoda spielt in dem Cosmopol-Film der Columbia die Rolle Adolf Hitlers‘. In: Columbia Filmgesellschaft mbH (Hg.): Columbia hilft werben! Presseheft zum Spielfilm Der letzte Akt. Heidelberg: Columbia 1955. ‚Ich halte mich ausschließlich an die Geschichte‘. Interview mit Bernd Eichinger. In: Der Spiegel. 19.4.2003. S. 153. ‚Pegida-Gründer Bachmann verteidigt Hitler-Foto auf Facebook als Spaß‘. In: Focus Online. 21.1.2015. URL: http://www.focus.de/politik/deutschland/umstrittenes-selfienur-spass-pegida-gruender-verteidigt-hitler-foto_id_4418414.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). ‚Pegida-Gründer spielt Hitler‘. In: FAZ.net. 21.1.2015. URL: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/lutz-bachmann-pegida-gruender-spielt-hitler13382531.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). Anker, Jens: ‚„Irgendwann gibt es Hitler im Überrasschungsei“‘. Interview mit Baldur von Schirach. In: Welt Online. 27.7.2008. URL: http://www.welt.de/kultur/article2253401/Irgendwann-gibt-es-Hitler-imUeberraschungsei.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). Baudrillard, Jean: Der symbolische Tausch und der Tod [L’échange symbolique et la mort, 1976]. Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Gerd Bergfleth, Gabriel Ricke und Ronald Voullié. München: Matthes & Seitz 1982. 59 Baudrillard, Jean: Simulacra and simulation [Simulacres et simulation, 1981]. Aus dem Französischen ins Englische übersetzt von Sheila Faria Glaser. Ann Arbor: University of Michigan Press 1994. Catshatlooklikehitler.com. URL: http://catsthatlooklikehitler.com/cgibin/seigmiaow.pl (letzter Zugriff: 10.6.2015). Cole, Charles Robert: ‚Anglo-American Anti-fascist Film Propaganda in a Time of Neutrality: „The Great Dictator“ (1940)’. In : Historical Journal of Film, Radio and Television 21:2 (2001). S. 137-152. Das Gupta, Oliver: ‚“Wir haben zu viel vom gleichen Hitler“‘. Interview mit Timur Vermes. In: Süddeutsche.de. 13.12.2012. URL: http://www.sueddeutsche.de/kultur/bestseller-autor-timur-vermes-wir-haben-zu-vielvom-gleichen-hitler-1.1548976 (letzter Zugriff: 10.6.2015). Daub, Adrian: ‚"Hannah, can you hear me?": Chaplin's "Great Dictator", "Schtonk", and the vicissitudes of voice’. Criticism 51:3 (2009). S. 451-482. Erk, Daniel: ‚Es geht om Doitschland‘. In: Hitler-Blog. 15.10.2006. URL: http://blogs.taz.de/hitlerblog/2006/10/15/es-geht-om-doitschland/ (letzter Zugriff: 10.6.2015). Erk, Daniel: Hitler-Blog. Weblog. In: taz.blogs. 22.6.2006-20.2.2013. URL: http://blogs.taz.de/hitlerblog/ (letzter Zugriff: 10.6.2015). Fest, Joachim: Der Untergang. Berlin: Alexander Fest Verlag 2002. Fest, Joachim: Hitler. Eine Biographie. Erster Band (‚Der Aufstieg‘). Berlin: Propyläen 1978. Fest, Joachim: Hitler. Eine Biographie. Zweiter Band (‚Der Führer‘). Berlin: Propyläen 1978. Fiedler, Cornelia: ‚Ha, ha, Hitler‘. In: Süddeutsche.de. 9.1.2013. URL: http://www.sueddeutsche.de/kultur/bestseller-roman-er-ist-wieder-da-ha-ha-hitler1.1568685 (letzter Zugriff: 10.6.2015). Fröhlich, Margrit: ‚Tot oder lebendig. Hitler als Figur im Spielfilm‘. In: Rainer Rother und Karin Herbst-Meßlinger (Hg.): Hitler darstellen. Zur Entwicklung und Bedeutung einer filmischen Figur. München: Richard Boorberg Verlag, 2008. S. 13-33. Goscinny, René (Autor) und Albert Uderzo (Illustrator): Asterix der Gallier [Astérix le Gaulois]. Comicheft. Berlin: Egmont Ehapa Verlag 1966. 60 Halbwachs, Maurice: Das kollektive Gedächtnis [La mémoire collective, 1950]. Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Holde Lhoest-Offermann. Stuttgart: Ferdinand Enke 1967. Hofmann, Wilhelm und Anna Baumert: ‚Hitler als Figur der psychologischen Medienforschung‘. In: Rainer Rother und Karin Herbst-Meßlinger (Hg.): Hitler darstellen. Zur Entwicklung und Bedeutung einer filmischen Figur. München: Richard Boorberg Verlag 2008. S. 133-144. Hunin, Jan: ‚“Vladimir Poetin is de nieuwe Adolf Hitler“‘. In: Volkskrant.nl. 14.3.2014. URL: http://www.volkskrant.nl/vk/nl/30323/Onrust-inOekraine/article/detail/3607100/2014/03/04/Vladimir-Poetin-is-de-nieuwe-AdolfHitler.dhtml (letzter Zugriff: 10.6.2015). Junge, Traudl und Melissa Müller: Bis zur letzten Stunde. Hitlers Sekretärin erzählt ihr Leben. München: Claassen Verlag 2002. Kershaw, Ian: Hitler 1936-1945: Nemesis. London: Penguin 2000. Kilb, Andreas: ‚Ein Mahnmal, ein Reißer, ein Meisterwerk? Das Ende Adolf Hitlers: Der letzte Akt von Georg Wilhelm Pabst und Der Untergang von Oliver Hirschbiegel im Vergleich‘. In: Margrit Fröhlich, Christian Schneider, Karsten Visarius (Hg.): Das Böse im Blick. Die Gegenwart des Nationalsozialismus im Film. München: Edition Text + Kritik 2007. S. 87-97. Kreimeier, Klaus: ‚Trennungen. G. W. Pabst und seine Filme‘. In: Wolfgang Jacobsen (Hg.): G. W. Pabst. Berlin: Argon 1997. S. 117-122. Krombach, Stefan: ‚„Er ist wieder da“ ist erfolgreichstes Hörbuch aller Zeiten‘. In: Hörspiel-News.de. 17.12.2013. URL: http://www.hoerspielnews.de/2013/12/17/news/zahlen-fakten/er-ist-wieder-da-ist-erfolgreichstes-hoerbuchaller-zeiten/ (letzter Zugriff: 10.6.2015). Loiperdinger, Martin, Rudolf Herz, Ulrich Pohlmann (Hg.): Führerbilder. Hitler, Mussolini, Roosevelt, Stalin in Fotographie und Film. München: Piper 1995. Mann, Thomas: Politische Schriften und Reden. Band 3. Frankfurt am Main: Fischer 1968. Michaelsen, Sven: ‚Totaler Dämon und elende Witzfigur‘. Interview mit Bernd Eichinger und Bruno Ganz. In: Stern.de. 16.9.2004. URL: http://www.stern.de/kultur/film/interview-totaler-daemon-und-elende-witzfigur529800.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). 61 Mitchell, Charles P.: The Hitler Filmography. Jefferson (North Carolina): McFarland & Company 2002. Moers, Walter: Adolf. Äch bin schon wieder da!!. Frankfurt am Main: Eichborn 1999. Moers, Walter: Adolf. Äch bin wieder da!!. Frankfurt am Main: Eichborn 1998. Rother, Rainer und Karin Herbst-Meßlinger (Hg.): Hitler darstellen. Zur Entwicklung und Bedeutung einer filmischen Figur. München: Richard Boorberg Verlag 2008. Schultz, Sonja M.: ‚Hitler 2.0. Der Diktator im Internet‘. In: Rainer Rother und Karin Herbst-Meßlinger (Hg.): Hitler darstellen. Zur Entwicklung und Bedeutung einer filmischen Figur. München: Richard Boorberg Verlag, 2008. S. 86-100. Suchsland, Rüdiger:‚Wenn Untergänge, dann aber richtig‘. Interview mit Joachim Fest. In: Der Tagesspiegel. 22.4.2003. S. 21. Vermes, Timur: Er ist wieder da. Köln: Eichborn 2012. Von Höbel, Wolfgang: Unvorstellbare Witzfigur. In: Spiegel Online. 11.03.2013. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-91488765.html (letzter Zugriff: 10.6.2015). Wenders, Wim: ‚Tja, dann wollen wir mal‘. In: Zeit.de. 21.10.2004. URL: http://www.zeit.de/2004/44/Untergang_n (letzter Zugriff: 10.6.2015). Wildt, Michael: Hitler goes Fiction. Hitler-Filme und Geschichtswissenschaft. In: Rainer Rother und Karin Herbst-Meßlinger (Hg.): Hitler darstellen. Zur Entwicklung und Bedeutung einer filmischen Figur. München: Richard Boorberg Verlag 2008. S. 115-120. Wilhelm, Margarete: Der größte Verbrecher aller Zeiten? Zu Hitlers Finanzierung. Mohrkirch: Kritik Verlag 1976. Wouters, Coene: Diktator am Schirm. Zur Wahrnehmung der Fiktionalität bei Hitler. Bachelorarbeit. Begleiter: Elke Huwiler. Universiteit van Amsterdam 2014. Youtube.com. Online Videoportal. URL: http://www.youtube.com (letzter Zugriff: 10.6.2015). Fernsehen Hart aber fair: ‚Hitler als Witzfigur – worüber darf Deutschland lachen?‘. Talkshow im ARD. 25.02.2013. Moncrief, Zac (Regie), Seth MacFarlane (Produktion): Family Guy, Saison 4, Folge 27 (‚The Griffin Family History‘). Animation. USA: 20th Century Fox Television 2006. 62 Filmographie ‚Harald Schmidt als Hitler verkleidet‘. In: Youtube.com. 6.11.2006. URL: https://www.youtube.com/watch?v=yCLralhpcdI (letzter Zugriff: 10.6.2015). ‚Hitler takes too much Viagra‘. Internetclip. In: Youtube.com. 6.9.2011. URL: https://www.youtube.com/watch?v=wAqyWpBo9OU (letzter Zugriff: 10.6.2015). ‚Hitler voorspelt WK wedstrijd Spanje Nederland‘ [sic]. Internetclip. In: Youtube.com. 14.6.2014. URL: https://www.youtube.com/watch?v=YBdmNGPR7tM (letzter Zugriff: 10.6.2015). Brooks, Mel (Regie), Sidney Glazier (Produktion): The Producers. Spielfilm. USA: Embassy Pictures 1968. Brooks, Mel (Regie): To Be or Not to Be (The Hitler Rap). Videoclip. USA: Island Records, 1983. Chaplin, Charlie (Produktion, Regie): The Great Dictator. Spielfilm. USA: United Artists 1940. Gönnert, Felix (Regie), Walter Moers (Produktion): Adolf. Ich hock‘ in meinem Bonker. Internetclip. Deutschland: GFP 2012. URL: https://www.youtube.com/watch?v=uZ82cwTCYDs (letzter Zugriff: 10.6.2015). Heller, André und Othmar Schmiederer (Regie), Danny Krausz und Kurt Stocker (Produktion): Im toten Winkel. Dokumentarfilm. Österreich: Dor Film 2002. Hirschbiegel, Oliver (Regie), Bernd Eichinger (Produktion): Der Untergang. Spielfilm. Deutschland: Constantin Film 2004. Levy, Dani (Regie), Stefan Arndt (Produktion): Mein Führer – die wirklichste Wahrheit über Adolf Hitler. Spielfilm. Deutschland: X Filme 2007. Pabst, Georg Wilhelm (Regie), Carl Skozoll (Produktion): Der letzte Akt. Spielfilm. BRD, Österreich: Cosmopol-Film 1955. Riefenstahl, Leni (Regie, Produktion): Triumph des Willens. Dokumentarfilm. Deutschland: Leni Riefenstahl-Produktion 1935. Singer, Bryan (Regie, Produktion), Christopher McQuarrie (Produktion): Valkyrie. Spielfilm. USA: United Artists 2008. Sonstige Quellen id Software: Wolfenstein. Computerspiel. USA: Raven Software 2009. 63 Bilderverzeichnis Abbildung 1 (S. 4): Catsthatlooklikehitler.com. Foto. URL: http://www.catsthatlooklikehitler.com/cgi-bin/seigboard.pl?289 (10.6.2015). Abbildung 2 (S. 12): Catsthatlooklikehitler.com. Foto. URL: http://www.catsthatlooklikehitler.com/cgi-bin/seigboard.pl?8 (letzter Zugriff: 10.6.2015). Abbildung 3 (ebd.): Johannes Wiebel, punchdesign: Umschlag zum Roman Er ist wieder da. Abbildung 4 (S. 13): J.C. Penney. Foto. In: ‚Das Ende der Hitler-Teekanne‘. Abbildung 5 (ebd.): AFP. Foto. In: Hunin 2014. Abbildung 6 (ebd.): Twitter, Civitas Livertatis, Frankfurter Allgemeine Zeitung. Screenshot. In: ‚Pegida-Gründer spielt Hitler‘. Abbildung 7 (S. 14): Leni Riefenstahl: Triumph des Willens. Still aus dem Spielfilm. Abbildung 8 (S. 17): Charlie Chaplin: The Great Dictator. Still aus dem Spielfilm. Abbildung 9 (ebd.): Bundesarchiv: Bild 119-11-19-12, Adolf Hitler bei Ortsgruppenfeier der NSDAP Rosenheim. Zudem verfügbar bei Wikimedia Commons. URL: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_11911-19-12,_Adolf_Hitler_bei_Ortsgruppenfeier_der_NSDAP_Rosenheim.jpg (letzter Zugriff: 10.6.2015). Abbildung 10 (S. 18): Daniel Levy: Mein Führer – die wirklichste Wahrheit über Adolf Hitler. Still aus dem Spielfilm. Abbildung 11 (ebd.): Idem. Abbildung 12 (S. 19): Zac Moncrief: Family Guy, Saison 4, Folge 27 (‚The Griffin Family History‘). Still aus der Fernsehserie. Abbildung 13 (S. 20): Georg Wilhelm Pabst: Der letzte Akt. Still aus dem Spielfilm. Abbildung 14 (S. 28): Oliver Hirschbiegel: Der Untergang. Still aus dem Spielfilm. Abbildung 15 (ebd.): Leni Riefenstahl: Triumph des Willens. Still aus dem Spielfilm. Abbildung 16 (S. 35): Felix Gönnert: Adolf. Ich hock‘ in meinem Bonker. Still aus dem Internetclip. Abbildung 17 (S. 36): Idem. Abbildung 18 (S. 37): Idem. 64 Abbildung 19 (S. 38): René Goscinny, Albert Uderzo: Umschlag zum Comicheft Astérix le Gaulois. 65