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Die Wirkung von Säuren und Laugen auf tierisches
Gewebe
Protokoll A09
Mechanismen
Reaktion in der Salzsäure
O
H2N
R
2
C
R
OH
+ H2O
N
H
1
+ H+
H2N
R
R
O
1
+
OH
2
OH
H2N
O
O
Reaktion in der Natronlauge
O
HyCx
O
O
O
HyCx
CxHy
O
HO
+ 3 NaOH
O
OH
+
OH
CxHy
3
+
Na O
-
O
Zeitbedarf
Vorbereitung: 5 min.
Durchführung: 1 Tag +
Nachbereitung: 30 min.
Chemikalienliste
Edukte
Chemikalien
Salzsäure
(konz., w = 0,32)
Natronlauge
(konz., w = 0,32)
Gefahrensymbole
Summenformel
Menge
R-Sätze
S-Sätze
Gefahrensymbole
Schuleinsatz
HCl(aq)
500 mL
34-37
26-45
C
S1
NaOH(aq)
500 mL
35
26-37/39-45 C
S1
Die Wirkung von Säuren und Laugen auf tierisches
Gewebe
Protokoll A09
Materialien und Geräte
2 Bechergläser (500 mL), Tiegelzange, Glasplatte, 2 Schweinepfoten
Versuchsaufbau
Abb. 1: Schweinepfoten in Natronlauge (links) und Salzsäure (rechts)
Durchführung
Augenschutz
benutzen
Schutzhandschuhe
benutzen
Schutzkleidung
benutzen
Der Versuch sollte in einem Abzug durchgeführt werden.
In ein Becherglas werden 500 mL Salzsäure, in das andere Becherglas 500 mL Natronlauge gefüllt.
Dann wird jeweils eine Schweinepfote in die Bechergläser gegeben und die Reaktion über 24 Stunden
beobachtet.
Am nächsten Tag werden die Schweinepfoten mit der Tiegelzange aus den Bechergläsern geholt und
auf die Glasplatte gelegt.
Beobachtungen
In dem Becherglas mit der Salzsäure sind bereits nach 2-3 Minuten braune Verfärbungen am Gewebe
zu erkennen. Das Fleisch der Schweinepfote löst sich langsam auf und die Knochen kommen zum
Vorschein. Nach einem Tag hat sich fast das gesamte Gewebe abgelöst. Um die Knochen herum ist
nur noch eine schleimige, labberige Masse vorhanden. Innerhalb der ersten 2-3 Stunden sind die
stärksten Effekte zu sehen, da sich die Lösung in dem Becherglas mit der Salzsäure danach stetig
dunkler und schließlich schwarz verfärbt.
Die Wirkung von Säuren und Laugen auf tierisches
Gewebe
Protokoll A09
Die Schweinepfote in der Natronlauge wird hingegen nur wenig angegriffen. Das Gewebe löst sich
kaum auf, es sind nur leichte Risse in der Haut zu sehen. Allerdings bildet sich auf der Hautoberfläche
ein seifiger, glitschiger Film.
Abb. 2: Die Schweinepfoten nach 2 Stunden
Abb. 3: Die Schweinepfoten und Lösungen nach 24 Stunden
Nach etwa einer Woche ist von der Schweinepfote in der Salzsäure nur noch eine labberige Masse
übrig, welche auf der Lösung schwimmt. Die Schweinepfote in der Natronlauge ist sehr labil
geworden und fällt beim Versuch, sie mit einer Tiegelzange aus dem Becherglas zu holen
auseinander. Letztendlich bleiben hier Gewebereste und die Knochen über. Die Lösung ist leicht
rötlich verfärbt.
Die Lösungen, vor allem die Salzsäure, verbreiten einen sehr unangenehmen, leicht ätzenden,
modrigen Geruch.
Entsorgung
Die restlichen Feststoffe werden abfiltriert, unter fließendem Wasser abgespült, anschließend
getrocknet und in die Feststofftonne entsorgt. Die Lösungen werden neutralisiert und in den Ausguss
entsorgt.
Fachliche Analyse
Tierisches, wie auch menschliches Gewebe (Haut, Knochen etc.) besteht hauptsächlich aus Proteinen
und Fetten. Proteine sind aus den 20 essentiellen Aminosäuren aufgebaute Polypeptide (eine oder
mehrere Ketten bilden ein Protein), welche in wesentlichem Maße am Zellaufbau beteiligt sind. Ihre
räumliche Anordnung wird durch vier Strukturarten erklärt.
Die Primärstruktur bezeichnet ganz einfach die Reihenfolge der Aminosäuren, aus welchen die
Polypeptidketten bestehen. Die Sekundärstruktur wird durch die Anziehungskräfte zwischen den
verschiedenen funktionellen Gruppen der Proteine beeinflusst. Dabei sind vor allem die
Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den NH- und COOH-Gruppen zu nennen. Durch diese
Wechselwirkungen werden zwei Arten von Strukturen gebildet: α-Helix und β-Faltblatt. Die so
gebildete Struktur kann sich nun noch einmal falten, was zu einer neuen, räumlichen Orientierung
Die Wirkung von Säuren und Laugen auf tierisches
Gewebe
Protokoll A09
des Moleküls führt. Diese wird als Tertiärstruktur bezeichnet. Schließlich können sich auch mehrere
Proteine zu einer größeren Einheit zusammenlagern (z.B. Hämoglobin). Die Ausrichtung in dieser
Einheit nennt man dann Quartärstruktur.
Die Proteine können unterteilt werden in sogenannte Sphäroproteine, welche im Organismus
verschiedene Funktionen ausüben, und fibrilläre Proteine, welche vorrangig Gerüst- und
Stützfunktionen besitzen.
Im Versuch wurden diese Proteine von der Säure angegriffen und zerstört (denaturiert). Das heißt
ihre räumlichen Orientierungen wurden verändert und die großen Zellstrukturen aufgelöst. Dadurch
gehen die stützenden Funktionen der fibrillären Proteine verloren und das Gewebe fällt auseinander.
Des Weiteren wurden die Polypeptidketten aufgelöst, indem die einzelnen Aminosäuren nach dem
folgenden Mechanismus (säurekatalysierte Hydrolyse) voneinander getrennt wurden:
O
H2N
R
H
2
O
C
R
OH
N
H
1
+ H+
N
H
+
1
OH
+
+ H2O
R
OH
O
H2N
H2N
R
O
O
H
- H+
+
OH
N
H
+
O
H
R
O
1
2
OH
C
1
2
O
H2N
R
R
1
OH
R
O
H2N
C
R
H
H
2
+
H2N
O
R
2
OH
H2N
O
Der Carbonyl-Sauerstoff wird von der Säure protoniert, wodurch sich ein Carbokation bildet. An
diesem kann das in der Salzsäure enthaltene Wasser nucleophil angreifen. Im Anschluss nimmt der
Stickstoff ein Proton des Wassers auf, wodurch er die Bindung zum ehemaligen Carbonyl-Kohlenstoff
aufgeben muss. Nach der Trennung der beiden Aminosäuren wird das Proton der Säure wieder
abgespalten und die Aminosäuren liegen nun getrennt vor. Lediglich das Fett wird von der Säure
verschont und schwimmt zum Schluss als labberige Masse auf der Lösung.
Die Natronlauge hingegen greift nicht in erster Linie das Gewebe an, sondern neutralisiert durch
seine basische Wirkung den natürlichen Säureschutzmantel der Haut und zerstört ihn. Anschließend
greift sie das darunter befindliche Fett an. Fette bestehen aus Glycerolestern (Glyceriden)
verschiedener Carbonsäuren mit bis zu 20 Kohlenstoff-Atomen. Je drei Carbonsäuren sind hier mit
Glycerin verestert. Im menschlichen und tierischen Organismus haben sie die Aufgaben der
Energiespeicherung und Erzeugung, der Wärmeisolation und der Umhüllung von Organen. Werden
sie mit Natronlauge behandelt, so zersetzen sie sich, wobei zunächst Glycerin und die Natriumsalze
der entsprechenden Carbonsäuren entstehen. Dieses sind Seifen, welche durch Zugabe von
Natriumchlorid ausgefällt werden können. Sie werden so in der Industrie hergestellt und dienen dann
als Reinigungsmittel. Aufgrund dieser Tatsachen heißt der Mechanismus der ablaufenden Reaktion
auch Verseifung.
Die Wirkung von Säuren und Laugen auf tierisches
Gewebe
O
+
O
Na
O
HyCx
O
HyCx
+ NaOH
O
O
O
-
O
CxHy
O
HyCx
Protokoll A09
O
O
HyCx
CxHy
OH
O
O
O
O
O
HyCx
O
O
O
+
+
Na
HyCx
HyCx
CxHy
O
O
OH
+
+
Na O
HO
HyCx
O
CxHy
-
O
O
HO
OH
OH
+
CxHy
3
+
Na O
-
Zunächst greift ein Hydroxidmolekül den Carbonyl-Kohlenstoff nucleophil an. Der CarbonylKohlenstoff löst daraufhin die Bindung zum Sauerstoff und es entsteht die Carbonsäure. In einer
folgenden Säure-Base-Reaktion wird das Proton der Säure durch das Natrium-Kation substituiert und
es bildet sich das Natriumsalz der Carbonsäure. Nach zwei weiteren Durchläufen entstehen das
Glycerol und drei Seifenmoleküle.
Die Lauge erscheint hier harmloser als die Säure, aber dennoch ist große Vorsicht geboten.
Natronlauge, vor allem konzentrierte, kann bei Augenkontakt sehr schnell zu Erblindung führen. Auch
auf der Haut kann sie gefährlich werden, da sie meist recht schnell eine seifige Konsistenz annimmt
und dann nur schwer mit Wasser abzuwaschen ist.
Methodisch didaktische Analyse
Einordnung
Nach dem hessischen Lehrplan G8 ist der Versuch in die Stufe 8G.2 im Thema „Ordnung in der
Vielfalt, Atombau und Periodensystem“ zum Unterthema „2.4 Alkalimetalle“ einzuordnen. Im Zuge
der Behandlung von Alkalimetallverbindungen, z.B. Natriumhydroxid, sollte auch auf dessen wässrige
Lösung, die Natronlauge (und ihr gedankliches Pendant, die Salzsäure) eingegangen werden. Der
Bezug zum Alltag ist hier eindeutig, da die Schüler im Unterricht selbst einmal mit Säuren und Laugen
arbeiten werden. Darüber hinaus sind Säuren und Laugen auch in manchen Haushaltsreinigern oder
Lebensmitteln anzutreffen. Daher ist der Versuch auch für diesen Bereich geeignet (9G.2: „Säuren
und Laugen“, „2.1 Herstellung und Eigenschaften von Laugen und/oder Säuren“), um die Schüler auf
die möglichen Gefahren und eine vorsichtige, aber nicht ängstliche Arbeitsweise hinzuweisen.
Allerdings sollte die Theorie einer didaktischen Reduktion unterzogen werden, da die Auswertung
erst in der Organischen Chemie der Oberstufe (z.B. die Verseifung in der 11G.1) vollständig
thematisiert werden könnte.
Die Wirkung von Säuren und Laugen auf tierisches
Gewebe
Protokoll A09
Aufwand
Der Materialaufwand ist sehr gering. Die Schweinepfoten bekommt man kostenlos oder für wenig
Geld im Schlachthof oder beim Metzger. Allerdings müssen mindestens 2-3 Stunden eingeplant
werden, um den Verlauf sinnvoll beobachten zu können. Die Chemikalien werden auch in relativ
hohen Mengen verbraucht, sind aber sehr günstig.
Durchführung
Der Versuch funktioniert sehr gut, die Effekte sind deutlich zu sehen, aber man muss etwas Zeit
einplanen. Laut HessGISS sind die Chemikalien für Schülerversuche zugelassen, aber es sollten nur
Schüler damit arbeiten, die bereits über eine gewisse Erfahrung beim Experimentieren verfügen.
Aufgrund des üblen Geruchs muss der Versuch auf jeden Fall in einem Abzug durchgeführt werden.
Besser ist es, der Lehrer zeigt den Versuch oder das Video, da hier der Effekt auch schneller auftritt.
Im Vorfeld sollte auch geklärt werden, ob die Schüler eventuell Übelkeit beim Anblick des verätzten
Gewebes überkommen könnte.
Fazit
Der Versuch verdeutlicht gut die Gefährlichkeit bei der Arbeit mit konzentrierten Säuren und Laugen.
Allerdings muss darauf geachtet werden, ob Schüler in der Klasse sind, denen beim Anblick von
verätztem Gewebe übel wird.
Literaturangaben
Versuchsquelle
Sommer, S.: netexperimente 2.0. Versuch 91: Wirkung von starken Säuren und Laugen. Zu finden
unter URL: http://www.netexperimente.de/chemie/91.html. Letzter Zugriff am 12.04.2010.
Sekundärliteratur
[1] Hessisches Kultusministerium: Lehrplan Chemie Gymnasialer Bildungsgang Jahrgangsstufen 7G
bis 12G. 2008. Zu finden unter URL:
http://www.kultusministerium.hessen.de/irj/HKM_Internet?uid=3b43019a-8cc6-1811-f3efef91921321b2. Letzter Zugriff am 09.04.2010.
[2] Latscha, H. P., Kazmaier, U., Klein, H. A.: Organische Chemie. Seiten 430ff, 436ff. Sechste,
vollständig überarbeitete Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag. 2008.
[3] Unfallkasse Hessen; Hessisches Kultusministerium: Hessisches Gefahrstoffinformationssystem
Schule - HessGISS. Version 13. 2008/2009.
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