WAVE Protect II - Women Against Violence Europe

Werbung
Handout 1.1: Sichtweisen zu häuslicher Gewalt
Beurteilen Sie die folgenden Aussagen auf einer Skala von 1 bis 5. Eine Bewertung mit 1
bedeutet, dass die Aussage überhaupt nicht zutrifft. Eine Bewertung mit 5 bedeutet, dass
die Aussage voll und ganz zutrifft.
Ihre Antworten sowie bestehende Stärken und Problemfelder, die vielleicht aufgetaucht
sind, dienen als Basis für das Erarbeiten von Best-Practice-Beispielen oder Schritten zu
einer verbesserten Zusammenarbeit im Umgang mit hochgefährdeten Gewaltopfern.
Wählen Sie eine Ihrer Beobachtungen aus und diskutieren Sie sie mit anderen
TeilnehmerInnen. Überlegen Sie mögliche Schritte zur Lösung des Problems und
besprechen Sie positive Aspekte als Ausgangsbasis für weitere Verbesserungen.
Greifen Sie einen der Diskussionspunkte für die Behandlung in der Gesamtgruppe heraus.
1. Gewalt gegen Frauen wird meistens als Privatangelegenheit betrachtet.
trifft überhaupt nicht
trifft voll und ganz
zu
zu
1
2
3
4
5
2. In meiner Einrichtung wird das Thema Gewalt gegen Frauen engagiert
behandelt.
trifft überhaupt nicht
trifft voll und ganz
zu
zu
1
2
3
4
5
3. Wir haben wenig bis keine gesetzliche Handhabe zum Schutz von Frauen.
trifft überhaupt nicht
trifft voll und ganz
zu
zu
1
2
3
4
5
4. Ich halte mein Wissen und Verständnis zum Thema für unzulänglich.
trifft überhaupt nicht
trifft voll und ganz
zu
zu
1
2
3
4
5
5. In meiner Einrichtung gibt es eine klare Vorstellung davon, welche
Stoßrichtung das Angebot für gewaltbetroffene Frauen haben soll.
trifft überhaupt nicht
zu
1
trifft voll und ganz
zu
2
3
4
5
6. Es gibt ein landesweit abgestimmtes Herangehen an dieses Thema.
trifft überhaupt nicht
trifft voll und ganz
zu
zu
1
2
3
4
5
7. Ich habe eine klare Vorstellung von meinen Aufgaben und
Verantwortlichkeiten in Bezug auf Gewalt gegen Frauen.
trifft überhaupt nicht
trifft voll und ganz
zu
zu
1
2
3
4
5
8. In meiner Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen fühle ich mich allein
gelassen.
trifft überhaupt nicht
zu
1
trifft voll und ganz
zu
2
3
4
5
9. Es ist mir klar, inwiefern Gewalt gegen Frauen mit Macht und Kontrolle
zusammenhängt.
trifft überhaupt nicht
zu
1
trifft voll und ganz
zu
2
3
4
5
10. Die Häufigkeit von Gewalt gegen Frauen wird unterschätzt.
trifft überhaupt nicht
zu
1
trifft voll und ganz
zu
2
3
4
5
11. Gewaltbetroffene Frauen rechnen eher nicht damit, von Einrichtungen
Unterstützung zu erhalten.
trifft überhaupt nicht
zu
1
trifft voll und ganz
zu
2
3
4
5
12. Ich weiß gut darüber Bescheid, wie andere Einrichtungen mit dem
Thema umgehen.
trifft überhaupt nicht
zu
1
trifft voll und ganz
zu
2
3
4
5
Handout 1.2a: Begriffsbestimmungen und Rechte
1. Gewalt gegen Frauen – Begriffsbestimmung
Gewalt gegen Frauen ist „ ... jede gegen Frauen auf Grund ihrer Geschlechtszugehörigkeit
gerichtete Gewalthandlung, durch die Frauen körperlicher, sexueller oder psychologischer
Schaden oder Leid zugefügt wird oder zugefügt werden kann, einschließlich der
Androhung derartiger Handlungen, der Nötigung und der willkürlichen Freiheitsberaubung,
gleichviel ob im öffentlichen oder im privaten Bereich.“
Erklärung der
Vereinten Nationen 1992,
Abs.
6 und Aktionsplattform
der
4.
Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen, vgl. WAVE 2000, S. 14
2. Recht auf ein Leben frei von Gewalt
Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen
Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz des Rechts jeder Person, insbesondere von
Frauen, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich frei von Gewalt zu leben.
Konvention des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und
häuslicher Gewalt, 2011, Artikel 4
Fragen zu Definitionen und Standpunkten
Beantworten Sie die folgenden Fragen zunächst in Einzelarbeit. Diskutieren Sie sie dann
in Kleingruppen von zwei bis drei Personen. Die Ergebnisse werden anschließend der
Gesamtgruppe präsentiert.
1. Kann ich diesen Definitionen der internationalen Organisationen bzw.
Menschenrechtsdokumente zustimmen?
2. Werden sie in meiner Einrichtung verwendet?
3. Wenn nicht - welche Begriffsbestimmung wird angewendet? Inwiefern
unterscheidet sie sich von den hier angeführten?
4. Fehlt in unserer Begriffsbestimmung ein Aspekt?
5. Welche Schritte setze ich (bzw. setzen wir in der Einrichtung), um die oben
angeführten Begriffsbestimmungen und Aussagen umzusetzen?
6. Welche Maßnahmen, die ich setze (bzw. die wir in der Einrichtung setzen),
könnten dieser Definition und dem Recht auf Leben frei von Gewalt
zuwiderlaufen?
7. Inwiefern ist meine Sichtweise von meinen Aufgaben im Beruf und in meiner
Organisation geprägt?
Handout 1.2b: Der gemeinsame Nenner
Behandeln Sie die folgenden Punkte zum Thema Gewalt gegen Frauen in
Kleingruppen von zwei bis drei Personen. Besprechen Sie, warum Sie die Fragen so
und
nicht
anders
beantwortet
haben.
Die
Ergebnisse
sollen
später
der
Gesamtgruppe präsentiert werden.
1. In den meisten Fällen ist das Ende einer Beziehung bzw. eine Scheidung nicht
mit häuslicher Gewalt verbunden. Richtig oder falsch?
2. Den gewalttätigen Partner zu verlassen, ist eine der wirksamsten
Sicherheitsstrategien, um der Gewalt zu entkommen. Richtig oder falsch?
3. Auch wenn ein Partner gewalttätig ist, ist es für das Kind gut, Kontakt zu
beiden Eltern zu haben. Richtig oder falsch?
4. Gewalt gegen Frauen ist oft ein einmaliger Ausrutscher. Richtig oder falsch?
5. Kinder werden häufiger von der Mutter getötet als vom Vater. Richtig oder
falsch?
6. Die Eltern wissen am besten, was für ihre Kinder gut ist. Richtig oder falsch?
Nach dem Besprechen der einzelnen Aussagen erhalten die TeilnehmerInnen
Rückmeldungen und Hinweise durch die TrainerIn.
Dann werden in der Gruppe die folgenden Fragen behandelt:
7. Wenn ein gemeinsamer Nenner für diese und ähnliche Fragen in
Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen gefunden werden kann – inwiefern
kann sich das positiv auf die Maßnahmen der jeweiligen Einrichtungen und auf
Strategien zum Schutz der betroffenen Frauen und Kinder auswirken?
8. Bei welchen Punkten ist es schwierig, einen gemeinsamen Nenner zu finden?
9. Wie kann man mit diesen Unterschieden zwischen den einzelnen
Einrichtungen konstruktiv umgehen?
Handout 1.3: Die Prinzipien Empowerment, Beteiligung und Unterstützung
Die positiven Auswirkungen eines opferzentrierten Ansatzes

Die Frau spielt eine aktive Rolle bei der Entscheidungsfindung und Umsetzung von
Schritten zur Gewährleistung ihrer Sicherheit.

Ihr wird zugehört.

Es wird auf sie Bezug genommen.

Die Verantwortung für die Sicherheitsstrategie wird gemeinsam übernommen.

Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist höher.
Anerkennung
der
zentralen
Rolle
der
gewaltbetroffenen
Frau
bei
Risikoidentifizierung und Sicherheitsmanagement
 Die wichtigste Informationsquelle ist die Frau selbst.
Die Gewaltbetroffene stärken und unterstützen und ihr Vertrauen gewinnen

Alle Rechte und Verantwortlichkeiten werden klar definiert, gemeinsam besprochen
und vereinbart. Die Vertretung der Rechte, sowohl des Opfers als auch der Kinder, ist
Bestandteil der Partnerschaft.

Die Verantwortung liegt weiterhin bei den Einrichtungen; sie gewährleisten
konsequent die Durchführung der vereinbarten Maßnahmen und Hilfestellungen.

Auf Informationen über Veränderungen in der Sachlage wird prompt reagiert.
Handout 1.4a: Zur Diskussion
Stellen Sie sich die Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt gegen Frauen in ihrem
örtlichen und regionalen Arbeitsumfeld in Form eines Rades der partnerschaftlichen
Zusammenarbeit vor.

Geben Sie an, wo in Ihrem regionalen Rad der partnerschaftlichen
Zusammenarbeit stabile Verbindungen bestehen.

Inwiefern verringern diese starken Verbindungen die Wahrscheinlichkeit eines
Wiederauftretens von Gewalt für hochgefährdete Opfer?
Anschließend:

Geben Sie an, wo die Verbindungen in Ihrem regionalen Rad der
partnerschaftlichen Zusammenarbeit schwach sind.

Inwiefern können diese schwachen Verbindungen die Gefahr eines
Wiederauftretens von Gewalt erhöhen?

Geben Sie an, mit welchen Maßnahmen auf lokaler Ebene die partnerschaftliche
Zusammenarbeit verbessert werden könnte.
Abschließend:

Gibt es Erkenntnisse aus Ihren Antworten über die „Stärken“, die Sie dazu
verwenden könnten, die ermittelten Schwachstellen zu verbessern?
Erfolge und Partnerschaften in einer Region lassen sich beispielsweise auf eine andere
übertragen. Wenn mehrere Einrichtungen übereinstimmend eine Verbindung als schwach
und als Bedrohung für die Sicherheit des Opfers bezeichnen, kann das ein erster Schritt
zur Veränderung sein.
Notieren Sie hilfreiche Erkenntnisse oder Punkte hier:
Handout 1.4b
Handout 1.4c
Handout 1.4d: Erforderliche Maßnahmen

Mit wem arbeiten Sie derzeit erfolgreich zusammen?

Kann/Können diese Person/en Ihnen bei der Kontaktaufnahme mit anderen Stellen
helfen?

Mit wem werden Sie Kontakt aufnehmen, und was werden Sie sagen?

Welche gemeinsamen Ziele können Sie setzen?

Würden Ihnen Fakten, Zahlen und die Berichte von Opfern bei der Argumentation
helfen?

Legen Sie das Hauptaugenmerk auf die Verbesserung der Sicherheit des Opfers
und arbeiten Sie darauf hin, dass dieses Ziel als Grundwert anerkannt wird.

Überlegen Sie, welche minimale Arbeitsstruktur für den Anfang erforderlich wäre.
Handout 1.4e: Wie sehen wir andere Organisationen/Einrichtungen?
Wie sehen sie uns?
Nehmen Sie sich ungefähr 10 Minuten Zeit. Bei partnerschaftlicher Zusammenarbeit ist es
wichtig, darüber nachzudenken, wie wir andere Einrichtungen/Organisationen sehen und
wie diese uns sehen könnten.
Wählen Sie eine Organisation/Einrichtung, mit der Sie derzeit zusammenarbeiten oder
gerne zusammenarbeiten würden, und denken Sie über folgende Fragen nach:

Was sind Ziel und Zweck dieser Organisation? Wie wird sie finanziert und geführt?
Welchen Beitrag leistet sie bei der Verringerung der Gefahr von häuslicher Gewalt
gegen Frauen? Was könnte sie beitragen? Fällt Ihnen irgendein Grund ein, der diese
Organisation dazu bewegen könnte, eine ihrer Leistungen nicht mehr anzubieten?

Was halten Sie von dieser Organisation/Einrichtung? Welche Erfahrungen haben
Sie in der Zusammenarbeit gemacht? Was war positiv und hat gut geklappt? Gab es
Probleme? Haben Sie Vertrauen zu ihr? Halten Sie ihre Aufgaben für leichter als Ihre
eigenen? Hat Ihre eigene Organisation/Einrichtung mehr oder weniger Einfluss als die
andere?
Handout 1.4f: Schritte zu erfolgreichen Kooperationspartnerschaften
Der Weg zu erfolgreichen Partnerschaften ist mit Zeit und Mühe verbunden, und es gilt
Schwierigkeiten und Hindernisse zu überwinden:

Mangel an einrichtungsübergreifender strategischer Planung.

Mangelndes Vertrauen zwischen den Einrichtungen.

NGOs und staatliche Einrichtungen, aber auch verschiedene staatliche
Einrichtungen haben unterschiedliche Werte, Perspektiven und Interessen.

Widersprüchliche Rechtsvorschriften.

Finanzielle Engpässe und beschränkte Mittel.
ABER SIE KÖNNEN NICHT WARTEN, BIS ALLES PASST!
GEHEN SIE ES AN!
Nach Lloyd (1994)1; Hague, Malos und Dear (1996)2
Siehe auch Bridging Gaps (2006), Kapitel 9 und 10, WAVE. Verfügbar unter:
http://www.wave-network.org/start.asp?ID=289&b=15
1
Lloyd, C. (1994) The welfare net: how well does the net work? Oxford: Oxford Brookes University
2
Hague, G., Malos, E. und Dear, W. (1996) Multi-agency work and domestic violence: A national study of interagency initiatives. Bristol: The Policy Press
Handout 1.4g: Ergebnisse einer deutschen Untersuchung über
einrichtungsübergreifende Arbeit
Interventionsprojekte3 führen zu nachhaltigen und umfassenden Veränderungen, wenn es
gelingt, bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen:

Top-down-Strategien (vom Management ausgehend) mit Bottom-up-Strategien
(von den Fachkräften ausgehend) zu koppeln.

Strukturen und Aktivitäten auf Landesebene mit regionalen Strukturen und
Aktivitäten zu verschränken.

Arbeitsergebnisse fest in den Strukturen aller beteiligten Einrichtungen zu
verankern.

Kooperationsgremien verbindlich und bedarfsgerecht zu etablieren.

eine Koordinationsstelle zu bestimmen.
(Deutsches Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2004:
Gemeinsam gegen häusliche Gewalt. Kooperation, Intervention, Begleitforschung.
Forschungsergebnisse der Wissenschaftlichen Begleitung der Interventionsprojekte gegen
häusliche Gewalt, Berlin)
3
Der Ausdruck „Interventionsprojekte“ für einrichtungsübergreifende Bündnisse auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene
mit unterschiedlichem Institutionalisierungsgrad ist nur im deutschsprachigen Bereich (Deutschland, Schweiz, Österreich)
üblich.
Handout 1.4h: Kriterien für erfolgreiche einrichtungsübergreifende Arbeit

Verpflichtung jeder Einrichtung zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit und zur
regelmäßigen und aktiven Beteiligung daran.

Bestimmung einer/eines Verantwortlichen mit Entscheidungskompetenz.

Verpflichtung zur Umsetzung der gemeinsam getroffenen Vereinbarungen
innerhalb jeder einzelnen Organisation.

eine Koordinationsstelle für die einrichtungsübergreifende Partnerschaft (eventuell
rotierend).

Zuteilung grundlegender Ressourcen für die partnerschaftliche Arbeit (Personal,
Geld, Material etc.).

eine gemeinsame Definition des Problems.

eine gemeinsam zu vertretende Leitlinie und Vision.

Analyse des Ist-Status und der notwendigen Veränderungen.

regelmäßige Einbeziehung der Gewaltbetroffenen.

Erarbeitung klarer Zielsetzungen und operativer Ziele für die Partnerschaft sowie
einvernehmlicher Strategien zum Erreichen dieser Ziele.

ein schriftlicher Aktionsplan für die Weiterentwicklung der Partnerschaft und ein
entsprechender Zeitplan.

regelmäßige Evaluierung und entsprechende Anpassung der Tätigkeiten.

Zusammenarbeit der einrichtungsübergreifenden Partnerschaft mit anderen
Initiativen in diesem Bereich.
Handout 1.5a: Ein risikoorientierter Ansatz
Ziel eines risikoorientierten Ansatzes ist es, das Risiko für Frauen und ihre Kinder
festzustellen und zu bewerten, um die Gefahr einer körperlichen Verletzung und einer
Verletzung der Rechte zu verringern.
Man kann sagen, dass beim Engagement der Frauenbewegung gegen Gewalt im Grunde
immer implizit von einem risikoorientierten Ansatz ausgegangen wurde: Die Einrichtung
von Frauenhäusern anerkannte nicht nur, dass Frauen und ihre Kinder Gefahr laufen,
wiederholt viktimisiert und verletzt zu werden, sie bot ihnen auch eine Alternative zum
Zusammenleben mit dem gewalttätigen Partner und Vater. Einen sicheren Platz zu bieten,
ist das wichtigste Ziel der Frauenhäuser, und zur Frauenhausarbeit gehören technische
Sicherheitsvorkehrungen ebenso wie individuelle Sicherheitsplanung für gewaltbetroffene
Frauen und deren Kinder.
Die Begriffe „Risiko“, „Risikoeinschätzung“ oder „Risikomanagement“ kamen in den
Anfangszeiten der Arbeit gegen Gewalt an Frauen und ihren Kindern nicht vor.
Frauenhäuser
achteten
zwar
immer
auf
Risikofaktoren,
indem
sie
sich
die
Gewaltgeschichten der Frauen aufmerksam anhörten; der Schwerpunkt ihrer Arbeit lag
aber
bei
der
Sicherheitsplanung
für
Frauen
und
Kinder
und
nicht
bei
der
Gefährdungseinschätzung. Das Bewusstsein, dass für Frauen und Kinder oft schwere oder
wiederholte Verletzungs- oder sogar Lebensgefahr bestand, floss immer in die fachliche
Beurteilung in Frauenhäusern ein, auch wenn das nicht „Gefährdungseinschätzung“
genannt wurde.
WAVE (2004) Ein Weg aus der Gewalt. Handbuch zum Aufbau und zur Organisation eines
Frauenhauses, Wien
Handout 1.5b: Einige wichtige Fragen
Warum ist es sinnvoll, die Gefährdung in den Mittelpunkt zu stellen?
Dieser Ansatz kann uns helfen festzustellen, für welche Frauen Gefahr besteht, Opfer von
wiederholter Gewalt, schwerer Verletzung oder einer Tötung zu werden, sowie in welchen
Fällen Gewalt eskaliert.
Wenn die Gefährdung und insbesondere Fälle, in denen hohe Verletzungsgefahr
besteht, im Mittelpunkt stehen, heißt das, dass wir andere Fälle vernachlässigen?
Nein. Alle Opfer haben das Recht, entsprechend den Bedürfnissen und Gefahren, denen
sie ausgesetzt sind, betreut zu werden; es gibt jedoch unterschiedliche Arten von
Betreuung und Interventionen für Gewaltbetroffene. Den Schwerpunkt auf hohe
Gefährdung zu legen, macht klar, dass hochgefährdete Opfer, bei denen die Gefahr
schwerer Verletzungen besteht, verstärkter Koordination und intensiver Betreuung
bedürfen und dass die Maßnahmen auf die Bedürfnisse jeder einzelnen Gewaltbetroffenen
und ihre Gefährdung zugeschnitten sein müssen. Dabei wird auch berücksichtigt, dass das
Risikoniveau sich mit der Zeit verändern kann und dass veränderte Umstände dazu führen
können, dass eine geringe zu einer hohen Gefährdung wird, die ganz andere
Interventionen erfordert.
Können wir bei häuslicher Gewalt eine Gefährdung mit ausreichender Genauigkeit
vorhersagen?
Risikovorhersage ist schwierig und keine exakte Wissenschaft. Mittlerweile gibt es
Instrumente zur Risikoeinschätzung, und es herrscht Einigkeit über die wesentlichen
Risikofaktoren für häusliche Gewalt, einschließlich für hochgefährdete Opfer (zu diesen
Risikofaktoren siehe Modul 2, Abschnitt 2.2). In diesen Schulungsunterlagen geht es
stärker um Gefährdungseinschätzung als um -voraussage, denn wir können nicht
unbedingt vorhersagen, was Täter tun werden. Es geht hier in erster Linie um die
Gefährdungseinschätzung mit dem Opfer, bei der die Situation eingehend beurteilt wird
und ausgehend davon wirksame Sicherheitspläne entwickelt werden (siehe Modul 2).
Wobei hilft eine Schwerpunktsetzung auf Gefährdung?
Sie kann uns helfen, die in Anbetracht der Problemlage geeignetsten Interventionen zu
ermitteln. In komplexen Fällen können koordinierte Interventionen mehrerer Einrichtungen
klare
Vorteile
bieten.
Diese
Schwerpunktsetzung
ermöglicht
eine
ganzheitliche
Herangehensweise, bei der die betroffenen Frauen im Mittelpunkt stehen, und kann uns
helfen, gewaltgefährdete Frauen und Kinder effizient zu unterstützen.
Ist Gefährdungseinschätzung ein Ziel als solches?
Nein, Gefährdungseinschätzung ist, wie bereits erwähnt, nur der Beginn und muss mit
effizientem Sicherheitsmanagement einhergehen. (siehe Abschnitt 2.4 in Modul 2).
Handout 1.5c: Überlegungen zur Gefährdung
1.
Denken Sie an Ihren Arbeitsalltag und an die Entscheidungen, die Sie
üblicherweise treffen: Wie viele davon sind implizite Risikoentscheidungen?
2.
Wie nehmen Sie derzeit Gefährdungseinschätzungen vor?
3.
Wie genau sind diese Gefährdungseinschätzungen Ihrer Meinung nach?
4.
Welche Entscheidungen treffen Sie ausgehend von
Gefährdungseinschätzungen?
5.
Wie gut sind diese Entscheidungen Ihrer Meinung nach?
6.
Wie führen Sie derzeit Sicherheitsplanungen durch? Stimmen Sie sie mit den
Gefährdungseinschätzungen ab und wenn ja, wie?
Und nun:
7.
Welche Vorteile hätten Sie und Ihre Einrichtung von expliziteren,
verlässlicheren und genaueren Gefährdungseinschätzungen?
8.
Was würde sich an den Interventionen für Gewaltbetroffene verbessern,
wenn Sie sich für einen risikoorientierten Ansatz entscheiden würden?
Handout 1.5d: Was haben Opfer davon, wenn die Gefährdung stärker im
Mittelpunkt steht?

Besser abgestimmte Maßnahmen, wenn sich die Lage verschlechtert und Gewalt
eskaliert.

Bessere Anpassung von Sicherheitsplänen an Ausmaß und Art der Gefährdung.

Koordinierte Interventionen mehrerer Einrichtungen in komplexen Fällen.

Bessere Sicherheitsplanung und mehr Schutz für Frauen und ihre Kinder.
Handout 2.1a: Hauptmerkmale von Good Practice bei einrichtungsinternem
Risiko- und Sicherheitsmanagement für gewaltbetroffene Frauen
1.
Klare schriftliche Strategien und Richtlinien für den Umgang der Einrichtung
mit Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt; konsequente Umsetzung und
regelmäßige Evaluierung (auch über Rückmeldungen seitens der
Gewaltbetroffenen) dieser Richtlinien.
2.
Spezialisierte Abteilungen oder MitarbeiterInnen in der Einrichtung, die im
Umgang mit der Problematik Kompetenz und Erfahrung erwerben.
3.
Eingeführte Vorgehensweisen bei der Identifizierung von wiederholter und
schwerer Gewalt, die konsequent angewendet werden, um zu gewährleisten,
dass alle Fälle sachgemäß behandelt werden.
4. Gefährdungseinschätzung und Sicherheitsplanung unter aktiver Beteiligung
aller Opfer als Standardverfahren. (Die Abschnitte 2.2 und 2.3 dieser
Schulungsunterlagen befassen sich damit ausführlicher).
5.
Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Gewaltbetroffenen, wenn
diese Kontakt mit der Einrichtung und ihren MitarbeiterInnen aufnehmen. (Ist
gewährleistet, dass die Opfer ungefährdet an den Ort des Treffens kommen,
sich dort aufhalten und ihn wieder verlassen können?).
6.
Sicherheitsmaßnahmen für die MitarbeiterInnen, damit auch diese ihrer Arbeit
ungefährdet nachgehen können (einrichtungsinterner Sicherheitsplan).
7.
Es gibt in der Einrichtung regelmäßige Fallbesprechungen über extreme
Gewalt, Femizid und versuchten Femizid, um Mängel und
verbesserungsbedürftige Bereiche herauszuarbeiten und Strategien und
Vorgehensweisen entsprechend anzupassen.
8.
Im Sinne des Risiko- und Sicherheitsmanagements beteiligen sich die
Einrichtungen an einrichtungsübergreifenden Partnerschaften. (Abschnitt 2.5
befasst sich ausführlicher mit diesem Punkt).
Handout 2.1b: Arbeitsblatt für TeilnehmerInnen
Sehen
Sie
sich
die
Voraussetzungen
für
Good
Practice
bei
Risiko-
und
Sicherheitsmanagement in Handout 2.1a an.
Beschäftigen Sie sich nun mit folgenden Fragen:
1.
Kennen Sie Beispiele oder haben Sie Erfahrungen mit Good-Practice-Lösungen
dieser Art, und wenn ja, welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht ?
2.
Können Sie genauere Beispiele für Good-Practice-Lösungen dieser Art in Ihrer
eigenen oder in anderen Einrichtungen angeben? (Was beinhalten die schriftlichen
Regelungen, wie setzen Sie sie um, welche Maßnahmen bestehen zur Sicherheit von
Opfern, die Ihre Einrichtung aufsuchen, gibt es einen Sicherheitsplan für die
MitarbeiterInnen, was beinhaltet er, …?)
3.
Wo könnte es bei der Umsetzung anerkannter Good-Practice-Lösungen in anderen
Bereichen Schwierigkeiten geben?
4.
Welche Schritte könnten Sie zur Umsetzung anerkannter Good-Practice-Lösungen
in anderen Bereichen machen?
Beispiele,
Erfahrungen
1.
Schriftliche
einrichtungsinterne
Grundsätze und
Richtlinien
2.
Spezialisierte Abteilungen
Schwierigkeiten
Schritte zur
Umsetzung
3.
Vorkehrungen zu
Identifizierung von und
Umgang mit wiederholter
und schwerer Gewalt
4.
Aktive Einbeziehung der
Gewaltbetroffenen in
Gefährdungseinschätzung
und Sicherheitsplanung
5.
Gewährleistung der
Opfersicherheit beim
Kontakt mit der
Einrichtung
6.
Maßnahmen für die
Sicherheit der
MitarbeiterInnen
7.
Fallbesprechungen wirken
sich auf die Entwicklung
von Strategien und Praxis
aus
8.
Beteiligung an
einrichtungsübergreifender
Arbeit
Handout 2.1c: Ausreichende Versorgung mit Frauenhilfseinrichtungen
Die Europaratskonvention 2011 fordert die Vertragsstaaten auf, eine kostenlose,
landesweite und täglich rund um die Uhr erreichbare Telefonberatung für gewaltbetroffene
Frauen einzurichten (Artikel 24).
Im erläuternden Bericht wird darüber hinaus empfohlen,

in allen Regionen sichere Unterkünfte in Frauenhäusern mit einer
Familienwohneinheit4 pro 10.000 EinwohnerInnen zur Verfügung zu stellen.

geeignete Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigung und sexueller Gewalt
einzurichten, wobei empfohlen wird, dass es pro 200.000 EinwohnerInnen ein solches
Zentrum geben sollte.
Europarat (2011): Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen
Frauen und häuslicher Gewalt, Artikel 23, 24, 25 und erläuternder Bericht
Diskutieren Sie in Kleingruppen über Folgendes:

Welche Frauenunterstützungseinrichtungen gibt es in Ihrer Region?

Welchen ungedeckten Bedarf gibt es?

Was können Sie gemeinsam in einrichtungsübergreifenden Partnerschaften tun,
um diese Bedarfslücken zu schließen?
Notieren Sie Ihre Antworten auf Flipchartpapier, um Ihre Ideen anschließend in der
Großgruppe zu präsentieren.
4
Familienwohneinheit: ein Platz/Bett für jede Frau und ihre Kinder
Handout 2.2a: Liste von Risikofaktoren
Mögliche Auslöser: Neben der nachstehenden Liste von Risikofaktoren müssen Fachkräfte
auf Situationen achten, die zur Eskalation von Gewalt führen können. Dazu zählen
Veränderungen in der Situation der Frau, eine Verschlimmerung des Verhaltens des
Täters und potenzielle Gefahrensituationen wie Scheidungs- und Gerichtstermine.
Risikofaktor
Risikokategorie
I. Geschichte der Gewalt
1.
Vorangegangene
In den Untersuchungen über Risikofaktoren bei häuslicher
häusliche Gewalt
Gewalt gegen Frauen ist vorangegangene häusliche
gegen Frauen
Gewalt der verbreitetste Risikofaktor.5, 6, 7, 8
5
Kropp, R. und Hart, S. (2000) The Spousal Assault Risk Assessment (SARA) Guide: Reliability and validity in adult male
offenders. Law and Human Behavior, Bd. 24, Nr. 1, S. 101–118, http://www.springerlink.com/content/n1716vh2852l3637/,
16.11.2010
6
Grann, M. und Wedin, I. (2002) Risk Factors for Recidivism among Spousal Assault and Spousal Homicide Offenders.
Psychology, Crime & Law, Bd. 8, Nr. 1, S. 5–23
7
Snider, C., Webster, D., O’Sullivan, C. und Campbell, J. C. (2009) Intimate Partner Violence: Development of a Brief Risk
Assessment for the Emergency Department. Society for Academic Emergency Medicine, Bd. 16, Nr. 11, S. 1208–1216,
http://www.dangerassessment.org/uploads/Snider%20et%20al_%20Brief%20IPV%20Risk%20Assessment_SAEM_AEM_bli
nded%20doc.pdf, 16.11.2010
8
Campbell J. C., Webster, D. W., Glass, N. (2009) The Danger Assessment, Validation of a Lethality Risk Assessment Instrument for Intimate Partner Femicide, Journal of Interpersonal Violence, Bd. 24, Nr. 4, Sage Publications, S. 653–674
2.
Gewalt gegen Kinder
oder andere
Angehörige
Häufig sind von häuslicher Gewalt auch andere
Familienmitglieder, z. B. Kinder betroffen. Bei der
Befassung mit der Sicherheit des Kindes können viel
umfassendere Gewaltmuster in einer Familie zutage
treten. Kinder können etwa vom Täter instrumentalisiert
werden, um das Opfer emotional zu manipulieren und zu
beherrschen (Duluth-Modell über häusliche Gewalt)9.
Es ist nachgewiesen, dass die Gefährdung
gewaltbetroffener Kinder oft nicht ernst genommen wird.10
Kinderrechte und Sicherheitsmaßnahmen für Kinder
müssen von Fachkräften bei der
Gefährdungseinschätzung ebenfalls berücksichtigt
werden.
3.
Generell gewalttätiges
Verhalten
Bei Tätern, die häusliche Gewalttaten begehen, lassen
sich oft generell asoziale Haltungen und Verhaltensweisen
sowie Gewaltanwendung außerhalb des häuslichen
Bereichs beobachten.11, 12
Gewalt außerhalb der Familie ist ein Indiz für eine
generelle Neigung zur Gewaltanwendung; sie kann die
Gefährdung der gewaltbetroffenen Frau erhöhen und auch
eine Gefahr für andere, unter anderem für die
unterstützenden Fachkräfte darstellen.
4.
Verstoß gegen
Der Verstoß gegen Schutzverfügungen (von Polizei, Straf-
Schutzverfügungen
oder Zivilgerichten) oder Kontaktverbote wird mit einer
erhöhten Gefahr zukünftiger Gewalt in Zusammenhang
gebracht.13, 14
9
Paymar, M. und Barnes, G. (2004) Countering Confusion about the Duluth Model, abgefragt am 29.2.2012 unter
http://www.theduluthmodel.org/pdf/CounteringConfusion.pdf
10
Mullender, A., Hague, G., Imam, U. F., Kelly, L., Malos, E. & Regan, L. (2002) Children's Perspectives on Domestic Violence.
London: Sage
11
Hester, M. (2006) Asking about domestic violence – implications for practice in Humphreys, C. und Stanley, N. (Hg.) Domestic Violence and Child Protection – directions for good practice. London: Jessica Kingsley
12
Dutton, D.G. & Knopp, R. P. (2000). A review of Domestic Violence risk instruments in Trauma. Violence and Abuse. Bd. 1,
Nr. 2, S. 171–181
13
Kropp, R. und Hart, St. (2000) The Spousal Assault Risk Assessment (SARA) Guide: Reliability and validity in adult male
offenders. Law and Human Behavior, Bd. 24, Nr. 1, S. 101–118, http://www.springerlink.com/content/n1716vh2852l3637/,
16.11.2010
II. Gewaltformen und -muster
5.
Schwere und
Zunehmende Schwere und Häufigkeit gewalttätiger
Häufigkeit
Handlungen gehören zu den signifikantesten Faktoren für
gewalttätiger
schwere und potenziell tödliche Körperverletzung.15
Handlungen
6.
(Angedrohter)
Tatsächlicher oder angedrohter Waffengebrauch ist ein
Waffengebrauch
signifikanter Risikofaktor für schwere und tödliche Gewalt.
Bei häuslicher Gewalt müssen alle Waffen berücksichtigt
werden, also Schusswaffen, Messer und gefährliche
Gegenstände, mit denen dem Opfer Verletzungen
zugefügt werden können.16, 17, 18, 19, 20
14
Grann, M., Wedin, I. (2002) Risk Factors for Recidivism among Spousal Assault and Spousal Homicide Offenders. Psychology, Crime & Law, Bd. 8, Nr. 1, S. 5–23
15
Snider, C., Webster, D., O’Sullivan, C. und Campbell, J. C. (2009) Intimate Partner Violence: Development of a Brief Risk
Assessment for the Emergency Department. Society for Academic Emergency Medicine. Bd. 16, Nr. 11, S. 1208–1216,
http://www.dangerassessment.org/uploads/Snider%20et%20al_%20Brief%20IPV%20Risk%20Assessment_SAEM_AEM_bli
nded%20doc.pdf, 16.11.2010
16
Snider, C., Webster, D., O’Sullivan, C. und Campbell, J.C. (2009) Intimate Partner Violence: Development of a Brief Risk
Assessment for the Emergency Department, Society for Academic Emergency Medicine. Bd. 16, Nr. 11, S. 1208–1216,
http://www.dangerassessment.org/uploads/Snider%20et%20al_%20Brief%20IPV%20Risk%20Assessment_SAEM_AEM_bli
nded%20doc.pdf, 16.11.2010
Echeburua E, Fernandez-Montalvo J, de Corral P, Lopez-Goñi J (2009): Assessing Risk Markers in Intimate Partner Femicide and Severe Violence. Journal of Interpersonal Violence, Bd. 24, Nr. 6, Sage Publications, S. 925–939
17
Humphreys, C., Thiara, R., Regan, L., Lovett, J., Kennedy, L. und Gibson, A. (2005) Prevention not prediction? A preliminary
evaluation of the Metropolitan Police Domestic Violence Risk Assessment Model (SPECCS). Centre for the Study of Safety
and Wellbeing, University of Warwick and Child and Woman Abuse Study Unit, London Metropolitan University, London
18
Echeburua E, Fernandez-Montalvo J, de Corral P, Lopez-Goñi J (2009): Assessing Risk Markers in Intimate Partner Femicide and Severe Violence. Journal of Interpersonal Violence, Bd. 24, Nr. 6, Sage Publications, S. 925–939
19
Campbell J. C., Webster D W., Koziol-McLain, J., Block Carolyn, R., Campbell, D., CurryMarry, A., Gary, F., Glass, N.,
McFarlane, J., Sachs, C., Sharps, P., Ulrich, Y., Wilt, S., Manganello, J., Xu, X., Schollenberger, J., Frye, V., und Laughon,
K. (2003): Risk Factors for Femicide in Abusive Relationships: Results From a Multisite Case Control Study, American Journal of Public Health, Bd. 93, Νr. 7, S. 1089–1097
20
Bailey, J., Kellerman, A., Somes, G., Banton, J., Rivara, F., Rushford, N. (1997): Risk factors for violent death of women in
the home. Archives of Internal Medicine, Bd. 157, Nr. 7, S. 777–782
7.
Kontrollierendes
Kontrollierendes Verhalten gilt als signifikanter
Verhalten und
Risikofaktor für wiederholte schwere und potenziell
Isolation
tödliche Gewalt.21, 22, 23 Isolation ist eine verbreitete
Kontrollstrategie und kann schwere Formen wie
Freiheitsberaubung (Einsperren der Frau) annehmen.
8.
Stalking
Stalking steht im Zusammenhang mit tödlicher und
schwerer Gewalt gegen Frauen und, verknüpft mit
körperlichen Übergriffen, in einem signifikanten
Zusammenhang mit Mord und Mordversuchen.24
9.
Sexuelle Gewalt
Sexuelle Gewalt ist im Allgemeinen Bestandteil von
häuslicher Gewalt gegen Frauen.25 Für Frauen, die Opfer
von sexueller Gewalt wurden, besteht eine höhere Gefahr,
bei häuslicher Gewalt schwer verletzt und wiederholt
misshandelt werden.26
10.
Androhung von
In der Praxis hat sich gezeigt, dass schwerer Gewalt oft
Tötung oder
Drohungen vorangehen. Nötigung kann unterschiedliche
Verletzung, Nötigung
schwere Formen annehmen, dazu zählt auch
Zwangsheirat.27
21
Decker M R., Martin S L., Moracco K E. (2004): Homicide Risk Factors among Pregnant Women Abused by Their Partners,
Violence against Women, Bd. 10, Nr. 5, Sage Publications, S. 498–513
22
Humphreys C, Thiara R, Regan L, Lovett J, Kennedy L, Gibson A (2005) Prevention not prediction? A preliminary evaluation
of the Metropolitan Police Domestic Violence Risk Assessment Model (SPECCS). Centre for the Study of Safety and Wellbeing, University of Warwick and Child and Woman Abuse Study Unit, London Metropolitan University, London
23
Echeburua E, Fernandez-Montalvo J, de Corral P Lopez-Goñi J (2009) Assessing Risk Markers in Intimate Partner Femicide
and Severe Violence, Journal of Interpersonal Violence, Bd. 24, Nr. 6, Sage Publications, S. 925–939
24
McFarlane JM, Campbell J, Wilt S, Sach C, Ulrich Y und Xu X (1999) Stalking and Intimate Partner Femicide, Homicide
Studies November 1999 Bd. 3 Nr. 4 S: 300–316
25
Howarth, E., Stimpson, L., Barran, D. und Robinson, A (2009) Safety in Numbers: A Multi-Site Evaluation of Independent
domestic Violence Advisor Services, London
26
Humphreys C, Thiara R, Regan L, Lovett Jo, Kennedy L, Gibson A (2005) Prevention not prediction? A preliminary evaluation of the Metropolitan Police Domestic Violence Risk Assessment Model (SPECCS). Centre for the Study of Safety and
Wellbeing, University of Warwick and Child and Woman Abuse Study Unit, London Metropolitan University, London
27
Robinson, A (2010) Risk and intimate partner violence in: H Kemshall und B Wilkinson (Hg.) Good practice in risk assessment and risk management (3. Auflage) London : Jessica Kingsley S. 123
11.
Strangulieren und
Strangulieren und Würgen sind sehr gefährliche
Würgen
Gewaltformen; rund die Hälfte der Femizid-Opfer wurde im
Jahr vor ihrer Tötung gewürgt.28, 29, 30
III. Risikofaktoren aufgrund des Verhaltens des Täters
12.
Probleme im
Der Konsum oder Missbrauch von Drogen und Alkohol ist
Zusammenhang mit
kein Grund und keine Entschuldigung für häusliche Gewalt
Drogen- und
gegen Frauen, allerdings geht ein Alkohol- oder
Alkoholmissbrauch
Drogenmissbrauch des Täters mit einer erhöhten Gefahr
von Femiziden oder schwerer Gewalt einher.31, 32
13.
Besitzansprüche,
Extreme Eifersucht und Besitzansprüche werden ebenfalls
extreme Eifersucht
mit schwerer Gewalt in Verbindung gebracht.33, 34 Darüber
und andere
hinaus können sich patriarchale Einstellungen bei Tätern –
beeinträchtigende
etwa sehr rigide Vorstellungen von Männer- oder
Einstellungen
Familienehre – auf das Risiko auswirken.35, 36
28
Glass, N., Laughon, K., Campbell, J. C., Block, R. B., Hanson, G., & Sharps, P.S. (2008) Strangulation is an important risk
factor for attempted and completed femicides. Journal of Emergency Medicine, 35, S. 329–335.
29
Block, C. R., Devitt, C. O., Fonda, D., Fugate, M., Martin, C., McFarlane, J., et al. (2000) The Chicago Women’s Health
Study: Risk of serious injury or death in intimate violence: A collaborative research project. Washington, DC: U.S. Department of Justice, National Institute of Justice
30
Snider C, Webster D, O’Sullivan C, Campbell J C. (2009): Intimate Partner Violence: Development of a Brief Risk Assessment for the Emergency Department, Society for Academic Emergency Medicine, Bd. 16, Nr. 11, S. 1208–1216,
http://www.dangerassessment.org/uploads/Snider%20et%20al_%20Brief%20IPV%20Risk%20Assessment_SAEM_AEM_bli
nded%20doc.pdf, 16.11.2010
31
Decker M R., Martin S L., Moracco K E. (2004): Homicide Risk Factors among Pregnant Women Abused by Their Partners,
Violence against Women, Bd. 10, Nr. 5, Sage Publications, S. 498–513
32
Bailey J, Kellerman A, Somes G, Banton J, Rivara F, Rushford N (1997): Risk factors for violent death of women in the
home, Archives of Internal Medicine, Bd. 157, Nr. 7, S. 777–782
33
Robinson A, L. (2006): Reducing Repeat Victimization among High-Risk Victims of Domestic Violence, the Benefits of a
Coordinated Community Response in Cardiff, Wales. Violence against Women, Bd. 12. Nr. 8, Sage Publications, S. 761–788
34
Snider C, Webster D, O’Sullivan C, Campbell J. C. (2009): Intimate Partner Violence: Development of a Brief Risk Assessment for the Emergency Department, Society for Academic Emergency Medicine. Bd. 16, Nr. 11, S. 1208–1216,
http://www.dangerassessment.org/uploads/Snider%20et%20al_%20Brief%20IPV%20Risk%20Assessment_SAEM_AEM_bli
nded%20doc.pdf, 16.11.2010
35
Dutton DG & Knopp R P (2000) A review of domestic violence risk instruments in: Trauma, Violence and Abuse. Bd. 1 Nr. 2
36
Hilton NZ, Harris GT und Rice ME (2001) Predicting Violence by serious wife assaulters. Journal of Interpersonal Violence.
Bd. 16 Nr. 5 S. 408–423
14.
Probleme aufgrund
Psychische Probleme oder Depressionen des Täters
schlechter
gehen mit einem erhöhten Risiko wiederholter und
psychischer
schwerer Gewalt einher. Selbstmorddrohungen und eine
Verfassung,
schlechte psychische Verfassung des Täters sind
Selbstmorddrohungen Risikofaktoren für Femizide mit anschließendem
und -versuche
Selbstmord. In 32 % der Femizidfälle beging der Täter
anschließend Selbstmord.37, 38, 39
15.
Finanzielle
Eine Verschlechterung der finanziellen Situation sowie die
Belastungen
Arbeitslosigkeit des Täters sind gewichtige Risikofaktoren
für Femizide in Zusammenhang mit häuslicher Gewalt; sie
haben mit Männlichkeitskonzepten und Geschlechterrollen
zu tun.40
IV. Einschätzung der Gefahrenlage durch die Gewaltbetroffene
16.
Angst um sich selbst
Untersuchungen zeigen, dass eine starke Korrelation
und andere
zwischen der Einschätzung des Risikos durch die
Gewaltbetroffene und der tatsächlichen Gewaltanwendung
durch den Täter besteht. Manche Gewaltopfer jedoch
bagatellisieren und unterschätzen die Gewalt. In einer
Studie über Femizid (Campbell et al., 2003) war rund der
Hälfte der Opfer nicht klar, dass die Gefahr bestand, dass
der Täter sie töten würde.41, 42, 43, 44, 45
37
K Randall, Hart S (2000): The Spousal Assault Risk Assessment (SARA) Guide: Reliability and validity in adult male offenders, Law and Human Behavior, Bd. 24, Nr. 1, S. 101–118, http://www.springerlink.com/content/n1716vh2852l3637/,
16.11.2010
38
Regan L, Kelly L, Morris und Dibb, E (2007) If Only We’d Known: An exploratory Study of Severe Intimate Partner Homicides
in Engleshire. CWASU. London Metropolitan University
39
Campbell J. C., Webster D W., Koziol-McLain J, Block C R, Campbell D, Curry M A, Gary F, Glass N, McFarlane J, Sachs C,
Sharps P, Ulrich Y, Wilt S, Manganello J, Xu X, Schollenberger J, Frye V, und Laughon K (2003): Risk Factors for Femicide
in Abusive Relationships: Results From a Multisite Case Control Study, American Journal of Public Health, Bd. 93, Nr. 7,
S. 1089–1097
40
Campbell J C, Webster D W., Glass N (2009): The Danger Assessment, Validation of a Lethality Risk Assessment Instrument for Intimate Partner Femicide, Journal of Interpersonal Violence, Bd. 24, Nr. 4, Sage Publications, S. 653–674
41
Roehl J, O’Sullivan C, Webster D und Campbell J (2005). Intimate Partner Violence Risk Assessment Validation Study. Final
report. US Department of Justice
42
Weisz, A., Tolman, R. & Saunders, D. G. (2000). Assessing the risk of severe domestic violence. Journal of Interpersonal
Violence 15 (1), S. 75–90
V. Erschwerende Faktoren
17.
Trennung
Trennung gilt allgemein als signifikanter Risikofaktor für
schwere Verletzung oder Femizid.46
18.
Kontakt mit den
Nach Trennungen sind Konflikte im Zusammenhang im
Kindern
Umgang mit den Kindern weit verbreitet und bergen oft die
Gefahr wiederholter Gewalt gegenüber Frau und
Kindern.47
19.
20.
Stiefkinder im
Ein Risikofaktor für tödliche Beziehungsgewalt liegt auch
gemeinsamen
vor, wenn Stiefkinder des Täters im gemeinsamen
Haushalt
Haushalt leben.48
Gewalt während der
In rund 30 % der Fälle beginnt häusliche Gewalt während
Schwangerschaft
der Schwangerschaft. Gewalt in der Schwangerschaft ist
ein Risikofaktor für schwere und tödliche Gewalt. Für
schwangere Frauen besteht ein, im Vergleich zu
Nichtschwangeren, höheres Risiko sowohl leichter als
auch schwerer Gewalt.49, 50, 51, 52, 53, 54
43
Gondolf, E. W., & Heckert, D. A. (2003). Determinants of women's perceptions of risk in battering relationships. Violence &
Victims 18 (4): S. 371–386, 2003
44
Heckert, D. A., & Gondolf, E. W. (2004). Battered women's perceptions of risk versus risk factors and instruments in predicting repeat reassault. Journal of Interpersonal Violence 19 (7), S. 778–800
45
Campbell J C., Webster D W., Koziol-McLain J, Block C R, Campbell D, Curry M A, Gary F, Glass N, McFarlane J, Sachs C,
Sharps P, Ulrich Y, Wilt S, Manganello J, Xu X, Schollenberger J, Frye V, und Laughon K (2003): Risk Factors for Femicide
in Abusive Relationships: Results From a Multisite Case Control Study, American Journal of Public Health, Bd. 93, Nr. 7,
S. 1089–1097
46
Humphreys, C., & Thiara, R. K. (2003). Neither justice nor protection: Women’s experiences of post separation violence.
Journal of Social Welfare and Family Law, 25, S. 195–214
47
Ibid.
48
Campbell J C., Webster D W., Koziol-McLain J, Block C R, Campbell D, Curry M A, Gary F, Glass N, McFarlane J, Sachs C,
Sharps P, Ulrich Y, Wilt S, Manganello J, Xu X, Schollenberger J, Frye V, und Laughon K (2003): Risk Factors for Femicide
in Abusive Relationships: Results From a Multisite Case Control Study, American Journal of Public Health, Bd. 93, Nr. 7,
S. 1089–1097
49
Humphreys C, Thiara R, Regan L, Lovett J, Kennedy L, Gibson A (2005): Prevention not prediction? A preliminary evaluation
of the Metropolitan Police Domestic Violence Risk Assessment Model (SPECCS). Centre for the Study of Safety and Wellbeing, University of Warwick and Child and Woman Abuse Study Unit, London Metropolitan University, London
50
Snider C, Webster D, O’Sullivan C, Campbell J C. (2009): Intimate Partner Violence: Development of a Brief Risk Assessment for the Emergency Department, Society for Academic Emergency Medicine. Bd. 16, Nr. 11, S. 1208–1216,
http://www.dangerassessment.org/uploads/Snider%20et%20al_%20Brief%20IPV%20Risk%20Assessment_SAEM_AEM_bli
nded%20doc.pdf, 16.11.2010
Handout 2.2b: Fallstudie
Maria und Walter sind seit zehn Jahren verheiratet. Walter arbeitet als Buchhalter in einem
Hotel am Wohnort, Maria ist Lehrerin. Maria hat ein Kind aus einer früheren Beziehung, sie
und Walter haben zwei gemeinsame Kinder. Walter ist polizeibekannt, weil er wegen
Körperverletzung an einer früheren Partnerin belangt wurde. Walter hat eine sehr strikte
Vorstellung von Haushaltsführung und beharrt darauf, dass Maria alle Hausarbeiten
erledigt. Walter griff Maria während ihrer Schwangerschaft zum ersten Mal tätlich an: er
schlug sie ins Gesicht. Walter entschuldigte sich für diesen Übergriff, hat aber Maria
seither wieder geschlagen, sie getreten und mit Haushaltsgegenständen – unter anderem
einem Porzellanteller – nach ihr geworfen.
Maria hofft, dass sich Walters Verhalten ändert, wenn er Hilfe bei seinen Problemen
bekommt. Sie entschuldigt sein Benehmen oft und denkt, dass Walter nicht so wütend auf
sie wäre, wenn sie sich mehr anstrengen und besser benehmen würde. Gleichzeitig
befürchtet sie, Walter könnte einmal völlig die Kontrolle verlieren, und hat Angst vor dem,
wozu er fähig sein könnte. Maria hat vor, aus der Wohnung, die sie mit Walter bewohnt,
auszuziehen, weil sie findet, sie braucht eine Zeitlang Raum für sich. Zugleich ängstigt sie
der Gedanke, weil sie Angst vor seiner Reaktion und nur wenige FreundInnen hat und von
ihrer Familie keine Unterstützung zu erwarten ist (diese ist mit ihrer Ehe mit Walter nicht
einverstanden).
Geschichte der
Gewalt
Gewaltformen undmuster
Risikofaktoren
aufgrund des
Verhaltens
des Täters
Einschätzung
der
Gefahrenlage
durch die
Gewaltbetroffene
Erschwerende Faktoren
51
Lewis, G, Drife, J, et al. (2001) Why mothers die: Report from the confidential enquiries into maternal deaths in the UK 1997–
99; commissioned by Department of Health from RCOG and NICE (London: RCOG Press)
52
Lewis, G, and Drife, J (2005) Why Mothers Die 2000-2002: Report on confidential enquiries into maternal deaths in the
United Kingdom (CEMACH)
53
McWilliams, M. und McKiernan, J. (1993) Bringing it out into the open
54
Gelles, R. J. (1988). Violence and pregnancy: are pregnant women at greater risk of abuse. J. Marriage Fam. 50, S. 841
Erkennbare
Risikofaktoren
Bedenken bei
fachlicher
Beurteilung
Handout 2.3a: Was haben Opfer davon, wenn die Gefährdung stärker im
Mittelpunkt steht?

Besser abgestimmte Maßnahmen, wenn sich die Lage verschlechtert und Gewalt
eskaliert.

Bessere Anpassung von Sicherheitsplänen an Ausmaß und Art der Gefährdung.

Koordinierte Interventionen mehrerer Einrichtungen in komplexen Fällen.

Bessere Sicherheitsplanung und mehr Schutz für Frauen und ihre Kinder.
Handout 2.3b: Beispiele für opferzentrierte Instrumente zur
Gefährdungseinschätzung
Methode
Beschreibung
Durchführung
Haupteinsatzgebiet
Danger
20 Ja/Nein-Fragen zu
Befragung des
Einschätzung der Gefahr
Assessment
Risikofaktoren, die gewichtet
Opfers – meist
schwerer und tödlicher
(DA)55
werden und zu vier
durch
Gewaltausübung zur
Risikokategorien führen.
BeraterInnen.
Information des Opfers,
Einträge im
Bewusstseinsbildung,
Kalender
Sicherheitsplanung und für
ebenfalls
Unterstützungsmaßnahme
gemeinsam mit
n.
Häufigkeit und Schwere der
Übergriffe des vergangenen
Jahres werden mithilfe eines
Kalenders aufgezeichnet.
BeraterInnen.
Brief Risk
Kurzform des Danger
Befragung des
Entwickelt für
Assessment
Assessment mit fünf Fragen.
Opfers durch
MitarbeiterInnen der
for the
Werden drei oder mehr mit Ja
MitarbeiterInne
Notaufnahme zum
Emergency
beantwortet, ist von einem
n der
Identifizieren von Opfern
Depart-
hohen Risiko schwerer
Notaufnahme.
mit besonders hohem
56
ment
Gewaltausübung (83 %)
Risiko, schwere
auszugehen.
Verletzungen oder tödliche
Übergriffe zu erleiden.
55
Campbell, J. C, Webster, D. W., Koziol-McLain, J., Block, C.R., Campbell, D., Curry, M.A., Gary, F., Glass, N., McFarlane,
J., Sachs, C., Sharps, P., Ulrich, Y., Wilt, S., Manganello, J., Xu, X., Schollenberger, J., Frye, V., und Laughon, K. (2003)
Risk Factors for Femicide in Abusive Relationships: Results From a Multisite Case Control Study, American Journal of Public
Health, Bd. 93, Nr. 7, S. 1089–1097, http://www.dangerassessment.org/DATools.aspx
56
Snider, C., Webster, D., O’Sullivan, C., Campbell, J.C. (2009) Intimate Partner Violence: Development of a Brief Risk Assessment for the Emergency Department, Society for Academic Emergency Medicine. Bd. 16, Nr. 11, S. 1208–1216
CAADADASH57
Checkliste
24 Fragen zu Risikofaktoren.
Befragung des
Unterstützt Fachkräfte bei
10 Ja-Antworten gelten als
Opfers durch
der Identifizierung
hohe Gefährdung, bei 14 oder
geschulte
hochgefährdeter Fälle von
mehr Ja-Antworten
ExpertInnen,
häuslicher Gewalt,
Zuweisung des Falls an eine
die in der
Stalking und Gewalt im
MARAC (Multi Agency Risk
Identifizierung
Namen der „Ehre.
Assessment Conference,
von häuslicher
inter-institutionelle
Gewalt
Risikoeinschätzungskonferen
erfahren sind.
z).
Entscheidungshilfe,
welche Fälle einer MARAC
zugewiesen werden sollen
und welche anderen
Bei diesem Instrument ist
Formen der Unterstützung
Platz für die fachliche
gegebenenfalls
Beurteilung durch die
erforderlich sind.
Fachkräfte.
Befähigt Einrichtungen zu
vertretbaren
Entscheidungen auf der
Grundlage von Beweisen
aus ausführlichen
Untersuchungen von
Fällen.
57
CAADA: Coordinated Action against Domestic abuse = koordinierte Maßnahmen gegen häusliche Gewalt; DASH: Domestic
Abuse, Stalking, and Honour based violence = häusliche Gewalt, Stalking und Gewalt im Namen der „Ehre“
CAADA (2011) Domestic abuse Stalking and Harassment and Honour Based Violence (DASH) verfügbar unter
http://www.caada.org.uk/practitioner_resources/riskresources.htm
Handout 2.3c: Bewährter Ablaufplan zur Einschätzung der Gefährdung von
Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind
Informieren Sie die Gewaltbetroffene über das Ziel der Gefährdungseinschätzung
und erläutern Sie die Vertraulichkeitsvereinbarung.
Sicheres Setting
Stellen Sie respektvolle, feinfühlige Fragen, aus denen Ihr Wissen und Ihre
Kompetenz über häusliche Gewalt hervorgehen. (Gibt es eine Person, die Sie
verletzt oder vor der Sie Angst haben? Fühlen Sie sich zu Hause in
Sicherheit?)
Sorgen Sie für eine sichere, ungestörte Umgebung, in der die Frau frei
sprechen kann.
Berücksichtigen und respektieren Sie die soziale Vielfalt (Diversität).
Gefährdungseinschätzungen geschehen im Rahmen klarer
einrichtungsinterner Grundsätze und Richtlinien sowie unterstützender
Supervision.
Systematischer
Ansatz
Auf der Grundlage der einrichtungsinternen Grundsätze ist mit jedem Opfer
eine Gefährdungseinschätzung durchzuführen (elementare
Gefährdungseinschätzung in allgemeinen Einrichtungen, eingehende
Gefährdungseinschätzung in spezialisierten
Frauenunterstützungseinrichtungen).
Die Gefährdungseinschätzung soll anhand einer Checkliste zusammen mit der
betroffenen Frau und unter Berücksichtigung der bekannten Risikofaktoren für
häusliche Gewalt gegen Frauen vorgenommen werden.
Relevante Informationen
Dabei sind relevante Informationen aus verschiedenen Quellen einzuholen.
Die Frau kennt ihre eigene Situation und die Möglichkeiten genau und kann
beurteilen, welche Sicherheitsmaßnahmen am besten für ihre persönliche
Situation geeignet sind.
Es ist wichtig, dass der Frau geglaubt wird und sie Bestätigung erfährt.
Fachliche
Begutachtung
Fachliche Beurteilung entsteht durch Erfahrung in der Arbeit mit Opfern von
häuslicher Gewalt, daher sollten sich allgemeine Einrichtungen an
SpezialistInnen wenden.
Wenn Ihre Fachmeinung nur auf Intuition beruht, ist sie klarerweise sehr
subjektiv. Dass intuitive Entscheidungen verschiedener Fachleute
übereinstimmen, ist kaum belegt (Hart, 2008).
Bei der fachlichen Beurteilung müssen Art und Schwere des letzten Vorfalls,
die daraus resultierenden Verletzungen sowie Umfeld und Situation der
jeweiligen Frau berücksichtigt werden.
Im Anschluss an die Gefährdungseinschätzung sind Sicherheitsmaßnahmen zur
Verringerung der Gefährdung, der die Frau ausgesetzt ist, und zur Erhöhung ihrer
Sicherheit zu treffen.
Sicherheitsplanung
Wer eine Gefährdungseinschätzung vornimmt, muss wissen, was als
nächstes zu tun ist und welche Einrichtungen der Frau am effizientesten
helfen können.
Wird nach häuslicher Gewalt eine einrichtungsübergreifende Intervention
vorgeschlagen, kann Zuweisung an dieses Forum anhand der Checkliste zur
Risikoidentifizierung geschehen.
Nach CAADA 2011
Handout 2.3d: Erhebung der Opferzufriedenheit
1.
Mit Ihnen wurde soeben eine Gefährdungseinschätzung durchgeführt. Die
Gründe für die Gefährdungseinschätzung wurden Ihnen ausführlich erklärt, und
Ihnen war klar, warum Ihnen diese Fragen gestellt wurden.
trifft überhaupt nicht
trifft voll und ganz
zu
zu
1
2.
2
3
4
5
Die MitarbeiterInnen der Einrichtung haben Ihnen zugehört und geglaubt und
Sie respektvoll behandelt.
trifft überhaupt nicht
trifft voll und ganz
zu
zu
1
3.
2
3
4
5
Sie hatten das Gefühl, an dem Ort, an dem das Gespräch stattfand, in
Sicherheit zu sein, und es gab keine störenden Unterbrechungen
(Telefonanrufe, hereinkommende Menschen etc.).
trifft überhaupt nicht
trifft voll und ganz
zu
zu
1
4.
2
3
4
5
Ihnen wurde erklärt, welche weiteren Ermittlungen durchgeführt werden, und
Sie wurden um Ihre Einwilligung gebeten, bevor bei anderen Einrichtungen
Erkundigungen eingezogen werden.
trifft überhaupt nicht
trifft voll und ganz
zu
zu
1
2
3
4
5
5.
Im Anschluss an die Gefährdungseinschätzung wurde gemeinsam mit Ihnen
ein Sicherheitsplan für Sie und Ihre Kinder erarbeitet.
trifft überhaupt nicht
trifft voll und ganz
zu
zu
1
6.
2
3
4
5
Sie haben insgesamt den Eindruck, dass die MitarbeiterInnen dieser
Einrichtung fachlich kompetent und am besten geeignet sind, Sie und Ihre
Kinder auf dem Weg zur Sicherheit zu unterstützen.
trifft überhaupt nicht
trifft voll und ganz
zu
zu
1
2
3
4
5
Handout 2.4a: Die Hauptaspekte der Sicherheitsplanung
Wichtige Merkmale und Voraussetzungen von Sicherheitsplänen:
maßgeschneidert
fachliche
Beratung durch
Unterstützungseinrichtungen
gegen häusliche
Gewalt
sensibel für
gesellschaftliche
Vielfalt
umfassend
opferzentriert
– die Frau
steht im
Mittelpunkt
vertrauliche
Informationen
offene und
feinfühlige
Ansprechpersonen
von der
Betroffenen
ausgehend
Handout 2.4b: Überlegungen zur Sicherheitsplanung
Die Sicherheitsplanung muss die bei der Gefährdungseinschätzung ermittelten
Risiken berücksichtigen und folgende Bereiche umfassen:

Sicherheit in der Wohnung der Gewaltbetroffenen (Sicherheitstüren und -schlösser)

Sicherheit der Kinder: Maßnahmen, mit denen eine Entführung durch den
Gewalttäter verhindert werden kann, rechtliche Vorkehrungen für die Sicherheit der
Kinder.

Sicherheit am Arbeitsplatz.

Sicherheit an anderen Orten (Schule, Kindergarten).

Sicherheit, wenn die Gewaltbetroffene weiter mit dem gewalttätigen Partner
zusammenlebt.

Sicherheit, wenn die Gewaltbetroffene den Täter verlässt (Vorbereitung auf die
Trennung, sichere Unterkunft, Packen einer Tasche mit dem Nötigsten).

Sicherheit in gefährlichen Situationen (Gerichtstermine).

Beantragung rechtlicher Schutzmaßnahmen sowie Strategien für deren effiziente
Umsetzung und Kontrolle.
Näheres zur Sicherheitsplanung in Ein Weg aus der Gewalt (WAVE 2004)58
58
WAVE (2004) Ein Weg aus der Gewalt: http://www.wave-network.org/images/doku/manual-druck_ger_pdf.pdf, S. 69–73 und
S. 121–122
Welche Risikofaktoren
sind zu
berücksichtigen?
vereinbarte
Maßnahme(n)
Wer erledigt das?
Bis wann?
Anmerkungen
Handout 2.4c: Sicherheitsplan
Handout 2.4.1a: Das Drei-Planeten-Modell
Häusliche Gewalt: Frauenhäuser und andere Anlaufstellen bei häuslicher Gewalt sowie
straf- und zivilrechtliche Einrichtungen, die sich mit den Tätern befassen.
Kinderschutz: behördliche und andere Einrichtungen für Kinderschutz sowie
Jugendämter.
Kontaktregelung: Familiengerichte und andere Einrichtungen, die sich vorwiegend mit
Kontaktregelungen zwischen Kindern und Eltern befassen.
Hester argumentiert, dass diese Bereiche besonders schwer zu einem gemeinsamen,
koordinierten Vorgehen zu bewegen sind, weil sie getrennt voneinander ihre jeweils eigenen
Kulturen und Gesetze entwickelt haben und tatsächlich so etwas wie „verschiedene
Planeten“ sind. Daneben kommt nach Hester hier auch eine andere Einflussgröße zum
Tragen: die Zuschreibung von Geschlechterrollen, bedingt durch die ständige Wiederholung
und Fortschreibung geschlechtsspezifischer Ungleichbehandlung in der Gesellschaft. Bei
häuslicher Gewalt kann das dazu führen, dass Frauen als „schuldige Opfer“ gesehen
werden, die irgendwie verantwortlich dafür sind, dass sie Gewalt erfahren haben (Hester
201159).
Weil es diese drei „Planeten“ gibt, sind gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder oft mit
widersprüchlichen Interventionen konfrontiert. Auf dem Planeten der häuslichen Gewalt
sollen Opfer die Gewalttat zur Anzeige bringen und rechtliche Schritte zu ihrem Schutz
ergreifen, auf dem Kinderschutz-Planeten wird von den Frauen erwartet, dass sie den
gewalttätigen Partner verlassen, um ihre Kinder zu schützen, und auf dem KontaktregelungsPlaneten trägt man den Müttern auf, den Kindern Kontakt zum gewalttätigen Partner/Vater
zu ermöglichen. Um die Sicherheit der Kinder und ihrer Mütter nicht zu gefährden, ist es
ganz wichtig, dass im Mittelpunkt der einrichtungsübergreifenden Arbeit der Versuch steht,
aus den drei Planeten einen einzigen zu machen – einen Planeten, auf dem jede Frau und
jedes Kind frei von Gewalt leben kann.
Übung 2.4.1
Erforderliche Materialien
Handout 2.2b: Fallstudie.
Handout 2.4.1a (Drei-Planeten-Modell), 2.4.1b (Fortsetzung der Fallstudie) und 2.4.1c
(Wichtigste Überlegungen), auch als PowerPoint-Folie verwendbar.
Anweisungen an die TeilnehmerInnen
In den Abschnitten 2.2 und 2.4 wurden anhand der Fallstudie über Walter und Maria erste
Überlegungen zur Risikoidentifizierung und Sicherheitsplanung bei häuslicher Gewalt
angestellt. Die vorliegende Übung enthält weitere Informationen über den Fall (Handout
2.4.1b), anhand derer die TeilnehmerInnen sich mit der Sicherheit von Kindern, die von
häuslicher Gewalt betroffen sind, sowie damit befassen, wie sich das Drei-Planeten-Modell
auf die Praxis auswirkt.
Anmerkung für TrainerInnen
Je nach den lokalen, regionalen und nationalen politischen Gegebenheiten und den
verschiedenen
59
zuständigen
Einrichtungen,
gesetzlichen
Bestimmungen
und
Hester, Marianne (2011) The Three Planet Model: Towards an Understanding of Contradictions in Approaches to Women
and Children’s Safety in Contexts of Domestic Violence, British Journal of Social Work, Bd. 41, Nr. 5 S. 837–853
Verpflichtungen in den einzelnen europäischen Staaten ergeben sich aus der
Fallstudie über Walter und Maria unterschiedliche Maßnahmen zum Schutz der Kinder.
Es ist vielleicht sinnvoll, wenn die TrainerInnen eigene Fallstudien erstellen, um den
örtlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen.
Handout 2.4.1b: Fallstudie (Fortsetzung)
Walters Gewaltausbrüche dauern an und werden immer heftiger. Polizei und Jugendamt
werden tätig und bestärken Maria darin, ihn im Interesse ihrer Sicherheit und der ihrer
Kinder zu verlassen. Maria verlässt Walter tatsächlich und zieht mit den drei Kindern –
Mary, 12 (Walters Stieftochter), Klaus, 6, und Marco, 1 Jahr alt – ins Frauenhaus. Walter
leitet ein Besuchsrechtsverfahren ein.
In Anbetracht der bisherigen und der neuen Informationen über diese Familie überlegen
Sie bitte folgende Fragen:
1. Welche Bedenken über die möglichen Auswirkungen der häuslichen Gewalt
auf diese Kinder tauchen bei Ihnen als erstes auf?
2. Diese Familie wird voraussichtlich mit Fachkräften von allen drei Planeten zu
tun haben: Welche Schwierigkeiten könnten sich daraus für Maria und ihre
Kinder ergeben? Welche Einrichtungen wären das in Ihrem Wohnort, in Ihrer
Region, in Ihrem Arbeitsumfeld?
3. Was lässt sich tun, um die Koordination zwischen den Fachkräften dieser drei
Planeten zu verbessern?
Rückmeldungen/Hinweise
Die Kinder haben häusliche Gewalt miterlebt, und das erhöht die Gefahr, dass sie selbst
Gewalt erfahren. In ihrem Zuhause wurde Regeln und deren Durchsetzung große Bedeutung
zugemessen, ihre Erziehung war also möglicherweise sehr autoritär geprägt. Die TrainerIn
soll anhand der Informationen in diesem Abschnitt die möglichen Gefahren für und
Auswirkungen auf Mary, Klaus und Marco umreißen. Es wäre auch sinnvoll, die
Auswirkungen dieser Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Alter der Kinder zu sehen.
Ältere Geschwister kümmern sich meistens um die jüngeren – hat Mary diese Rolle
übernommen? Wo ist Marco während der Gewaltszenen? Mit einem Jahr ist er noch nicht
sehr mobil und kann leicht verletzt werden, wenn es zu Gewalt kommt. Dem sechsjährigen
Klaus wird in der Schule möglicherweise klar, dass sein Familienleben anders ist als das
seiner MitschülerInnen. Wie sieht er wohl seine Eltern, und wie ist sein Verhältnis zu ihnen?
Das Drei-Planeten-Modell
Die TrainerIn fordert die TeilnehmerInnen auf, sich anhand der Skizze von Hesters Modell
vorzustellen, wo es zu Konflikten und Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den
jeweiligen ExpertInnen kommen kann.
Bessere Koordination
Hesters Modell bezieht sich auf das britische System. Wie lässt es sich auf die hiesigen
Gegebenheiten umlegen? Welche Probleme bestehen hier, und wie lassen sich hier
Fortschritte erzielen?
Wichtigste Lerninhalte – Basiswissen über den Schutz von Kindern60
Die meisten Kindesmisshandlungen geschehen im Kontext von häuslicher Gewalt.
Je massiver die häusliche Gewalt gegen eine Frau, desto massiver auch die
Misshandlung von Kindern im selben Umfeld.
Untersuchungen haben ergeben, dass für Kinder beim Kontakt mit dem gewalttätigen
Vater/Partner (siehe auch Risikofaktoren, Abschnitt 2.2) die Gefahr besteht, erneut
Gewalt durch diesen zu erleiden.
Aus einer britischen Studie über hochgefährdete Opfer geht hervor, dass bei vier
Prozent der betroffenen Kinder ein massiver Konflikt über Besuchsrechte vorlag.61
Die Stiefkinder von Tätern und deren Mütter sind oft besonders gefährdet:
Untersuchungen zeigen, dass im selben Haushalt lebende Stiefkinder von Tätern ein
Risikofaktor für tödliche Beziehungsgewalt sind (siehe auch Risikofaktoren, Abschnitt
2.2).
60
Hester, M, Pearson, C, Harwin, N & Abrahams, HA, (2007), Making an Impact: Children and Domestic Violence: 2. Auflage,
Jessica Kingsley
61
Howard, E., Stimpson, L., Barran, D. und Robinson, A (2009) Safety in Numbers: A Multi-Site Evaluation of Independent
domestic Violence Advisor Services, London
Häusliche Gewalt kann auch für Kinder tödlich sein, wie sich an einem Fall zeigt,
der vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kam: Zwei Kinder
wurden von ihrem Vater, der seine Frau wiederholt misshandelt hatte, getötet.
Nach einem gewalttätigen Angriff konnte die Frau fliehen, die Kinder blieben
jedoch beim Vater, und die Behörden taten nichts, um sie vor weiterer Gewalt zu
schützen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte, dass die
staatlichen Behörden es verabsäumt hatten, das Recht der beiden Kinder auf
Leben zu schützen (siehe Kontrová gegen Slowakei 200762, Näheres dazu in
Abschnitt 1.1).
62
Europarat (2007): Fall Kontrová gegen Slowakei, Antrag Nr. 7510/04:
http://www.coe.int/t/dg2/equality/domesticviolencecampaign/resources/Kontrova%20v.%20Slovakia_en.asp
Handout 2.4.1c
Die wichtigsten Aspekte, die bei Interventionen zum Schutz der Sicherheit von Kindern
zu berücksichtigen sind:

Angemessener Schutz und Hilfe für die Mütter ist die beste Voraussetzung für
die Sicherheit sowohl der Mütter als auch der Kinder (Hester 200763).

Den Frauen darf weder die Verantwortung dafür zugeschoben werden, ihre
Kinder vor Gewalt zu schützen, noch sollen ihnen Sanktionen – etwa die Drohung ihr
die Kinder wegzunehmen - angedroht werden. Das ist kontraproduktiv, löst bei den
Opfern Angst aus und trägt nicht dazu bei, dass der Gewalttäter zur Rechenschaft
gezogen wird.

Artikel 19 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes besagt, dass jedes
Kind das Recht auf ein Leben frei von Gewalt hat (siehe Einleitung, Seite 15). Die
Kinderrechtskonvention spricht darüber hinaus vom Recht des Kindes (nicht dem
Recht der Eltern!), mit beiden Elternteilen Kontakt zu pflegen, soweit dies dem Wohl
des Kindes nicht widerspricht.64

Bei Entscheidungen über Besuchs- und Sorgerecht müssen Gewalttaten
berücksichtigt65 und es muss dem Recht auf Sicherheit der Kinder und ihrer Mütter
gegenüber dem Recht auf Kontakt zum gewalttätigen Vater Vorrang gegeben
werden.

SozialarbeiterInnen, die Kinder betreuen, müssen ihre Fähigkeiten und ihr
Selbstvertrauen bei der Arbeit mit gewalttätigen Vätern ausbauen (Stanley et al.
201166 ).
.
63
Hester, M, Pearson, C, Harwin, N & Abrahams, HA. (2007) Making an Impact: Children and Domestic Violence: 2. Auflage,
Jessica Kingsley.
64
Vereinte Nationen (1989), Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Artikel 9, Absatz 3: Die Vertragsstaaten achten
das Recht des Kindes, das von einem oder beiden Elternteilen getrennt ist, regelmäßige persönliche Beziehungen und
unmittelbare Kontakte zu beiden Elternteilen zu pflegen, soweit dies nicht dem Wohl des Kindes widerspricht.
65
Übereinkommen des Europarats 2011, Artikel 31.
66
Stanley, N., Miller, P., Richardson-Foster, H. und Thomson, G. (2011) Children's Experience of Domestic Violence: Developing an Integrated Response from Police and Child Protection Services. Journal of Interpersonal Violence, 25, 12, S. 2372–
2391.
Handout 2.5: Grundsätze für Good Practice in einrichtungsübergreifenden
Fallkonferenzen (MACC)
Grundsatz
Erklärung
erste Schritte
angestrebtes Ziel
1. Unabhängige
Einverständnis der
Welche unabhängigen
Es ist sehr wichtig, dass
Vertretung und
Gewaltbetroffenen und
Frauenunterstützungs-
Opfer durchgängig von
Unterstützung der
gemeinsame
einrichtungen gibt es in
unabhängigen VertreterInnen
Opfer
Vorbereitung mit ihr sind
der Region / im Land,
unterstützt und vertreten
wesentlich für die
wo bestehen
werden, die dem Aspekt der
Zuweisung eines Falls
Versorgungslücken, und
Sicherheit während des
an die MACC.
wie lassen sie sich
gesamten Verlaufs der MACC
schließen?
Priorität verleihen.
Jede Gewaltbetroffene
wird in der MACC von
Das bedeutet effiziente Hilfe
einer unabhängigen
im Vorfeld der Sitzung,
Frauenunterstützungs-
Vertretung der Standpunkte,
einrichtung vertreten,
Bedürfnisse und Rechte der
der die vertraut
Gewaltbetroffenen während
der Sitzung, Eintreten für ihre
Sicherheit sowie Information
und Unterstützung der Frau
nach der Sitzung, sofern das
keine weitere Gefährdung für
sie bedeutet.
Im Idealfall hat die
Frauenunterstützungseinrichtung die Gewaltbetroffene schon vor dem
MACC-Prozess unterstützt
und tut das auch danach
(wenn sie – hoffentlich – nicht
mehr hochgefährdet ist), um
kontinuierliche Betreuung zu
gewährleisten.
2. Identifizierung
Die Einrichtungen sind
Recherchen über
Unabhängig davon, an
sich der Risiken bei
Instrumente zur
welche Stelle sich eine Frau
häuslicher Gewalt
Gefährdungseinschätzu
wendet, sind alle imstande,
bewusst; sie können
ng durchführen.
eine grundlegende
mithilfe eines
Gefährdungseinschätzung
Einschätzungsinstrumen
Prospektive
durchzuführen (siehe
ts und fachlicher
Partnereinrichtungen
Abschnitt 2.3).
Beurteilung Opfer von
besuchen und ihnen das
wiederholter und
Konzept der
Die angesprochene Stelle
schwerer Gewalt
Gefährdungseinschätzu
ergreift geeignete
identifizieren.
ng präsentieren.
Maßnahmen zum Schutz des
Opfers, dazu gehört auch die
Zuweisung an eine
einrichtungsübergreifende
Fallkonferenz und an eine
spezialisierte
Frauenunterstützungseinricht
ung.
3. Zuweisung
Die Einrichtungen
Sammeln von Daten
Es muss klare, konsequent
wissen, welche Fälle
über häusliche Gewalt
angewendete und
einer MACC
gegen Frauen vor Ort
kommunizierte Kriterien
zuzuweisen sind, weil
(Wie viele Taten werden
geben, so dass alle diesen
es dafür klare und
der Polizei gemeldet?
Kriterien entsprechenden
gemeinsam vereinbarte
Wie viele Frauen
Fälle der
Kriterien gibt.
kommen im Jahr ins
einrichtungsübergreifenden
örtliche Frauenhaus?),
Fallkonferenz zugewiesen
um ein Bild davon zu
werden.
bekommen, wie häufig
häusliche Gewalt gegen
Zuweisungen
sollten
Frauen in der Region
staatlichen
Einrichtungen
ist. Zur Erhöhung der
ebenso
von
Sicherheit
kommen.
hochgefährdeter Opfer
ist zu überlegen, eine
MACC einzurichten, die
sich mit den
höchstgefährdeten
Fällen (10 %) befasst.
wie
von
NGOs
4.
Alle maßgeblichen
Klären, welche
Die Einrichtungen müssen
Einrichtungsübergreife
Einrichtungen sollen
Einrichtungen vertreten
sich in schriftlichen
nde Beteiligung
sich angemessen und
sein müssen, um eine
Protokollen zur Einhaltung der
kontinuierlich in einer
einrichtungsübergreifen
Grundsätze der MACC
einrichtungsübergreifen
de Fallkonferenz ins
verpflichten.
den Fallkonferenz
Leben zu rufen.
Die beteiligten Einrichtungen
beteiligen.
Erste Gespräche mit
sollen Erfordernisse und
diesen Einrichtungen
Diversität in der Region
führen.
widerspiegeln.
Es muss den
SitzungsteilnehmerInnen
möglich sein, innerhalb ihrer
eigenen Einrichtung Zugang
zu den relevanten
Informationen zu bekommen,
diese vorzulegen und im
Namen ihrer Einrichtung
aufzutreten.
5. Erhebung und
Die
Da der Austausch von
Im Sinne einer
Austausch von
Verschwiegenheitspflich
persönlichen Daten den
funktionierenden Arbeit
Informationen
t gegenüber der Frau
in Ihrem Land geltenden
müssen die TeilnehmerInnen
wird eingehalten, aber
Datenschutzbestimmun
an
wenn eine Gefährdung
gen unterliegt, müssen
einrichtungsübergreifenden
vorliegt, werden die
Sie diesbezüglich
Fallkonferenzen Fälle
Informationen über die
juristischen Rat
untersuchen und für
Risiken, die für die Frau
einholen, bevor die
Risikoeinschätzung und
bestehen, in
Arbeit der MACC
Sicherheitsplanung relevante
angemessener und
beginnen kann.
und angemessene
vertretbarer Weise in
Informationen austauschen.
Übereinstimmung mit
Das nationale
den rechtlichen
Datenschutzgesetz und
Es werden nur für
Datenschutzbestimmun
die für die MACC
Risikoeinschätzung und
gen ausgetauscht.
maßgeblichen
Sicherheitsplanung relevante
Richtlinien und
Informationen ausgetauscht.
Verfahrensweisen sind
in einem Protokoll
Durch die Einhaltung der
festzuhalten, das für alle
Verfahrensbestimmungen
Partnereinrichtungen
sind Sicherheit und
verpflichtend gilt.
Verschwiegenheit jederzeit
gewährleistet.
6. Maßnahmenplanung
Erstellung von
Überlegen, welche
Bei der Sitzung werden
Maßnahmenplänen für
Maßnahmen bei
anhand der ausgetauschten
den Umgang mit den
einrichtungsübergreifen
Informationen alle
identifizierten Risiken.
den Fallkonferenzen
maßgeblichen Risiken für das
Maßnahmenpläne
geplant werden sollen
Opfer, andere gefährdete
beinhalten effiziente und
und welche
Personen und Fachkräfte
bestärkende
Einrichtungen diese
identifiziert.
Sicherheitsmaßnahmen
Maßnahmen
zum Schutz des Opfers
durchführen können.
Der Maßnahmenplan spiegelt
und zur Verhütung
die identifizierten Risiken
weiterer Gewalt und
wider und befasst sich mit der
Eskalation und ziehen
Sicherheit.
den Täter zur
Verantwortung.
Die Gewaltbetroffene ist
durch die
Frauenunterstützungseinricht
ung über die Maßnahmen zu
verständigen.
Die Verantwortung, geeignete
Maßnahmen zu ergreifen,
liegt bei den einzelnen
Einrichtungen; sie wird nicht
an die MACC übertragen.
Die Einrichtungen sollten mit
Maßnahmen zur Erhöhung
der Sicherheit eines
hochgefährdeten Opfers von
häuslicher Gewalt niemals bis
zur nächsten MACC warten.
Die MACC dient
gewissermaßen der
Intensivversorgung, die
„normale“ Versorgung muss
jedoch immer gesichert sein,
vor, während und nach einer
MACC – andernfalls kann die
MACC ihre Aufgabe nicht
erfüllen.
7. Anzahl der Fälle und
Die MACC muss
Die ersten
In einer
Kapazitäten
ausreichende
Fallkonferenzen sollten
einrichtungsübergreifenden
Kapazitäten haben, um
am besten monatlich
Fallkonferenz müssen auch
allen Opfern, für die die
stattfinden, da das
ausreichende Kapazitäten für
Gefahr von wiederholter
Identifizieren aller Fälle
unabhängige Vertretung und
und schwerer Gewalt
eine Zeitlang dauern
kontinuierliche Unterstützung
besteht, auf lokaler
kann. Es ist jedoch
der Gewaltbetroffenen
Ebene Unterstützung
damit zu rechnen, dass
eingeplant werden.
gewähren zu können.
die Sitzungen häufiger
werden, wenn die Zahl
der am Prozess
beteiligten
Einrichtungen und der
identifizierten
hochgefährdeten Opfer
steigt.
8. Gleichbehandlung
Die MACC muss sich
Einbinden
Die Zuweisungen an eine
und
dafür engagieren, für
lokaler/regionaler
einrichtungsübergreifende
Nichtdiskriminierung
alle Gewaltbetroffenen
Einrichtungen, die mit
Fallkonferenz sollte die
unabhängig von deren
Menschen
örtliche Bevölkerung in ihrer
Herkunft und
unterschiedlicher
Vielfalt widerspiegeln.
Zugehörigkeit tätig zu
Herkunft/Zugehörigkeit
werden, also auch für
befasst sind.
Migrantinnen, Angehörige
Migrantinnen,
ethnischer Minderheiten und
Angehörige ethnischer
Flüchtlinge sollen nach
Minderheiten sowie
Möglichkeit von
Flüchtlingsfrauen und
unabhängigen
ihre Kinder, unabhängig
Frauenunterstützungsein-
von deren Rechts- und
richtungen vertreten werden,
Aufenthaltsstatus.
die auf die Betreuung dieser
Gruppen spezialisiert sind.
Die unterschiedlichen Rechte
und Bedürfnisse müssen
auch in die Maßnahmenpläne
einfließen.
9. Operative
Kontinuierliche
Überlegungen, wie die
Die operative Unterstützung
Unterstützung
Koordination und
einrichtungsübergreifen
der MACC verstärkt das
Organisation zur
de Fallkonferenz
Bewusstsein für die Arbeit der
Unterstützung der
organisiert werden
Konferenz und fördert die
funktionierenden Arbeit
kann: Kann eine
Beteiligung an der
der einrichtungsüber-
Einrichtung eine
einrichtungsübergreifenden
greifenden
Mitarbeiterin / einen
Fallkonferenz.
Fallkonferenz.
Mitarbeiter mit der
Organisation der
Eine Person sollte für
Sitzungen betrauen?
organisatorische Belange
zuständig sein, dazu gehört
die Aussendung der Liste der
zu behandelnden Fälle bzw.
der Tagesordnung, die
Führung eines genauen
Sitzungsprotokolls, die
Nachverfolgung der
Maßnahmen und die
Erhebung von Daten.
10. Verantwortlichkeit
Eine Gruppe von
Die Mitglieder der
Die Steuerungsgruppe hat die
Entscheidungsträ-
Gruppe von
Aufgaben,
gerInnen aus jeder
EntscheidungsträgerInn
- das Ausführungsmanage-
Partnereinrichtung sollte
en sollen aufgrund ihres
ment zu beobachten,
regelmäßig
Ranges imstande sein,
- bei auftretenden Problemen
zusammenkommen, um
Einfluss auf lokale
Maßnahmen zu ergreifen und
Ausführung,
Leitlinien und Strategien
deren Auswirkungen zu
Nachhaltigkeit und
zu nehmen.
beobachten,
Verantwortlichkeit der
MACC zu überprüfen.
- Lösungen für auftretende
Überlegen Sie, wie die
operative Probleme zu finden,
MACC am besten in die
- die Verbindung mit anderen
praktische Arbeit in
einrichtungsübergreifenden
Ihrem Bereich
Foren herzustellen, um die
eingebunden werden
Zusammenarbeit effizient zu
kann.
gestalten und
Doppelgleisigkeiten zu
vermeiden.
11. Evaluierung und
Evaluierung und
Zusammenarbeit mit
Die Rückmeldungen der
Rückmeldungen von
regelmäßige
den Einrichtungen, die
Gewaltbetroffenen werden
Gewaltbetroffenen
Rückmeldungen von
am häufigsten Kontakt
zugleich mit anderen Daten
Gewaltbetroffenen und
mit hochgefährdeten
von der MACC-
MACC-TeilnehmerInnen
Opfern von häuslicher
Steuerungsgruppe analysiert;
gewährleisten, dass die
Gewalt gegen Frauen
anhand der Ergebnisse wird
Arbeit der
haben, und
die Arbeit der MACC
einrichtungsübergreifen
gemeinsame
verbessert.
den Fallkonferenzen
Überlegungen, wie
erfolgreich und
diese Frauen
bestärkend ist.
ungefährdet
Rückmeldungen über
die Auswirkungen der
MACC auf ihre
Sicherheit und die ihrer
Kinder geben können.
Herunterladen