1. Das Grimmische Gesetz, Akzentverschiebung. Zu den wichtigsten Neuerungen im phonologischen System des Urgermanischen gehцren die Akzentverschiebung und die I. germanische Lautverschiebung. 1) Die erste oder germanische Lautverschiebung ( das Grimmsche Gesetz ) ist ein durchgreifender Wandel im Konsonantensystem, Diese phonetische Erscheinung wurde 1882 von dem deutschen Wissenschaftler Jakob Grimm erforscht. Unter dem Terminus " Verschiebung " verstand J. Grimm die teilweise Verдnderung der Artikulationsstelle der indoeuropдischen stimmlosen und stimmhaften Konsonanten (Explosivlaute ). Man unterscheidet drei Akte in der I. germanischen Lautverschiebung : - 1. Die i/e stimmlosen Explosivlaute p, t, k wurden im Urgermanischen zu stimmlosen Frikativlauten f, p, h; z.B. lat. pater - ahd. fater. - 2. Die i/e stimmhaften Explosivlaute b, d, g wurden im Urgermanischen zu stimmlosen p, t, k, z.B. lat. duo, русс. два- got. twai, e. two lat. jugum, русс. иго - got. juk, aisl. ok "Joch " - 3. Die i/e stimmhaften behauchten Explosivlaute bh, dh, gh wurden im Urgermanischen zu stimmlosen unbehauchten Frikativlauten ( b, d, g.) oder zu stimmhaften unbehauchten Explosivlauten b, d, g, dh. bh> b> b, dh> d> d, gh>g> g z. B. : sanskrit= ai. bhratar, русс. брат - got. bropar, as. brothar, e. brother, ahd. bruodar Eine wichtige Neuerung des Urgermanischen war auch der Wandel der Akzentverhaltnisse. Das Indoeuropдische hatte einen freien, beweglichen Akzent. DaЯ auch das дlteste Urgermanisch einen freien Akzent haben muЯte, geht aus dem Vernerschen Gesetz hervor. Doch vermutlich noch wдhrend des Ablaufs der germanischen Lautverschiebung hat sich im Urgermanischen der Ьbergang zur Anfangsbetonung vollzogen, die alle altgermanische Sprachen aufweisen ( haben ). Die Festlegung des Akzents auf die erste ( Wurzel -)silbe des Wortes hatte weitgehende Folgen fьr die weitere Entwicklung des phonologischen Systems und der morphologischen Struktur der germanischen Einzelsprachen. Die Festlegung des Akzents auf die erste Silbe fuhrte im Deutschen : - zu der Abschwдchung der verschiedenen unbetonten Vokale zu [ 8 ] - zu der Reduzierung der Silbenanzahl in der Wortstruktur, zu der Vereinfachung der Kasusflexionen der Substantive und der Personalendungen der Verben. Beispiele fьr die Abschwдchung der unbetonten Vokale ahd. machota > mhd. machete nhd. machte. 2. Phonologische Merkmale des deutschen Konsanantismus. Es können im deutschen Vokalismus fünf phonologische Merkmale differenzierend wirken: 1) lang / kurz (reine Unterschiede in der Quantität), 2) geschlossen lang / offen kurz (Gegensätze in Qualität und Quantität zugleich), 3) gleitend / nicht gleitend (Gegensätze in veränderlicher und unveränderlicher Qualität), 4) gerundet / ungerundet (Gegensätze in der Lippenartikulation, die Gegensätze in der Qualität zur Folge haben), 5) kompakt / diffus (Gegensätze, die sich durch verschiedene Resonanzräume mit verschiedenen Eigentönen ergeben). Durch reine Quantität — 1ang /kurz —sind zwei Oppositions-paare differenziert: [a:] — [a] und [ε:] — [ε]. Vgl. [∫ta:t] Staat — [∫tat] Stadt, ['∫tε:lən] stählen — ['∫tεlən] stellen.Sechs Oppositionspaare unterscheiden ihre Glieder durch das differenzierende Merkmal geschlossen lang / offen kurz: [i:] — [i]: ['mi:tə] Miete — ['mitə] Mitte [у:] — [ү] ['fy:lən] fühlen — ['fүiən] füllen [e:] — [ε]: [be:t] Beet —[bεt] Bett [ø:] — [œ]: ['h ø:lə] Höhle —['hœla:] Hölle [u:j — [υ]: [mu:s] Mus — [mυs] muß [ o: ] — []כּ: ['zo:nə'] (dem) Sohne — ['z כּn ə] Sonne. Durch das differenzierende Merkmal g1eitend/nicht gleitend können voneinander Diphthonge und ähnlich klingende Monophthonge unterschieden werden: [ae] — [a:]: [kaen] kein — [ka:n] kahn [ao] — [a:]: [kaom] kaum — [ka:m] kam [oø] — [о:]: [boøtə'] Beute— ['bo : tə'] Boote Das differenzierende Merkmal gerundet / nicht gerundet dient zur Unterscheidung der Glieder folgender Oppositionspaare: [y:]— [i:]: ['tsy:gə'] Züge — ['tsi:gə'] Ziege [ү] — [i]: ['kүsən] küssen — ['kisən] Kissen [ø:] — [e:]: ['lø:zən] lösen — ['lе:zən] lesen [œ] '—[ε]: ['kœnən] können — ['kεnən] kennen Außerdem entstehen vokalische Oppositionspaare durch verschiedene Resonanzräume mit verschiedenen Eigentönen. Man spricht dann von dem differenzierenden Merkmal kompакt/diffus. Das Merkmal kompakt entsteht dadurch, daß die Eigentöne (Formanten) eines Vokals eng (kompakt) beieinander liegen. So hat das deutsche [a:] z. B. drei Formanten, die ihrer Höhe nach nicht weit voneinander entfernt sind: 1) 600—840, 2) 960— 1200, 3) 1792—2012 Hz. Dagegen sehen wir einen großen Unterschied zwischen den Formanten des diffusen deutschen [i:]: 1) 220—360, 2) 1100—1320, 3) 3040—3400 Hz. Besonders merkbar ist deshalb das Merkmal kompakt/diffus bei dem Oppositionspaar [a:] — [i:] (Zahl — Ziel) und bei [a] — [i] (Last — List). In geschwächter Form kommt dieses differenzierende Merkmal in folgenden Oppositionspaaren vor: [a:] —[e:]: ['ra:bə'] Rabe — ['rе:bə'] Rebe [i:]— [e:]: [vi:r] wir — [ve:r] wer [a] — [ε]: ['hatən] hatten — ['hεtən] hätten [Ι] — [ε]: [∫liçt] schlicht — [∫lεçt] schlecht [a:] —[u:]: [fa:r] fahr —[fu:r] fuhr [u:] — [o:]: [gru:s] Gruß — [gro:s] groß [a] —[υ]: [vaxt] Wacht —[vυxt] Wucht [υ] — []כּ: [hυlt] Huld —[hכּlt] hold [a:]— [o:]: [va:l] Wahl — [vo:l] Wohl [e:] — [ε]: ['bе: rən] Beeren — ['bε: rən] Bären [a] — []כּ: [kam] Kamm — [kכּm] komm 3. Das Vernersche Gesetz. Dieses Gesetz, indem es als eine Art Einschränkung für Grimmsches Gesetz gilt, wurde vom dänischen Linguisten Karl Verner im Jahre 1875 entdeckt. Es besagt Folgendes: Die germanischen stimmlosen Reibelaute [f], [Ċ], [μ] wurden, ebenso wie der stimmlose Reibelaut [s], unter bestimmten Bedingungen zu den stimmhaften Reibelauten [ė], [ñ], [˱] bzw. [z] und fielen so mit den aus indoeuropäischen [b h ], [d h ], [η h ] entstandenen [ė], [ñ], [˱] zusammen. Dieser Vorgang trat ein, wenn ein dem Verschiebelaut unmittelbar vorausgehender Vokal im Indoeuropäischen nicht den Akzent trug. Lag der Akzent unmittelbar auf einem vorausgehenden Vokal, blieben dieLaute stimmlos. [f] > [ė] – GOT. Ďarf [εarf] ‘(ich) brauche’ – Ďarba [┐εarba] ‘Bedarf’; [þ] > [ñ] – SS. pitár – AGR. pătŵr ( p¼t/r ) – (L. páter) – G. *faĎár > *fadár – GOT. fadar (fáñar) [faðar] – AE. fæder [fæder]; GOT. alĎeis [alερs] – alds [alds] ‘alt’; [μ] > [˱] – L. socrūs – GwR. свекрóвь – GOT. swaíhro [sňΣhro] – AHD. swigur [sňigur] ‘Schwiegermutter’ – AE. sweŲer [sňejer]. [s] > [z] (> [r] in germanischen Sprachen bis auf Gotisch) – L. *ausis > auris – GwLI. ausis – GOT. auso [ʯso] – AHD. ōra [πra] ‘Ohr’ – AE. Ēare [ςare] ‘ear’. Schematisch kann das Vernersche Gesetz wie folgt veranschaulicht werden: 1) ∩ f ↕, ∩ Ċ ↕, ∩ μ – (stl.) > ∩ f ↕, ∩ Ċ ↕, ∩ μ ↕ (stl.); 2) ↕ f ∩, ↕ Ċ ∩, ↕ μ ∩ (stl.) > ↕ ė ∩, ↕ ñ ∩, ↕ Ė ∩ (sth.); 3) ∩ ↕ f ↕, ∩ ↕ Ċ ↕, ∩ ↕ μ ↕ (stl.) > ∩ ↕ ė –, ∩ ↕ ñ ↕ , ∩ ↕ Ė ↕ (sth.). 4. Begriff des Phonems. Der Phonembegriff ist nur im Zusammenhang mit der Zweiteilung in Sprach- und Redesystem nur auf künstliche Weise getrennt werden kann, so ist das Phonem – die kleinste Einheit des Sprachsystems von dem kleinsten Element des Redesystems theoretisch zu scheiden. Unter Phonem verstehen wir einen Sprachlaut mit differenzierender Funktion, der aus der Rede, in welcher er in vielen situativ bedingten Varianten auftritt, herausgelöst werden kann. An jedem Phonem ist eine materielle und eine funktionale Seite zu unterscheiden. Das Phonem ist nur insofern eine Abstraktion, inwiefern aus der Gesamtheit der konkreten Zusammenhänge in der Rede herausgelöst ist Die Varianten eines Phonems sind positionsbedingte Äußerungen eines einheitlichen Sprachlautes mit differenzierender Funktion. Jede Variante ist Vertreter eines Phonems und deshalb funktional wirkbar in Bezug auf die Vertreter eines anderen Phonems. Alle Varianten eines Phonems haben eine äquivalente Funktion und einen einheitliche physiologisch-akustische Eigenschaften in starken Positionen. In den schwachen Positionen können die Varianten eines Phonems mit Varianten eines anderen Phonems zusammenfallen, neutralisiert werden, wie z.B. das d in Rad mit in Rat. Die Selbstständigkeit der Phoneme einer Sprache wird durch Oppositionspaare bestimmt. So zeigt z.B. die Opposition Fall- fahl, dass Länge/ Kürze im Deztschen differenzierende Merkmale sind und deshalb a und a als selbständige Sprachlaute mit differenzierender Funktion, d.h. als Phoneme gelten.Nur durch Verallgemeinerungen kommt man zum Begriffen wie Stimmhaftigkeit/ Stimmlosigkeit. Reell existieren nur konkrete Laute mit konkreten differenzierenden Merkmalen, die auf materielle Weise erzeugt werden. Zum Phonem gehört sein volles Klangbild, aus dem die differenzierenden Merkmale herausgeschält werden können. Zur Bestimmung der Varianten eines Phonems, die ausschließlich in schwachen Positionen auftreten, ist nicht unbedingt ein Vergleich von Morphemen in verschiedener Position nötig. Es genügt ein Vergleich von ähnlich lautenden Silben. 5. Die morphologische Struktur des Althochdeutschen. Das Althochdeutsche bleibt wie das Urgermanische eine flektierende Sprache. Sein morphologisches System evoluiert ziemlich langsam und bewahrt die meisten Kennzeichen des Urgermanischen. Substantiv. Das Substantiv bewahrt im Althochdeutschen die grammatischen Kategorien des Genus, des Numerus und des Kasus Gemeinindoeuropäische Charakterzüge der Flexion der Substantive im Althochdeutschen sind: 1. die durch die ide. Stammbildung bedingte Vielfalt der Deklinationstypen der Substantive: 1. Vokalische Stämme: a-Deklination (m. tag 'Tag', kuning 'König'; n. wort 'Wort', houbit 'Haupt' u. a.) ja-Deklination (m. hirti 'Hirt'; n. kunni 'Geschlecht' u. a.) wa-Deklination (m. sneo 'Schnee'; n. kniu 'Knie' u. a.) i-Deklination (m. gast 'Gast', scrit 'Schritt'; f. kraft 'Kraft', fart 'Fahrt', 'Wanderung' u. a.) « o-Deklination (f. erda 'Erde', zala 'Zahl', geba 'Gabe' u. a.) jö-Deklination (f. suntea 'Sünde', redia, reda 'Rede' u. a.) II. Konsonantische Stämme: n-Deklination (m. namo 'Name', garto 'Garten', boto 'Bote'; n. herza 'Herz', ouga 'Auge', öra 'Ohr'; f. zunga 'Zunge', sunna 'Sonne', wituwa 'Wit¬we' u. a.) nt-Deklination (m.friunt 'Freund', substantiviertes Partizip zu got. friön iie-ben', fiant 'Feind' zu fien 'hassen', heilant 'Heiland' zu heilan 'heilen', 'retten') r-Deklination (m. bruoder 'Bruder',fater 'Vater'; f. muoter 'Mutter', tohter 'Tochter', und andere Verwandtschaftsnamen) Ir-Deklination (n. lamb 'Lamm', kalb 'Kalb', huon 'Huhn', blat 'Blatt' u. a.) III. Wurzelnomina, d. h. Substantive, deren Stamm kein stammbildendes Suffix hatte: (fem. bürg 'Burg', naht 'Nacht', brüst 'Brust' u. a.; masc. man 'Mann', 'Mensch') 2. die enge Verflechtung von Genus und Stammbildung 3. der synkretische Ausdruck von Kasus und Numerus in einem Flexionsmorphem: ahd. tag 'Tag' Sg. N. tag- PI. N. tag-ä(-a) G. tag-es G. tag-o D. tag-e D. tag-um A. tag- A. tag-ä (-a) I. tag-u {-o) Die beginnende Umwandlung des Flexionstyps hängt mit der in allen indoeuropäischen Sprachen fortschreitenden Verwitterung der stammbildenden Suffixe der Substantive zusammen. Im Althochdeutschen ist dieser Prozess schon so weit gediehen, dass die stammbildende Suffixe den Status eines selbständigen Morphems verlieren. Sie verschmelzen mit den Kasusendungen des Substantivs oder verschwinden ganz. Somit weicht die dreimorphemige Struktur der ide. und urgerm. Kasusform einer vereinfachten zweimorphemigen Struktur der Kasusform: Stamm 1 Stamm 2 3 1 2 Wurzelmorphem + stammbildendes + Flexion > Wurzel+ Flexion Suffix morphem Vgl. dazu die Deklination des Substantivs ahd. tag. 'Tag' (s. o.). Das stammbildende Suffix ist hier nur im N. A. PI. erhalten geblieben, indem es die Kasusendungen N. -s, A. -ns verdrängt und ihre Funktion übernom¬men hat. Trotz der Verwitterung der stammbildenden Suffixe und der Verein¬fachung der Struktur der Kasusform bleibt der Einfluss der ide. Stammbildung auf die Flexion der Substantive im Althochdeutschen noch sehr stark. Ein Rest der stammbildenden Suffixe sind nicht nur die Kasusen¬dung des N. A. PI. der a-Deklination ahd. tag-ä(-a), sondern auch die des N. A. PI. der /-Deklination ahd. gest-i. Im N. A. Sg. behalten das alte stammbildende Suffix-w die ehemaligen !/-Stämme ahd. sunu 'Sohn', situ 'Sitte', fridu 'Frieden' u. a., doch wird hier das -u ebenfalls zur Kasusen¬dung umgedeutet. Auch die stammbildenden Suffixe ja-, wa- sind noch erhalten. So erscheint; als i im Wortauslaut N. A. Sg. hirt-i, das im Paradigma neben G. hirt-es, D. hirt-e, I. hirt-iu, -u auch als Kasusendung empfunden wird. Der Halbvokal w erscheint intervokalisch in allen Kasusformen in ahd. sneo 'Schnee' seo 'See' u. a., z. B. N. A. Sg. sneo, G. sne-w-es, D. sne-w-e, doch wird sne-w-es im Lichte des gesamten alt¬hochdeutschen Deklinationssystems zu snewes umgedeutet. In allen obliquen Kasus bewahren das alte stammbildende Suffix -n, das ebenfalls zur Kasusendung umgedeutet ist, auch die Substantive der /j-Deklination. Vgl. die Kasusformen des Substantivs ahd. boto 'Bote': N. Sg. boto, G. D. Sg. boten (-in), A. Sg. boton (-im), N. A. PI. boton (-un), G. PI. botöno, D. PI. botöm. Auf den nachhaltigen Einfluss der ide. und urgerm. Stammbildung ist nicht nur die Vielfalt der althochdeutschen Deklinationstypen zurückzuführen, sondern auch viele Eigenheiten der Formenbildung der Substantive in der deutschen Gegenwartssprache wie die sog. „schwache" Deklination der Substantive, die auf die altgermanische «-Deklination zu-j rückgeht, die Vielzahl der Pluralsuffixe, die ungleichmäßige Verteilung des Umlauts in den Pluralformen der Substantive (Tag - Tage, Gast -Gäste). (Näheres s. S. 221) Ein neuer Entwicklungsansatz im Bereich des Substantivs ist die im Althochdeutschen beginnende Entwicklung des Artikels. Es handelt sich dabei um die Herausbildung einer neuen grammatischen Kategorie des Substantivs, der Kategorie der Bestimmtheit und der Unbestimmtheit und um diej Einbeziehung des Artikels in das Paradigma des Substantivs, was ein erstes Element des analytischen Sprachbaus im Deutschen ist. Diese Prozesse kom men aber erst im Spätalthochdeutschen und im Mittelhochdeutschen zur vollen Geltung; Adjektiv. Pronomen. Das Althochdeutsche bewahrte die reich entwickelte Flexion der Pronomen und der Adjektive, die für das Ide. und das Urgerm. charakteristisch war, sowie die doppelte (starke / schwache) Deklination der Adjektive, eine Neuerung der urgermanischen Zeit.). Verb. Das Verb bewahrt im Althochdeutschen im wesentlichen den urgerm. Entwicklungsstand der grammatischen Kategorien und den Flexionstyp (vgl. S. 44 f.). Gemeinindoeuropäische Charakterzüge der Verbalflexion im Althochdeutschen sind: 1. die Stammbildung mit Hilfe von stammbildenden Suffixen. Eines davon ist der sog. Themavokal im Präsensstamm der starken Verben, der die dreimorphemige Struktur der Präsensformen der einfachen starken Verben bedingt: Präsensstamm 1 2 3 Wurzel- + Suffix des Präsens+ Flexion (Personalendung) morphem Themavokal Vgl. die Konjugation des Verbs ahd. bintan ahd. bintan 'binden' Präsens Singular Plural 1. bint-u bint-a-mes 2. bint-i-s(t) bint-et 3. bint-i-t bint-a-nt Ein stammbildendes Suffix haben auch die schwachen Verben, z. B. ahd. (lag-e-m '(ich) schweige', ahd. salb-6-m '(ich) salbe', ahd. salb-ö-ta '(ich) salbte', gi-salb-ö-t 'gesalbt' (s. § 43). 2. die aus dem Ide. ererbten Flexionsmorpheme. Vgl. die ide. Personal-cndung I. Sg. *-mi im ahd. bi-m '(ich) bin', tuo-m '(ich) tue', ge-m '(ich) gehe',ste-m '(ich) stehe', bib-ö-m '(ich) zittere', salb-ö-m '(ich) salbe'. Auch die anderen Personalendungen weisen weitgehende Übereinstimmung mit den ide. Personalendungen auf. Desgleichen die Suffixe der Partizipien, das Suffix des Optativs / Konjunktivs (vgl. S. 45). Das Althochdeutsche bewahrt auch die Neuerungen aus der urgermanischen Zeit. Gemeingermanische Neuerungen in der Verbalflexion, an denen das Althochdeutsche festhält, sind: 1. die regelmäßige Verwendung des Ablauts als Bildungsmittel der Tempuslormen starker Verben. Das Althochdeutsche hat 7 Klassen von starken Verben, die an die 150 einfache starke Verben und dessen zahlreiche Derivate umfassen; 2. die weitausgebaute schwache Konjugation der Verben. Das Althochdeutsche hat 3 Klassen von schwachen Verben. Im wesentlichen stimmen auch die grammatischen Kategorien des Verbs im Althochdeutschen mit denen des Urgermanischen überein. Doch sind einige für das Urgermanische rekonstruierte kategorielle Formen des Verbs im Althochdeutschen nicht nachweisbar. Zugleich beginnt im Althochdeutschen die Herausbildung neuer kategorieller Formen. Das althochdeutsche Verb besitzt die Kategorien der Person, des Numerus (Singular Plural), des Tempus (Präsens - Präteritum), des Modus (Indikativ - Imperativ - Optativ / Konjunktiv). Das Mediopassiv, das im Urgermanischen Gegenglied zum Aktiv im Rahmen der Genera verbi war, fehlt im Althochdeutschen. Dafür beginnt im Althochdeutschen wie in den meisten germanischen Sprachen die Entwicklung des analytischen Passivs. Im Spätalthochdeutschen beginnt auch die Entwicklung der analytischen Vergangenheitstempora (Perfekt, Plusquamperfekt). Das Mittelhochdeutsche verwendet das analytische Passiv sowie die analytischen Vergangenheitsformen schon ganz regelmäßig. Ihre Einbeziehung in das Paradigma des Verbs hat entscheidende Bedeutung für die Umwandlung des synthetischen Sprachbaus des Althochdeutschen in den kombinierten, synthetisch-analytischen Sprachbau der deutschen Gegenwartssprache. 6. Grenzstellung des Phonems. Am Ende der phonetischen Silbe werden die stimmhaften Geräuschlaute stimmlos. Dieses sog. Auslautsgesetz gilt in der deutschen Sprache als absolut. Auf diese Weise entstehen stimmlose Schattierungen der stimmhaften Phoneme z.B. |haos| Haus, vgl. |hoйzer| Häuser, |metcen| Mädchen Im Russischen werden die stimmhaften Geräuschlaute am Ende der Silbe nicht immer stimmlos, vgl. z.B. (koxtи) koгти, (кагда) когдa. Im Russischen werden die stimmhaften Geräuschlaute am Ende der Silbe und des Wortes nur dann stimmlos, wenn sie nicht vor einem stimmhaften Geräuschlaut der folgenden Silbe oder des folgenden Wortes stehen. Im Wortanlaut unterscheiden sich die deutschen stimmhaften Geräuschlaute auch etwas nach ihrer Qualität von den deutschen stimmhaften Geräuschlauten mitten im Wort. Wenn man z.B. das Wort dann spricht, so ist der Anfang des Konsonanten |d| stimmlos, weil die Stimmbänder mit einer kleinen Verspätung zu vibrieren beginnen. Dagegen ist das |d| im Wort edel ganz stimmhaft, denn es steht zwischen zwei "stimmhaft Halb stimmhaft klingen die deutschen stimmhaften Geräuschlaute im Wortanlaut, wenn das entsprechende Wort isoliert gesprochen wird, im Satz nach einer Pause und im Sprechtakt nach einem stimmlosen Konsonanten, z.B. Die 35 Sache mit Kneisel war also schon in der ganzen Klasse bekannt geworden (J.R.Becher) 7. Die Althochdeutsche Lautverschiebung. Im Bairischen und Alemannischen wird diese seit dem 6. Jh. registriert. Unter der 2. (althochdeutschen) Lautverschiebung werden folgende phonetische Änderungen verstanden: 1) Der Übergang der stimmlosen Verschlusslaute [p], [t], [k] in die stimmlosen Spiranten [f], [ʼn], [h], die nach dem kurzen Vokal und ch verdoppelt werden – ff, ₣₣, hh, z.B.: AS. opan – AHD. offan; GOT. brikan – AHD. brehhan. 2) Der Übergang der stimmlosen Verschlusslaute [p], [t], [k] in die Affrikaten [pf]/[ph], [ʼn]/[ʼnʼn], [ch]/[kh] im Wortanlaut, in der postkonsonantischen Stellung oder bei Verdoppelung, die sich meist vor dem j vollzieht, z.B.: [t] > [ʼn]/[ʼnʼn]: AFR. GOT. twai – AHD. zwei; GOT. haírtō – AHD. herza; 3) Der Übergang der stimmhaften Verschlusslaute [b], [d], [η] in die entsprechenden stimmlosen Laute [p], [t], [k], z.B.: [b] > [p]: GOT. giban – AHD. kepan; AS. ribba – GwR. ребро – AHD. rippa; [d] > [t]: GOT. aldus – AHD. alt; Als Ausnahme gelten die Konsonantenverbindungen sk, sp, st, tr, ht, ft, in denen stimmlose Verschlusslaute unverändert bleiben. Beispiele dazu: AFR. skelda – AHD. sceltan; GOT. nahts – AHD. naht; AE. cræft – AS. kraft – AHD. craft. In der Konsonantenserie der stimmhaften Explosivlaute [b], [d], [η] wurde von der zweiten Lautverschiebung nur der dentale Konsonant [d] betroffen, der zum stimmlosen [t] geworden ist ([d] > [t]). Die Verschiebung des bilabialen [b] und des postdorsalen [η] ist nur im Oberdeutschen vollzogen: GOT. dags – AHD. tag; AS. dohter – AHD. tochter. Also, das Lautsystem der deutschen Sprache, genauer – das Konsonantensystem – enthält die Spuren zweier Lautverschiebungen: der ersten (germanischen) und der zweiten (althochdeutschen) Konsonantenverschiebung. Solche Konsonanten wie die Affrikaten [Φ] und [Χ] sind nur dem hochdeutschen Konsonantismus eigen, weil sie erst als Resultat der 2. Lautverschiebung entstanden sind. Die Auswirkungen der AHD Lautverschiebung bestehen in Folgendem: In einem großen Teil des gesamten deutschen Sprachgebietes vertiefen sich die zwischen den einzelnen Sprachräumen bereits bestehenden Unterschiede durch deren ungleichartiges Verhalten gegenüber der Lautverschiebung. Zugleich ergab sich eine deutliche Trennung zwischen dem hochdeutschen (HD) und dem von der Lautverschiebung nicht betroffenen niederdeutschen (ND) Gebiet. Die Grenzlinie (ein Linienbündel) zwischen dem HD und ND, die ik/ich-Linie oder die Benrather Linie (линия Бенрата), hat sich im Laufe der Jahrhunderte wiederholt verschoben. Karte des deutschen Sprachraums: Die obere (dicke) Linie (Benrather Linie) trennt Niederdeutsch von Mitteldeutsch und Oberdeutsch, die untere (dünnere) Linie (MainLinie) trennt Mitteldeutsch von Oberdeutsch. Heute beginnt sie westlich von Krefeld, überschreitet bei Ürdingen den Rhein und verläuft dann weiter in Richtung Wupper – Rothaargebirge – Vereinigung von Fulda und Werra zur Weser – Eichsfeld – Oberharz – Saalemündung – Mündung der Schwarzen Elster – Nordrand des Spreewalds. Der Zeitpunkt des Beginns der AHD Lautverschiebung ist umstritten. Die genaue Datierung stößt auf Schwierigkeiten. Die ältesten Belege stammen aus dem Ende des 6. Jhs und sind mit dem Namen Attila verbunden, demnach gilt heute diese Zeit als Beginn der AHD Lautverschiebung. Gegen 800 u.Z. war sie in ihren Hauptzügen abgeschlossen. 8. Starke Positionen der deutschen Vokalphoneme. Vokale sind reine Stimmtonlaute. Bei ihrer Hervorbringung streift der Luftstrom durch das Ansatzrohr, ohne auf ein Hindernis in Form einer Enge oder eines Verschlusses zu stoßen Deshalb entsteht ein kein Geräusch. Im Ansatzrohr werden mit Hilfe der beweglichen Sprachorgane Resonanzräume verschiedener Form gebildet. Jeder Resonanzraum hat seinen Eigenton und bewirkt einen entsprechenden Klang. Das deutsche Vokalsystem ist ziemlich kompliziert. Es besteht aus 18 Phonemen 15 Monophthongen und 3 Diphthongen. In der Rede tritt jedes Phonem in verschiedenen Varianten auf, wodurch das System noch komplizierter wird. Unter starken Positionen verstehen wir dabei Positionen, in denen das Phonem dem geringsten Einfluss der Umgebung ausgesetzt wird.In den starken Positionen klingen die Phoneme am deutlichsten und bringen ihre physiologisch-akustischen Merkmale am vollständigsten zum Ausdruck. 9. Die Entwicklung des Umlauts. Der Umlaut (Metaphonie) kann im Allgemeinen wie folgt definiert werden: Der Wechsel der Stammvokale, der gewöhnlich durch den Einfluss des Vokals einer folgenden Silbe entsteht und als Mittel der Bildung neuer grammatischer Formen dient. Unter dem Umlaut im AHD versteht man den kombinatorischen Wechsel der Vokale a/e (ä), o/ö, u/ü, au/äu in Stammsilben: Die hinteren Vokale a, o, u, au in den Stammsilben wurden zu vorderen Vokalen Ŧ (ä), ö, ü, äu unter der Einwirkung von i (j) in darauf folgender unbetonter Silbe. Der Umlaut begann bereits in germanischer Zeitperiode, im AHD vollzog er sich um 750 und war im 9. Jh abgeschlossen. Er betraf vor allem das kurze a, das sich zu e umwandelte, z.B.: AHD. gast – gŦsti ‘Gast’ – ‘Gäste’, AHD. lamb – lŦmbir ‘Lamm’ – ‘Lämmer’, AHD. faran – fŦris, fŦrit ‘fahren’ – ‘fährst’, ‘fährt’ u.a. Konsonantenverbindungen hs, ht, rw traten zu dieser Zeit umlaut- verhindernd auf: AHD. maht – mahtig ‘Macht’ – ‘mächtig’, AHD. wahsan – wahsit ‘wachsen’ – ‘wächst’, AHD. garwen – garwita ‘gar machen’. Der Umlaut fehlte noch in solchen Fällen, wo die i und j in unbetonten Silben durch eine oder zwei Silben von dem Stammvokal getrennt waren, z.B. AHD. mágatin ‘Mädchen’, ‘Mägdelein’, AHD. máhal(j)en ‘vermählen’ usw. Dieser frühere Umlaut wird in der deutschen Sprachgeschichte als primäre r Umlaut oder i i- Umlaut bezeichnet 1 . Der im MHD nach der Aufhebung der Hindernisse entstandene Umlaut trägt den Namen sekundärer Umlaut 2 . Seit dem Anfang des 10. Jhs wird der Umlaut des langen ū orthographisch bezeichnet. Er wird iu geschrieben, da zu dieser Zeit der alte Diphthong iu durch Monophthongierung zu [ό] wurde, wobei die alte Schreibung geblieben war. So entstand das neue Phonem [ό], teils durch Monophthongierung des Diphthongs iu, teils durch den Umlaut des langen ū, z.B.: AHD. hūs (Sing.) – hūsir (Pl.) > (seit dem 11. Jh) hiusir[hόsir] > (um die Mitte des 13. Jhs) [hόzir] ‘Haus – Häuser’. 10. Physiologische Merkmale des deutschen Vokalphoneme. Zu den wichtigsten physiologischen Merkmalen des deutschen Vokalsystems gehören folgende Eigenheiten : erstens eine starke Muskelspannung des ganzen Sprechapparats bei der Hervorbringung aller Vokale. zweitens eigenartiger Beginn der Vokale am Anfang der betonten Präfix und Stammsilben) neuer Einsatz, drittens ein eigenartiges Ende der kurzen Vokale starker Absatz; viertens eine vorgerückte Zungenlage bei der Bildung der meisten Vokale. Beim Vergleich des deutschen Vokalismus mit dem russischen weist man gewöhnlich nur auf die starke Muskelspannung der deutschen Vokalphoneme hin. In der fließenden Rede verändern die deutschen Vokale ihre Qualität gewöhnlich nicht, während die russischen Vokale in allen unbetonten Silben großen qualitativen Veränderungen unterliegen. Das ist ein Beweis für ihre exakte Artikulation, die nur durch eine starke Muskelspannung zu erzielen ist. Geschwächte Muskelspannung führt zu verschiedenen Vorklängen, Nachklängen, Veränderungen der Qualität des Hauptteils der Phoneme usw. Der Unterschied in dem Grad der Muskelspannung lässt sich an solch einer Wortreihe beobachten wie wehen Wetter . Einen besonderen Charakter verleiht den deutschen Vokalen der sog. Neue Einsatz. Mit neuem Einsatz spricht man im Deutschen alla Vokale im Anlaut der betonten Präfix und Stammsilben. Auch bei der isolierten Aussprache der Vokale spricht man sie stets mit dem festen Einsatz. Der neue Einsatz wird von manchen Phonetikern als selbständiger Laut angesehen und als „Knacklaut“ bezeichnet. Vom Standpunkt der Phonologie aus ist weder der neue Einsatz noch der mit stärkerem Sprenggeräusch gebildete Knacklaut ein selbständiges Phonem. Vokale mit dem neuen Einsatz betrachten wir als Schattierungen von den Vokalphonemen in bestimmten Positionen. Die Kürte allein genügt bei der Aussprache der kurzen Vokale nicht. Von besondere Bedeutung ist der eigenartige starke Absatz der deutschen kurzen Vokale. Man spricht deshalb auch von „gestutzten „ Vokalen. In den offenen Silben kann der starke Absatz nur in Ausnahmefällen vorkommen, z.B. Na, da hört ja alle auf! In der geschlossenen Silbe äußert sich der starke Absatz des kurten Vokals darin, dass sich der folgende Konsonant eng an den vorhergehenden kurten Vokal anschließt, z.B. mit, Lust, sitzen. In diesem Fall spricht man von einem festen Anschluss, zum Unterschied von dem losen Anschluss, der im Deutschen nur zwischen langem Vokal und folgendem Konsonanten auftritt) lesen, Miete, reden. Es könnte im deutschen Vokalismus fünf phonologische Merkmale differenzierеnd wirken. 11. Die Konjugation des starken Verben im Prasens (AHD). Im AHD gehörten vier Verben zu der Gruppe der athematischen Verben, die so genannt wurden, weil sie zwischen der Wurzel, und der Flexion keinen thematischen Vokal hatten (während alle anderen Ver-ben dreiteilig waren: Wurzel + Themavokal + Flexion, hatten diese Ver-ben nur eine zweiteilige Struktur: Wurzel + Flexion). 1. Das Verb sīn, wesan‘sein’ (verbum substantivum). Das Paradigma dieses Verbs wird suppletiv aus drei Wurzeln zu-sammengestellt: aus der Wurzel sīn (IE. *es), der Wurzel IE. *bhuund der germanischen Wurzel wesan(vgl. GwR. есть– быть– был). Das Verb wesan war ein regelmäßiges starkes Verb der 5. Ablaut-reihe: AHD. we₣an (wesan) – wa₣ (was)– wārum– (Part. II fehlte im AHD und erschien im MHD gewesen, gesīn). Das heutige Paradigma des Verbs sein hat von dem Paradigma des AHD starken Verbs wesan die präteritalen Formen des Indikativs und des Konjunktivs geerbt: war – wäre – gewesen. Die Wurzel sīn (IE. *es) funktioniert in der 3. Person Sg. und in allen Personen Pl. Indikativ und im Präsens Konjunktiv, die Wurzel IE. *bhuist nur in der 1. und 2. Person Sg. erhalten geblieben.Als Infinitivform dient auch die Wurzel sein (auch in der Ableitung das Sein, daneben existiert auch die alte Infinitivform im Substantiv das Wesen). 2. Die Verben gān– gēn‘gehen’ und stān– stēn‘stehen’. Die kurzen Formen des Infinitivs dieser Verben gān– gēn und stān– stēn dienten zur Bildung des Präsens, wobei zur Bildung aller anderen Formen die vollen Infinitivformen der starken Verben gangan und stantan verwendet wurden: AHD. gangan– gieng– giengum– gigangan(7. Ablaut-reihe); AHD. stantan– stuont– stuontum– gistantan(6. Ablautreihe); Dadurch lässt sich der scheinbare Konsonantenwechsel in verschie-denen Formen dieser Verben im heutigen Deutsch erklären: ich stehe/stand ; stehen – stand – gestanden; ich gehe/ging; gehen – ging – gegangen. 3. Das Verb tuon ‘tun’. Die Unregelmäßigkeit dieses athematischen Verbs im Neuhoch-deutschen äußert sich darin, dass es in präteritalenFormen ein schein-bar dentales Suffix -taufweist. Die präteritale Form tat ist mit Hilfe der Reduplikation gebildet worden: AHD. tuon – teta– tātum– gitan. Alle athematischen Verben hatten in ihrem Paradigmaein Unter-schiedsmerkmal: Sie hatten in der 1. Person Sg. dieFlexion -m, wo an-dere Verben die Endung -nhatten: z.B. AHD. 1. Pers. Sg. bim– gēm– stām– tuom(GwR. есть– я ем); AHD. 2. Pers. Pl. birum– gēmēs– stāmēs– tuomēs. 4. Das Verb wellen ‘wollen’. Dieses unregelmäßige Verb nimmt eine besondere Stelle unter den Verben dadurch, dass das Präsens des Verbs wollen aus dem alten Kon-junktiv entstanden ist (vgl. GwR. я хотел бы anstatt я хочу). Später ist diese Konjunktivform als Indikativ umgedeutet worden. Das Präteritum volta, volti, ī wurde bei schwachen Verben konjugiert. Später wurdeder Stammvokal des Präteritums auf das Präsens übertragen, so haben wir die heutigen Formen ohne Vokalwechsel: wollen – wollte – gewollt. 12. Die Silbe als phonetische Einheit. Im Wort ist der Akzent immer mit einer bestimmten Silbe verbunden. Ebenfalls in der rhythmischen Gruppe, im Sprechtakt und im Satz. In all diesen Einheiten gibt es eine Silbe, die den Wort- oder Satzakzent, den Akzent der rhythmischen Gruppe oder des Sprechtaktes bezeichnet. Wir werden diese Silbe weiterhin als Kernsilbe bezeichnen. Die Kernsilbe -sikhat den höchsten Ton, sie ist dynamisch die stärkste, hat also die größte Intensität und ist länger als die übrigen Silben. Die Silbe mu-ist kürzer, hat einen tieferen Ton und ist intensiv schwächer. Die Silbe -ein ist intensiv stärker als die Silbe mu-, jedoch schwächer als die Kernsilbe -sik- usw. Kennzeichnend für die deutsche Sprache ist, daß die Grenzen von Stämmen und Präfixmorphemen in der Regel mit den Grenzen der phonetischen Silben zusammenfallen (An-lritts-rede, Aus-gleich-ver-fahren). Auch die Suffixe werden meistenteils durch Silbengrenzen vom Stamm getrennt, auch von einem anderen Suffix (Les-bar-keit, Frei-heit, Bau-er). Nur wenn der Stamm oder das erste Suffix auf einen Konsonanten auslautet und das folgende Suffix mit einem Vokal anlautet, fallen Silbengrenze und Morphemgrenze nicht zusammen (Leh-rer, Leh-re-rin), Es können Silbengrenze und Morphemgrenze auch verschieden sein, wenn die Morphemgrenzen verblaßt sind (phonetische Silben: be-o-bachten, Morphemgrenzen: beob-achten). Das geschieht jedoch in" Ausnahmefällen. Bedeutend komplizierter ist das Problem der phonetischen Silbengliederung im einfachen deutschen Wort. 13.Die Konjugation der schwachen Verben im Prasens und Prateritum. I. Klasse von schwachen Verben. Das Präsens der schwachen Verben der I. Klasse wird gleich dem Präsens der starken Verben gebildet, d. h. durch Anfügung des Themavokals und der Flexion an das Wurzelmorphem, z. B. das Verb teilen 'teilen': Präsens Singular Plural 1 teil-u teil-e-mes 2 teil-i-s(t) teil-it 3 teil-it teil-e-nt Das stammbildende Suffix der 1. Klasse erscheint nicht im Präsens als ein selbständiges Morphem. Es verschmilzt mit dem Themavokal und den Vokalen der Flexion. In der 2. und 3. P Sg. verschmilzt es vollständig mit dem Themavokal -/-; in der 1. und 3. P. PI. beeinflusst es den Themavokal, indem a zu e wird (vgl. bint-a-mes, aber teil-e-mes). Im Präteritum hängt das Schicksal des stammbildenden Suffixes -i- von der Quantität des Wurzelmorphems ab: a) bei den Verben mit einem leichten Wurzelmorphem bleibt das Suffix -i- erhalten. (Als leichtes Wurzelmorphem gilt das Morphem mit einem kurzen Vokal und einem Konsonanten im Morphemauslaut, z. B. ahd. leggen 'legen' - Prät. leg-i-ta, zellen 'zählen' - Prät. zel-i-ta, nerren 'retten' - Prät. ner-i-ta u. a.) b) bei den Verben mit einem schweren Wurzelmorphem wurde das Suffix in der vorliterarischen Zeit reduziert. (Als schwere Wurzelmorpheme gelten Morpheme mit einem langen Vokal oder Diphthong und Morpheme, die auf eine Konsonantenverbindung ausgehen, z. B. hören 'hören' - Prät. hör-ta, teilen 'teilen' - Prät. teil-ta, dursten 'Durst haben' Prät. durs-ta). Dementsprechend bilden die schwachen Verben der I. Klasse das Präteritum nach zwei Modellen: 3 + -t(Suffix des Präteritums) 1. Modell + Flexion (Personalen-dung) 1 2 Wurzelmorphem + stammbildendes Suffix 2. Modell + Flexion (Personalendung) 1 2 Wurzelmorphem + -t(Suffix des Präteritums) Personalendungen des schwachen Präteritums Plural -um -ut -un teilen 'teilen' Präteritum Plural Person 1. 2. 3. leg gen 'legen' Präteritum Plural leg-i-t-um leg-i-t-ut leg-i-t-un Singular -a Singular 1. leg-i-t-a 2. leg-i-t-ôs{f) 3. leg-i-t-a -ôs(t) -a Singular teil-t-a teil-t-um teil-t-ös{t) teil-t-ut teil-t-a teil-t-un II. und III. Klassen von schwachen Verben. Die schwachen Verben der II. und III. Klassen haben in allen Formen die stammbildenden Suffixe -6 bzw. -e. Das Präsens dieser Verben wird nach folgendem Modell gebildet: + Flexion 1 2 folgen 'folgen' Präsens Singular Plural folg-ё-т folg-e-mes folg-e-s(t) folg-e-t folg-e-t folg-e-nt Wurzelmorphem + stammbildendes Suffix off anón 'öffnen' Präsens Singular Plural 1. offan-ô-m offan-ô-mês 2. offan-ô-s{f) offan-ô-t 3. offan-ô-t offan-ô-nt Die schwachen Verben der II. und III. Klassen haben im Präsens in der 1. P. Sg. die Personalendung - m, die den athematischen Verben eigen ist (vgl. S. 113). Das Präteritum der schwachen Verben der II. und III. Klassen wird nach folgendem Schema gebildet: + Flexion + -t-(S uff ix des Präteritums) 1 2 folgen 'folgen' Präteritum Wurzelmorphem + stammbildendes Suffix Plural folg-ê-t-um folg-ê-t-ut folg-ê-t-un Singular 1. offan-ô-t-a 2. offan-ô-t-os(t) 3. offan-ô-t-a 2. Partizip gi-offan-ô-t Singular folg-ê-t-a folg-ê-t-os{t) folg-ê-t-a 2. Partizip gi-folg-ê-t offanön 'öffnen' Präteritum Plural offan-ô-t-um offan-ô-t-ut offan-ô-t-un 14. Physiologische Merkmale der deutschen Konsonantenphoneme. Ein wichtiges physiologisches Merkmal des deutschen Konsonantensystems ist die starke Muskelspannung und die starke Expiration (der starke Atemdruck). Deshalb werden die stimmlosen Verschlußlaute behaucht und die stimmlosen Engelaute mit einem starken Reibegeräusch gesprochen. Auch die stimmhaften Geräuschlaute bekommen durch die starke Muskelspannung und den starken Atemdruck ein stärkeres Geräusch als die entsprechenden russischen Konsonanten. Ein zweites wichtiges physiologisches Merkmal des deutschen Konsonanten Systems ist eine verhältnismäßig geringe Aktivität der Stimmbänder bei der Bildung der stimmhaften Konsonanten. Während im Russischen die Stimmbänder schon vibrieren, bevor, noch das t Spreng- oder Reibegeräusch erklingt, und auf diese Weise den sog. Blählaut erzeugen, beginnen die Stimmbänder im Deutschen erst dann zu vibrieren, wenn schon das Geräusch zu hören ist. Im Russischen entsteht somit der Stimmton vor dem Geräusch, im Deutschen gleichzeitig mit dem Geräusch. Ein drittes wichtiges Merkmal des deutschen Konsonantensystems ist das Fehlen der Gegenüberstellung von nicht palatalisierten und palatali-sierten Konsonanten. Beim Vergleich des deutschen und russischen Konsonantismus ist es allgemein angebracht, die deutschen Konsonanten als nicht palatalisiert zu bezeichnen. Es gibt jedoch einen bedeutenden Unterschied zwischen den russischen nicht palatalisierten Konsonanten und den entsprechenden deutschen Konsonanten. Die deutschen Konsonanten klingen nicht so tief wie die russischen nicht palatalisierten Konsonanten. Sie stehen nach ihrem Eigenton zwischen den entsprechenden nicht palatalisierten und palatalisierten russischen Konsonanten. 15. Das phonologische System des Althochdeutschen. Das althochdeutsche phonologische System wird durch die Überschneidung von altüberkommenen phonologischen Charakteristiken und von Lautwandelserscheinungen gekennzeichnet, die in der vorschriftlichen Zeit einzelne Areale von altgermanischen Stammesdialekten erfassten und den Lautstand der einzelnen altgermanischen Sprachen verschieden prägten sowie von phonologischen Prozessen aus der jüngeren Zeit, die die Eigenart des deutschen phonologischen Systems auf Jahrhunderte hinaus bestimmten. Gemeingermanische phonologische Charakteristiken des althochdeutschen phonologischen Systems. Das Althochdeutsche erbte vom Altgermanischen: 1. den festen Wortakzent auf der Stammsilbe: 'geban 'geben' 'zwifalön 'zweifeln', ar'slahan 'erschlagen', bi'bot 'Gebot' (vgl. S. 48); 2. den Ablaut (vgl. S. 45), der sowohl im Althochdeutschen als auch der deutschen Gegenwartssprache die Formenbildung der starken Verben prägt: ahd. bintan - baut buntum - gibuntan 'binden' ahd. ziohan - zöh - zugum - gizogan 'ziehen' Vgl. auch die Wortbildung: ahd. bintan 'binden' - ahd. bant 'Band', 'Fessel' ahd. ziohan 'ziehen' - ahd. herizogo 'Heerführer' ('Herzog') 3. den auf dem Vemerschen Gesetz beruhenden grammatischen Wechsel d/t, h/g,f/b, s/r in der Flexion der starken Verben (vgl. S. 48): ahd. snidan - sneid - snitum - gisnitan 'schneiden' ahd. ziohan - zöh - zugum - gizogan 'ziehen' ahd. farliosan -farlös - farlurum farloran 'verlieren' Vgl. auch die Wortbildung: ahd. snidan 'schneiden' - ahd. snitäri 'Schnitter' Lautwandel in der vorliterarischen Zeit. 1. In den nord- und westgermanischen Sprachen entwickelte sich das altgermanische e(e,) durch die Zwischenstufe x zu ä: got. slepan - as. släpan, ahd. släfan 'schlafen' got.jer- as., ah&.jär. 'Jahr' 2. In allen germanischen Sprachen entwickelte sich ein neues Phonem e2: got. her Es ist anzunehmen, dass sich e2 dem Charakter des Klanges nach von e, unterschieden hat, da sein weiteres Schicksal von dem des <?, verschieden ist (s. S. 69). 3. In den nord- und westgermanischen Sprachen vollzog sich der Rotazismus der Wandel z>r: got. dius, G. diuzis - as. dior, ahd. tior 'Tier' got. batiza - as. betera, ahd. be^iro 'besser' 4. In allen germanischen Sprachen entwickelten sich neue Phonemen, d, g durch Phonologisierung der Varianten der Phoneme b, 6, g (vgl. S. 46). Im Bairischen, Alemannischen und zum Teil im Fränkischen wurden die alten Phoneme i, ö, g durch die neuen Phoneme b, d, g gänzlich verdrängt. In den anderen westgermanischen Dialekten blieben die alten Frikativlaute zum Teil erhalten. So hat das Englische den alten Frikativlaut b in solchen Wörtern wie to give, wives, to live, seven u. a. m. (vgl. d. geben, Weiber, leben, sieben) erhalten, indem das bilabiale b zum labiodentalen v wurde. Die alten Frikativlaute, b, ö sind auch im Friesischen, im Niederdeutschen und zum Teil im Fränkischen erhalten, z. B. im Niederdeutschen: jeldjewen, lijen (vgl. die literatursprachlichen Formen d. Geld, geben, liegen). 5. In den westgermanischen Sprachen vollzog sich die Konsonantendehnung (die Gemination) vor j: got. bidjan - as. biddian, ae. biddan, ahd. bitten 'bitten' got. sibja - as. sibbia, ahd. sippa 'Sippe'. Lautwandel in althochdeutscher Zeit. Von besonders weittragender Bedeutung für die Entwicklung des deutschen phonologischen Systems waren folgende Wandelerscheinungen: l.Die althochdeutsche Lautverschiebung. Die althochdeutsche Lautverschiebung wird auch zweite Lautverschiebung genannt. Sie rief eine gründliche Umwälzung im Konsonantensystem hervor und schuf durch ihre Abstufungen (durch verschiedene Intensität) sehr beträchtliche lautliche Unterschiede zwischen den einzelnen Territorialdialekten. Die althochdeutsche Lautverschiebung hatte nachhaltige Bedeutung, indem sie die Eigenart des deutschen literatursprachlichen Konsonantismus prägte, die folgender Vergleich der deutschen Gegenwartssprache mit den anderen germanischen Sprachen veranschaulichen mag: s d. essen - e. to eat, nl. eten, schw. äta; ^ z d. zehn - e. ten, nl. tien, schw. tio f d. helfen - e. to help, nl. helpen, schw. hjälpa pf d. Apfel - e. apple, nl. appel, schw. äpple k — h d. sprechen - e. to speak, nl. spreken, schw. sprak d — t d. Tochter - e. daughter, nl. dochter, schw. dotter (Näheres s. § 25.) 2. Der Umlaut. Seine Entwicklung begann in den althochdeutschen Territorialdialekten in der vorliterarischen Zeit, allmählich erfasste er sämtliche dunklen Vokale und Diphthonge und führte zur Entwicklung mehrerer neuer vokalischer Phoneme. Der Umlaut entwickelte sich im Deutschen in der Folgezeit zu einer wichtigen Art von innerer Flexion. Vgl. das Buch - die Bücher alt — älter - am ältesten ich fahre - du fährst — erfährt ich kam - ich käme Ähnlich in der Wortbildung: das Buch - das Büchlein die Kraft - kräftig warm — wärmen (Näheres s. § 23) Außerdem wurde der althochdeutsche Lautstand durch folgende Lautveränderungen geprägt: 3. Althochdeutsche Monophthongierung. Die germanischen Diphthonge ai und au wurden im Altsächsischen allgemein, im Althochdeutschen vor bestimmten Konsonanten zu e und 6. a) der Diphthong ai wurde zu e, wenn h, r, oder w folgte; sonst ai > ei: got. laisjan - as lerian, ahd. leran 'lehren' got. stain - as. sten - ahd. stein 'Stein' b) der Diphthong au wurde zu ö vor h und den Dentalen (d, t, s, n, r, /); sonst au > ou: got. hauhs - as. höh, ahd. höh 'hoch' got. augo - as. öga - ahd. ouga 'Auge' 4. Althochdeutsche Diphthongierung. a) germanisches e (e2) wurde zu ia diphthongiert. In den Schriftdenk¬mälern der zweiten Hälfte des 8. Jh. steht noch e oder der Diphthong ea, z. B. her, hear 'hier'. Anfang des 9. Jh. wird e, ea > ia: hiar; in der zweiten Hälfte des 9. Jh. ia > ie: hier, b) germanisches 6 wurde im Fränkischen gegen Ende des 8. Jh. zu uo diphthongiert, z. B.fuor '(ich) fuhr'. Im Bairischen blieb im 9. Jh. noch 6: för, das Alemannische hatte ua: fitar. Erst am Ausgang des 9. Jh. breitete sich das uo über den gesamten hochdeutschen Sprachraum aus. Im Altsächsischen blieb die Diphthongierung von e und o aus. 5. Verschiebung von germ.p > ahd. d. Im 8. Jh. begann in den oberdeutschen Dialekten der Übergang des germanischen stimmlosen interdentalen Frikativlautes p über die Zwischenstufe ö zu d: p > ö > d. Die bairischen und alemannischen Sprachdenkmäler haben bereits seit Anfang des 9. Jh. ein d (< p). In den fränkischen Sprachdenkmälern dagegen sind neben d noch meist th und dh anzutreffen, z. B. ther, dher und der. Das zeigt, dass die Entwicklung des p zu d noch nicht vollendet und der betreffende Laut noch ein ö war: got. preis, ae. prie, as. thria - ahd. thri, dhri, dri 'drei' got. pata, ae. paet, as. that - ahd. tha$, dha$, da$ 'das'. Im Fränkischen vollzieht sich der Übergangp > dim 9.-12. Jh. Im 12.-14. Jh. erfasst er auch die niederdeutschen Dialekte. Im Englischen bleibt das germ. p erhalten: e. three 'drei', earth 'Erde', to thank 'danken'. 16. Phonetische Einheiten. Jede Wissenschaft hat ihren Gegenstand, den sie untersucht. Gegenstand der Phonetik ist die lautliche Seite der Sprache. Diese besteht aus Phonemen und aus sogenannten prosodischen Mitteln, d.h. aus lautlichen Mitteln, die Phonemverbindungen überlagern und sie zu bestimmten größeren phonetischen Einheiten verbinden. Zu den prosodischen mitteln gehören vor allem der Wort- und Satzakzent, die Satzmelodie, temporale Abstufungen und Klangfarbenwechsel. Die größte phonetische Einheit ist der Gesprochenen satz. Der satz ist sowohl nach seinenm Inhalt als auch nach seiner grammatischen und lautlichen Struktur ein abgeschlossenes Ganzes, das durch eine besondere aussagende, fragende, befehlende oder ausrufende Intonation gekennzeichnet wird. Er kann einfach oder zusammengesetzt sein. Die Hauptaufgabe der Phonetik in der Erforschung der lautlichen Seite des Satzes besteht vor allem in der Festlegung seiner phonetischen Bestandteile. Je eingehender wir die Eigenschaften der phonetischen Teileinheiten des Satzes ergründen, desto genauer bestimmen wir die Gesetzmäßigkeiten der lautlichen Seite des Satzganzen. Die größte phonetische Einheit, in welche der Satz beim Sprechen zerfällt, wird mit dem Terminus S y n t a g m a oder Sprechtakt bezeichnet.Unter Syntagma versteht Stscherba den kürzesten teil der rede, den wir herausheben können, ohne sie zu zerstören, und der im gegebenen Text und in der gegebenen Situation einem Begriff entspricht. Andere sowjetische Sprachforscher bedienen sich sowohl des Terminus Syntagma als auch des Terminus Sprechtakt. Bekanntlich machte W.W.Winogradow darauf aufmerksam, dass Stscherba den neuen Begriff Syntagma sofort ausdrücklich von dem phonetischen Begriff Sprechtakt und physiologischen Begriff Atemgruppe hätte trennen sollen. Der Sprechtakt hingegn ist eine phonetische Einheit, die situativ bedingt ist. Und uns hilft mündliche Mitteilungen voll zu gestalten, um de Gedanken und Gefühlsinhalt des Satzes genau wiederzugeben. Also ist der Sprechtakt jedes Mal situativ bedingt. Unter Sprechtakt verstehen wir Teile eines Satzes, die durch situativ bedingte sinngemäße Akzentierung, Pausensetzung, Melodieführung, temporale Gestaltung unter Berücksichtigung der kommunikativen Zieleinstellung des Satzes entstehen. In neutralen Aussagen, Fragen, Befehlen fällt der Sprechtakt mit dem Syntagma in der Regel zusammen, wenn der Satz keine erweiterten Rahmenkonstruktionen enthält. Bei Kontrastakzent, emphatischem Akzent und psychologischer Pausenstellung unterscheidet sich der Sprechtakt von dem Syntagma. Unter rhytmischen Gruppe verstehen wir einen Teil des Sprechtaktes, der eine Kernsilbe mit starker Betonung enthält, um die sich schwachbetonte oder unbetonte Silben gruppieren, wobei die Kernsilbe meistenteils zu einem Vollwort gehört. Die kleinste phonetische Einheit ist das Phonem mit seinen Redevarianten. 17. Der Ubergang von der doppelten zur Gesamtnegation. 18. Der Satzakzent im Deutschen. die dynamische Komponente der Intonation (Begriff der Intonation). Der Akzent (die Betonung) ist mit der Lautstärke (mit der subjektiven Wahrnehmung der akustischen Eigenschaft Intensität) verbunden. Aber in der Akzentsilbe verstärken sich auch alle anderen akustischen Eigenschaften und es gibt eine erhöhte Muskeltätigkeit. Der Sprecher realisiert bei der Akzentuierung seine kommunikative Absicht, die Aufmerksamkeit des Sprechpartners auf eine bestimmte Stelle/auf bestimmte Stellen in der Rede zu lenken. Im Ausspruch gibt es mindestens eine Akzentsilbe (eine akzentuierte/betonte Silbe), das ist die betonte Silbe des sinnwichtigsten Wortes im Ausspruch, diese Silbe heißt satzbetonte Silbe, Schwerpunktsilbe. Die meisten Aussprüche aber enthalten einige betonte Silben (die satzbetonte Silbe, die Silbe/Silben mit syntagmatischer Betonung, wortbetonte - hauptbetonte und nebenbetonte Silben) und unbetonte Silben. Es steht fest: am Fremspracheninstitut studieren begabte Studeninnen und Studenten. Nach dem Grad der Betonung bilden alle betonten und unbetonten Silben des Ausspruchs ein hierarchisches System. Die Arten des Satzakzents: 1) der syntagmatische Akzent, 2) der logische Akzent, a) der Kontrastakzent, b) der emphatische Akzent. Der syntagmatische Akzent ist ein neutraler, automatisierter Akzent, ist jedem Syntagma eigen, nimmt im Syntagma jeder konkreten Sprache einen bestimmten Platz ein: На моем "столе / лежит "книга / подаренная мне ко дню рож' 'дения / ' 'братом. schichtet sich auf den Wortakzent auf, organisiert die Rede (vereinigt die Wörter zu einem Sprechtakt, grenzt die Sprechtakte voneinander ab). Der logische Akzent ist eine Hervorhebung mit besonderem Nachdruck, kann im Syntagma/Ausspruch fehlen, erscheint unter bestimmten Bedingungen (Sprechsituation, Kontext, grammatische Beschränkungen u. a.), markiert ein beliebiges Wort im Ausspruch: Willst, feiner Knabe, ' 'mit mir gehn ? gestaltet die Thema - Rhema - Gliederung, 2 Typen des logischen Akzents: 1 ) der kontrastive Akzent, Kontrastakzent: У "меня этих проблем нет (а у тебя есть) ; 2) der emphatische Akzent: Мне "очень понравилась Ваша дочь! Die Funktionen des Satzakzents: die organisierende Funktion (das Thema - das Rhema); die logische Funktion (ein erweitertes Attribut, gleichartige Satzglieder, die Absonderung), die stilistische Funktion u a. Der Satzakzent wirkt dabei mit den anderen Intonationskomponenten zusammen. 19. Die Entwicklung der Deklination der Substantive im Fruneuhochdeutschen. In der frühneuhochdeutschen Zeit wird die Herausbildung des Deklinationssystems der Substantive der deutschen Gegenwartssprache im wesentlichen abgeschlossen. Die Entwicklung vollzieht sich nach den Tendenzen, die bereits im Mittelhochdeutschen zu wirken beginnen (s. S. 172 ff.). Starke Deklination. Schon zu Beginn der frühneuhochdeutschen Zeit tritt uns die starke Deklination der Substantive als völlig entwickelter Deklinationstyp entgegen. Der Unterschied zwischen den a-Stämmen und den y'a-Stämmen im N. A. Sg. (vgl. S. 173) wird dadurch beseitigt, dass das -e der y'a-Stämme meist infolge der weiteren Abschwächung apokopiert wird, z. B. mhd. lerx-re > Lehrer, mhd. wähtaere > Wächter, mhd. bette > Bett, mhd. netze > Netz, mhd. riche > Reich. Einige ehemaligey'a-Stämme, die das -e länger bewahrten, gehen in die schwache Deklination über, da auch die schwachen Sub¬stantive im N. Sg. auf -e endeten, so z. B. mhd. hirte, rise (nhd. Hirt, Riese). Einige y'aStämme gingen zuerst in die schwache Deklination über, verallgemeinerten aber bald die Endung -en und wurden stark flektiert, z. B. mhd. rücke > Rücken, mhd. weize > Weizen, mhd. schate > Schatten. Das Substantiv mhd. hirse bewahrt das -e, wird aber ein Femininum: die Hirse. Die ehemaligen wa-Stämme gleichen sich dem Haupttyp der starken Deklination an, da das w- schwindet, z. B. mhd. sne - G. Sg. snewes > nhd. der Schnee - des Schnees, mhd. knie G. Sg. kniewes > nhd. das Knie - des Knies. Der Umlaut in den Pluralformen der ehemaligen /-Stämme (vgl. S. 173), das Suffix -er (< ir) bei den ehemaligen //--Stämmen bleiben erhalten, gehen aber aus dem Bereich der Deklination in den Bereich der Pluralbildung über (s. S. 219 ff.). Die starke Deklination wird zu einem der Haupttypen der Deklination der Substantive. Feminine Deklination. Die feminine Deklination ist der zweite Haupttyp der Deklination der Substantive in der deutschen Gegenwartssprache. Ihr Kennzeichen ist die Nullflexion in allen Kasus im Singular. Die ehemaligen ö- und /-Stämme hatten sie bereits im Mittelhochdeutschen (vgl. S. 173 f.). Die weitere Vereinheitlichung der Deklination der Feminina vollzieht sich, indem sich im Frühneuhochdeutschen die ehemaligen ö-Stämme und die ehemaligen femininen n-Stämme immer mehr angleichen; bereits im 15.-16. Jh. werden manche Feminina sowohl nach der öals auch nach der «-Deklination flektiert, z. B. brücke 'Brücke', erde 'Erde', strafe 'Straße' u. a. Solche Parallelformen bestehen bis zum 18. Jh. Doch werden zu dieser Zeit «-lose Formen im Singular vorherrschend; im Plural dagegen verbreitet sich das -« ausnahmslos und wird zum Pluralsuffix. Die Herausbildung der femininen Einheitsdeklination mit der Nullflexion im Singular wird im Neuhochdeutschen abgeschlossen. Vgl: mhd. nhd. o-Deklination «-Deklination feminine Deklination Sg. N. gebe zunge Gabe Zunge G. gebe zungen Gabe Zunge D. gebe zungen Gabe Zunge A. gebe zungen Gabe Zunge PI. N. gebe zungen Gaben Zungen G. geben zungen Gaben Zungen D. geben zungen Gaben Zungen A. gebe zungen Gaben Zungen Schwache Deklination. Die Substantive der schwachen Deklination verloren die eigentlichen Kasusendungen bereits in der vorschriftlichen Zeit. Dafür bewahrten sie im Gegensatz zu den anderen Substantiven ihr stammbildendes Suffix -n, das zusammen mit dem begleitenden Vokal die Funktion der Kasusflexion übernommen hatte. Das -(e)n, das heute in allen Kasusformen außer N. Sg. erscheint, kann natürlich nur sehr wenig zur Unterscheidung der einzelnen Kasusformen beitragen. Durch den Austritt mehrerer Substantive aus der schwachen Deklination wird sie seit der frühneuhochdeutschen Zeit auf Maskulina eingeschränkt. Die Feminina, die im Mittelhochdeutschen noch zur «-Deklination gehörten, gehen in die feminine Deklination über (vgl. o.). Die wenigen Neutra, die im Mittelhochdeutschen zur «-Deklination gehörten, änderten auch den Deklinationstyp: mhd. öre > Ohr, mhd. ouge > Auge werden stark; mhd. wange geht zu den Feminina über und wird nun entsprechend dekliniert. Vgl.: boto, mhd. böte > Bote u. a.; bei einigen davon wird das -e apokopiert, z. B. ahd. mennisco, mhd. mensche > Mensch; ahd. furisto, mhd. fürste > Fürst; ahd. gisello, mhd. geselle > Gesell(e) u. a. Viele Maskulina gehen aus der schwachen in die starke Deklination über. Das sind: a) alle Bezeichnungen lebloser Dinge, z. B. ahd. brunno, mhd. brunne > Brunnen ahd. balko, mhd. balke > Balken; ahd. garto mhd. garte > Garten u. a.; b) viele Bezeichnungen von Lebewesen, z. B. ahd. herizogo, mhd. herzöge > Herzog, ahd. nähgiburo, mhd. nächgebur(e) > Nachbar; ahd. hano, mhd. han(e) > Hahn. Bei einigen Substantiven ändert sich der Deklinationstyp, indem das -n-auch auf N. Sg. ausgedehnt wird und der neue Stamm, der sich durch Verschiebung der Morphemgrenzen entwickelte, das Genitiv -s der starken Deklination bekommt. Vgl.: ahd. mhd. nhd. Sg. N. brunno brunne Brunnen G. brunnen (-in) brunnen Brunnens D. brunnen (-in) brunnen Brunnen A. brunnon (-un) brunnen Brunnen Ebenso entwickelten sich: der Balken, der Ballen, der Bogen, der Braten, der Brunnen, der Daumen, der Galgen, der Garten, der Graben, der Gaumen, der Hacken, der Hopfen, der Husten, der Karren, der Karpfen, der Kasten, der Knochen und viele andere. Diesem Typ schlossen sich einige ehemalige y'a-Stämme an, da sie im N. Sg. auf -e ausgingen. So ahd. rucki, mhd, rücke > Rücken; ahd. weize, mhd. weize > Weizen. Den gleichen Entwicklungsweg haben die Substantive ahd. namo, mhd. name >Name(n); ahd. willo, mhd. wille >Wille(n) und einige andere Maskulina sowie das Neutrum ahd. herza, mhd. herze > Herz eingeschlagen. Sie bildeten den „Übergangstyp", da das -« im N. Sg. fakultativ blieb. Einige ehemalige «-Stämme gingen in die starke Deklination über, indem das -e im N. Sg. apokopiert wurde und G. Sg. die starke Endung -s bekam. Vgl.: ahd. mhd. nhd. Sg. N. hano han(e) Hahn G. hauen (-in) hatten Hahn(e)s D. hauen (-in) hauen Hahn(e) A. hanon (-un) hauen Hahn Ebenso entwickelten sich: der Adler, der Bräutigam, der Gemahl, der Herzog, der Lenz, der Mai, der Schmerz u. a. 20. Komponenten der Intonation. Die Intonation ist eine komplexe phonetische Erscheinung, die Intonationskomponenten sind die Akzentuierung, die Sprechmelodie, das Tempo, die Pausierung, der Rhythmus, die Stimmfarbe. Akzentuierung. Verstärkung aller akustischen Eigenschaften in der betonten Silbe als Resultat einer erhöhten Muskeltätigkeit, Arten des Akzents im Ausspruch: der syntagmatische und logische Akzent Sprechmelodie: Tonhöhenveränderungen im Ausspruch, den Kern des Intonationssystems einer Sprache bilden die Intoneme, die die distinktive Funktion ausüben, die Bedeutungen Abgeschlossenheit / Nichtabgeschlossenheit, Behauptung / Frag^: ausdrücken, die distinktiven Merkmale der Intoneme werden in den intonatorischen Oppositionen festgestellt (Tonfall -Tonschwebe: Wir sind Studenten - Wir sind Studenten und Menschen, Tonfall - Tonanstieg: Sie liebt. - Sie liebt?; Tonschwebe Tonanstieg: Ist er Student? Oder nicht? - Ist er Student oder nicht?); im Deutschen 3 Intoneme, die beim Sprechen in verschiedenen Varianten auftreten Tempo: Sprechgeschwindigkeit; Hervorhebung, Gegenüberstellung, von- den Komponenten des Ausspruchs, schnelleres Sprechen am Ende des Ausspruchs, in Schaltkonstruktionen (Thomas Mann, ein hervorragender Schriftsteller, war auch ein großer Musikkenner). Pausierung: Schallabwesenheit; an der Grenze zwischen den Syntagmen und den Aussprüchen; Funktionen: distinktiv, gliedernd, verbindend, abschliessend (На утес одинокий орел садится) Dient - Gliederung der Rede; Arten: Atempausen, Denkpausen u. a. m. Psychologische pausen. Monolog – Dialog, tempo, sprechdauer, phonemzahl. Rhythmus: der periodische Wechsel von betonten und unbetonten Silben (Чуден 'Днепр / при тихой / погоде, / когда вольно / и плавно / мчит / сквозь леса и горы / полные / воды / свои....); Funktionen: statisch, dynamisch. Stimmfarbe: Resultat der kombinierten Tätigkeit von den Atmungsorganen, dem Kehlkopf, dem Ansatzraum; Hauptfunktion: emotional (Поел.: To же слово, да не так бы молвить ) Die Intonation lässt sich sehr schwer erlernen und verrät am ehesten den Ausländer. In der Schule und Hochschule muss die Arbeit an der Intonation an Bedeutung gewinnen. 21. Der Wortschatz im Althochdeutschen. Wortschatz ⇒ Der ahd. Wortschatz zeigt im Vergleich zum Gegenwartsdeutschen sehr altertümliche Züge. Es kommen z.B. vor Wörter, die nicht mehr im Gebrauch sind wie etwa • Substantive: hêht ‘Besitz, Eigentum’, asneri ‘Knecht, Diener’; cnuosal, knôsal ‘Geschlecht’; ferah ‘Leben; Herz, Seele’; barn ‘Kind, Nachkomme’; wîg ‘Kampf, Streit, Krieg’; wîgant ‘Krieger’; quena ‘(Ehe-)Frau, Gattin’; • Adjektive, Adverbien: fruot, frôt ‘klug, weise, erfahren’; luz(z)il ‘klein; unbedeutend; wenig’; firinlîh ‘schrecklich’; firnlustîgo ‘sündhaft, leichtfertig’; • Verben: girdinôn ‘begehren’; bâgan ‘streiten, Einspruch erheben’ Wörter, die heute eine andere Bedeutung haben wie • Substantive: uuamba ‘Leib, Bauch; Mutterleib, Schoß’ > heute Wamme ‘Hautfalte an der Unterseite von Rindern’; peh(h) ‘Höllenfeuer; Hölle’ > heute Pech ‘Teer; Unglück’; bûr ‘Haus, Wohnung’ > heute Bauer n. ‘Vogelkäfig’, m. ‘Dorfbewohner; Landwirt’; êwa ‘Ewigkeit; (seit undenklichen Zeiten geltendes) Recht, Gesetz’ > heute Ehe; • Adjektive, Adverbien: kleini ‘fein, zart, zierlich; kostbar; klug, schlau; tief, tiefgründig’, kleino ‘fein; sorgfältig, genau; tief, gründlich; scharfsinnig, verständig’ > heute klein; bald ‘kühn, mutig, zuversichtlich; stark, heftig’, baldo ‘kühn, mutig, furchtlos, zuversichtlich; offen, frei; mit gutem Grund’ > baldig Adj., bald Adv.; hêr ‘alt, ehrwürdig; von hohem Rang’ > heute hehr geh. ‘erhaben’; • Verben: gihôran ‘hören’ (perf. zu hôran) > heute gehören; kunnan ‘wissen, verstehen’ > heute können; biqueman ‘kommen, gelangen, herankommen’ > heute bekommen u.a. ⇒ Nimmt man jedoch den Wortschatz des Germanischen als Vergleichbasis, so wird man feststellen, dass im Althochdeutschen im Hinblick auf den Wortschatz ein gewaltiger Entwicklungsschritt vollzogen wurde. Die Veränderungen im Bereich des Wortschatzes sind registrierbar in der Entstehung neuer Wörter durch Derivartion und Komposition (siehe oben); in dem Schwund von Wörtern, die den neuen Bedingungen der Kommunikation nicht mehr entsprechen (das sind meist heidnische Vorstellungen zum Ausdsruck bringende Wörter wie bluostar ‘Opfer; Opferung’, zebar ‘Opfer(tier)’, bigalan ‘beschwören’, eig. ‘besingen’, êwart(o) ‘(Hoher) Priester’ u.a.); in der Bedeutungsentwicklung (Bedeutunserweiterung, Bedeutungsverengung) vieler Wörter, vgl. etwa - germ. *þinga ‘Volksversammlung aller Freien’ > ahd. thing, ding ‘Gericht, Gerichtstag; Rechtssache, Streisache, Sachverhalt; Ding, Sache, Angelegenheit, Gegenstand’; - germ. *haljō f. ‘Unterwelt, Totenwelt’ (*hel- ‘bergen’, heute in verhehlen) > ahd. hella ‘Stätte der Verdammnis, Hölle’ (in Anlehnung an lat. infernum ‘Unterwelt; Hölle’) - ahd. Adj. kleini ‘fein, zart, zierlich; kostbar; klug, schlau; tief, tiefgründig’ (< germ. *glei‘kleben, schmieren’) bedeutete urspr. ‘beschmiert, glänzend; sauber (vgl. engl. clean)’ - ahd. Adj. firinlîh ‘schrecklich’ (zu Subst. firina ‘Verbrechen’, dann ‘Sünde’) bedeutete urspr. ‘verbrecherisch; sündhaft’. in dem verstärkten Prozess der Übernahme von fremdsprachlichem Wortgut (Entlehnung). (siehe unten) Wortbildung und Wortschatz des AlthochdeutschAls Althochdeutsch (Ahd.) bezeichnet man die älteste schriftlich bezeugte Form der deutschen Sprache in der Zeit etwa von 750 bis 1050. Es ist die erste Entwicklungsphase des Deutschen. Das Althochdeutsche ist keine einheitliche Sprache, wie der Begriff nahelegt, sondern die Bezeichnung für eine Gruppe westgermanischer Sprachen die südlich der Benrather-Linie gesprochen wurden. Diese Dialekte unterscheiden sich von den anderen westgermanischen Sprachen durch die Durchführung der zweiten Lautverschiebung. Die Dialekte nördlich der Benrather-Linie, das heißt im Bereich der norddeutschen Tiefebene und im Gebiet der heutigen Niederlande haben die zweite Lautverschiebung nicht durchgeführt. Diese Dialekte werden zur Unterscheidung vom Althochdeutschen unter der Bezeichnung Altsächsisch (seltener: Altniederdeutsch) zusammengefasst. Aus dem Altsächsischen hat sich das Mittel- und Neuniederdeutsche entwickelt. In der Wortbildung werden im Althochdeutschen die Bildungsweisen Komposition, Präfigierung und Suffigierung fortgeführt und weiterentwickelt. Durch Präfigierungen wird eine Vielzahl von Bedeutungsnuancen vor allem bei häufig verwendeten Verben ermöglicht. Die am häufigsten verwendeten Präfixe sind hier bi-, er/ar-/ir-/ur-, fir-/far-/fer-, ga-/gi-/ge, int-, und missi-. Auch bei Substantiven und bei Adjektiven wächst in ahd. Zeit die Zahl der Präfixbildungen. Größere Veränderungen gibt es bei der Suffigierung. Hier wurde eine Um- und Neugestaltung des ererbten Systems erreicht. Eine bedeutsame Bereicherung der Wortbildungsmöglichkeiten kam dadurch zustande, dass ursprünglich selbständige Wörter zu Suffixen wurden. Bei den Substantiven sind dies vor allem heit, scaf(t)und tuom, die in ahd. Zeit zugleich auch noch als selbständige Wörter verwendet wurden: heit "Person, Persönlichkeit, Gestalt", scaf "Beschaffenheit, Ordnung, Plan",tuom "Urteil, Gericht, Recht, Gerechtigkeit". Die neue Verwendungsweise der deutschen Sprache, ihre schriftlich fixierte Form, hatte großen Einfluss auf ihre weitere Entwicklung. Da die Mehrzahl der schriftlichen Aufzeichungen Übersetzungen aus dem Lateinischen waren, ist eine deutlich erkennbare Beeinflussung festzustellen. Trotz des Bemühens um vielseitige Nutzung der muttersprachlichen Möglichkeiten mit Hilfe eigenständiger Wortbildungsmittel gab es doch erhebliche Schwierigkeiten besonders bei theologischen, ethischen und philosophischen Begriffen, ein passendes Äquivalent zu finden. Dabei mussten die Übersetzer und die Textbearbeiter geeignete Neuschöpfungen entwickeln. Dies geschah häufig, dass fremde Wörter mit Hilfe heimischer Sprachstämme wörtlich übersetzt wurden: lat. monachus > ahd. einsidelo; lat. communio > gimeinida ("Gemeinschaft"). Am Ende des althochdeutschen Zeitraumes schuf der St. Galler Mönch Notker der Deutsche eine eigene deutschsprachige philosophische Terminologie, von der aber nichts erhalten geblieben ist. Der Schritt in eine neue Zeit war auch verbunden mit vielfältigen Veränderungen der Wortbedeutungen. So bezeichente germ. Þinga die Volksversammlung aller Freien, die über Krieg und Frieden entscheidet, den Heerführer oder König wählt und in der Recht gesprochen wird; ahd. thing bedeutet in erweiterter Bedeutung schon "Gericht, Gerichtstag; Gerichtsverhandlung; Sachverhalt, Streitsache, Rechtssache; Versammlung, Beratung, Zusammentreffen; Ding, Sache, Gegenstand, Angelegenheit; Wesen, Verhältnis, Lage, Stellung; Grund, Ursache; Art und Weise; Wichtigkeit"; heute stimmt Ding in ganz verallgemeinerter Verwendung mit Sache überein. Im 9. Jh. kommt das Wort marahscalc auf; damit wird der Pferdeknecht bezeichnet; über die spätere soziale Aufwertung als Aufseher über das fürstliche Gesinde bei Reisen und Heerzügen erreichte es im militärischen Marschall schließlich seine höchste Wertstufe. Die Bereicherung des Wortschatzes durch eigenständige Bedeutungsveränderungen und durch Lehnübersetzungen wurde begleitet vom Bedeutungs-und Bezeichungswandel alter deutscher Wörter durch Einfluss vom Lateinischen her. So bezeichnete ahd. hella zunächst das Verbergende, Verborgene - wie heute noch im Flurnamen - und auch den unterirdischen Aufenthaltsort der Toten; unter dem Einfluss von lat. infernum "Unterwelt, Hölle" wurde die Bedeutung "Stätte der Verdammnis, Ort für die nach dem Tod verdammten Seelen" entwickelt. Auch in Wortbestand vollzogen sich, bedingt durch die tiefgreifenden Wandlungen in allen Lebensbereichen, in althochdeutscher Zeit vielfältige Veränderungen. So verschwanden im Verlauf dieses Zeitraumes heidnische Wörter wie alah "Tempel", wîh "Heiligtum, Hain, Tempel" (wîh lebte noch lange in christlicher Umprägung in der Bedeutung "heilig" fort, aber heute noch Weihnachten aus mhd. ze den wîhen nahten, eigentlich "in den heiligen Nächten", das Substantiv Weihe und das Verbweihen. In ahd. Zeit eröffnete der Wortschatz viele Möglichkeiten zum schöpferischen Umgang mit Sprache. Eine noch durchgreifende Umgestaltung erfuhr der Wortbestand durch die Auswirkung der Christianisierung. Vor allem lateinisches Lehngut drang in reichem Maße in den deutschen Wortschatz ein. Bereits in vordeutscher Zeit waren einige Lehnwörter griechischen und lateinischen Ursprungs durch gotisch-arianische Missionare im Donauraum eingeführt worden. Diese ältere Schicht ist von der Lautverschiebung betroffen worden. In der jüngeren Schicht kommen fast ausschließlich aus dem Lateinischen stammende Wörter vor allem in den Bereichen Gottesdienst, kirchliche Einrichtungen bis hin zu Klosterwesen und Schule massenhaft auf: Altar, ahd. altâri < lat. altare; Chor, ahd. chôr < lat. chorus; Orgel, ahd. organa < lat. organum; Kloster, ahd. klôstar < vulgärlat. Clōstrum "abgesperrter, den Laien unzugänglicher Bereich des Mönchskonvents"; Spital, ahd. hospitalhûs "Armenhaus, Pflegeheim" (11.Jh.) <lat. hospitālis ("gastlich, gastfreundlich"); Tinte, ahd. tincta < lat. tincta (aqua) "gefärbte Flüssigkeit" 22. Starke Positionen der deutschen Konsonantenphoneme. Als starke Position gilt bekanntlich die Stellung des Phonems im Wort, in der es seine Eigenschaft am deutlichsten zum Ausdruck bringt. In der starken Position ist das Phonem keinem fremden Einfluß oder einem sehr geringen Einfluß ausgesetzt.Da sich verschiedene Konsonanten in der fließenden Rede verschieden verhalfen, gibt es keine einheitliche starke Position für alle Konsonanten. Die stimmlosen Geräuschlaute klingen im Deutschen am deutlichsten, wenn sie in einer betonten Silbe vor einem Vokal der hinteren oder mittleren Reihe und nach beliebigem Vokal oder Konsonanten stehen, z. B. [thu:n] tun, [mith] mit,['ap'strakth] abstrakt. In den unbetonten Silben verlieren die Geräuschlaute etwas an ihrem Geräusch und klingen schwächer. Vgl. [thu:n] tun — [tcu.'ri:n] Turin, [ffכּlk] Volk— [fvo.no.lo.'gi:] Phonologie. Vor Vokalen der vorderen Reihe werden die Konsonanten heller gesprochen. Vgl. [fa:nə] Fahne—[fi:l] viel. Die stimmhaften Geräuschlaute der deutschen Sprache klingen am deutlichsten, wenn sie zwischen Vokalen oder zwischen einem Sonanten und einem Vokal stehen. Wichtig ist für die starke Position außerdem die Stellung vor Vokalen der hinteren oder mittleren Reihe. Vor Vokalen der vorderen Reihe wird ihr Eigenton erhöht. Am Ende der Silbe verlieren die stimmhaften Geräuschlaute ihre Stimmhaftigkeit. Im absoluten Anlaut und nach stimmlosen Geräusch lauten werden sie halbstimmhaft. Vgl. [":da.] Ida — [das 'dax] das Dach. Die Sonanten klingen im Deutschen fast in allen Positionen deutlich. 23. Die Entwicklung der analytischen Formen des Verbs. Dieser Prozess beginnt in der AHD Periode. Die analytischen Formen entwickeln sich aus freien Verbindungen von Verben, und zwar aus den biverbalen prädikativen Wortgruppen, deren Zahl in den germaneschen Sprachen sehr beträchtlich war. Das AHD hatte folgende Typen biverbaler Wortgruppen: 1) Uua₣ ₣ tha₣ folc beitōnti Zachariam ‘das Volk war wartend auf Zacharias’. Diese Wortgruppe drückt ein dauerndes Geschehen aus. Im Deutschen kamen sie aus dem Gebrauch. 2) Inti nu uuirdist thū suīgēnti ‘nun aber wirst du schweigend’. Diese Gruppe hat inchoative Bedeutung, sie drückt den Beginn eines Geschehens oder eines Zustandes aus. Später diente sie als Ausgangspunkt für die Entwicklung des Futurums. 3) Argangana uuārun ahtu daga ‘es waren acht Tage vergangen’. Diese Gruppe drückt einen resultativen Zustand aus. Sie wurde zum Ausgangspunkt für die Entwicklung der analytischen Zeitformen der Vergangenheit. 4) Thu scalt beran einan allawaltenden ‘du sollst einen Allmächtigen gebären’. Die Wortgruppe drückt ein zukünftiges, zu erwartendes Geschehen aus. Im Deutschen ist diese Gruppe nicht grammatikalisiert, aber wird gebraucht. 5) Hērro, senu thīn mna, thia ih habēta gihaltana in suei₣douhhe ‘Herr, da ist deine Münze, die ich im Schweißtuche verwahrt hatte’. Diese Gruppe drückt einen Zustand aus, der aus einer Handlung gefolgert wird; sie diente als Ausgangspunkt für die Entwicklung der analytischen Zeitformen der Vergangenheit. In der AHD Zeit entwickeln sich folgende analytische Formen des Verbs: 1) das Perfekt und das Plusquamperfekt; 2) das Passiv. 1) Perfekt und Plusquamperfekt. AHD. Phīgboum habēta sum giflanzōtan in sīnemo uuīngarten ‘ein gewisser (Mann) hatte einen Feigenbaum, gepflanzt in seinem Garten’. Habēn ist ein Prädikat, das ein Akkusativobjekt phīgboum regiert; giflanzōtan ist ein Partizip II (< phlanzōn ‘pflanzen’), das als Attribut zum Substantiv phīgboum auftritt und mit ihm in Kasus, Zahl und Geschlecht konjugiert. Solche freien Wortgruppen verwandeln sich in einheitliche analytische Formen, d.h. grammatische Formen des Verbs. Habēn bzw. Eigan (als dessen Synonym) werden also einerseits auch ohne Objekt gebraucht, was davon zeugt, dass sie ihre ursprüngliche Bedeutung verlieren und andere Funktionen erwerben. Andererseits tritt das Partizip II in seiner flexionslosen Form auf und geht eine immer engere Verbindung mit den Verben habēn und eigan ein. Das Perfekt und das Plusquamperfekt mit dem Hilfsverb sīn, wesan ‘sein’ entwickeln sich aus dem nominalen Prädikat, das in sei nem Bestand ein Partizip II vom intransitiven terminativen Verb hat: AHD. Diu marha ist farbrunnan ‘das Land ist (ein) verbranntes’. Ein Beispiel des Perfekts und des Plusquamperfekts mit dem Hilfsverb uuerdan ‘werden’: AHD. uurden taga gifulte… ‘die Tage waren vollendet…’. 2) Das Passiv. Als Grundlage für die Entwicklung der passive Formen im gesamten Paradigma des Verbs diente die Korrelation von «aktiv-passiv» bei den Partizipien der transitiven Verben. Zuerst entwickeln sich die Verbindungen sīn, wesan ‘sein’ + Partizip II, z.B. AHD. gihōrit ist thīn gibēt ‘dein Gebet ist gehört’. Dieses Model hatte aber im AHD nicht nur eine passive Bedeutung (sieh obiges Beispiel), sondern auch bezeichnete den Zustand eines Gegenstandes bzw. einer Person oder charakterisierte sie ohne jegliche Verbindung mit der Einwirkung von außen. Entscheidend für die Entstehung der Korrelation «aktiv-passiv» war der Gebrauch der Partizipien II von transitiven Verben in Verbindung mit dem Verb werdan ‘werden’, die sich zur gleichen Zeit mit der Verbindung sīn, wesan ‘sein’ + Partizip II entwickelte, z.B. AHD. Denne uurdit untar in uuīc arhapan ‘dann wird ein Kampf zwischen ihnen begonnen’. Am Ende der AHD Periode sind die Passivformen mit dem Verb werdan bereits ausgebildete und sehr gebräuchliche analytische grammatische Formen. 24. Zum Wesen der deutschen Diphthonge. Die Diphthonge werden gewöhnlich als eine Verbindung zweier Vokale in einer Silbe bezeichnet. Diese Definition ist aber schon deshalb nicht konsequent, weil hier Vokal und Diphthong einander gegenübergestellt werden. In Wirklichkeit ist ja der Diphthong auch ein Vokal. Man sollte also sagen: Diphthonge sind Verbindungen zweier Monophthonge in einer Silbe. Das wäre schon richtiger. Jedoch gibt eine derartige Definition den eigenartigen Charakter der Diphthonge gar nicht wieder. Unter Diphthong verstehen wir einen langen Vokal mit gleitender Artikulation. Da die Artikulation bei der Hervorbringung der Diphthonge nicht unverändert bleibt, ist es unmöglich, Palatogramme oder Röntgenaufnahmen zu bekommen, die den ganzen Verlauf der Artikulation wiedergeben. Den ganzen Verlauf der Artikulation der Diphthonge kann man nur durch die Röntgenkinematographie und die elektrische Spektralanalyse untersuchen. Aber auch Palatogramme und Röntgenaufnahmen vom Anfang und vom Ende der Diphthonge helfen uns, die Eigenschaften der Diphthonge näher zu erforschen. L. W. Stscherba unterschied zwei Arten von Diphthongen — echte und unechte. Die echten Diphthonge kennzeichnen sich durch gleich starke Elemente. Beide Bestandteile dieser Diphthonge sind in gleichem Maße gespannt und werden deutlich gesprochen, zerfallen aber nicht in Silben. Derartige Diphthonge gibt es z. B. im Lettischen und in einigen deutschen Dialekten. In den sog. unechten Diphthongen ist ein Element der silbenbildende Hauptteil und das andere ein schwächerer unsilbischer Teil. Der Hauptteil trägt die Wortbetonung, ist gespannter und wird deutlicher gesprochen, der zweite Teil ist unbetont, weniger gespannt und wird nicht so deutlich gesprochen. Beide Teile unterscheiden sich auch in ihrer Dauer: das betonte Element ist länger, das unbetonte kürzer. Es ist weiterhin üblich, die Teile der Diphthonge selbständigen Monophthongen gleichzusetzen. So findet man, daß das erste Element des Diphthongs [ae] ein [a], das zweite Element ein [e] oder ein [i] ist. Ebenso zerlegt man den Diphthong [ao] in [a] und [o] und [ø ]כּin [ ]כּund [ø]. 25. Der assimilatorische Vokalwandel im Althochdeutschen. Vokalharmonie, auch Brechung genannt, ist die Hebung bzw. Senkung der Stammsilbenvokale unter dem Einfluss der Vokale der nachfolgenden Silben, also eine regressive Assimilation. Sie war allen altgermanischen Sprachen eigen. Die Hebung des e zu i geschah durch Einwirkung der Vokale der hohen Zungenlage i oder j der folgenden Silbe und vor n + Konsonant: lat. ventus - ae., as. wind, ahd. wint „Wind" ahd. erda 'Erde' - ahd. irdisc 'irdisch' Die Senkung des Phonems i zu e geschah vor dem Vokal der tiefen Zungenlage a: lat. piper - ahd. pfeffar „Pfeffer" lat. sinapis - as. senep „Senf" Unter ähnlichen Positionsbedingungen vollzog sich der Wechsel von o und u: ahd. helfan - half- hulfum - giholfan 'helfen', wo die Formen hulfum -giholfan je nach dem Vokal der folgenden Silbe den Wechsel o - u haben. Der Diphthong eu wurde zu eo, io vor a, e, o der folgenden Silbe gesenkt und zu iu vor i(j), it der folgenden Silbe gehoben: ahd. beogan, biogan 'biegen' - Präs. Sg. 1. biugu, 2. biugis(t), 3. biugit In der deutschen Gegenwartssprache lebt die Vokalharmonie im Wechsel der Vokale e/i fort. Vgl. das Präsens starker Verben: ich gebe - du gibst, er gibt. Vgl. auch in der Wortbildung: Erde - irdisch, Berg - gebirgig, Feld - Gefilde. Umlaut. Die Tendenz zum assimilatorischen Vokalwandel fand auch im /-Umlaut ihren Ausdruck, der allen germanischen Sprachen eigen war. Der Umlaut entsteht unter dem Einfluss des i oder j der folgenden Silbe. Seine Wirkung besteht darin, dass die Vokale der mittleren und hinteren Reihe palatalisiert, d. h. in Vokale der vorderen Reihe verwandelt werden. Die Entwicklung des Umlauts im Althochdeutschen begann um 750. Zu Beginn der schriftlichen Überlieferung wurde orthographisch nur der Umlaut des kurzen a bezeichnet, das vor i(j) der folgenden Silbe zu e wird (in den Grammatiken als e bezeichnet): ahd. gast - PI. gesti 'Gast - Gäste' ahd. alt - Komp. eltiro - Superl. eltisto 'alt - älter - am ältesten' Der Umlaut a > e hatte in der althochdeutschen Zeit noch mehrere Ausnahmen: a wurde nicht umgelautet vor ht, hs, rw: ahd. maht - mahtig (vgl. Macht - mächtig) ahd. wachsan wahsit (vgl. wachsen - wächst) In den oberdeutschen Territorialdialekten trat der Umlaut auch vor h, r + Konsonant, l + Konsonant nicht ein: ahd. (fr., obd.) slahan - fr. slehit, obd. slahit (vgl. schlagen - schlägt) ahd. (fr., obd.) stark - fr. sterkiro, obd. starchiro (vgl. stark - stärker) ahd. (fr., obd.) haltan - fr. heltit, obd. haltit (vgl. halten - hält) Der Umlaut fehlte oft vor -i, -in, -lin, -nissi, z. B. ahd. magad - Diminutiv magatin 'Magd - Mägdlein', tag - tagalin 'Tag - täglich' 26.Anpassung eines Konsonanten an einen Vokal. Ein isoliert betrachtetes Phonem kann in drei Elemente zerlegt werden: den Anfang, die Mitte und das Ende. Der Anfang des Phonems ist der Teil, der während der Vorbereitung der Sprachorgane zur eigentlichen Artikulation des Lautes entsteht. Die Mitte entsteht durch eine mehr oder weniger stabile Artikulation der Sprachorgane und ist der Hauptteil des Phonems. Das Ende entsteht durch den Rückgang der Sprachorgane zur Ruhestellung. In der fließenden Rede ist das Phonem entweder mit dem vorhergehenden oder mit dem folgenden Laut eng verbunden, oder mit beiden zugleich. Dabei hat das Phonem mitten im Wort entweder keinen Anfang oder keinen vollen Anfang und kein Ende oder kein volles Ende. Im Wort finden hat z. B. das [n] kein Ende, denn der Verschluß wird nicht gelöst. Er dient der Bildung des nächsten Lautes [d]. Das [d] wiederum hat keinen Anfang, da der Verschluß schon gebildet ist. Andererseits hat das [n] keinen vollen Anfang, da die Bildung des Verschlusses nicht von der Ausgangsstellung beginnt, sondern von der hohen Zungenlage des [І]. Und das [d] hat kein volles Ende, da die Sprachorgane nicht in ihre Ruhelage zurückkehren, sondern zur Artikulation des reduzierten [ə] übergehen. In ähnlichen Fällen liegt eine geringe Einwirkung eines Lautes auf den anderen vor, eine Einwirkung, die sich nur auf den Anfang und auf das Ende erstreckt, während die Mitte unberührt bleibt. Nach der Richtung, in welcher die Einwirkung des aktiven Phonems auf das passive erfolgt, unterscheidet man progressive und regressive Assimilation. Im Wort шecmь wirkt das palatalisierte [T'] auf die vorhergehenden Laute ein. Die Einwirkung erfolgt also nicht in der Richtung, in welcher wir das Wort sprechen und schreiben, sondern rückwärts. Deshalb spricht man von einer regressiven Assimilation. Man könnte auch sagen: rückwirkender Einfluß. Im Wort Bücher dagegen ist die Beeinflussung nach vorn gerichtet, in der Richtung, in welcher man das Wort spricht und schreibt. Deshalb spricht man hier von progressiver Assimilation. Bei der regressiven Assimilation bereiten sich die Sprachorgane im voraus zur Artikulation des folgenden Lautes vor. Bei der progressiven Assimilation dagegen verharren dieSprachorgane auf der Artikulation des vorhergehenden Lautes und gehen mit einer gewissen Verspätung zur Artikulation des nächsten Lautes über. Die regressive Assimilation ist deshalb ein Vorgreifen in der Artikulation und wird vorgreifende Anpassung genannt, die progressive Assimilation dementsprechend beharrende Anpassung. Jedoch nicht nur die Richtung, in der die Einwirkung erfolgt, ist von Bedeutung. Wichtig ist dabei auch, in weichem Maße sich das passive Phonem dem aktiven anpaЯt. Wenn sich das passive Phonem dem aktiven vцllig anpaßt, spricht man von einer vollstдndigen Assimilation (Anpassung), z. B. Zimmer aus dem früheren zimber oder das dialektale russische омман aus обман. Das passive Phonem kann sich aber dem aktiven Phonem auch nur teilweise anpassen: in der Stimmlosigkeit, der Stimmhaftig-keit, der Palatalisicrung oder in der Verlegung der Artikulationsstelle. In diesem Falle spricht man von einer teil weisen Assimilation. Teilweise Assimilation sehen wir z. B. in [3 БA3АPЪ] c бaзapa, wo sich das [C] dem folgenden stimmhaften [Б] nach der Stimmhaftigkeit angleicht, oder in ['by:çər] Bücher, wo das Phonem [h] dem vorhergehenden [y:] der Artikulationsstelle nach angepaßt wird. Die teilweise Angleichung kann sich auch nur auf einen Teil des Phonems erstrecken. So verliert z. B. das [z] in [daszεlba-] dasselbe unter dem Einfluß des vorhergehenden [s] nur in der ersten Hälfte seine Stimmhaftigkeit. Die zweite Hälfte des [z] bleibt stimmhaft. Die teilweise Anpassung eines Konsonanten an einen anderen ist wiederum verschiedenartig. Hier unterscheiden wir: a) Anpassungen nach der Stimmlosigkeit, b) Anpassungen nach der Stimmhaftigkeit, c) Anpassungen nach der Palatalisierung und d) Anpassungen nach der Verlegung der Artikulationsstelle. 27. Die Wortstellung im Satz im Althochdeutschen. Subjekt, Objekte und Umstandsergänzungen sind im AHD beweglich; ihre Stellung im Satz war durch den kommunikativen Inhalt des Satzes bedingt. Das Subjekt nimmt oft die erste Stelle ein, z.B. AHD. Er flōh in tha₣ gibirgi ‘er floh ins Gebirge’. Die Wortfolge konnte auch invertiert sein, wobei das verbale Prädikat, oft aus stilistischen Gründen, oder daher, dass es allein das Neue im Satz ausdrückt, die Erststellung haben kann: AHD. flōh her Otachrēs nīd ‘er floh vor Odoakers Zorn’. An der ersten Stelle können oft auch das Objekt oder die Umstandsergänzung stehen, z.B. AHD. Thō quad iru der heilant… ‘Da sagte ihr der Heiland…’; AHD. Thār uuas ein man altēr ‘Da war ein alter Mann’. Vorangestellt werden im Satz also oft diese Satzglieder, um so entweder den Zusammenhang zwischen den Geschehnissen zu betonen oder die Inversion des Subjekts zu erreichen. Das Objekt oder die Umstandsergänzung, die das Neue ausdrücken, konnten nachgestellt werden, gewöhnlich nach dem Prädikat, möglichst am Satzende, z.B. AHD. Thō quam her zi Na₣areth ‘Da kam er nach Nazareth’. Schlussfolgernd kann man sagen, dass im AHD (1) die Zweitstellung des Subjekts bei der Anfangsstellung des verbalen Prädikats im Aussagesatz, (2) häufige Verbindung der Sätze mittels von Adverbien und die Formalisierung des Adverbs thō in dieser Rolle kennzeichnend sind. 28. Der Wortschatz im Mittelhochdeutschen. Der höfische Wortschatz des Mittelhochdeutschen Das Mittelhochdeutsch der Zeit um 1200 ist eine überregionale Literatur- bzw. Kunstsprache, die verhältnismäßig einheitlich ist – freilich weniger, als es die normalisierte Rechtschreibung der modernen Textausgaben glauben lässt. Sie hat oberdeutsche Grundlagen, da die meisten Dichter oberdeutscher Herkunft sind bzw. in diesem Raum ihre Werke (ab-)geschrieben wurden. Um auch an anderen Höfen verstanden zu werden, vermieden die Dichter Wörter, Aussprache und Reime, die als stark mundartlich empfunden wurden (Bsp.: Heinrich von Veldeke: ›Eneasroman‹). 1. 1. Niederländische Lehnwörter Über Flandern und Brabant als bedeutende Vermittler-Landschaften französischer Kultur gingen einige Entlehnungen aus dem Niederländischen ins Deutsche ein: Mhd. dörper; mhd. ors (Metathese von nhd. Ross); mhd. blîde ›froh‹; mhd. baneken › umhertummeln‹. 1. 2. Französische Lehnwörter Mit der Übernahme der französisch-provenzalischen gesellschaftlichen Lebensform drangen auch viele frz. Wörter in die Sprache der Ritter ein (R. TELLING zählt 185 Wörter), meist durch das Mittelniederländische über Flandern vermittelt, wo die romanische Kultur zuerst Eingang fand. Viele Lehnwörter sind mit der Ritterkultur verschwunden, andere haben sich eingebürgert: Mhd. garzûn ›Knappe‹ (< afrz. garçon), mhd. bûhurt ›Ritterspiel Schar gegen Schar‹ (< afrz. bouhourt); mhd. schapel ›Kranz, Diadem‹ (< afrz. chapel), mhd. âventiure ›Abenteuer, ritterliche Bewährungstat‹ (< afrz. aventure), mhd. turnier (< afrz. tournier ›die Rosse wenden‹), mhd. lanze (< afrz. lance), mhd. fîn ›fein‹ (< afrz. fin). Bsp.: »mû voluntiers! [sehr gerne!]« sprach Tristan. / rilîche huob er aber an / einen senelîchen leich als ê / de la cûrtoise Tispê [über die vornehme Thisbe] (Gottfried von Straßburg: ›Tristan‹, 3611–14). 1. 3. Lehnsuffixe und Rückentlehnungen aus dem Französischen Im Zusammenhang mit einem Fremdwort konnten auch frz. Suffixe übernommen werden: Mhd. partieren ›teilen‹ < frz. partir; mhd. partie ›Abteilung‹ < frz. partie. Einzelne germ./dt. Wörter wurden, nachdem sie in eine andere Sprache entlehnt wurden, später in veränderter Lautung wieder in die deutsche Sprache (rück-)entlehnt. ‹Panier‹ (12. Jh.): wgerm. *banda / got. bandwa ›Zeichen‹ > afrz. *bandiere / baniere, im 12. Jh. rückentlehnt als mhd. baniere / nhd. Banner und als Fremdwort beibehalten; ›Herold‹ (14. Jh.): ahd. *heriwalto (›der des Heeres waltet‹) > afrz. heralt > mhd. heralt. 29. Intonationsmodele fur erweiterte Aussagesatze. 30. Das phonologische System im Mittelhochdeutschen. Die Abschwächung der unbetonten Vokale Die langen und kurzen Vokalphoneme â, ô, û, ê, î, a, o, u, e, i sind im Mittelhochdeutschen in unbetonter Stellung zu e [q] abgeschwächt oder gänzlich geschwunden. a) Abschwächung der Vokale ahd. tagâ, -a>mhd. tage ‘Tage‘ ahd. gesti > mhd. geste ‘Gäste‘ ahd. nâmum > mhd. nâmen ‘(wir) nahmen‘ ahd. gibirgi > mhd. gebirge ‘Gebirge‘ b) Schwund der Vokale am Wortende (Apokope) oder in der Wortmitte (Synkope) ahd. grôziro > mhd. græzer ‘größer‘ ahd. hêrisôn > mhd. hersen ‘herrschen‘ ahd. ginâda > mhd. g(e)nâde ‘Gnade‘ Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Abschwächung der Vokale und dem Charakter der Wortbetonung. => der Schwund der meisten stammbildenden Suffixe der Substantive Die weitere Entwicklung des Umlauts. Neue Vokalphoneme Die Phonologisierung des Umlauts. Neue Vokalphoneme. Die Varianten der Vokalphoneme, die im Althochdeutschen unter dem Einfluß des -i-(-j-)-Umlauts entstanden waren, übernahmen in der mittelhochdeutschen Zeit in Verbindung mit der Abschwächung des i zu e [q] in den Endsilben, d. h. in der Flexion, eine sinnunterscheidende Funktion und wurden deswegen phonologisiert. Als Beispiel soll die Pluralbildung bei den Substantiven der i-Deklination dienen: ahd. gast – gesti >mhd. geste, ahd. korb – korbi > mhd. körbe. Während im Althochdeutschen die Hauptrolle bei der Bildung dieser Formen dem -i- zukam, gehört sie im Mittelhochdeutschen schon dem Umlaut. Sie verhütet auch die Homonymie von N., A. Pl. und D. Sg.: ahd. N. Sg. korb – D. Sg. korbe – N., A. Pl. korbi mhd. N. Sg. korb – D. Sg. korbe – N., A. Pl.körbe Die neuen Vokalphoneme des Mittelhochdeutschen sind folgende: l. Kurze Vokale ä – der Sekundärumlaut des kurzen a (offener das e): mähtec ‘mächtig‘ (ahd. mahtig), ärze‘Erz‘ (ahd. aruzi, arizi, ariz)’, als ö – Umlaut des kurzen o: öl ‘Ö1‘ (ahd. olei, oli), möchte (ahd. mohti), ü – Umlaut kurzen u: künec ‘König‘ (ahd. kuning, kunig), gürtel ‘Gürtel‘ (ahd. gurtil); des 2. Lange Vokale æ – Umlaut des a: mære ‘Erzählung‘, ‘Sage‘ (ahd. mari, nhd. Mär, Märchen), kæse ‘Käse‘ (ahd.chasi, cas e); æ – Umlaut des ô: schæne ‘schön‘ (ahd. skôni), hæhe ‘Höhe‘ (ahd. hôhi); 3. Diphthonge öu, eu – Umlaut des Diphthongs ou: tröumen ‘träumen‘ (ahd. troumen > *troumjan zu troum‘Traum‘), vröude ‘Fr eude‘ (ahd. frawida, frewida, frowida); üe – Umlaut des Diphthongs uo: güete ‘Güte‘ (ahd. guoti), süeze ‘süß‘ (ahd. suozi). Die Entwicklung des Umlauts zur inneren Flexion. Auf Grund des Umlauts kam es in den Wortformen vieler Wörter zu einem Wechsel der Vokalphoneme, der zu einem verbreiteten Mittel der Formenbildung, d.h. zur inneren Flexion wurde: l. als Kennzeichen des Plurals ahd. gast – Pl. gesti ‘Gäste‘; kraft – Pl. krefti ‘Kräfte‘; lamb Pl. lembir ‘Lämmer’, entsprechendmhd. gast –geste, kraft – krefte, lamb – lember’, 2. als Kennzeichen der Steigerungsformen des Adjektivs – ahd. alt ‘alt‘ – Komp. eltiro – Superl. eltisto mhd. alt – elter – eltest; 3. als Kennzeichen des Präteritums Konjunktiv ahd. helfan ‘helfen‘ – l. P. Sg. Prät. Konj. hulfi ‘(ich) hälfe, hülfe‘ mhd. helfen – hülfe; 4. als Kennzeichen der 2. und 3. P. Sg. Präs. der starken Verben ahd. faran ‘fahren‘ – 2. P. Sg. Präs. feris(t) ‘(du) fährst‘ – 3. P. Sg. Präs. ferit ‘(er) fährt‘ mhd.faren– 2. P. Sg. Präs. ferest – 3. P. Sg. Präs. feret. Der Umlaut bekam auch große Verbreitung in der Wortbildung: mhd. kraft ‘Kraft‘ – kreftic ‘kräftig‘ mhd. adel ‘Adel‘ – edele ‘edel‘ (ahd. adili) mhd. hoch ‘hoch‘– hoehe ‘Höhe‘ (ahd. hôhi) mhd. jâmer ‘Jammer‘ – jæmerlîche ‘jämmerlich‘ mhd. hof ‘Hof – hövesch ‘höfisch‘ ‘wohlerzogen‘ mhd. jagen ‘jagen‘ – jeger(e) ‘Jäger‘ mhd. gruoz ‘Gruß‘ – begrüezen ‘begrüßen‘ mhd. fallen ‘fallen‘ – fellen ‘fällen‘. Die Entwicklung des Phonems [Š] Das Althochdeutsche besaß kein [Š]. Die Entwicklung dieses Phonems beginnt im 11. Jh. aus der Konsonantenverbindung sk. Seit dieser Zeit erscheint die Schreibung sch, die im 12. Jh. allgemeine Verbreitung bekommt: ahd. skînan ‘scheinen‘ > mhd. schînen ahd. skôni ‘schön‘ > mhd. schæne ahd. skuld, sculd ‘Schuld‘ > mhd. schuld Die Schreibung sch legt die Annahme nahe, daß der Laut k zuerst an das vorausgehende sassimiliert wurde, um dann später mit ihm zu verschmelzen: sk > sch > [Š]. Ein ähnlicher Lautwandel fand auch im Englischen statt. Vgl.: ahd. skif > nhd. Schiff; ae. scip > e. ship; ahd. fisk>nhd. Fisch; ae. fisc>e. fish. Seit dem 13. Jh. wird [s] zu [Š] im Wortanlaut vor l, m, n, w. Für die Bezeichnung des [Š] wurde die bereits vorhandene Schreibung sch benutzt: ahd. slâfan, mhd. slâfen > nhd. schlafen ahd. smerzo, mhd. smerze > nhd. Schmerz ahd. snêo, mhd. snê > nhd. Schnee ahd. swarz, mhd. swarz > nhd. schwarz. In einigen Wörtern wird auch rs zu rsch: ahd. kirsa, mhd. kirse > nhd. Kirsche ahd. hêrisôn, mhd. hersen > nhd. herrschen. Etwas später entwickelt sich Schreibungunbezeichnet blieb: das [Š] auch vor p und t, obwohl es in der ahd. spâti, mhd. spæte > nhd. spät [Š] ahd. starc, mhd. starc >nhd. stark [Š] Die weitere Ausdehnung der zweiten Lautverschiebung Das Vordringen der zweiten Lautverschiebung in den mitteldeutschen Sprachraum dauerte im mittelhochdeutschen Zeitalter an. Am Rhein, d. h. im Fränkischen, bildeten sich in dieser Zeit die heutigen Grenzlinien für die einzelnen Erscheinungen der zweiten Lautverschiebung heraus. Die Grenzen der zweiten Lautverschiebung griffen auch auf den ostmitteldeutschen Sprachraum über. Das Ostmitteldeutsche hatte machen, ich, dorf, helfen, daz, dohter,pfund/fund, appel. Das niederdeutsche Gebiet ist nach wie vor von der zweiten Lautverschiebung ausgeschlossen. Es heißt hier maken, ik, dorp, helpen, dat, dohter, pund, appel. Das Vordringen der zweiten Lautverschiebung dauert auch in der frühneuhochdeutschen Periode an. Sonstige Wandlungen der konsonantischen Phoneme l. Entwicklung des Phonems [z]. Um die Mitte des 13. Jh. wird s im Wortanlaut und im Inlaut vor Vokalen stimmhaft: [s] > [z], ohne daß diese Wandlung besonderen Ausdruck in der Schreibung findet: ahd. [s] sîn, mhd. sîn > nhd. sein [z] ahd. [s] lesan, mhd. lesen >nhd. lesen [z] 2. Wandel des Halbvokals w [u]. Im Althochdeutschen und zu Beginn des Mittelhochdeutschen war w ein bilabialer Halbvokal, was die Formen ahd. seo ‘See‘, G. sewes,mhd. se, G. sewes bezeugen (der Halbvokal w wird im Wortauslaut vokalisiert). Im 13. Jh. entwickelt er sich zum labiodentalen stimmhaften Geräuschlaut. Querschnitt durch das phonologische System des Mittelhochdeutschen Vokalphoneme Kurze Vokale: a, ё, e, ä, i, o, ö, u, ü; Lange Vokale: â, ê, æ, î, ô, æ,û, iu [y:]; Diphthonge: ei, ou, ie, öu (eu), üe. Die neuen Vokalphoneme sind durch Fettdruck bezeichnet. Neue Vokalphoneme sind: a) die durch Phonologisierung des ü, æ, æ, iu[y:], öu (eu), üe, Umlauts entstandenen neuen Phoneme ä, ö, b) der Diphthong ie, der sich im ausgehenden 10. Jh. aus den Diphthongen ia und io infolge der Abschwächung der zweiten unbetonten Komponente dieser Diphthonge entwickelte; vgl. ahd. hiar > hier ‘hier‘, hiaz – hiez, ‘hieß‘, spiagal > Spiegel ‘Spiegel‘; ahd. tiof > tief ‘tief, tior > tier ‘Tier‘, biogon > biegen ‘biegen‘; c) im Vokalphonem iu [y: ] sind zwei ursprünglich verschiedene Laute zusammengefallen: ahd. iu, die positionsbedingte Variante des Diphthongs io, die im ausgehenden 10. Jh. monophthongiert wurde, z. B. ahd. hiutu > hiutu [y: ] ‘heute‘, ahd. friunt > friunt [y:] ‘Freund‘und das umgelautete lange û (auch seit dem Ende des 10. Jh. durch iu bezeichnet. Einige althochdeutsche Wörter mit positionsbedingtem Wechsel io – iu entwickelten sowohlio>ie (vgl. oben) als auch iu > ie, z. B. ahd. tiof> tief ‘tief und ahd. tiufi > tiefe ‘Tiefe‘, ahd.biogan > biegen ‘biegen‘ und ahd. biugu > biege ‘(ich) biege‘. Konsonantenphoneme stimmlose Explosivlaute p t k [kw] stimmhafte Explosivlaute b d g stimmlose Frikativlaute f s h [Š] stimmhafte Frikativlaute w [z] Affrikaten pf z [ts] Faringale h Liquiden l r Nasale m n Die neuen Konsonantenphoneme sind [Š],[z], und das labiodentale w [v] 31. Vorlauf, Vollauf, Nachlauf. Wenn es im Satz nur ein sinnwichtiges Wort - das logische Prädikat - gibt, besteht der Vollauf nur aus der Schwerpunktsilbe. Der Vorlauf wird im neutralen Ton gesprochen. Der Nachlauf bleibt im Tiefton. Die terminale Melodie drückt die Abgeschlossenheit des Gedankens aus und ist in der Regel für Aussagesätze, Aufforderungssätze und Fragesätze mit einem Fragewort kennzeichnend. Die deutsche terminale Melodie ist im Vorlauf relativ eben, im Vollauf - fallend und im Nachlauf - weiterhin fallend bis zum Tiefschluß. Die russische terminale Melodie ist im Vorlauf in der Regel zickzackartig, im Vollauf - schleppend fallend und im Nachlauf weiterhin fallend, aber nicht bis zum Tiefschluß. Die progrediente Melodie drückt die Nichtabgeschlossenheit des Gedankens aus und kommt in der Regel in den Eingangs- und Zwischensyntagmen vor. Die deutsche progrediente Melodie ist im Vorlauf in der Regel relativ eben, im Vollauf - fallend-steigend und im Nachlauf - eben oder leicht ansteigend bis zum Halbschluß. Die russische progrediente Melodie ist in der Regel im Vorlauf zickzackartig, im Vollauf - steigend und im Nachlauf fallend, aber nicht bis zum Tiefschluß. Die interrogative Melodie drückt eine Frage aus und kommt in der Regel in Fragesätzen ohne Fragewort, sowie auch in Wiederholungsfragen und höflichen Fragesätzen mit einem Fragewort vor. Die deutsche interrogative Melodie ist in der Regel im Vorlauf relativ eben, im Vollauf - fallend-steigend und im Nachlauf - weiterhin steigend bis zum Hochschluß. Die russische interrogative Melodie ist in der Regel im Vorlauf zickzackartig, im Vollauf steigend und im Nachlauf - fallend, aber nicht bis zum Tiefschluß. Die Satzbetonung gestaltet die einzelnen Laute in Wörter, Redetakte und Phrasen. Innerhalb des Satzes kann man verschiedene Betonungen nach ihrer Stärke und ihrer Rolle unterscheiden. Aber jeder Satz hat unbedingt die logische Betonung (Phrasenbetonung) (die am stärksten betonte Silbe im Satz). Wenn der Satz mit bestimmten Gefühlen, Emotionen gesprochen wird, so spricht man über die emphatischeBetonung: wun:derbar! чуде:сно! 32. Das phonologische System im Fruhneuhochdeutschen. Vokalismus 1. Diphthongierung der langen Vokale Im 12. Jh. beginnt der Wandel (Südosten, Kärnten) der langen Vokale i, u, iu [y:] zu Diphthongen: î > ei mhd. mîn > fnhd. mein drî > drei îs > eis û > au mhd. ûf > fnhd. auf hûs > haus tûbe > taube iu [y:] > eu mhd. hiute > fnhd. heute liute > leute diutisc > deutsch Diese Diphthongierung wurde im Laufe des 14./16. Jh. zum Kennzeichen des gesamten hochdeutschen Sprachraums mit Ausnahme des äußerten Südwestens (Schweiz, Elsaß). Da diese Diphthongierung auch zum Kennzeichen der werdenden gemeindeutschen Literatursprache wird, nennt man sie “die neuhochdeutsche Diphthongierung”. 2. Gleichzeitig mit der Entwicklung neuer Diphthonge vollzog sich die Erweiterung alter Diphthonge ei > ei [ae], ou > au (Bairisch-Österreichisch), die infolgedessen mit den neuen Diphthongen zusammenfallen. ei > ei [ae] mhd. ein > fnhd. ein teil > teil und mîn > mein ou > au [ao] mhd. ouge > fnhd. auge boum > baum ouch > auch und ûf > auf 3. Monophthongierung der alten Diphthonge. Hier ist vor allem die Beseitigung der Diphthongen ie, uo, üe zu bezeichnen. ie > ie [ɪ:] mhd. hier > fnhd. hier [ɪ:] fliegen > fliegen uo > u mhd. guot > fnhd. gut buoch > buch üe > ü mhd. güete > fnhd. güte süeʒe > süß Diese Monophthongierung wurde auch zum Kennzeichen der werdenden deutscher Sprache. Darum zeichnet man sie „die neuhochdeutsche Monophthongierung“. Also mit der Durchführung der oben beschriebenen Lautwandlungen wird die Herausbildung des vokalischen phonologischen Systems der deutschen Literatursprache der Gegenwart vollendet. 4. Die positionsbedingte Dehnung und Kürzung der Vokale. Im ausgehenden 15. Jh./16. Jh. bilden sich die neuen Dauerverhältnisse im Vokalsystem heraus. In den altgermanischen Sprachen hing die Quantität des Lautes von dessen Stellung im Worte nicht ab. In der fnhd. Zeitperiode kommt der Zusammenhang zwischen der Vokaldauer und dem Charakter der Silbe immer mehr zur Geltung. Die Fälle, in denen der Vokal gedehnt wurde: 1) Der Vokal wurde in offener Silbe gedehnt: 2) ahd. nêman, mhd. nêmen > nhd. nehmen fâren fâren > fahren nâmo nâme > Name Der Vokal wurde gedehnt, wenn die Silbe geöffnet werden kann. 3) ahd. tâg, mhd. tâc > nhd. Tag – Tages – Tage wêg wêc > Weg – Weges – Wege nâm nâm > nahm – nahmen Der Vokal wurde auch vor r+Dentallaut (d, t, s, z) gedehnt. ahd. fârt, mhd. fârt, vârt êrda êrde wêrdan werden > > > nhd. Fahrt Erde werden (vor r+Dentallaut bleibt der Vokal kurz in: warten, hart, Garten, Karte u.a) 4) Der Vokal wurde in einsilbigen Wörtern, die auf einen Sonanten ausgehen, gedehnt: ahd. er, mhd. er > nhd. er ther, der > nhd. der (auch wer, her, mir, dir, ihr, vor, für, wem, dem, ihm, wen, den, ihn u.a.) Die Kürzung langer Vokale in geschlossener Silbe. Vor den Konsonantenverbindungen werden althochdeutsche lange Vokale gekürzt: z.B. ahd. brâhta, mhd. brâhte > mhd. brachte lâʒʒan lâʒʒan > lassen Zusammen mit Quantität der Vokale ändert sich auch ihre Qualität. Kurze Vokale werden offen, lange Vokale geschlossen gesprochen. 5. Umlaut breitete sich vor dem Pluralsuffix –er aus (dörfer, länder, wälder), sonst gibt es im Fnhd. viele Schwankungen in der Qualität der Wurzelvokale a, o, u (gartner, kramer, rauber und erst später — gärtner, krämer, räuber). 6. Vokalismus der Nebensilben. In den unbetonten Silben erscheint meistens das neutrale – e, in einigen oberdeutschen Mundarten dagegen auch volle Vokale. Das –e herrscht sowohl in den Suffixen, als auch in den Präfixen vor; nur fnhd. vor-, vur-, ver-, ur-, miß-, un-, enerhalten Vokale anderer Qualität. 33. Zum Wesen der deutschen Intonation. Viele Phonetiker identifizieren den Begriff "Intonation" mit den Begriffen "Sprechmelodie" oder "Tonführung". Die meisten Forscher verstehen unter "Intonation" die Gesamtheit von prosodischen Eigenschaften, die sich auf den Lautbestand eines gesprochenen oder vorgelesenen Satzes aufschichten und einen Satz differenzieren kann. 1) Die Intonation ist ein satzdifferenzierendes prosodisches Mittel, das folgende kommunikativen Satztypen unterscheiden kann: Aussage, Aufforderung, Frage, Ausruf: 2) Die Intonation kann auch solche syntaktischen Bedeutungen unterscheiden, die mit derAbgeschlossenheit oder Nichtabgeschlossenheit des Satzes zusammenhängen. 3) Die Intonation kann ein Gliederungsmittel des Satzes sein und das Gegebene (Thema) vom Neuen (Rhema) unterscheiden. 4) Die Intonation kann verschiedene logisch-semantische Beziehungen im Satz ausdrücken. 5) Die expressive Funktion äußert sich im Ausdruck des emotionalen Zustandes des Sprechers. Die Innnation kann seine Freude, Glück, Trauer, Angst, Ironie ausdrücken. 6) Die Intonation kann auch verschiedene sprachlich-phonologische Funktionen ausüben. 7) Die rhythmische Funktion erleichtert dem Hörenden die gedankliche Mitgestaltung der Rede. Die Intonation ist die notwendige Form der gedanklichen und emotionalen Offenbarung des Menschen, ist einem Ausspruch (einer Phrase) eigen. Die Grundlagen der Intonation: vom physiologischen Standpunkt aus - Atmung, Stimme, Artikulation; vom physikalischen Standpunkt aus - eine Gesamtheit von Grundtonfrequenz, Intensität und Dauer Vom funktionellen Standpunkt aus ist die Intonation jein Komplex von prosodischen Mitteln der Sprache, durch die der Sprecher und Hörer den Redestrom gliedert, sinnwichtige Teile der Äußerung hervorhebt und differenziert, das Verhalten zur Äußerung ausdrückt und sie auffasst. Die Intonation ist eine komplexe phonetische Erscheinung, die Intonationskomponenten sind die Akzentuierung, die Sprechmelodie, das Tempo, die Pausierung, der Rhythmus, die Stimmfarbe. Die Komponenten der Intonation wirken zusammen. Die intonations komponente benennt man unterschidlich, prosodisch gesehen: dynamisch: Satzakzent, tonal – Sprechmelodie, quantitativ – Tempo, Pausirung Begriff der Intonation. Wirkungssphäre der Intonation. Bestandteile der deutschen Intonation Die ausländischen Sprachforscher verstehen öfters unter der Intonation nur Tonführung (Melodie). Die inländischen Sprachforscher betrachten in der Regel die Intonationals einen komplexen Begriff: sie setzt sich aus mehreren Bestandteilen zusammen - Melodie, Betonung, Rhythmus, Pausen, Klangfarbe, Tempo. 2. Typen der Tonführung: terminale, progrediente, interrogative. Elemente der Intonationsstruktur: Vorlauf, Volllauf , Nachlauf Einer der wichtigsten Bestandteile der Intonation ist sicherlich die Melodie. Unter der Melodie versteht man die Tonführung. Man unterscheidet terminale(fallende, abschließende), progrediente (weiterweisende) und interrogativeMelodie. Die terminale Melodiedrückt die Abgeschlossenheit des Gedankens aus und ist in der Regel für Aussagesätze, Aufforderungssätze und Fragesätze mit einem Fragewort kennzeichnend. Die deutsche terminale Melodie ist im Vorlaufrelativ eben, im Vollauf - fallend und imNachlauf - weiterhin fallend, z.B.: Deine Bücher liegen auf dem Tisch. Wiederholen Sie! Wohin gehen Sie? Die progrediente Melodiedrückt die Nichtabgeschlossenheit des Gedankens aus und kommt in der Regel in den Zwischensyntagmen vor. Die deutsche progrediente Melodie ist im Vorlauf in der Regel relativ eben, im Vollauf - fallend-steigend und im Nachlauf ansteigend, z.B.: Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Die interrogative Melodiedrückt eine Frage aus und kommt in der Regel in Fragesätzen ohne Fragewort, sowie auch in Wiederholungsfragen und höflichen Fragesätzen mit einem Fragewort vor. Die deutsche interrogative Melodie ist in der Regel im Vorlauf relativ eben, im Vollauf - fallend-steigend und im Nachlauf - weiterhin steigend, z.B.: Lesen Sie? Kannst du singen? Die Satzbetonung gestaltet die einzelnen Laute in Wörter, Redetakte und Phrasen. Innerhalb des Satzes kann man verschiedene Betonungen nach ihrer Stärke und ihrer Rolle unterscheiden. Aber jeder Satz hat unbedingt eine logische Betonung(Phrasenbetonung) (die am stärksten betonte Silbe im Satz). Wenn der Satz mit bestimmten Gefühlen, Emotionen gesprochen wird, so spricht man über die emphatische Betonung: wun:derbar! чудесно! Unter dem Rhythmus versteht man eine regelmäßige Wiederholung von betonten und unbetonten Silben, Beschleunigung und Verlangsamung des Redetempos, Tondauer und Tonintensität etc. Der Rhythmus der Sprachen ist wenig erforscht. Man kann nur behaupten, die deutsche Sprache hat einen Stakkato-Rhythmus im Vergleich zum Legato-Rhythmus der russischen Sprache. Außerdem ist im Deutschen die rhythmische Betonung verbreitet: vgl. Landbriefträger, Automobil. Die Pausen dienen zur Gliederung des Redestroms in kleinere Einheiten - phonetische Wörter, Redetakte und Phrasen, sowie auch zum natürlichen Atmen. Man unterscheidet abschließende Pausen (zwischen den einzelnen Sätzen),verbindende (zwischen den einzelnen Syntagmen) und fakultative (bei langsamem Sprechen). Nach der Klangfarbe der Stimme kann man urteilen, in welchem Zustand sich der Sprecher befindet: zornig, freudig, ängstlich, traurig, ärgerlich etc. Das Tempo zeigt die Anzahl der Rede-Einheiten pro Minute. Im Vergleich zum Russischen hat die deutsche Sprache ein beschleunigteres Tempo. Die Sätze werden in der Regel nicht mit gleichem Tempo gesprochen: dasRhema hat im Satz ein langsameres Tempo als das Thema. Die Intonation übt die folgenden wichtigsten Funktionenaus: -kommunikative, -emotional-expressive, - gestaltende. Dank der kommunikativen Funktion der Intonation gliedern sich die Sätze in Aussage-, Frage- und Aufforderungssätze. Dank der emotional-expressiven Funktion der Intonation kann man das Thema und Rhema im Satz unterscheiden, sowie auch beurteilen, in welchem Gemütszustand gesprochen wird: Zorn, Verdruss, Ärger etc. Dank der gestaltenden Funktion der Intonation wird der Redestrom in Sätze, Syntagmen, phonetische Wörter gegliedert. Gleichzeitig wird das Gesprochene zu einer Ganzeinheit vereinigt. Manche Sprachforscher schlagen vor, die Lehre von der Intonation als selbständige Disziplin - Intonologie - zu betrachten. 34. Die germanische Lautverschiebung. Der Ausdruck Lautverschiebung beruht auf der alten Auffassung,dass die betreffenden Konsonantengruppen beim Übergang zum Urgermanischen gegenseitig ihre Plätze gewechselt bzw. «verschoben» hätten. Die 1. germanische bzw. gemeingermanische Lautverschiebung, anders Grimmsches Gesetz genannt, widerspiegelt lautliche Korrespondenzen zwischen indoeuropäischen und germanischen Geräuschlauten. Diese Korrespondenzen, die im Jahre 1818 von Rasmus Kristian Rask entdeckt und im Jahre 1822 von Jakob Grimm systematisiert waren, beziehen sich auf alle zu drei Lokalisierungsreihen gehörigen Geräuschlaute (außer s) – velare, dentale und labiale Konsonanten. Die 1. germanische Lautverschiebung besteht aus drei Akten: 1) Erster Akt: Die indoeuropäischen stimmlosen Verschlusslaute [p], [t], [k] wurden zu den germanischen stimmlosen Reibelauten [f], [Ċ],[h], wenn diesen kein anderer Reibelaut vorausging: [p] > [f] – L. precor – GOT. fraihnan [frΣxnan] – AE. Frignan [frijnan]; L. piscis – GwDÄ. fisk; [t] > [Ċ] – L. tres – GwR. три – GOT. Ďreis [εrρs] – AE. İrī, İrŢ [εrρ]; [k] > [h] – L. octo – GwD. acht. 2) Zweiter Akt: Die indoeuropäischen stimmhaften Verschlusslaute [b], [d], [η] wurden zu germ. stimmlosen Verschlusslauten [p], [t], [k]: [b] > [p] – GwR. болото – GwLI. balà – AE. pōl [pπl] – GwE. pool; [d] > [t] – L. duo – GwR. два – AE. twā [tňʦ] – GOT. twai [tň] – GwE. two; GwR. едят – GOT. itan [ĉtan] – AE. etan [etan] – GwSW. äta; [η] > [k] – L. ego – GwNL. ik. 3) Dritter Akt: Die indoeuropäischen stimmhaften behauchten Veschlusslaute [b h ], [d h ], [η h ] wurden zu germ. stimmhaften nichtbehauchten Reibelauten [b], [d], [η] durch die Übergangsstufe [ė], [ñ], [˱]: [b h ] > [ė] – SS. bharāmi – AGR. phérō ( f1rw ) – AE. beran [beran]SS. bhrata – GwR. брат – AGR. phrŴtōr ( fr=twr ) – L. frāter – GOT. brōĎar [brπεar] – AHD. bruodar [bruodar] – GwD. Bruder – AE. broİor [broðor] – GwE. brother; SS. nabhah – L. nebula – GwR. небо – AE. nifol [nĉvol] – AHD. nebal [nebal] – GwD. Nebel; [d h ] > [ñ] – SS. madhyas – GOT. midjis [mĉdĉĉs] – AE. medo [medo]; SS. rudhiras – GwR. руда (кровь) – AE. rķd [reaήd] – GOT. rauĎs [rʯεs] – GwE. red – GwD. rot; [η h ] > [˱] – SS. stighnōmi – AGR. steíhō ( stejcw ) – GwD. steigen. 35. Starke Verben. Klassen der starken Verben. Grundformen der starken Verben. Im Althochdeutschen unterscheidet man wie in allen germanischen Sprachen vier Grundformen. Das sind: 1) Infinitiv, 2) Präteritum Indikativ 1., 3. P. Sg., 3) Präteritum Indikativ 1. P. PI, 4) 2. Partizip. Infinitiv Präteritum Sg. Präteritum PI. 2. Partizip helf-an half- hulf-um gi-holf-an 'helfen' biog-an boug- bug-um gi-bog-an 'biegen' Klassen von starken Verben (Ablautreihen). Nach dem Charakter des Ablauts im Wurzelmorphem werden die starken Verben in Klassen oder Ablautreihen eingeteilt. Der Haupttyp des Ablauts ist der Wechsel: e - a - Null. Die Vielfalt der Klassen, der starken Verben war in den altgermanischen Sprachen dadurch bedingt, dass der ablautende Vokal in Verbindung mit dem folgenden Vokal oder Konsonanten im Wurzelmorphem verschiedene Lautkombinationen ergab. Außerdem erlitt der Vokalwechsel unter dem Einfluss der Lautgesetze verschiedene Wandlungen, die in den einzelnen germanischen Sprachen wirkten. Dadurch entstanden in einigen Klassen der starken Verben mehrere Untertypen. I. Ablautreihe 1. Untergruppe scriban 'schreiben' scriban - screib - scribum - giscriban. Auch: gnfan 'greifen', ritan 'reiten', snidan 'schneiden', rihan 'reiben', triban 'treiben' u. a. 2. Untergruppe lihan 'leihen' lihan - leh - lihum - gilihan Auch: zihan 'zeihen', dihan 'gedeihen', spiwan 'speien' u. a. Die Verben der 1. Ablautreihe haben den Ablaut e - a - Null. Die Eigenart dieser Ablautreihe im Althochdeutschen bedingt die Verbindung des ablautenden Vokals mit dem folgenden i. 1) In der ersten Grundform hatte der ablautende Vokal die Lautform e; die Verbindung mit dem nachfolgenden i ergab den Diphthong ei, der noch in der vorliterarischen Zeit zu i wurde (s. S. 48). Also hat das Althochdeutsche in der ersten Grundform i, z. B. scriban 'schreiben'. 2) In der zweiten Grundform hat der ablautende Vokal die Lautform a. Die Verbindung mit dem nachfolgenden i ergab ai. Im Althochdeutschen entwickelte sich der Diphthong ai zu ei, z. B. screib '(er) schrieb', oder wurde vor h, r,wzue monophthongiert, z. B. leh '(er) lieh' (zum Verb lihan 'leihen'). (Vgl. darüber S. 68). Dementsprechend sind in der ersten Ablautreihe zwei Untertypen zu unterscheiden. 3) In der dritten und in der vierten Grundforn war der ablautende Vokal durch die Null vertreten, so dass hier das i allein erscheint und zum silbischen i wird, z. B. scribum '(wir) schrieben', giscriban 'geschrieben'. II. Ablautreihe 1. Untergruppe biogan 'biegen' biogan - boug - bugum - gibogan. Auch: liogan 'lügen', fliogan 'fliegen', kriochan 'kriechen' u. a. 2. Untergruppe gio$an 'gießen' gio^an - gÖT, - guföum - gigo^an. Auch: biotan 'bieten', siodan 'sieden', fliogan 'fließen', slio^an 'schließen', kiosan 'kiesen', ziohan 'ziehen' u. a. Die Verben der II. Ablautreihe haben auch den Ablaut e-a- Null. Ihre Eigenart im Althochdeutschen wird durch die Verbindung des ablautenden Vokals mit dem nachfolgenden u bedingt. 1) In der ersten Grundform ergibt die Verbindung e + y den Diphthong iu oder seine Positionsvariante eo (später eo>io), z. B. biogan 'biegen', biugu '(ich) biege'. 2) In der zweiten Grundform entsteht aus a + u der Diphthong au, der im Althochdeutschen entweder zu ou wird, z. B. boug '(er) bog', oder vor h und den Dentalen zu 6 monophthongiert wird, z. B. #03 '(er) goß' (das Verb gio$an 'gießen'). (Vgl. S. 68). Dementsprechend hat die zweite Ablautreihe auch zwei Untergruppen. 3) In der dritten Form vertritt den ablautenden Vokal die Null, so dass der nachfolgende Vokal u (>u) allein erscheint, z. B. bugum '(wir) bogen'. 4) In der vierten Grundform erfolgt unter dem Einfluss des Vokals a im Suffix des 2. Partizips -an Vokalsenkung u>o (vgl. S. 69), z. B. gibogan 'gebogen'. III. Ablautreihe 1. Untergruppe helfan 'helfen' helfan - half- hulfum - giholfan. Auch: werfan, melkan, sceltan 'schelten', smekan 'schmelzen', smerzan 'schmerzen', sterban 'sterben' u. a. 2. Untergruppe bintan 'binden' bintan - baut - buntum - gibuntan. Auch: dringan 'dringen', dwingan 'zwingen', klingan 'klingen', singan 'singen', trinkan 'trinken', brinnan 'brennen', spinnan 'spinnen' u. a. Auch die Verben der dritten Ablautreine haben den Ablaut e-a - Null. Im Gegensatz zu den Verben der I. und II. Ablautreihen haben diese Verben keinen anderen Vokal im Wurzelmorphem, so dass der ablautende Vokal sich unmittelbar mit den Konsonanten verbindet, auf die das Wurzelmorphem ausgeht. Bei den Verben der dritten Ablautreihe sind es Verbindungen der Sonanten n, m, r, l mit Geräuschlauten, z. B. bintan 'binden', weif an 'werfen', helfan 'helfen' u. a. Die dritte Ablautreihe hat zwei Untergruppen je nachdem, ob auf den ablautenden Vokal r, l oder n, m folgen. 1) In der ersten Grundform steht e, z. B. werfan, helfan. Vor den Nasalen n, m erfolgt Vokalhebung e>i (vgl. S. 69). 2) In der zweiten Grundform steht a, z. B. warf, half, baut, swam. 3) In der dritten und vierten Grundformen vertritt die Null den ablautenden Vokal; daher entwickelt sich vor den Sonanten der silbenbildende Vokal u; im 2. Partizip erfolgt Vokalsenkung u>o vor dem a des Suffixes -an, wenn nach dem Vokal r, / stehen; vor n, m bleibt das u unverändert, z. B. helfan - Prät. PI. hulfum, 2. Part, giholfan; bintan - Prät. PI. buntum 2. Part, gibuntan. IV. Ablautreihe neman - nam — nämum - ginoman Auch: queman 'kommen', stelan 'stehlen', quelan 'sich quälen', zeinan 'ziemen' u. a. Die Verben der vierten Ablautreihe haben den Ablaut e-a-ä (<germ. e,) - Null. Auf diese Vokale folgt ein Sonant (n, m, r, /), z. B. neman 'nehmen', heran 'tragen' u. a. Zu dieser Klasse gehören auch folgende Verben, die im Auslaut des Wurzelmorphems keinen Sonanten haben: brechan 'brechen', sprechan 'sprechen', stechan 'stechen', treffan 'treffen' u. a. 1) In der ersten Grundform steht e, z. B. neman (vor den Vokalen der hohen Zungenlage wird e zu i, z. B. nimu '(ich) nehme', nimit '(er) nimmt'. 2) In der zweiten Grundform steht a, z. B. nam '(er) nahm'. 3) In der dritten Grundform erscheint anstelle der Null, welche die ersten drei Ablautreihen kennzeichnete, die sog. Dehnstufe germ. e,>ä, z. B. nämum. '(wir) nahmen'. 4) In der vierten Grundform war der ablautende Vokal wie in den ersten drei Ablautreihen durch die Null vertreten. An seiner Stelle erscheint im Althochdeutschen auch hier der silbenbildende Vokal u. Vor dem Suffix des 2. Partizips wird u zu o, z. B. ginoman 'genommen'. V. Ablautreihe geban - gab - gäbum - gigeban Auch: pflegan 'pflegen', tretan 'treten', weban 'weben', meföan 'messen', le-san 'lesen', quedan 'sagen' u. a. Die Verben der fünften Ablautreihe haben den Ablaut e-a-ä (<germ. e,) - e. Auf den ablautenden Vokal folgt ein Geräuschlaut, z. B. geban 'geben', lesan 'lesen' u. a. 1) In der ersten Grundform steht e, z. B. geban (vor Vokalen der hohen Zungenlage wird es zu i gehoben, z. B. gibu '(ich) gebe', gibit '(er) gibt'). Derselbe Vokal steht in der vierten Grundform: gigeban 'gegeben'. 2) In der zweiten Grundform steht a, z. B. gab '(er) gab'. 3) In der dritten Grundform ist die sog. Dehnstufe ä, z. B. gäbum '(wir) gaben' (vgl. die IV. Ablautreihe). VI. Ablautreihe faran -fuor —fitorum — gifaran Auch: tragan 'tragen', graban 'graben', waskan 'waschen', walisan 'wach¬sen' u. a. Die Verben der sechsten Ablautreihe haben einen besonderen Typ des Ablauts: germ. a - ö 0 - a, der auf den quantitativen Ablaut ide. a - a zurückgeht (vgl. S. 48). Im Althochdeutschen, wo ö zu uo wurde, haben die Verben der sechsten Ablautreihe entsprechend a- uo - uo - a (über ö > uo s. S. 69). In der ersten und in der vierten Grundform steht a, z. B. faran 'fahren' -2. Part, gifaran 'gefahren'. In der zweiten und in der dritten Grundform ist uo (<germ. ö), z. B. Prät. Sg. fuor '(er) fuhr' Prät. PI. fuorum '(wir) fuhren'. VII. Ablautreihe 1. Untergruppe: läföan — lia - liaföum - giläan heiföan — hia$ — hiaföwn — giheizßan Auch: haltan 'halten', spaltan 'spalten', waltan 'walten', rätan 'raten', brätan. 'braten', släfan 'schlafen', skeidan 'scheiden' u. a. 2. Untergruppe: loufan - Hof — liofum - giloufan stö^an — stio$ — stio^um — gistö^an ruofan - riof— riofum - giruofan Auch: houwan 'hauen', bluo^an 'opfern' u. a. Die Verben der siebenten Ablautreihe haben auch einen besondere Typ des Ablauts. Das Hauptkennzeichen dieser Verben ist der Diphthong ia oder io>ie (10./11. Jh.) im Prät. Sg. und PI. In der ersten Grundform sind verschiedene Vokale und Diphthonge möglich, z. B. läföan 'lassen', stöan 'stoßen', heian 'heißen', loufan 'laufen', ruofan 'rufen'. Die vierte Grundform hat denselben Vokal oder Diphthong. 36. Funktionen der deutschen Wortakzents. Drei wichtige sprachliche Funktionen erfüllt der deutsche Wortakzent: eine kulminative (gipfelbildende), eine dernarkative (abgrenzende) und eine distinktive (differenzierende). Die kulminative Funktion des deutschen Wortakzents kommt in seiner zentralisierenden Einwirkung zum Ausdruck. Nur eine Silbe ist im Wort Träger des Hauptakzents. Es gibt im Deutschen kein Wort, das zwei Hauptakzente hätte. Zwar wurde von vielen Phonetikern angenommen, daß verstärkende Adjektivzusammensetzungen und kopulative substantivische Zusammensetzungen der deutschen Sprache eine gleich starke (schwebende) Betonung auf beiden Elementen haben. Neue experimentelle Untersuchungen erwiesen jedoch, daß auch in diesen Wörtern eine Kernsilbe den Hauptton trägt: eiskalt [— — ], SüdWest [— — ]. Die neben- und unbetonten Silben des Wortes sind der Kernsilbe mit der Hauptbetonung unterordnet. Je stärker, deutlicher, exakter wir die akzentucll leitende Silbe hervorheben und entsprechend artikulieren, desto weniger Aufmerksamkeit schenken wir den übrigen Silben, desto stärker ist die Reduktion in diesen Silben. Lange Vokalphoneme verlieren an Dauer, stimmlose Verschlußlaute verlieren am Grade der Behauchung, stimmlose Engelaute an Geräusch. Manche Vokalphoneme werden nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ reduziert oder elidiert (sehen — sehn, wollen — wolln). Dies ist das Resultat der zentralisierenden: Wirkung des Hauptakzents, der kulrninativcn Funktion des Wortakzents. Die demarkative Funktion der deutschen Wortbetonung äußert sich darin, daß die akzenttragende Silbe meistenteils am Anfang des Wortes steht und deshalb ein Grenzsignal darstellt, das auf den Anfang des Wortes hinweist. Oder aber steht die akzenttragende Silbe am Ende des Wortes und weist dann wiederum als Grenzsignal auf das Ende des Wortes. Selbst da, wo wir im Den Ischen Innenbetonung haben, ist es möglich durch die Analyse der Qualität der unbetonten Silbe, die vor der hauptbetonten Silbe steht, den Anfang des Wortes zu bestimrnen, denn es stehen hier in der Regel nur untrennbare Präfixe. Andererseits weisen Huf das Ende des Wortes, falls hier keine betonte Silbe steht, die reduzierten e-Laute. Da die deutsche Wortbetonung morphemgebunden ist, kann sie nur in geringem Maße als distinktives Sprachmittel dienen. Jedoch gibt es eine bedeutende Anzahl von Oppositionspaaren, in denen sich die Glieder durch verschiedene Betonung und verschiedene Bedeutung unterscheiden. Vor allem gehören hierher Ableitungen mit den Präfixen über-, unter-, durch-, um-, wieder-, die bekanntlich trennbar und untrennbar gebraucht werden kцnnen und einmal betont, das andere Mal unbetont sind: 'übersetzen — über'setzen, 'wiederholen — wieder'holen, 'durchschauen — durch'schauen. Differenzierend wirkt der Wortakzent weiterhin in solchen Wörtern wie 'steinreich — stein'reich, 'blutarm — blut'arm, 'August — Au'gust, 'alle — Al'lee, 'arme — Ar'mee, 'Kaffee — Ca'fe, 'Genus — Ge'nuß, 'Aktiv — aktiv, 'Passiv — pas'siv, 'gebet — Ge'bet u. ä. Wortpaare wie 'daher — da'her, 'damit — da'mit, 'dahin — da'hin, 'darum — da'rum unterscheiden sich in der Regel auch inhaltlich, z. B. Er verstärkte seine Stimme, 'damit gelang es ihm, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. — Er verstärkte seine Stimme, da'mit man ihn besser höre.