Hintergrundtext - netzwerklernen

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Hintergrundtext
Das Verhältnis des "Selbst" zum Netzwerk im Konnektivismus Wird der Mensch zum Nutztier der Wissensgesellschaft?
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Rolle des Individuums im Konnektivismus
----- 2.1.1 Welche Bedeutung hat das Individuum (noch)?
----- 2.1.2 Welche Bedeutung hat das Wissen des Individuums?
2.2 Sieht die Theorie des Konnektivismus Auswirkungen auf das Individuum
----- 2.2.1 Ist das Individuum abhängig von Anderen?
----- 2.2.2 Kann das Individuum kontrollieren, wer wann auf sein Wissen zugreift?
----- 2.2.3 Wissen = Macht?
2.3 Das Verhältnis des Selbst zum Wissensnetzwerk
----- 2.3.1 Wie geht das Individuum mit Informationen/Wissen um?
----- 2.3.2 Sind Individuen dazu bereit, ihr Wissensnetzwerk gezielt auszunutzen?
2.4 Was muss ein Wissensnetzwerk erfüllen, damit es funktioniert?
2.5 Wird die Pflege des Netzwerks zum Zwang?
2.6 Ist der Konnektivismus ein sich selbst zerstörendes System?
3. Schluss
1. Einleitung
Während sich andere Lerntheorien wie Konstruktivismus, Behaviorismus oder Kognitivismus
überwiegend mit dem Lernen innerhalb einer Person beschäftigen, interessiert sich der
Konnektivismus vor allem für das Lernen außerhalb des Individuums, beispielsweise in
Gemeinschaften, Organisationen oder Netzwerken. In unserem Projekt, das im Rahmen des Seminars
"Konnektivismus und Networked Learning: Vom Wissens- zum Kompetenzmanagement" stattfand,
wollten wir herausfinden, ob mit der Verlagerung des Interessenschwerpunkts auch ein genereller
Bedeutungsverlust des Individuums einhergeht. Uns interessierte dabei vor allem, ob das Individuum
nach der Theorie des Konnektivismus als ein "Nutztier der Wissensgesellschaft", von dem alle
anderen profitieren, verstanden wird. Um zu klären ob diese kritische Frage zutrifft, haben wir uns im
folgenden Hintergrundtext genauer mit dem Verhältnis des Selbst zum Wissensnetzwerk beschäftigt.
Definiert wird der Begriff Individuum folgendermaßen: „Der Begriff Individuum entspricht dem
lateinischen Individuum (das Unteilbare) und geht zurück auf das griechische Wort atomos (Atom). Im
Laufe der Zeit wurde dieses Wort auf die menschliche Persönlichkeit beschränkt. Charakteristisch für
die abendländische Geschichte ist es, den Menschen als einzelne, unverwechselbare, von anderen
unterschiedene Person zu sehen.“ (http://www.sign-lang.unihamburg.de/projekte/slex/seitendvd/konzepte/l52/l5207.htm). Interessant ist hierbei vor allen
Dingen, wie das Individuum zum Zusammenleben mit anderen Individuen fähig ist und wie dieses
konkret aussieht. Ist das Individuum bestrebt, immer nur das Beste für sich selbst zu erreichen, auch
wenn es damit Andere ausnutzt, oder hat es die Wichtigkeit von Netzwerken erkannt? Da dies eine
sehr umfassende Frage ist, beschäftigen wir uns im Folgenden nur mit der Rolle des Individuums und
des Wissens nach der Theorie des Konnektivismus. Fest steht, dass es schon zahlreiche
Veränderungen in der Wissensgesellschaft gegeben hat. Auch die Theorie des Konnektivismus sieht
einige Veränderungen beim Lernen, an die sich das Individuum anpassen muss. George Siemens,
Ideengeber der Konnektivismus-Theorie, beschreibt einige davon in seinem Buch Knowing
Knowledge, welches 2006 erschienen ist. Er sagt:
“Why does so much of our society look as it did in the past? Our schools, our government, our
religious organizations, our media—while more complex, have maintained their general structure and
shape. Classroom structure today, with the exception of a computer or an LCD projector, looks
remarkably unchanged—teacher at the front, students in rows . Our business processes are still built
on theories and viewpoints that existed over a century ago. In essence, we have transferred (not
transformed) our physical identity to online spaces and
structures.”(http://www.elearnspace.org/KnowingKnowledge_LowRes.pdf) Desweiteren stellt er
heraus, dass sich das Individuum neuer Methoden zur Wissensspeicherung und -generierung
annehmen sollte. “Mass media and education, for example, have been largely designed on a one-way
flow model (structure imposed by hierarchy). Hierarchies, unlike networks and ecologies, do not
permit rapid adaptation to trends outside of established structure. Structure is created by a select few
and imposed on the many. The newspaper publishes, we consume. The teacher instructs, we learn.
The news is broadcast, we listen. An alternative to this one-way model has been developing
momentum over the last few years. Simple, social, end-user control tools (blogs, wikis, tagging and
social bookmarking, podcasting, video logging) are affording new methods of information connection
and back-flow to the original source. Feedback is more common in media and advertising than in
education... but academics are beginning to see increased desire from learners to engage, not only
consume, learning materials and concepts.” (ebd.). Was dies nun konkret für das Individuum
bedeutet, soll im folgenden Text erläutert werden.
2. Hauptteil
2.1. Rolle des Individuums im Konnektivismus
In diesem Kapitel wollen wir klären, welche Rolle dem Individuum nach der Theorie des
Konnektivismus zukommt. Dazu wollen wir klären, welche Funktion das Individuum im
Wissensnetzwerk einnimmt und welche Bedeutung das Wissen des Einzelnen hat.
2.1.1 Welche Bedeutung hat das Individuum noch?
Wie in der Einleitung bereits beschreiben, sieht der Konnektivismus den Menschen als vernetztes
Individuum. Es kann eine Verbindung sowohl zu anderen Menschen als auch zu nicht-menschlichen
Quellen bestehen. Das Individuum ist somit nie alleine, es ist eingebunden in ein Wissensnetzwerk,
das menschlich oder nicht-menschlich (Computer, Lexikon,…) sein kann. Lernen, das zunächst immer
auf individueller Ebene erfolgt, wie Erpenbeck und Sauter beschreiben, stellt dabei die Grundlage für
gemeinsames Lernen dar.
„Individual learning is a process, which generates new knowledge based on available experiences,
and changes the way to operate lastingly. [...] Independence and self-determination create the base
for the individual reality exploitation about learning and experience
processes“ (http://netzwerklernen.wikispaces.com/file/view/BA_Kinne_SS09.pdf). Auch Argyris und
Schön bestätigen dies. Allerdings gehen sie noch einen Schritt weiter und beschreiben das
individuelle Lernen im Kontext von Organisationen beziehungsweise Gemeinschaften. "Learning
takes place on the individual level. If the three conditions for an organisation are fulfilled and if the
organisation endures over a longer time, the organisation learns when its members learn." (ebd.). Das
Individuum ist also verantwortlich dafür, dass ein Lernprozess überhaupt stattfinden kann. Würde
das Individuum kein Wissen generieren, gäbe es nichts, über das sich das Wissensnetzwerk
austauschen oder lernen könnte. Das Individuum spielt somit eine sehr wichtige Rolle. Dies setzt aber
auch voraus, dass das Individuum nicht passiv bleibt. Um ein Wissensnetzwerk aufrecht zu erhalten
muss sich ein jeder aktiv daran beteiligen. Es handelt sich bei dem Wissensaustausch somit um ein
Geben und Nehmen. Das Individuum ist nicht nur Nutznießer, sondern auch Wissensverteiler
(vgl.http://www.elearning2null.de/publikationen/expose/2-lerntheoretischer-hintergrund/).
Allerdings bringt die Lerntheorie des Konnektivismus auch einige Veränderungen mit sich, die sich
unmittelbar auf das Individuum auswirken:
"Konnektivismus stellt damit ein Lernmodell auf, dass die gesellschaftlichen Veränderungen im Lernen
von Menschen als zunehmend nach außen tretende, vernetzte Aktivität berücksichtigt. Dies hat
großen Einfluss auf das Knowledge Management des Individuums und der Organisation und damit
auf die Gestaltung und Entwicklung zukünftiger Lernumgebungen."(ebd.). Außerdem wird es immer
schwieriger, sich einer klaren Rolle zuzuordnen, da man, wie George Siemens sagt, häufig zwischen
der Rolle des Lernenden (z.B. indem man anderen zuhört) und der des Lehrenden (z.B. indem man
anderen Feedback gibt) hin und her springt.
“That the learner is the teacher is the learner. For me, that last one is what has made this such a
powerful journey, and is one of the biggest shifts in thinking that I’ve had. In my “now” network, I am
constantly shifting in the roles I play, most often acting as learner, but occasionaly, perhaps as
teacher who then learns from the experience of teaching. I model the way I find, synthesize, process
and publish information at almost every turn. And in that sharing, I become teacher. It is an ongoing
process, a negotiation not only with the material I consume about the subjects which I am passionate
about but with the understanding of that material, the learning, in the context of the way the
network offers it or responds to it. It’s about as far from the transmission model of learning as you
can get, yet that’s still the way we look at learning in our
schools.” (http://www.elearnspace.org/KnowingKnowledge_LowRes.pdf).
2.1.2 Welche Bedeutung hat das Wissen des Individuums?
"In einem 'Kreislauf der Wissensentwicklung' ist das persönliche Wissen des Einzelnen in ein Netzwerk
eingebunden [...]. Dadurch wird ein großer Wissensfundus über die Institution im Netzwerk verteilt
und kann so dem Einzelnen wiederum als Lernquelle dienen ('cycle of knowledge development').
Konnektivismus versucht dabei das Verständnis für beide Lernarten
bereitzustellen." (http://widawiki.wiso.uni-dortmund.de/index.php/Konnektivismus).
Wie in dieser kurzen Erklärung deutlich wird, umfasst die Theorie des Konnektivismus zwei
Lernarten: Das Lernen, dass im Individuum selbst stattfindet (intern), und das Lernen, das außerhalb
des Individuums stattfindet (extern). Christine Sponring beschreibt dies folgendermaßen: „Wissen
wird heute durch zwei Arten von Netzwerken erworben: externe und interne (neurale) Netzwerke.
Externe Netzwerke können Personen, Organisationen, Büchereien, Web-Sites, Bücher, Datenbanken
oder andere Informationsquellen sein, die wir im Lernprozess sinnvoll verbinden und unser Wissen
daraus formen. Lernen, das in unserem Kopf abläuft, ist ein internes (neurales) Netzwerk. Der
Kerngedanke des Konnektivismus ist, dass Lernen auch außerhalb des Individuums, in Organisationen,
Gemeinschaften (Communities) und vernetzten Strukturen - wenn es mittels bestimmter Technologien
aufbewahrt und verändert werden kann - stattfinden
kann.“(http://www.biwiwiki.org/lib/exe/fetch.php/christine_sponring:der_konnektivismus.doc).Im
Kreislauf des Konnektivismus ist also davon auszugehen, dass das Individuum eher davon profitiert,
wenn es sein Wissen in ein Netzwerk einbringt, als dass es von anderen ausgenutzt wird oder mit
sonstigen negativen Konsequenzen zu rechnen hat. Diese Annahme bestätigt auch der Autor von
connectivism.ca: "Learning is a process of connecting specialized nodes or information sources. A
learner can exponentially improve their own learning by plugging into an existing
network." (http://www.connectivism.ca/about.html). Das Lernen ist somit als Prozess zu verstehen,
bei dem das eigene Wissen durch die aktive Beteiligung in Wissensnetzwerken ausgebaut wird.
2.2. Sieht die Theorie des Konnektivismus Auswirkungen auf das Individuum
In diesem Kapitel beschäftigten wir uns mit der Frage, ob die Theorie des Konnektivismus
Auswirkungen auf das Individuum sieht, und ob diese positiv oder negativ sind. Außerdem wollen wir
dieses Kapitel dazu nutzen, unsere eigenen Überlegungen zum Individuum im Konnektivismus
festzuhalten.
2.2.1 Ist das Individuum abhängig von anderen?
Es ist davon auszugehen, dass sich keine oder eine nur geringfügige Abhängigkeit von Anderen ergibt.
Dies resultiert zum einen aus der Tatsache, dass man Informationen auch von"non-human
appliances" (vgl. George Siemens) bekommen kann, und zum anderen aus der Tatsache, dass das
Individuum durch die aktive Beteiligung in einer Lerngruppe sein eigenes Wissen verbessern
kann. "Lernen ist ein Prozess, bei dem verschiedene Informationsquellen und -knoten miteinander
verbunden werden. Der Lernende kann sein Lernen erheblich verbessern, wenn er sich in ein
bestehendes Netzwerk oder in eine bestehende Gemeinschaft zum entsprechenden Thema
integriert." (http://widawiki.wiso.uni-dortmund.de/index.php/Konnektivismus).
Das Individuum steht somit nicht alleine da. Im Gegenteil, wenn es sich in eine Gemeinschaft
integriert, kann es besser lernen. Es "holt" sich sein Wissen somit nicht einfach bei der Wissensquelle
(die sowohl Mensch als auch nicht-menschliche Einrichtung sein kann) "ab", sondern partizipiert
einer Gruppe.
Man ist also nicht unbedingt auf einen anderen Menschen angewiesen, sprich man muss nicht
unbedingt jemanden "ausnutzen" oder sich um jeden Preis Kontakte aufrechterhalten. Wissen ist
nicht nur in Menschen "gespeichert", sondern eben auch in nicht-menschlichen Einrichtungen. Die
muss man jedoch kennen bzw. wissen, wo sie zu finden sind.
2.2.2 Kann das Individuum kontrollieren, wer wann auf sein Wissen zu greift?
Ob das Individuum kontrollieren kann, wer wie und wann auf sein Wissen zugreift, hängt ganz von
dem Kontext ab, in dem dies geschieht. Um an das Wissen anderer Personen zu gelangen, gibt es
verschiedenen Möglichkeiten, die sich alle unterschiedlich stark kontrollieren lassen. Sucht man
beispielsweise das direkte Gespräch mit einer Person und fragt gezielt nach der Information, die man
haben will, so kann das Individuum sehr gut kontrollieren, welches und vor allem wie viel Wissen es
preisgibt. Geschieht der Informationsaustausch aber nur beiläufig und unbewusst in Gesprächen, so
kann der Einzelne kaum Einfluss darauf nehmen, wie viele Informationen sein Gegenüber speichert
(=informelles Lernen). Ein weiterer interessanter Aspekt ist in diesem Zusammenhang das Wissen,
das in nicht menschlichen Informationsquellen wie Lexika, Wörterbüchern oder dem Internet,
vorliegt. Gerade das Internet bietet mit den Neuerungen des Web 2.0 zahlreiche Möglichkeiten,
Informationen auszutauschen und zu speichern, sowie Beziehungen zu knüpfen und aufrecht zu
erhalten. Bei der Veröffentlichung von Wissen via Social Media (z.B. Social Networks, Blogs, Wikis,...)
ist es schwierig, einzuschätzen, wie viel Kontrolle der Einzelne tatsächlich noch über den Zugriff auf
sein Wissen hat. Fest steht, dass das Veröffentlichen von Informationen im Internet immer mit einem
gewissen Kontrollverlust einhergeht, der allerdings dadurch relativiert wird, dass das Individuum dies
aus intrinsischer Motivation heraus getan hat. So haben wir mit dem Schreiben dieses Blogs
beispielsweise die Kontrolle darüber abgegeben, wer wann und wie auf unser Wissen zugreift. Wir
könnten zwar darum bitten, die in diesem Text festgehaltenen Informationen nicht
weiterzuverbreiten, kontrollieren könnten wir dies aber nicht mehr.
2.2.3 Wissen = Macht?
Unter Macht versteht man die Fähigkeit von Individuen oder Gruppen, Druck oder Zwang auf Andere
auszuüben. Dabei kann man das Verhalten anderer Personen oder Gruppen - nach eigenem Interesse
- beeinflussen (vgl.http://mediawiki.htwberlin.de/wiki/Konnektivismus#Week_8:_Power.2C_control.2C_validity.2C_and_authority_in_distrib
uted_environments). Lassen sich Machtstrukturen also auch in Wissensnetzwerken finden? Wer hat
die Macht? Wird die Macht gegen andere verwendet oder haben alle die gleichen Rechte? Wie muss
ein Wissensnetzwerk aufgebaut sein, damit keiner seine Macht über andere ausnutzen kann?
Im Mediawiki der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin heißt es:
"Macht im Zeitalter der Netzwerkgesellschaft kann durch 2 Mechanismen ausgeübt werden:
1. Fähigkeit, die Ziele des Netzwerkes zu definieren
2. Fähigkeit, verschiedene Netzwerke miteinander zu verbinden, um gemeinsame Interessen und
wachsende Ressourcen zu sichern. Macht wird in kurzfristigen Projekten verwaltet und wechselt
ständig."
Die Macht steht also weniger in Verbindung mit Wissen, sondern vielmehr im Aufbau der Netzwerke.
Macht wird also als die Fähigkeit, verschiedene Netzwerke miteinander zu verbinden, verstanden.
Somit könnte es zu einer Ungleichheit zwischen Menschen, die sehr gut und in sehr viele Netzwerke
(sogenannte Networker) eingebunden sind, und Menschen, die sich nur sehr schwer in bestehende
Netzwerke integrieren können, kommen (s. hierzu auch den Beitrag "Risiken und Nebenwirkungen
des Konnektivismus"
aufhttp://netzwerklernen.wikispaces.com/Risiken+und+Nebenwirkungen+des+Konnektivismus). Da
es sich bei den Networkern aber meistens um sehr soziale Personen handelt, besteht eine nur sehr
geringe Gefahr, dass sie ihre Machtposition ausnutzen könnten.
2.3. Das Verhältnis des "Selbst" zum Wissensnetzwerk
In diesem Kapitel geht es darum, wie sich das Individuum im Wissensnetzwerk verhält, mit welchen
neuen Anforderungen es sich auseinander setzten muss und ob es dazu bereit ist, sein
Kontaktnetzwerk bewusst (aus-) zu nutzen.
2.3.1 Wie geht das Individuum mit Informationen/Wissen um?
In seinem Buch "Knowing Knowledge" hat George Siemens bereits auf einige Veränderungen, die sich
im Zusammenhang mit der heutigen Wissensgesellschaft ergeben haben, hingewiesen (siehe
Einleitung). Diese neu erwachsenen Anforderungen sollen an dieser Stelle noch einmal aufgegriffen
werden.
Einer der zentralen Aspekte des Konnektivismus ist "Wissen wo, nicht wissen was", weshalb das
Auswendiglernen von vielen kleinen Details immer unwichtiger wird, da diese „… im Internet, über
Handy oder PC verfügbar [sind]. Überblickswissen, der Umgang mit Suchmaschinen und die
Evaluierung von Informationen sind heute
relevant.“(http://www.biwiwiki.org/lib/exe/fetch.php/christine_sponring:der_konnektivismus.doc).
Außerdem gilt: “Chaos is a new reality for knowledge workers. Unser heutiges Wissen ist chaotisch
verteilt, nicht nett verpackt und angeordnet. Der Lernende muss in der sich rasch wandelnden
Wirklichkeit mit der ständig steigenden Informationsmenge entscheiden, was Bedeutung hat und was
er lernen möchte. Im Konnektivismus geht es um die Verknüpfung von spezialisierten Informationen in
Netzwerken. Wichtig ist, zu erkennen, wann Veränderungen eingetreten sind und wichtige von
unwichtigen Informationen zu trennen. Also den Nutzen und Wert von Informationen aus- und
bewerten, um mit der immer stärker ansteigenden Menge an Informationen klar zu kommen.“ (ebd.).
Um dem Überschuss an Wissen im Informationszeitalter Herr zu werden, schlägt Siemens
vor, "Wissen (im expliziten Sinne) im Netzwerk der jeweiligen Community auszulagern. Es steht nicht
mehr im Vordergrund was ich weiß, sondern bei wem ich spezifische Informationen zur Generierung
des entsprechenden Wissens abfragen kann.Werkzeuge wie Blogs, Wikis, Online-Foren, Social
Bookmarking Tools, Voice over IP –Telephonie, RSS-Feedreader, alles typische Web 2.0-Technologien bieten die Möglichkeit solche Informationen orts- und zeitunabhängig entweder von bestehenden
Webpräsenzen, Datenbanken oder bei Mitgliedern der Community abzurufen. Eigenes Wissen kann
mit eben diesen Werkzeugen im Internet als aufbereitete Information abgelegt und mit anderen
diskutiert werden.“(http://mediendidaktik.port07.de/docs/neuhaus_2007_04.pdf). Somit braucht
das Individuum bestimmte Schlüsselkompetenzen, um mit den neuen Anforderungen zurecht zu
kommen. Dazu zählen beispielsweise der Umgang mit modernen Medien wie Wikis oder Blogs, eine
gewisse Selektionsfähigkeit, um entscheiden zu können, welche Informationen wichtig und welche
unwichtig sind, aber auch eine soziale Kompetenz, um Netzwerke pflegen zu können. "Different
approaches and personal skills are needed to learn effectively in today's society. For example, the
ability to see connections between fields, ideas, and concepts is a core
skill."(http://www.connectivism.ca/about.html)
2.3.2 Sind Individuen dazu bereit, ihr Wissensnetzwerk gezielt auszunutzen?
Auch zu diesem Punkt findet sich bisher nur positiv gestimmte Literatur, von daher ist davon
auszugehen, dass die negativen Aspekte (z.B. Wissen bedeutender als Freundschaft) überlagert
werden . Auch in anderen Texten, die sich mit der Zusammenarbeit in Lerngruppen beschäftigen (z.B.
Etienne Wenger: Community of Practice,http://www.infed.org/biblio/communities_of_practice.htm)
wird nur auf die positiven Effekte eines gemeinsamen Lernens eingegangen. Es heißt: "Das Lernen
wird immer mehr zu einem kontinuierlichen, lebenslangen Prozess, der in alltägliche Arbeits- und
sogar Freizeitaktivitäten eindringt und sowohl den Einzelnen als auch die Organisation und deren
Verbindungen untereinander beeinflusst. Es entstehen “Communities of Practice”, persönliche
Netzwerke und kollaborative
Arbeitsszenarien."(http://www.elearning2null.de/publikationen/expose/2-lerntheoretischerhintergrund/). Das Individuum profitiert also von der Einbindung in ein Wissensnetzwerk. Es wäre
somit wenig sinnvoll, das Wissensnetzwerk auszunutzen. Dies mag vielleicht bei einem kurzen
Kontakt sinnvoll erscheinen um seine eigenen Ziele durchzusetzen. Ist man aber über längere Zeit
hinweg auf dasselbe Netzwerk angewiesen, sollte das Netzwerk gepflegt werden (vgl. 2.5), schließlich
geht es im Konnektivismus um ein Geben und Nehmen von Wissen.
2.4 Welche Kriterien muss ein Wissensnetzwerk erfüllen, damit es funktioniert?
Netzwerke spielen eine zentrale Rolle im Konnektivismus. Damit sich das Individuum darin wohlfühlt
und ein erfolgreiches Lernen möglich ist, müssen sie jedoch einige Voraussetzungen erfüllen:








Vertrauenswürdigkeit
Zuverlässigkeit
Effektivität und Engagement der Mitglieder
Ähnliche Interessen der Mitglieder
Bereitschaft der Mitglieder sich gegenseitig zu unterstützen, gemeinsam Ideen zu entwickeln und
Probleme zu lösen
ein Regelwerk an das sich alle zu halten haben (z.B. Deadlines,...)
einen Gruppenleiter, der im Zweifelsfall auch mal schlichtet oder Entscheidungen trifft
eine klare Grenze zwischen dem Netzwerk und dem Rest der Welt
Dass aber gerade die beiden letzten von Agyris und Schön beschrieben Aspekte auch negative
Auswirkungen haben könnten, liegt auf der Hand.
Wenn eine Person die Autorität haben muss, dann hat sie die Macht, über Andere zu bestimmen;
wenn es Grenzen zwischen der Gruppe und dem Rest der Welt gibt, können andere kategorischen
ausgeschlossen werden, es könnte z.B. zu einem Digital Divide kommen (s. hierzu auch den Artikel
"Risiken und Nebenwirkungen des Konnektivismus"
aufhttp://netzwerklernen.wikispaces.com/Risiken+und+Nebenwirkungen+des+Konnektivismus).
2.5 Wird die Pflege des Netzwerks zum Zwang?
Siemens sagt, dass "die Pflege und Aufrechterhaltung von Verbindungen unerlässlich zur
Unterstützung der durchgehenden Lernprozesse" ist (http://widawiki.wiso.unidortmund.de/index.php/Konnektivismus). Desweiteren gilt: "Der Aufbau von Konnektionen zum
Erlangen von Informationen oder genauerem Verständnis führt meist zu größeren Belohnungen als
das einfache Suchen. Die Pflege von Konnektionen erleichtert das Lernen."(ebd.). Das bedeutet, dass
der Begriff "Pflege" positiv konnotiert ist und es sinnvoller ist, Verbindungen zu pflegen, als sich "nur
mal eben" Informationen zu besorgen. Neben dem gemeinsamen Lernen stellt der Konnektivismus
den Ausbau von Netzwerken in den Mittelpunkt. Es heißt: "Lernen ist somit die Fähigkeit, diese
Verknüpfungen herzustellen, die Fähigkeit, diese Verbindungen zu nutzen, Informationen über sie zu
schicken. Wissen kann man nach dieser Theorie nicht erwerben, es ist kein Ding, sondern vielmehr das
Wachsen oder Weiterentwickeln dieser Verknüpfungen bzw. Verbindungen, sowohl das Wachsen und
Weiterentwickeln der Verknüpfungen im Kopf, als auch das Wachsen und Weiterentwickeln der
Verbindungen zwischen Personen. Außerdem sagt der Konnektivismus, dass Wissen nicht
propositional ist. Das bedeutet, dass Wissen sich nicht aus Aussagesätzen zusammensetzt. Es setzt
sich, wie gesagt, aus Verknüpfungen, aus Interaktionen zwischen Entitäten zusammen. [...] Die
Verknüpfungen zwischen diesen Entitäten sind buchstäblich das Wissen.
[...]" (http://silkehinrichs.wordpress.com/2009/08/07/was-ist-konnektivismus/). Den Verbindungen
zwischen den Menschen aber auch schlichtweg zwischen den Informationen wird somit die größte
Bedeutung zugewiesen. Ohne Verbindungen wäre effektives Lernen nach der Theorie des
Konnektivismus nicht möglich. Die Pflege des Netzwerks ist also unbedingt
erforderlich(vgl.http://netzwerklernen.wikispaces.com/file/view/BA_Kinne_SS09.pdf). Den Begriff
"Zwang" halten wir in diesem Fall jedoch für zu negativ besetzt und würden der Ausgangsfrage dieses
Abschnitts deshalb nicht zustimmen.
2.6 Ist der Konnektivismus ein sich selbst zerstörendes System?
Wie bereits in Punkt 2.3.1 angesprochen stellt die Theorie des Konnektivismus zahlreiche
Anforderungen an das Individuum. Um bestehen zu können, muss das Individuum einige
Schlüsselkompetenzen besitzen. Besonders wichtig ist hierbei die Fähigkeit, Verbindungen zwischen
Themenfeldern, Ideen und Konzepten zu sehen. Problematisch ist es allerdings bei den Menschen,
die nicht in der Lage sind, diese Verbindungen zu erkennen. Werden sie aus der Wissensgesellschaft
ausgeschlossen? Ähnlich schwierig ist es mit der Bedeutung des Wissens. Es heißt, “the pipe is more
important than the contents (simply because content changes
rapidly)” (http://learningevolves.wikispaces.com/kerr). Diese Aussage legt nahe, dass die
Verbindungen wichtiger werden als das Wissen selbst - und somit das Wissen zu Gunsten der
Verbindungen an Wert verliert (siehe Abbildung). Auch wenn die Theorie des Konnektivismus einige
Risiken und Nebenwirkungen (s. hierzu auch den Artikel "Risiken und Nebenwirkungen des
Konnektivismus
aufhttp://netzwerklernen.wikispaces.com/Risiken+und+Nebenwirkungen+des+Konnektivismus ) mit
sich bringt, so ist aber dennoch nicht von einem "sich selbst zerstörenden System" auszugehen.
3. Schluss
"All learning begins with connection."(George Siemens)
So einfach lässt sich die Theorie des Konnektivismus zusammenfassen. Wie wir in unserer
Ausarbeitung feststellen konnten, ist das Individuum niemals alleine - es ist stets eingebunden in eine
Vielzahl von Netzwerken. Es ist verbunden - im privaten Leben mit Freunden und Familie, im
universitären Leben mit Kommilitonen und Dozenten, in der Freizeit mit Kameraden aus dem Sportoder Musikverein etc. All diese Netzwerke lassen sich zum Lernen nutzen. Das Individuum erhält
Informationen von Anderen - entweder direkt auf Nachfrage oder beiläufig in einem Gespräch. Doch
nicht nur das Individuum profitiert von dem Wissen Anderer. So wie es das Wissen anderer
konsumiert, so gibt es gleichermaßen sein Wissen weiter. Es ist also nicht nur Nutznießer, sondern
gleichzeitig Produzent. Dieses Geben und Nehmen ist eine wichtige Voraussetzung für die
Aufrechterhaltung von Netzwerken. Sie zeigt gleichermaßen aber auch, dass wir mit unserer zuvor
sehr kritischen Einstellung gegenüber dem Konnektivismus, falsch lagen. Das Individuum kann
keinesfalls als Nutztier der Wissensgesellschaft betrachtet werden, da es selbst erst die
Wissensprozesse in Gang bringt, um abschließend wieder selbst davon zu profitieren. Beim Lernen im
Konnektivismus handelt es sich also um einen Kreislauf, in dessen Mittelpunkt das Individuum steht.
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