Predigt – Johannes 6 Danach fuhr Jesus weg über das Galiläische Meer, das auch See von Tiberias heißt. Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Jesus aber ging auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern. Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden. Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben? Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun wollte. Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder ein wenig bekomme. Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele? Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer. Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten. Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe mit Brocken, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren. Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll. Als Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein. Liebe Gemeinde, bis vor ein paar Wochen hätte ich freiheraus bekannt, dass mir keine Sache auf Erden – geschweige denn etwas zum Essen – bekannt wäre, das mehr wird, wenn man es teilt. Abstrakte Dinge hätte ich freilich nennen können: Freude, Spaß, Zufriedenheit … davon weiß ich und wissen wir alle, dass sie mehr werden, wenn man sie miteinander teilt. Aber etwas zum Essen oder Trinken? Nein. Gewiss nicht. Doch ich sollte etwas besseren belehrt werden. Und das im Schatten der Münchauracher Kirche, im Pfarrgarten. Acht Kirschbäume stehen da, wenn ich richtig gezählt habe, und sie hingen in diesem Jahr so über und über voll mit Kirschen, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. So voll sogar, dass zwei Äste abgebrochen sind und unter der Last der Kirschen zu Boden fielen. Gott sei Dank waren weder ich noch meine Katzen oder ein Besucher in dem Moment im Garten am falschen Ort. Damit aber keine Gefahr droht, wollte ich Abhilfe schaffen und schickte eine E-Mail an die Kirchenvorstände heraus – wer mag, darf Kirschen pflücken. Zudem kamen Nachbarn und füllten auch den einen oder anderen Korb. Ich selber, der leicht auf Kirschen allergisch bin, habe mich dann zum Brennen der Kirschen entschlossen und sammle nun eifrig die roten Früchte in eine Tonne. Doch je mehr ich sammle, je mehr Menschen kommen und kamen, um Kirschen zu holen und je öfters Vogelschwärme in den Garten einfallen und sich über die Kirschen hermachten – desto mehr Kirschen entdecke ich. Und das, obwohl der Boden schon überseht ist mit Fallgut und unentwegt Früchte zur Erde stürzen. Trotz all dieser „Hilfen“ werden die Kirschen aber nicht weniger. Jeder abgeräumte Ast legt einen anderen frei – und gefühlt werden es tatsächlich immer und immer mehr. Wobei mit schon klar ist: mehr werden die Fürchte freilich nicht – das Auge aber wird stets zu neuen Stellen geführt. Ob es bei Jesus anders war? Ob vielleicht nach dem ersten Austeilen der Brote und der Fische die Menschen ihre Augen öffneten? Ob sie plötzlich entdeckten, dass da ja noch ein Brot in der einen Tasche und ein Fisch in einer anderen war? Wir wissen es nicht – aber wir trauen Jesus dies Wunder natürlich zu. Auffällig bei dem Wunder ist in jedem Fall, dass es zweimal erzählt wird, einmal mit 4000 und einmal mit 5000 Menschen – und dass es jeder Evangelist kennt. Also nicht nur die Synoptiker Mt, Mk und Lk, sondern auch das recht eigenständige Werk des Joh. Bei den ersten dreien, den Synoptikern, steht das Gleichnis allerdings recht zusammenhangslos im Text – anders bei Johannes. Er, Johannes, bettet es nämlich ein in einen Abschnitt, der auf das Wort Jesu zuläuft: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ Liebe Gemeinde, ob das der tiefe Zielpunkt aller Berichte über die 4000 bzw. 5000 ist, das wissen wir nicht. Möglich ist es in jedem Fall. Vielleicht liegt das Ziel aber auch wo anders – nämlich im Vertrauen. Joh lässt Jesus ja denken, dass er genau wusste, was er tat – er wollte die Jünger nur testen. Testen ist zwar etwas, das einerseits einen faden Beigeschmack hat – andererseits ist es aber auch nötig. Denn nur dann weiß man, ob der andere schon bereit ist, selbstständig zu laufen oder zu handeln. So tun wir es bei Kindern und Schülern. So gilt es aber auch im Glauben. Bei Joh testet Jesus also die Jünger – und über sie werden auch wir getestet. Getestet mit der Frage, ob wir Jesus vertrauen. Ob wir bereit sind, Dinge zu tun, ohne doppelten Boden. Ob wir das, was wir haben, teilen können und daran glauben, dass wir dennoch keinen Mangel haben. Wenn wir heute, liebe Gemeinde, dies nur wörtlich auf das Brot beziehen, dann ist die Antwort schnell klar und einfach: natürlich fehlt uns dann nichts – es gibt genug anderes, das uns zum Essen zur Verfügung steht – auf Brot können wir leicht mal verzichten. Damals aber, da war es anders: Brot und Fisch – das war fast schon alles, was die Menschen am See Genezareth hatten. Mehr zum Essen war selten. Es war mit anderen Worten die Lebensgrundlage schlechthin. Bei uns heute ist die Lebensgrundlage allerdings eine andere. An Essen fehlt es kaum jemanden – was aber fehlt, das ist oftmals die Zeit. Zeit für den anderen, Zeit für ein Gespräch, Zeit, um sich zu engagieren. Wie oft fliegt die Zeit einfach vorbei – und kommt scheinbar nicht mehr zurück. Doch obwohl dem so ist, gibt es dennoch so viele, die hier in unserer Gemeinde mitarbeiten, sich engagieren, für ihre Gemeinde da sind. Menschen, die Zeit teilen, um andere zu beschenken. Ihnen allen darf ich aber heute ganz herzlich danken. Symbolisch werden wir es gleich tun – und zwar mit einem Brot, eingewickelt in ein besonderes Geschirrtuch. Ein Tuch, das eine ganz wichtige Botschaft enthält: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Munde Gottes geht.“ Dieses Wort soll nach unserer Bibel Jesus gesagt haben, als er versucht wurde. Versucht vom Teufel, als er hungrig und durstig in der Wüste 40 Tage ausharrte. Wie leicht wäre es da gewesen, dieses Angebot anzunehmen. Den einfachen Weg zu gehen. Seinen Auftrag außer Acht zu lassen. Aber Jesus tat dies nicht. Vielmehr gab er sich hin. Hin für uns. Um uns ein Beispiel zu geben, wie man für andere da sein kann, und um uns zu erlösen. Erlösen durch den Tod am Kreuz – aus Liebe. Dieser Tod am Kreuz hat übrigens noch so eine mathematische Unwahrscheinlichkeit erbracht. Denn aus dem einen Leben Jesu wurde am Ende ein zweites. Auch hier durchbrach Jesus die Bedingungen der Wirklichkeit – und vermehrte, indem er teilte. Keine Frage: wir sind nicht Jesus – und das, was Jesus tat, können wir so nicht tun. Aber dennoch mögen wir von Jesus eine Sache lernen: Vertrauen. Vertrauen, dass wir nichts verlieren, wenn wir uns einsetzen, sondern dass wir gewinnen. Gewinnen an Tiefe, gewinnen an Freude und gewinnen an Gemeinschaft – mit Gott und untereinander. Von daher wünsche ich ihnen allen, die sie sich im letzten Jahr eingesetzt haben, dass sie genau auch das erfahren haben. Alle anderen, uns alle, möchte ich aber motivieren, mit Freuden zu geben – und zwar das kostbarste, unsere Zeit. Heute etwa hier auf dem Gemeindefest, aber auch sonst im Alltag. Nehmen wir uns Zeit für den anderen, für die, die es brauchen. Geben wir Zeit, wo wir darum gebeten werden. Denn alle Zeit, die wir für Gottes Werk auf Erden tun, ist geschenkte Zeit – Zeit für uns. Gott hat uns umgekehrt mit seiner Zeit beschenkt. Zeit, damit wir leben können. Und Zeit, in der er auf Erden lebte. Und das alles, um uns den Weg zum Leben zu führen: Ich bin das Brot des Lebens, wer zu mir kommt, den wird nicht hungern. Mag Gott unseren Hunger stillen. Den realen, nun gleich beim gemeinsamen Essen. Und den inneren, durch die Gemeinschaft mit ihm. Und mögen wir dabei immer neue Äste entdecken, die vollhängen. Mit Zeit-Kirschen, die kein Ende nehmen. Amen.