Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Soziologie Seminar: „Professionalität in der Kinder- und Jugendhilfe“ Dozent: Tobias Franzheld (M.A.) Verfasserin: Judith Otto Matrikelnr.: 100627 Datum: 10.01.2010 Protokoll zum Seminar vom 05.01.2010 In der Sitzung vom 05.01.2010 ging es um das Thema Positionen der Professionssoziologie IV: Soziale Arbeit professionalisierungsbedürftig und professionalisierungsfähig? Als Textgrundlage diente Ulrich Overmanns Professionalisierungsbedürftigkeit und Professionalisiertheit pädagogischen Handelns. Es wurden zwei Erklärungsansätze vorgestellt, an denen zu erkennen ist, warum es sich bei manchen Berufen um Professionen handelt. Zum Einen gibt es hier die ideologiekritische Erklärung. Dabei entwickelte sich eine Profession mit den Merkmalen Macht, Einfluss und Einkommen, welche also erstrebenswerte Privilegien für einen Beruf sind, die gleichzeitig eine Monopolstellung eingenommen hat. Und zum Anderen stellt der materielle Grund für diese Merkmale einen Erklärungsansatz dar. Um als Profession zu gelten, sind zwei materiale, also die Lebenspraxis betreffende Wertbezüge wichtig. Es muss hier die somato- psycho- soziale Integrität der Lebenspraxis gewährleistet werden, also körperliche, seelische und soziale Bereiche, auf die sich die Autonomie stützt. So zum Beispiel die Gesundheit. Und auch die Gerechtigkeit im Zusammenleben im gemeinschaftlichen Verband muss gewährleistet werden. Diese beiden Wertbezüge spielen natürlich erst eine Rolle, wenn eine Krise im Leben des Individuums auftritt und sobald diese Krise nicht mehr vom Einzelnen selbst gelöst werden kann muss eine methodische Bearbeitung von Geltungsansprüchen erfolgen und für diese Bewältigung ist ein Deutungs- und Erfahrungswissen notwendig, es muss also ein Experte eingreifen. Hierfür nennt Overmann zwei Modelle und zwar zum Einen die ingenieurale Wissensanwendung, wobei hier der Vergleich zwischen einem Automechaniker und einem Arzt genannt wurde. Als Ergebnis stellte sich heraus, dass das Wissen des Arztes im Vergleich zu dem des Mechanikers nicht standardisiert werden kann, da es bei ihm um die Gesundheit eines Menschen geht und dies immer ein individueller Vorgang ist. Der Mechaniker dagegen wendet immer das gleiche Wissen an, da es hier um die Arbeit an Maschinen geht. Zum Anderen wird das Modell der Logik genannt, das heißt, dass ein Professioneller bei nichtstandardisierten Problemen notwendig ist, wodurch jedoch auch die Autonomie des Klienten verloren geht. Overmann sagt hier, dass der Professionelle nur unterstützen darf und eine Selbsthilfe fördern soll. Dies erfolgt beispielsweise durch das Anvertrauen an Anwälte oder Ärzte. Die Professionalisierung wird hier als eine 3-stufige Krisenbewältigung dargestellt und zwar die Naturwüchsigkeit der primären Lebenspraxis, die klientenbezogene stellvertretende Krisenbewältigung und wenn das methodisierte Wissen selbst in eine zu lösende Geltungskrise gerät, zum Beispiel in der Forschung werden dadurch neue Lösungen gefunden. Im Seminar wurde über die Professionalisierungsbedürftigkeit der pädagogischen Praxis gesprochen. Overmann bezieht sich hier also auf den Bereich der Schule. Es muss hier erst geprüft werden inwieweit sie professionaliserungsbedürftig ist und worin diese Professionalisierung bestehen muss. Professionalisierungsbedürftig ist sie, wenn sie die somato-psycho und soziale Integrität gewährleisten kann und die Professionalisierung besteht darin, dass Pädagogen notwendig sind, da bei den Heranwachsenden immer wieder Krisen auftreten und die Familie an sich keine Expertenhilfe darstellt. Es muss also ein Experte von außerhalb herangezogen werden. Anhand dieser Merkmale stellte sich heraus, dass die pädagogische Praxis noch nicht professionalisierungsfähig, jedoch professionaliserungsbedürftig ist. Es ist also im Bereich der Schule eine Krisenbewältigung durch einen Experten notwendig, wobei eine soziale Beziehung in den schulischen Unterricht eingebettet ist. Die Beziehung zum Lehrer erhält somit einen sozialisatorischen Stellenwert. Dem Pädagogen kommt auch eine therapeutische Funktion zu. Ein Hauptargument Overmanns war, dass das Arbeitsbündnis zwischen Experten und Klienten durch diffuse und spezifische Sozialbeziehungen geprägt ist. Diffuse betrachten den Klienten als ganzen Menschen und Spezifische sehen ihn als Rollenträger. Eine Voraussetzung für dieses Bündnis ist die Neugierde des Schülers. Jedoch sagt Overmann, dass durch die Schulpflicht, also durch einen Zwang, der Schüler seine Neugierde verliert und den Schulbesuch nur als Pflicht sieht. Overmann sieht die Abschaffung der Schulpflicht als Voraussetzung für die Professionalisierung der pädagogischen Praxis. Es wurde jedoch im Seminar festgestellt, dass bei einer Abschaffung der Schulpflicht das Kind sich nicht von sich aus entscheiden würde die Schule zu besuchen, sondern das Kind würde dann von den Eltern zur Schule geschickt werden. Die Neugierde und die soziale Beziehung hängen auch vom Alter des Schülers ab. Mit zunehmendem Alter erfolgt also auch ein selbständiger Wissenserwerb. Es wurden Gründe genannt, warum keine Professionalisierung in der pädagogischen Praxis erfolgt. Diese waren zum Beispiel die Schulpflicht, die einen Zwang darstellen und dass sich die Lehrer nicht als autonome Gestalter sehen, sondern immer an Organisationen gebunden sind, so müssen sie sich beispielsweise an feste Lehrpläne halten und können den Unterricht nicht selbst gestalten. Der Hauptgrund liegt jedoch darin, dass die Krise als ein Zeichen individuellen Scheiterns des Lehrers und nicht als Routine wie bei einem Arzt angesehen wird. Der Pädagoge befindet sich also selbst in einer Krise, wodurch es zu einer Überforderung kommt und es keine Lösungssuche gibt. Zum Abschluss wurde gesagt, dass man durch diesen Hauptgrund und die Gebundenheit an eine Organisation bei der pädagogischen Praxis eher von einer Semiprofession sprechen kann.