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FB Gk BGB I (Haberl/Schmid/Dr. Suyr), WS 15/16
FB 8 – Das Missverständnis, Die Mietwohnungen –
Lösungsskizze
Fall 1: „Das Missverständnis“
B könnte gegen M einen Anspruch auf Übereignung und Übergabe weiterer 100 kg Weizenmehl zum Preis von 0,50 €/kg aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB haben.
Anspruch entstanden?

Wirksamer Kaufvertrag

2 korrespondierende WE
A. Kaufvertrag
I. wirksames Angebot des B
1. Angebot
a) Bestimmtheit (+)
b) Rechtsbindungswillen (+)
2. Wirksamkeit des Angebots, § 130 BGB
a) Abgabe (+)
b) Zugang?

Beurteilung nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB ?

gilt unmittelbar nur bei WE in Abwesenheit.

Arg. ex § 147 Abs. 1 S. 2 BGB: Regeln über WE unter Anwesenden gelten
beim Telefonat.

Aber: keine Regelung über Zugang unter Anwesenden.
© Göppert
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FB 8 – Das Missverständnis, Die Mietwohnungen –
Lösungsskizze
str.:
Strenge Vernehmungstheorie
Eingeschränkte Vernehmungstheorie (h.M.)
Zugang nur bei tatsächlich richtiger Wahr-
Zugang der Erklärung, sobald Erklärender
nehmung durch den Empfänger.
damit rechnen kann und darf, richtig verstanden worden zu sein.
Folge: Erklärender trägt gesamtes Risiko.
Folge: Verteilung der Empfangsrisiken.
Hier: Angebot des B nicht zugegangen.
Hier: B konnte davon ausgehen, dass M ihn
richtig verstanden hat, da keine Anhaltspunkte für das Gegenteil.
Argumentation:
 Ausgangspunkt der strengen Theorie richtig; andere Behandlung als bei Zugang unter Abwesenden nötig, da kein geschriebenes Wort, was man nachlesen kann.
 Aber: Gedanke des Verkehrsschutzes und der Zurechenbarkeit berücksichtigen.
 Daher eingeschränkte Vernehmungstheorie mit der Pflicht bei Zweifeln/Unsicherheit, ob man richtig verstanden wurde, nachzufragen.
II. wirksame Annahme des M
1. Annahme
a) Rechtsbindungswillen (+)
b) Inhalt der Annahme
 Wille des M: Verkauf von nur 100 kg.
 B hat Annahme über 200 kg wahrgenommen.
Auslegung: §§ 133, 157 BGB objektiver Empfängerhorizont
 wie Empfänger (B) nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die
Verkehrssitte die Erklärung (M) zu verstehen hatte.
© Göppert
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Hier: Annahme über 200 kg
2. Wirksamkeit der Annahme (+)
B. Wirksamkeit des Kaufvertrages ?
Nichtigkeit gem. § 142 Abs. 1 BGB?
1. Anfechtbares Rechtsgeschäft, § 142 Abs. 1 BGB
2. Anfechtungserklärung, § 143 BGB
a)
nicht ausdrücklich
b)
eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass dieses Geschäft nicht gewollt war? (+)
3. Anfechtungsgrund, § 119 ff. BGB
 Inhaltsirrtum, § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB bei Abgabe der Annahmeerklärung.
 Kausalität/Erheblichkeit des Irrtums
Diese Erklärung „…bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung
nicht abgegeben…“???
 Normalerweise bei größerer Menge günstigerer Preis; außer, wenn M
selbst weitere 100 kg nur gegen gestiegene Kosten beschaffen kann.
Hier: dafür kein Anhaltspunkt im Sachverhalt.
 Motiv des M also allein nachträgliche Gewinnsteigerung mit Hilfe einer
Anfechtung; zumal er Preis von 0,50 € auch inseriert.
 keine Kausalität zw. Irrtum und Abgabe der Erklärung.
Zwischenergebnis: Irrtum nicht erheblich, weil bei richtigem Verstehen nach
verständiger Würdigung auch Annahme erfolgt wäre.
Ergebnis: B kann von M Übereignung und Übergabe weiterer 100 kg Weizenmehl zum Preis
von 0,50 €/kg aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen.
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Fall 2: Die Mietwohnungen
1. Teil: Mietverhältnis Freya – Martha
F könnte gegen M einen Anspruch auf Zahlung des Mietzinses aus § 535 Abs. 2 BGB haben.
Anspruch entstanden?
Wirksamer Mietvertrag?
I. Mietvertrag
Mietvertrag über Wohnraum (§§ 535, 549, 550 BGB)
Hier: laut Sachverhalt abgeschlossen.
II. Wirksamkeit des Mietvertrages?
Nichtigkeit gem. § 142 Abs. 1 BGB?
1. Anfechtbares Rechtsgeschäft, § 142 Abs. 1 BGB
2. Anfechtungserklärung, § 143 Abs. 1 und 2 BGB
a) nicht ausdrücklich unter Verwendung des Wortes „Anfechtung“.
b) konkludent
 wenn sich eindeutig ergibt, dass Festhalten am Vertrag nicht gewollt; hier
(+)
3. Anfechtungsgrund, § 123 BGB
widerrechtliche Drohung
a) Drohung = das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das Drohender Einfluss
zu haben vorgibt.
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b) Widerrechtlichkeit wegen:

Mittel (angedrohtes Verhalten)

Zweck

Zweck-Mittel-Relation
Hier:
 Widerrechtlichkeit des Mittels unklar (ordentliche Kündigung
auch ohne Grund, es sei denn Anwendbarkeit KSchG).
 Jedenfalls Widerrechtlichkeit der Zweck-Mittel Relation. (+)
c) Durch Drohung zur Abgabe der WE bestimmt (+)
d) Problem: Drohung nicht durch den Vertragspartner
 Wortlaut: § 123 Abs. 1 BGB Drohung durch Dritte umfasst.
 Systematik: § 123 Abs. 2 BGB schränkt nur bei Täuschung durch Dritte den
Anwendungsbereich des § 123 Abs. 1 BGB ein; daher bei Drohung durch Dritte auch Anfechtung nach Abs. 1.
 Sinn und Zweck § 123: Schutz der freien Selbstbestimmung  Drohung
schlimmer als Täuschung, daher keine Einschränkung wer droht.
4. Anfechtungsfrist, 124 BGB (+)
„binnen Jahresfrist“
Ergebnis: F hat gegen M keinen Anspruch auf Zahlung des Mietzinses aus § 535 Abs. 2 BGB.
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2. Teil: Mietverhältnis Knut - Stefan
K könnte gegen S einen Anspruch auf Zahlung des Mietzinses aus § 535 Abs. 2 BGB haben.
A. Anspruch entstanden?
Wirksamer Mietvertrag?
I. Mietvertrag
Mietvertrag über Wohnraum (§§ 535, 549, 550 BGB)
II. Wirksamkeit des Mietvertrages
Nichtigkeit gem. § 142 Abs. 1 BGB?
1. Anfechtbares Rechtsgeschäft, § 142 Abs. 1 BGB
2. Anfechtungserklärung, § 143 Abs. 1 und 2 BGB
a) nicht ausdrücklich unter Verwendung des Wortes „Anfechtung“.
b) konkludent
 wenn sich eindeutig ergibt, dass Festhalten am Vertrag nicht gewollt; hier
(+)
3. Anfechtungsgrund, § 119 Abs. 2 BGB
 Wohnung gefällt der Freundin nicht.
Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft?
Eigenschaften in diesem Sinne sind:

alle wertbildenden Faktoren,

die einer Sache oder Person für eine gewisse Dauer unmittelbar anhaften und

für ihre Wertschätzung erheblich sind,
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
nicht aber der Wert selbst.
Hier: persönliches Missfallen der M kein wertbildender Faktor, der der Wohnung auf
gewisse Dauer unmittelbar anhaftet.
 Vorstellung des S, dass M die Wohnung gefällt ist nur Motiv für Abschluss
des Vertrages = Motivirrtum.
 nicht unter § 119 Abs. 2 BGB subsumierbar  unbeachtlich!
Anfechtungsgrund (-)
B. Anspruch erloschen?
Mietverhältnis gem. § 542 Abs. 1 BGB durch Kündigung beendet?
1. Kündigungserklärung, §§ 542 Abs. 1, 549 Abs. 1 BGB
 konkludent, Wille sich vom Vertrag zu lösen (+).
2. Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 125 S.1 BGB
§ 568 Abs. 1 BGB verlangt Schriftform gem. § 126 Abs. 1 BGB.
Hier: (-)
 Anspruch entstanden und nicht mittels Kündigung erloschen.
Ergebnis: K hat gegen S einen Anspruch auf Zahlung des Mietzinses aus § 535 Abs. 2 BGB.
© Göppert
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