Vorlesung 7

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Psychiatrie
Vor 7
Organische psychische Störungen
Definition: Als organische Psychosyndrome werden
psychopathologische Syndrome/Erkrankungen bezeichnet,
die durch krankhafte Veränderungen des Gehirns bzw. des
Gesamtorganismus verursacht werden, d. h. durch eine
diagnostizierbare zerebrale oder systemische Krankheit.
Trotz unterschiedlicher körperlicher Ursachen können
gleichartige psychopathologische Syndrome entstehen.
Der empirische Gehalt des Begriffs „organisch" wird durch
die Nachweisbarkeit einer körperlichen Ursache festgelegt
und ist daher historisch wandelbar. z. B. die epileptischen
Psychosen
Bei einem Teil der Patienten ist es im klinischen Alltag unmöglich,
die zugrunde liegende Abnormität des Gehirns oder
Gesamtorganismus zu diagnostizieren (z.B. in der Frühphase
der Alzheimer-Demenz).
Klassifikation organischer psychischer Störungen
Die Klassifikation organischer Störungen basiert traditionell u.a. auf der
Einteilung in: -akute und chronische
-hirnlokale und hirndiffuse
-primäre und sekundäre Psychosyndrome.
Die „akuten Psychosyndrome" sind in der Regel durch rasch einsetzende
und nach einer gewissen Zeit wieder abklingende, die „chronischen
Psychosyndrome„ dagegen meist durch schleichend beginnende,
andauernde oder fortschreitende Krankheiten hervorgerufen.
Bei der Festlegung der Syndrombegriffe im DSM-IV und in der ICD-10
wurden auch andere Kriterien herangezogen. Hierzu gehören z.B.
Feststellungen über das Vorliegen organpathologischer Befunde,
Verlaufscharakter oder Erkrankungsalter. Aus dieser Betrachtung mehrerer
Ebenen entstanden komplexe Charakteristika psychoorganischer
Syndrome.
Im Zentrum der aktuellen Klassifikationen (ICD-10, DSM-IV) stehen die drei
Syndrome, die durch das Vorherrschen von Störungen höherer kognitiver
Funktionen gekennzeichnet sind: Delir, Demenz und Amnesie
Untergliederung der Symptomatik in zwei Syndromgruppen:
Psychoorganische Syndrome ersten Ranges: Störungen des
Bewusstseins oder Beeinträchtigungen höherer kognitiver Leistungen
stehen im Vordergrund. Hierzu gehören Delir,demenzielles Syndrom,
und organisches amnestisches Syndrom
Psychoorganische Syndrome zweiten Ranges: Gekennzeichnet
durch Störungen von Wahnehmung, Denkinhalten, Emotionalität,
Persönlichkeit und Sozialverhalten. Störungen des Bewusstseins
oder Beeinträchtigungen höherer kognitiver Leistungen sind nur
gering ausgeprägt oder nicht sicher nachweisbar:
-organische Persönlichkeitsveränderungen
-organische Halluzinose
-organisches Wahnsyndrom
-affektive Erscheinungsbilder
-senile benigne Vergesslichkeit.
Streng genommen gibt es keine psychopathologische Veränderung, die
für organische psychische Störungen absolut spezifisch ist.
Akute organische Psychosyndrome
Definition: Die akuten organischen Psychosyndrome beruhen auf
akuten organischen Veränderungen des Gehirns. Das Vollbild ist
charakterisiert durch plötzlichen Beginn und fluktuierende Störungen
der kognitiven Fähigkeiten, der Psychomotorik und der Affektivität.
Sie sind gewöhnlich reversibel, wenn die Ursache wegfällt oder
erfolgreich behandelt wird.
Man unterscheidet akute organische Psychosyndrome:
-mit Bewusstseinsveränderung (Delir)
-ohne Bewusstseinsveränderung (z.B. Halluzinosen, amnestische
Zustände, affektive Durchgangssyndrome).
Historisches: Die Psychopathologie akuter organischer Psychosen
wurde insbesondere durch Bonhoeffer geprägt. Er erkannte bei allen
psychischen Veränderungen, die durch akute körperliche Krankheiten
hervorgerufen werden, eine geringe Zahl immer wiederkehrender,
ätiologisch unspezifischer Symptome und Verlaufsmuster.
Epidemiologie: Die Prävalenz akuter organischer
psychischer Störungen zwischen dem 18. bis 64.
Lebensjahr ist sehr gering und beträgt unter 1 %,. Bei
den über 64-Jährigen schwanken die Angaben
zwischen 1 bis 16%.
Atiopathogenese: Die Ätiologie ist multifaktoriell.
Patienten mit hirnorganischen Verletzungen,
alkohol- oder drogenabhängige Patienten sind
besonders gefährdet. Auch postoperativ kann es zu
einem akuten organischen Psychosyndrom kommen.
Psychopharmaka (z.B. mit anticholinerger Wirkung)
aber auch nichtpsychoaktive Substanzen können
zu einem akuten organischen Psychosyndrom führen
Symptomatik und klinische Subtypen
Das akute organische Psychosyndrom setzt gewöhnlich plötzlich ein. Häufig
gibt es prodromale Symptome (z. B. Angst, Unruhe).
-Zeitliche und örtliche Orientierung sind in der Frühphase zunehmend
gestört.
-Im Verlauf kommt es u. a. zu inkohärentem und verlangsamten Denken und
Desorganisiertheit.
-Wahrnehmungsstörungen, einschließlich Illusionen und Halluzinationen
(meist visueller Art) sind häufig.
-Auch die Psychomotorik ist gewöhnlich gestört (z.B. lethargisch oder
hyperaktiv).
-Die am häufigsten auftretenden Gefühle im Rahmen ausgeprägter
Psychosyndrome sind Furcht und Angst.
-Häufig kommt es auch zu autonomen Dysregulationen (z. B. Schwitzen,
Erbrechen). Auch der Schlaf-Wach-Rhythmus ist meist gestört.
Die Fluktuation der Symptomatik ist ein typisches Zeichen des akuten
organischen Psychosyndroms.
Für den Zeitraum des akuten organischen Psychosyndroms besteht partielle
Amnesie.
Akute organische Psychosyndrome mit
Bewusstseinsstörung (Delir)
Alle organischen Psychosyndrome, die mit einer
Bewusstseinstrübung einhergehen werden als Delir
bezeichnet.
Die Bewusstseinsstörung kann mehr in einer quantitativen
Herabsetzung der Bewusstseinshelligkeit (Somnolenz,
Sopor, Koma) oder in einer mehr qualitativen Veränderung
des Erlebens zum Ausdruck kommen.
Weiterhin kommen Wahrnehmungsstörungen mit Illusionen
und Halluzinationen (meist auf optischem Gebiet),
Behinderungen des abstrakten Denkens mit Verwirrtheit des
Gedankengangs,
Veränderungen der Psychomotorik und des Schlaf-WachRhythmus sowie emotionale Störungen (z.B. Angst,
Reizbarkeit) vor.
Nachträglich können alle Formen ausgeprägter akuter
Psychosyndrome an der charakteristischen partiellen oder
totalen Amnesie erkannt werden.
Traditionelle Subsyndrome:
-Bewusstseinsminderung verschiedenen Grades von Somnolenz
bis Koma
-Verwirrtheitszustand (amentielles Syndrom): Delir ohne
Halluzination und Wahn.
-Delir im engeren Sinn: Verwirrtheit, allgemeine Unruhe, vegetative
Symptome und Halluzinationen stehen im Vordergrund.
-Dämmerzustand: Änderung des Bewusstseinszustandes, der
Patient ist nicht schläfrig oder benommen, es fehlt ihm aber die volle
Bewusstseinsklarheit. Trotzdem besteht Handlungsfähigkeit. Da sich
der Patient nach außen besonnen benimmt, werden
Dämmerzustände häufig nicht erkannt.
Akute organische Psychosyndrome ohne
Bewusstseinsstörung
Die Unterteilung erfolgt nach der vorrangigen Symptomatik:
-organische Halluzinose
-akutes amnestisches Syndrom
-affektive, aspontane, paranoide und pseudoneurasthenische
Psychosyndrome
Diagnostik und Differenzialdiagnose
Diagnostik: Die Diagnose wird gewöhnlich durch das Vorhandensein
der typischen Symptome gestellt. Eine ausführliche klinische
Diagnostik, einschließlich apparativer Verfahren und Labortests ist in
jedem Fall erforderlich.
Differenzialdiagnose: Sowohl Delir als auch Demenz zeigen kognitive
Störungen, die Veränderungen sind bei der Demenz aber konstanter,
zunehmend und fluktuieren nicht. Der demente Patient hat
normalerweise keine Bewusstseinsstörung Die Demenz hat
gewöhnlich einen schleichenden Beginn, die Dauer beträgt mehr als
6 Monate.
Ganser-Syndrom: Pseudodementes Syndrom, gekennzeichnet durch
Vorbeihandeln, Nichtwissenwollen.
Bei der Schizophrenie sind die Patienten orientiert, zeigen typische
Denkstörungen und die intellektuellen Fähigkeiten sind meist weniger
beeinträchtigt
Therapie
Erkennen der Ursache und Einleitung der entsprechenden Therapie.
Neben der kausalen Therapie sind allgemeine und symptomatische
Maßnahmen nötig (z.B. geeignete Ernährung, ausgeglichener Elektrolytund Flüssigkeitshaushalt). Um dem Patienten zu helfen, die Orientierung
aufrechtzuerhalten, kann es z.B. sinnvoll sein einen Fernseher aufzustellen
oder den Patienten mit seinem Namen anzusprechen.
Pharmakotherapie: Zur symptomatischen Behandlung von Unruhe und
psychotischen Symptomen eignen sich stark antipsychotisch, aber möglichst
wenig anticholinerg wirkende Neuroleptika (z. B. Haloperidol).
Schlaflosigkeit und Unruhe können am besten mit Clomethiazol behandelt
werden. Alternativen sind, besonders bei älteren Patienten, mittelpotente
Neuroleptika wie Melperon oder Pipamperon.
Bei akuten organischen Psychosyndromen ohne Bewusstseinsstörung wird
eine syndromorientierte Therapie durchgeführt (z.B. Neuroleptika,
Antidepressiva).
Verlauf
Das akute organische Psychosyndrom ist reversibel, wenn die Ursache
behandelt wird. Unbehandelt kann es spontan abklingen oder in ein
chronisches hirnorganisches Syndrom übergehen.
Demenzielle chronische organische
Psychosyndrome/Demenzen
Definition: Das Demenz-Syndrom ist durch das Fehlen einer
Bewusstseinstrübung gekennzeichnet, charakteristisch ist eine
objektiv nachweisbare erworbene Beeinträchtigung des
Gedächtnisses, sowie ein zunehmender Verlust früherer intellektueller
Fähigkeiten, Veränderungen der Persönlichkeit (Motivation,
Psychomotorik, emotionale Kontrolle, Sozialverhalten).
Hat das Psychosyndrom ein solches Ausmaß, dass Einschränkungen
in der Alltagsbewältigung vorliegen, dann wird in den modernen
Klassifikationssystemen von Demenz gesprochen.
Historisches: Eugen Bleuler erkannte 1916 das ätiologisch unspezifische
hirnorganische Psychosyndrom.
Die moderne Definition des Demenzsyndroms bezeichnet jetzt ein
erworbenes komplexes Störungsmuster höherer psychischer
Funktionen. Die Störungen können reversibel oder irreversibel sein,
müssen aber das Gedächtnis betreffen und dürfen nicht mit einer
Bewusstseinsstörung einhergehen.
Subtypen der Demenz:
Je nach den führenden Symptomen kann man drei
psychopathologische Subtypen unterscheiden:
-Kortikale Demenz
-Frontale Demenz
-Subkortikale Demenz
Weiterhin wird unterschieden zwischen:
-primärer Demenz: Ursache der Erkrankung liegt direkt im
Gehirn (degenerativ und/oder vaskulär) und
-sekundärer Demenz: Folge einer anderen körperlichen
Erkrankung.
Epidemiologie:
Jeder zehnte über 65-Jährige leidet an kognitiven Störungen bis
hin zu einer Demenz.
Die Prävalenz demenzieller Syndrome liegt im Alter von 65-70
Jahren bei 2-6%, bei über 85-Jährigen über 40% (Abb. 4.61).
Weil die Zahl älterer Menschen ständig zunimmt, wird die Demenz
ein Hauptproblem der öffentlichen Gesundheitsfürsorge.
Die häufigste Form sind die primär degenerative Demenz vom
Alzheimer-Typ (60%) und mit 10-20% die Multiinfarkt-Demenz
(Abb. 4.62).
Verschiedene Ursachen der Demenz
Störung der Hirndurchblutung, primär degenerative kortikale Erkrankungen,
subkortikale Dystrophie, Systematrophien, Hirntraumen, Infektionen,
Intoxikationen, Störung der Liguorzirkulation, intrakraniale Neoplasmen,
extrazerebrale Tumoren, Vitaminmangelzustände,
metabolische/endokrinologische Enzephalopathien
Beispiele für zugrunde liegende Erkrankungen
zerebrovaskuläre Erkrankungen, vaskuläre Demenz, senile und präsenile
Demenz vom Alzheimer-Typ, Morbus Pick, präsenile argyrophile
subkortikale Dystrophie (Seitelberger), progressive supranukleäre
Blicklähmung, Morbus Parkinson, Chorea Huntington, Hirnkontusion,
subdurales Hämatom, Enzephalitis, progressive Paralyse, CreutzfeldtJakob-Krankheit,Alkohol, Medikamente, CO, Schwermetalle, organische
Lösungsmittel, Normaldruck-Hydrozephalus, Hirntumoren,
Schädelbasistumoren, karzinomatöse Meningitis, paraneoplastisches
Syndrom, Vitamin-B12 Mangel (Perniziosa), Nikotinsäuremangel (Pellagra),
Folsäuremangel, Vitamin-B1 Mangel, Eiweißmangel, Hypoglykämie,
Leberinsuffizienz, Niereninsuffizienz, Hyperlipidämie, Morbus Addison,
Schilddrüsenerkrankungen, Hypo- und Hyperparathyreoidismus
Symptomatik
In milden oder frühen Formen der Demenz bestehen Schwierigkeiten im
Aufrechterhalten der geistigen Leistungsfähigkeit.
Charakteristische Symptome der Demenz sind:
Störungen des Gedächtnisses und der höheren intellektuellen Funktionen.
Die Gedächtnisstörungen sind teilweise mitverantwortlich für räumliche und
zeitliche Orientierungsstörungen. Eine Bewusstseinsstörung fehlt.
Neuropsychologische Störungen:
-Aphasien (z. B. Wortfindungsstörungen)
-Agnosien (Nichterkennen von Gegenständen oder Personen)
-Apraxien (komplexe Handlungsabläufe sind nicht durchführbar)
-Alexie (Lesestörung)
-Agraphie (Schreibstörung)
-Akalkulie (Rechenstörung)
-konstruktive Apraxie.
Vermeidungsstrategien werden entwickelt, um kognitive Defizite nicht
offensichtlich werden zu lassen (z. B. Witzemachen).
Eine dritte Gruppe von Symptomen betrifft Veränderungen der Persönlichkeit
(affektive Änderungen, Störungen der Impulskontrolle oder sonstige
Persönlichkeitsveränderungen).
Erscheinungsbild und Verhalten des Patienten können Hinweise geben (z. B.
Gesichtsausdruck, unbeherrschte Ausdrucksart). Zum Teil kommt es zu
paranoiden Einbildungen (z. B. Eifersuchtswahn).
Als Folge der kognitiven Störungen kann es zudem zu Störungen der Kritikund Urteilsfähigkeit kommen. Schwer demente Patienten können
mutistisch werden
Ein Verlust an Urteilskraft, Impulskontrolle und eine Missachtung sozialer
Regeln finden sich häufig bei frontaler Demenz (z. B. Morbus Pick).
Die subkortikale Demenz ist charakterisiert durch beeinträchtigte
Aufmerksamkeit, Verlangsamung des psychomotorischen Tempos,
erschwerte Umstellungsfähigkeit und affektive Störungen. Gedächtnis- und
Denkstörungen kommen, wenn überhaupt, nur in geringem Maß vor. Tritt
häufig bei Parkinson-Patienten und beginnender Multiinfarkt-Demenz auf.
Diagnostik und Differenzialdiagnose
Diagnostik: Die Diagnose beruht auf der Anamnese und den Angaben aller
verfügbaren Informanten (v. a. der Angehörigen), dem
psychopathologischen Befund und dem Ergebnis der neuropsychologischen
Untersuchung
Zum Ausschluss behandelbarer Ursachen müssen laborchemische
Untersuchungen sowie eine CCT oder MRT durchgeführt werden
Die diagnostischen Kriterien der Demenz
betrachten die Demenz als erworbenes Symptommuster, das aus kognitiven
und nicht kognitiven Störungen zusammengesetzt sein kann.
Die kognitiven Störungen müssen sich in einer reduzierten
Alltagskompetenz niederschlagen. Um die Diagnose zu stellen müssen
Gedächtnisstörungen vorliegen. Eine Bewusstseintrübung muss
ausgeschlossen werden
Veränderungen im Leistungsniveau und Verhalten
Eine Verhaltens- oder Persönlichkeitsveränderung sollte v. a. bei
Patienten über 40 Jahren die Frage nach einer Demenz aufwerfen.
Klagen des Patienten über intellektuelle Einbußen und Vergesslichkeit
müssen ernst genommen werden.
Gedächtnisstörungen werden getestet, indem man das Lernen neuer
Informationen (Kurzzeitgedächtnis) prüft und persönliche Daten oder
allgemein bekannte Fakten abfragt (Langzeitgedächtnis)
Als orientierender Test hat sich der Mini-Mental-Status-Test (MMSE)
bewährt.
Die neuropsychologische Testung zielt u.a. auf die Messung der
Gedächtnisleistung (z. B. Benton-Test) und der Intelligenz (z. B.
Hamburg-Wechsler-Intelligenztest
Differenzialdiagnose:
Das Delir unterscheidet sich von der Demenz u.a. durch:
plötzliches Auftreten, Bewusstseinstrübung, relativ kurze Dauer,
Schwankungen der kognitiven Leistungsfähigkeit, auffällige Störung der
Aufmerksamkeit,(visuelle) Halluzinationen u. a.
Chronische organische psychische Störungen (z.B. organische
affektive Erkrankungen, leichte kognitive Störungen)
Die Unterscheidung zwischen Demenz und Depression ist oft
problematisch Besonders kompliziert wird es, wenn sich ein depressives
Syndrom in Form einer sogenannten „depressiven Pseudodemenz"
äußert. Es handelt sich um ein depressives Bild, bei dem kognitive
Leistungseinbußen eindeutig im Vordergrund stehen. Hier kann die
Diagnose manchmal nur durch den weiteren Verlauf geklärt werden.
Allgemeine Hinweise zur Therapie
Die Ursachen behandelbarer demenzieller Zustände müssen
frühzeitig erkannt und therapiert werden
Die symptomatische Therapie erfolgt mit
Nootropika/Antidementiva. Liegt eine depressive oder
paranoide Symptomatik vor, wird zusätzlich mit
Psychopharmaka behandelt.
Wichtig ist die Aufklärung und Beratung der Patienten und ihrer
Angehörigen.
Verlauf
Die Demenzerkrankung kann progredient, konstant oder
reversibel sein. Ungefähr 10% aller Demenzen sind reversibel,
wenn rechtzeitig mit der Behandlung begonnen wird.
Spezielle Erkrankungen Alzheimer-Demenz
Definition: Es handelt sich um eine primär degenerative, zerebrale
Erkrankung mit typischen neuropathologischen Kennzeichen
(Hirnatrophie, pathologische Fibrillenveränderungen, amyloide
Plaques).
Historisches: Das Krankheitsbild wurde 1906 von Alois Alzheimer
erstmals als präsenile Demenz beschrieben.
Epidemiologie: Häufigste Demenzform im Alter. Sie umfasst bis zu
60% der Demenzen im Alter.
Ätiopathogenese: Eine multifaktorielle Genese mit einer genetischen
Komponente ist wahrscheinlich die Ursache der Erkrankung. Heute
sind verschiedene genetische Veränderungen bekannt
(Veränderung bestimmter Proteine auf den Chromosomen 1 und 2
[Presenilin], 14 und Chromosom 21 [Amyloid-Precursor-Protein]).
Es handelt sich um eine primär degenerative Erkrankung des
Gehirns. Typisch sind Alzheimer-Fibrillen und amyloide
Plaques. Alzheimer-Fibrillen sind neurofibrilläre Strukturen
aus paarigen, spiraligen Proteinsträngen. Die amyloiden
Plaques kommen hauptsächlich im zerebralen Kortex und
Hippocampus vor, in geringerem Maß auch im Corpus striatum,
in der Amygdala und im Thalamus.
Alle derzeit bekannten genetischen Mutationen sind an einem
gemeinsamen pathogenetischen Mechanismus beteiligt: Sie
führen zu einer gesteigerten Ablagerung von Amyloid im
Gehirn. Ein anderes für die Ätiopathogenese relevantes Protein
ist das Tau-Protein.
Der bedeutendste Risikofaktor für das Auftreten der AlzheimerErkrankung ist neben höherem Lebensalter und DemenzErkrankungen bei Verwandten 1. Grades das e4-Allel des
Gens für Apolipo-Protein-E (Apo-E) auf Chromosom 19.
Es müssen auch andere biologische Aspekte mit
einbezogen werden (z. B. Transmitterveränderungen, ).
Hypothetische Ursachen wie Aluminium-Belastung,
entzündliche bzw. autoimmunologische Prozesse oder
eine Slow-Virus-Infektion wurden bisher nicht bewiesen.
Neben den beschriebenen neuropathologischen
Veränderungen sind verschiedene NeurotransmitterSysteme betroffen. Insbesondere besteht ein Mangel an
Azetylcholin. Cholinerg wirksame Medikamente können
die kognitiven Störungen von Alzheimer-Patienten
reduzieren.
Symptomatik:
Häufig ist eine schleichend zunehmende Vergesslichkeit erstes
Symptom. Im Verlauf kommt es zu einem intellektuellen Abbau.
Neuropsychologische Auffälligkeiten können hinzutreten (z. B.
Wortfindungsstörungen,). Die Reaktion der Patienten ist
unterschiedlich und kann von unangemessener Fröhlichkeit bis hin
zu Depressivität und Suizidalität reichen
Stadien der Alzheimer-Krankheit:
-leichte Alzheimer-Krankheit (Stadium I)
Gedächtnis, Orientierung, visuell-räumliche Fähigkeiten, Sprache,
andere kognitive Funktionen, nicht kognitive Symptome, Motorik
-mittelschwere Alzheimer-Krankheit (Stadium II)
Gedächtnis, Orientierung, visuell-räumliche Fähigkeiten, Sprache,
andere kognitive Funktionen, nicht kognitive Symptome, Motorik
-schwere Alzheimer-Krankheit (Stadium III)
Gedächtnis und kognitive Fähigkeiten, Sprache, persönliche Pflege,
Motorik
Diagnostik:
Es sollten stets eine psychiatrische und neurologische Untersuchung,
eine Fremdanamnese sowie eine neuropsychologische
Testuntersuchung durchgeführt werden
Der M. Alzheimer ist bis heute eine Ausschlussdiagnose. Zum
Ausschluss behandelbarer Ursachen müssen laborchemische
Untersuchungen sowie eine CCT oder MRT des Gehirns
durchgeführt werden.
Die Diagnose kann erst nach dem Tod des Patienten
neuropathologisch gesichert werden.
Differenzialdiagnose:
Wichtig ist der Ausschluss von:
anderen somatischen Erkrankungen (z. B. Hypothyreose, VitaminB12-Mangel, Depression, vaskuläre Demenz, Demenz bei Morbus
Parkinson, Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, progressive Paralyse,
Korsakow-Syndrom, Morbus Pick, Normaldruck-Hydrozephalus
Therapie:
Beratung der Bezugspersonen.
Im frühen und mittleren Stadium ist der Versuch einer kognitiven
Leistungssteigerung und Einflussnahme auf die Progression sinnvoll,
später rückt vor allem die Behandlung der Verhaltensstörungen in
den Vordergrund. Die Beratung der Angehörigen ist in allen
Verlaufsabschnitten notwendig.
Pharmakotherapie kognitiver Symptome
Die Pharmakotherapie von kognitiven Störungen arbeitet gegen den
fortschreitenden Leistungsverlust an. Daher kann eine geringe
Verbesserung oder sogar ein Gleichbleiben der Leistung über einen
mehrmonatigen Zeitraum als Behandlungserfolg gelten.
Die Wirksamkeit der älteren Präparate (z.B. Piracetam) ist weniger
gut belegt als die der neueren Antidementiva.
Bei den neuen Antidementiva, den Cholinesterasehemmern ist
die Wirksamkeit überzeugender und konsistenter
nachgewiesen worden.
Die Behandlung sollte über mindestens 3 Monate durchgeführt
werden. Nur ein Viertel der Patienten spricht deutlich auf die
Behandlung an.
Bei den Cholinesterasehemmern wurde erstmals auch ein
deutlicher Effekt auf den Verlauf der Krankheit nachgewiesen
Alle Cholinesterasehemmer rufen gastrointestinale
Nebenwirkungen hervor, insgesamt werden sie gut vertragen.
Die Behandlung mit entzündungshemmenden Substanzen,
Antioxidanzien sowie die postmenopausale
Östrogensubstitution bei Frauen können das Risiko offenbar
senken.
Pharmakotherapie nicht kognitiver Symptome
Die Behandlung dieser Symptome (z.B. Unruhe) bessert das
Befinden der Patienten und verringert die Belastung der
Bezugspersonen.
Zur Behandlung von z.B. Unruhe, Aggressivität und paranoider
Symptomatik werden insbesondere niedrig- bis mittelpotente
Neuroleptika, eingesetzt. Zunehmend werden auch die neuen
atypischen Neuroleptika (z.B. Risperidon) genutzt.
Zur Behandlung depressiver Verstimmungen sollten moderne
Antidepressiva ohne anticholinerge Wirkung eingesetzt werden.
Selektive serotonerge Antidepressiva scheinen auch bei
Unruhe und Aggressivität wirksam zu sein.
Kognitives Training
Das bekannteste und am weitesten verbreitete Verfahren ist die
Realitätsorientierung. Ihr Prinzip besteht darin, den Patienten nützliche
Informationen über ihre Umgebung und Mitbewohner zu vermitteln.
Programme zur kognitiven Aktivierung einschließlich des
Gedächtnistrainings erreichen keine Verbesserung der kognitiven
Leistungen. Positiver
Beratung der Bezugspersonen
Im frühen Krankheitsstadium brauchen die Angehörigen ebenso wie die
Patienten eine Aufklärung über die Art der vorliegenden Krankheit und die
Prognose.
Später müssen die Angehörigen lernen, die zunehmende Hilfsbedürftigkeit
des Patienten aufzufangen und mit den unspezifischen Symptomen (z. B.
Aggressivität) zurechtzukommen. Sinnvoll ist der Besuch einer
Angehörigengruppe.
Verlauf:
Die Patienten versterben ca. 10-12 Jahre nach Ausbruch der Demenz meist
an interkurrenten Erkrankungen. Der präsenil auftretende Subtyp führt in der
Regel schneller zum Tod. Eine Heimunterbringung ist bei mittelschweren bis
schweren Demenzen oft erforderlich.
Morbus Pick
Definition: Subtyp der Frontotemporalen Demenz (FTD).
Präsenile degenerative Hirnerkrankung, die bevorzugt das
Frontal- und Temporalhirn betrifft. Sie beginnt mit
Veränderungen der Persönlichkeit, des Sozialverhaltens und
emotionalen Verhaltens. Im weiteren Verlauf kommt es zu
einem fortschreitenden demenziellen Abbauprozess.
Epidemiologie: Im Vergleich zum Morbus Alzheimer selten 12:100 000. Der Erkrankungsgipfel liegt im 5.-6.
Lebensjahrzehnt.
Ätiopathogenese: Hauptsächlich sind Frontal- und
Temporallappen betroffen.
Symptomatik:
Primär Veränderungen der Persönlichkeit und des sozialen
Verhaltens, später zusätzlich Beeinträchtigung kognitiver
Funktionen, Sprachstörungen.
Diagnostik: Typische Klinik, im CCT und MRT Nachweis einer
fronto-temporal betonten Atrophie. Im HMPAO-SPECT
fronto-temporale Hypoperfusion.
Differenzialdiagnose:
z. B. Demenz anderer Ätiologie (z. B. Morbus Alzheimer,
Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, Frontallappen-Demenz (FLD)
Therapie und Verlauf:
Eine kausale Therapie ist nicht möglich. Zur symptomatischen
Therapie werden Nootropika und ggf. Antidepressiva bzw.
Neurotropika eingesetzt
Vaskuläre Demenz (Multiinfarkt-Demenz, Morbus Binswanger)
Definition: Die Gruppe der vaskulären Demenzen ist durch multiple
gefäßbedingte Hirnläsionen gekennzeichnet, die bei ihrem Auftreten
zu vorübergehenden oder bleibenden neurologischen Defiziten
geführt haben und bei denen es in zeitlichem Zusammenhang
schrittweise zu kognitiven Einbußen kommt.
Die Definition der vaskulären Demenzen ist auf den zeitlichen
Zusammenhang der Symptomatik zu den vaskulär bedingten
Hirnläsionen und der neurologischen Symptomatik bezogen.
Vaskuläre Demenzen haben oft einen unstetigen Verlauf.
Epidemiologie:
Vaskuläre Demenzen stellen in westlichen Ländern eine im Vergleich
zur Alzheimer-Demenz wesentlich kleinere Gruppe dar. Der Begriff
vaskuläre Demenz (VD) beinhaltet die Vorstellung, dass beim
Vorliegen bestimmter Grunderkrankungen (z.B. Hypertonus), die
Erkrankung ursächlich für die kognitiven Störungen in Betracht
kommt.
Die Verwendung verschiedener diagnostischer Kriterien führt zu sehr
unterschiedlichen Prävalenzdaten.
Ätiopathogenese:
Histopathologisch liegen im Wesentlichen 3 zerebrovaskuläre
Krankheitsbilder zugrunde:
-multiple Infarkte
-strategische Infarkte
-Demyelinisierung des Marklagers.
Verschlüsse kleiner Arterien (Mikroangiopathien) sind häufiger
als Verschlüsse größerer Arterien (Makroangiopathien). Sie
können auch kombiniert vorkommen.
Mehrere pathogenetische Mechanismen
sind an der Entstehung eines Demenzsyndroms beteiligt, so
vor allem die Zerstörung von Hirngewebe und Unterbrechung
neuronaler Verbindungsbahnen.
Demenz auf der Basis multipler Infarkte:
Diese Demenzsyndrome beginnen typischerweise plötzlich und
schreiten in Form eines schrittweisen Abbaus fort. Die kognitiven
Störungen können jedoch über einen längeren Zeitraum unverändert
bleiben. Kortikale Territorialinfarkte sind selten die Ursache einer
Demenz. Auch lakunäre Infarkte führen nur selten zu ausgeprägten
kognitiven Defiziten.
Demenz auf der Basis strategischer Infarkte:
Infarkte von geringer Ausdehnung, aber bilateraler Lokalisation an
strategisch wichtigen Stellen können zu einer Demenz führen. Das gilt
besonders für bilaterale Infarkte im Hippocampus und Thalamus.
Demyelinisierung des Marklagers:
Ausgedehnte, meist periventrikulär oder okzipital lokalisierte
Marklagerschäden kennzeichnen den Morbus Binswanger. Die
Krankheit tritt bevorzugt bei über 50-Jährigen auf. In der Vorgeschichte
findet sich eine langjährig bestehende Hypertonie und eine
Aufeinanderfolge von kleineren Schlaganfällen mit lediglich diskreten
neurologischen Defiziten. Die Demenz beginnt in der Mehrzahl der Fälle
schleichend und schreitet langsam fort. Das kognitive Ausfallsmuster
entspricht einer subkortikalen Demenz mit Vorherrschen von
Verlangsamung bei relativ gering ausgeprägten Gedächtnisstörungen.
Symptomatik:
Vaskuläre Demenzen haben aufgrund der verschiedenen Ursachen und
Pathomechanismen keine einheitliche Symptomatik. Am besten untersucht
ist die Multiinfarkt-Demenz
Im Frühstadium treten häufig Verhaltensauffälligkeiten als Symptome einer
subkortikalen Demenz auf, z.B. Antriebsstörungen, sozialer Rückzug,
Interesselosigkeit, Apathie, Abnahme der Leistungsfähigkeit,
Konzentrationsstörungen, Persönlichkeitsstörungen.
Die Gedächtnisstörungen stehen im Frühstadium weniger im Vordergrund
als bei der Alzheimer-Krankheit.
In späteren Stadien kommen dann Gedächtnisstörungen und andere fokale
neuropsychologische Ausfälle hinzu. Zudem treten häufig nächtliche
Verwirrtheit und paranoid-halluzinatorische Episoden auf.
Diagnostik:
Klinische Informationen, Anamnese und Fremdanamnese haben gegenüber
technischen Untersuchungen größere Bedeutung. Die Hachinski-IschämieSkala (HIS) kann die klinische Diagnose unterstützen (Tab. 4.54).
Differenzialdiagnose: Im GCT-oder MRT lassen sich teilweise früh Hinweise
auf eine zerebrovaskuläre Erkrankung finden. Zur Differenzialdiagnose s. a
Therapie:
Grundlage ist die Behandlung von Grunderkrankung und Risikofaktoren.
Die Therapie beinhaltet folgende Interventionen:
Behandlung von Risikofaktoren
Wichtigster und am besten zu beeinflussender Risikofaktor ist der
Bluthochdruck.
Der Verzicht auf das Rauchen
Bei schon aufgetretener Demenz die Vermeidung weiterer zerebraler
Ischämien. Dies geschieh u.a. durch die Therapie mit Thrombozyten
aggregationshemmern.
Pharmakotherapie kognitiver Symptome
Aus der Gruppe der Nootropika im engeren Sinne haben sich unter anderem
Ginkgobiloba-Präparate, das Ergolinderivat Nicergolin sowie Piracetam und
Pentoxifyllin als wirksam erwiesen
Pharmakotherapie nicht kognitiver Symptome
Prinzipiell gelten dieselben Empfehlungen zur Präparatewahl und Dosierung
wie beim Morbus Alzheimer
kognitives Training, Beratung der Bezugspersonen
Verlauf:
Der Verlauf der vaskulären Demenz ist unterschiedlich: Stillstand, langsame
Progression oder auch eine schrittweise Verschlechterung sind möglich.
Demenz bei Normaldruck-Hydrozephalus
Definition: Der Normaldruckhydrozephalus ist gekennzeichnet
durch die Trias Gangstörungen, demenzielles Syndrom und
Urininkontinenz. Ursache ist eine Liquorzirkulationsstörung, die
wahrscheinlich durch verminderte Liquorresorption ausgelöst
wird.
Epidemiologie: 6-12% aller demenziellen Prozesse sollen durch
einen Normaldruck-Hydrozephalus verursacht sein.
Ätiopathogenese: Liquorzirkulations-störungen und verminderte
Liquorresorption werden als Ursachen vermutet. Der
intrakranielle Druck liegt meist im Normbereich (< 15 mmHg).
Symptomatik:
Die typische klinische Trias besteht aus: -Gangstörung
-Demenz
-Inkontinenz
Diagnostik: Die Diagnose wird auf Grund der Symptomtrias, der
Ventrikelerweiterung im CCT und Liquorzirkulationsstörung in
der Zisternographie gestellt.
Differenzialdiagnose: Am schwierigsten ist die Abgrenzung vom
Hydrocephalus ex vacuo bei Morbus Alzheimer.
Therapie: Normalisierung der Liquorresorption durch Einbau
eines Shunt-systems. Bis zu 35% der Patienten haben
perioperative Komplikationen
Verlauf: Eine günstige Prognose haben Patienten mit der
vollständigen Symptom-Trias und kürzerer Dauer der
Symptomatik
Organische psychische Störungen im Rahmen
traumatischer und entzündlicher Erkrankungen
Hirntraumatische Folgezustände
Definition: Es werden offene von stumpfen (Dura mater intakt)
Hirntraumata unterschieden. Bei den durch stumpfe
Gewalteinwirkung auf den Schädel verursachten akuten
Funktionsstörungen des Gehirns unterscheidet man die
Commotio cerebri (ohne nachweisbare Hirnschädigung) von
der Contusio cerebri (meist mit lokalisierter Hirnschädigung).
Folge der akuten Schädigung sind akute hirnorganische
Psychosyndrome mit Benommenheit, Erregung, Delirien und
Dämmerzustände.
Chronische Folgezustände können sich als psychoorganische
Syndrome äußern, die vor allem durch Merkfähigkeits- und
Auffassungsstörungen pseudoneurasthenische Beschwerden
oder Zeichen einer Wesensänderung gekennzeichnet sind.
Commotio cerebri
Definition: Bei der Commotio cerebri (Gehirnerschütterung) handelt es sich
um eine funktionelle traumatische Hirnschädigung infolge stumpfer
Gewalteinwirkung.
Ätiopathogenese: Für die Entstehung ist die breitflächige Gewalteinwirkung
auf den Schädel entscheidend. Die Schädigung ist mit konventionellen
Untersuchungsmethoden nicht nachweisbar und voll reversibel.
Symptomatik: Sofortiger Bewusstseinsverlust, Tonusverlust der Muskulatur
und vegetative Reaktionen sind kennzeichnend. Bei Bewusstlosigkeit über
eine Stunde oder Umdämmerung über einen Tag ist eine Contusio cerebri
anzunehmen Sehr charakteristisch ist die Amnesie für die Dauer der
Bewusstseinsstörung.
Postkommotionelle Beschwerden wie Kofpschmerzen, Schwindel,
vermehrtes Schwitzen, Kreislaufdysregulation, Überempfindlichkeit gegen
Alkohol etc. gehen in der Regel innerhalb von Wochen bis Monaten zurück.
Therapie: Bettruhe ist nur bei schweren Formen nötig. Evtl. sollte eine
Krankschreibung mit dosierter Belastung erfolgen
Contusio cerebri
Definition: Bei der Contusio cerebri kommt es infolge stumpfer
Gewalteinwirkung zu einer substanziellen Hirnverletzung mit
Rindenprellungsherden (Coup und Contre-coup), sekundären
Zirkulationsstörungen und perifokalem oder allgemeinem Hirnödem.
Symptomatik: Die initiale Bewusstlosigkeit dauert meist Stunden bis Tage,
eine Umdämmerung auch länger. Über ein reversibles hirnorganisches
Psychosyndrom kann es zur völligen Restitution kommen. Gelegentlich tritt
eine Kontusionspsychose mit deliranten, depressiven oder
halluzinatorischen, wahnhaften Symptomen auf. Falls keine Remission
eintritt, kommt es zu einem chronischen organischen Psychosyndrom.
Nur selten kommt es durch ein Hirntrauma bzw. das traumatische Hirnödem
zum apallischen Syndrom, einem Dezerebrations-Syndrom.
Diagnostik: Wichtig sind die Dauer der Bewusstlosigkeit, neurologische
Symptome, EEG- und neuroradiologische Befunde, das Auftreten einer
Kontusionspsychose oder von Psychosyndromen.
Therapie: Die Behandlung erfolgt intensivmedizinisch. Wichtig ist hierbei die
Therapie des Hirnödems. Zur Behandlung der Spätfolgen können
Nootropika verordnet und Rehabilitationsmaßnahmen eingeleitet werden.
Entzündliche Gehirnerkrankungen
Enzephalitiden und Meningitiden jeder Ursache können zu exogenen
Syndromen führen.
Neurolues
Definition: Durch die Spirochäte Treponema pallidum hervorgerufene
Meningoenzephalitis, die im Spätstadium in eine chronische
Enzephalopathie (progressive Paralyse) mit demenziellem Abbauprozess
übergehen kann.
Epidemiologie: Die Prävalenz der Neurolues beträgt 15/100000 Einwohner.
Das Hauptmanifestationsalter liegt im 5. Lebensjahrzehnt. Bei der
progressiven Paralyse überwiegt das männliche Geschlecht.
Ätiopathogenese:
Im Primärstadium entsteht ein ulzerierendes kleines Knötchen mit
begleitender lokaler Lymphknotenschwellung am Infektionsort (Primäraffekt).
Im Sekundärstadium kann es neben anderen Symptomen zur Meningitis
oder Meningoenzephalitis kommen.
Im Tertiärstadium kann sich eine Lues cerebrospinalis entwickeln. Man
unterscheidet eine vaskuläre, meningitische und gummöse Form.
Im Quartärstadium kommt es bei 2-5% aller Infizierten zur progressiven
Paralyse, oft kombiniert mit einer Tabes dorsalis.
Symptomatik:
Die progressive Paralyse wird meist durch ein pseudoneurasthenisches
Vorstadium oder eine organische Wesensänderung eingeleitet. Später
entwickelt sich das Vollbild eines psychoorganischen Syndroms.
Die Symptomatik ist oft i.S. e. Frontalhirnsyndroms durch Enthemmung,
Verlust von Taktgefühl und kritiklose flache Euphorie geprägt. Andere
Erscheinungsformen, vor allem maniforme, depressive, paranoide und
akut delirante Bilder, kommen vor.
Die psychopathologischen Auffälligkeiten werden von neurologischen
Symptomen begleitet (z.B. Artikulationsstörungen, reflektorische
Pupillenstarre, Faszikulieren der mimischen Muskulatur).
Diagnostik: Der Nachweis der Infektion erfolgt durch den TPHA- und den FTAABS-Test, die ca. sechs Wochen nach Infektion positiv werden. Im Liquor
sind eine lymphozytäre Pleozytose und oligoklonale Banden nachweisbar.
CT und MRT zeigen bei der progressiven Paralyse hirnatrophische
Veränderungen, das EEG unspezifische Allgemeinveränderungen.
Therapie: Hochdosiert Penicillin G, z.B. 30-40 Mio. IE/die über 10 Tage.
Verlauf: Die Erkrankung führt unbehandelt innerhalb weniger Jahre zur
Demenz und zum Tod.
AIDS-Demenz
Definition: AIDS (acquired immune deficiency Syndrome) ist eine
durch das Retrovirus HIV 1 oder 2 (human immunodeficiency virus)
verursachte Erkrankung des Immunsystems. Das Virus ist
lymphotrop und neurotrop. Es kann direkt das zentrale Nervensystem
befallen und zu chronischen hirnorganischen Psychosyndromen,
Psychosen, Myelopathien und Neuropathien führen.
Epidemiologie: Weltweit nimmt die Zahl der Erkrankten ständig zu.
2004 gab es 5 Mio Neuinfizierte, davon 700 000 Kinder unter 15
Jahren.
Bis zu 60% der an AIDS Erkrankten weisen ein chronisches
hirnorganisches Psychosyndrom auf.
Ätiopathogenese: Das Virus wird v. a. durch Geschlechtsverkehr und
kontaminierte Nadeln übertragen. Es kommt zu im CCT oder MRT
nachweisbarer Hirnatrophie, Ventrikelerweiterung und Vakuolen in
der weißen Substanz.
Symptomatik:
Einige Infizierte zeigen zu Beginn der Erkrankung Symptome einer
Meningoenzephalitis.
Symptome der subakuten Enzephalopathie können allgemeine Müdigkeit,
Lethargie, Gedächtnisstörungen, Kopfschmerzen, kognitive und aphasische
Störungen sein.
Diagnose und Oifferenzialdiagnose:
Nachweis von Antikörpern im Blut oder Liguor.
Differenzialdiagnostisch schwierig kann die Unterscheidung zwischen
depressiver Symptomatik und subkortikaler Demenz sein. Außerdem muss
eine Herpes-simplex-lnfektion, Tuberkulose, Sarkoidose und multiple
Sklerose ausgeschlossen werden.
Therapie:
Eine kausale Therapie der Erkrankung ist bisher nicht verfügbar. Die
Patienten bedürfen einer intensiven Betreuung, evtl. einer
psychotherapeutischen Behandlung. Diese Therapie kann durch den
Einsatz von Antidepressiva und Nootropika unterstützt werden.
Verlauf:
Nach Ausbruch beträgt die Lebenserwartung noch 1/4-5 Jahre.
Demenz bei Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
Definition: Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist eine durch eine
Prionerkrankung verursachte spongiforme Enzephalomyelopathie die
durch pyramidale, extrapyramidale und zerebellare Symptomatik und
Demenz gekennzeichnet ist.
Epidemiologie:
Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen liegt bei 1 pro 1 Million
Einwohner.
Ätiopathogenese:
Die Erkrankung wird durch Prionen hervorgerufen. Es gibt eine
sporadische, eine familiäre und eine iatrogene Form der CreutzfeldtJakob-Krankheit. Zudem existiert eine Variante, die gehäuft bei
jüngeren Patienten auftritt (vCJD).
Weitere transmissible spongiforme Enzephalomyelopathien beim
Menschen sind die Gerstmann-Straussler-Scheinker-Erkrankung, die
Fatale familiäre Insomnie und die Kuru-Krankheit. Eine weitere
spongiöse Enzephalopathie, die bovine spongiöse Enzephalopathie
(BSE), ist anfangs hauptsächlich bei Rindern aufgetreten. Übertragen
wurde sie durch das Verfüttern von mit Scrapie infiziertem Schafsmehl.
Symptomatik:
Kennzeichnend sind ein demenzieller Prozess, kombiniert mit
multiplen neurologischen Auffälligkeiten, und eine rasche
Progredienz der Erkrankung.
Diagnostik:
Neben dem klinischen Bild mit Myoklonien liefert das EEG mit
charakteristischen triphasischen 1/s-Wellen diagnostische
Hinweise.
Differenzialdiagnose: Abzugrenzen sind vor allem ein Morbus
Alzheimer und eine Demenz bei Morbus Parkinson.
Therapie: Eine kausale Therapie ist nicht möglich.
Verlauf und Prognose:
Die Patienten versterben meist innerhalb 1 - 2 Jahren nach
Krankheitsbeginn.
Multiple Sklerose (Encephalomyelitis disseminata)
Definition: Schubförmig oder chronisch progredient verlaufende
Entmarkungskrankheit von Gehirn und Rückenmark unklarer Ätiologie. J. M.
Charcot (1858) beschrieb erstmals die Trias: Nystagmus, skandierendes
Sprechen und Intentionstremor. Neben diesen zerebellären Symptomen
verursachen die disseminierten Entmarkungsherde vor allem spastische
Paresen, Sensibilitätsund Blasenstörungen. In einem Drittel der Fälle
manifestiert sich die multiple Sklerose initial mit einer Optikusneuritis.
Symptomatik: Die MS kann zu verschiedenartigen psychischen
Symptomen führen, meist zu hirnorganischem Psychosyndrom mit
Reizbarkeit, Euphorie und Kritiklosigkeit. Persönlichkeitsveränderungen
können den Umgang mit den Patienten deutlich erschweren. Depressive
Zustände können organisch durch den Krankheitsprozess, pharmakologisch
durch die Therapie oder psychogen verursacht werden.
Therapie: MS-Kranke benötigen entsprechend dem Schweregrad ihrer
Erkrankung viel Zuwendung; im Einzelfall heißt dies auch direkte
psychotherapeutische Behandlung. Unter Kortisol-Behandlung kann das
Nichtdemenzielle chronische organische
Psychosyndrome
Leichte kognitive Störung
Dieser Begriff kennzeichnet leichte kognitive
Beeinträchtigungen (Mild Cognitive Impairment [MCI]), die
organisch bedingt sind, aber nicht das Ausmaß der Kriterien
eines demenziellen Syndroms erreichen. In der ICD-10 wird die
„leichte kognitive Störung" als eine vorübergehende Störung
der kognitiven Funktion beschrieben, die sich in verschiedenen
Leistungsbereichen äußern kann und organisch begründet ist.
Für die leichte kognitive Störung gelten die gleichen
therapeutischen Prinzipien wie für die Demenz-Behandlung in
abgewandelter Form. Allerdings ist die Wirksamkeit der
Nootropika/Antidementiva nicht speziell für diese Indikation
geprüft worden.
Organisches amnestisches Syndrom
Dabei ist das Gedächtnis, vor allem das Erlernen und die Einprägung
neuer Informationen, betroffen. Eine Bewusstseinstrübung ist nicht
vorhanden (Abgrenzung Delir), intellektuelle Störungen stehen nicht
im Vordergrund (Abgrenzung Demenz).
Einige Amnesien (z.B. bei SHT) erstrecken sich nur auf kurze,
vorübergehende Perioden. Andere, wie z. B. das „klassische"
amnestische Syndrom i.S. der Korsakow-Psychose, sind zeitlich
ausgedehnt und persistierend.
Neben den Gedächtnisstörungen sind beim amnestischen Syndrom
häufig Konfabulationen vorhanden. Oft treten zusätzlich
emotionale Störungen auf.
Dem organischen amnestischen Syndrom liegen meist Störungen
bestimmter Hirnstrukturen zugrunde.
Bei den chronischen amnestischen Zuständen betrifft die
hauptsächliche Störung die Speicherung neuer Informationen. Dies
führt zu einer anhaltenden und sich immer weiter ausdehnenden
anterograden Amnesie. Zu diesen Störungen gehört insbesondere
das Korsakow-Syndrom.
Organische Persönlichkeitsveränderungen
Es handelt sich um Zustandsbilder bei denen der Wandel der
charakterlichen Eigenschaften den einzigen Ausdruck einer
zerebralen Schädigung darstellt. Eine therapeutische
Beeinflussung organischer Persönlichkeitsstörungen ist nur
sehr begrenzt möglich.
Organische affektive Störungen
Es gibt sowohl organisch bedingte depressive als auch
manische Zustände. Die Behandlung ist symptomatisch und
erfolgt im Sinne einer syndromorientierten
Psychopharmakotherapie.
Organische Angst- und Zwangsstörungen
Angst- und Zwangsstörungen können im Rahmen
verschiedener organischer Hirnkrankheiten auftreten (z.B.
Panikattacken bei Erkrankungen des Temporallappens).
Organische Halluzinosen
Organische Halluzinosen treten vor allem bei Epilepsie,
Hirntraumen, progressiver Paralyse, Chorea Huntington und
Narkolepsie häufiger auf.
Optische Halluzinationen können im Rahmen struktureller
Läsionen oder funktioneller Störungen der Sehbahn auftreten,
akustische Halluzinosen werden vor allem im Zusammenhang
mit einem chronischen Alkoholismus angetroffen. Meist bleibt
ein relativ ausgeprägter Realitätsbezug erhalten.
Organische wahnhafte Störungen
Vermutlich spielt die Schädigung limbischer und subkortikaler
Strukturen eine bedeutende Rolle.
Eine (möglicherweise behandelbare) Demenzerkrankung muss
immer ausgeschlossen werden
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