Demenzielle Erkrankungen: Klinischer Verlauf und

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Demenzielle Erkrankungen:
Klinischer Verlauf und
Verbesserungsmöglichkeiten
der Versorgung
aus Sicht eines Klinikers
Alexander Rösler
Medizinisch-Geriatrische Klinik,
Albertinen-Haus, Hamburg
5.11.2010
Stationen im Laufe einer demenziellen
Erkrankung
Patient/
Angehörige
Hausarzt
Spezialist
Klinik
Pflege
Frage an Angehörige, Demenzberater, Hausärzte, Spezialisten,
Kliniker und einen Heimleiter: „Was könnte man in der medizinischen
Versorgung dementer Menschen in Ihrem Bereich verbessern?“
Patient/
Angehörige
Hausarzt
Spezialist
Klinik
Pflege
Angehörige:
• „Man muss sich durchfragen: Wer zahlt jetzt die Windeln? oder Wie geht
Verhinderungspflege?“
• „Es ist ein bisschen verfranst: viel Information aber keine Hauptstelle.“
• „Ohne Internet ist es schwierig.“
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• Pflege und Betreuung eines Demenzkranken benötigt durchschnittlich 69100 Stunden/Woche
• Betreuer: 46% mehr Arztkonsultationen, über 70% mehr
Medikamentenverschreibungen (Ernst & Hey, 1994)
• > 50% Risiko depressiver Störung (Eisdorfer, 1996)
• Durch Betreuung der pflegenden Angehörigen lässt sich die Einweisung
eines dementen Menschen in ein Pflegeheim verzögern und die
Kompetenz und Stimmung der Angehörigen verbessern (Mittelman et al.,
1996ff)
Beratungsstellen:
• „Niedergelassene Ärzte und neu in die Klinik eintretende Ärzte wissen
kaum etwas über die Beratungsstellen. Oder nutzen sie nicht.“
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• In Hamburg drei „reine“ Beratungsstellen, aber zahlreiche weitere
Beratungsmöglichkeiten
• Beratungsstelle im Albertinen-Haus 2009 z.B. 700 Beratungsgespräche:
Bedarf!
• Von den über 80-Jährigen die zu Hause leben (ca. 80%) führen 60%
einen Single-Haushalt: bei Gedächtnisstörungen gehen diese kaum allein
zur Beratungsstelle
„Zentralisierung“ o. Vereinheitlichung Beratungsstellen?
Verknüpfung untereinander?
Erreichbarkeit der allein lebenden, an Demenz Erkrankten?
Hausarzt
„Budget, Budget, Budget und Zeit.“
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• Hausarzt bleibt die zentrale Schaltstelle für medizinische Probleme eines
an Demenz Erkrankten (Beurteilung durch Facharzt: ca. 1:3 der
Patienten, Beurteilung durch Gedächtnissprechstunde: ca.1:200)
• Hausarzt: Geriatrisches Basis-Assessment seit 2000: i.d.R. 3 Tests
(Selbsthilfe, Kognition, Mobilität) 370 Punkte, bis 2x/Jahr („lohnt sich
nicht“, „wird kaum gemacht“)
• Pro Hausarzt ca. 25 Patienten mit Demenzerkrankungen (Zimmer, 2005)
• Aufgaben: Verdachtsdiagnose stellen, Weiterleitung an Spezialisten,
Begleitung und Betreuung von Patient und Angehörigen, Vermittlung
Beratungsstellen. Aufklärung=Enttabuisierung, Vollmachten!
Hausarztrolle stärken bei zeitaufwändigen Prozeduren.
Mehr leitliniengerechte Behandlung, auch beim Hausarzt.
Do general practitioners recognize mild cognitive
impairment in their patients?
PARTICIPANTS:
3.242 non-demented GP patients aged 75-89 years.
RESULTS:
The sensitivity of GPs to detect MCI was very low (11-12%) whereas their specificity amounts to
93-94%.
Patients with MCI with a middle or high level of education more often got a false negative
assignment than patients with a low educational level.
The risk of a false positive assignment rose with the patients' degree of comorbidity.
GPs were better at detecting MCI when memory domains were impaired.
Kaduszkiewicz H. et al., J Nutr Health Aging, 2010
Spezialist: Neurologe/Memory-Clinic
„Es gibt kein Schnittstellenproblem“; „Die Menge der nötigen Untersuchungen bei Demenz ist groß und ich verdiene 31€ pro Quartal pro
Patient.“
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• Memory-Clinic: ungeschützter Begriff, völlig unterschiedliche
Patientenzahlen (UKE 500/Jahr, andere ca. 50), Finanzierung unsicher
z.B. über Institutsambulanzen
• Neurologe: z.B. Bonus für geringe radiologische Anforderungsmenge
• Neuropsychologische Testung: Ärzte nicht ausgebildet
• Niedergelassene Neuropsychologen gibt es kaum!
• Neurologen und Memory-Clinic: z.T. Konkurrenz statt Ergänzung
• Aufnahme in Klinik wird nicht vergütet
Einheitlicherer Pfad für die weitere Diagnostik.
Testung, Bildgebung und Therapie am besten aus einer
Hand oder zumindest an einem Ort / aus einem Guss.
Klinik für Diagnostik öffnen?
Klinik
• Demenzerkrankte kommen in 94% wegen Zusatzerkrankungen ins
Krankenhaus. Nur 6% der stationär aufgenommenen Patienten mit
demenziellen Erkrankungen hatten Demenz als Hauptdiagnose (Lübke,
2009)
• An Demenz Erkrankte im Krankenhaus sind im Schnitt kränker als andere
(10,7 vs. 6,3 Diagnosen, AOK Bayern)
• Krankenhausumgebung fördert Delirien v.a. bei dementen Patienten:
Spezialstationen? Delirprävention? (Gurlit et al., 2008)
Bessere Vorbereitung der Krankenhäuser auf kognitiv
eingeschränkte Patienten.
Delirprävention: Kostensenkung!
Spezialstationen für akut erkrankte Patienten
mit zusätzlichen kognitiven Einschränkungen
Rösler et al., ZGG 2010
Schwere Demenz, „landmark-paper“
We followed 323 nursing home residents with advanced dementia and their
health care proxies for 18 months in 22 nursing homes.
Over a period of 18 months, 54.8% of the residents died.
In the last 3 months of life, 40.7% of residents underwent at least one burdensome
intervention (hospitalization, emergency room visit, parenteral therapy, or tube
feeding).
Residents whose proxies had an understanding of the poor prognosis and
clinical complications expected in advanced dementia were much less likely to have
burdensome interventions in the last 3 months of life than were residents whose proxies
did not have this understanding.
Mitchell et al., NEJM 2009
Pflege
„Zu wenig nervenärztliche Versorgung.“; „Einweisungen kaum zu ändern.“
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• 700 000 Pflegeheimbewohner in BRD, ca. 60% dement (van den Bussche et al.,
2009)
• Neurologisch oder Psychiatrische Versorgung: 50-60% der
Pflegedienstleitungen sagen „ausreichend“ (eqs-Institut 2008)
• Unnötige Einweisung ins Krankenhaus durch Notdienste
• Segregation besser als Integration: mehr Sozialkontakte, weniger
Neuroleptika, mehr Einbindung der Angehörigen (Weyerer et al., 2010)
• Spezialeinrichtungen für Demenz mit besonderen Konzepten (WG,
Angehörigenappartements, Architektur): Senkung von
Komplikationshäufigkeiten (Zeisel et al., 2003)
Lösung: „Heimarzt?“ (Pflegereform 2008).
Aufklärung der Angehörigen: klare Absprachen
über Verlegungen und Reanimationen.
Segregation mit speziellen Konzepten.
Mögliche Ansätze (Zusammenfassung)
„Zentralisierung“ o. Vereinheitlichung Beratungsstellen?
Erreichbarkeit der allein lebenden, an Demenz Erkrankten?
Hausarztrolle stärken bei zeitaufwändigen Prozeduren.
Mehr leitliniengerechte Behandlung, auch beim Hausarzt.
Einheitlicherer Pfad für die weitere Diagnostik:
Testung, Bildgebung und Therapie am besten aus einer Hand oder
zumindest an einem Ort / aus einem Guss
Klinik für Diagnostik öffnen?
6. Bessere Vorbereitung der Krankenhäuser auf kognitiv
eingeschränkte Patienten.
7. Delirprävention: Kostensenkung!
8. Lösung: „Heimarzt?“ (Pflegereform 2008)
9. Aufklärung der Angehörigen: klare Absprachen über Verlegungen
und Reanimationen
10. Pflege: Segregation mit speziellen Konzepten
1.
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Nicht mehr Formulare, nicht mehr Funktionäre, nicht mehr Kontrolle !
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Weitere Thesen zum Thema Demenz
1. Es gibt keine allgemeingültige Definition des Begriffs Demenz und
keinen klar abgrenzbaren Beginn (z.B. neue Forschungskriterien für M.
Alzheimer, Dubois et al., Lancet Neurol., 2007)
2. Die Sinnhaftigkeit der medikamentösen Therapie demenzieller
Erkrankungen ist zumindest umstritten (Kaduszkiewicz et al., BMJ, 2005)
3. Nichtmedikamentöse Therapieansätze sind unzureichend erforscht
4. Altern ist heterogen, Demenz ist heterogen: wie sollen denn
„Behandlungspfade“ und „Case-Management“ funktionieren?
Evaluation of special and traditional dementia care in
nursing homes: results from a cross-sectional study.
PARTICIPANTS:
594 nursing home-residents with dementia in special dementia care facilities were compared to
573 nursing home residents with dementia receiving traditional integrative care
RESULTS:
For dementia patients in special care units, the level of volunteer caregiver involvement was
higher and there was more social contact to staff, fewer physical restraints, more involvement in
home activities, and more frequent use of psychiatrists. Residents in special dementia care used
antipsychotics significantly less often and antidepressants more often.
Weyerer S et al., Int J Ger Psychiatr, 2010
Stationen im Laufe einer demenziellen Erkrankung
Patienten
-gruppen
Angehörige
Prävention
Angehörigen
-gruppen
Hausarzt
Bevollmächtigte,
Betreuer
Beratungsstellen
Spezialist
Heim
Klinik
Pflege
Tagespflege
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