Titel - FernUniversität in Hagen

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FELD 1
Hagener Woche der Philosophie
17.11.2015
Gunnar Schumann
Zum Problem des Erklärens in den
historischen Wissenschaften
© FernUniversität in Hagen / Horst Pierdolla
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Überblick
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Einleitung
Histor. Überblick über die Debatte ab dem 19. Jh.
DN-Modell von Carl G. Hempel
Kritik am DN-Modell von Hempel
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Einleitung
 Problem der histor. Erklärung gehört zur Disziplin der
Geschichtsphilosophie
 „Geschichtsphilosophie“ mehrdeutig: Philosophie der
Geschichte vs. Philosophie der Geschichtsschreibung
 Philosophie der Geschichte: behandelt Geschichte direkt
 ob sie notw. oder zufällig verläuft
 ob sie eine Richtung hat
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

zyklisch (Machiavelli)
eschatologisch (christl. Theologen)
fortschrittlich (Hegel, Marx)
Verfall (Rousseau)
 Prominente Figuren: christl. Eschatologen, Giambattista Vico, Johann
Gottfried Herder, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Karl Marx, Oswald
Spengler, Arnold Toynbee.
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16.05.2016
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FELD 1
Einleitung
 Philosophie der GeschSchr: beschäftigt sich mit den Aspekten der
Beschreibung, Wissen, Erklärung, Selektion und Narrativität der
Vergangenheit
 Prominente Figuren: Dilthey, Windelband, Rickert, Simmel, Weber, Croce,
Collingwood, Hempel, Dray, von Wright.
 Unterscheidung wurde oft nicht gemacht und alle Beiträge zur
Philosophie der GeschSchr wurden auch als „Gesch-Philosophie“
bezeichnet
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Einleitung

Philosophie der Geschichtsschreibung hat es mit Methodenproblemen der
GeschW zu tun, die mit dem Problem des Erklärens durchaus
zusammenhängen:
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ob histor. Wahrheit ohnehin unentdeckbar (Skeptizismus)
ob verschiedene Ansichten über die Geschichte zugleich wahr (Perspektivismus)
oder nur eine einzige wahre Sicht auf die Geschichte (Objektivismus).
Selektionsproblem
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
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hat das zu untersuchende Ereignis viele andere kausal beeinflusst (Danto, Rickert)
oder ist ein Ereignis wichtig, weil es auf zukünftige Ereignisse hinweist
oder weil mit ihm etwas anfängt
oder weil es ähnlich zu etwas ist, was uns heutige betrifft (von Wright 1971, ch. IV.7)
 Problem, wie viel Narrativität in den Geschichtswiss. enthalten ist
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FELD 1
Einleitung
 Hier aber soll es um das Problem von Erklärungen in den
Geschichtswissenschaften gehen: Wie werden histor.
Ereignisse erklärt?
 Setzt gewissermaßen eine Einigung darüber voraus, wie die
Sachverhalte der Geschichte beschrieben werden
 (Bsp. 30-jähriger Krieg: Religionskrieg, Hegemonialkrieg, …?)
 Auch, ob nicht jede Beschreibung schon Erklärung beinhält
 (Ranke)
 man kann jedenfalls nicht nur beschreiben, sondern auch
erklären
 was Erklärung heißt, ist aber selbst in den strengen
Wissenschaften nicht einfach entschieden und klar
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FELD 1
Die Debatte
 die Frage nach der angemessenen Form von Erklärung in den
GeschW. ist eingebettet in die allgemeinere Frage nach dem
Unterschied zwischen NW und GW überhaupt
 darüber Debatte seit dem 19. Jh.:
 Früher Positivismus (Auguste Comte)
 Dilthey / Windelband / Rickert
 Wiener Kreis, Programm der „Einheitswissenschaft“,
Hempels DN-Modell
 Kritik an Hempels DN-Modell
 Kausalismus
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FELD 1
Die Debatte
 Parallel dazu gab es auf Seiten der Historiker und
Sozialwissenschaftler selbst schon immer eine eigene
Methodendebatte, zu der fast alle bedeutenden
Historiker auch immer beigetragen haben
 Trägt sei Droysen den Namen „Historik“
 Max Weber (Soziologie), Ludwig von Mises, Milton Friedman
(Ökonomie)
 Auch heute: Sozialgeschichte, Kulturgeschichte
 Debatten laufen parallel aneinander vorbei
 Debatte der Historiker ist eher anwendungsorientiert
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FELD 1
Früher Positivismus
 In der Neuzeit gewaltige u. beeindruckende Fortschritte der
NW – GW fielen dem gegenüber scheinbar ab
 Erst im 19. Jh. wurde versucht, Bereich des Menschlichen wissensch.
zu erforschen
 Geschichte, Archäologie, Sprachwissenschaft, Philologien, Ethnologie,
Kunstgeschichte, Literatur usw.
 Grundlegung der NW durch Rationalismus, Empirismus, Kant (bspw. KrV nichts
anderes als transzendentale Grundlegung der NW (Raum, Zeit, Kausalität))
 Philosophisch / wissenschaftstheoretisch wurden demgegenüber die GW nur
stiefmütterlich behandelt
 Als man dann im 19. Jh. anfing, sich über die Grundlagen der GW Gedanken zu
machen, zunächst Paradigma der NW
 Die Idee war schon älter: Descartes, Hobbes, Hume gingen von einem mechan.
Modell des Menschen und menschl. Handlungen aus; bei Hobbes explizite
Übertragung der mechan. Physik auf Gesellschaft
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FELD 1
Früher Positivismus
 1. Hälfte 19. Jh.: Auguste Comte: Positivismus
 Empirie, Mathematik, Logik sind die Fundamente jeder
Wissenschaft – alles Übersinnliche soll ausgeschlossen
werden
 Idee der Soziologie als einer „sozialen Physik“ (sollte auch so
heißen)
 Soziologie ist laut Comte die Wissenschaft, die die Methoden
der NW benutzt: nämlich Beobachtung, Experiment,
Klassifikation und „die Vergleichung der geschichtlich
einander folgenden Zustände der Menschheit“ (letzteres heißt
bei ihm „die histor. Methode“)
 „soziale Physik“legt „sozialer Mechanismus“, „social
engineering“
 Auch schon Vorstellung einer Einheitswissenschaft
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FELD 1
Dilthey
 Wilhelm Dilthey hat auf Positivismus reagiert: es gibt
einen wesentl. Unterschied zwischen NW und GW:
 1) ihren Gegenstand betreffend
 2) ihre Methode betreffend
 Zu 1): die GW haben es mit Resultaten und Produkten
des menschl. Geistes zu tun (Ökonomie, Recht, Kultur,
Sitten, Moral, Kunst, Geschichte, Sprache, usw.)
 Die GW haben als ihre Daten die „Objektivationen des Lebens“
 = Manifestation des „objektiven Geistes“, der sich bspw. in einem
Rechtskodex ausdrückt – aber auch in einer flüchtigen
Höflichkeitsformel
 Begriff „objektiver Geist“ stammt von Hegel – deswegen heißen heute
im Dt. diese Wissenschaften auch „Geisteswissenschaften“
 Aber Dilthey verwendet den Begriff anders und er wollte nicht die
spekulative Metaphysik von Hegels Geist mit einkaufen
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FELD 1
Dilthey
 zu 2) die NW erklären, die GW verstehen; d.h.
 „das Verfahren des Innewerdens eines psych. Zustands in seiner
Ganzheit und sein Wiederfinden im Nacherleben“ ist Grundlage der GW
 „Empathie“, Einfühlung in die Gedanken, Wünsche, Hoffnungen,
Absichten anderer, um ihre Handlungen zu verstehen
 übersinnliches Hineinempfinden in den Geist des anderen, ja sogar histor.
Akteure
 beim Verstehen: hermeneut. Zirkel:
 Im Verstehen gibt es eine gegenseitige Abhängigkeit: die Wahrheiten
der GW beruhen auf Erleben und Verstehen – das Verstehen setzt aber
andererseits die Verwertung geisteswiss. Wahrheiten voraus:
 Um Bismarck zu verstehen braucht man Quellen – aber solange der
Vorgang des Verstehens dauert – solange ist auch noch nicht die
Abgrenzung des Materials abgeschlossen (S. 142)
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FELD 1
Dilthey: Kritik
 Die Terminologie „Verstehen“ vs. „Erklären“ kann aber nicht
aufrechterhalten werden (v. Wright 1971)
 „Empathie“ zweifelhafte Methode – man kann sich ja schon
mitunter nicht in den Zeitgenossen einfühlen – wie erst dann
in histor. Gestalten?
 Empathie als übersinnliche Methode: metaphysischer Ballast
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FELD 1
Windelband / Rickert
 Wilhelm Windelband / Heinrich Rickert („Neukantianer“)
wollten dann explizit die Grundlegung der GW nachholen und
damit dem Programm folgen, dass Kants KrV für die NW
vorgelegt hatte
 Und suchten nach anderen Unterschieden zwischen NW und GW
 Windelband: NW: nomothetisch; GW idiographisch
 Rickert: generalisierende und individualisierende Methode
 Die NW haben es mit Auffinden und Erforschen allg. Gesetze
zu tun; ihre Erkenntnisse gelten für alle Einzeldinge (etwa
Fallgesetz)
 Die GW (insbes. die GeschWiss.) haben es mit Einzeldingen
zu tun, die detailliert beschrieben werden (der erste WK; die
Frz. Revolution; die Mona Lisa)
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FELD 1
Windelband / Rickert: Kritik
 zweifelhaft, ob sich der Unterschied zw. GW und NW wirklich
so durchhalten lässt
 Auch einige NW mit Einzelgegenständen befasst (Astronomie,
Geologie), Generalisierungen gibt es auch in den GW („Für alle griech.
Kolonien gilt…“, „Alle Offiziersanwärter der frz. Kriegsmarine im 18. Jh.
waren Männer aus dem Milieu…“)
 Sowohl Windelband als auch Rickert vermengen ihre
Unterschiedsziehung mit Werten
 so ist bspw. bei Rickert die Gegenstandsauswahl des
Historikers (Selektion) durch kulturelle Leitwerte bestimmt
 (Ablehnung der Kaiserkrone durch den preuss. Kg. ist wichtiger als welche
Kleider ihm sein Schneider gemacht hat oder was er zum Frühstück aß)
 Diese Werte aber existieren objektiv und metaphysisch
eigenständig
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Hempel
 Im 20. Jh. dann Neuauflage des Positivismus in Gestalt des
„Log. Positivismus“ / „Log. Empirismus“; „Wiener Kreis“
 Empirie und Logik; alle Erkenntnis ist aus diesen beiden
Komponenten zusammengesetzt;
 Damit einher ging das Programm der Einheitswissenschaften: alle
Wissenschaften sollten durch log. Analyse auf Protokollsätze
zurückführbar sein
 Dadurch Ausschluss aller metaphysischen Begriffe und Sätze als
sinnlos
 Hegel („Das reine Sein und das reine Nichts ist also dasselbe“, „objektiver
Geist“)
 Heidegger: („Wie steht es um dieses Nichts?“, „Wir suchen das Nichts“, „Wir
finden / kennen das Nichts“, „Das Nichts nichtet“)
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Hempel
 Angeblich würden sich GeschWiss. im Gegensatz zu NW eher mit
der Beschreibung von Einzelereignissen beschäftigen und nicht mit
der Suche nach allg. Gesetzen, die diese Ereignisse bestimmen
 Carl G. Hempel will zeigen, dass allg. Gesetze
 dieselbe Funktion in GeschW und NW
 ein unverzichtbares Instrument der Geschichtsforschung
 Gemeinsamkeit von Sozialwiss. und NW
 „Gesetz“ = universalisiertes Konditional, das sich durch passende
emp. Resultate bestätigen oder widerlegen lässt
 Gesetze sagen eine Regularität folgender Art aus: „In jedem Fall, in dem ein
bestimmtes Ereignis C zu einer Zeit an einem Ort auftaucht, wird ein bestimmtes
Ereignis E auftauchen, welches sich zu Zeit und Ort des Auftauchen von C in
einer bestimmten Weise verhält“
 Hempel: Symbole C und E sollen für Ausdrücke „Ursache“ und
„Wirkung“ stehen, die oft, aber nicht immer auf Ereignisse in einem
solchen Gesetz angewendet werden
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FELD 1
Hempel
 Die Hauptfunktion allg. Gesetze in den NW ist es, Ereignisse zu
verbinden in Mustern, die man „Erklärung“ (explanation) und
„Vorhersage“ (prediction) nennt
 Die Erklärung des Auftauchens eines Ereignisses besteht darin,
seine Ursachen oder bestimmende Faktoren anzugeben
 Zu sagen, dass eine Menge Ereignisse (C1…Cn) E verursacht haben, ist zu
sagen, dass diese Menge Ereignisse regulär von E gemäß allg. Gesetze begleitet
wird
 Die Erklärung eines Ereignisses besteht also in:
 1. einer Menge von Aussagen, die das Auftauchen bestimmter Ereignisse
(C1…Cn) zu bestimmten Orten und Zeiten behaupten
 2. eine Menge universeller Hypothesen, so dass
 a) beide Prämissenmengen hinreichend gut durch emp. Beweise bestätigt sind
 b) aus beiden Prämissenmengen das Auftauchen von E logisch deduziert werden kann
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FELD 1
Hempel
 Deduktiv-Nomologisches Schema („DN-Modell“)
 Beispiel:
 1. Wasser dehnt sich immer aus, wenn seine Temperatur unter 4°C
sinkt.
 2. Der Tank des Autokühlers war voller Wasser, die Außentemperatur
fiel in der Nacht unerwartet unter 0°C, das Wasser war nicht mit
Frostschutzmittel versetzt,…
 3. Also: Der Kühler zerplatzte.
 allgemeine Formel der DN-Erklärung:
 1. L1, L2, L3…Ln
 2. C1, C2, C3...Cm
 3. Also: E
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Hempel
 eine Erklärung besteht also aus einer Gesetzesprämisse
und einer Prämisse von Anfangs- und Randbedingungen
 Jeder Erklärung wiss. Charakters muss objektiv
überprüfbar sein:
 A) die Bedingungen müssen empirisch überprüfbar sein
 B) die allg. Gesetze müssen empirisch überprüfbar sein
 C) der Syllogismus muss gültig sein
 Meistens sind Erklärungen für ein Ereignis unvollständig
 Wir mögen hören, dass die Scheune deswegen brannte, „weil“ eine
Zigarette ins Heu geworfen wurde
 Hierbei werden dann die Gesetze ausgelassen, weil sie etwa
selbstverständlich sind
 Also: implizite Referenz auf allg. Gesetze
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FELD 1
Hempel
 Vollständig wäre eine Erklärung dann, wenn auch eine
Vorhersage gemacht werden kann
 Vorhersage nun ist die Ableitung über ein zukünftiges Ereignis
(bspw. eine bestimmte Planetenkonstellation) aus den
Bedingungen (der rel. Position und Impuls der Planeten) und
allg. Gesetzen (der Himmelsmechanik)
 Die log. Struktur einer Vorhersage ist dieselbe wie die einer
Erklärung
 Sie unterscheiden sich nur darin: bei einer Erklärung ist das Ergebnis
bekannt und die Bedingungen werden gesucht, während bei einer
Vorhersage die Bedingungen bekannt sind und das Ereignis gesucht
wird
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Hempel
 Histor. Erklärungen nun funktionieren genau so
 Sie zielen darauf, zu zeigen, dass ein histor. Ereignis nicht eine Sache
des Zufalls, sondern angesichts vorhergehender oder gleichzeitiger
Bedingungen zu erwarten war
 Hempel: aber die meisten Historiker erklären wohl Ereignisse,
ohne sich auf allg. Gesetze zu beziehen
 Hempel: mitunter werden durchaus allg. Gesetze bei
Erklärungen explizit mit angegeben, bspw.:
 Leute, die Jobs haben, wollen diese nicht verlieren
 Diejenigen, die bestimmte Fertigkeiten entwickelt haben, lehnen
Veränderungen ab
 Wer sich an Macht gewöhnt hat, will sie nicht verlieren
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Hempel
 Aber: die meisten Erklärungen in der Geschichte oder Soziologie
enthalten keine expliziten Gesetze
 Zwei Erklärungen dafür:
 1) Viele Gesetze sind solche der Individual- oder Sozialpsychologie, die jedem
aus dem Alltag bekannt sind und sind selbstverständlich
 2) es ist oft sehr schwierig, die unterliegenden Annahmen hinreichend präzise
und gleichzeitig in Übereinstimmung mit allen empirischen Beweisen korrekt zu
formulieren
 Bspw.: „Die Dust Bowl Farmers zogen nach Kalifornien, weil anhaltende Dürre ihre
Existenz prekär machte und Kalifornien bessere Aussichten versprach“
 Die Erklärung ruht auf allg. Gesetzen, wie bspw. dass Bevölkerungen die Tendenz
haben, in Regionen zu wandern, die bessere Lebensbedingungen garantieren
 Aber es würde sich schwierig gestalten, diese Annahme in Form
eines allg. Gesetzes zu gießen, dass durch alle relevanten
empirischen Beweise gut gestützt ist
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Hempel
 Hempel hält fest, dass er nicht „spezifisch historische“ von
soziologischen oder anderen Gesetzen unterscheiden wird
 Aber es mag erwähnenswert sein, dass sich Historiker imoder explizit allg. Gesetze bedienen, die aus anderen wiss.
Disziplinen stammen, wenn nicht sogar aus der
Alltagserfahrung
 Psychologische, wirtschaftliche, soziologische, historische,
aber auch naturwissenschaftliche, wenn etwa die Niederlage
einer Armee durch Nahrungsmangel erklärt wird
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Hempel
 einige Erklärungen in der Geschichte können anhand von
Wahrscheinlichkeitshypothesen anstatt von
„deterministischen“ Gesetzen in Form universaler Konditionale
gegeben werden
 Viele histor. Erklärungen scheinen als Schlüsse mit
probabilist. Gesetzen verstanden werden zu können, wobei
die Wahrscheinlichkeitswerte auch nur grob bekannt sein
werden
 die Erklärungen in den Geschichtswiss. sind also eher
Erklärungsskizzen, die aus einer mehr oder weniger vagen
Gesetzen und Anfangsbedingungen besteht
 diese müssen dann durch weitere empirische Forschung
„ausgefüllt“ werden
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Hempel
 Kritik an Auffassung, dass die Methode der Geschichtswiss.
im empathischen Verstehen besteht
 der Historiker stellt sich vor, er wäre an der Stelle der Personen, die in die
Ereignisse, die er erklären will, involviert sind
 er versucht so vollständig wie möglich, ihre Handlungsumstände und ihre
Motive zu erkennen und durch diese imaginäre Identifikation mit seinen
Helden erlangt er ein Verständnis und damit an eine angemessene Erklärung
der Ereignisse
 diese Methode wird zwar oft von Historikern und Laien
angewendet, aber sie stellt keine Erklärung dar
 sie ist eher ein heuristisches Modell: seine Funktion ist eher, psychologische
Hypothesen vorzuschlagen, die als explanatorische Prinzipien fungieren
können
 der Historiker überlegt, wie er unter den Umständen und gegebenen Motiven
gehandelt hätte und verallgemeinert dann seine Resultate in allg. Gesetze
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Hempel
 Hempel: diese Vorgehensweise mag ja mitunter hilfreich sein,
garantiert aber nicht die Korrektheit der histor. Erklärung (diese
hängt von der faktischen Richtigkeit der allg. Gesetze ab)
 Hempel: auch ist diese Methode nicht notwendig für histor.
Erklären: ein Historiker mag sich in eine paranoide histor.
Persönlichkeit nicht einfühlen können – aber er kann seine
Handlungen nach Prinzipien der Psychologie abnormaler
Charaktere erklären
 Hempel: es gibt keinen Methodenunterschied zwischen GW und
NW; Empathie ist als übersinnliches Hineinempfinden in die
Psyche des andere ein Teil des alten sinnlosen metaphysischen
Ballasts
 Die Erklärungsmethoden sind ebenso kausal wie in den NW
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Kritik am DN-Modell
 Hempels DN-Schema wiss. Erklärungen hat die Diskussion
um die Natur histor. Erklärens stark befeuert
 Es wird heute allerdings nicht mehr als ernsthafter Kandidat
für ein Modell wiss. Erklärens angesehen – dafür gibt es zu
viele und schwere Einwände
 Diese Einwände können in drei Gruppen mit unterschiedlicher
Allgemeinheit gebracht werden: vs. Hempels DN-Modell als
 1. Modell wiss. Erklärens überhaupt
 2. Modell von Kausalerklärungen
 3. Modell für Erklärungen in den historischen Wissenschaften
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1. Kritik am DN-Modell als Modell (wiss.) Erklärens überhaupt

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

1.1 Ein kleinerer Punkt: Erklärungen haben nicht immer Aussagen als ihre
Konklusion, manchmal müssen auch Aufforderungen, Fragen, Wünsche,
Hoffnungen etc. erklärt werden
1.2 Ein weiterer kleinerer Punkt: Hempels DN-Modell definiert Erklärungen
für Ereignisse, aber wird nach der Erklärung von Gegenständen / Objekten
(“Warum gibt es die Alpen?”, “Welche Rolle spielen die Insignien bei einer
Krönungszeremonie?” (Scriven 1962, Donagan 1966)
1.3 Zweifelhaft, dass Gesetze immer in Erklärungen vorkommen müssen
(auch nur implizit), denn, grob gesagt, zu sagen “Es ist immer so” erklärt
nicht, wieso bspw. Wasser sich ausdehnt, wenn man es unter 4°C abkühlt
(Dray 1957, III.4)
1.4 In Biologie und Psychologie gibt es Erklärungen, die Hempels DNModell überhaupt nicht entsprechen (Der Körper fängt an zu schwitzen, um
seine Temperatur zu senken)
 (= Teleologische Erklärungen)
1.5 Es gibt eine Fülle von unterschiedlichen Formen des Erklärens und es
ist absurd, sie alle auf ein Modell zu reduzieren, wie Hempel versuchte:
Bspw. zu erklären, was ein unbekanntes Wort heißt, wie jemand gestern
nach Hause kam, wieso ich nicht meine Pflichten erledigt habe usw.
funktionieren gar nicht nach Hempels DN-Modell (Passmore 1962)
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2. Kritik am DN-Modell als Modell kausalen Erklärens

2.1 Allg. Gesetze spielen gar keine notwendige Rolle in
kausalen Erklärungen, wie Hempel anzunehmen scheint




Denn wir können kausale Zusammenhänge zwischen Ereignissen
bestimmen, ohne dass wir auf die Verifikation einer unendl. Menge von
Fällen warten müssten, in denen Ereignis A immer von B gefolgt wurde
(Anscombe 1971)
Kein Naturgesetz ist, streng genommen, bis heute in diesem Sinne
verifiziert, so dass unsere wiss. Gesetze allesamt zweifelhaft wären
Und in alltäglichen Kausalerklärungen werden allg. Gesetze gar nicht
gebraucht: “Warum starb Jones?” – “Er war alt und bekam eine Grippe
und hatte ein schwaches Herz” – diese Erklärung seines Todes ist, so
wie sie ist, in Ordnung – obwohl wir wissen, dass nicht alle alte Männer
mit einem schwachen Herz, die eine Grippe bekommen, sterben
Wir akzeptieren etwas als eine gute Erklärung, wenn wir eine
Verbindung sehen und keinen Grund haben, sie zu bezweifeln
(Passmore 1962)
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2. Kritik am DN-Modell als Modell kausalen Erklärens

2.2 Einwände gegen die Regularitätstheorie der Kausalität




Das so genannte Epiphänomenalismus-Problem (Gasking 1955):
Sogar wenn es ein konstantes Zusammenauftreten zweier Ereignisse
gibt, heißt das nicht, dass es eine kausale Verbindung zwischen ihnen
geben muss, denn immer wenn Eisenbarren beim Erhitzen gelb glühen,
haben sie eine bestimmte Temperatur erreicht
Und dies mag man ein empirisches Gesetz nennen
aber sicherlich ist das Gelb-Glühen des Barrens nicht die Ursache
dafür, dass der Barren eine bestimmte Temperatur erreicht hat, sondern
eher umgekehrt
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen



Historiker versuchen gar nicht, histor. Gesetze aufzufinden,
die dann in Formelsammlungen veröffentlicht werden könnten
Hempel gab das zwar von Anfang an zu und meinte, dass
Historiker eher probabilistische Gesetze verwenden, die das
Eintreten eines histor. Ereignisses wahrscheinlich machen
Aber:



a) dann gibt Hempel seine deduktive These auf, nach der das zu
Erklärende (“Explanandum”) aus der Menge der Prämissen
(“Explanans”) logisch abgeleitet werden können
b) probabilistische Gesetze erklären nicht, warum das Ereignis in einem
bestimmten Fall eintrat
c) Historiker suchen auch keine Wahrscheinlichkeitsgesetze
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen
 3.1 weitreichendster Einwand gegen Hempels DNModell:
 Geschichte besteht aus menschl. Handlungen und diese
werden in der Regel gar nicht kausal, sondern
teleologisch / intentional erklärt

Erklärungen einer völlig anderen Art (Dray 1957, Melden 1961, von
Wright 1971, u.a.)
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen
 Wir erklären menschl. Handlungen normalerweise
anhand von Gründen, nicht Ursachen
 D.h. anhand der Ziele und Zwecke von Akteuren (und ihrer
Überzeugungen)
 Alltag: “Warum ist Jane in die Stadt gefahren?” – “Um einen neuen Hut
zu kaufen” oder “Sie wollte einen neuen Hut kaufen” (und sie glaubt,
dass sie in der Stadt einen neuen Hut kaufen kann.)
 In GeschWiss: “Warum gewann Kleopatra die beiden mächtigsten
Römer ihrer Zeit, zuerst Gaius Iulius Caesar und nach dessen
Ermordung Marcus Antonius, zu Geliebten?“ „Um die Machtstellung des
Ptolemäerreichs zu erhöhen.“
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen

Oftmals müssen in GeschW kollektive Handlungen erklärt werden: “Warum sendet das
österr.-ungar. Regierungskabinett das Ultimatum an die serbische Regierung?” “Um nicht an
Einfluss auf dem Balkan zu verlieren”

Es geht hierbei nicht darum, ob diese Erklärungen korrekt sind oder nicht, sondern nur um Ihre Form
 Solche Erklärungen sind keine Kausalerklärungen, sondern
teleologische Erklärungen
 Diese Erklärungen involvieren gar keine Allgemeingesetze
 wir bestimmen keine Regularitäten zwischen zwei unabhängigen Ereignissen, um
unsere Handlungen zu erklären: Wir sagen nicht: “Hey, ich gehe gerade
spazieren – und vor einer Weile hatte ich die Absicht, spazieren zu gehen – das
habe ich in letzter Zeit öfter erlebt – es muss einen kausalen Zusammenhang
zwischen meiner Absicht und meiner Handlung geben”
 Aber selbst wenn man Kausalerklärungen anders als durch das DNModel auffassen würde, würden sie nicht die logische Struktur von
Erklärungen menschlicher Handlungen aufweisen
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen




3.1 Ziele und Zwecke können Dinge in der Zukunft sein (Ich mag
nach London fliegen, um die William Turner-Ausstellung zu
besuchen) – aber Wirkungen können ihren Ursachen nicht
vorausgehen
Zwecke mögen auch gar nicht passieren – und können dennoch als
Erklärung fungieren: Ich mag bspw. letztlich daran gehindert sein,
die Ausstellung zu besuchen, aber dennoch erklärt der Zweck,
warum ich nach London geflogen bin
Manchmal wird hier eingewandt, dass ich ja den Wunsch, nach
London zu fliegen, schon vorher hatte, so dass der Grund gar nicht
in der Zukunft lag
Aber dieser Einwand schlägt fehl, denn mein Grund, nach London
zu fliegen, war die Ausstellung zu sehen, nicht die Tatsache, dass
ich vor Abflug in einem bestimmten mentalen Zustand war (den
Wunsch hatte, die Ausstellung zu sehen)
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen
 3.2 Ziele und Zwecke werden vom Akteur als etwas Gutes
oder als etwas zu Tuendes, als etwas Erstrebenswertes
beurteilt – oder als etwas Schlechtes, zu Vermeidendes
 Daher involvieren teleologische Erklärungen Wertungen,
Normativität
 Diese findet sich bei Ursache-Wirkungsbeziehungen gar nicht
 Außerdem mögen Gründe / Zwecke Handlungen rechtfertigen
– etwas was eine Kausalerklärung niemals leisten könnte
 Es würde keinen Sinn machen, von guten oder schlechten,
kindischen oder edlen Ursachen zu sprechen – aber von
Gründen / Zwecken
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen


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
3.3 Mitunter werden menschl. Handlungen als durch Absichten verursacht
gedeutet, so dass man histor. Handlungen (kollektiv oder individuell) als
durch Absichten verursacht erklärt (Gerber 2010)
Aber man erklärt eigentlich gar nichts an einer Handlung eines histor.
Akteurs, wenn man sagt: “Der Akteur tat H, weil er die Absicht, H zu tun,
hatte.”
Außerdem: Dass Absichten die Rolle von Ursachen für Handlungen
spielen, geht von dem Bild aus, dass Absichten mentale oder neuronale
Dinge / Zustände / Ereignisse im Geist oder im Gehirn des Menschen sind,
die die Handlung kausal hervorrufen
Bei Kausalbeziehungen aber gilt: Ursache und Wirkung lassen sich
unabhängig voneinander beschreiben und es lässt sich von der Ursache
nicht auf die Wirkung schließen (Humes Einsicht)


Wenn die Billardkugel A anrollt und an Billardkugel B stößt, dann folgt nicht
logisch, dass Kugel B wegrollt
Wenn wir einen Menschen in die Welt stellen würden, der noch nie eine
bestimmte Ursache in Aktion gesehen hat, dann ist es ihm nicht möglich, die
Wirkung vorherzusagen
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen

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

und dass man sich mit „Ich habe die Absicht, H zu tun” selbst beschreibt
oder eine Feststellung über sich trifft
„Ich habe die Absicht, H zu tun” ≠ Tatsachenaussage, sondern man legt sich
selbst darauf fest, H zu tun, wenn man dazu Gelegenheit hat
Zu unserem Begriff von „eine Absicht haben” gehört:
Wer H nicht ausführt, obwohl er Gelegenheit dazu hat, nicht daran gehindert
wird oder seine Absicht vergessen hat, dem würden wir einfach nicht
glauben, dass er die Absicht, H zu tun, hat – wir würden es als Falsifikation
seiner Aussage ansehen, wir würde ihn als unaufrichtig ansehen
Wir würden nicht sagen: „Interessant, hier haben wir einen Fall, in dem
jemand die Absicht, H zu tun, hat – ohne dass H folgt”
Dies zeigt, dass es die Verbindung zwischen Absicht und Handlung keine
kontingente und empirische ist, sondern eine begriffliche oder logische, so
dass Absichten keine Hume’schen Ursachen von Handlungen sein können
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen
 Handlungen sind Ausdruck von Absichten, nicht deren Ursache
 Die Absichtlichkeit einer Handlung manifestiert sich in der Art und
Weise (Kontext) Ihrer Ausführung: Planung, Sorgfalt, Wiederholung,
Ankündigung, Unüberraschtheit, wie sich der Akteuer vor- und
nachher verhält, was er sagt, usw.
 Wir erkennen Absichten bei anderen an ihren Handlungen und dem
Handlungskontext
 Die Frage, ob Peter Susanne absichtlich auf den Fuß trat oder
es ein Versehen war, hängt von einer Reihe von Faktoren des
Kontextes seiner Handlung ab, etwa: wie er die Handlung
ausführt, was er dabei sagt, wie er sich im Anschluss verhält,
ob es öfter vorgekommen ist oder nicht, …
 = Öffentl. Kriterien
 Und nicht: welche Dinge „in seinem Geiste“ vorlagen, oder in seinem Gehirn
 Inf. Regress-Argument
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen
 Meist lässt sich die Frage, welche Gründe ein Akteur
tatsächlich für sein Handeln hatte, recht bald entscheiden.
 Die Frage, ob Peter absichtlich X tat sich zur Armee meldete, oder doch bloß der
großzügige Sold, hängt von einer Reihe von Faktoren des Kontextes seiner
Handlung ab, etwa: wie er die Handlung ausführt, was er dabei sagt und wie sich
Peter bisher in Situationen verhalten hat, in denen es um Patriotismus bzw. Geld
ging, und u. U. auch davon, wie er sich zukünftig verhalten wird
 Wenn hingegen auch nach längerer Untersuchung des
Handlungskontextes keine eindeutige Aussage möglich ist,
dann gibt es eben keine Antwort auf die Frage, aus welchem
Grund die Person nun genau gehandelt hat, denn es gibt
nichts, was als Antwort auf sie gelten könnte
 Bei Handlungen von Zeitgenossen sind wir in der
komfortablen Position, dass wir die Akteure noch fragen
können oder den Handlungskontext relativ unproblematisch
und aus erster Hand beobachten können
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen
 Bei Handlungen der weiteren Vergangenheit wird dies
aufgrund abnehmender Qualität und Quantität der
historischen Quellen zusehends schwieriger. Historiker
durchsuchen das auf uns Heutige überkommene
Datenmaterial, um den Kontext der Handlungen historischer
Akteure zu rekonstruieren und von da aus Erklärungen für
historische Handlungen zu liefern. In Fällen, in denen die
Rekonstruktion des Handlungskontextes nicht über einen
gewissen Grad möglich ist, müssen sich Historiker eines
Urteils über die Gründe, Zwecke und Absichten der Akteure
eben enthalten.
Folie 42
16.05.2016
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen
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Die Erklärungen vergangener Handlungen hat zwar spezielle Probleme, die
mit der Überlieferung der Tatsachen des Handlungskontextes
zusammenhängt, diese stellen aber keine Probleme sui generis dar, so dass
gesagt werden kann, dass die Erklärungen historischer Handlungen wie
(Alltags-) Erklärungen zeitgenössischer Handlungen funktionieren:
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So wie das Überschreiten einer Straße durch einen zeitgenössischen Akteur unter
bestimmten Kontextbedingungen Ausdruck seiner Absicht ist, zur Arbeit zu gehen, so war
Cäsars Überschreiten des Rubikons unter den historisch überlieferten Kontextbedingungen
Ausdruck seiner Absicht, nach der Macht in Rom zu greifen – nicht: die Absicht, nach der
Macht zu greifen, verursachte Cäsar dazu, den Rubikon zu überschreiten.
so wie etwa ein Schimpfen Ausdruck der Unzufriedenheit einer Person ist, so ist eine
politische Demonstration oder ein Aufruhr Ausdruck einer kollektiven Unzufriedenheit – nicht:
der mentale Zustand der Unzufriedenheit verursacht, dass eine bestimmte Person schimpft
oder Menschen demonstrieren gehen
Der in den historischen Quellen überlieferte „Stoff“ stellt das Interpretandum
dar, aus dem der Historiker entsprechende Ziele und Absichten der Akteure
ableitet und mithilfe dessen wiederum weitere Handlungen dieser Akteure
gedeutet werden können. Eine Handlung durch einen Grund zu erklären,
bedeutet also nicht, auf ein weiteres Ereignis als Hume’sche Ursache zu
referieren, sondern die Handlung in einen Kontext einzubetten, so dass die
Handlung und der Akteur verstanden werden können.
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen
 Ursachen kann es bestenfalls für Körperbewegungen, aber
nicht für Handlungen geben
 Handlungen sind aber nicht identisch mit Körperbewegungen
 Es gibt Handlungen ohne Körperbewegungen (Unterlassungen,
Ignorierungen)
 Ein und dieselbe Körperbewegung kann verschiedene Handlungen
bedeuten
 Ein und dieselbe Handlung kann unterschiedlich körperlich ausgeführt
werden
 Handlungen sind anhand eines Kontextes gedeutete
Körperbewegungen / Verhalten
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen
 Wobei man sagen muss, dass wir nur im Zweifelsfällen
überhaupt anfangen zu deuten und zu interpretieren – im
Alltag nehmen wir direkt wahr, was der andere tut
 In GeschW ist das Verhalten der Akteure nicht überliefert,
aber „kleine Handlungen“, die vom Historiker zu größeren
Handlungen gedeutet werden
 Bspw.: Der Kaiser urkundete dort und dort und besuchte diesen Ort und
erließ jenes Erlass – wird interpretiert und gedeutet zu einer „großen
Handlung“: „Er trieb die christl. Missionierung des Ostteils seines
Reiches voran“
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3. Kritik am DN-Modell als Modell histor. Erklärungen
 Zurück zur Prämisse dieses gesamten Einwands:
 nicht alle meinen, dass Geschichte aus menschl. Handlungen
besteht, sondern eher aus „Strukturen“
 polit. Geschichte („Geschichte großer Männer und Taten“) vs. Untersuchung von
soz. Strukturen („soziale Mechanismen“), Institutionen, ökonom. Notwendigkeiten
und Mentalitäten; Umweltbedingungen
 Aber: 1. Was sind soz. Strukturen, Institutionen, ökonom.
Notwendigkeiten und Mentalitäten anderes als die intendierten (und
nicht-intendierten) Folgen menschl. Handlungen?
 Umweltbedingungen: es geht ja um die menschl. Reaktionen auf die
Umweltbedingungen (Pompeji)
 2. Außerdem: teleog. Erklärungen lassen sich auch für kollektive
Handlungen angeben
 3. soz. Strukturen sind keine Akteure – nur in einem abgeleiteten
Sinne
 In unserem Begriffsschema gehen ihnen die paradadigmatischen Akteure
(Personen) voraus
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Zusammenfassung
 „Pendelbewegung“ in Debatte zwischen Monisten und Pluralisten
 Nach einer frühen Phase des Positivismus gab es eine Gegenreaktion der
Betoner einer Unabhängigkeit der Geisteswissenschaften
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Dann wieder Monismus des Wiener Kreises, Hempel
Kritik daran Dray, Passmore, Donagan, von Wright
Handlungstheoretischer Kausalismus bis heute
Jetzt langsam so etwas wie Gegenbewegung
 Lit.: Röttgers, Kurt: Einführung in die Geschichtsphilosophie,
Hagener Fernstudienkurs 03341, Kurseinheit 1, Kap. 4.7 Was aber
heißt „historisch erklären“?
 16.-18.03. Tagung zu „Causalism & Anticausalism in historical
Explanations“ in Hagen
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