23.05.2014 Prof. Dr. Bernhard Nauck Vorlesung Erklärende Soziologie 11. Vorlesung Soziale Netze und soziale Differenzierung 1 Arten von Gütern Güter Privat-Güter soziale Güter Kommunal-Güter Kollektiv-Güter Öffentliche Güter Kooperations-Güter Assurance-Güter Positions-Güter Clubgüter Chicken-Güter 2 1 23.05.2014 Unelastische Märkte aus dem negativen Feedback wird ein neutrales Feedback, d.h. es kommt nicht zur Oszillation, sondern zu zyklischen Schwankungen insbesondere - bei Gütern mit langen Produktionszeiten, ehe sie auf den Markt gelangen, Beispiele: Schweine-Zyklus, Lehrer-Zyklus, Mietwohnungen Beispiele für unelastische Märkte ohne zyklische Schwankungen: Partnerschaftsmärkte; Humankapitalinvestitionen Die Fiktion von „bedarfsgerechten“, „praxisnahen“ Studiengängen 3 Konstante Zyklen von Angebot und Nachfrage 4 2 23.05.2014 Die Erklärung von Zyklen 1. Es gibt ein Über- oder Unterangebot (warum auch immer: z.B. wegen BSE, EHEC, Bildungsexpansion) 2. Dies setzt eine Umorientierung in der Produktion in Gang, die Zeit braucht 3. Dies führt nach dem Produktionszyklus zur entgegen gesetzten Situation 4. Dies setzt eine gegenläufige Umorientierung der Produktion in Gang 5 Marktmechanismen und Ausbildungsqualität (1) Steigert oder senkt die Einführung von Studiengebühren die Qualität der Ausbildung? Rheinische Motivationstheorie: Wat nix koss, det is ooch nix! „wissenschaftlicher“: Studiengebühren sind Anreiz für Studierende, das Studium effektiv und schnell zu absolvieren Nebeneffekt: Beseitigung von Karteileichen (aber die stören den Lernbetrieb eigentlich nicht) Was bedeuten Studiengebühren für Angebot und Nachfrage nach Studienplätzen? Senkung der Nachfrage, parametrisch zur Höhe der Studiengebühren! 6 3 23.05.2014 Marktmechanismen und Ausbildungsqualität (2) Aber: ein Universitätsstudium ist kein Gut, dass auf einem freien Markt gehandelt würde. Vielmehr handelt es sich um ein hochgradig subventioniertes Gut (in Deutschland mehr als anderswo auf der Welt), wodurch der Preis sehr deutlich unter ein Marktgleichgewicht gedrückt wird. Dies produziert zunächst einen deutlichen Nachfrageüberhang nach Studienplätzen Dies produziert (als zweite Verletzung des Marktprinzips) typischerweise weitere Interventionen: Numerus Clausus Dies produziert - kontraintuitiv - einen noch weit stärkeren Nachfrageüberhang! Resultat: Defizit an Studienplätzen bei anhaltend hoher Nachfrage. 7 Marktmechanismen und Ausbildungsqualität (3) Die “studentische Reservearmee” erlaubt den Professoren zu machen was sie wollen: sich die besten Studenten aussuchen, den “Preis” der Leistungsanforderungen (und die Schikanen) in die Höhe zu treiben, z.B. Lehrpläne verfügen, die Studenten nicht mögen. Wenn es den Studenten nicht passt, wie sie behandelt werden, können sie immer ersetzt werden (bzw. durch schlechte Noten bestraft werden). Dieser Spielraum ist umso größer, je stärker durch Subventionen und NC die Nachfrage das Angebot übersteigt 8 4 23.05.2014 Marktmechanismen und Ausbildungsqualität (4) Was würden nun Studiengebühren bewirken? Senkung der Nachfrage nach Studienplätzen, Sinken der Studentenzahlen, leere Seminare! das (konspirative) Gejammer der Professoren wird immer unglaubwürdiger Die Professoren müssen etwas tun, um die Nachfrage zu erhöhen Also: Wettbewerb der Professoren um die schiere Anwesenheit von Studenten (Studentenklau zwischen Professuren, Fächern, Universitäten) Probates Mittel: Absenken der Standard-(Schatten-) Preise für das Studium! - bessere Noten - kurze Studienzeiten - bequemes Studium - “interessante” Inhalte 9 Beziehungsstrukturen sind Muster relationaler Eigenschaften der Einheiten einer Gesellschaft (z.B. von Individuen) sind dasselbe wie soziale Netzwerke 10 5 23.05.2014 Konzepte und Anwendungsfelder der Netzwerkanalyse Komplette vs. egozentrierte Netzwerke komplett: in Organisationen, Betrieben, Vereinen, Schulklassen egozentriert: soziale Beziehungen von (auch korporativen) Akteuren Verbundenheit (durch eingehende und ausgehende Beziehungen) Erreichbarkeit (direkter und indirekter Art über andere Akteure) Dichte (der Sozialbeziehungen in einem Netzwerk) Multiplexität der Sozialbeziehungen (durch die Überlagerung von Tätigkeiten und Rollen) Funktionen von Netzwerken für die Akteure strong ties vs. weak ties Hierarchisierung 11 Loses, zentralisiertes Netzwerk 2 5 1 3 12 4 6 23.05.2014 Dichtes Netzwerk 1 2 5 4 3 13 Erreichbarkeit in Netzwerken 1 2 3 4 5 14 7 23.05.2014 Hierarchisierung im Netzwerk 1 2 4 3 5 15 Doppelstern und Betweenness 2 1 3 4 6 5 7 9 8 16 8 23.05.2014 Frage-Pause 17 Die drei Kapitalarten (Bourdieu 1983) Kapitalart Form Einheit „Währung“ ökonomisch individuelles Gut, leicht transferierbar Geld, Land, Besitz individuelles Gut, nicht transferierbar Kenntnisse, Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten objektiviert individuelles Gut, leicht transferierbar „Kulturgüter“, z.B. Bücher, Computerprogramme inkorporiert kulturell institutionalisiert sozial legitimiertes individuelles Gut, nicht transferierbar Zeugnisse, Diplome, Bildungszertifikate, Titel relational-personengebundenes Gut, begrenzt transferierbar Zugänge, Macht, Beziehungen, Verpflichtungen 18 9 23.05.2014 Mechanisms of social capital Nan Lin (2001): - „Ich definiere Sozialkapital als Investitionen von Ressourcen bei erwarteten Erträgen auf Märkten.” - „Individuen gehen Interaktionen und Netzwerkbeziehungen ein um Nutzen zu produzieren.“ - “Information, Einfluss, (Weiter-)Empfehlungen, und Verhaltensbestätigung können erklären, warum Sozialkapital sich auf instrumentelle und expressive Handlungen auswirkt und nicht auf persönliches Kapital wie ökonomisches und Humankapital zurückgeführt werden können.” Sozialkapital-Theorie 1 (N. Lin) 1. Das Struktur-Postulat: Hochbewertete Ressourcen sind in soziale Strukturen eingebettet, in denen Positionen, Autorität, Regeln und Akteure normalerweise eine Pyramiden-Hierarchie bilden. Je höher die Hierarchieebene, desto höher ist die Konzentration hochbewerteter Ressourcen, desto geringer die Anzahl der Positionen, desto höher die Autorität. 2. Das Interaktions-Postulat: Interaktionen geschehen gewöhnlich zwischen Akteuren mit gleichen oder ähnlichen Ressourcen und Lebensstilen – gemäß dem HomophiliePrinzip. Je größer die Ähnlichkeit der Ressourcenverfügung, desto geringer ist der Interaktionsaufwand. 20 10 23.05.2014 Sozialkapital-Theorie 2 (N. Lin) 3. Das Netzwerk-Postulat: In sozialen Netzwerken besitzen die direkt oder indirekt interagierenden Akteure variierende Arten von Ressourcen. Einige dieser Ressourcen sind in ihrem persönlichen Besitz (persönliche Güter, Humankapital), aber viele Ressourcen sind eingebettet in Beziehung mit Anderen, mit denen der Akteur direkt oder indirekt in Kontakt steht, oder sie sind eingebettet in strukturellen Positionen, die der Akteur innehat oder mit denen er in Kontakt steht. Diese strukturell eingebetteten Ressourcen sind das soziale Kapital des Akteurs im sozialen Netzwerk. 21 Sozialkapital-Theorie 3 (N. Lin) 4. Das Handlungs-Postulat: Akteure können Ressourcen entweder in sozialen Handlungen sichern oder zusätzliche Ressourcen gewinnen. Handlungen zur Sicherung von Ressourcen werden als expressive Handlungen bezeichnet, Handlungen zum Gewinn von Ressourcen werden als instrumentelle Handlungen bezeichnet. Sicherung von Ressourcen ist die primäre Motivation von Handlungen; entsprechend sind expressive Handlungen die primäre Handlungsform. 22 11 23.05.2014 Sozialkapital-Theorie 4 (N. Lin) a. Der Sozialkapital-Satz: Der Handlungserfolg ist umso größer, je höher das Sozialkapital ist. b. Der Stärke-der-Position-Satz: Je besser die Ausgangsposition, desto wahrscheinlicher wird der Akteur Zugang zu höherem Sozialkapital haben und dies nutzen. c. Der Strong-Tie-Satz: Je multiplexer eine soziale Beziehung, desto wahrscheinlicher wird das darin eingebettete Sozialkapital den Erfolg von expressiven Handlungen begünstigen. d. Der Weak-Tie-Satz: Je uniplexer eine soziale Beziehung, desto wahrscheinlicher wird das darin eingebettete Sozialkapital den Erfolg von instrumentellen Handlungen 23 begünstigen. Sozialkapital-Theorie 5 (N. Lin) e. Der Platzierungs-Satz: Je näher der Akteur an einer Brücke im sozialen Netzwerk ist, desto höher ist das verfügbare Sozialkapital für instrumentelle Handlungen. f. Der Platzierungs-Positions-Satz: Die Stärke der Platzierung (in der Nähe zu einer Brücke) für instrumentelle Handlungen ist abhängig vom Ressourcenunterschied auf beiden Seiten der Brücke. g. Der Struktur-Satz: Der Netzwerk-Effekt (Beziehung und Platzierung) wird für Akteure durch ihre Platzierung am unteren und am oberen Ende der Hierarchie begrenzt (bottom effects – ceiling effects). 24 12 23.05.2014 Aufwand und Ertrag in Interaktionen Ressourcen der Interaktionspartner Motivation der Handlung expressiv instrumentell gleich (homophile Interaktion) - Aufwand ungleich (heterophile Interaktion) + Aufwand + Ertrag - Ertrag - Aufwand + Aufwand - Ertrag + Ertrag Strong ties and weak ties (Granovetter 1973) Die Stärke einer Beziehung ist abhängig von: • investierte Menge an Zeit • emotionale Intensität • Nähe zwischen beiden Akteuren • Ausmaß des reziproken Austauschs an „diffusen“ Leistungen und Gegenleistungen 13 23.05.2014 Formen des Sozialkapitals (Baier & Nauck 2006:56) Handlung expressiv instrumentell Strategie Ressourcenerhalt Ressourcenerweiterung Beziehungstyp strong tie weak tie Netzwerkstruktur homogen heterogen Mechanismen Sozialer Einfluss und Kontrolle Verhaltensbestätigung Information (Weiter-)Empfehlung Soziale Güter Kommunalgüter Positionsgüter Forschungsmethode Namensgenerator Positionsgenerator 14