Brückenkurs Mathematik für den Studiengang Holztechnik 22. bis 24. und 26. September 2003 Johannes Creutziger, FH -Eberswalde Ziele Aktivierung von Wissen und Fähigkeiten Einstimmung auf das, was auf Sie zukommt Hilfe beim Finden einer geeigneten Arbeitsweise (Lernen, das Richtige zu lernen) Hilfe bei der Selbsteinschätzung, beim Finden von Defiziten Angst vor Mathematik abbauen Bedeutung, Tests Der Brückenkurs hat keine formale Bedeutung (er ist zum Beispiel keine Prüfung und keine Prüfungsvorleistung) Selbsttest: ja, teilweise (im Internet). Siehe http://www.fh-eberswalde.de/user/jcreu/index2.html dort besonders: Test für Studienanfänger/innen Test zum Brückenkurs Literatur, Unterlagen Es gibt eine Reihe von Büchern, die „Brückenkurs Mathematik“ oder „Vorkurs Mathematik“ heißen und fachlich ausgerichtet sind auf „Mathematik für Ingenieure“ oder ähnlich. Karl Bosch: Brückenkurs Mathematik, Oldenbourg Verlag, mehrere Auflagen Schäfer, Georgi, Trippler: Mathematik-Vorkurs, Teubner-Verlag, mehrere Auflagen Papula: Mathematik für Naturwissenschaftler und Ingenieure, Band 1 bis 3, außerdem gibt es einen Band mit Übungsaufgaben und Lösungen, mehrere Auflagen (nicht nur für den Brückenkurs) Sinnvoll ist eine Formelsammlung (Tafelwerk) Thesen, Teil 1 Auch die angewandte Mathematik, um die es hier geht, ist im Vergleich zu anderen Wissensgebieten „theoretisch“ Nicht immer lässt sich sofort plausibel zeigen, wozu man einen mathematischen Begriff oder mathematische Fakten später braucht Wichtig sind nicht mathematische Beweise, sondern der flexible und kreative Umgang mit mathematischem Wissen Thesen, Teil 2 Man muss nicht viele Formeln, Lehrsätze und so weiter auswendig lernen. Statt dessen reicht es meistens, zu wissen wo man etwas findet Man sollte sich aber nicht sträuben, einige wichtige Dinge doch zu „lernen“ Ganz wichtig ist die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung: Was habe ich verstanden, wo habe ich ernsthafte Defizite? Thesen, Teil 3 Es gibt einige mehr technische Fähigkeiten, die man für den Umgang mit der Mathematik einfach beherrschen sollte, um sich das Leben nicht unnötig schwer zu machen, zum Beispiel Umgang mit Summenzeichen, Indizes, einige Differentiations- und Integrationsregeln, Regeln zum Lösen linearer Gleichungssysteme Die Verwendung von Computern bietet sich vielfach an (zum Beispiel bei CAD, bei Statikberechnungen, allgemein beim Lösen von Gleichungen und Gleichungssystemen, bei der Statistik) und kann erhebliche Arbeitserleichterungen bringen, ersetzt aber nicht das Verständnis der Zusammenhänge. Wofür Mathematik in der Holztechnik? Naturwissenschaftliche (z.B. physikalische) Grundlagen Maschinenkunde Werkstoffkunde (z.B. Beschreibung der technischen Eigenschaften von Holz und Holzwerkstoffen) Bauphysik, Statik Technisches Zeichnen, CAD (computergestütztes Zeichnen und Konstruieren) Statistik (Beschreibung der Schwankungen der Eigenschaften von Werkstoffen, Auswertung von Versuchsergebnissen) Mathematische Gebiete Eigenschaften von Funktionen, einige wichtige Klassen von Funktionen Geometrie (Punktmengen in der Ebene und im Raum, z.B. Geraden, Ebenen, Kurven, ...) Lineare Gleichungssysteme, Matrizen Differentialrechnung, Integralrechnung von Funktionen einer Variablen Komplexe Zahlen Differential- und Integralrechnung von Funktionen mehrerer Variabler Differentialgleichungen Wahrscheinlichkeitstheorie, Statistik Symbole Buchstaben bezeichnen Größen (Elemente von Mengen, oft handelt es sich um Zahlen); große und entsprechende Kleinbuchstaben werden unterschieden. Üblich, aber nicht absolut festgelegt sind zum Beispiel: i, j, k, l, m, n für natürliche Zahlen (0; 1; 2; ...) oder ganze Zahlen (..., -2; -1; 0; 1; 2; ...) a, b, c, ..., s, t, u, v, w, x, y für reeller Zahlen, häufig x und y für Unbekannte, x auch als unabhängige Vari-able und y als abhängige Variable in Funktionen ε, δ für „kleine“ reelle Zahlen (positive Zahlen nahe 0) Spezielle Symbole für wichtige Mengen, zum Beispiel N, Q, R für bestimmte Zahlenbereiche. Symbole sind im Prinzip frei wählbar, es gibt aber Gewohnheiten und Konventionen für die Verwendung. Indizes Symbole können mit tiefgestellten Zahlen versehen sein, sogenannten Indizes. Beispiel: n 1, x 2, h 0 Buchstaben mit verschiedenen Indizes bedeuten im Allgemeinen verschiedene Elemente, also x1 ist etwa anderes als x2, genauso wie x etwas anderes als y ist. Man kann mit Indizes also die Begrenztheit des Alphabets überwinden. Wichtiger ist aber, dass sich mit Indizes Formeln und mathematische Lehrsätze (Theoreme) oft besser formulieren lassen, wenn die Indizes folgerichtig verwendet werden. Verwendung von Indizes, Teil 1 Es seien mehrere Massenpunkte gegeben (die Anzahl sei n, n ist dabei eine natürliche Zahl), alle diese Massenpunkte haben eine x-Position und eine Masse; diese Größen werden bezeichnet mit x1, x2, x3, ... und m1, m², m3, ... Der erste Massenpunkt hat also die Position x1 und die Masse m1, der zweite hat die Position x2 und die Masse m2, und so weiter. Man kann möglicherweise Formeln zur Berechnung der xi (oder mi) angeben, zum Beispiel: xi = 2i +1 für i = 1, 2, ..., 10, oder auch xi = 2i +1 für i = 1, 2, 3, ... (für alle i ab 1). Das bedeutet also: x1= 3, x2= 5, x3= 7, ... Verwendung von Indizes, Teil 2 Besonders wichtig ist die Verwendung von Indizes in Formeln: Beispiel: Das verallgemeinerte Distributivgesetz: a(b1 + b2 + b3 + ... + bn) = ab1 + ab2 + ab3 + ... + abn (Wie sollte man das ohne Indizes ausdrücken?) Mit Hilfe des Summenzeichens lässt sich das Distributivgesetz so schreiben: n n i=1 i=1 a bi = a bi Beispiel: Schwerpunkt Wie auf der vorvorigen Folie seien n Massenpunkte gegeben mit den x-Positionen x1, x2, ..., xn, und m1, m2, ..., mn. Dann kann man xs, die x-Position des Schwerpunktes dieses Systems von Massenpunkten berechnen mit der Formel n xm i xs = i i=1 n m i i=1 Wenn die Massenpunkte auf der x-Achse liegen, ist damit der Schwerpunkt bestimmt, er liegt auch auf der xAchse. Ansonsten kann man mit analogen Formel die yund z-Komponenten des Schwerpunktes bestimmen. Beispiele für Formeln mit Summen Es gibt Formeln für die Berechnung einiger wichtiger Summen. Ein Beispiel (Summe von negativen Potenzen zur Basis zwei; die Formel gilt für n = 0, 1, 2, ... ): n n 1 1 k = 2 = 2 n k 2 k =0 2 k =0 Ein anderes Beispiel (Summe der natürlichen Zahlen von 1 bis n; die Formel gilt für n = 1, 2, 3, ...): nn 1 k= 2 k =1 n Zahlbereiche N Natürliche Zahlen: 0; 1; 2; ... Z Ganze Zahlen: ...; -2; -1; 0; 1; 2; ... Q Rationale Zahlen (dargestellt durch Brüche) R Reelle Zahlen: Alle rationalen Zahlen und Zahlen wie „Wurzel aus 2“,, e (= 2,718 ...), ... (veranschaulicht durch Punkte auf der Geraden, darstellbar als endlich oder unendliche Dezimalbrüche) C komplexe Zahlen (ein etwas „komplexeres“ Thema) Rechenregeln: Kommutativ-, Assoziativ- und Distributivgesetze, Vergleichbarkeit (nicht für komplexe Zahlen); die Zahlbereiche unterscheiden sich (unter anderem) in der Ausführbarkeit von Operationen; jeder Bereich enthält den vorigen. Mengen Eine Menge ist eine Zusammenfassung von wohldefinierten und wohlbestimmten Objekten der Realität oder des Denkens zu einem Ganzen. (nach Georg Cantor). Mengen können endlich oder unendlich sein. Die grundlegende Beziehung ist „ist Element von“, dargestellt mit dem Symbol ∈. a∈M bedeutet „a ist Element der Menge M“; man sagt auch „a ist Element von M“ oder „a ist in (oder aus) M“. Die Zahlbereiche N, Z , Q, R , C sind Mengen. Mengenoperation, Teilmengen Vereinigung: A∪B = {x | x∈A oder x∈B} Durchschnitt: A∩B = {x | x∈A oder x∈B} Differenz: A \ B = {x | x∈A und nicht x∈B} andere Schreibweise: A \ B = {x | x∈A und xB} A⊂B (A ist Teilmenge von B), wenn alle Elemente von A auch Elemente von B sind. Damit ist die Gleichheit nicht ausgeschlossen. Anderes Symbol für diesen Sachverhalt: A⊆B. Die leere Menge (Bezeichnung: Ø) enthält keine Elemente. Bezeichnungen für Mengen Durch Aufzählung, in geschweiften Klammern: {2; 4; 6; 7} ist die Menge, die die 4 Elemente 2, 4, 6, 7 enthält. Durch Angabe einer Eigenschaft: {x | x hat Eigenschaft P} (zum Beispiel {x | x > 3}) ist die Menge aller x, die die Eigenschaft P haben (im Beispiel: die Menge aller reellen x, die größer als 3 sind). Vollständigerweise müßte man im Beispiel schreiben {x | x ist reell und x > 3}. Spezielle Bezeichnungen, zum Beispiel [a,b] = {x | a ≤ x ≤ b} (das abgeschlossene Intervall von a bis b). Funktionen Eine Funktion ist eine Zuordnungsvorschrift: Jedem Element einer Menge (des Definitionsbereichs) wird ein Element einer anderen Menge (des Wertebereiches) zugeordnet. Sei D der Definitionsbereich, M der Wertebereich, f die Funktion. Dann ist für jedes x ∈ D genau ein f(x) ∈ M definiert. x ist das Urbild, f(x) das Bild. Besonders wichtig sind Funktionen, bei denen der Definitionsbereich die Menge der reellen Zahlen oder eine einfach strukturierte Teilmenge davon ist, und der Wertebereich ebenfalls die Menge der reellen Zahlen ist (reellwertige Funktionen einer reellen Variablen). Formeln zur Definition von Funktionen Wenn im Folgenden von Funktionen die Rede ist, so sind, wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt, reellwertige Funktionen einer reellen Variable gemeint.Reellwertige Funktionen einer reellen Variablen werden häufig durch Formel gegeben. Beispiele: f(x) = x2 oder f(x) = 2 sin(3 x) oder f x = x Um exakt zu sein, muss man den Definitionsbereich neben der Formel angeben. Für die letzte Funktion könnte man festlegen: Definitionsbereich ist die Menge aller nichtnegativen reellen Zahlen. Die Ableitung Die Ableitung einer reellwertigen Funktion f einer reellen Variablen an der Stelle x beschreibt den Anstieg der Funktion an der Stelle x; genauer: den Anstieg der Tangente von f an der Stelle x. Andere Formulierung: f ' (x) (die Ableitung von f an der Stelle x) ist der Tangens des Anstiegswinkels in x. Die Ableitung muss nicht für alle x aus dem Definitionsbereich von f definiert sein (an Knickstellen gibt es keine Ableitung; Beispiel: Betragsfunktion für x=0). Positive Ableitung in x bedeutet: f ist in x wachsend, negative Ableitung in x bedeutet: f ist in x fallend. Wenn f ' (x) = 0 ist, so hat f an der Stelle x möglicherweise einen lokalen Extremwert. Ableitung, Definition Die reellwertige Funktion f sei auf einem Intervall reeller Zahlen definiert ist, das den Punkt x0 enthält. Wenn für h gegen 0 der Grenzwert f x0 h f x0 s =lim h existiert, so nennt man s die Ableitung von f an der Stelle x0, das bezeichnet man mit f '(x0) = s oder df x df d = = f x = s dx dx dx Gelesen: „df von x nach dx“, nicht „durch dx“, es handelt sich um keine Division. Wenn f '(x0) existiert, so ist f in x0 differenzierbar. Ableitung, Anmerkungen Falls die Ableitung f '(x) der Funktion f überall existiert, wo f definiert ist, so ist f' wieder eine Funktion (jedem x aus dem Definitionsbereich von f wird die Zahl f '(x) zugeordnet); f ' hat dann denselben Definitionsbereich wie f. Man sagt dann, f ist differenzierbar. Die meisten Funktionen, die in der angewandten Mathematik vorkommen, sind differenzierbar. Es gibt reellwertige Funktionen einer reellen Variablen, die nirgendwo differenzierbar sind; das sind aber theoretische Konstrukte. Rundungsfunktionen (die eine Zahl auf zum Beispiel 2 Stellen nach dem Komma runden) haben „Sprungstellen“, an denen sie nicht differenzierbar sind. Ableitungsregeln Es gibt Regeln für die Differenziation von Polynomen, von zusammengesetzten Funktionen (Summenregel, Produktregel, Quotientenregel, Kettenregel), sowie spezielle Regeln für zum Beispiel Exponentialfunktionen, logarithmische Funktionen, trigonometrische Funktionen. Diese Regeln sollten in jedem Tafelwerk zu finden sein. Eine dieser Regeln ist die Kettenregel: Sei h(x) = f (g(x)) Dann ist h'(x) = f '(g(x)) g '(x) Beispiel für die Anwendung: Sei h(x) = sin(x2), dann ist h'(x) = 2x cos(x2) Relative (lokale) Extremwerte Etwas vereinfacht gesagt, liegt ein relatives (lokales) Maximum einer Funktion f in einem Punkt x0 ihres Definitionsbereichs vor, wenn f „in der Nähe“ von x0 Werte hat, die kleiner oder gleich f(x0) sind. Analog sind relative Minima definiert. Beispiele: Die Funktion f(x) = x2 hat im Punkt x0 = 0 ein relative Minimum. Die Sinusfunktion f(x) = sin x hat im Punkt π /2 (entspricht 900) ein relatives Maximum. Wenn man zu π /2 ein ganzzahliges Vielfaches von 2π addiert, so erhält man einen anderen Punkt, an dem f ein lokales Maximum hat. Extremwerte und Ableitung Wenn f differenzierbar ist und in x0 einen lokalen Extremwert (Maximum oder Minimum) hat, so ist f '(x0) (also die Ableitung von f an der Stelle x0) gleich Null. Diese Eigenschaft wird häufig zum Finden von Extremwerten verwendet. Beispiel: Sei f(x) = 2x2-6 x + 5. Dann ist f '(x) = 4x – 6. Also hat f an der Stelle x = 1,5 möglicherweise einen Extremwert, denn es ist f '(1,5) = 4*1,5 - 6 = 0. (Anmerkung: Die Funktion f hat tatsächlich an der Stelle 1,5 ein Minimum.) Extremwerte, Anmerkungen Das Kriterium „erste Ableitung ist Null“ liefert eine sogenannte notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Vorliegen eines Extremwertes. Wenn f in x0 einen Extremwert hat, dann ist dort die Ableitung Null; die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht. Es gibt hinreichende Bedingungen für das Vorliegen von Extremwerten. Diese werden hier nicht formuliert. Die Verwendung von Ableitungen zum Finden von Extremwerten funktioniert nur für differenzierbare Funktionen. Die Funktion f(x) = |x| (Betrag von x) hat im Punkt Null ein Minimum, das sich nicht mit Hilfe der Ableitung finden lässt. Stammfunktion Die Stammfunktion einer Funktion f ist eine Funktion F, für die gilt: F'(x) = f(x) für alle x aus dem Definitionsbereich von f. Die Stammfunktion ist also eine „Anti-Ableitung“: Die Ableitung der Stammfunktion einer Funktion ist die ursprüngliche Funktion. Die Stammfunktion F von f ist nicht eindeutig be-stimmt: Wenn F eine Stammfunktion von f ist, so ist auch jede Funktion G der Art G(x) = F(x)+c, für eine beliebige Konstante c, eine Stammfunktion von f. Zwei Stammfunktionen derselben Funktion unterscheiden sich nur um eine Konstante. Stammfunktion, Beispiele Eine Stammfunktion der Funktion f(x) = 2x ist F(x) = x2. Das ist dshalb so, weil f die Ableitung von F ist. Eine andere Stammfunktion von f(x) = 2x ist G(x) = x2 - 5 (nur eine additive Konstante zugefügt). Wenn H eine Stammfunktion von f(x) = 2x ist, so gibt es eine Konstante c, so dass H(x) = x2 + c gilt. Das Finden einer Stammfunktion kann schwierig sein. Man kann aber meistens leicht prüfen, ob F eine Stammfunktion von f ist: Man muss F nur differenzieren. Es gibt Funktionen, die durch einen relativ einfachen Formelausdruck definiert sind, deren Stammfunktion aber nicht durch einen Formelausdruck beschreibbar ist.