Stereotypisierung Vorlesung Winter, 2012/13 Thomas Kessler Überblick • Begriffe: Stereotyp, Stereotypisierung, Vorurteile • Messung • Entstehung von Stereotypen • Anwendung von Stereotypen und Kategorien • Bedrohung durch Stereotype Leitfragen • Können positive Bewertungen von sozialen Gruppen einfach moderne Formen von Vorurteilen sein? • Welche Auswirkungen haben aktivierte Stereotype auf die Beurteilung von Personen? • Können Stereotype auch für das Selbst bedrohlich sein? Stereotype • Stereotype: A cognitive representation or impression of a social group that people from by associating particular characteristics and emotions with the group (Smith & Mackie, 2000) • Sozial geteilte Meinungen über Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen von Mitgliedern einer sozialen Kategorie. Stereotypisierung • Stereotypisierung ist die Anwendung dieser Stereotype in der Interaktion mit den Mitgliedern dieser Gruppe. • Vorurteile sind negative Gefühle oder negative Einstellungen gegenüber anderen Gruppen und ihren Mitgliedern. Vorurteile und soziale Diskriminierung • Soziale Differenzierung ist die unterschiedliche Behandlung aufgrund sozialer Kategorisierung. Kann legitim oder als illegitim wahrgenommen werden. • Soziale Diskriminierung ist die „illegitime“, negativere Behandlung einer oder mehrerer Personen aufgrund sozialer Kategorisierung. Die Bewertung als „illegitim“ ist perspektivenabhängig. Messung von Stereotypen • Direkte Abfrage von Überzeugungen über Gruppen war bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts noch problemlos möglich (Katz & Braley, 1933) • Was denken andere über die die Gruppe X (freie Auflistung von Merkmalen) • Attributlisten bewerten lassen Messung von Vorurteilen • Früher: Direkte Abfrage von Bewertungen sozialen Gruppen, z.B. offene Vorurteile („Ausländer haben Arbeitsplätze, die uns Deutschen zustehen“) • Heute wirkt soziale Erwünschtheit offenen Äußerungen entgegen (Dovidio & Fazio, 1992) • Zunächst wurden verdeckte, moderne oder symbolische Vorurteilsmaße entwickelt. • Inzwischen werden implizite Maße zur Messung von Stereotypen und Vorurteilen eingesetzt. Modern Racism Scale McConahay, Hardee, & Batts (1981) 1. Over the past few years the government and news media have shown more respect to Blacks than they deserve. 2. It is easy to understand the anger of Black people in America. 3. Discrimination against Blacks is no longer a problem in the United States. 4. Over the past few years Blacks have gotten more economically than they deserve. 5. Blacks have more influence upon school desegregation plans than they ought to have. 6. Blacks are getting too demanding in their push for equal rights. 7. Blacks should not push themselves where they’re not wanted. Subtile und „positive“ Vorurteile Subtile Vorurteile (Pettigrew und Meertens, 1995) Ausländer bringen ihren Kindern Werte bei, die einen Erfolg in unserem Land verhindern Es ist alles eine Frage der Engagements. Würden sich Ausländer nur mehr anstrengen, könnten sie genauso erfolgreich sein, wie wir Deutschen. Positive Emotionen Ich habe oft Mitgefühl für die Ausländer in Deutschland. Ich bewundere Ausländer in Deutschland. Subtile und positive Vorurteile Benevolenter Sexismus (Eckes & Six-Materna, 1999) Männer ohne Frauen sind unvollständig. Eine Frau sollte von ihrem Mann auf Händen getragen werden. Ein Mann sollte bereit sein, sein Wohl zu opfern, um für seine Frau sorgen zu können. Egal wie erfolgreich ein Mann sein mag, ohne eine Frau, die ihn liebt, fehlt ihm etwas ganz wichtiges. Viele Frauen haben eine Art von Ehrlichkeit die nur wenige Männer besitzen. Beispiel 2: Primingverfahren Prime alt / jung Target positiv / negativ Einstellung = RT (jung / negativ) - RT (alt / negativ) - RT (jung / positiv) + RT (alt / positiv) Wahre Kern von Stereotypen? • Empirisch schwer zu prüfen (multiple Maße und Perspektiven) • Was man zeigen und schlussfolgern kann: – Auf alle Individuen einer Kategorie treffen Stereotype nie gleichermaßen zu (Vernachlässigung individueller Varianz). – Es kann empirisch geprüft werden, ob die Richtung stimmt. – Kategorisierung und Stereotype können tatsächliche Unterschiede verschleiern („Ethnifizierung“) Entstehung von Stereotypen Emotionale Prozesse • Kontakt mit Fremden führt häufig zu Irritation und Angst, vor allem wenn keine Erfahrung mit der entsprechenden Gruppe besteht. • Diese Emotionen werden dann Teil des Stereotyps (klassische Konditionierung): Eine Gruppe wird als bedrohlich wahrgenommen. • Die Ideologie „Glaube an eine gerechte Welt“ motiviert die Bildung und Aufrechterhaltung von legitimierenden Stereotypen (z.B. „Arbeitslose sind faul“). Entstehung von Stereotypen Soziales Lernen • Stereotype resultieren nicht nur aus Erfahrungen, sondern auch aus Erzählungen. • Sozialisation: Mit 5 Jahren bestehen bereits ethnische Stereotype! • Soziale Normen: z.B. Frauen im Militär. • Medien: z.B. Rollen in Filmen, Werbung … Anwendung von Stereotypen • Soziale Kategorisierung findet automatisch statt. • Welche Kategorisierung vorgenommen wird hängt von der Salienz eines Merkmals ab (z.B. Token). • Die Kategorisierung führt zur Aktivierung des entsprechenden Stereotyps (und der mit der Gruppe assoziierten Emotionen). • Aktivierte Stereotype und Emotionen beeinflussen Urteile. Aktivierung und Anwendung • Patricia Devine (1989) • Studie 1: Erfassung von stereotypem Wissen (Schwarze sind ….) Starke Vorurteile Schwache Vorurteile Arm .80 .75 Aggressiv .60 .60 Kriminell .65 .80 Ungebildet .50 .50 Faul .55 .75 Aktivierung und Anwendung • Patricia Devine (1989) • Studie 2: Aktivierung von Stereotypen und Einschätzung einer Person • AV: Donald-Paradigma: Mehrdeutige Beschreibung einer Person • Effekt der Priming Bedingung (80% vs. 20% stereotype Eigenschaften. • Kein Unterschied zwischen Teilnehmern mit starken und schwachen Vorurteilen Aktivierung und Anwendung • Frage I: Wenn ein Individuum als ein Exemplar einer sozialen Kategorie kategorisiert wird, wird dann automatisch stereotypes Wissen aktiviert? • Frage II: Wenn stereotypes Wissen aktiviert ist, wird es dann automatisch bei der Beurteilung eines Exemplars angewendet? • Untersuchung von Gilbert & Hixon, 1991 19 Aktivierung und Anwendung • Untersuchung I: Aktivierung eines stereotypen Wissens • Coverstory: Untersuchung von Doppeltätigkeiten • UVs: kognitive Belastung; Aussehen der Versuchleiterin • AV: Wortergänzungstest; 20 Einschub: Wortergänzungstest • S_Y Stereotype Ergänzung: SHY Nicht stereotype Ergänzung: SPY, SKY Weitere Beispiele: S_ORT; RI_E; POLI_E; 21 Aktivierung und Anwendung eines Stereotyps II • Untersuchung I: Aktivierung eines stereotypen Wissens Asiatin Weiße Kognitiv belastet Nicht belastet 22 Aktivierung und Anwendung eines Stereotyps II • Untersuchung I: Aktivierung eines stereotypen Wissens Asiatin Weiße Kognitiv belastet 3.12b 3.24b Nicht belastet 3.82a 3.00b 23 Aktivierung und Anwendung eines Stereotyps II • Untersuchung II: Anwendung stereotypen Wissens Immer belastet Früh belastet Spät belastet Nicht belastet Asiatisch 6.15 6.59 7.30 6.36 europäisch 6.35 6.77 6.07 6.42 Diff. -.20 -.18 1.23* -.06 24 Kategorien und Stereotype • Menschen teilen stereotypes Wissen • Solche mit starken Vorurteilen stimmen dem Wissen eher zu, solche mit schwachen Vorurteilen lehnen es eher ab. • Da die Aktivierung von sozialen Kategorien nicht notwendig zur Aktivierung von stereotypem Wissen führt, könnte es einen Unterschied im aktivierten Wissen bei Menschen mit starken und schwachen Vorurteilen geben (Lepore & Brown, 1997) Der Einfluss automatisch aktivierter sozialer Kategorien auf Personenbeurteilung Lepore & Brown (1997) Studie 2: Räumliche Urteilsaufgabe mit vs. ohne Priming der sozialen Kategorie Schwarze Eindrucksbildungsaufgabe mit Beurteilung einer Person, die sich mehrdeutig verhält Erfassung der Vorurteile Studie 3: Stereotyp Aktivierung statt Kategorie ansonsten wie Studie 2 Der Einfluss aktivierten Kategorien und Stereotypen auf die Personenbeurteilung Negative Personenbewertung Kategorie Aktivierung Stereotyp Aktivierung starke Vorurteile schwache Vorurteile starke Vorurteile schwache Vorurteile 7 7 6 6 5 5 4 4 kein Prime Prime kein Prime Prime Selbststereotypisierung? • Kann man Stereotype auch auf sich selbst anwenden? • Fall der Bedrohung durch Stereotype („stereotype threat“) • Bearbeitung von Intelligenztests mit/ohne Aktivierung von Stereotypen (Steel) Bedrohung durch Stereotype • Steele und Aronson, 1995 Bedrohung durch Stereotype • Shih, Pittinsky, & Ambady, 1999 Bedrohung durch Stereotype • Stereotypkonformes Verhalten • Motivationale Konsequenzen der Bedrohung Bedrohung durch Stereotype • ABER: Vorsicht mir Exemplaren 32 Zusammenfassung • Offene Vorurteile werden heutzutage seltener geäußert, deswegen entwickelte man verschiedene Messungen von subtilen und impliziten Vorurteilen • Die Anwendung von Stereotypen führt zu stereotype konsistenten Einschätzungen der Zielpersonen. • Aktivierte Stereotype können die eigenen Leistungen beeinflussen (negative Stereotype reduzieren die Leistung stereotypkonform). Literatur • Smith, E. R., & Mackie, D. M. (2000). Social Psychology. Chapter 5: Perceiving Groups (S. 177-201) • Devine, P. G. (1989). Stereotypes and prejudice: Their automatic and controlled components. Journal of Personality and Social Psychology, 56, 5-18. • Lepore, L., & Brown, R. (1997). Category and stereotype activation: Is prejudice inevitable? Journal of Personality and Social Psychology, 72, 275-287.