04 Stereotypisierung (netz)

Werbung
Stereotypisierung
Vorlesung Winter, 2013/14
Thomas Kessler
Überblick
• Begriffe: Stereotyp, Stereotypisierung,
Vorurteile
• Messung
• Entstehung von Stereotypen
• Anwendung von Stereotypen und
Kategorien
• Bedrohung durch Stereotype
Leitfragen
• Können positive Bewertungen von sozialen
Gruppen moderne Formen von Vorurteilen sein?
• Welche Auswirkungen haben aktivierte
Stereotype auf die Beurteilung von Personen?
• Können Stereotype für das Selbst bedrohlich
sein?
Stereotype
• Stereotype: A cognitive representation or
impression of a social group that people from by
associating particular characteristics and
emotions with the group (Smith & Mackie, 2000)
• Sozial geteilte Meinungen über
Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen
von Mitgliedern einer sozialen Kategorie.
Stereotypisierung
• Stereotypisierung ist die Anwendung dieser
Stereotype in der Interaktion mit den Mitgliedern
dieser Gruppe.
• Vorurteile sind negative Gefühle oder negative
Einstellungen gegenüber anderen Gruppen und
ihren Mitgliedern.
Vorurteile und soziale
Diskriminierung
• Soziale Differenzierung ist die unterschiedliche
Behandlung aufgrund sozialer Kategorisierung.
Kann legitim oder als illegitim wahrgenommen
werden.
• Soziale Diskriminierung ist die „illegitime“,
negativere Behandlung einer oder mehrerer
Personen aufgrund sozialer Kategorisierung. Die
Bewertung als „illegitim“ ist
perspektivenabhängig.
Messung von Stereotypen
• Direkte Abfrage von Überzeugungen über
Gruppen war bis zur Mitte des vergangenen
Jahrhunderts noch problemlos möglich (Katz &
Braley, 1933)
• Was denken andere über die die Gruppe X (freie
Auflistung von Merkmalen)
• Attributlisten bewerten lassen
Messung von Vorurteilen
• Früher: Direkte Abfrage von Bewertungen
sozialen Gruppen, z.B. offene Vorurteile
(„Ausländer haben Arbeitsplätze, die uns
Deutschen zustehen“)
• Heute wirkt soziale Erwünschtheit offenen
Äußerungen entgegen (Dovidio & Fazio, 1992)
• Zunächst wurden verdeckte, moderne oder
symbolische Vorurteilsmaße entwickelt.
• Inzwischen werden implizite Maße zur Messung
von Stereotypen und Vorurteilen eingesetzt.
Modern Racism Scale
McConahay, Hardee, & Batts (1981)
1.
Over the past few years the government and news media have shown
more respect to Blacks than they deserve.
2.
It is easy to understand the anger of Black people in America.
3.
Discrimination against Blacks is no longer a problem in the United States.
4.
Over the past few years Blacks have gotten more economically than they
deserve.
5.
Blacks have more influence upon school desegregation plans than they
ought to have.
6.
Blacks are getting too demanding in their push for equal rights.
7.
Blacks should not push themselves where they’re not wanted.
Subtile und „positive“ Vorurteile
Subtile Vorurteile (Pettigrew und Meertens, 1995)

Ausländer bringen ihren Kindern Werte bei, die einen Erfolg in
unserem Land verhindern

Es ist alles eine Frage der Engagements. Würden sich Ausländer
nur mehr anstrengen, könnten sie genauso erfolgreich sein, wie
wir Deutschen.
Positive Emotionen

Ich habe oft Mitgefühl für die Ausländer in Deutschland.

Ich bewundere Ausländer in Deutschland.
Subtile und positive Vorurteile
Benevolenter Sexismus (Eckes & Six-Materna, 1999)

Männer ohne Frauen sind unvollständig.

Eine Frau sollte von ihrem Mann auf Händen getragen werden.

Ein Mann sollte bereit sein, sein Wohl zu opfern, um für seine
Frau sorgen zu können.

Egal wie erfolgreich ein Mann sein mag, ohne eine Frau, die ihn
liebt, fehlt ihm etwas ganz wichtiges.

Viele Frauen haben eine Art von Ehrlichkeit die nur wenige
Männer besitzen.
Beispiel 2: Primingverfahren
Prime
alt / jung
Target
positiv / negativ
Einstellung = RT (jung / negativ) - RT (alt / negativ)
- RT (jung / positiv) + RT (alt / positiv)
Wahre Kern von Stereotypen?
• Empirisch schwer zu prüfen (multiple Maße und
Perspektiven)
• Was man zeigen und schlussfolgern kann:
– Auf alle Individuen einer Kategorie treffen Stereotype
nie gleichermaßen zu (Vernachlässigung
individueller Varianz).
– Es kann empirisch geprüft werden, ob die Richtung
stimmt.
– Kategorisierung und Stereotype können tatsächliche
Unterschiede verschleiern („Ethnifizierung“)
Entstehung von Stereotypen
Emotionale Prozesse
• Kontakt mit Fremden führt häufig zu Irritation und Angst,
vor allem wenn keine Erfahrung mit der
entsprechenden Gruppe besteht.
• Diese Emotionen werden dann Teil des Stereotyps
(klassische Konditionierung): Eine Gruppe wird als
bedrohlich wahrgenommen.
• Die Ideologie „Glaube an eine gerechte Welt“ motiviert
die Bildung und Aufrechterhaltung von legitimierenden
Stereotypen (z.B. „Arbeitslose sind faul“).
Entstehung von Stereotypen
Soziales Lernen
• Stereotype resultieren nicht nur aus
Erfahrungen, sondern auch aus Erzählungen.
• Sozialisation: Mit 5 Jahren bestehen bereits
ethnische Stereotype!
• Soziale Normen: z.B. Frauen im Militär.
• Medien: z.B. Rollen in Filmen, Werbung …
Anwendung von Stereotypen
• Soziale Kategorisierung findet automatisch statt.
• Welche Kategorisierung vorgenommen wird hängt
von der Salienz eines Merkmals ab (z.B. Token).
• Die Kategorisierung führt zur Aktivierung des
entsprechenden Stereotyps (und der mit der
Gruppe assoziierten Emotionen).
• Aktivierte Stereotype und Emotionen beeinflussen
Urteile.
Aktivierung und Anwendung
• Patricia Devine (1989)
• Studie 1: Erfassung von stereotypem Wissen
(Schwarze sind ….)
Starke Vorurteile
Schwache Vorurteile
Arm
.80
.75
Aggressiv
.60
.60
Kriminell
.65
.80
Ungebildet
.50
.50
Faul
.55
.75
Aktivierung und Anwendung
• Patricia Devine (1989)
• Studie 2: Aktivierung von Stereotypen und
Einschätzung einer Person
• AV: Donald-Paradigma: Mehrdeutige Beschreibung
einer Person
• Effekt der Priming Bedingung (80% vs. 20%
stereotype Eigenschaften.
• Kein Unterschied zwischen Teilnehmern mit starken
und schwachen Vorurteilen
Aktivierung und Anwendung
• Frage I: Wenn ein Individuum als ein Exemplar
einer sozialen Kategorie kategorisiert wird,
wird dann automatisch stereotypes Wissen
aktiviert?
• Frage II: Wenn stereotypes Wissen aktiviert ist,
wird es dann automatisch bei der Beurteilung
eines Exemplars angewendet?
• Untersuchung von Gilbert & Hixon, 1991
19
Aktivierung und Anwendung
• Untersuchung I: Aktivierung stereotypen Wissens
• Coverstory: Untersuchung von Doppeltätigkeiten
• UVs: kognitive Belastung; Aussehen der
Versuchsleiterin
• AV: Wortergänzungstest;
20
Einschub: Wortergänzungstest
• S_Y
Stereotype Ergänzung: SHY
Nicht stereotype Ergänzung: SPY, SKY
Weitere Beispiele: S_ORT; RI_E; POLI_E;
21
Aktivierung und Anwendung eines
Stereotyps II
• Untersuchung I: Aktivierung sstereotypen Wissens
Asiatin
Weiße
Kognitiv
belastet
Nicht
belastet
22
Aktivierung und Anwendung eines
Stereotyps II
• Untersuchung I: Aktivierung stereotypen Wissens
Asiatin
Weiße
Kognitiv
belastet
3.12b
3.24b
Nicht
belastet
3.82a
3.00b
23
Aktivierung und Anwendung eines
Stereotyps II
• Untersuchung II: Anwendung stereotypen Wissens
Immer
belastet
Früh
belastet
Spät
belastet
Nicht
belastet
Asiatisch
6.15
6.59
7.30
6.36
europäisch
6.35
6.77
6.07
6.42
Diff.
-.20
-.18
1.23*
-.06
24
Kategorien und Stereotype
• Menschen teilen stereotypes Wissen
• Solche mit starken Vorurteilen stimmen dem
Wissen eher zu, solche mit schwachen
Vorurteilen lehnen es eher ab.
• Da die Aktivierung von sozialen Kategorien nicht
notwendig zur Aktivierung von stereotypem
Wissen führt, könnte es einen Unterschied im
aktivierten Wissen bei Menschen mit starken
und schwachen Vorurteilen geben (Lepore &
Brown, 1997)
Der Einfluss automatisch aktivierter sozialer
Kategorien auf Personenbeurteilung
Lepore & Brown (1997)
Studie 2:
Räumliche Urteilsaufgabe mit vs. ohne Priming der
sozialen Kategorie Schwarze
Eindrucksbildungsaufgabe mit Beurteilung einer Person,
die sich mehrdeutig verhält
Erfassung der Vorurteile
Studie 3:
Stereotyp Aktivierung statt Kategorie ansonsten wie
Studie 2
Der Einfluss aktivierten Kategorien und
Stereotypen auf die Personenbeurteilung
Negative Personenbewertung
Kategorie Aktivierung
Stereotyp Aktivierung
Selbststereotypisierung?
• Kann man Stereotype auch auf sich selbst
anwenden?
• Fall der Bedrohung durch Stereotype
(„stereotype threat“)
• Bearbeitung von Intelligenztests mit/ohne
Aktivierung von Stereotypen (Steel)
Bedrohung durch Stereotype
• Steele und Aronson, 1995
Bedrohung durch Stereotype
• Shih, Pittinsky, & Ambady, 1999
Bedrohung durch Stereotype
• Stereotypkonformes Verhalten
• Motivationale Konsequenzen der
Bedrohung
Bedrohung durch Stereotype
• ABER: Vorsicht mit Exemplaren
32
Zusammenfassung
• Offene Vorurteile werden heutzutage seltener
geäußert, deswegen entwickelte man
verschiedene Messungen von subtilen und
impliziten Vorurteilen
• Die Anwendung von Stereotypen führt zu
stereotype konsistenten Einschätzungen der
Zielpersonen.
• Aktivierte Stereotype können die eigenen
Leistungen beeinflussen (negative Stereotype
reduzieren die Leistung stereotypkonform).
Literatur
• Smith, E. R., & Mackie, D. M. (2000). Social Psychology.
Chapter 5: Perceiving Groups (S. 177-201)
• Devine, P. G. (1989). Stereotypes and prejudice: Their
automatic and controlled components. Journal of
Personality and Social Psychology, 56, 5-18.
• Lepore, L., & Brown, R. (1997). Category and stereotype
activation: Is prejudice inevitable? Journal of Personality
and Social Psychology, 72, 275-287.
Herunterladen