Schichtspezifische Sozialisation Zentrale Fragestellung: , in welcher Weise haben die Lebensbedingungen Einfluss auf Persönlichkeitsmerkmale und wie reproduzieren sich soziale Ungleichheitsstrukturen Kernannahme: „zwischen dem Sozialcharakter, d.h. einer milieutypischen Kombination von Persönlichkeitsmerkmalen der Eltern, und der Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit besteht ein direkter Zusammenhang. Schichtspezifische Sozialisation Die Prägung der Persönlichkeit des Kindes führt demnach zur Ausbildung eines mit dem der Eltern identischen Sozialcharakters, der in der frühen Kindheit ausgeprägt wird und über den weiteren Lebensverlauf hinweg stabil bleibt und auch das Verhalten in späteren Lebensphasen noch steuert.“ (Hurrelmann 1995, S.109). Schichtspezifische Sozialisation Die Familie wird dabei „als zentrale Vermittlungsinstanz für die ‘Reproduktion gesellschaftlich erwünschter Sozialcharaktere’ dargestellt“ (Hurrelmann 1995, S.108), indem sie „die Grundwerte der Gesellschaft gewissermaßen ungebrochen an die nachwachsende Generation weitervermittelt“ “ (Hurrelmann 1995, S.108). Zirkelhypothese von Rolff „Die Sozialisation durch den Beruf prägt in der Regel bei den Mitgliedern der sozialen Unterschicht andere Züge des Sozialcharakters als bei den Mitgliedern der Mittel- und Oberschicht. Während der Sozialisation durch die Familie werden normalerweise die jeweils typischen Charakterzüge der Eltern an die Kinder weitervermittelt. Die Sozialisation durch die Freundschaftsgruppen der Heranwachsenden vermag die schichtspezifischen Unterschiede nicht aufzuheben. Da die Sozialisation durch die Schule auf die Ausprägungen des Sozialcharakters der Mittel- und Oberschicht besser eingestellt ist als auf die der Unterschicht, haben es die Kinder der Unterschicht besonders schwer, einen guten Schulerfolg zu erreichen. Sie erlangen häufig nur Qualifikationen für die gleichen niederen Berufspositionen, die ihre Eltern bereits ausüben. Wenn sie in diese Berufspositionen eintreten, dann ist der Zirkel geschlossen“ (Rolff 1980, S.43). Reproduktion sozialer Ungleichheit Der Focus in der Beantwortung der Frage nach der Reproduktion sozialer Ungleichheit wird in der schichtspezifischen Sozialisationsforschung auf die Stellung des Einzelnen in der Erwerbsstruktur gerichtet. So werden sozialstrukturelle Einflüsse auf das Erziehungshandeln der Eltern nur im Zusammenhang mit beruflichen Erfahrungen angenommen. Es entsteht der Eindruck, dass Eltern und Kinder durch die Umwelt geprägt werden und sie dieser mehr oder weniger passiv gegenüberstehen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass zwar der Beruf die Eltern prägt, sie aber nicht ihre berufliche Situation beeinflussen. Soziale Schicht Ausgangspunkt für die Analyse unterschiedlicher Lebenslagen vom Familie ist das Konzept der sozialen Schicht. Mit dem Begriff der sozialen Schichtung wird versucht die vertikalen Strukturen sozialer Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft bzw. einer ihrer Teilstrukturen zu erfassen. Dabei impliziert der Begriff eine Vorstellung von Bevölkerungsgruppen, die eine verschieden hoch bewertete Stellung innerhalb einer Gesellschaft einnehmen. Bedeutung von Arbeits- und Berufserfahrungen Melvin Kohn hob hervor, dass sich strukturelle Gegebenheiten auf die spezifische Auswahl von Wertorientierungen und somit indirekt auch auf die Erziehungseinstellungen auswirken. Demnach bedingt eine spezifische Arbeitsorganisation und deren Arbeitsabläufe eine stärkere Wertschätzung äußerer Konformität bzw. eine stärkere Autoritätshörigkeit in Arbeiterberufen, während dagegen in Angestellten und Beamtenberufen selbstbestimmtes Handeln stärker betont wird. Bedeutung von Arbeits- und Berufserfahrungen Melvin Kohns Ausgangspunkt findet sich in der anerkannten Auffassung amerikanischer Soziologen der fünfziger Jahren, dass Erziehungsvorstellungen amerikanischer Eltern vieles gemeinsam haben, dass es jedoch auch erhebliche Unterschiede je nach Schichtzugehörigkeit der Familie gibt. Dabei sind für ihn die Gemeinsamkeiten und Unterschiede elterlicher Erziehungsvorstellungen Ausdruck des allgemeinen Zusammenhangs zwischen Familie und sozialer Schichtung. Der Ansatz von Melvin Kohn stammt aus der Zeit des Industriezeitalters der 50er und 60er Jahre vermutlich war er der erste Soziologe, der die Bedeutung von beruflichen Einstellungen für die elterlichen Erziehungsvorstellungen analysiert und damit einen wesentlichen Aspekt in der schichtspezifischen Sozialisationsforschung angesprochen hat. Bedeutung von Arbeits- und Berufserfahrungen unterschiedlicher Werte und Orientierungen, entstehen bei Kohn aus den unterschiedlichen Erfahrungen des beruflichen Lebens. " Die Bedingungen des beruflichen Lebens in höheren sozialen Schichten fördern das Interesse an den intrinsischen Qualitäten der Arbeit, die den Glauben an die Möglichkeit rationalen Handels zur Erreichung gesetzter Ziele stärken und die Bewertung von Selbststeuerung fördern. Die Bedingungen des beruflichen Lebens in den unteren sozialen Schichten schränken die Einstellung zur Arbeit auf die extrinsischen Belohnungen, die sie verschaffen ein, begünstigen eine eng umrissene Vorstellung von sich selbst und der Gesellschaft und fördern eine positive Bewertung von Konformität und Autorität "(Kohn 1969, S.192). Begriff der Autorität bei Kohn Kohn verwendet in seinen Studien einen Begriff der Autorität in einer verkürzten Bedeutung. Gemeint ist stets nur die aktuelle Machtausübung in Entscheidungssituationen. Wie Autorität legitimiert wird, sei es aus Tradition, sei es aus Erfahrung oder von den Aufgaben her und wie allenfalls eine solche Legitimation zu beurteilen ist, bleibt unbeachtet. Selbstbestimmung und Konformität Er unterscheidet zwei Begriffe als Wertsyndrome der Eltern die mit ihrer jeweiligen Berufserfahrung korrelieren. Selbstbestimmung (self-direction) und Konformität (conformity). Self-direction Das Wertesyndorm "self-direction" charakterisiert Menschen, die auf der Basis eines selbständigen Urteils funktionieren. Diese selbständige Urteilsfähigkeit resultiert aus verinnerlichten moralischen Normen und ihrer flexiblen Anwendung sich an den Absichten des Handelns anderer zu orientieren und nicht an dessen zufälligen Folgen und sie setzen Vertrauen in andere Menschen. conformity Unter dem Begriff "conformity" faßt Kohn Individuen die dem Signal einer entfernten manchmal diffusen Autorität, außen-geleiteten Regeln folgen, die sich an den Folgen des Verhaltens anderer orientieren, ihre verinnerlichten Verhaltensmaßstäbe ausschalten können, die eine Abweichung von Normen nicht ertragen und die anderen Menschen mißtrauen. Strukturmerkmale der Berufsposition Diese für den familiären Sozialisationsprozess wichtigen Werte- und Orientierungen der Eltern, sind in den Ergebnissen von Kohns Untersuchungen in fast allen Dimensionen signifikant zur Schulbildung. Dies führt er auf vorwiegend drei zentrale Strukturmerkmale der Berufsposition zurück, die jeweils unabhängig voneinander und von ihrer Beziehung zur sozialen Schichtzugehörigkeit der Eltern wirken (Kohn 1969, S.165ff.). 1. Umfang und Art der Arbeitskontrolle, 2. die substantielle Beschaffenheit der Arbeit 3. die Verschiedenartigkeit der Arbeitsaufgaben. Strukturmerkmale der Berufsposition Diese drei zentralen Strukturmerkmale der Berufsposition so Kohn, determinieren das Ausmaß der beruflichen Selbstbestimmung und variieren mit der Stellung der Familie im System gesellschaftlicher Schichtung, mit zunehmend höherer beruflicher Position steigt die Möglichkeit einer relativ freien, gering kontrollierten und differenzierten Tätigkeit. Parallel zu diesen sich verändernden beruflichen Bedingungen der Eltern, tendieren diese zu einer zunehmenden Selbstbestimmung bei der Erziehung ihrer Kinder. Der Beruf im Leben der Männer Kohn ist der Auffassung, dass insbesondere für Männer der Beruf eine entscheidende Schichtdimension bedeutet, denn der Beruf verweist darauf, wie jemand die Zeit in der es seinen Lebensunterhalt verdient, verbringt, und, was wahrscheinlich noch wichtiger ist, wie die Struktur der Arbeit seinem Verhalten Zwänge und Regeln auferlegt. Kohn zeigt, dass in einer Industriegesellschaft, in der der Beruf eine zentrale Rolle im Leben der Männer spielt, die Erfahrungen die in dem Beruf gemacht, die Selbstbestimmung fördern oder hemmen, dass sie aber nicht nur die Ansicht der Männer von der Arbeit und von ihrer Rolle bei der Arbeit durchdringen, sondern auch ihre Ansichten von der Welt und von sich selbst. Der Beruf im Leben der Männer "In Mittelschichtberufen stehen eher zwischenmenschliche Beziehungen, Ideen und Symbole im Vordergrund, während man in Arbeiterberufen mit den Dingen umgeht" (Kohn 1981, S.24). In Mittelschichtberufen wird stärker Selbstbestimmung betont in den Unterschichtberufen dominiert eine Standardisierung, die einer direkten Aufsicht unterworfen ist. Aufstieg ist in den Mittelschichtberufen eher von eigenen Handlungen abhängig. In Unterschichtberufen hängt er Aufstieg stärker von der kollektiven Handlung ab, vor allem in gewerkschaftlich organisierten Industriezweigen. Zusammenhang von Schichtzugehörigkeit und Werten Den Zusammenhang von Schichtzugehörigkeit und Werten führt Kohn darauf zurück, daß die Kinder in den oberen Schichten in der Regel eine bessere Ausbildung erhalten und sie dadurch Berufspositionen erlangen, mit einem hohen Maß an Arbeitskomplexität und wenig Routine sowie geringer Kontrolle. Ausbildung und Berufsposition verstärken somit die in der häuslichen Erziehung entwickelte Fähigkeit zur Selbsteuerung und Autonomie. In den unteren Schichten erhalten Kinder dementsprechend eine allgemein schlechtere Ausbildung, erlangen dann Berufe mit einem geringen Maß an Autonomie und geringeren Handlungsspielräumen und die in der Erziehung angelegte Tendenz zur Konformität mit Autoritäten wird verstärkt. Zusammenhang von Schichtzugehörigkeit und Werten So erklärt Kohn den Autoritarismus der unteren Schichten, als Folge mangelnder schulischer Ausbildung und eingeschränkter bzw. fehlender beruflicher Autonomie. Demnach sind die Angehörigen der Mittelschicht gut qualifiziert, haben eine hohe Autonomie im Beruf, sind selbstbestimmt und ihre Erziehungsziele sind Autonomie. Arbeiterschichtangehörige sind wenig qualifiziert, haben eine niedrige Autonomie am Arbeitsplatz, neigen zu Anpassung und erwarten auch von ihren Kindern Konformität mit Autoritäten. Kritik Sozialstruktur wird mit Schichtung gleichgesetzt andere Wissenschaftler zeigen, dass Arbeitsbedingungen auch unabhängig von der Schichtdimension variieren und damit auch von ihr unabhängig familiale Sozialisationsprozesse beeinflussen Den Zusammenhang von Schichtzugehörigkeit und Werten führt Kohn ebenso wie Rolff in seiner Zirkelthese auf einen kumulativen Effekt von Ausbildung und Berufserfahrung zurück. Dabei wird eine direkte Übertragung von Wertvorstellung der Eltern an die Kinder unterstellt, Interaktionsbeziehungen in der Familie werden nicht berücksichtigt Nicht überzeugend ist die direkte Rückkopplung von berufsbezogenen Wertvorstellungen der Eltern auf ihre Erziehungsvorstellungen, da Kohn nicht zeigen kann, wie diese Vermittlung funktioniert. Mütter werden in die Untersuchung nicht miteinbezogen