Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ TEIL 2: Einheit 7 – 12 + Arbeitsrecht Sommer-Semester 2009 (22.05.2009) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ Vorbemerkungen: Inhaltliche Fragen zu diesem Crashkurs: Rechtsanwalt und Dozent NGUYEN, NGOC-DANH eMail an: [email protected] Folien (zur Vorlesung): http://www.marx.de/ (dort unter: „materialien/universität“) Folien (zur Übung): http://www.econ.uni-hamburg.de/IRdW/zivil/ http://www.wiso.uni-hamburg.de/irdw Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 2 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ Einheit 7: Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Rücktritt, Schadensersatz Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) Fall 32 („Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte“): M hat bei V eine Wohnung angemietet, die sie mit ihrem sechsjährigen Kind K bezieht. Eines Tages vergisst der von V sorgfältig ausgewählte und überwachte Hausmeister H, nach dem Bohnern des Treppenhauses entsprechende Warnschilder über die Rutschgefahr aufzustellen. K stürzt daher und bricht sich ein Bein. Hat K gegen V Schadensersatzansprüche? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 4 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) Anspruch K gegen V auf Ersatz von Behandlungskosten und Schmerzensgeld aus § 280 BGB? Voraussetzungen: 1. Schuldverhältnis – 2. Pflichtverletzung – 3. Verschulden – 4. Schaden – 5. Kausalität. 1. Schuldverhältnis Das setzt zumindest ein Schuldverhältnis zwischen K und V voraus, denn § 280 BGB stellt eine vertragliche Schadensersatznorm dar. Problem: Hier wurde der Mietvertrag jedoch zwischen M und V geschlossen worden… Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 5 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) aber: Es ist gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass ein Dritter in ein anderes Vertragsverhältnis eingebunden werden kann, wenn und soweit er gleichermaßen schutzwürdig ist. Diesbezüglich hat die Rechtsprechung die Figur des sog. „Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte“ entwickelt, um den Dritten nicht schutzlos zu stellen. also: Damit der Dritte (= K) in den Schutzbereich des Mietvertrages zwischen V (als Schuldner) und M (als Gläubiger) in den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte einbezogen werden kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: … 6 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) Leistungsnähe des Dritten (= Dritter muss mit der Leistung in Berührung kommen + den Gefahren einer Pflichtverletzung gleichermaßen ausgesetzt sein wie der direkte Vertragspartner) (+) da K mit der Leistung des V ebenso wie dessen Vertragspartnerin M in Berührung gelangt (M wohnt dort) Fürsorgeverhältnis zw. Gläubiger + Drittem (= seitens des Gläubigers muss ein eigenes, berechtigtes Schutzinteresse gegenüber dem Dritten bestehen) (+) M hat die elterliche Sorge (§ 1626 BGB) ggü. Kind K. Erkennbarkeit für den Schuldner (= Leistungsnähe und Schutzinteresse für den Schuldner erkennbar, denn sonst unzumutbare Haftungsausuferung) (+) V hat Kenntnis, dass M mit einem Kind dort wohnt. Schutzbedürftigkeit des Dritten (= Dritter darf keine eigenen vertraglichen Ansprüche haben, denn dann wäre er nicht schutzlos gestellt) K stehen keine eigenen sonstigen vertraglichen Ansprüche zu = ERGEBNIS: K ist in den Mietvertrag trotz fehlender Beteiligung am Vertragsschluss einbezogen. Ein Schuldverhältnis ist gegeben. 7 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) 2. Pflichtverletzung (+), V hat die Pflicht aus § 241 II BGB, auf die Interessen und Rechtsgüter des anderen Vertragsteils Rücksicht zu nehmen (Rücksichtnahmepflicht), verletzt, indem er auf die Rutschgefahr im Treppenhaus nicht hingewiesen hat. 3. Verschulden Vertretenmüssen wird nach § 280 I 2 BGB vermutet (anders bei Exkulpation nach § 831 BGB, siehe nachfolgend) aber: an sich kein eigenes Verschulden des V, denn hier hat Hausmeister H nach dem Bohnern des Treppenhauses vergessen, entsprechende Warnschilder über die Rutschgefahr aufzustellen (= Fahrlässigkeit) jedoch: Zurechnung des Verschuldens des H nach § 278 BGB, da ein Schuldner sich das Verschulden derjeniger Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden (H als Erfüllungsgehilfe des V) = VERSCHULDEN (+). Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 8 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) 4. Schaden des K (+), Heilbehandlungskosten (§ Schmerzensgeld (§ 253 II BGB) 249 Satz 2 BGB) und 5. Kausalität zwischen Pflichtverletzung + Schaden (+), Nichtaufklärung über Rutschgefahr führt zu - aufgrund der Verletzung notwendig werdenden – Behandlungskosten sowie zu Schmerzen des K Ergebnis: Schadensersatzanspruch des K gegen V aus § 280 BGB (+) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 9 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) Evtl. hätte K gegen V auch einen deliktischen Schadensersatzanspruch aus § 831 BGB. Voraussetzung: 1. Deliktische Handlung: Hausmeister H hat als Verrichtungsgehilfe des V (= Geschäftsherr) eine unerlaubte Handlung iSd § 823 I, II BGB zu Lasten des K begangen (= fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen) 2. Keine Exkulpation gemäß § 831 I 2 BGB: Der Geschäftsherr haftet nur dann, wenn er sich nicht „exkulpieren“ (= entlasten) kann, wobei im Zweifel von einer Haftung auszugehen ist. – Hier hat V den H jedoch sorgfältig ausgewählt und überwacht, so dass V sich einer Verantwortung entziehen kann. = Ergebnis: Ein Schadensersatzanspruch nach § 831 BGB besteht nicht. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 10 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) Fall 33 („Rücktritt“, „Schadensersatz“): K betreibt ein Handelsunternehmen für landwirtschaftliche Produkte. Die Brotfabrik B bestellt bei ihm 10 Tonnen Weizen. Als fester Liefertermin wird der 01.05.2002 vereinbart, weil B die Ware zu diesem Termin zwecks Durchführung eines kontinuierlichen Produktionsablaufes benötigt. Für den Fall der Überschreitung des Liefertermins wird daher eine verbindliche Vertragsstrafe vereinbart. K deckt sich bei Bauer V ein und bestellt die Getreidemenge mit einem vertraglich vereinbarten Anlieferungsdatum spätestens zum 30.04.2002. Als V an diesem Tag nicht liefert, bietet zufällig ein anderer Lieferant dem K eine gleiche Menge Getreide an. … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 11 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) … K erklärt daher gegenüber V, dass er von dem Geschäft nichts mehr wissen wolle, und erwirbt das Getreide bei dem anderen Lieferanten, so dass er noch rechtzeitig B beliefern kann. V bietet K die Ware daraufhin zwei Tage später an und verlangt Zahlung des Kaufpreises. Dieses Ansinnen weist K zurück; außerdem verlangt er von V Zahlung von € 2.000,00, der Differenz zwischen den Einkaufspreisen bei V und bei dem anderen Lieferanten. Als V auch einen Monat später trotz Mahnung keine Zahlung geleistet hat, beauftragt K einen Anwalt, der von V über die Zahlung hinaus noch die Erstattung seiner Gebühren sowie Zahlung von Zinsen in Höhe von 10 % verlangt. Wie ist die Rechtslage? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 12 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) Anspruch V gegen K auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB? I. Anspruch entstanden? = wirksamer Kaufvertrag über das Getreide zustande gekommen, Folge: Kaufpreiszahlungsanspruch entstanden II. Anspruch erloschen? Anspruch wegen Rücktritts des K möglicherweise erloschen… (+), wenn ein Rücktrittsrecht besteht… Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 13 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) Rücktrittsrecht: § 323 I BGB? 1. Schuldverhältnis? (+) Kaufvertrag (= gegenseitiger Vertrag) 2. Pflichtverletzung? (+), V hat die Getreidelieferung als von ihm geschuldete Leistung bei Fälligkeit (30.04.2002) nicht erbracht 3. Setzung einer angemessenen Nachfrist? = Hier hat K dem V keine entsprechende Frist gesetzt. Aber: Nachfristsetzung gem. § 323 II Nr. 3 BGB entbehrlich, wenn dies durch besondere Umstände nach Treu und Glauben gerechtfertigt ist (= hier: K benötigte das Getreide fristgerecht, um nicht die Vertragsstrafenverpflichtung ggü. B auszulösen. Er war daher darauf angewiesen, sich sofort anderweitig einzudecken. Deshalb war ihm eine Nachfristsetzung nach den Umständen nicht zumutbar. 4. Rücktrittserklärung gem. § 349 BGB? (+), K hat ggü. V erklärt, nicht am Vertrag festzuhalten Rechtsfolge: Kaufpreiszahlungsverpflichtung erloschen! Nach §§ 346 ff. BGB wird durch den Rücktritt das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt = alle noch nicht erbrachten Leistungspflichten erlöschen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 14 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) Anspruch K gegen V auf Schadensersatz statt der Leistung € 2.000,00 gem. §§ 280 I, III, 281 BGB? Anmerkung: Gemäß § 325 BGB ist eine Schadensersatzforderung neben der Ausübung des Rücktrittsrechtes möglich! 1. Schuldverhältnis? (+), Kaufvertrag (§ 433 BGB) zwischen K und V 2. Pflichtverletzung? (+), V hat die von ihm geschuldete Leistung (Getreidelieferung) nicht fristgerecht erbracht 3. Setzung einer angemessenen Nachfrist/ Entbehrlichkeit (§ 281 Abs. 2 BGB)? (+), s.o. 4. Zusätzliche Voraussetzung des § 280 I BGB: Vertretenmüssen der Überschreitung der Leistungszeit i.S.d. § 276 BGB: (+), wegen § 280 I 2 BGB wird das Verschulden vermutet 5. Schaden? (+), infolge des Ausbleibens der Leistung sind bei K die Mehraufwendungen in Höhe von € 2.000,00 entstanden. Angesichts der drohenden Vertragsstrafe durfte er diese in Kauf nehmen. Ergebnis: Anspruch aus § 280 BGB liegt vor. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 15 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 7) Anspruch K gegen V auf Erstattung der Anwaltskosten und Zinsen? RA-Kosten: (+), § 280 BGB, denn V war mit der geschuldeten Schadensersatzzahlung in Verzug geraten: K hat V zur Leistung angemahnt. Da V trotz Mahnung schuldhaft nicht leistete, ist er in Verzug geraten. K war daraufhin berechtigt, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die dadurch verursachten Kosten sind ihm daher als Verzögerungsschaden zu ersetzen. Zinszahlung: (+), § 288 BGB. Sofern kein höherer Zinsschaden (etwa durch die Inanspruchnahme eines Überziehungskredites) nachgewiesen ist, gilt der gesetzliche Verzugszinssatz, der 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) beträgt (achte: unter Gewerbetreibenden (wie hier) gelten sogar 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz). Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 16 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ Einheit 8: Unmöglichkeit beim Kaufvertrag Gewährleistungsrechte beim Kaufvertrag Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) Kaufmann: § 1 HGB = Sonderprivatrecht des HGB ist anwendbar Unternehmer: § 14 BGB = ist an spezielle verbraucherschützende Vorschriften gebunden § 1 HGB: Betreiber eines Handelsgewerbes § 14 BGB: Gewerblich oder selbstständig Handelnder Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 18 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) Fall 34 (A) („Unmöglichkeit“): Der K betreibt in Berlin ein mittelständisches Bauunternehmen und hat einen Auftrag mit einem Auftragswert von € 100.000 erhalten, zu dessen Erfüllung er eine größere Teermaschine benötigt, wie er sie noch nicht im Fuhrpark hat. Beim Händler V in Hamburg entdeckt er eine geeignete gebrauchte Maschine und vereinbart mit V, dass er sie in vollgetanktem Zustand in einer Woche mit einem geeigneten Transporter abholen komme. Es wird ein Kaufpreis von € 20.000 vereinbart. Bevor K die Maschine jedoch abholen kann, befüllt M, ein Mitarbeiter des V, sie aus Unachtsamkeit mit dem falschen Treibstoff, was zur Folge hat, dass das Gerät einen irreparablen Schaden erleidet und nicht mehr zu gebrauchen ist. K verlangt Erfüllung des Kaufvertrags oder im Falle der Nichtlieferung Kompensation für den Ausfallschaden, der ihm entsteht, weil er seinerseits den € 100.000 Auftrag nicht erfüllen kann. V verlangt hingegen Begleichung der Rechnung über € 20.000. Wie ist die Rechtslage? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 19 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) Gefragt ist nach Ansprüchen aller Beteiligten gegeneinander: Wer will Was von Wem Woraus? Gläubiger Anspruchsziel K Schuldner I. Lieferung / II. Schadensersatz V Kaufpreiszahlung K V Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Anspruchsgrundlage I. Kaufvertrag II. §§ 280 ff. Kaufvertrag 20 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) I. Anspruch des K gegen V auf Lieferung nach § 433 I BGB? Anspruch entstanden? (+), Kaufvertrag wurde geschlossen. Anspruch erloschen? durch Erfüllung (§ 362 BGB)? (-), V hat die Sache weder übergeben noch übereignet. durch Unmöglichkeit (§ 275 BGB)? Da die geschuldete Teermaschine beschädigt ist, könnte der Anspruch erloschen sein, weil die Sache untergegangen ist. Hier: (+/-), abhängig davon, ob V noch eine weitere, gleichartige Teermaschine liefern kann (= Gattungsschuld, vgl. § 243 I BGB) oder ob es die einzige Teermaschine war, so dass er nicht mehr nachliefern kann (= Stückschuld). Hier: Gebrauchte Sache = in der Regel Stückschuld = Anspruch erloschen Ergebnis: Kein Anspruch des K gegen V auf Lieferung. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 21 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) II. Anspruch des V gegen K auf Zahlung nach § 433 II BGB? Anspruch entstanden? (+), Kaufvertrag wurde geschlossen. Anspruch erloschen? (+), nach § 326 I 1 BGB entfällt der Gegenleistungsanspruch bei Wegfall der Leistungsverpflichtung nach § 275 BGB. Hier: V muss gem. § 275 BGB nicht mehr liefern, deswegen muss K gem. § 326 I 1 BGB auch nicht mehr zahlen. Anmerkung: Eine Ausnahme wäre nach § 326 II BGB gegeben, wenn der Gläubiger für den Umstand der Unmöglichkeit allein oder überwiegend verantwortlich ist. Hier aber (-). Ergebnis: V hat gegen K keinen Anspruch auf Zahlung. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 22 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) III. Anspruch des K gegen V auf Schadensersatz nach § 280 BGB? §280 BGB = zentrale Anspruchsgrundlage für vertragliche Schadensersatzansprüche Voraussetzungen: 1. Schuldverhältnis 2. Pflichtverletzung 3. Vertretenmüssen 4. Schaden 5. Kausalität Pflichtverletzung – Schaden 6. evtl. weitere Voraussetzungen (abhängig davon, welche Schadensart geltend gemacht wird, siehe nachfolgende Skizze) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 23 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 24 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) Schadensersatzanspruch des K gegen V, § 280 BGB? 1. Schuldverhältnis? (+) Kaufvertrag besteht. 2. Pflichtverletzung? (+) V hat die Sache nicht „geliefert“ 3. Vertretenmüssen? (+). V der selbst nicht gehandelt hat, muss sich die Fahrlässigkeit seines Mitarbeiters M (= Erfüllungsgehilfe) wegen § 278 BGB als eigene zurechnen lassen. 4. Schaden? (+), K kann seinen Auftrag nicht erfüllen und erleidet Umsatzeinbußen 5. Kausalität? (+), der Schaden resultiert aus der Nichtlieferung des V 6. Zusätzliche Voraussetzung: Da K Schadensersatz anstatt der eigentlich geschuldeten Leistung (also hier: Lieferung der Sache) fordert, gilt § 280 III BGB, demzufolge die Voraussetzungen einer der §§ 281-283 BGB vorliegen müssen. Hier: Ausschluss der Leistungspflicht des Schuldners (§ 283 BGB): (+), Leistungsbefreiung des V nach § 275 BGB (siehe oben). = ERGEBNIS: SE-Anspruch des K gegen V nach § 280 BGB liegt vor. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 25 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) Fall 36 (A) („Gewährleistungsrechte beim Kaufvertrag“): K ist Betreiber eines Copy-Shops. Er bestellt beim Versandhändler V einen neuen Farbkopierer, der auch sofort geliefert wird. Da K zum Lieferzeitpunkt viel zu tun hat, vergisst er den neuen Kopierer zunächst und stellt bei der Inbetriebnahme erst drei Wochen später fest, dass dieser ständig Papierstau produziert. Daraufhin verlangt K die Lieferung eines neuen Kopierers. Zu Recht? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 26 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Nacherfüllung Nachlieferung Nachbesserung + vergebliche Fristsetzung / Fristsetzung entbehrlich + Pflichtverletzung erheblich Minderung Rücktritt + Vertretenmüssen Grundvoraussetzung für alle Ansprüche: Kaufsache war bei Gefahrübergang mangelhaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) Schadensersatz Aufwendungsersatz 27 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) Anspruch des K gegen K auf Neulieferung? I. Anspruch entstanden? (+), § 433 I BGB, Anspruch gerichtet auf Lieferung. II. Anspruch erloschen? Mit Lieferung der Sache ist dieser Anspruch erfüllt (§ 362 BGB) oder wandelt sich bei mangelhafter Lieferung in einen Nacherfüllungsanspruch (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB) um. hier: Sache wurde geliefert, insofern nur noch Nacherfüllungsanspruch denkbar. zu prüfen ist also, ob ein solcher Nacherfüllungsanspruch besteht… Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 28 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) Nacherfüllungsanspruch, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB : Voraussetzung: „Mangelhafte Sache“ iSd § 434 BGB („Sachmangel“): „Bei Gefahrübergang… u.a. wenn… …vereinbarte Beschaffenheit nicht gegeben; …mangelnde Eignung für im Vertrag vorausgesetzte Verwendung …mangelnde Eignung für gewöhnliche Verwendung oder entspricht nicht der üblichen Beschaffenheit Lieferung falscher Sache oder zu geringe Menge hier: Keine spezielle Beschaffenheit vereinbart; Papierstau produzierender Kopierer eignet sich nicht für gewöhnliche Verwendung Sachmangel gegeben Anspruch wahlweise auf Nachlieferung bzw. Nachbesserung aber: K hat sich 3 Wochen Zeit gelassen, erst dann hat er sich die Mühe gemacht, sich den Kopierer näher anzugucken. Das widerspricht einer im Handelsverkehr vorgesehenen zügigen Abwicklung der Rechtsgeschäfte, etwa durch das Erfordernis der unverzüglichen Mängelrüge,… daher … Hamburg 29 Universität Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) Ausschluss des Anspruchs nach § 377 I HGB: „Ware gilt als genehmigt,… wenn bei einem Handelsgeschäft (zwischen Kaufleuten gem. § 1 HGB)… der Käufer nach Erhalt der Ware nicht unverzüglich einen Mangel rügt, der bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung erkennbar gewesen wäre. = hier: es ist nach durchzuführender Interessenabwägung „nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich“ tunlich und dem K zuzumuten gewesen, den Kopier zeitnah auf Papierstau zu untersuchen! = Ergebnis: Trotz bestehendem Sachmangels kein Anspruch des K gegen V auf Nachbesserung/Nachlieferung! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 30 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) Fall 36 (A) Abwandlung („div. Gewährleistungsrechte“): Der K hat sich bei V einen gebrauchten Kopierer gekauft, um damit seine Briefmarkensammlung zu vervielfältigen und zu katalogisieren. Dieser Kopierer ist allerdings fehlerhaft. Der V weigert sich, einen neuen Kopierer zu liefern. Welche Rechte kommen für K grundsätzlich in Betracht? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 31 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) I. Nachlieferung (§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB): grds. (+). aber: Bei der Verpflichtung des V handelt es sich um eine Stückschuld (Grund: gebrauchter Kopierer ist „Unikat“), so dass Ersatzlieferung unmöglich gem. § 275 Abs. 1 BGB sein könnte (BGH: (-), wenn keine funktionell und vertragsmäßig gleichwertige Sache mehr geliefert werden kann, ist… hier: ist einzelfallabhängig. II. Nachbesserung (§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 1 BGB) III. Rücktritt (§§ 437 Nr. 2, 323, 346 BGB): Folge: Rückabwicklung des Vertrages, also Rückgewähr empfangener Leistungen und Vorteile (§ 346 BGB). Gegenüber Nacherfüllung zusätzliche Voraussetzungen: o Vergebliche Fristsetzung zur Nacherfüllung bzw. Entbehrlichkeit (z.B. bei Unmöglichkeit (vgl. § 440 BGB) oder Weigerung des Verkäufers) o Mangel darf nicht unerheblich sein (§ 323 V 2 BGB) = hier: V weigert sich nachzuerfüllen und der Mangel (Papierstau) ist erheblich, demnach Rücktrittsrecht (+) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 32 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) IV. Minderung (§§ 437 Nr. 1, 441 BGB): Voraussetzungen siehe Rücktritt, aber auch bei unerheblichen Mängeln möglich Folge: Erstattung der Wertdifferenz zwischen mangelhaftem und vertragsgemäßem Gerät V. Schadensersatz (§§ 437 Nr. 3, 280 I BGB): Zusätzliche Voraussetzung: Vertretenmüssen o § 276 BGB (Vorsatz/Fahrlässigkeit) – im Zweifel wird Verschulden vermutet (vgl. § 280 I 2 BGB). Hier: Die erste mangelhafte Lieferung war möglicherweise noch nicht fahrlässig, die Weigerung, nachzuerfüllen, war jedoch sogar eine vorsätzliche Pflichtverletzung = Verschulden (+). „Großer Schadensersatz“ (= mangelhafte Sache wird zurückgegeben + Käufer erhält Ersatz des vollen Wertes einer mangelfreien Lieferung) „Kleiner Schadensersatz“ = Käufer behält die mangelhafte Sache + erhält Ersatz der Wertdifferenz zu einer mangelfreien Lieferung in Geld) hier: Keine Anhaltspunkte für Schaden. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 33 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 8) VI. Aufwendungsersatz (§§ 437 Nr. 3, 284 BGB): Gleiche Voraussetzungen wie Schadensersatz („anstelle“) Folge: Ersatz der Aufwendungen, die der Käufer im Vertrauen auf den Erhalt der (mangelfreien) Sache gemacht hat. o Ausnahme: Zweck der Aufwendungen wäre auch bei mangelfreier Lieferung nicht erreicht worden HIER: Keine Anhaltspunkte für Aufwendungen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 34 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ Einheit 9: Kaufvertrag, Verbrauchsgüterkauf (Fall 37) Werkvertrag (Fall 38) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Fall 37 („Kaufvertrag“, „Verbrauchsgüterkauf“): Autohändler V erwirbt von einem Vertragshändler der Daimler Chrysler AG, dem L, einen neuen Mercedes SL. Er veräußert diesen anschließend an seinen Privatkunden K. In beiden Verträgen ist vorgesehen, dass alle etwaigen Gewährleistungsansprüche des Käufers, gleich aus welchem Rechtsgrund, wegen etwaiger Mängel innerhalb eines Jahres verjähren und anschließend ausgeschlossen sind. K erleidet nach 5 Monaten einen Unfall, bei dem das Auto einen Totalschaden und das auf der Fahrt mitgeführte Notebook des K erheblich beschädigt wird. Ein beauftragter Sachverständiger stellt fest, dass der Unfall durch einen Bremsendefekt verursacht wurde. Es kann indes nicht festgestellt werden, ob dieser Defekt bei Übergabe des Fahrzeugs an K bereits angelegt oder erst später verursacht worden war. K verlangt von V Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises. Nachdem eine über 8 Monate hinweg streitig geführte Korrespondenz, zuletzt zwischen den Anwälten der Parteien, den V nicht zu einer Leistung veranlassen konnte, verklagt K den V auf Rückzahlung des Kaufpreises sowie Ersatz der Reparaturkosten für das beschädigte Notebook. Frage 1: Zu Recht? Frage 2: Kann V von L, nachdem er K den Kaufpreis erstattet hat, ebenfalls Rückzahlung des von ihm geleisteten Kaufpreises verlangen? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 36 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Zu prüfen sind: I. Ansprüche des K gegen V: - (1/2): auf Rückzahlung des Kaufpreises = Rücktritt - (2/2): Ersatz der Reparaturkosten des Notebooks = Schadensersatz II. Ansprüche des V gegen L: - auf Rückzahlung des Kaufpreises = Rücktritt Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 37 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Nacherfüllung Nachlieferung Nachbesserung + vergebliche Fristsetzung / Fristsetzung entbehrlich + Pflichtverletzung erheblich Minderung Rücktritt + Vertretenmüssen Grundvoraussetzung für alle Ansprüche: Kaufsache war bei Gefahrübergang mangelhaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Schadensersatz Aufwendungsersatz 38 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) I. (1/2): Ansprüche des K gegen V (Rückzahlung des Kaufpreises) nach §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB? Voraussetzungen: 1. Wirksamer Kaufvertrag (+) 2. Rücktrittserklärung (§ 349 BGB) (+) 3. Rücktrittsgrund (hier: §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB)? (+), wenn ein Sachmangel bereits zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs i. S. d. § 446 BGB (= Übergabe) vorgelegen hatte Sachmangel? (+), da Bremsendefekt. Sachmangel auch bereits bei Gefahrenübergang gegeben? Problem: Hier nicht feststellbar! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 39 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Problem: Die fehlende Feststellbarkeit des Vorliegens des Sachmangels (Bremsendefekt) z. Zt. der Übergabe ist problematisch, da nach zivilprozessualen Grundsätzen derjenige die Beweislast für die anspruchsbegründenden Merkmale trägt, der sich auf den Anspruch beruft Folge: jeder muss das nachweisen, was für einen günstig ist. = Nach o. g. Grundsätzen könnte K demnach nur dann zurücktreten, wenn ihm der o. g. Nachweis gelingt. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 40 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Aber: Aus Verbraucherschutzgründen soll einem Verbraucher, dem ein solcher Nachweis naturgemäß schwer gelingen wird, eine Beweislastumkehr zugute kommen. Nach § 476 BGB wird zugunsten eines Verbrauchers daher angenommen, dass ein Sachmangel bereits zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs vorgelegen habe, sofern der Sachmangel sich: - binnen 6 Monaten nach Gefahrenübergang zeigt und - ein Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) vorliegt (= Kaufvertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer Anmerkung: Die Beweislastumkehr nach § 476 BGB gilt also nicht bei: - bei Geschäften zwischen Verbrauchern / - bei Geschäften zwischen Unternehmern / sofern sich der Sachmangel erst nach 6 Monaten nach Gefahrenübergang zeigt. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 41 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Zwischenergebnis: K ist Verbraucher, V ist Unternehmer. Der Sachmangel hat sich bereits nach 5 Monaten (also noch vor 6 Monaten) nach Gefahrenübergang (Übergabe) gezeigt. Folge: Es liegt ein Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) vor und der Mangel hat sich binnen 6 Monaten ab Übergabe gezeigt. Es ist also zugunsten des K wegen § 476 BGB davon auszugehen, dass der Sachmangel – auch trotz Unaufklärbarkeit – bereits zur Zeit des Gefahrenübergangs vorgelegen hat. = Ein Rücktrittsgrund ist mithin gegeben. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 42 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Weitere Voraussetzungen für den Rücktritt: 4. Fristsetzung zur Mängelbeseitigung o Hier (-) o aber: entbehrlich nach § 440 BGB, wenn dem Käufer die Nacherfüllung unzumutbar ist bzw. wenn besondere Gründe den sofortigen Rücktritt rechtfertigen (§ 323 II Nr. 3 BGB). So liegt es hier; aufgrund des Totalschadens erscheint die Gesamtwiederherstellung des Wagens bzw. Reparatur des Bremsdeffekts als unmöglich/nutzlos. = Eine Fristsetzung war entbehrlich. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 43 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Weitere Voraussetzungen für den Rücktritt: 5. evtl. Ausschluss des Rücktrittsrechts? hier: §§ 438 IV, 218 BGB wegen Verjährung? Grds. beträgt die gesetzliche kaufvertragliche Verjährungsfrist 2 Jahre. Laut vertraglicher Vereinbarung wurde diese Verjährungsfrist aber auf 1 Jahr reduziert. Frage: Vereinbarung wirksam? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 44 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) hier: Vereinbarung unwirksam wegen § 475 II BGB = Verkürzung der Verjährungsfrist betr. neue Sachen auf unter 2 Jahren wegen des Verbraucherschutzes unzulässig! Folge: kein Ausschluss des Rücktrittrechts aufgrund der Vereinbarung über die Verkürzung der Verjährung! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 45 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Falllösung (Frage 1/2): K war damit zum Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB berechtigt und erhält demnach den Kaufpreis zurück erstattet. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 46 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) II. (2/2): Ansprüche des K gegen V (Ersatz der Reparaturkosten des Notebooks) nach §§ 437 Nr. 3, 280 BGB? Voraussetzungen: - wirksamer Vertrag: (+), s.o. - Sachmangel (+), s.o. - Schaden? Problem: geltend gemachter Schaden ist hier an einer anderen Sache (Notebook) als an der verkauften Sache eingetreten (Wagen)! jedoch: Mangelfolgeschaden, ersetzbar nach §§ 437 Nr. 3, 280 BGB)! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 47 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Problem: Der Schadensersatzanspruch wird erst nach 13 Monaten gerichtlich geltend gemacht. Frage: Ausschluss des Schadensersatzanspruches durch die vertragliche Vereinbarung der Reduzierung der Verjährungsfrist auf nur 1 Jahr? Antwort: Einrede der Verjährung (§ 214 BGB) nur (+), wenn die dem Verbrauchschutz dienende Unwirksamkeitsregelung des § 475 II BGB auch für Schadensersatzansprüche gilt. hier: (-) wegen § 475 III BGB! Folge: Unwirksamkeitsregelung des § 475 II BGB gilt nicht, daher Einrede der Verjährung bei SE-Ansprüchen infolge der Vereinbarung über die Verjährungsverkürzung anwendbar. Ergebnis: Kein SE-Anspruch des K gegen V nach § 280 BGB! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 48 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) III. Ansprüche des V gegen L (Rückzahlung des Kaufpreises) nach §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB? Voraussetzungen: s.o. (1. wirksamer Vertrag (+), 2. Rücktrittserklärung (+), 3. Rücktrittsgrund: (+/-), denn: Vorliegen des Sachmangels bereits bei Gefahrenübergang hier nicht feststellbar! Gilt auch hier die Beweislastumkehr des § 476 BGB? = an sich (-), denn hier stehen sich zwei Unternehmer gegenüber, und nicht – wie oben – 1 Unternehmer und 1 Verbraucher. = Verbraucherschutz gilt hier nicht! Folge: Beweislastumkehr des § 476 BGB gilt hier nicht. Dilemma: Der an einen Verbraucher liefernde Händler (hier: V lieferte an K) könnte vom Verbraucher (hier: K) in Anspruch genommen werden, ohne dass er Regressansprüche gegen seinen Lieferanten (hier: L) hätte 49 Universität Hamburg = sog. Regressfalle! Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Lösung: § 478 III BGB lässt für die Fälle einer solchen Lieferkette wie der vorliegenden Art die Beweislastumkehr des § 476 BGB auch für das Verhältnis Lieferant – Händler/Verkäufer analog eingreifen. Folge: ein Rücktrittsgrund liegt vor. Weitere Voraussetzungen für den Rücktritt: 4. Fristsetzung zur Mängelbeseitigung? = hier ebenfalls entbehrlich (§ 478 I BGB), wegen Schutz vor Regressfalle (s.o.) 5. Einwendung der Verjährung? = hier ebenfalls nicht einschlägig (§ 478 IV BGB), wegen Schutz vor Regressfalle (s.o.) Ergebnis: V kann von L Rückzahlung des Kaufpreises zurück verlangen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 50 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Fall 38 („Werkvertrag“): Die B-GmbH errichtet ein großes Geschäftsgebäude. Mit den Putzarbeiten beauftragt sie Bauunternehmer U zu einem Preis von € 500.000,00. U führt die Arbeiten nicht fachgerecht aus, der aufgebrachte Putz ist porös und deshalb feuchtigkeitsdurchlässig. Welche Rechte hat B, wenn U die geforderte Herstellung eines mangelfreien Putzes ablehnt? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 51 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 9) Überlick: Gewährleistungsrecht beim Werkvertrag: Rechte des Bestellers (hier: B-GmbH) bei Sachmängeln gegen den Unternehmer (hier: U) vgl. § 634 BGB: 1) Nacherfüllung: Nacherfüllung, §§ 634 Nr. 1, 635 BGB = nach Wahl des Unternehmers durch Nachbesserung oder Neuherstellung 2) Ersatzvornahme und Aufwendungsersatz: §§ 634 Nr. 2, 637 BGB = eigene Mangelbeseitigung des Bestellers auf Kosten des Unternehmers 3) Rücktrittsrecht: §§ 634 Nr. 3, 323 BGB; Folgen: §§ 346 ff. BGB 4) Minderung: §§ 634 Nr. 3, 638 BGB; Höhe: § 638 III BGB 5) Schadensersatz: §§ 634 Nr. 4 BGB, 280, 281 (Verschulden erforderlich; siehe im Einzelnen: GewährleistungsR im Kaufrecht). Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 52 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ Einheit 10: Eigentumserwerb gem. §§ 929 ff. BGB (Fall 47), Gutgläubiger Erwerb (Fall 47a) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 10) Fall 47 („Eigentumserwerb, §§ 929 ff. BGB“): A ist Eigentümer einer Maschine, die bei ihm als Schaustück im Schaufenster steht. B benötigt die Maschine für seinen Gewerbebetrieb und wird sich deshalb mit A über einen käuflichen Erwerb zu einem Preis von € 20.000,- handelseinig. Den Kaufpreis zahlt B sofort, da A die Maschine noch zwei Monate für sein Schaufenster benötigt, soll diese vereinbarungsgemäß aber bei A bleiben, der allerdings einen monatlichen Mietzins von € 500,an B zahlen soll. Vor Ablauf der zwei Monate wird über das Vermögen des A ein Insolvenzverfahren eröffnet. Am folgenden Tag händigt der darüber noch nicht informierte Angestellte des A, der X, die Maschine an B aus. Kann der Insolvenzverwalter die Herausgabe verlangen? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 54 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 10) Überblick: EIGENTÜMER-BESITZER-VERHÄLTNIS (EBV, §§ 985 ff. BGB) Rechtsverhältnisse zwischen einem Eigentümer und einem Besitzer stellen im Vergleich zu „normalen“ Verhältnissen besondere Sonderbeziehungen dar, für die das Gesetz daher auch besondere Regelungen vorsieht. In den §§ 985 ff. BGB sind daher die wechselseitigen Ansprüche geregelt (Herausgabeanspruch, Nutzungsherausgabe, Schadensersatz, Verwendungsersatz, Unterlassungsanspruch). Ausgangspunkt ist stets das Bestehen eines Eigentums-HerausgabeAnspruches (§§ 985, 986 BGB), sog. „VINDIKATIONSLAGE“. Eigentums-Herausgabe-Anspruch (§§ 985, 986 BGB): Voraussetzungen: 1. Anspruchssteller = Eigentümer 2. Anspruchsgegner = Besitzer 3. Anspruchsgegner hat kein Recht zum Besitz iSd BGB Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft § 986 55 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 10) Aus dieser „Vindikationslage“ folgen - da ein spezielles Sonderverhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer besteht spezielle Rechte und Pflichten, die in den §§ 987 ff. BGB (= EBV = §§ 987 ff. BGB) geregelt sind. Grundsätzlich sind diese Regelungen abschließend in Bezug auf NutzungsHerausgabe (= NH) SchadensErsatz (= SE) und VerwendungsErsatz (= VE). Die §§ 985 – 1003 betreffen das Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer (E) und Besitzer einer Sache (B), wobei Eigentum und Besitz wenigstens in der Vergangenheit bestanden haben müssen (EBV). Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Hierzu im einzelnen: … 56 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 10) 985, 986: dinglicher Herausgabe-Anspruch des E (einer beweglichen bzw. unbeweglichen Sache) gegen unberechtigten B. 987 – 993: 987, 990: 988: 992, 823 ff.: 993: Nebenansprüche auf NH und SE. NH bei Rechtshängigkeit/Bösgläubigkeit NH bei unentgeltlichem Besitz NH bei deliktischem Besitz NH bei redlichem Besitz 989, 990: 991 II: 992, 823 ff.: SE bei Rechtshängigkeit/Bösgläubigkeit SE bei Fremdbesitz SE bei deliktischem Besitz 994 – 1003: 994 I: 994 II: 996: Gegenansprüche des B gegen E auf VE. VE bei notwendigen Verwendungen des gutgl. B VE bei notwendigen Verwendungen des verklagten/bösgl. B VE bei nützlichen Verwendungen des gutgl. B 1004 I: Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegen den Störer. 57 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 10) Bei der Prüfung des Eigentums-Herausgabe-Anspruchs (§§ 985, 986 BGB) ist bei dem ersten Prüfungspunkt („1. Anspruchsteller = Eigentümer?“) die Eigentumslage und deren Entwicklung darzustellen. Dabei wird chronologisch geprüft, d.h. zunächst ist festzustellen, welche Person ursprünglich Eigentümer gewesen ist. Sodann ist zu prüfen, ob eine andere Person das Eigentum erworben hat ... …vom Berechtigten: durch Übereignung (§§ 929 ff. BGB) oder …vom Nichtberechtigten: durch gutgläubigen Erwerb (§§ 932 ff. BGB). … hierzu im Einzelnen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 58 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 10) Fall 47 (Abwandlung): Wie wäre es, wenn A nicht insolvent geworden, aber von Anfang an gar nicht Eigentümer der Maschine gewesen war, sondern sich diese lediglich von Eigentümer E geliehen hatte? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 59 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 10) Fallfrage: Kann der Insolvenzverwalter die Herausgabe von B verlangen? Hinweis: Sobald ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, kann der Insolvenzverwalter Ansprüche des Insolvenzschuldners (hier: der A) nach § 80 InsO geltend machen. Mit diesem Zeitpunkt verliert der Insolvenzschuldner jegliche Verfügungsbefugnisse. Vorüberlegung: Wer will Was von Wem Woraus? hier: der Insolvenzverwalter will Herausgabe der Maschine von B aus §§ 985, 986 BGB. Voraussetzungen (§§ 985, 986 BGB): 1. A = Eigentümer 2. B = Besitzer 3. B hat kein Recht zum Besitz iSd § 986 BGB Universität Hamburg ... Das ist zu prüfen Institut für Recht der Wirtschaft 60 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 10) 1. Ist A = Eigentümer? Ursprünglich war der A Eigentümer der Maschine. A könnte das Eigentum jedoch bereits auf B durch Übereignung nach § 929 S. 1 BGB übertragen haben. Voraussetzung (929 S. 1 BGB): Einigung über den Eigentumsübergang? (+), A und B einigten sich über den Eigentumsübergang (vgl. Kaufvertrag und Mietzinsvereinbarung. Übergabe der Sache durch den verfügungsbefugten Eigentümer? (-), keine Übergabe. Zwar hat der A über den X den Besitz verschafft (= Übergabe). Jedoch war zu diesem Zeitpunkt bereits das Insolvenzverfahren eröffnet, so dass der A jegliche Verfügungsbefugnisse an den Insolvenzverwalter verloren hat. Der A konnte also nicht mehr wirksam dem B den Besitz verschaffen, so dass keine Übergabe vorliegt. Folge: keine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB = A ist weiterhin Eigentümer geblieben. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 61 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 10) A könnte das Eigentum jedoch bereits auf B durch Übereignung nach (§§ 929, 930 BGB) übertragen haben. Voraussetzung (§§ 929, 930 BGB): Einigung über den Eigentumsübergang? (+), siehe oben. Erlangung mittelbaren Besitzes des Erwerbers durch Besitzmittlungsverhältnis? (+). Die Erlangung mittelbaren Besitzes des Erwerbers durch Besitzmittlungsverhältnis erfordert eine Vereinbarung gem. § 868 BGB, aufgrund derer der Besitzer nur auf Zeit zum Besitz der Sache berechtigt ist. A und B hatten einen Mietvertrag über die Maschine abgeschlossen, da diese bereits dem B gehören sollte. Damit war A nur noch auf Zeit zum Besitz berechtigt und der B mittelbarer Besitzer gem. § 868 BGB. Zu diesem Zeitpunkt war A auch noch verfügungsbefugt. Damit ist das Eigentum wirksam nach §§ 929, 930 BGB auf den B übergegangen. Endergebnis (Fall): A hat das Eigentum an B verloren, so dass der Insolvenzverwalter insoweit keinen Anspruch auf Herausgabe gegen B nach §§ 985, 986 BGB geltend machen kann. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 62 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 10) Fall 47 A (Abwandlung – „Gutgläubiger Erwerb“): Wie wäre es, wenn A nicht insolvent geworden, aber von Anfang an gar nicht Eigentümer der Maschine gewesen war, sondern sich diese lediglich von Eigentümer E geliehen hatte? Fallfrage: Herausgabeanspruch des E gegen B nach §§ 985, 986 BGB? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 63 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 10) Voraussetzungen (§§ 985, 986 BGB): 1. E = Eigentümer? / 2. B = Besitzer? / 3. B hat kein Recht zum Besitz iSd § 986 BGB?) Fallprüfung: 1. Ist E = Eigentümer? Ursprünglich war der E Eigentümer der Maschine. E könnte das Eigentum jedoch bereits an den B verloren haben, wenn A das Eigentum wirksam auf den B durch Übereignung nach § 929 S. 1 BGB übertragen hat. Voraussetzung für (929 S. 1 BGB): Einigung + Übergabe durch den verfügungsbefugten Eigentümer. Problem: A war nie Eigentümer = Folge: keine Eigentumsübertragung auf den B nach §§ 929 S. 1 BGB. E könnte das Eigentum jedoch durch gutgläubigen Erwerb des B nach §§ 929, 932 BGB verloren haben. Hier: (+), da Einigung + Übergabe (über den X) + Gutgläubigkeit des B (= B hatte weder Kenntnis noch fahrlässige Unkenntnis über das fehlende Eigentum iSd § 932 II BGB) + kein Abhandenkommen iSd § 935 BGB (Grund: E selbst hat die Maschine verliehen). = Folge: E hat das Eigentum an B verloren. Ergebnis (Fall): kein Anspruch des E gegen B auf Herausgabe! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 64 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ Einheit 11: Sicherungsübereignung (Fall 50) Eigentumserwerb an Grundstücken (Fall 52) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 11) Fall 50: Unternehmer U benötigt ein Darlehen. Dieses wird ihm von seiner Hausbank B gewährt. Beide vereinbaren, dass der Hausbank B als „Sicherheit“ eine wertvolle, in der Produktionshalle des U stehende Maschine zustehen soll. Wie sehen die Eigentumsverhältnisse aus, wenn U das Darlehen vollständig zurückzahlt? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 66 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 11) 1. Ursprünglich war U Eigentümer 2. Ändert sich etwas durch die Vereinbarung, dass die Maschine zur „Sicherheit der Hausbank B zustehen soll? Das hängt vom Wesen dieser Vereinbarung ab: Pfandrecht gemäß §§ 1204 ff. BGB) (-), da ein Pfandrecht die Übergabe der Sache an den Sicherungsnehmer voraussetzt; dies ist hier gerade nicht erfolgt. Sicherungsübereignung gemäß §§ 929,930 BGB ? … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 67 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 11) Wesen der Sicherungsübereignung: Die Sicherungsübereignung (SÜ) ist der Umkehrfall zum Eigentumsvorbehalt: Der Schuldner („Sicherungsgeber“, hier: U) übereignet aus seinem Vermögen eine Sache zur Sicherung einer Forderung an den Gläubiger („Sicherungsnehmer“, hier: Bank B), behält aber den Besitz. Voraussetzungen der Sicherungsübereignung: 1. Übereignung einer Sache gemäß §§ 929, 930 BGB 2. Sicherungsabrede: Verwertungsrecht nur, wenn gesicherte Forderung notleidend wird 3. auch an künftigen Sachen (z. B. Lagerbestand), wenn hinreichend bestimmt Rechtsfolgender Sicherungsübereignung: 1. Sicherungsnehmer wird Eigentümer; Sicherungsgeber bleibt Besitzer. Besitzrecht aus Sicherungsabrede, solange gesicherte Forderung nicht notleidend („Sicherungsfall“). Anwartschaftsrecht nur bei auflösend bedingter SÜ (§ 158 II BGB). 2. Bei Sicherungsfall: Verwertungsrecht des Gläubigers; Recht auf abgesonderte, also vorrangige Befriedigung im Insolvenzfall des Schuldners (§ 51 InsO) und Zwangsvollstreckungszugriffen (Gläubiger kann per Drittwiderspruchklage Pfändungsmaßnahmen Dritter aufheben lassen, § 771 ZPO) 3. Bei Erfüllung der gesicherten Forderung: Automatischer Rückfall des Eigentums, wenn SÜ auflösend bedingt ( §158 II BGB); anderenfalls Anspruch auf Rückübereignung aus Sicherungsabrede (gem. § 929 S.2 BGB). Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 68 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 11) Lösung (Fall): U hat die Maschine der B gem. §§ 929, 930 BGB übereignet. B ist dadurch neuer Eigentümer geworden Allerdings ist B im Innenverhältnis verpflichtet, das Eigentum nur nach Maßgabe der Sicherungsabrede zu benutzen und die Sache insbesondere nur dann zu verwerten, wenn das Darlehn notleidend wird. Folgen bei Rückzahlung des Darlehens hängen von der Parteivereinbarung ab: SÜ auflösend bedingt? Dann ist U mit Rückzahlung sofort /automatisch wieder Eigentümer. Wenn eine solche Bedingung nicht vereinbart ist, hat U lediglich einen Anspruch auf Rückübereignung der Maschine. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 69 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 11) Fall 52: E ist Eigentümer eines Grundstücks. Als E stirbt, hinterlässt er als einzigen Abkömmling seinen Sohn S. Die Ehefrau des E war bereits vorher verstorben. Auf Antrag des S wird die Eintragung im Grundbuch zu Gunsten des S korrigiert. Später stellt sich heraus, dass E in einem handschriftlichen Testament seine Nachbarin N, die ihn bis zuletzt aufopferungsvoll gepflegt hatte (S interessierte sich ausschließlich für seine Hobbys Motorsport und Britney Spears), als Alleinerbin eingesetzt hatte. Als S von N entsprechend in Kenntnis gesetzt wird, sieht er seine Fälle davon schwimmen. Er schließt deshalb mit dem Immobilienkaufmann D einen Kaufvertrag über das Grundstück zum Preis von EUR 800.000,00. Das Grundstück wird an D aufgelassen, dieser wird anschließend im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen. … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 70 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 11) … Frage 1: Als N hiervon erfährt, verlangt sie von D Herausgabe des Grundstücks und Umschreibung des Grundbuchs. Zu Recht? Frage 2: Was hätte N zur Sicherung ihrer Ansprüche machen müssen? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 71 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit 11) Falllösung: 1) Für einen Anspruch der N auf Herausgabe des Grundstücks (gemäß § 985 BGB) und auf Grundbuchberichtigung (gemäß § 894 BGB) ist entscheidend, ob N Eigentümerin ist. Hier: - ursprünglich war E = Eigentümer - Danach ist N gem. § 1922 BGB Eigentümerin geworden durch Alleinerbschaft per Testament, das Vorrang hat vor der gesetzlichen Erbfolge iSd § 1924 I BGB (S hat nur Pflichtteilsanspruch) - Das Eigentum hat N aber an D verloren. D hat vom Nichtberechtigten S zwar nicht vom Berechtigten nach §§ 873, 925 BGB (Grund: keine Eigentümerschaft), aber vom Nichtberechtigten gem. § 892 BGB gutgläubig Eigentum erworben. Ergebnis (Fall): kein Anspruch von N gegen D. 2) N hätte (per einstweiliger Verfügung) Widerspruch nach § 899 BGB gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eintragen lassen müssen, dadurch hätte gutgläubiger Erwerb durch Dritte verhindert werden können (vgl. § 892 BGB). / N hat allenfalls Anspruch gegen S auf Auskehrung des Kaufpreises (§ 816 I 1 BGB) bzw. Schadensersatz (§§ 823 ff. BGB). Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 72 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ Einheit 12: Grundzüge des Zivilprozessrechts (ZPO – Fall 54) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft ZPO (Fall 54) Sachverhalt: K aus München verkauft an B aus Hamburg einen ein Jahr alten PKW zu einem Kaufpreis von € 25.000,00. B nimmt das Fahrzeug sofort mit, die Rechnung bleibt zunächst einige Zeit unbearbeitet liegen. Auf Mahnung des K erklärt B, er verweigere die Zahlung des Kaufpreises, da das Fahrzeug von Anfang an erhebliche Mängel aufgewiesen habe. K stellt dies in Abrede und fordert den Ausgleich der Rechnung. Wie kann K seine Ansprüche durchsetzen? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 74 Welche Möglichkeiten hat K, seine Ansprüche durchzusetzen? I. Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, § 688 ff. ZPO • Keine Sachprüfung durch das Gericht Vorteil: beschleunigte Titulierung • Am Ende des Mahnverfahrens steht Erlass eines Vollstreckungsbescheids Titel für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen • Enorme praktische Bedeutung: 2003 wurden rund 9,47 Mio. Anträge gestellt II. Ordentliches Klageverfahren • Volle Sachprüfung durch das Gericht • Längerer Verfahrensgang hierzu im Einzelnen … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 75 Was hat K hierbei zu beachten? I. • • • • Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids Zuständigkeit: Amtsgericht, bei dem der Antragssteller seinen allgemeinen Gerichtstand hat (§ 689 ZPO) Anspruch muss hinreichend bestimmt bezeichnet werden (Lebenssachverhalt), § 690 ZPO Wenn Voraussetzungen vorliegen, wird ein Mahnbescheid erlassen und zugestellt (§§ 692 f. ZPO) Wenn Antragsgegner nicht rechtzeitig Widerspruch einlegt, folgt auf Antrag ein Vollstreckungsbescheid (§ 699 ZPO) Vollstreckungstitel gem. § 700 Abs. 1 i.V.m. § 704 ZPO Andernfalls (also bei Widerspruch gegen Mahnbescheid-Antrag oder Einspruch gegen Vollstreckungsbescheid-Antrag): Rechtsstreit wird fortgeführt im Ordentlichen Klagverfahren (§ 696 ZPO) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 76 Was hat K hierbei zu beachten? II. • • • • • Ordentliches Klageverfahren Klageschrift mit bestimmtem Antrag und Schilderung des zugrundeliegenden Sachverhalts (§ 253 ZPO) Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses (§§ 6, 12 GKG) Zuständiges Gericht: Sachliche Zuständigkeit richtet sich nach dem GVG (§ 1 ZPO) hier: LG, da Gegenstandswert € 5.000,- überschreitet (§ 71 GVG) Örtliche Zuständigkeit richtet sich nach §§ 12 ff. ZPO hier: LG Hamburg nach § 13 ZPO, soweit keine Gerichtstandsvereinbarung oder abweichender Gerichtstand vorliegt Sind Formalien eingehalten, so wird die Klage dem Beklagten zugestellt (§ 253 Abs. 1 ZPO) Dann ordnet das Gericht ein schriftliches Vorverfahren oder einen frühen ersten Termin an (§§ 275, 276 ZPO) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 77 Was hat K hierbei zu beachten? Hier empfiehlt es sich für K, direkt in das ordentliche Klageverfahren zu gehen. B würde gegen den Mahnbescheid wahrscheinlich einen Widerspruch einlegen und dann würde die Sache ohnehin an das Hauptsachegericht verwiesen werden. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 78 Welche Reaktionsmöglichkeiten hat B? • • • • • Erscheint B in der Verhandlung nicht, so wird der Vortrag des K als wahr unterstellt Folge: Ist die Klage schlüssig, so ergeht ein Versäumnisurteil (§ 331 ZPO) Erkennt B die Forderung an, so ergeht ein Anerkenntnisurteil (§ 307 ZPO) Gleicht B die Forderung aus, so hat sich der Rechtstreit durch Erfüllung erledigt Geben beide Parteien übereinstimmende Erledigungserklärungen ab, so hat das Gericht gem. § 91a ZPO nur noch über die Kosten zu entscheiden Schließen die Parteien einen Vergleich ab, wäre der Zivilprozess ebenso abgeschlossen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 79 Welche Reaktionsmöglichkeiten hat B? Hier ist es jedoch wahrscheinlich, dass B keine der genannten Möglichkeiten ergreift. Vielmehr wird er materiell auf die Klage durch einen Rechtsanwalt erwidern lassen und behaupten, dass der gerügte Mangel bestand und dies unter den Beweis eines Sachverständigengutachtens stellen. Diese Behauptung wird von K vermutlich sodann bestritten werden. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 80 Wie wird das Gericht entscheiden? • Ist die Klage unschlüssig, so weist das Gericht die Klage ab Unschlüssig wäre die Klage dann, wenn schon der von K vorgebrachte Sachverhalt den Anspruch nicht stützt • Ist die Klage des K hingegen schlüssig und der Mangelvortrag des B unerheblich, so wird der Klage ohne weiteres stattgegeben • Hier aber ist der Mangelvortrag erheblich, da dem B beim Vorliegen eines Mangels gegen den Zahlungsanspruch des B zumindest die Einrede des § 320 BGB zustünde Deswegen: Beweisaufnahme durch Gericht Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 81 Wie wird das Gericht entscheiden? • • Beweisaufnahme beschränkt sich auf die beweisbedürftigen Tatsachen Beweisbedürftige Tatsachen sind die streitigen und gleichzeitig streitendscheidenden Tatsachen Aber: Beweisbelastete Partei muss taugliche Beweismittel benennen, damit eine Beweisaufnahme möglich ist (z.B. Dokumente, Zeugen, Sachverständigengutachten, Inaugenscheinnahme, Parteivernehmung etc.) Hier hat B seine Behauptung unter einen Sachverständigenbeweis gestellt Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 82 Wie wird das Gericht entscheiden? Sachverhaltserweiterung: Der gerichtlich benannte Sachverständige kann nicht feststellen, ob der Defekt bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorhanden war oder später durch einen Unfall entstanden ist. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 83 Wie wird das Gericht entscheiden? Hier wird der Klage stattgegeben. Der Sachverständige kann nicht feststellen, ob der Mangel bereits bei Gefahrübergang (§ 434 BGB) vorlag. In diesem Fall ist die zu beweisende Tatsache als nicht vorliegend zu unterstellen. Da B die Mangelhaftigkeit beweisen müsste, kann er die Einrede des § 320 BGB nicht gegen den Zahlungsanspruch des K geltend machen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 84 Wie wird das Gericht entscheiden? Der Tenor des Urteils lautet dann: 1. B wird verurteilt, an K € 25.000,00 zu zahlen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt B. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die beiden letztgenannten Entscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 709 ZPO. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 85 Rechtsmittel des B Hier kann B Berufung einlegen, da der Beschwerdegegenstand € 600,- übersteigt (§ 511 ZPO). Zuständig ist das nächsthöhere Gericht, also Hanseatische Oberlandesgericht (OLG Hamburg). Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft hier das 86 Was kann K in der Zwischenzeit tun? • • Erstinstanzliche Urteile können gem. § 709 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt werden Voraussetzung: Sicherheitsleistung durch den K (Grund: die Sicherheitsleistung dient dem Schutz des B vor einer unberechtigten Vollstreckung, die sich eventuell – was sich im Berufungsverfahren sodann zeigen wird – daraus ergeben kann, dass das erstinstanzliche Urteil erfolgreich angefochten wird). Wenn K keine Sicherheit leisten will: Möglichkeit der Sicherungsvollstreckung gem. § 720a ZPO Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 87 Was kann K in der Zwischenzeit tun? Sachverhaltserweiterung: Während des laufenden Verfahrens in der ersten Instanz transferiert B seine wesentlichen Vermögenswerte ins Ausland. Wie kann K sich hiergegen vorbeugend schützen? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 88 Was kann K in der Zwischenzeit tun? • • • • Vollstreckung scheitert, da kein Vermögen des B mehr vorhanden ist => Deswegen: einstweiliger Rechtschutz Antrag des K auf Arrest gem. §§ 916 ff. ZPO Voraussetzung: K muss glaubhaft machen, dass… ihm eine Geldforderung gegen B zusteht und deren spätere Realisierung durch das Verhalten des B gefährdet wird. Folge: einstweilige Pfändung der Vermögensgegenstände des B Praxishinweis: Zur Glaubhaftmachung reicht eine eidesstattliche Versicherung von K selbst aus (§ 294 ZPO) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 89 Zwangsvollstreckung durch den K Sachverhaltserweiterung: Die Berufung des B gegen das Urteil des Landgerichtes wird zurückgewiesen. Ein Revisionsverfahren führt B nicht durch. K will deshalb die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil betreiben. In der Wohnung des B hängt ein Bild, das sich dieser angabegemäß bei seinem Freund F geliehen hat. Wie hat sich der von K beauftragte Gerichtsvollzieher zu verhalten? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 90 Zwangsvollstreckung durch den K • Voraussetzung für ZV gem. § 704 ZPO: Endurteile, die… …rechtskräftig oder …für vorläufig vollstreckbar erklärt sind. Hier: Urteil wurde mir Ablauf der Revisionsfrist rechtskräftig. Damit kann K ohne Sicherheitsleistung in das gesamte Vermögen des B vollstrecken Es bestehen diverse ZV-Möglichkeiten…hierzu im Einzelnen … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 91 Zwangsvollstreckung durch den K Vollstreckung in bewegliche Sachen, §§ 803 ff. ZPO: • • Vollstreckung erfolgt durch Pfändung, § 803 Abs.1 ZPO Befindet sich die Sache im Gewahrsam des Schuldners, kann der Gerichtsvollzieher diese in Besitz nehmen, § 808 ZPO Unerheblich ist damit zunächst, ob die Sache auch im Eigentum des Schuldners steht. Damit ist die Behauptung, das Bild gehöre dem F, zunächst irrelevant. Aber: F kann Drittwiderspruchsklage erheben (§ 771 ZPO) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 92 Zwangsvollstreckung durch den K Sachverhaltserweiterung: B ist Eigentümer eines Grundstückes im Wert von € 100.000,00, welches allerdings mit einer Grundschuld in Höhe von € 90.000,00 belastet ist. Kommt eine Zwangsvollstreckung in das Grundstück in Betracht? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 93 Zwangsvollstreckung durch den K Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen: Grundlage: §§ 864 ff. ZPO i.V.m. ZVG • • Zwangsversteigerung richtet sich nach §§ 866, 869 ZPO i.V.m. §§ 15 ff. ZVG Folge: Eigentumserwerb des Meistbietenden durch Zuschlag, §§ 81, 90 ZVG Aber: Erwerber hat vorrangige Belastung (Grundschuld) i.H.v. € 90.000,- zu übernehmen Damit lohnt sich Versteigerung nur, wenn Erwerber bereit ist, einen höheren Betrag zu zahlen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 94 Zwangsvollstreckung durch den K Sachverhaltserweiterung: B ist bei der X-GmbH als Sachbearbeiter angestellt. Inwiefern bestehen möglichkeiten des K? hier Zwangsvollstreckungs- Woher kann K Informationen über den Vermögensstand seines Schuldners B erhalten? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 95 Zwangsvollstreckung durch den K Vollstreckung in Forderungen, §§ 828 ff. ZPO: • • Forderungspfändung gem. §§ 829, 835 ZPO durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss Erfolgt durch das Vollstreckungsgericht (§ 828 ZPO) Folge: Arbeitgeber darf nicht mehr an B erfüllen (= zahlen), vielmehr kann K die Arbeitsentgeltforderung bei X einziehen. Grenze: Pfändungsfreigrenzen gem. §§ 850 ff. ZPO Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 96 Zwangsvollstreckung durch den K Vermögensverzeichnis, § 807 ZPO: Ist Zwangsvollstreckung erfolglos geblieben, hat Schuldner auf Antrag des Gläubigers ein Vermögensverzeichnis zu erstellen und dessen Richtigkeit an Eides statt zu versichern. Die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung ist strafbar (§ 156 StGB) Damit könnte K hier Informationen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erhalten. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft für weitere 97 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ 1. Einheit Arbeitsrecht (Individualarbeitsrecht) Fall 58: Wirksamkeit des Arbeitsvertrages Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 1) Das „Individualarbeitsrecht“ (abzugrenzen vom „kollektiven Arbeitsrecht“) befasst sich u.a. mit: Regeln über das einzelne Arbeitsverhältnis Begründung des Arbeitsverhältnisses Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnisses Beendigung des Arbeitsverhältnisses Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 99 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 1) Das Arbeitsverhältnis wird geregelt durch einen „Arbeitsvertrag“, also ein privatrechtlicher Vertrag (es gelten die Regeln der §§ 145 ff. BGB) über die Leistung unselbständiger, weisungsgebundener Tätigkeit eines Arbeitnehmers für einen Arbeitgeber Im Grundsatz gilt „Vertragsfreiheit“, aber es bestehen diverse vorrangige Regelungen aufgrund zwingender Gesetze, Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen in nachfolgender Reihenfolge: 1. Zwingende Gesetze (vor allem Dienstvertragsrecht, §§ 611 ff. BGB) 2. Zwingende Bestimmungen im Tarifvertrag 3. Zwingende Bestimmungen in Betriebsvereinbarung 4. Regelung des Einzelarbeitsvertrages 5. Abdingbare Bestimmungen in Betriebsvereinbarung 6. Abdingbare Bestimmungen im Tarifvertrag 7. Abdingbare Gesetzesbestimmungen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 100 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 1) Fall 58 („Wirksamkeit des Arbeitsvertrages“) *Hinweis: Fall gekürzt, ohne Mitarbeiter „C“ Arbeitgeber M beabsichtigt, 2 neue Mitarbeiter in seinem Betrieb mit insgesamt 30 Mitarbeitern einzustellen. Auf seine Stellenanzeige in der Lokalpresse meldet sich eine Vielzahl von Bewerbern. M führt ein Assessment-Center und verschiedene Vorstellungsgespräche durch. Am Ende entscheidet er sich für die Kandidaten A und B. … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 101 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 1) (1. Teil: Mitarbeiter A) A hinterließ im Vorstellungsgespräch einen derart guten Eindruck, dass M und A den Abschluss des Arbeitsvertrages sofort per Handschlag besiegelten. Sie einigten sich dabei entsprechend der üblichen Praxis im Betrieb des M darauf, dass das Arbeitsverhältnis zunächst auf ein Jahr befristet sein solle. 1. Ist dadurch ein Arbeitsverhältnis wirksam begründet worden? 2. Wie lange wäre die Laufzeit des Arbeitsverhältnisses, wenn A und M einige Tage nach dem Arbeitsantritt des A einen schriftlichen Arbeitsvertrag unterzeichnen, in dem die verabredeten Regelungen enthalten sind? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 102 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 1) Frage 1 („Wirksamkeit des Arbeitsvertrages“): I. Arbeitsvertrag entstanden? (+), Angebot + Annahme iSd der §§ 145 ff. BGB liegen vor. II. Arbeitsvertrag nichtig wegen fehlender Schriftform? (-), Arbeitsverträge können auch mündlich geschlossen (es gilt insoweit kein Formerfordernis iSd § 125 Satz 1 BGB. o Beachte: Die in § 2 Nachweisgesetz statuierte Verpflichtung des Arbeitgebers zur schriftlichen Niederlegung der wesentlichen Vertragsbedingungen ist nur eine deklaratorische Beurkundungspflicht, ändert aber an der Wirksamkeit mündlich geschlossener Arbeitsverträge nichts. Ergebnis: Arbeitsvertrag ist wirksam. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 103 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 1) Frage 2 („Befristung“): Mündlich vereinbarte Befristung des Arbeitsvertrages ist unwirksam, denn § 14 IV TzBfG sieht insofern ein Schriftformerfordernis vor (lässt aber die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages als solchen vollkommen unberührt!). Folge: Das Arbeitsverhältnis gilt gem. § 16 TzBfG als „auf unbestimmte Zeit“ geschlossen (Grund: Arbeitnehmerschutz). Die spätere Unterzeichnung eines schriftlichen Arbeitsvertrages stellt nach Auffassung des BAG (Urteil vom 01.12.2004 – 7 AZR 198/04) lediglich die schriftliche Niederlegung im Sinne des § 2 NachwG dar, begründet aber nicht den Abschluss eines neuen – jetzt wirksam befristeten – Arbeitsvertrages. Ergebnis: Befristung unwirksam; zwischen M und A liegt ein unbefristeter Arbeitsvertrag vor Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 104 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 1) Fall 58 - (2. Teil: Mitarbeiter B): Mit B schließt der M sofort einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Darin ist für den Fall des Verstoßes des B gegen seine Verschwiegenheitspflicht und für den Fall des Nichtantritts der Arbeit durch B eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatslohns vorgesehen. Diese Klausel verwendet M in seinen Vertragsformularen häufiger. Ist die Regelung wirksam? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 105 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 1) Problem: Vereinbarkeit der Vertragsstrafen-Klausel mit §§ 305ff. BGB? Voraussetzungen: Es handelt sich um wirksam einbezogene Allgemeinen Geschäftsbedingungen (= vorformulierte, für eine Vielzahl von Verträgen verwendete Vertragsbedingungen, auf die hingewiesen wurde). Allein problematisch ist, ob die Klausel im Rahmen der Prüfung der Inhaltskontrolle unwirksam ist nach § 309 Ziff. 6 BGB („Unwirksamkeit von Vertragsstrafen“). Nach § 310 IV BGB sind die „geltenden Besonderheiten“ des Arbeitsrechtes „angemessen zu berücksichtigen“. Nach uneinheitlicher Rechtsprechung der Arbeitsgerichte können Vertragsstrafen-Klauseln – etwa für den unterlassenen Dienstantritt – in Arbeitsverträgen auch formularmäßig wirksam vereinbart werden. Ergebnis: Die Vertragsstrafen-Klausel im Vertrag mit B ist wirksam. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 106 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ 2. Einheit Arbeitsrecht (Individualarbeitsrecht) Fall 66: Wirksamkeit von Kündigungen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) Übersicht : Beendigung von Arbeitsverhältnissen (AV) Das AV kann beendet werden durch: Kündigung (= Beendigung durch einseitige Erklärung einer Vertragspartei) o Ordentliche Kündigung o Außerordentliche Kündigung Zeitablauf (= Eintritt der vereinbarten Befristung oder Erreichen der Altersgrenze) Aufhebungsvertrag (= Einvernehmliche Beendigung des AV) Tod Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 108 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) I. Ordentliche Kündigung: fristgebunden! = Abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit des AN, sind entsprechende Kündigungsfristen des § 622 BGB einzuhalten! - In der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist grds. 2 Wochen. - Achte: evtl. ist das Kündigungsschutzgesetz zu beachten (s.u.)! II. Außerordentliche Kündigung: fristlos! = fristlose Beendigung des AV - Voraussetzung: - „wichtiger Grund“ iSd § 626 I BGB (z.B. schwere Pflichtverletzung, die die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar macht) - Ausschlussfrist, § 626 II BGB (Kündigung unwirksam, wenn nicht binnen 2 Wochen nach Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund erklärt) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 109 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) Achte: 1) Kündigungen haben schriftlich zu erfolgen (§623 BGB)! 2) Besteht ein Betriebsrat, ist zur Wirksamkeit der Kündigung zuvor der Betriebsrat anzuhören (§102 BetrVG)! 3) Da die außerordentliche Kündigung das letzte Mittel („Ultima Ratio“) darstellt, sind zuvor mildere Mittel in Betracht zu ziehen wie z.B.: - grds. „Abmahnung“ vor fristloser bzw. verhaltensbedingter Kündigung - Vorrang von Überstundenabbau bzw. Vorrang von Kurzarbeit vor betriebsbedingter Kündigung - Vorrang der „Änderungskündigung“ (= Kündigung für den Fall, dass Angebot für geänderten AV nicht angenommen wird). Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 110 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) Kündigungsschutz des AN: 1) Der AN kann binnen einer 3-Wochen-Frist ab Zugang der Kündigung vor dem Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung mittels Kündigungsschutzklage geltend machen (§ 4 KSchG). Tut er dies nicht fristgemäß, ist die Kündigung – ob fehlerhaft oder nicht – wirksam! 2) Der AN kann gegen die Kündigung z.B. einwenden: - bei außerordentlichen K.: Nichtbestehen eines wichtigen Grundes, Ablauf der 2 Wochen-Frist des § 626 II BGB… bei ordentlichen K.: Nichteinhaltung der Kündigungsfrist, Fehlerhaftigkeit und/oder Treuwidrigkeit der Kündigung, Nichteinhaltung der Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG)… Zum KSCHG nachfolgend im Einzelnen…………….. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 111 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Das KSchG ist erst anwendbar, wenn: 1. Betriebsgröße: Nur Betriebe > 10 AN, § 23 I 2 KSchG (beachte: vor 01.01.2004: Betriebe > 5 AN) – sog. „Kleinstbetriebsprivileg“ 2. Beschäftigungsdauer: Nur für AN, die länger als 6 Monate beschäftigt sind ( § 1 I KSchG). Beachte: Sind o. g. Voraussetzungen nicht erfüllt, kann der AV grds. ohne besondere Rechtfertigung ordentlich kündigen, falls keine Willkür (§ 242 BGB) vorliegt oder kein Sonderkündigungsschutz (Ausschluss der Kündigung!) eingreift wie z.B.: Mutterschutz, vgl. § 9 I 1 MuSchG / Elternzeit, vgl. § 18 BErzGG / Betriebsratsmitgliedern, vgl. § 15 I KSchG (bei außerordentl. K. nur bei Zustimmung des BR oder deren Ersetzung durch ArbG, vgl. § 103 BetrVG) / Schwerbehinderten: K. nur nach Zustimmung des Integrationsamtes, § 85 SGB IX. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 112 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) Die ordentliche Kündigung des AV ist nach dem KSCHG nur bei Vorliegen eines der nachfolgenden Gründe (soziale Rechtfertigung, § 1 KSchG) wirksam: 1. Personenbedingt: Fehlende persönliche, fachliche, gesundheitliche Qualifikation, Wegfall der Arbeitserlaubnis, Haftstrafe, Verlust der Fahrerlaubnis bei Kraftfahrern, bei Krankheit: lang andauernd, häufige Kurzerkrankung, dauerhafte Leistungsunfähigkeit 2. Verhaltensbedingt: Verletzung vertraglicher Pflichten, Schlechtleistung, Verstöße gegen betriebliche Ordnung, wiederholte Unpünktlichkeit / Sonderfälle: Verdachts- und Druckkündigung Achte: grds. vorherige Abmahnung notwendig! 3. Betriebsbedingt: Wegfall d. Arbeitsplatzes wg. außerbetrieblicher Einflüsse oder (nicht willkürlicher) unternehmerischer Entscheidung; keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit (§ 1 II 2 und 3 KSchG). Achte: AG muss prüfen, ob nicht andere AN mit vergleichbarem Arbeitsplatz vorrangig gekündigt werden können (sog. wirksame Sozialauswahl, § 1 III KSchG). Kriterien: Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten, etc. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 113 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) Fall 66 („Wirksamkeit von Kündigungen“): Arbeitgeber A betreibt eine im Anlagenbau angesiedelte Fabrik. Bei ihm sind insgesamt 100 Arbeitnehmer beschäftigt. A ist durch einige besonders renitente Mitarbeiter angeschlagen. … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 114 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) So ist Mitarbeiter B erst seit drei Monaten bei A beschäftigt, hat sich aus Sicht seines Arbeitgebers aber als völlig unqualifiziert erwiesen. Am 04.12.2006 kündigt A das Arbeitsverhältnis zum 18.12.2006. … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 115 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) Mitarbeiter C ist zuständiger Abteilungsleiter und darf als Prokurist auch über die Einstellung von neuem Personal entscheiden. Durch jahrelangen Streit mit seiner Ehefrau verhärmt, hat es sich C mit allen Mitarbeitern seiner Abteilung verscherzt. Auch der Einsatz professioneller Mediatoren und Personaltrainer, gemeinsame Betriebsausflüge, u. a. im Hochseilgarten, und die Durchführung von zahlreichen Konfliktlösungskursen sowie der Einsatz eines Firmenmasseurs haben an dem zerrütteten Verhältnis von C zu seinen Untergebenen nichts geändert. Die fünf Monteure des A fordern diesen daher auf, den C zu entlassen, anderenfalls würden sie selbst kündigen und sich eine anderweitige Beschäftigung suchen. Da C bei der örtlichen Polizei auch noch Strafanzeige gegen A erstattet hat, weil er den Verdacht eines Verstoßes der hergestellten Produkte gegen das Gerätesicherheitsgesetz sieht, erklärt A die fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit C zum nächstmöglichen Zeitpunkt. … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 116 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) Mitarbeiter D ist für die Auslieferung von Maschinen als Kraftfahrer beschäftigt. Wegen einer privaten Trunkenheitsfahrt wird ihm die Fahrerlaubnis für 12 Monate entzogen. Als A dies erfährt, erklärt er die ordentliche Kündigung des mit D bestehenden Arbeitsvertrages. … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 117 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) Mitarbeiter E war im Jahr 2006 siebenmal für zwei Tage krankgeschrieben. Dabei hat er entgegen der Regelung im Arbeitsvertrag einmal die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung vergessen. Deswegen ist er von A abgemahnt worden. Derzeit ist er wegen einer Infektion vier Wochen krankgeschrieben. Ferner ist er in der letzten Zeit an einigen Tagen zu spät zur Arbeit erschienen. Als A erfährt, dass E im vergangenen Monat nachweisbar zwei Stunden zu privaten Zwecken am Firmen-PC im Internet gesurft hat, erklärt er auch bzgl. dieses AV die ordentliche Kündigung. … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 118 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) Der 27-jährige Mitarbeiter F, Vater einer unehelichen Tochter, ist seit zwei Jahren im Vertrieb der Firma beschäftigt. Vier seiner sieben Kollegen aus der Vertriebsabteilung sind deutlich älter und auch bereits länger bei A beschäftigt. Der fünfte Kollege ist ebenfalls seit zwei Jahren angestellt und etwas jünger als F, aber verheiratet und Vater von drei Kindern. Der deutlich jüngere sechste Vertriebskollege des F, der W, ist Betriebsratsmitglied. Das siebte Abteilungsmitglied, der X, ist erst 23 Jahre alt, ledig und kinderlos. Trotz seiner erst zweijährigen Beschäftigung bei A weist er aber die mit Abstand besten Vertriebszahlen auf. Ihm gelang es aufgrund exzellenter Familienkontakte, zahlreiche neue Kunden für A zu gewinnen. Als der Absatz der Fabrik rückläufig wird, entscheidet sich A zu einer Neuordnung der Vertriebsabteilung. In diesem Zusammenhang werden Vertriebsgebiete neu zugeschnitten. Außerdem betraut A mit einigen Maßnahmen externe Handelsvertretungen. Aufgrund dieser Umstrukturierung besteht ein Arbeitsbedarf nur noch für sechs Arbeitnehmer. Daher erklärt A die Kündigung des mit F bestehenden AV. … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 119 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) Fallfrage: Haben die gegen die Kündigungen des A fristgerecht eingereichten Klagen der Mitarbeiter B, C, D, E und F vor dem zuständigen Arbeitsgericht Aussicht auf Erfolg? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 120 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) FALLLÖSUNG: Die einzelnen Kündigungsschutzklagen (B – F) haben Aussicht auf Erfolg, wenn die ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sind. Von der Einhaltung der allgemeinen Kündigungsvoraussetzungen (Schriftform, Anhörung des Betriebsrats, etc.) ist auszugehen. Es handelt sich um ordentliche Kündigungen. Diese sind nur dann unwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 II KSchG sind. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 121 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) 1. Mitarbeiter B: - seit drei Monaten bei A beschäftigt - völlig unqualifiziert Am 04.12.2006 kündigt A das Arbeitsverhältnis zum 18.12.2006. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 122 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) 1. Kündigung des B § 1 II KSchG ist nur dann einschlägig, wenn das KSchG überhaupt auf das jeweilige AV Anwendung findet. Voraussetzungen: 1) Betrieb mit regelmäßig mind. 10 vollzeitbeschäftigten AN (Kleinbetriebsprivileg, § 23 I 2 KSchG) = hier: (+) (100 AN). 2) Betroffene AN müsste mind. 6 Monate dort beschäftigt gewesen sein (vgl. § 1 I KSchG) = hier: (-) (nur 3 Monate Beschäftigungszeit), daher kein Kündigungsschutz nach KSchG. Andere Unwirksamkeitsgründe? Willkürliche Kündigung des A, § 242 BGB? = hier: nicht gegeben. Falllösung: Die Kündigung des B Kündigungsschutzklage wird abgewiesen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft ist wirksam. 123 Die Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) 2. Mitarbeiter C: - zuständiger Abteilungsleiter und Prokurist - zerüttetes Verhältnis zu allen Mitarbeitern seiner Abteilung - Einsatz professioneller Mediatoren und Personaltrainer, gemeinsame Betriebsausflüge, Durchführung von zahlreichen Konfliktlösungskursen, Einsatz eines Firmenmasseurs = alle Maßnahmen waren erfolglos - 5 Monteure des A fordern diesen auf, den C zu entlassen und drohen anderenfalls Eigenkündigung an - Außerdem: C hat bei der Polizei Strafanzeige gegen A erstattet wegen seines Verdachts eines Verstoßes der hergestellten Produkte gegen das Gerätesicherheitsgesetz sieht A kündigt fristgerecht das Arbeitsverhältnis mit C zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 124 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) 2. Kündigung des C Das KSchG ist auf das AV des C anwendbar. Fraglich ist allein, ob die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt war. Dann müssten personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe bestehen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 125 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) a) Verhaltensbedingte Kündigung durch Strafanzeige des C gegen seinen AG = Verstoß gegen seine Treuverpflichtung? = hier: (-), da Strafanzeigen das Recht jedes Staatsbürgers sind; dieses darf durch das AV nicht unangemessen eingeschränkt werden Anders nur, wenn die Strafanzeige auf unzutreffenden Tatsachen gestützt wird. = hier: (-). Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 126 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) b) Verhaltensbedingte Kündigung wegen Androhung der eigenen Kündigung durch andere Mitarbeiter im Falle der Nichtkündigung des C, wozu die anderen Mitarbeiter ausdrücklich aufgefordert haben? Nach der Rechtsprechung des BAG ist der AG auch ohne Pflichtverletzung eines AN unter engen Voraussetzungen zur Kündigung berechtigt, wenn er von anderen Mitarbeitern zur Kündigung unter Androhung deren eigenen Kündigung aufgefordert wird (sog. „Druckkündigung“)… … Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 127 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) … Voraussetzungen: - AG muss sich zuvor „schützend vor den AN gestellt“ haben. hier: (+), div. Konfliktlösungsmaßnahmen bereits erfolgt - dem AG muss eine „unzumutbare Schädigung“ im Falle der angedrohten Kündigung der übrigen Mitarbeiter drohen. hier: (+/-), einzellfallabhängig. Wenn (+), wäre Kündigungsschutzklage grds. abzuweisen. Aber: Ausnahme bei Kündigung von Leitenden Angestellten (§ 14 II KSchG)! Bei Leitenden Angestellten kann der AG auch ohne Begründung den Antrag stellen, dass das ArbeitsG – trotz Unwirksamkeit der Kündigung – das AV gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung auflöst (vgl. hierzu §§ 9 I, 10 I KSchG). Falllösung: Die Kündigung des C Kündigungsschutzklage wird abgewiesen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft ist wirksam. Die 128 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) 3. Mitarbeiter D: - ist für die Auslieferung von Maschinen als Kraftfahrer beschäftigt - wegen einer privaten Trunkenheitsfahrt wird ihm die Fahrerlaubnis für 12 Monate entzogen. Als A dies erfährt, erklärt er die ordentliche Kündigung des mit D bestehenden Arbeitsvertrages. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 129 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) 3. Kündigung des D Die Kündigung des D müsste als personenbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Diese kommt in Betracht, wenn dem AN die persönliche, fachliche oder gesundheitliche Qualifikation für die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung fehlt. Bei einem Kraftfahrer ist dies der Fall, wenn die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderliche Fahrerlaubnis entzogen worden ist. Dies gilt unabhängig von einem Verschulden des AN. Hier: Dem D, der als Kraftfahrer eingestellt wurde, ist wegen einer privaten Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis für 12 Monate entzogen worden. Falllösung: Die Kündigung ist wirksam. Die Kündigungsschutzklage des D ist daher abzuweisen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 130 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) 4. Mitarbeiter E: - war im Jahr 2006 siebenmal für zwei Tage krankgeschrieben - 1 x vergaß er - entgegen der Regelung im Arbeitsvertrag - die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung. Deswegen ist er von A abgemahnt worden. - Derzeit ist er wegen einer Infektion vier Wochen krankgeschrieben. - Ferner ist er in der letzten Zeit an einigen Tagen zu spät zur Arbeit erschienen. - im vergangenen Monat hat E nachweisbar zwei Stunden zu privaten Zwecken am Firmen-PC im Internet gesurftA erklärt die ordentliche Kündigung. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 131 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) 4. Kündigung des E Arbeitgeber A beruft sich bzgl. der Kündigung des E auf eine Vielzahl von verhaltensbedingten Gründen: - krankheitsbedingter Arbeitsausfall - Unterlassen einer ordnungsgemäßen Krankmeldung unter Übermittlung einer ärztlichen Bescheinigung - wiederholte Unpünktlichkeit - private Nutzung des Firmen-PC´s Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 132 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) - krankheitsbedingter Arbeitsausfall: = hier: keine Pflichtverletzung des AN (vgl. EntgeltfortzahlungsG = Lohnfortzahlung im Krankheitsfall). Anders nur, wenn tatsächlich keine Krankheit bestünde („Blau machen“). Aber: u. U. kann auch eine unverschuldete Krankheit eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn diese Erkrankung entweder a) außerordentlich lange andauert, b) es in der Vergangenheit gehäufte Kurzerkrankungen gegeben hat oder c) durch die Krankheit die Leistungsfähigkeit des AN dauerhaft eingeschränkt ist. = hier: keine dieser Fallgruppen ist gegeben. Eine 7malige Kurzerkrankung und ein 4wöchiger krankheitsbedingter Arbeitsausfall reichen hierfür nicht aus. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 133 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) - Unterlassen einer ordnungsgemäßen Krankmeldung unter Übermittlung einer ärztlichen Bescheinigung: = hier: zwar liegt Pflichtverletzung des AN vor, die zudem auch vom AG entsprechend vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt worden ist (Abmahnung ist erforderlich bei außerhalb von schwerstwiegenden Pflichtverletzungen wegen des sog. „Ultima Ratio-Prinzips“). aber: Nach der Abmahnung des AG ist es nicht mehr zu einer Wiederholung des Pflichtenverstoßes gekommen. Ohne wiederholten Pflichtverstoß des E ist die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 134 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) - wiederholte Unpünktlichkeit: hier: Pflichtverstoß des E ist gegeben, jedoch ist diese nicht so gravierend, dass sie eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt. Zwar ist eine Abmahnung der E bereits erfolgt. Diese bezog sich aber auf einen ganz anderen Pflichtenverstoß, was nach ständiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichte nicht ausreicht. Eine soziale Rechtfertigung für die Kündigung der E besteht daher nicht. Der Kündigungsschutzklage ist daher stattzugeben. - privaten Nutzung des Firmen-PC´s : Siehe obige Begründung Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 135 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) 5. Mitarbeiter F: - 27 Jahre alt, Vater einer unehelichen Tochter, seit zwei Jahren im Vertrieb der Firma beschäftigt - Vier seiner sieben Kollegen aus der Vertriebsabteilung sind deutlich älter und auch bereits länger bei A beschäftigt. - Der fünfte Kollege ist ebenfalls seit zwei Jahren angestellt und etwas jünger als F, aber verheiratet und Vater von drei Kindern. - Der deutlich jüngere sechste Vertriebskollege des F, der W, ist Betriebsratsmitglied. - Das siebte Abteilungsmitglied, der X, ist erst 23 Jahre alt, ledig und kinderlos. Trotz seiner erst zweijährigen Beschäftigung bei A weist er aber die mit Abstand besten Vertriebszahlen auf. Ihm gelang es aufgrund exzellenter Familienkontakte, zahlreiche neue Kunden für A zu gewinnen. - Absatz der Fabrik rückläufig, A entscheidet sich zu einer Neuordnung der Vertriebsabteilung. Aufgrund dieser Umstrukturierung besteht ein Arbeitsbedarf nur noch für sechs Arbeitnehmer. Daher erklärt A die Kündigung des mit F bestehenden AV. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 136 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) 5. Kündigung des F Die Kündigung des mit F bestehenden Arbeitsvertrages könnte nur als betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dies setzt voraus, dass dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des AN in diesem Betrieb entgegenstehen (z.B. Wegfall des Arbeitsplatzes des AN, so dass kein Arbeitsbedarf mehr für eine Beschäftigung des AN besteht) Unerheblich ist dabei, ob die Reduzierung des Arbeitsanfalls auf außerbetrieblichen Einflüssen (z. B. Absatzeinbrüche) basiert oder durch eine unternehmerische Entscheidung des AG (z.B. Umstrukturierung des Betriebes, Rationalisierungsmaßnahmen oder Outsourcing) verursacht worden ist. Eine solche unternehmerische Entscheidung, unterliegt nicht der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Das Gericht hat daher die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme nicht zu beurteilen (Grenze: offensichtliche Willkür des AG). Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 137 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) hier: Aufgrund der hier vorgenommenen Umstrukturierungen des Vertriebes als Reaktion auf die Absatzeinbußen ist daher der Arbeitsbedarf bei A um einen Arbeitsplatz geschrumpft. ABER: Trotz dieses Arbeitsplatzwegfalls wäre die Kündigung dennoch sozial ungerechtfertigt, wenn A eine wirksame Sozialauswahl gemäß § 1 III KSchG unterlassen hätte. Danach muss der A unter den für die Kündigung in Betracht kommenden Mitarbeiter den „richtigen“ Arbeitnehmer auswählen. In die Sozialauswahl werden alle vergleichbaren Arbeitsplatzinhaber (hier also alle Vertriebsmitarbeiter gleicher Hierarchie) einbezogen. Kriterien der Sozialauswahl sind neben einer Schwerbehinderung das Alter, die Beschäftigungsdauer und bestehende Unterhaltspflichten der Arbeitnehmer. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 138 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ (Einheit ArbeitsR 2) Vier der sieben in die Sozialauswahl einzubeziehenden Kollegen sind älter bzw. länger bei A beschäftigt als der F. Ein fünfter Kollege schneidet bei Alter und Betriebszugehörigkeit zwar vergleichbar ab, unterliegt aber gegenüber vier Personen einer Unterhaltsverpflichtung. = Diese 5 Arbeitnehmer kommen bei sachgerechter Sozialauswahl daher für die Kündigung nicht in Betracht. Demgegenüber schneiden die Mitarbeiter W (sechster Kollege) und X (siebter Kollege) bei den Kriterien der Sozialauswahl schlechter als F ab, aber: - W ist als Betriebsratsmitglied wegen § 15 I KSchG ordentlich nicht kündbar. - X ist als Leistungsträger aus der Sozialauswahl auszunehmen (§ 1 III 2 KSchG). Falllösung: Mithin ist die betriebsbedingte Kündigung des F sozial gerechtfertigt. Seine Kündigungsschutzklage ist abzuweisen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 139 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ Vorbemerkungen: Inhaltliche Fragen zu diesem Crashkurs: Rechtsanwalt und Dozent NGUYEN, NGOC-DANH eMail an: [email protected] Folien (zur Vorlesung): http://www.marx.de/ (dort unter: „materialien/universität“) Folien (zur Übung): http://www.econ.uni-hamburg.de/IRdW/zivil/ http://www.wiso.uni-hamburg.de/irdw Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 140 Crashkurs „Wirtschaftsprivatrecht“ TEIL 2: Einheit 7 – 12 + Arbeitsrecht Sommer-Semester 2009 (22.05.2009) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft