Wiederholungs- und Vertiefungsfrage

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Rechtsquellen, Rechtsakte
Vertiefungshinweise
Arndt/ Fischer/ Fetzer, Europarecht, Vierter
Teil, Rn. 153-208.
Herdegen, Europarecht, § 8, Rn. 1-58.
Hobe, Europarecht,§ 10, Rn. 1-44.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Rechtsquellen
Primäres Recht
– Gründungsverträge samt
Anhängen und Protokollen
– Allgemeine Rechtsgrundsätze
– Unionsgewohnheitsrecht
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Verträge
Verträge a.F.: EUV, EGV, EAGV
Verträge n.F.: EUV, AEUV, EAGV
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Art. 51 EUV
Die Protokolle und Anhänge der
Verträge sind Bestandteil der
Verträge.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Art. 6 EUV
Art. 6 EUV n.F. (LissabonV)
Die Union beruht auf den Grundsätzen der
Freiheit, der Demokratie, der Achtung der
Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie
der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze
sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam.
Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in
der am 4. November 1950 in Rom
unterzeichneten Europäischen Konvention
zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie
sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als
allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.
Die Union achtet die nationale Identität ihrer
Mitgliedstaaten.
Die Union stattet sich mit den Mitteln aus, die
zum Erreichen ihrer Ziele und zur Durchführung ihrer Politiken erforderlich sind.
Die Union erkennt die Rechte, Freiheiten und
Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte der
Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 in der am
12. Dezember 2007 in Straßburg angepassten
Fassung niedergelegt sind; die Charta der Grundrechte
und die Verträge sind rechtlich gleichrangig.
Durch die Bestimmungen der Charta werden die in den
Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in
keiner Weise erweitert.
Die in der Charta niedergelegten Rechte, Freiheiten
und Grundsätze werden gemäß den allgemeinen
Bestimmungen des Titels VII der Charta, der ihre
Auslegung und Anwendung regelt, und unter
gebührender Berücksichtigung der in der Charta
angeführten Erläuterungen, in denen die Quellen
dieser Bestimmungen angegeben sind, ausgelegt.
Die Union tritt der Europäischen Konvention zum
Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei.
Dieser Beitritt ändert nicht die in den Verträgen
festgelegten Zuständigkeiten der Union.
Die Grundrechte, wie sie in der Europäischen
Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus
den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der
Mitgliedstaaten ergeben, sind als allgemeine
Grundsätze Teil des Unionsrechts.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Artikel 203 EGV
Der Rat besteht aus je
einem Vertreter jedes
Mitgliedstaats auf Ministerebene, der befugt ist,
für die Regierung des
Mitgliedstaats verbindlich zu handeln.
...
Art. 16 Abs. 2 EUV
n.F. (LissabonV)
...
(2) Der Rat besteht aus
je einem Vertreter jedes
Mitgliedstaats auf Ministerebene, der befugt ist,
für die Regierung des
von ihm vertretenen Mitgliedstaats
verbindlich
zu handeln und das
Stimmrecht auszuüben.
...
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Wiederholungs- und Vertiefungsfrage:
Auch
das
Primärrecht
unterliegt
Änderungen. Inwiefern unterliegen die
Rechtsquellen des Primärrechts unterschiedlichen Änderungsverfahren?
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Wiederholungs- und Vertiefungsfrage:
Welche Rechtsquellen des Sekundärrechts kennen Sie bereits und wo sind
diese geregelt?
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Rechtsquellen
Sekundäres Recht
– Verordnungen
– Richtlinien
– Beschlüsse
– Empfehlungen und
Stellungnahmen
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Rechtsquellen
Verordnung
ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt
unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Richtlinie
verbindlich nur für die Mitgliedstaaten und
hinsichtlich des zu erreichenden Zieles.
Beschlüsse
für diejenigen verbindlich, an die sie gerichtet
sind.
Stellungnahmen/ Empfehlungen
sind nicht verbindlich.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Art. 288 AEUV
Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union nehmen
die Organe Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse,
Empfehlungen und Stellungnahmen an.
Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen
ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem
Mitgliedstaat.
Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet
wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich,
überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der
Form und der Mittel.
Beschlüsse sind in allen ihren Teilen verbindlich. Sind sie
an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nur für diese
verbindlich.
Die Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht
verbindlich.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Verordnung
Art. 288 Abs. 2 EUV
Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in
allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in
jedem Mitgliedstaat.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Richtlinie
Art. 288 Abs. 3 EUV
Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den
sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden
Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Beschlüsse
Art. 288 Abs. 4 EUV
Beschlüsse sind in allen ihren Teilen
verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten
gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Empfehlungen und Stellungnahmen
Art. 288 Abs. 5 EUV
Die Empfehlungen und Stellungnahmen
sind nicht verbindlich.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Richtlinie: Beispiele
Allgemeine Produktsicherheit, 2001/95/EG
Freizügigkeitsrichtlinie, 2004/38/EG
Allgemeine Regelung für die Anerkennung von
Hochschuldiplomen, 89/48/EWG
Arbeitszeitrichtlinie, 2003/88/EG
Feinstaubrichtlinie, 99/30/EG
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, 92/43/EWG
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Wiederholungs- und Vertiefungsfrage:
Inwiefern geht von Richtlinien schon vor
Ablauf
der
Umsetzungsfrist
eine
Vorwirkung aus?
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 18.12.1997, Rs. C-129/96
Inter-Environnement Wallonie (Auszug)
[43] Da diese Frist den Mitgliedstaaten insbesondere die für den Erlass
der Umsetzungsmaßnahmen erforderliche Zeit geben soll, kann ihnen
kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie die Richtlinie nicht vor Ablauf
dieser Frist in ihre Rechtsordnung umsetzen.
[44] Gleichwohl obliegt es den Mitgliedstaaten während der
Umsetzungsfrist, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um
sicherzustellen, dass das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel bei Ablauf
dieser Frist erreicht wird.
[45] Die Mitgliedstaaten sind zwar nicht verpflichtet, diese Maßnahmen
vor Ablauf der Umsetzungsfrist zu erlassen, doch ergibt sich aus {Artikel
4 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Artikel 288 Abs. 3 AEUV} und aus der
Richtlinie selbst, dass sie während dieser Frist den Erlass von
Vorschriften unterlassen müssen, die geeignet sind, das in dieser
Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 14.06.2007, Rs. C-422/05 (Kommission./.Belgien
(Auszug)
[62] In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass nach
ständiger Rechtsprechung die Mitgliedstaaten zwar nicht verpflichtet sind,
die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie vor Ablauf der dafür
vorgesehenen Frist zu erlassen, dass sich jedoch aus {Artikel 4 Abs. 3
EUV in Verbindung mit Artikel 288 Abs. 3 AEUV} und aus der Richtlinie
selbst ergibt, dass sie während dieser Frist den Erlass von Vorschriften
unterlassen müssen, die geeignet sind, die Erreichung des in dieser
Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich in Frage zu stellen (...).
[63] Die Mitgliedstaaten können daher nicht, ohne die Erreichung des in
der Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich in Frage zu stellen,
während der Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie Vorschriften
erlassen, die zwar dasselbe Ziel – die Verringerung der Zahl der an den
schädlichen Folgen von Fluglärm leidenden Personen – verfolgen, aber
die Einführung einheitlicher Betriebsbeschränkungen in der gesamten
Gemeinschaft verhindern.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 14.06.2007, Rs. C-422/05 (Kommission./.Belgien
(Auszug)
[68] Demnach ist die vom Königreich Belgien während der
Frist für die Umsetzung der Richtlinie erlassene Königliche
Verordnung vom 14. April 2002 geeignet, die Erreichung des
in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich in
Frage zu stellen.
[69] Demnach ist die von der Kommission erhobene Klage
begründet.
[70] Daher ist festzustellen, dass das Königreich Belgien
dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie
sowie aus {Artikel 4 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Artikel 288
Abs. 3 AEUV} verstoßen hat, dass es die Königliche
Verordnung vom 14. April 2002 erlassen hat.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Wiederholungs- und Vertiefungsfrage:
Inwiefern
können
Richtlinien
zu
Umweltstandards allein durch Verwaltungsvorschriften umgesetzt werden?
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 30.5.91, Rs. C- 361/88, TA-Luft
Durch die RLen 80/779 und 82/884 hat die EG Grenzwerte
u.a. für den Bleigehalt in der Luft festgelegt. Diese Regeln
sollen Wettbewerbsverzerrungen aus unterschiedlichen
nationalen Standards verhindern sowie die menschliche
Gesundheit und die Umwelt schützen.
Deutschland hat bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist keine
Umsetzungsmaßnahmen ergriffen, sondern meint, die
Umsetzung
erfolge
durch
die
TA-Luft,
eine
Verwaltungsvorschrift.
Die
Kommission
leitet
ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein.
Deutschland verweist darauf, dass es nicht gegen die
Grenzwerte verstoße.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 30.5.91, Rs. C- 361/88, TA-Luft (Auszug)
[15] Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (...) verlangt die Umsetzung einer
Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendigerweise, dass ihre Bestimmungen
förmlich und wörtlich in einer ausdrücklichen besonderen Gesetzesvorschrift
wiedergegeben werden; je nach dem Inhalt der Richtlinie kann ein allgemeiner
rechtlicher Rahmen genügen, wenn er tatsächlich die vollständige Anwendung der
Richtlinie in so klarer und bestimmter Weise gewährleistet, dass - soweit die
Richtlinie Ansprüche des einzelnen begründen soll - die Begünstigten in der Lage
sind, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor
den nationalen Gerichten geltend zu machen.
[16] In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die (...) Verpflichtung der
Mitgliedstaaten, Grenzwerte vorzuschreiben, die während bestimmter Zeiträume und
unter bestimmten Bedingungen nicht überschritten werden dürfen, "insbesondere
zum Schutz der menschlichen Gesundheit" geschaffen worden ist. Dies bedeutet,
dass die Betroffenen in allen Fällen, in denen die Überschreitung der Grenzwerte die
menschliche Gesundheit gefährden könnte, in der Lage sein müssen, sich auf
zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können. Im
Übrigen ist die Festlegung von Grenzwerten in einer Vorschrift, deren Verbindlichkeit
unbestreitbar ist, auch deshalb geboten, damit all jene, deren Tätigkeiten Immissionen zur Folge haben können, genau wissen, welche Verpflichtungen sie haben.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Wiederholungs- und Vertiefungsfrage:
Was versteht man unter richtlinienkonformer Auslegung und wie weit reicht
sie?
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Wiederholungs- und Vertiefungsfrage:
Unter welchen Voraussetzung kann eine
Richtlinie direkt anwendbar sein?
Begründung?
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Direktwirkung von Richtlinien
(1) Die Richtlinie verleiht subjektive Rechte gegenüber den
Mitgliedstaaten.
(2) Die Bestimmungen der Richtlinie müssen die Rechte der
Unionsbürger/ Unternehmen hinreichend klar und präzise
festlegen.
(3) Die Inanspruchnahme des Rechts darf an keine Bedingung
oder Auflage geknüpft sein.
(4) Dem nationalen Gesetzgeber darf bei der inhaltlichen
Gestaltung des Rechts kein Ermessensspielraum
eingeräumt sein.
(5) Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie muss abgelaufen
sein.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Wiederholungs- und Vertiefungsfrage:
Was
versteht
man
unter
einer
“horizontalen
Direktwirkung“
von
Richtlinien und warum wäre eine solche
problematisch?
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 26.2.86, Rs. 152/84, Marshall I
Nach der Betriebsordnung der staatlichen Gesundheitsbehörde
endeten die Arbeitsverhältnisse der Angestellten dieser Behörde
normalerweise mit Erreichen der Altergrenze, die zum Bezug einer
Rente berechtigte. Nach britischem Recht lag diese Altersgrenze
für Männer bei 65 und für Frauen bei 60 Jahren. Frau Marshall
wurde von der Gesundheitsbehörde im Alter von 62 Jahren
entlassen, obwohl sie lieber bis zu ihrem 65 Lebensjahr gearbeitet
hätte, um die persönliche Befriedigung aus der Arbeit und die
finanziellen Vorteile durch das gegenüber der Rente höhere
Arbeitseinkommen nicht zu verlieren. Auf Klage von Frau Marshall
legte das Arbeitsgericht dem EuGH zum einen die Frage vor, ob
die beschriebene Diskriminierung mit der RL 76/2007 vereinbar ist.
Zum anderen fragte das Gericht, ob sich Frau Marshall
gegenüber der Gesundheitsbehörde auf die Bestimmungen einer
Richtlinie berufen kann. Die Gesundheitsbehörde ist der
Auffassung, dass sie als Arbeitgeberin nicht anders gestellt
werden dürfe als ein privater Arbeitgeber.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Artikel 267 AEUV
Der Gerichtshof entscheidet im Wege der Vorabentscheidung
a) über die Auslegung der Verträge,
b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe,
Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union,
Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt
und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines
Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur
Entscheidung vorlegen.
Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem
einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht
mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden
können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet.
Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren, das eine
inhaftierte Person betrifft, bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, so
entscheidet der Gerichtshof innerhalb kürzester Zeit.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 26.2.86, Rs. 152/84, Marshall I (Auszug)
[46] ES IST DARAN ZU ERINNERN , DASS NACH STÄNDIGER RECHTSPRECHUNG DES GERICHTSHOFES (... ). IN ALL DEN FÄLLEN , IN DENEN
BESTIMMUNGEN EINER RICHTLINIE INHALTLICH ALS UNBEDINGT UND
HINREICHEND GENAU ERSCHEINEN, DIE EINZELNEN BERECHTIGT SIND,
SICH GEGENÜBER DEM STAAT AUF DIESE BESTIMMUNGEN ZU BERUFEN,
WENN DER STAAT DIE RICHTLINIE NICHT FRISTGEMÄSS IN NATIONALES
RECHT UMSETZT ODER EINE UNZUTREFFENDE UMSETZUNG DER RICHTLINIE VORNIMMT
[47] DIESE RECHTSPRECHUNG BERUHT AUF DER ERWAEGUNG, DASS ES
MIT DEM VERBINDLICHEN CHARAKTER, DEN ARTIKEL {288} DER
RICHTLINIE ZUERKENNT, UNVEREINBAR WÄRE, GRUNDSÄTZLICH
AUSZUSCHLIESSEN, DASS SICH BETROFFENE PERSONEN AUF DIE IN
DER RICHTLINIE ENTHALTENE VERPFLICHTUNG BERUFEN KÖNNEN. DER
GERICHTSHOF HAT DARAUS GEFOLGERT, DASS EIN MITGLIEDSTAAT, DER
DIE IN DER RICHTLINIE VORGESCHRIEBENEN DURCHFÜHRUNGSMASSNAHMEN NICHT FRISTGEMÄSS ERLASSEN HAT, DEN EINZELNEN
NICHT ENTGEGENHALTEN KANN, DASS ER DIE AUS DER RICHTLINIE
ERWACHSENEN VERPFLICHTUNGEN NICHT ERFÜLLT HAT.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 26.2.86, Rs. 152/84, Marshall I (Auszug)
[48] ZU DEM ARGUMENT, WONACH EINE RICHTLINIE NICHT GEGENÜBER EINEM
EINZELNEN IN ANSPRUCH GENOMMEN WERDEN KÖNNE, IST ZU BEMERKEN , DASS
NACH ARTIKEL {288 AEUV} DER VERBINDLICHE CHARAKTER EINER RICHTLINIE,
AUF DEM DIE MÖGLICHKEIT BERUHT, SICH VOR EINEM NATIONALEN GERICHT AUF
DIE RICHTLINIE ZU BERUFEN, NUR FÜR “JEDEN MITGLIEDSTAAT, AN DEN SIE
GERICHTET WIRD”, BESTEHT. DARAUS FOLGT, DASS EINE RICHTLINIE NICHT
SELBST VERPFLICHTUNGEN FÜR EINEN EINZELNEN BEGRÜNDEN KANN UND DASS
EINE RICHTLINIENBESTIMMUNG DAHER ALS SOLCHE NICHT GEGENÜBER EINER
DERARTIGEN PERSON IN ANSPRUCH GENOMMEN WERDEN KANN. ES IST
DESHALB ZU PRÜFEN, OB IM VORLIEGENDEN FALL DAVON AUSZUGEHEN IST, DASS
DIE BEKLAGTE ALS EINZELNER GEHANDELT HAT .
[49] HIERZU IST FESTZUSTELLEN, DASS, WENN DIE RECHTSBÜRGER IMSTANDE
SIND, SICH GEGENÜBER DEM STAAT AUF EINE RICHTLINIE ZU BERUFEN, SIE DIES
UNABHÄNGIG DAVON TUN KÖNNEN, IN WELCHER EIGENSCHAFT - ALS
ARBEITGEBER ODER ALS HOHEITSTRAEGER - DER STAAT HANDELT. IN DEM EINEN
WIE DEM ANDEREN FALL MUSS NÄMLICH VERHINDERT WERDEN , DASS DER STAAT
AUS SEINER NICHTBEACHTUNG DES GEMEINSCHAFTSRECHTS NUTZEN ZIEHEN
KANN .
[50] DIE ANWENDUNG DIESER ERWAEGUNGEN AUF DIE UMSTÄNDE DES
VORLIEGENDEN FALLES OBLIEGT DEM NATIONALEN GERICHT, DAS IM ÜBRIGEN
INSOWEIT IN SEINEM VORLAGEBESCHLUSS AUSGEFÜHRT HAT, DASS DIE
BEKLAGTE, ... , EINE STAATLICHE BEHÖRDE SEI .
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 26.2.86, Rs. 152/84, Marshall I
[51] DAS VON DER REGIERUNG DES VEREINIGTEN KÖNIGREICH VORGEBRACHTE
ARGUMENT, DIE MÖGLICHKEIT, SICH GEGENÜBER DER BEKLAGTEN IN IHRER
EIGENSCHAFT ALS STAATLICHE EINRICHTUNG AUF DIE RICHTLINIE ZU BERUFEN,
HÄTTE EINE WILLKÜRLICHE UND UNGERECHTE UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN DEN
RECHTEN DER ARBEITNEHMER DES STAATES UND DENEN DER PRIVATEN
ARBEITNEHMER ZUR FOLGE, KANN KEINE ANDERE BEURTEILUNG RECHTFERTIGEN.
EIN SOLCHER UNTERSCHIED HÄTTE NÄMLICH LEICHT VERMIEDEN WERDEN
KÖNNEN,
WENN
DER
BETREFFENDE
MITGLIEDSTAAT
DIE
RICHTLINIE
ORDNUNGSGEMÄSS IN SEIN NATIONALES RECHT UMGESETZT HÄTTE .
[52] WAS SCHLIESSLICH DIE FRAGE ANGEHT, OB ARTIKEL 5 ABSATZ 1 DER RICHTLINIE
76/207, DER DEN IN ARTIKEL 2 ABSATZ 1 DIESER RICHTLINIE AUFGESTELLTEN
GRUNDSATZ DER GLEICHBEHANDLUNG DURCHFÜHRT, INHALTLICH ALS UNBEDINGT
UND HINREICHEND GENAU ERSCHEINT, DAMIT SICH EIN EINZELNER GEGENÜBER
DEM STAAT DARAUF BERUFEN KANN, SO IST FESTZUSTELLEN, DASS DIESE
BESTIMMUNG, FÜR SICH ALLEIN BETRACHTET, JEDE DISKRIMINIERUNG AUFGRUND
DES GESCHLECHTS HINSICHTLICH DER ARBEITSBEDINGUNGEN EINSCHLIESSLICH
DER ENTLASSUNGSBEDINGUNGEN ALLGEMEIN UND UNZWEIDEUTIG AUSSCHLIESST.
DIE BESTIMMUNG IST SOMIT HINREICHEND GENAU, UM VON EINEM RECHTSBÜRGER
IN ANSPRUCH GENOMMEN UND VOM GERICHT ANGEWANDT WERDEN ZU KÖNNEN.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Wiederholungs- und Vertiefungsfrage:
In
welchen
Fällen
kann
die
Nichtumsetzung von Richtlinien eine
Staatshaftung nach sich ziehen ?
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Sachverhalt (n. EuGH, 14.7.94, Rs. C-91/92, Faccini Dori)
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens wurde am 19.1.1989 während
einer Reise in der Nähe des Mailänder Bahnhofs überredet, einen
Vertrag zu unterschreiben, mit dem sie bei der Firma Interdiffusion einen
Fernkurs für Englisch zum Preis von 589.000 Lire bestellte. Zu Hause
angekommen, überlegte es sich die Klägerin anders und erklärte den
Rücktritt vom Vertrag. Interdiffusion lehnte den Rücktritt ab und trat seine
Ansprüche an ein Inkassobüro ab. Dieses erwirkte einen Mahnbescheid
gegen die Klägerin. Die Klägerin legte Widerspruch ein. Das mit dem
Widerspruch befasste Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob die
Klägerin aus der RL 85/577 ein Widerrufsrecht ableiten könne: Diese sog.
“Haustürgeschäfte-RL” sieht in ihrem Art. 5 ausdrücklich vor, dass
Verbraucher in solchen Fällen binnen sieben Tagen zurücktreten können.
Die RL war bis Ende 1987 in innerstaatliches Recht umzusetzen. Diese
war in Italien jedoch erst am am 2.3.1992 geschehen.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 14.7.94, Rs. C-91/92, Faccini Dori (Auszug)
[19] Bei dem zweiten vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Problem geht es
genauer um die Frage, ob der Verbraucher, wenn innerhalb der vorgesehenen
Frist keine Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie erlassen worden sind, ein
Widerrufsrecht gegenüber dem Gewerbetreibenden, mit dem er einen Vertrag
geschlossen hat, auf die Richtlinie selbst stützen und vor einem nationalen
Gericht geltend machen kann.
[20] Wie der Gerichtshof seit dem Urteil vom 26. Februar 1986 in der
Rechtssache 152/84 (Marshall, ...) in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat,
kann eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Bürger begründen, so
dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist.
[24] Eine Ausdehnung dieser Rechtsprechung auf den Bereich der Beziehungen
zwischen den Bürgern hieße, der Gemeinschaft die Befugnis zuzuerkennen, mit
unmittelbarer Wirkung zu Lasten der Bürger Verpflichtungen anzuordnen, obwohl
sie dies nur dort darf, wo ihr die Befugnis zum Erlass von Verordnungen
zugewiesen ist.
[25] Folglich kann der Verbraucher, wenn die Maßnahmen zur Umsetzung der
Richtlinie nicht innerhalb der vorgesehenen Frist erlassen worden sind, ein
Widerrufsrecht gegenüber dem Gewerbetreibenden, mit dem er einen Vertrag
geschlossen hat, nicht auf die Richtlinie selbst stützen und vor einem nationalen
Gericht geltend machen.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 14.7.94, Rs. C-91/92, Faccini Dori (Auszug)
[26] Zudem ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung
seit dem Urteil vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/83 (Von Colson
und Kamann ...) die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der
Mitgliedstaaten, das in dieser vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die
Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß {Art. 4 Abs. 3 EUV}, alle zur Erfüllung
dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder
besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt in den
Mitgliedstaaten obliegen, und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeiten
auch den Gerichten. Wie sich aus den Urteilen des Gerichtshofes vom
13. November 1990 in der Rechtssache C-106/89 (Marleasing ...) und
vom 16. Dezember 1993 in der Rechtssache C-334/92 (Wagner Miret ...)
ergibt, muss ein nationales Gericht, soweit es bei der Anwendung des
nationalen Rechts - gleich, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie
erlassene Vorschriften handelt - dieses Recht auszulegen hat, seine
Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie
ausrichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf
diese Weise Artikel {288 Abs. 3 AEUV} nachzukommen.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 14.7.94, Rs. C-91/92, Faccini Dori (Auszug)
[27] Für den Fall, dass das von der Richtlinie vorgeschriebene Ziel nicht im Wege
der Auslegung erreicht werden kann, ist außerdem darauf hinzuweisen, dass das
Gemeinschaftsrecht gemäß dem Urteil vom 19. November 1991 in den
verbundenen Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 (Francovich u. a. ...) die
Mitgliedstaaten zum Ersatz der den Bürgern durch die Nichtumsetzung einer
Richtlinie verursachten Schäden verpflichtet, sofern drei Voraussetzungen
vorliegen. Zunächst muss Ziel der Richtlinie die Verleihung von Rechten an
Bürger sein. Sodann muss der Inhalt dieser Rechte auf der Grundlage der
Richtlinie bestimmt werden können. Schließlich muss ein Kausalzusammenhang
zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat auferlegte Verpflichtung und dem
entstandenen Schaden bestehen.
[28] Die Richtlinie über die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen
Verträge hat unbestreitbar die Verleihung von Rechten an Bürger zum Ziel, und
ebenso sicher steht fest, dass der Mindestinhalt dieser Rechte allein auf der
Grundlage der Richtlinie bestimmt werden kann (...).
[29] Läge also ein Schaden vor und wäre dieser Schaden durch den Verstoß
gegen die dem Mitgliedstaat auferlegte Verpflichtung verursacht worden, so hätte
das vorlegende Gericht den Anspruch der geschädigten Verbraucher auf
Schadensersatz im Rahmen des nationalen Haftungsrechts sicherzustellen.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Sachverhalt
(n. EuGH, 19.11.91, Verb. Rs. C-6 u. C-9/90 Francovich)
Die RL 80/987 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit
des Arbeitgebers verpflichtet die Mitgliedstaaten, Garantieeinrichtungen zu
schaffen, welche im Fall eines Konkurses sicherstelllen, dass die noch
ausstehenden Lohnforderungen der Arbeitnehmer vorrangig und außerhalb
der Konkursquote befriedigt werden können. Hinsichtlich der Detailregelung
haben die Mitgliedstaaten gewisse Ermessensspielräume.
Herr Francovich war bei einem Unternehmen in Italien beschäftigt, das nach
Ablauf der Umsetzungsfrist und vor der verspäteten Umsetzung der RL in
Italien in Konkurs fiel. Herr Francovich verlangte daher vom italienischen
Staat die in der RL vorgesehenen Mindestgarantieleistungen, hilfsweise
Schadensersatz. Das italienische Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob
der RL Direktwirkung zukomme bzw. Italien für Schäden wegen der
verspäteten Umsetzung hafte.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 19.11.91, Verb. Rs. C-6 u. C-9/90 Francovich
(Auszug):
[26] Obwohl also die in Rede stehenden Richtlinienvorschriften in bezug
auf die Bestimmung des Personenkreises, dem die Garantie zugute
kommen soll, und den Inhalt dieser Garantie unbedingt und hinreichend
genau sind, kann sich der einzelne deshalb noch nicht vor den nationalen
Gerichten auf diese Vorschriften berufen. Zum einen regeln sie nämlich
nicht, wer Schuldner der Garantieansprüche ist; zum anderen kann der
Staat nicht allein deshalb als Schuldner angesehen werden, weil er die
Richtlinie nicht fristgemäß umgesetzt hat.
[27] Auf den ersten Teil der ersten Frage ist somit zu antworten, dass die
Betroffenen nach den Bestimmungen der Richtlinie 80/987, die die Rechte
der Arbeitnehmer festlegen, diese Rechte mangels fristgemäß erlassener
Durchführungsmaßnahmen nicht vor den nationalen Gerichten dem Staat
gegenüber geltend machen können.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 19.11.91, Verb. Rs. C-6 u. C-9/90 Francovich
(Auszug):
[33] Die volle Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen
wäre beeinträchtigt und der Schutz der durch sie begründeten Rechte
gemindert, wenn der einzelne nicht die Möglichkeit hätte, für den Fall
eine Entschädigung zu erlangen, dass seine Rechte durch einen Verstoß
gegen das Gemeinschaftsrecht verletzt werden, der einem Mitgliedstaat
zuzurechnen ist.
[34] Die Möglichkeit einer Entschädigung durch den Mitgliedstaat ist vor
allem
dann
unerlässlich,
wenn
die
volle
Wirkung
der
gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen wie im vorliegenden Fall davon
abhängt, dass der Staat tätig wird, und der einzelne deshalb im Falle
einer Untätigkeit des Staates die ihm durch das Gemeinschaftsrecht
zuerkannten Rechte vor den nationalen Gerichten nicht geltend machen
kann.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 19.11.91, Verb. Rs. C-6 u. C-9/90 Francovich
(Auszug):
[35] Der Grundsatz einer Haftung des Staates für Schäden, die dem
einzelnen durch dem Staat zurechenbare Verstöße gegen das
Gemeinschaftsrecht entstehen, folgt somit aus dem Wesen der mit {den
Verträgen} geschaffenen Rechtsordnung.
[36] Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Ersatz dieser Schäden
findet auch in {Art. 4 Abs. 3 EUV} eine Stütze, nach dem die
Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder
besonderer Art zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem
Gemeinschaftsrecht zu treffen haben. Zu diesen Verpflichtungen gehört
auch diejenige, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das
Gemeinschaftsrecht zu beheben ...
[37] Es ist nach alledem ein Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, dass
die Mitgliedstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet sind, die dem
einzelnen durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, die
diesen Staaten zuzurechnen sind.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 19.11.91, Verb. Rs. C-6 u. C-9/90 Francovich
(Auszug):
[39] Verstößt ein Mitgliedstaat wie im vorliegenden Fall gegen seine
Verpflichtung aus {Artikel 288 Absatz 3 AEUV}, alle erforderlichen
Maßnahmen zur Erreichung des durch eine Richtlinie
vorgeschriebenen Ziels zu erlassen, so verlangt die volle
Wirksamkeit dieser gemeinschaftsrechtlichen Regelung einen
Entschädigungsanspruch, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind.
[40] Erstens muss das durch die Richtlinie vorgeschriebene Ziel die
Verleihung von Rechten an einzelne beinhalten. Zweitens muss der
Inhalt dieser Rechte auf der Grundlage der Richtlinie bestimmt
werden können. Drittens muss ein Kausalzusammenhang zwischen
dem Verstoß gegen die dem Staat auferlegte Verpflichtung und dem
den Geschädigten entstandenen Schaden bestehen.
[41] Diese Voraussetzungen reichen aus, um dem einzelnen einen
Anspruch auf Entschädigung zu geben, der unmittelbar im Gemeinschaftsrecht begründet ist.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Das System zur Gewährleistung der praktischen
Wirksamkeit von Richtlinien
Art. 4 Abs. 3 EUV
„effet utile“
 Sperrwirkung/ Frustrationsverbot/ Vereitelungsverbot
 richtlinienkonforme Auslegung
 ausnahmsweise Direktwirkung
 Staatshaftung für Schadensersatz
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH (Große Kammer), 19. Januar 2010,
Urteil in der Rechtssache C-555/07
Kücükdeveci / Swedex GmbH & Co. KG
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 4/10:
„Nach deutschem Arbeitsrecht verlängern sich die vom
Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfristen stufenweise
mit zunehmender Dauer des Arbeitsverhältnisses. Vor der
Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers
liegende Beschäftigungszeiten werden bei der Berechnung
jedoch nicht berücksichtigt.“
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
§ 622 BGB
Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen
(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit
einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats
gekündigt werden.
(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das
Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen
1. zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2. fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3. acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4. zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
…
Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des
25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt.
…
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
„Frau Kücükdeveci war seit ihrem vollendeten 18.
Lebensjahr bei dem Unternehmen Swedex beschäftigt. Im
Alter von 28 Jahren wurde sie unter Einhaltung einer
Kündigungsfrist von einem Monat entlassen. Der Arbeitgeber
berechnete die Kündigungsfrist unter Zugrundelegung einer
Beschäftigungsdauer von drei Jahren, obwohl die
Arbeitnehmerin seit zehn Jahren bei ihm beschäftigt war. Wie
in den deutschen Rechtsvorschriften vorgesehen, hatte er
die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs liegenden
Beschäftigungszeiten von Frau Kücükdeveci bei der
Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt. Frau
Kücükdeveci klagte gegen ihre Entlassung und machte
geltend, dass diese Regelung eine unionsrechtlich verbotene
Diskriminierung
wegen
des
Alters
darstelle.
Die
Kündigungsfrist hätte 4 Monate betragen müssen, was einer
Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren entspreche.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Das als Berufungsgericht angerufene Landesarbeitsgericht
Düsseldorf hat den Gerichtshof zur Vereinbarkeit einer solchen
Kündigungsregelung mit dem Unionsrecht und zu den Folgen
einer etwaigen Unvereinbarkeit befragt.
Der Gerichtshof prüft diese Fragen auf der Grundlage des jede
Diskriminierung wegen des Alters verbietenden allgemeinen
Grundsatzes des Unionsrechts, wie er in der Richtlinie
2000/78 konkretisiert ist. Da Frau Kücükdeveci nach dem
Zeitpunkt entlassen worden war, bis zu dem die
Bundesrepublik Deutschland die Richtlinie 2000/78 in
innerstaatliches Recht umzusetzen hatte, bewirkte diese
Richtlinie nämlich, dass die deutsche Kündigungsregelung in
den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Kündigungsregelung
eine Ungleichbehandlung enthält, die auf dem Kriterium des
Alters beruht. Diese Regelung sieht eine weniger günstige
Behandlung für Arbeitnehmer vor, die ihre Beschäftigung bei
dem Arbeitgeber vor Vollendung des 25. Lebensjahrs
aufgenommen haben. Sie behandelt somit Personen, die die
gleiche
Betriebszugehörigkeitsdauer
aufweisen,
unterschiedlich, je nachdem, in welchem Alter sie in den
Betrieb eingetreten sind.
Obwohl die Ziele dieser Kündigungsregelung zur
Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik gehören und daher
legitim sind, ist die Regelung zur Erreichung dieser Ziele nicht
angemessen oder geeignet.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Zu dem vom nationalen Gericht angeführten Ziel, dem
Arbeitgeber eine größere personalwirtschaftliche Flexibilität
zu verschaffen, indem seine Belastung im Zusammenhang
mit der Entlassung jüngerer Arbeitnehmer verringert werde,
denen eine größere berufliche und persönliche Mobilität
zugemutet werden könne, stellt der Gerichtshof fest, dass die
fragliche Regelung keine im Hinblick auf die Erreichung
dieses Zieles angemessene Maßnahme ist, weil sie für alle
Arbeitnehmer, die vor Vollendung des 25. Lebensjahrs in den
Betrieb eingetreten sind, unabhängig davon gilt, wie alt sie
zum Zeitpunkt ihrer Entlassung sind.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Der Gerichtshof gelangt daher zu dem Ergebnis, dass das
Unionsrecht, insbesondere das Verbot der Diskriminierung
wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die
Richtlinie 2000/78, einer nationalen Regelung wie der
deutschen entgegensteht, nach der vor Vollendung des 25.
Lebensjahrs
liegende
Beschäftigungszeiten
des
Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfrist
nicht berücksichtigt werden.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Der Gerichtshof erinnert sodann daran, dass eine Richtlinie
nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen
kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die
Richtlinie als solche nicht möglich ist. Der Grundsatz der
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf wird in der
Richtlinie 2000/78 jedoch nur konkretisiert. Zudem ist das
Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein
allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts. Es obliegt daher
dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das
Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner
Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78 anhängig ist,
im Rahmen seiner Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz,
der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergibt,
sicherzustellen und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts
zu gewährleisten, indem es erforderlichenfalls jede diesem
Verbot entgegenstehende Bestimmung des nationalen
Rechts unangewendet lässt.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Nachdem er auf die Möglichkeit für das nationale Gericht
hingewiesen hat, den Gerichtshof im Wege der
Vorabentscheidung um Auslegung des Unionsrechts zu
ersuchen, stellt der Gerichtshof abschließend fest, dass es
dem nationalen Gericht obliegt, in einem Rechtsstreit
zwischen Privaten die Beachtung des Verbots der
Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung
durch die Richtlinie 2000/78 sicherzustellen, indem es
erforderlichenfalls entgegenstehende Vorschriften des
innerstaatlichen Rechts unangewendet lässt, unabhängig
davon, ob es von seiner Befugnis Gebrauch macht, den
Gerichtshof um eine Vorabentscheidung über die Auslegung
dieses Verbots zu ersuchen.“
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Wiederholungs- und Vertiefungsfrage:
Welche Möglichkeiten stehen der
Kommission zur Verfügung, wenn ein
Mitgliedstaat eine Richtlinie nicht
umsetzt?
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Artikel 258 AEUV
Hat nach Auffassung der Kommission ein
Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus diesen
Verträgen verstoßen, so gibt sie eine mit Gründen
versehene Stellungnahme hierzu ab; sie hat dem
Staat zuvor Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
Kommt der Staat dieser Stellungnahme innerhalb
der von der Kommission gesetzten Frist nicht
nach, so kann die Kommission den Gerichtshof
der Europäischen Union anrufen.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Artikel 259 AEUV
Jeder Mitgliedstaat kann den Gerichtshof der Europäischen Union
anrufen, wenn er der Auffassung ist, dass ein anderer Mitgliedstaat gegen
eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat.
Bevor ein Mitgliedstaat wegen einer angeblichen Verletzung der
Verpflichtungen aus den Verträgen gegen einen anderen Staat Klage
erhebt, muss er die Kommission damit befassen.
Die Kommission erlässt eine mit Gründen versehene Stellungnahme; sie
gibt den beteiligten Staaten zuvor Gelegenheit zu schriftlicher und
mündlicher Äußerung in einem kontradiktorischen Verfahren.
Gibt die Kommission binnen drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem
ein entsprechender Antrag gestellt wurde, keine Stellungnahme ab, so
kann ungeachtet des Fehlens der Stellungnahme vor dem Gerichtshof
geklagt werden.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Artikel 260 AEUV
(1) Stellt der Gerichtshof der Europäischen Union fest, dass ein Mitgliedstaat gegen eine
Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat, so hat dieser Staat die Maßnahmen zu
ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben.
(2) Hat der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des
Gerichtshofs ergeben, nach Auffassung der Kommission nicht getroffen, so kann die
Kommission den Gerichtshof anrufen, nachdem sie diesem Staat zuvor Gelegenheit zur
Äußerung gegeben hat. Hierbei benennt sie die Höhe des von dem betreffenden
Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds, die sie den Umständen
nach für angemessen hält.
Stellt der Gerichtshof fest, dass der betreffende Mitgliedstaat seinem Urteil nicht
nachgekommen ist, so kann er die Zahlung eines Pauschalbetrags oder Zwangsgelds
verhängen.
Dieses Verfahren lässt den Artikel 259 unberührt.
(3) Erhebt die Kommission beim Gerichtshof Klage nach Artikel 258, weil sie der Auffassung
ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen hat,
Maßnahmen zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen
Richtlinie mitzuteilen, so kann sie, wenn sie dies für zweckmäßig hält, die Höhe des von
dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds
benennen, die sie den Umständen nach für angemessen hält.
Stellt der Gerichtshof einen Verstoß fest, so kann er gegen den betreffenden Mitgliedstaat
die Zahlung eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds bis zur Höhe des von der
Kommission genannten Betrags verhängen. Die Zahlungsverpflichtung gilt ab dem vom
Gerichtshof in seinem Urteil festgelegten Zeitpunkt.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Umsetzung der
Binnenmarktrichtlinien
Siehe IP 13/127
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Umsetzung der
Binnenmarktrichtlinien
Brüssel, 29. September 2011 – In der derzeitigen Krise kommt dem Binnenmarkt
eine Schlüsselrolle dabei zu, Europa aus der wirtschaftlichen Stagnation zu
führen. Doch jedes Mal, wenn EU-Vorschriften durch einen oder mehrere
Mitgliedstaaten nicht fristgerecht in einzelstaatliches Recht umgesetzt werden,
entsteht eine Lücke im EU-Rechtsrahmen, was zu Fragmentierung führt. Folglich
können die ökonomischen Interessen aller Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft
gezogen werden, wenn ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Heute macht der Binnenmarktanzeiger der Europäischen Kommission deutlich,
dass die Mitgliedstaaten dringend ihre jüngsten Anstrengungen zur Umsetzung
von EU-Vorschriften forcieren müssen. Im letzten Referenzzeitraum (die letzten
sechs Monate) haben 16 der 27 EU-Mitgliedstaaten das von den Staats- und
Regierungschefs 2007 festgelegte Ziel eines Umsetzungsdefizits von höchstens 1
% nicht erreicht.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Umsetzung der
Binnenmarktrichtlinien
Dies bedeutet, dass durchschnittlich 1,2 % der Binnenmarktrichtlinien, deren
Umsetzungsfrist bereits abgelaufen ist, noch nicht in nationales Recht überführt
wurden. Im November 2010 waren es 0,9 %. Allerdings haben Mitgliedstaaten die
zusätzliche Zeit, die sie für die Umsetzung von EU-Richtlinien in einzelstaatliches
Recht benötigten, auf durchschnittlich 5,5 Monate verkürzt. Ferner ist positiv
anzumerken, dass hinsichtlich der Anwendung des EU-Rechts die Zahl der
Vertragsverletzungen seit 2007 um ein Viertel zurückgegangen ist. Derzeit
entfallen die meisten Vertragsverletzungsverfahren auf Belgien, gefolgt von
Griechenland und Italien. Unter Berücksichtigung aller Durchsetzungsindikatoren
schneiden Malta und Lettland nach wie vor am besten ab.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Umsetzung der
Binnenmarktrichtlinien
Die Gesamtzahl der Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit dem
Binnenmarkt fällt weiter – seit 2007 ist sie um ein Viertel zurückgegangen.
Derzeit liegt die durchschnittliche Zahl der anhängigen
Vertragsverletzungsverfahren bei 37 pro Mitgliedstaat gegenüber 40 sechs
Monate zuvor. Derzeit entfallen die meisten Vertragsverletzungsverfahren auf
Belgien, gefolgt von Griechenland und Italien.
Die Mitgliedstaaten sind zu sofortigem Handeln verpflichtet, um den Urteilen des
EuGH Folge zu leisten. Trotzdem dauert es sehr lange – im Schnitt mehr als 17
Monate – bis ein Urteil befolgt wird.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Länderkürzel
AT Österreich
BE Belgien
BG Bulgarien
CY Zypern
CZ Tschechische Republik
DK Dänemark
DE Deutschland
EE Estland
EL Griechenland
ES Spanien
FI Finnland
FR Frankreich
HU Ungarn
IT Italienrittswillige
LT Litauen
LU Luxemburg
LV Lettland
MT Malta
NL Niederlande
PL Polen
PT Portugal
RO Rumänien
SE Schweden
SI Slowenien
SK Slowakei
UK Vereinigtes Königreich
IE Irlandänder
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Rechtssache C-119/04
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Italienische Republik
TENOR:
1.
Die Italienische Republik hat nicht alle Maßnahmen durchgeführt,
die sich aus dem Urteil vom 26. Juni 2001 in der Rechtssache C-212/99
(Kommission/Italien) ergeben haben, und damit gegen ihre
Verpflichtungen aus Artikel 228 EG verstoßen, indem sie bei Ablauf der in
der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist nicht für die
Anerkennung der von den ehemaligen Fremdsprachenlektoren, die
sodann als muttersprachliche sprachwissenschaftliche Mitarbeiter und
Experten tätig waren, erworbenen Rechte gesorgt hat, obwohl allen
inländischen Arbeitnehmern eine solche Anerkennung zuteil wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Rechtssache C-177/04
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Französische Republik
TENOR:
1. Die Französische Republik hat dadurch nicht alle Maßnahmen, die sich aus dem Urteil vom
25. April 2002 in der Rechtssache C-52/00, Kommission/Frankreich, in Bezug auf die
Umsetzung von Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur
Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für
fehlerhafte Produkte ergeben, ergriffen und damit gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 228 EG
verstoßen, dass sie, wenn der Hersteller nicht festgestellt werden kann, den Lieferanten des
fehlerhaften Produktes weiterhin auch dann in gleicher Weise wie den Hersteller haften lässt,
wenn er dem Geschädigten innerhalb angemessener Zeit die Person benennt, die ihm das
Produkt geliefert hat.
2. Die Französische Republik wird verurteilt, der Kommission auf das Konto „Eigenmittel der
Europäischen Gemeinschaft“ ein Zwangsgeld in Höhe von 31 650 Euro pro Tag des Verzugs
beim Ergreifen der Maßnahmen, die für die vollständige Durchführung des Urteils
Kommission/Frankreich vom 25. April 2002 erforderlich sind, von der Verkündung des
vorliegenden Urteils bis zur vollständigen Durchführung des genannten Urteils vom 25. April
2002 zu zahlen.
3. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Rechtssache C-304/02
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Französische Republik
TENOR:
1. Die Französische Republik hat nicht alle Maßnahmen ergriffen, die sich aus dem Urteil vom
11. Juni 1991 in der Rechtssache C-64/88, Kommission/Frankreich, ergeben, und deshalb
gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 228 EG verstoßen, indem sie
– nicht für eine den Anforderungen der Gemeinschaftsbestimmungen entsprechende
Kontrolle der Fischereitätigkeiten gesorgt hat und
– nicht dafür gesorgt hat, dass Verstöße gegen die Regelung der Fischereitätigkeiten
gemäß den Anforderungen der Gemeinschaftsbestimmungen verfolgt werden.
2. Die Französische Republik wird verurteilt, an die Kommission der Europäischen
Gemeinschaften auf das Konto „Eigene Mittel der Europäischen Gemeinschaft“ ein Zwangsgeld
in Höhe von 57 761 250 Euro für jeden Sechsmonatszeitraum ab der Verkündung des
vorliegenden Urteils, an dessen Ende das Urteil vom 11. Juni 1991, Kommission/Frankreich,
noch nicht vollständig durchgeführt ist, zu zahlen.
3. Die Französische Republik wird verurteilt, an die Kommission der Europäischen
Gemeinschaften auf das Konto „Eigene Mittel der Europäischen Gemeinschaft“ einen
Pauschalbetrag in Höhe von 20 000 000 Euro zu zahlen.
4. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Rechtssache C-278/01
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Königreich Spanien
TENOR:
1. Das Königreich Spanien hat dadurch, dass es entgegen seiner Verpflichtungen aus Artikel 4
der Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der
Badegewässer (ABl. 1976, L 31, S. 1) nicht die Maßnahmen getroffen hat, die notwendig sind,
um sicherzustellen, dass die Qualität der spanischen Binnenbadegewässer den gemäß Artikel 3
dieser Richtlinie festgelegten Grenzwerten entspricht, nicht alle Maßnahmen ergriffen, die sich
aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 12. Februar 1998 in der Rechtssache C-92/96
(Kommission/Spanien) ergeben, und damit gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 228 EG
verstoßen.
2. Das Königreich Spanien wird verurteilt, an die Kommission auf das Konto Eigenmittel der
Europäischen Gemeinschaft ein jährliches Zwangsgeld in Höhe von 624 150 Euro für jedes
Prozent der Badegebiete im Bereich der spanischen Binnenbadegewässer zu zahlen, das nach
der Feststellung für das fragliche Jahr nicht den gemäß der Richtlinie 76/160 festgelegten
Grenzwerten entspricht, und zwar von der Feststellung der in der ersten Badesaison nach der
Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache erreichten Qualität der Badegewässer
an bis zu dem Jahr, in dem das Urteil Kommission/Spanien vollständig durchgeführt ist.
3. Das Königreich Spanien trägt die Kosten des Verfahrens.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Rechtssache C-387/97
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Republik Griechenland
TENOR (Auszug):
1. Die Hellenische Republik hat dadurch nicht alle Maßnahmen durchgeführt, die sich aus
dem Urteil vom 7. April 1992 in der Rechtssache C-45/91 (Kommission/Griechenland)
ergeben haben und gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 171 EG-Vertrag verstoßen,
daß sie nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um gemäß Artikel 4 der
Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle sicherzustellen, daß
die Abfälle in der Region Chania beseitigt werden, ohne die menschliche Gesundheit zu
gefährden und die Umwelt zu schädigen, und daß sie für diese Region keine
Abfallbeseitigungspläne gemäß Artikel 6 der Richtlinie 75/442 und keine Pläne für die
Beseitigung der giftigen und gefährlichen Abfallstoffe gemäß Artikel 12 der Richtlinie
78/319/EWG des Rates vom 20. März 1978 über giftige und gefährliche Abfälle erstellt
hat.
2. Die Hellenische Republik wird verurteilt, der Kommission der Europäischen
Gemeinschaften auf das Konto "Eigene Mittel der EG" ein Zwangsgeld in Höhe von 20
000 EURO pro Tag Verzug bei der Durchführung der Maßnahmen zu zahlen, die
erforderlich sind, um dem obengenannten Urteil Kommission/Griechenland
nachzukommen, und zwar von der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zur
Durchführung des Urteils Kommission/Griechenland.
3. Die Hellenische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Artikel 260 AEUV
(1) Stellt der Gerichtshof der Europäischen Union fest, dass ein Mitgliedstaat gegen eine
Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat, so hat dieser Staat die Maßnahmen zu
ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben.
(2) Hat der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des
Gerichtshofs ergeben, nach Auffassung der Kommission nicht getroffen, so kann die
Kommission den Gerichtshof anrufen, nachdem sie diesem Staat zuvor Gelegenheit zur
Äußerung gegeben hat. Hierbei benennt sie die Höhe des von dem betreffenden
Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds, die sie den Umständen
nach für angemessen hält.
Stellt der Gerichtshof fest, dass der betreffende Mitgliedstaat seinem Urteil nicht
nachgekommen ist, so kann er die Zahlung eines Pauschalbetrags oder Zwangsgelds
verhängen.
Dieses Verfahren lässt den Artikel 259 unberührt.
(3) Erhebt die Kommission beim Gerichtshof Klage nach Artikel 258, weil sie der Auffassung
ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen hat,
Maßnahmen zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen
Richtlinie mitzuteilen, so kann sie, wenn sie dies für zweckmäßig hält, die Höhe des von
dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds
benennen, die sie den Umständen nach für angemessen hält.
Stellt der Gerichtshof einen Verstoß fest, so kann er gegen den betreffenden Mitgliedstaat
die Zahlung eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds bis zur Höhe des von der
Kommission genannten Betrags verhängen. Die Zahlungsverpflichtung gilt ab dem vom
Gerichtshof in seinem Urteil festgelegten Zeitpunkt.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Beschlüsse
Art. 288 Abs. 4 EUV
Beschlüsse sind in allen ihren Teilen
verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten
gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Beschlüsse
•
•
•
haben exekutivischen, d.h. vollziehenden Charakter;
treffen verbindliche Einzelfallregelungen;
sind nach Art. 288 Abs. 4 AEUV in allen ihren Teilen für
diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet;
•
sind ansatzweise mit einem Verwaltungsakt (§ 35
VwVfG) vergleichbar;
Adressaten können Individuen (z.B. kartellrechtliche
Entscheidung)
oder
Mitgliedstaaten
sein
(z.B.
Entscheidung im Verfahren der Beihilfenaufsicht).
•
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Empfehlungen und Stellungnahmen
Art. 288 Abs. 5 EUV
Die Empfehlungen und Stellungnahmen
sind nicht verbindlich.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 13.12.1989, Rs. C-322/88 Grimaldi (Auszug)
[13] ... Empfehlungen, die gemäß {Artikel 288 Abs. 5 AEUV} nicht
verbindlich sind, {werden} im allgemeinen dann von den Organen der
Gemeinschaft ausgesprochen ..., wenn diese nach dem {AEUV} nicht
ermächtigt sind, rechtsverbindliche Maßnahmen zu erlassen, oder wenn
nach ihrer Ansicht kein Anlass zu einer zwingenderen Regelung besteht .
[14] Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes (...),
wonach die Wahl der Form die Rechtsnatur einer Maßnahme nicht
ändern kann, ist allerdings zu prüfen, ob der Inhalt einer Maßnahme
tatsächlich mit der für sie gewählten Form übereinstimmt.
[16] Unter diesen Umständen kann kein Zweifel daran bestehen, dass die
fraglichen Maßnahmen echte Empfehlungen sind, d . h . Handlungen, die
auch gegenüber ihren Adressaten keine bindende Wirkung entfalten
sollen. Sie können folglich für die einzelnen keine vor den
innerstaatlichen Gerichten durchsetzbaren Rechte begründen .
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
EuGH, 13.12.1989, Rs. C-322/88 Grimaldi (Auszug)
[18] Um jedoch die Frage des vorlegenden Gerichts vollständig zu
beantworten, ist darauf hinzuweisen, dass die fraglichen Maßnahmen
nicht als rechtlich völlig wirkungslos angesehen werden können. Die
innerstaatlichen Gerichte sind nämlich verpflichtet, bei der
Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten die
Empfehlungen zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn diese
Aufschluß über die Auslegung zu ihrer Durchführung erlassener
innerstaatlicher Rechtsvorschriften geben oder wenn sie verbindliche
gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen .
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Grünbuch
Die von der Kommission veröffentlichten
Grünbücher sollen auf europäischer Ebene eine
Debatte über grundlegende politische Ziele in
bestimmten Bereichen (z.B. Sozialpolitik) in
Gang setzen. Die durch ein Grünbuch
eingeleiteten
Konsultationen
können
die
Veröffentlichung eines Weißbuchs zur Folge
haben, in dem konkrete Maßnahmen für ein
gemeinschaftliches Vorgehen vorgeschlagen
werden.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Weißbuch
Die von der Kommission veröffentlichten Weißbücher
enthalten Vorschläge für ein gemeinschaftliches
Vorgehen in einem bestimmten Bereich. Als Beispiele
seien genannt: die Weißbücher zur Vollendung des
Binnenmarktes, zu Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit
und Beschäftigung sowie zur Angleichung der
binnenmarkt-relevanten
Rechtsvorschriften
der
assoziierten Staaten Mittel- und Osteuropas. Wird ein
Weißbuch vom Rat positiv aufgenommen, kann aus
ihm ein Aktionsprogramm der Union für den
betreffenden Bereich entstehen.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Rechtsquellen
Völkerrechtsabkommen
Assoziierungsabkommen,
Kooperationsabkommen,
Handelsabkommen (u.a. WTO)
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Artikel 218 AEUV
(1) Unbeschadet der besonderen Bestimmungen des Artikels
207 werden Übereinkünfte zwischen der Union und
Drittländern oder internationalen Organisationen nach dem
im Folgenden beschriebenen Verfahren ausgehandelt und
geschlossen.
(2) Der Rat erteilt eine Ermächtigung zur Aufnahme von
Verhandlungen, legt Verhandlungsrichtlinien fest¸ genehmigt
die Unterzeichnung und schließt die Übereinkünfte.
(3) Die Kommission …
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Artikel 207 AEUV
(1) Die gemeinsame Handelspolitik wird nach einheitlichen Grundsätzen
gestaltet; dies gilt insbesondere für die Änderung von Zollsätzen, für den
Abschluss von Zoll- und Handelsabkommen, die den Handel mit Waren
und Dienstleistungen betreffen, und für die Handelsaspekte des geistigen
Eigentums, die ausländischen Direktinvestitionen, die Vereinheitlichung der
Liberalisierungsmaßnahmen,
die
Ausfuhrpolitik
sowie
die
handelspolitischen Schutzmaßnahmen, zum Beispiel im Fall von Dumping
und Subventionen. Die gemeinsame Handelspolitik wird im Rahmen der
Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der Union gestaltet.
(2) Das Europäische Parlament und der Rat erlassen durch Verordnungen
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren die Maßnahmen, mit
denen der Rahmen für die Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik
bestimmt wird.
(3) Sind mit einem oder mehreren Drittländern oder internationalen
Organisationen Abkommen auszuhandeln und zu schließen, so findet
Artikel 218 vorbehaltlich der besonderen Bestimmungen dieses Artikels
Anwendung …
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Artikel 217 AEUV
Die Union kann mit einem oder mehreren
Drittländern oder einer oder mehreren
internationalen Organisationen Abkommen
schließen, die eine Assoziierung mit
gegenseitigen
Rechten
und
Pflichten,
gemeinsamem Vorgehen und besonderen
Verfahren herstellen.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Rechtsquellen, Rechtsakte
Vertiefungshinweise
Arndt/Fischer/Fetzer,
Teil, Rn. 153-208.
Europarecht,
Herdegen, Europarecht, § 8, Rn. 1-58.
Hobe, Europarecht,§ 10, Rn. 1-44.
Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann
Vierter
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