Rechtsquellen, Rechtsakte Vertiefungshinweise Arndt/ Fischer/ Fetzer, Europarecht, Vierter Teil, Rn. 153-208. Herdegen, Europarecht, § 8, Rn. 1-58. Hobe, Europarecht,§ 10, Rn. 1-44. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Rechtsquellen Primäres Recht – Gründungsverträge samt Anhängen und Protokollen – Allgemeine Rechtsgrundsätze – Unionsgewohnheitsrecht Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Verträge Verträge a.F.: EUV, EGV, EAGV Verträge n.F.: EUV, AEUV, EAGV Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Art. 51 EUV Die Protokolle und Anhänge der Verträge sind Bestandteil der Verträge. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Art. 6 EUV Art. 6 EUV n.F. (LissabonV) Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam. Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten. Die Union stattet sich mit den Mitteln aus, die zum Erreichen ihrer Ziele und zur Durchführung ihrer Politiken erforderlich sind. Die Union erkennt die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 in der am 12. Dezember 2007 in Straßburg angepassten Fassung niedergelegt sind; die Charta der Grundrechte und die Verträge sind rechtlich gleichrangig. Durch die Bestimmungen der Charta werden die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in keiner Weise erweitert. Die in der Charta niedergelegten Rechte, Freiheiten und Grundsätze werden gemäß den allgemeinen Bestimmungen des Titels VII der Charta, der ihre Auslegung und Anwendung regelt, und unter gebührender Berücksichtigung der in der Charta angeführten Erläuterungen, in denen die Quellen dieser Bestimmungen angegeben sind, ausgelegt. Die Union tritt der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei. Dieser Beitritt ändert nicht die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union. Die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, sind als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Artikel 203 EGV Der Rat besteht aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaats auf Ministerebene, der befugt ist, für die Regierung des Mitgliedstaats verbindlich zu handeln. ... Art. 16 Abs. 2 EUV n.F. (LissabonV) ... (2) Der Rat besteht aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaats auf Ministerebene, der befugt ist, für die Regierung des von ihm vertretenen Mitgliedstaats verbindlich zu handeln und das Stimmrecht auszuüben. ... Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Wiederholungs- und Vertiefungsfrage: Auch das Primärrecht unterliegt Änderungen. Inwiefern unterliegen die Rechtsquellen des Primärrechts unterschiedlichen Änderungsverfahren? Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Wiederholungs- und Vertiefungsfrage: Welche Rechtsquellen des Sekundärrechts kennen Sie bereits und wo sind diese geregelt? Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Rechtsquellen Sekundäres Recht – Verordnungen – Richtlinien – Beschlüsse – Empfehlungen und Stellungnahmen Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Rechtsquellen Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Richtlinie verbindlich nur für die Mitgliedstaaten und hinsichtlich des zu erreichenden Zieles. Beschlüsse für diejenigen verbindlich, an die sie gerichtet sind. Stellungnahmen/ Empfehlungen sind nicht verbindlich. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Art. 288 AEUV Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union nehmen die Organe Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen an. Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Beschlüsse sind in allen ihren Teilen verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich. Die Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Verordnung Art. 288 Abs. 2 EUV Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Richtlinie Art. 288 Abs. 3 EUV Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Beschlüsse Art. 288 Abs. 4 EUV Beschlüsse sind in allen ihren Teilen verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Empfehlungen und Stellungnahmen Art. 288 Abs. 5 EUV Die Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Richtlinie: Beispiele Allgemeine Produktsicherheit, 2001/95/EG Freizügigkeitsrichtlinie, 2004/38/EG Allgemeine Regelung für die Anerkennung von Hochschuldiplomen, 89/48/EWG Arbeitszeitrichtlinie, 2003/88/EG Feinstaubrichtlinie, 99/30/EG Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, 92/43/EWG Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Wiederholungs- und Vertiefungsfrage: Inwiefern geht von Richtlinien schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist eine Vorwirkung aus? Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 18.12.1997, Rs. C-129/96 Inter-Environnement Wallonie (Auszug) [43] Da diese Frist den Mitgliedstaaten insbesondere die für den Erlass der Umsetzungsmaßnahmen erforderliche Zeit geben soll, kann ihnen kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie die Richtlinie nicht vor Ablauf dieser Frist in ihre Rechtsordnung umsetzen. [44] Gleichwohl obliegt es den Mitgliedstaaten während der Umsetzungsfrist, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel bei Ablauf dieser Frist erreicht wird. [45] Die Mitgliedstaaten sind zwar nicht verpflichtet, diese Maßnahmen vor Ablauf der Umsetzungsfrist zu erlassen, doch ergibt sich aus {Artikel 4 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Artikel 288 Abs. 3 AEUV} und aus der Richtlinie selbst, dass sie während dieser Frist den Erlass von Vorschriften unterlassen müssen, die geeignet sind, das in dieser Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 14.06.2007, Rs. C-422/05 (Kommission./.Belgien (Auszug) [62] In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die Mitgliedstaaten zwar nicht verpflichtet sind, die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie vor Ablauf der dafür vorgesehenen Frist zu erlassen, dass sich jedoch aus {Artikel 4 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Artikel 288 Abs. 3 AEUV} und aus der Richtlinie selbst ergibt, dass sie während dieser Frist den Erlass von Vorschriften unterlassen müssen, die geeignet sind, die Erreichung des in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich in Frage zu stellen (...). [63] Die Mitgliedstaaten können daher nicht, ohne die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich in Frage zu stellen, während der Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie Vorschriften erlassen, die zwar dasselbe Ziel – die Verringerung der Zahl der an den schädlichen Folgen von Fluglärm leidenden Personen – verfolgen, aber die Einführung einheitlicher Betriebsbeschränkungen in der gesamten Gemeinschaft verhindern. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 14.06.2007, Rs. C-422/05 (Kommission./.Belgien (Auszug) [68] Demnach ist die vom Königreich Belgien während der Frist für die Umsetzung der Richtlinie erlassene Königliche Verordnung vom 14. April 2002 geeignet, die Erreichung des in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich in Frage zu stellen. [69] Demnach ist die von der Kommission erhobene Klage begründet. [70] Daher ist festzustellen, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie sowie aus {Artikel 4 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Artikel 288 Abs. 3 AEUV} verstoßen hat, dass es die Königliche Verordnung vom 14. April 2002 erlassen hat. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Wiederholungs- und Vertiefungsfrage: Inwiefern können Richtlinien zu Umweltstandards allein durch Verwaltungsvorschriften umgesetzt werden? Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 30.5.91, Rs. C- 361/88, TA-Luft Durch die RLen 80/779 und 82/884 hat die EG Grenzwerte u.a. für den Bleigehalt in der Luft festgelegt. Diese Regeln sollen Wettbewerbsverzerrungen aus unterschiedlichen nationalen Standards verhindern sowie die menschliche Gesundheit und die Umwelt schützen. Deutschland hat bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist keine Umsetzungsmaßnahmen ergriffen, sondern meint, die Umsetzung erfolge durch die TA-Luft, eine Verwaltungsvorschrift. Die Kommission leitet ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Deutschland verweist darauf, dass es nicht gegen die Grenzwerte verstoße. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 30.5.91, Rs. C- 361/88, TA-Luft (Auszug) [15] Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (...) verlangt die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendigerweise, dass ihre Bestimmungen förmlich und wörtlich in einer ausdrücklichen besonderen Gesetzesvorschrift wiedergegeben werden; je nach dem Inhalt der Richtlinie kann ein allgemeiner rechtlicher Rahmen genügen, wenn er tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie in so klarer und bestimmter Weise gewährleistet, dass - soweit die Richtlinie Ansprüche des einzelnen begründen soll - die Begünstigten in der Lage sind, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen. [16] In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die (...) Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Grenzwerte vorzuschreiben, die während bestimmter Zeiträume und unter bestimmten Bedingungen nicht überschritten werden dürfen, "insbesondere zum Schutz der menschlichen Gesundheit" geschaffen worden ist. Dies bedeutet, dass die Betroffenen in allen Fällen, in denen die Überschreitung der Grenzwerte die menschliche Gesundheit gefährden könnte, in der Lage sein müssen, sich auf zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können. Im Übrigen ist die Festlegung von Grenzwerten in einer Vorschrift, deren Verbindlichkeit unbestreitbar ist, auch deshalb geboten, damit all jene, deren Tätigkeiten Immissionen zur Folge haben können, genau wissen, welche Verpflichtungen sie haben. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Wiederholungs- und Vertiefungsfrage: Was versteht man unter richtlinienkonformer Auslegung und wie weit reicht sie? Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Wiederholungs- und Vertiefungsfrage: Unter welchen Voraussetzung kann eine Richtlinie direkt anwendbar sein? Begründung? Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Direktwirkung von Richtlinien (1) Die Richtlinie verleiht subjektive Rechte gegenüber den Mitgliedstaaten. (2) Die Bestimmungen der Richtlinie müssen die Rechte der Unionsbürger/ Unternehmen hinreichend klar und präzise festlegen. (3) Die Inanspruchnahme des Rechts darf an keine Bedingung oder Auflage geknüpft sein. (4) Dem nationalen Gesetzgeber darf bei der inhaltlichen Gestaltung des Rechts kein Ermessensspielraum eingeräumt sein. (5) Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie muss abgelaufen sein. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Wiederholungs- und Vertiefungsfrage: Was versteht man unter einer “horizontalen Direktwirkung“ von Richtlinien und warum wäre eine solche problematisch? Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 26.2.86, Rs. 152/84, Marshall I Nach der Betriebsordnung der staatlichen Gesundheitsbehörde endeten die Arbeitsverhältnisse der Angestellten dieser Behörde normalerweise mit Erreichen der Altergrenze, die zum Bezug einer Rente berechtigte. Nach britischem Recht lag diese Altersgrenze für Männer bei 65 und für Frauen bei 60 Jahren. Frau Marshall wurde von der Gesundheitsbehörde im Alter von 62 Jahren entlassen, obwohl sie lieber bis zu ihrem 65 Lebensjahr gearbeitet hätte, um die persönliche Befriedigung aus der Arbeit und die finanziellen Vorteile durch das gegenüber der Rente höhere Arbeitseinkommen nicht zu verlieren. Auf Klage von Frau Marshall legte das Arbeitsgericht dem EuGH zum einen die Frage vor, ob die beschriebene Diskriminierung mit der RL 76/2007 vereinbar ist. Zum anderen fragte das Gericht, ob sich Frau Marshall gegenüber der Gesundheitsbehörde auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen kann. Die Gesundheitsbehörde ist der Auffassung, dass sie als Arbeitgeberin nicht anders gestellt werden dürfe als ein privater Arbeitgeber. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Artikel 267 AEUV Der Gerichtshof entscheidet im Wege der Vorabentscheidung a) über die Auslegung der Verträge, b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen. Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet. Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren, das eine inhaftierte Person betrifft, bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, so entscheidet der Gerichtshof innerhalb kürzester Zeit. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 26.2.86, Rs. 152/84, Marshall I (Auszug) [46] ES IST DARAN ZU ERINNERN , DASS NACH STÄNDIGER RECHTSPRECHUNG DES GERICHTSHOFES (... ). IN ALL DEN FÄLLEN , IN DENEN BESTIMMUNGEN EINER RICHTLINIE INHALTLICH ALS UNBEDINGT UND HINREICHEND GENAU ERSCHEINEN, DIE EINZELNEN BERECHTIGT SIND, SICH GEGENÜBER DEM STAAT AUF DIESE BESTIMMUNGEN ZU BERUFEN, WENN DER STAAT DIE RICHTLINIE NICHT FRISTGEMÄSS IN NATIONALES RECHT UMSETZT ODER EINE UNZUTREFFENDE UMSETZUNG DER RICHTLINIE VORNIMMT [47] DIESE RECHTSPRECHUNG BERUHT AUF DER ERWAEGUNG, DASS ES MIT DEM VERBINDLICHEN CHARAKTER, DEN ARTIKEL {288} DER RICHTLINIE ZUERKENNT, UNVEREINBAR WÄRE, GRUNDSÄTZLICH AUSZUSCHLIESSEN, DASS SICH BETROFFENE PERSONEN AUF DIE IN DER RICHTLINIE ENTHALTENE VERPFLICHTUNG BERUFEN KÖNNEN. DER GERICHTSHOF HAT DARAUS GEFOLGERT, DASS EIN MITGLIEDSTAAT, DER DIE IN DER RICHTLINIE VORGESCHRIEBENEN DURCHFÜHRUNGSMASSNAHMEN NICHT FRISTGEMÄSS ERLASSEN HAT, DEN EINZELNEN NICHT ENTGEGENHALTEN KANN, DASS ER DIE AUS DER RICHTLINIE ERWACHSENEN VERPFLICHTUNGEN NICHT ERFÜLLT HAT. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 26.2.86, Rs. 152/84, Marshall I (Auszug) [48] ZU DEM ARGUMENT, WONACH EINE RICHTLINIE NICHT GEGENÜBER EINEM EINZELNEN IN ANSPRUCH GENOMMEN WERDEN KÖNNE, IST ZU BEMERKEN , DASS NACH ARTIKEL {288 AEUV} DER VERBINDLICHE CHARAKTER EINER RICHTLINIE, AUF DEM DIE MÖGLICHKEIT BERUHT, SICH VOR EINEM NATIONALEN GERICHT AUF DIE RICHTLINIE ZU BERUFEN, NUR FÜR “JEDEN MITGLIEDSTAAT, AN DEN SIE GERICHTET WIRD”, BESTEHT. DARAUS FOLGT, DASS EINE RICHTLINIE NICHT SELBST VERPFLICHTUNGEN FÜR EINEN EINZELNEN BEGRÜNDEN KANN UND DASS EINE RICHTLINIENBESTIMMUNG DAHER ALS SOLCHE NICHT GEGENÜBER EINER DERARTIGEN PERSON IN ANSPRUCH GENOMMEN WERDEN KANN. ES IST DESHALB ZU PRÜFEN, OB IM VORLIEGENDEN FALL DAVON AUSZUGEHEN IST, DASS DIE BEKLAGTE ALS EINZELNER GEHANDELT HAT . [49] HIERZU IST FESTZUSTELLEN, DASS, WENN DIE RECHTSBÜRGER IMSTANDE SIND, SICH GEGENÜBER DEM STAAT AUF EINE RICHTLINIE ZU BERUFEN, SIE DIES UNABHÄNGIG DAVON TUN KÖNNEN, IN WELCHER EIGENSCHAFT - ALS ARBEITGEBER ODER ALS HOHEITSTRAEGER - DER STAAT HANDELT. IN DEM EINEN WIE DEM ANDEREN FALL MUSS NÄMLICH VERHINDERT WERDEN , DASS DER STAAT AUS SEINER NICHTBEACHTUNG DES GEMEINSCHAFTSRECHTS NUTZEN ZIEHEN KANN . [50] DIE ANWENDUNG DIESER ERWAEGUNGEN AUF DIE UMSTÄNDE DES VORLIEGENDEN FALLES OBLIEGT DEM NATIONALEN GERICHT, DAS IM ÜBRIGEN INSOWEIT IN SEINEM VORLAGEBESCHLUSS AUSGEFÜHRT HAT, DASS DIE BEKLAGTE, ... , EINE STAATLICHE BEHÖRDE SEI . Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 26.2.86, Rs. 152/84, Marshall I [51] DAS VON DER REGIERUNG DES VEREINIGTEN KÖNIGREICH VORGEBRACHTE ARGUMENT, DIE MÖGLICHKEIT, SICH GEGENÜBER DER BEKLAGTEN IN IHRER EIGENSCHAFT ALS STAATLICHE EINRICHTUNG AUF DIE RICHTLINIE ZU BERUFEN, HÄTTE EINE WILLKÜRLICHE UND UNGERECHTE UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN DEN RECHTEN DER ARBEITNEHMER DES STAATES UND DENEN DER PRIVATEN ARBEITNEHMER ZUR FOLGE, KANN KEINE ANDERE BEURTEILUNG RECHTFERTIGEN. EIN SOLCHER UNTERSCHIED HÄTTE NÄMLICH LEICHT VERMIEDEN WERDEN KÖNNEN, WENN DER BETREFFENDE MITGLIEDSTAAT DIE RICHTLINIE ORDNUNGSGEMÄSS IN SEIN NATIONALES RECHT UMGESETZT HÄTTE . [52] WAS SCHLIESSLICH DIE FRAGE ANGEHT, OB ARTIKEL 5 ABSATZ 1 DER RICHTLINIE 76/207, DER DEN IN ARTIKEL 2 ABSATZ 1 DIESER RICHTLINIE AUFGESTELLTEN GRUNDSATZ DER GLEICHBEHANDLUNG DURCHFÜHRT, INHALTLICH ALS UNBEDINGT UND HINREICHEND GENAU ERSCHEINT, DAMIT SICH EIN EINZELNER GEGENÜBER DEM STAAT DARAUF BERUFEN KANN, SO IST FESTZUSTELLEN, DASS DIESE BESTIMMUNG, FÜR SICH ALLEIN BETRACHTET, JEDE DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GESCHLECHTS HINSICHTLICH DER ARBEITSBEDINGUNGEN EINSCHLIESSLICH DER ENTLASSUNGSBEDINGUNGEN ALLGEMEIN UND UNZWEIDEUTIG AUSSCHLIESST. DIE BESTIMMUNG IST SOMIT HINREICHEND GENAU, UM VON EINEM RECHTSBÜRGER IN ANSPRUCH GENOMMEN UND VOM GERICHT ANGEWANDT WERDEN ZU KÖNNEN. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Wiederholungs- und Vertiefungsfrage: In welchen Fällen kann die Nichtumsetzung von Richtlinien eine Staatshaftung nach sich ziehen ? Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Sachverhalt (n. EuGH, 14.7.94, Rs. C-91/92, Faccini Dori) Die Klägerin des Ausgangsverfahrens wurde am 19.1.1989 während einer Reise in der Nähe des Mailänder Bahnhofs überredet, einen Vertrag zu unterschreiben, mit dem sie bei der Firma Interdiffusion einen Fernkurs für Englisch zum Preis von 589.000 Lire bestellte. Zu Hause angekommen, überlegte es sich die Klägerin anders und erklärte den Rücktritt vom Vertrag. Interdiffusion lehnte den Rücktritt ab und trat seine Ansprüche an ein Inkassobüro ab. Dieses erwirkte einen Mahnbescheid gegen die Klägerin. Die Klägerin legte Widerspruch ein. Das mit dem Widerspruch befasste Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob die Klägerin aus der RL 85/577 ein Widerrufsrecht ableiten könne: Diese sog. “Haustürgeschäfte-RL” sieht in ihrem Art. 5 ausdrücklich vor, dass Verbraucher in solchen Fällen binnen sieben Tagen zurücktreten können. Die RL war bis Ende 1987 in innerstaatliches Recht umzusetzen. Diese war in Italien jedoch erst am am 2.3.1992 geschehen. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 14.7.94, Rs. C-91/92, Faccini Dori (Auszug) [19] Bei dem zweiten vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Problem geht es genauer um die Frage, ob der Verbraucher, wenn innerhalb der vorgesehenen Frist keine Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie erlassen worden sind, ein Widerrufsrecht gegenüber dem Gewerbetreibenden, mit dem er einen Vertrag geschlossen hat, auf die Richtlinie selbst stützen und vor einem nationalen Gericht geltend machen kann. [20] Wie der Gerichtshof seit dem Urteil vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 152/84 (Marshall, ...) in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, kann eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Bürger begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist. [24] Eine Ausdehnung dieser Rechtsprechung auf den Bereich der Beziehungen zwischen den Bürgern hieße, der Gemeinschaft die Befugnis zuzuerkennen, mit unmittelbarer Wirkung zu Lasten der Bürger Verpflichtungen anzuordnen, obwohl sie dies nur dort darf, wo ihr die Befugnis zum Erlass von Verordnungen zugewiesen ist. [25] Folglich kann der Verbraucher, wenn die Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie nicht innerhalb der vorgesehenen Frist erlassen worden sind, ein Widerrufsrecht gegenüber dem Gewerbetreibenden, mit dem er einen Vertrag geschlossen hat, nicht auf die Richtlinie selbst stützen und vor einem nationalen Gericht geltend machen. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 14.7.94, Rs. C-91/92, Faccini Dori (Auszug) [26] Zudem ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/83 (Von Colson und Kamann ...) die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in dieser vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß {Art. 4 Abs. 3 EUV}, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten obliegen, und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten. Wie sich aus den Urteilen des Gerichtshofes vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-106/89 (Marleasing ...) und vom 16. Dezember 1993 in der Rechtssache C-334/92 (Wagner Miret ...) ergibt, muss ein nationales Gericht, soweit es bei der Anwendung des nationalen Rechts - gleich, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt - dieses Recht auszulegen hat, seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Artikel {288 Abs. 3 AEUV} nachzukommen. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 14.7.94, Rs. C-91/92, Faccini Dori (Auszug) [27] Für den Fall, dass das von der Richtlinie vorgeschriebene Ziel nicht im Wege der Auslegung erreicht werden kann, ist außerdem darauf hinzuweisen, dass das Gemeinschaftsrecht gemäß dem Urteil vom 19. November 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 (Francovich u. a. ...) die Mitgliedstaaten zum Ersatz der den Bürgern durch die Nichtumsetzung einer Richtlinie verursachten Schäden verpflichtet, sofern drei Voraussetzungen vorliegen. Zunächst muss Ziel der Richtlinie die Verleihung von Rechten an Bürger sein. Sodann muss der Inhalt dieser Rechte auf der Grundlage der Richtlinie bestimmt werden können. Schließlich muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat auferlegte Verpflichtung und dem entstandenen Schaden bestehen. [28] Die Richtlinie über die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge hat unbestreitbar die Verleihung von Rechten an Bürger zum Ziel, und ebenso sicher steht fest, dass der Mindestinhalt dieser Rechte allein auf der Grundlage der Richtlinie bestimmt werden kann (...). [29] Läge also ein Schaden vor und wäre dieser Schaden durch den Verstoß gegen die dem Mitgliedstaat auferlegte Verpflichtung verursacht worden, so hätte das vorlegende Gericht den Anspruch der geschädigten Verbraucher auf Schadensersatz im Rahmen des nationalen Haftungsrechts sicherzustellen. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Sachverhalt (n. EuGH, 19.11.91, Verb. Rs. C-6 u. C-9/90 Francovich) Die RL 80/987 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers verpflichtet die Mitgliedstaaten, Garantieeinrichtungen zu schaffen, welche im Fall eines Konkurses sicherstelllen, dass die noch ausstehenden Lohnforderungen der Arbeitnehmer vorrangig und außerhalb der Konkursquote befriedigt werden können. Hinsichtlich der Detailregelung haben die Mitgliedstaaten gewisse Ermessensspielräume. Herr Francovich war bei einem Unternehmen in Italien beschäftigt, das nach Ablauf der Umsetzungsfrist und vor der verspäteten Umsetzung der RL in Italien in Konkurs fiel. Herr Francovich verlangte daher vom italienischen Staat die in der RL vorgesehenen Mindestgarantieleistungen, hilfsweise Schadensersatz. Das italienische Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob der RL Direktwirkung zukomme bzw. Italien für Schäden wegen der verspäteten Umsetzung hafte. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 19.11.91, Verb. Rs. C-6 u. C-9/90 Francovich (Auszug): [26] Obwohl also die in Rede stehenden Richtlinienvorschriften in bezug auf die Bestimmung des Personenkreises, dem die Garantie zugute kommen soll, und den Inhalt dieser Garantie unbedingt und hinreichend genau sind, kann sich der einzelne deshalb noch nicht vor den nationalen Gerichten auf diese Vorschriften berufen. Zum einen regeln sie nämlich nicht, wer Schuldner der Garantieansprüche ist; zum anderen kann der Staat nicht allein deshalb als Schuldner angesehen werden, weil er die Richtlinie nicht fristgemäß umgesetzt hat. [27] Auf den ersten Teil der ersten Frage ist somit zu antworten, dass die Betroffenen nach den Bestimmungen der Richtlinie 80/987, die die Rechte der Arbeitnehmer festlegen, diese Rechte mangels fristgemäß erlassener Durchführungsmaßnahmen nicht vor den nationalen Gerichten dem Staat gegenüber geltend machen können. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 19.11.91, Verb. Rs. C-6 u. C-9/90 Francovich (Auszug): [33] Die volle Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen wäre beeinträchtigt und der Schutz der durch sie begründeten Rechte gemindert, wenn der einzelne nicht die Möglichkeit hätte, für den Fall eine Entschädigung zu erlangen, dass seine Rechte durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht verletzt werden, der einem Mitgliedstaat zuzurechnen ist. [34] Die Möglichkeit einer Entschädigung durch den Mitgliedstaat ist vor allem dann unerlässlich, wenn die volle Wirkung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen wie im vorliegenden Fall davon abhängt, dass der Staat tätig wird, und der einzelne deshalb im Falle einer Untätigkeit des Staates die ihm durch das Gemeinschaftsrecht zuerkannten Rechte vor den nationalen Gerichten nicht geltend machen kann. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 19.11.91, Verb. Rs. C-6 u. C-9/90 Francovich (Auszug): [35] Der Grundsatz einer Haftung des Staates für Schäden, die dem einzelnen durch dem Staat zurechenbare Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, folgt somit aus dem Wesen der mit {den Verträgen} geschaffenen Rechtsordnung. [36] Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Ersatz dieser Schäden findet auch in {Art. 4 Abs. 3 EUV} eine Stütze, nach dem die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht zu treffen haben. Zu diesen Verpflichtungen gehört auch diejenige, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben ... [37] Es ist nach alledem ein Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, dass die Mitgliedstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet sind, die dem einzelnen durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, die diesen Staaten zuzurechnen sind. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 19.11.91, Verb. Rs. C-6 u. C-9/90 Francovich (Auszug): [39] Verstößt ein Mitgliedstaat wie im vorliegenden Fall gegen seine Verpflichtung aus {Artikel 288 Absatz 3 AEUV}, alle erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung des durch eine Richtlinie vorgeschriebenen Ziels zu erlassen, so verlangt die volle Wirksamkeit dieser gemeinschaftsrechtlichen Regelung einen Entschädigungsanspruch, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind. [40] Erstens muss das durch die Richtlinie vorgeschriebene Ziel die Verleihung von Rechten an einzelne beinhalten. Zweitens muss der Inhalt dieser Rechte auf der Grundlage der Richtlinie bestimmt werden können. Drittens muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat auferlegte Verpflichtung und dem den Geschädigten entstandenen Schaden bestehen. [41] Diese Voraussetzungen reichen aus, um dem einzelnen einen Anspruch auf Entschädigung zu geben, der unmittelbar im Gemeinschaftsrecht begründet ist. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Das System zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit von Richtlinien Art. 4 Abs. 3 EUV „effet utile“ Sperrwirkung/ Frustrationsverbot/ Vereitelungsverbot richtlinienkonforme Auslegung ausnahmsweise Direktwirkung Staatshaftung für Schadensersatz Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH (Große Kammer), 19. Januar 2010, Urteil in der Rechtssache C-555/07 Kücükdeveci / Swedex GmbH & Co. KG Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 4/10: „Nach deutschem Arbeitsrecht verlängern sich die vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfristen stufenweise mit zunehmender Dauer des Arbeitsverhältnisses. Vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegende Beschäftigungszeiten werden bei der Berechnung jedoch nicht berücksichtigt.“ Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann § 622 BGB Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen (1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. (2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen 1. zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats, 2. fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats, 3. acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats, 4. zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats, … Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt. … Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann „Frau Kücükdeveci war seit ihrem vollendeten 18. Lebensjahr bei dem Unternehmen Swedex beschäftigt. Im Alter von 28 Jahren wurde sie unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat entlassen. Der Arbeitgeber berechnete die Kündigungsfrist unter Zugrundelegung einer Beschäftigungsdauer von drei Jahren, obwohl die Arbeitnehmerin seit zehn Jahren bei ihm beschäftigt war. Wie in den deutschen Rechtsvorschriften vorgesehen, hatte er die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs liegenden Beschäftigungszeiten von Frau Kücükdeveci bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt. Frau Kücükdeveci klagte gegen ihre Entlassung und machte geltend, dass diese Regelung eine unionsrechtlich verbotene Diskriminierung wegen des Alters darstelle. Die Kündigungsfrist hätte 4 Monate betragen müssen, was einer Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren entspreche. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Das als Berufungsgericht angerufene Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat den Gerichtshof zur Vereinbarkeit einer solchen Kündigungsregelung mit dem Unionsrecht und zu den Folgen einer etwaigen Unvereinbarkeit befragt. Der Gerichtshof prüft diese Fragen auf der Grundlage des jede Diskriminierung wegen des Alters verbietenden allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts, wie er in der Richtlinie 2000/78 konkretisiert ist. Da Frau Kücükdeveci nach dem Zeitpunkt entlassen worden war, bis zu dem die Bundesrepublik Deutschland die Richtlinie 2000/78 in innerstaatliches Recht umzusetzen hatte, bewirkte diese Richtlinie nämlich, dass die deutsche Kündigungsregelung in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Kündigungsregelung eine Ungleichbehandlung enthält, die auf dem Kriterium des Alters beruht. Diese Regelung sieht eine weniger günstige Behandlung für Arbeitnehmer vor, die ihre Beschäftigung bei dem Arbeitgeber vor Vollendung des 25. Lebensjahrs aufgenommen haben. Sie behandelt somit Personen, die die gleiche Betriebszugehörigkeitsdauer aufweisen, unterschiedlich, je nachdem, in welchem Alter sie in den Betrieb eingetreten sind. Obwohl die Ziele dieser Kündigungsregelung zur Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik gehören und daher legitim sind, ist die Regelung zur Erreichung dieser Ziele nicht angemessen oder geeignet. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Zu dem vom nationalen Gericht angeführten Ziel, dem Arbeitgeber eine größere personalwirtschaftliche Flexibilität zu verschaffen, indem seine Belastung im Zusammenhang mit der Entlassung jüngerer Arbeitnehmer verringert werde, denen eine größere berufliche und persönliche Mobilität zugemutet werden könne, stellt der Gerichtshof fest, dass die fragliche Regelung keine im Hinblick auf die Erreichung dieses Zieles angemessene Maßnahme ist, weil sie für alle Arbeitnehmer, die vor Vollendung des 25. Lebensjahrs in den Betrieb eingetreten sind, unabhängig davon gilt, wie alt sie zum Zeitpunkt ihrer Entlassung sind. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Der Gerichtshof gelangt daher zu dem Ergebnis, dass das Unionsrecht, insbesondere das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78, einer nationalen Regelung wie der deutschen entgegensteht, nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahrs liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Der Gerichtshof erinnert sodann daran, dass eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist. Der Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf wird in der Richtlinie 2000/78 jedoch nur konkretisiert. Zudem ist das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts. Es obliegt daher dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78 anhängig ist, im Rahmen seiner Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergibt, sicherzustellen und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, indem es erforderlichenfalls jede diesem Verbot entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Nachdem er auf die Möglichkeit für das nationale Gericht hingewiesen hat, den Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung um Auslegung des Unionsrechts zu ersuchen, stellt der Gerichtshof abschließend fest, dass es dem nationalen Gericht obliegt, in einem Rechtsstreit zwischen Privaten die Beachtung des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78 sicherzustellen, indem es erforderlichenfalls entgegenstehende Vorschriften des innerstaatlichen Rechts unangewendet lässt, unabhängig davon, ob es von seiner Befugnis Gebrauch macht, den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung über die Auslegung dieses Verbots zu ersuchen.“ Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Wiederholungs- und Vertiefungsfrage: Welche Möglichkeiten stehen der Kommission zur Verfügung, wenn ein Mitgliedstaat eine Richtlinie nicht umsetzt? Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Artikel 258 AEUV Hat nach Auffassung der Kommission ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus diesen Verträgen verstoßen, so gibt sie eine mit Gründen versehene Stellungnahme hierzu ab; sie hat dem Staat zuvor Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Kommt der Staat dieser Stellungnahme innerhalb der von der Kommission gesetzten Frist nicht nach, so kann die Kommission den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Artikel 259 AEUV Jeder Mitgliedstaat kann den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen, wenn er der Auffassung ist, dass ein anderer Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat. Bevor ein Mitgliedstaat wegen einer angeblichen Verletzung der Verpflichtungen aus den Verträgen gegen einen anderen Staat Klage erhebt, muss er die Kommission damit befassen. Die Kommission erlässt eine mit Gründen versehene Stellungnahme; sie gibt den beteiligten Staaten zuvor Gelegenheit zu schriftlicher und mündlicher Äußerung in einem kontradiktorischen Verfahren. Gibt die Kommission binnen drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem ein entsprechender Antrag gestellt wurde, keine Stellungnahme ab, so kann ungeachtet des Fehlens der Stellungnahme vor dem Gerichtshof geklagt werden. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Artikel 260 AEUV (1) Stellt der Gerichtshof der Europäischen Union fest, dass ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat, so hat dieser Staat die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben. (2) Hat der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben, nach Auffassung der Kommission nicht getroffen, so kann die Kommission den Gerichtshof anrufen, nachdem sie diesem Staat zuvor Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Hierbei benennt sie die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds, die sie den Umständen nach für angemessen hält. Stellt der Gerichtshof fest, dass der betreffende Mitgliedstaat seinem Urteil nicht nachgekommen ist, so kann er die Zahlung eines Pauschalbetrags oder Zwangsgelds verhängen. Dieses Verfahren lässt den Artikel 259 unberührt. (3) Erhebt die Kommission beim Gerichtshof Klage nach Artikel 258, weil sie der Auffassung ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, Maßnahmen zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen, so kann sie, wenn sie dies für zweckmäßig hält, die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds benennen, die sie den Umständen nach für angemessen hält. Stellt der Gerichtshof einen Verstoß fest, so kann er gegen den betreffenden Mitgliedstaat die Zahlung eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds bis zur Höhe des von der Kommission genannten Betrags verhängen. Die Zahlungsverpflichtung gilt ab dem vom Gerichtshof in seinem Urteil festgelegten Zeitpunkt. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Umsetzung der Binnenmarktrichtlinien Siehe IP 13/127 Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Umsetzung der Binnenmarktrichtlinien Brüssel, 29. September 2011 – In der derzeitigen Krise kommt dem Binnenmarkt eine Schlüsselrolle dabei zu, Europa aus der wirtschaftlichen Stagnation zu führen. Doch jedes Mal, wenn EU-Vorschriften durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten nicht fristgerecht in einzelstaatliches Recht umgesetzt werden, entsteht eine Lücke im EU-Rechtsrahmen, was zu Fragmentierung führt. Folglich können die ökonomischen Interessen aller Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Heute macht der Binnenmarktanzeiger der Europäischen Kommission deutlich, dass die Mitgliedstaaten dringend ihre jüngsten Anstrengungen zur Umsetzung von EU-Vorschriften forcieren müssen. Im letzten Referenzzeitraum (die letzten sechs Monate) haben 16 der 27 EU-Mitgliedstaaten das von den Staats- und Regierungschefs 2007 festgelegte Ziel eines Umsetzungsdefizits von höchstens 1 % nicht erreicht. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Umsetzung der Binnenmarktrichtlinien Dies bedeutet, dass durchschnittlich 1,2 % der Binnenmarktrichtlinien, deren Umsetzungsfrist bereits abgelaufen ist, noch nicht in nationales Recht überführt wurden. Im November 2010 waren es 0,9 %. Allerdings haben Mitgliedstaaten die zusätzliche Zeit, die sie für die Umsetzung von EU-Richtlinien in einzelstaatliches Recht benötigten, auf durchschnittlich 5,5 Monate verkürzt. Ferner ist positiv anzumerken, dass hinsichtlich der Anwendung des EU-Rechts die Zahl der Vertragsverletzungen seit 2007 um ein Viertel zurückgegangen ist. Derzeit entfallen die meisten Vertragsverletzungsverfahren auf Belgien, gefolgt von Griechenland und Italien. Unter Berücksichtigung aller Durchsetzungsindikatoren schneiden Malta und Lettland nach wie vor am besten ab. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Umsetzung der Binnenmarktrichtlinien Die Gesamtzahl der Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt fällt weiter – seit 2007 ist sie um ein Viertel zurückgegangen. Derzeit liegt die durchschnittliche Zahl der anhängigen Vertragsverletzungsverfahren bei 37 pro Mitgliedstaat gegenüber 40 sechs Monate zuvor. Derzeit entfallen die meisten Vertragsverletzungsverfahren auf Belgien, gefolgt von Griechenland und Italien. Die Mitgliedstaaten sind zu sofortigem Handeln verpflichtet, um den Urteilen des EuGH Folge zu leisten. Trotzdem dauert es sehr lange – im Schnitt mehr als 17 Monate – bis ein Urteil befolgt wird. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Länderkürzel AT Österreich BE Belgien BG Bulgarien CY Zypern CZ Tschechische Republik DK Dänemark DE Deutschland EE Estland EL Griechenland ES Spanien FI Finnland FR Frankreich HU Ungarn IT Italienrittswillige LT Litauen LU Luxemburg LV Lettland MT Malta NL Niederlande PL Polen PT Portugal RO Rumänien SE Schweden SI Slowenien SK Slowakei UK Vereinigtes Königreich IE Irlandänder Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Rechtssache C-119/04 Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik TENOR: 1. Die Italienische Republik hat nicht alle Maßnahmen durchgeführt, die sich aus dem Urteil vom 26. Juni 2001 in der Rechtssache C-212/99 (Kommission/Italien) ergeben haben, und damit gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 228 EG verstoßen, indem sie bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist nicht für die Anerkennung der von den ehemaligen Fremdsprachenlektoren, die sodann als muttersprachliche sprachwissenschaftliche Mitarbeiter und Experten tätig waren, erworbenen Rechte gesorgt hat, obwohl allen inländischen Arbeitnehmern eine solche Anerkennung zuteil wurde. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Rechtssache C-177/04 Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik TENOR: 1. Die Französische Republik hat dadurch nicht alle Maßnahmen, die sich aus dem Urteil vom 25. April 2002 in der Rechtssache C-52/00, Kommission/Frankreich, in Bezug auf die Umsetzung von Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte ergeben, ergriffen und damit gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 228 EG verstoßen, dass sie, wenn der Hersteller nicht festgestellt werden kann, den Lieferanten des fehlerhaften Produktes weiterhin auch dann in gleicher Weise wie den Hersteller haften lässt, wenn er dem Geschädigten innerhalb angemessener Zeit die Person benennt, die ihm das Produkt geliefert hat. 2. Die Französische Republik wird verurteilt, der Kommission auf das Konto „Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaft“ ein Zwangsgeld in Höhe von 31 650 Euro pro Tag des Verzugs beim Ergreifen der Maßnahmen, die für die vollständige Durchführung des Urteils Kommission/Frankreich vom 25. April 2002 erforderlich sind, von der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zur vollständigen Durchführung des genannten Urteils vom 25. April 2002 zu zahlen. 3. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Rechtssache C-304/02 Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik TENOR: 1. Die Französische Republik hat nicht alle Maßnahmen ergriffen, die sich aus dem Urteil vom 11. Juni 1991 in der Rechtssache C-64/88, Kommission/Frankreich, ergeben, und deshalb gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 228 EG verstoßen, indem sie – nicht für eine den Anforderungen der Gemeinschaftsbestimmungen entsprechende Kontrolle der Fischereitätigkeiten gesorgt hat und – nicht dafür gesorgt hat, dass Verstöße gegen die Regelung der Fischereitätigkeiten gemäß den Anforderungen der Gemeinschaftsbestimmungen verfolgt werden. 2. Die Französische Republik wird verurteilt, an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf das Konto „Eigene Mittel der Europäischen Gemeinschaft“ ein Zwangsgeld in Höhe von 57 761 250 Euro für jeden Sechsmonatszeitraum ab der Verkündung des vorliegenden Urteils, an dessen Ende das Urteil vom 11. Juni 1991, Kommission/Frankreich, noch nicht vollständig durchgeführt ist, zu zahlen. 3. Die Französische Republik wird verurteilt, an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf das Konto „Eigene Mittel der Europäischen Gemeinschaft“ einen Pauschalbetrag in Höhe von 20 000 000 Euro zu zahlen. 4. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Rechtssache C-278/01 Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Spanien TENOR: 1. Das Königreich Spanien hat dadurch, dass es entgegen seiner Verpflichtungen aus Artikel 4 der Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer (ABl. 1976, L 31, S. 1) nicht die Maßnahmen getroffen hat, die notwendig sind, um sicherzustellen, dass die Qualität der spanischen Binnenbadegewässer den gemäß Artikel 3 dieser Richtlinie festgelegten Grenzwerten entspricht, nicht alle Maßnahmen ergriffen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 12. Februar 1998 in der Rechtssache C-92/96 (Kommission/Spanien) ergeben, und damit gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 228 EG verstoßen. 2. Das Königreich Spanien wird verurteilt, an die Kommission auf das Konto Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaft ein jährliches Zwangsgeld in Höhe von 624 150 Euro für jedes Prozent der Badegebiete im Bereich der spanischen Binnenbadegewässer zu zahlen, das nach der Feststellung für das fragliche Jahr nicht den gemäß der Richtlinie 76/160 festgelegten Grenzwerten entspricht, und zwar von der Feststellung der in der ersten Badesaison nach der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache erreichten Qualität der Badegewässer an bis zu dem Jahr, in dem das Urteil Kommission/Spanien vollständig durchgeführt ist. 3. Das Königreich Spanien trägt die Kosten des Verfahrens. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Rechtssache C-387/97 Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Griechenland TENOR (Auszug): 1. Die Hellenische Republik hat dadurch nicht alle Maßnahmen durchgeführt, die sich aus dem Urteil vom 7. April 1992 in der Rechtssache C-45/91 (Kommission/Griechenland) ergeben haben und gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 171 EG-Vertrag verstoßen, daß sie nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um gemäß Artikel 4 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle sicherzustellen, daß die Abfälle in der Region Chania beseitigt werden, ohne die menschliche Gesundheit zu gefährden und die Umwelt zu schädigen, und daß sie für diese Region keine Abfallbeseitigungspläne gemäß Artikel 6 der Richtlinie 75/442 und keine Pläne für die Beseitigung der giftigen und gefährlichen Abfallstoffe gemäß Artikel 12 der Richtlinie 78/319/EWG des Rates vom 20. März 1978 über giftige und gefährliche Abfälle erstellt hat. 2. Die Hellenische Republik wird verurteilt, der Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf das Konto "Eigene Mittel der EG" ein Zwangsgeld in Höhe von 20 000 EURO pro Tag Verzug bei der Durchführung der Maßnahmen zu zahlen, die erforderlich sind, um dem obengenannten Urteil Kommission/Griechenland nachzukommen, und zwar von der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zur Durchführung des Urteils Kommission/Griechenland. 3. Die Hellenische Republik trägt die Kosten des Verfahrens. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Artikel 260 AEUV (1) Stellt der Gerichtshof der Europäischen Union fest, dass ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat, so hat dieser Staat die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben. (2) Hat der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben, nach Auffassung der Kommission nicht getroffen, so kann die Kommission den Gerichtshof anrufen, nachdem sie diesem Staat zuvor Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Hierbei benennt sie die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds, die sie den Umständen nach für angemessen hält. Stellt der Gerichtshof fest, dass der betreffende Mitgliedstaat seinem Urteil nicht nachgekommen ist, so kann er die Zahlung eines Pauschalbetrags oder Zwangsgelds verhängen. Dieses Verfahren lässt den Artikel 259 unberührt. (3) Erhebt die Kommission beim Gerichtshof Klage nach Artikel 258, weil sie der Auffassung ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, Maßnahmen zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen, so kann sie, wenn sie dies für zweckmäßig hält, die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds benennen, die sie den Umständen nach für angemessen hält. Stellt der Gerichtshof einen Verstoß fest, so kann er gegen den betreffenden Mitgliedstaat die Zahlung eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds bis zur Höhe des von der Kommission genannten Betrags verhängen. Die Zahlungsverpflichtung gilt ab dem vom Gerichtshof in seinem Urteil festgelegten Zeitpunkt. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Beschlüsse Art. 288 Abs. 4 EUV Beschlüsse sind in allen ihren Teilen verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Beschlüsse • • • haben exekutivischen, d.h. vollziehenden Charakter; treffen verbindliche Einzelfallregelungen; sind nach Art. 288 Abs. 4 AEUV in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet; • sind ansatzweise mit einem Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) vergleichbar; Adressaten können Individuen (z.B. kartellrechtliche Entscheidung) oder Mitgliedstaaten sein (z.B. Entscheidung im Verfahren der Beihilfenaufsicht). • Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Empfehlungen und Stellungnahmen Art. 288 Abs. 5 EUV Die Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 13.12.1989, Rs. C-322/88 Grimaldi (Auszug) [13] ... Empfehlungen, die gemäß {Artikel 288 Abs. 5 AEUV} nicht verbindlich sind, {werden} im allgemeinen dann von den Organen der Gemeinschaft ausgesprochen ..., wenn diese nach dem {AEUV} nicht ermächtigt sind, rechtsverbindliche Maßnahmen zu erlassen, oder wenn nach ihrer Ansicht kein Anlass zu einer zwingenderen Regelung besteht . [14] Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes (...), wonach die Wahl der Form die Rechtsnatur einer Maßnahme nicht ändern kann, ist allerdings zu prüfen, ob der Inhalt einer Maßnahme tatsächlich mit der für sie gewählten Form übereinstimmt. [16] Unter diesen Umständen kann kein Zweifel daran bestehen, dass die fraglichen Maßnahmen echte Empfehlungen sind, d . h . Handlungen, die auch gegenüber ihren Adressaten keine bindende Wirkung entfalten sollen. Sie können folglich für die einzelnen keine vor den innerstaatlichen Gerichten durchsetzbaren Rechte begründen . Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann EuGH, 13.12.1989, Rs. C-322/88 Grimaldi (Auszug) [18] Um jedoch die Frage des vorlegenden Gerichts vollständig zu beantworten, ist darauf hinzuweisen, dass die fraglichen Maßnahmen nicht als rechtlich völlig wirkungslos angesehen werden können. Die innerstaatlichen Gerichte sind nämlich verpflichtet, bei der Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten die Empfehlungen zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn diese Aufschluß über die Auslegung zu ihrer Durchführung erlassener innerstaatlicher Rechtsvorschriften geben oder wenn sie verbindliche gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen . Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Grünbuch Die von der Kommission veröffentlichten Grünbücher sollen auf europäischer Ebene eine Debatte über grundlegende politische Ziele in bestimmten Bereichen (z.B. Sozialpolitik) in Gang setzen. Die durch ein Grünbuch eingeleiteten Konsultationen können die Veröffentlichung eines Weißbuchs zur Folge haben, in dem konkrete Maßnahmen für ein gemeinschaftliches Vorgehen vorgeschlagen werden. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Weißbuch Die von der Kommission veröffentlichten Weißbücher enthalten Vorschläge für ein gemeinschaftliches Vorgehen in einem bestimmten Bereich. Als Beispiele seien genannt: die Weißbücher zur Vollendung des Binnenmarktes, zu Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung sowie zur Angleichung der binnenmarkt-relevanten Rechtsvorschriften der assoziierten Staaten Mittel- und Osteuropas. Wird ein Weißbuch vom Rat positiv aufgenommen, kann aus ihm ein Aktionsprogramm der Union für den betreffenden Bereich entstehen. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Rechtsquellen Völkerrechtsabkommen Assoziierungsabkommen, Kooperationsabkommen, Handelsabkommen (u.a. WTO) Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Artikel 218 AEUV (1) Unbeschadet der besonderen Bestimmungen des Artikels 207 werden Übereinkünfte zwischen der Union und Drittländern oder internationalen Organisationen nach dem im Folgenden beschriebenen Verfahren ausgehandelt und geschlossen. (2) Der Rat erteilt eine Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen, legt Verhandlungsrichtlinien fest¸ genehmigt die Unterzeichnung und schließt die Übereinkünfte. (3) Die Kommission … Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Artikel 207 AEUV (1) Die gemeinsame Handelspolitik wird nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet; dies gilt insbesondere für die Änderung von Zollsätzen, für den Abschluss von Zoll- und Handelsabkommen, die den Handel mit Waren und Dienstleistungen betreffen, und für die Handelsaspekte des geistigen Eigentums, die ausländischen Direktinvestitionen, die Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik sowie die handelspolitischen Schutzmaßnahmen, zum Beispiel im Fall von Dumping und Subventionen. Die gemeinsame Handelspolitik wird im Rahmen der Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der Union gestaltet. (2) Das Europäische Parlament und der Rat erlassen durch Verordnungen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren die Maßnahmen, mit denen der Rahmen für die Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik bestimmt wird. (3) Sind mit einem oder mehreren Drittländern oder internationalen Organisationen Abkommen auszuhandeln und zu schließen, so findet Artikel 218 vorbehaltlich der besonderen Bestimmungen dieses Artikels Anwendung … Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Artikel 217 AEUV Die Union kann mit einem oder mehreren Drittländern oder einer oder mehreren internationalen Organisationen Abkommen schließen, die eine Assoziierung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten, gemeinsamem Vorgehen und besonderen Verfahren herstellen. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Rechtsquellen, Rechtsakte Vertiefungshinweise Arndt/Fischer/Fetzer, Teil, Rn. 153-208. Europarecht, Herdegen, Europarecht, § 8, Rn. 1-58. Hobe, Europarecht,§ 10, Rn. 1-44. Oliver Suhr und Sebastian Zeitzmann Vierter