Die Chefdirigenten des Bruckner Orchesters Linz

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Autorin: Marie-Therese Rudolph
Die Chefdirigenten des
Bruckner Orchesters Linz
Mit Kurt Wöss als Chefdirigenten (1967–1975) ging das neu gegründete Bruckner
Orchester Linz 1967 in seine erste Saison; neu war diese Zusammenarbeit allerdings
nicht, denn Wöss war bereits seit 1961 Opernchef am Landestheater und daher dem
Orchester bestens vertraut. Er war es auch, der einen Plan zur Weiterentwicklung des
Theaterorchesters vorgelegt und den Namen „Bruckner Orchester“ vorgeschlagen
hatte.
Wöss studierte in Wien bei Felix Weingartner Dirigieren sowie Musikwissenschaft bei
Robert Haas, Alfred Orel und Egon Wellesz. Nach dem Krieg war er einige Jahre
Chefdirigent des Niederösterreichischen Tonkünstler-Orchesters, dann wirkte er von
1951 bis 1954 in Japan und anschließend beim Victorian Symphony Orchestra in
Melbourne sowie an der australischen Nationaloper. Der Brucknerspezialist starb
während der Proben an einer Brucknersymphonie mit den Dresdner
Philharmonikern.
Ab 1975 folgte bis 1983 Theodor Guschlbauer, der das qualitative Niveau des
Orchesters konsequent steigern konnte und somit nachhaltige Akzente setzte. Ihm
wurde auch die – in der Geschichte des Bruckner Orchesters einmalige – Ehre der
Verleihung des Titels eines Generalmusikdirektors zuteil.
Guschlbauer studierte an der Wiener Musikhochschule unter anderem bei Hans
Swarowsky und belegte Kurse bei Lovro von Matacic und Herbert von Karajan. Er
war an der Wiener Volksoper und als Erster Kapellmeister am Salzburger
Landestheater engagiert, ab 1969 als Opernchef in Lyon und von 1975 bis 1983
Generalmusikdirektor in Linz sowie gleichzeitig auch an der Wiener Staatsoper. 1983
wurde Guschlbauer Opernchef und Künstlerischer Leiter des Orchestre
Philharmonique in Straßburg und von 1997 bis 2001 Generalmusikdirektor der
Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen.
Auf Theodor Guschlbauer folgte für zwei Jahre Roman Zeilinger (1983–1985), der
dann Intendant des Landestheaters wurde. Der Wiener Zeilinger arbeitete schon seit
1964 am Theater, zuerst als Repetitor, später als Erster Kapellmeister.
Auf Roman Zeilinger folgte Manfred Mayrhofer für die Jahre 1985 bis 1992. Der
gebürtige Lembacher dirigierte die meisten Konzerte des Bruckner Orchesters selbst
und sorgte so für ein stabiles künstlerisches Niveau.
Von 1992 bis 2000 war Martin Sieghart Chefdirigent, die Funktion des Opernchefs
hatte er allerdings nur bis 1998, bis zum Ende der Ära des Intendanten Roman
Zeilinger, inne.
Sieghart war zehn Jahre Cellist bei den Wiener Symphonikern und übernahm im
Jahr 2000 eine Professur für Dirigieren an der Musikuniversität Graz. Sein
Engagement für das Orchester ging über künstlerische Belange hinaus: Er ist
Gründungsmitglied des Vereines der Freunde des Bruckner Orchesters presto.
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Von 2000 bis 20002 übernahm Ingo Ingensand interimistisch die Leitung des
Orchesters und trägt seither den Titel „Resident Conductor“. Er ist dem Orchester
seit langem verbunden, wirkt er doch bereits seit 1985 als Erster Kapellmeister am
Landestheater Linz.
Im Jahr 2001 arbeitete das Orchester dann erstmals mit seinem designierten
Chefdirigenten Dennis Russell Davies, der seit der Saison 2002/03 diese Position
innehat. Mit ihm bekam das Bruckner Orchester Linz einen international gefragten,
programmatisch aufgeschlossenen Chefdirigenten mit einer besonderen Vorliebe für
das Musiktheater und für amerikanische Musik. Ein breit gefächertes Repertoire vom
Barock bis zur jüngsten Moderne sowie spannende, liebevoll konzipierte
Konzertprogramme sind seine Markenzeichen.
Dennis Russell Davies stammt aus Toledo/Ohio und ist seit 1968 im Musikgeschehen
aktiv. Gemeinsam mit dem 2003 verstorbenen italienischen Komponisten Luciano
Berio gründete er damals das Juilliard Ensemble, 1972 bis 1980 war er musikalischer
Leiter des Saint Paul Chamber Orchestras und von 1980 bis 1987
Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart. Als Generalmusikdirektor der Oper
Bonn sowie beim Orchester der Beethovenhalle in Bonn wirkte Davies von 1987 bis
1995, 1977 bis 2002 war er künstlerischer Leiter und Chefdirigent des American
Composers Orchestra in New York. Von 1996 bis 2002 fungierte er schließlich als
Chefdirigent des Radiosymphonieorchesters Wien. Von August 1995 bis September
2006 war Davies zudem Chefdirigent des Stuttgarter Kammerorchesters.
Er dirigierte an den Opernhäusern von Paris, an der Metropolitan Opera New York
und in Chicago, an der Houston Grand Opera, in San Francisco sowie an der
Hamburgischen und Bayerischen Staatsoper München. Außerdem war er als
Gastdirigent bei den Bayreuther Festspielen (Der Fliegende Holländer), den
Salzburger Festspielen (Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny) und beim Lincoln
Center Festival New York (Four Saints in Three Acts und White Raven, beide
Produktionen von Robert Wilson). Davies arbeitete mit Regisseuren wie Harry
Kupfer, Götz Friedrich, Achim Freyer, Peter Zadek, Robert Altmann, Juri Ljubimov,
Daniela Kurz oder Ken Russell zusammen. Zudem hat er seit 1998 eine ordentliche
Professur für Orchesterdirigieren an der Universität Mozarteum in Salzburg inne.
Dennis Russell Davies studierte bereits in der Saison 2001/02 als seine erste Arbeit
am Landestheater Linz Bernsteins West Side Story ein, dirigierte Konzerte mit der
Zweiten und Siebten Symphonie Anton Bruckners, der Neunten Symphonie
Beethovens sowie den Planeten von Gustav Holst; letzteres Werk spielte er mit dem
Orchester auch auf CD ein. In der Saison 2002/03 folgten Cavalleria Rusticana/I
Pagliacci und die Europäische Erstaufführung von The Voyage von Philip Glass. Am
Linzer Landestheater dirigierte er weiters Carmen, Die Zauberflöte und Tosca,
zudem Wagners Rheingold konzertant im Brucknerhaus.
An der Houston Grand Opera brachte er eine Neuproduktion von Janaceks Jenufa
und an der Chicago Lyric Opera die Uraufführung von William Bolcoms A Wedding
in der Regie von Robert Altmann heraus. An der Metropolitan Opera in New York
dirigierte er eine Aufführungsserie von Cavalleria rusticana und I Pagliacci.
Im September 2003 war erstmals ein mehrteiliges Konzert im Rahmen der Ars
Electronica geplant. Principles of Indeterminism wurde zum Motto auserkoren und
Dennis Russell Davies stand gemeinsam mit der Pianistin Maki Namewaki auf der
Bühne.
Am Landestheater folgten in den nächsten Spielzeiten u. a. Produktionen von Tosca,
Die Entführung aus dem Serail, Otello, The fairy Queen von Henry Purcell, La
Traviata, Don Giovanni und Ariadne auf Naxos. Besonders gefeiert wurde die
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Aufführung von Philip Glass’ Orphée in der Saison 2006/07. Im Herbst 2007 leitete
Davies überdies die Uraufführung von Glass’ Appomattox an der Oper von San
Francisco. Im Kulturhauptstadtjahr 2009 bringt das Orchester unter Dennis Russell
Davies neue Kepler-Oper desselben Komponisten zur Uraufführung.
Die immer mehr in den Vordergrund tretende Präsenz der zeitgenössischen Musik in
den Konzertprogrammen des Bruckner Orchesters ist unüberseh- und natürlich
unüberhörbar. Dennis Russell Davies und Thomas Königstorfer, der Kaufmännische
Direktor des Landestheaters und des Bruckner Orchesters, gehen speziell darauf auch
in ihrem Vorwort zum Saisonprogramm 2003/04 ein:
„Dass es die zeitgenössische Musik schwer hat, sich beim Publikum durchzusetzen,
liegt nämlich sehr oft auch an mangelnder Gelegenheit, sich mit deren Werken
auseinander zu setzen – oder an gut gepflegten Vorurteilen. Wir glauben jedoch,
dass man das Publikum unterschätzt, wenn man im ‚Immergleichen’ verharrt.
Freuen Sie sich daher auf die Begegnungen mit Xenakis, Kantscheli, Leitner, Berio,
Rypdal … In Linz und vor allem beim Bruckner Orchester Linz soll kein Platz sein
für programmatische Verkrustungen.“
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