26 BRUCKNER ORCHESTER LINZ SCHLAGLICHT | SCHLAGWERK EIN INTERVIEW MIT CHRISTOPH SIETZEN Spielen, nur noch seltener! Der ARD-Wett­ bewerb wird oft auch als „Grand Prix der Klassik“ bezeichnet, immerhin gibt es ihn schon seit über 60 Jahren, und dass der Bayerische Rundfunk als Medienpartner dahinter steht, verleiht ihm eine enorme Aufmerksamkeit. © Daniel Delang Ein Jahr nach Gründung der Orchesterakademie des Bruckner Orchesters wirft die Glanzleistung eines Akademisten ein höchst erfreuliches Licht auf diese Institution und begeistert das gesamte Orchester: Der 22-jährige Schlagwerker Christoph Sietzen, als Sohn eines Luxemburgers in Salzburg geboren und seit ­einem Jahr Mitglied der Orchesterakademie, hat es beim diesjährigen ­Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München bis ins Finale geschafft und dort den 3. Preis im Bewerb seines Fachs eingespielt. Der ARD-Musikwettbewerb, der heuer zum 63. Mal ausgetragen wurde, gilt als­ eines der wichtigsten Podien für junge Künstler und verhalf bisher schon vielen Talenten zu einem internationalen Durchbruch, darunter der Trompeter Maurice André, der ­Pianist und Dirigent Christoph Eschenbach, die Sänger Thomas Quasthoff und Jessye Norman oder der Oboist und spätere Komponist und Dirigent Heinz Holliger. – In einem Interview mit Magdalena Hoisbauer erzählt Christoph Sietzen von seinem großen Erfolg und seiner Begeisterung für die vielleicht vielseitigste und verspielteste aller Instrumentengruppen: das Schlagwerk. Es scheint einen Initiations-Mythos unter Schlagzeugern zu geben: Viele erzählen, dass sie den Rhythmus quasi immer schon im Blut hatten und seit frühester Kindheit auf allem getrommelt haben, was ihnen in den Weg kam. Auch Simone Rubino, der Erste Preisträger des Wettbewerbs, erzählt dies in einem Interview. – Trifft das auch auf Dich zu? Nein, bei mir war das nicht so. Es stimmt schon: Die meisten Perkussionisten beginnen ihre musikalische Laufbahn am Drum-Set, ich komme aber von der melodiösen Schlagwerk-Seite. Nachdem ich im Kindergarten in einer Xylophon-Gruppe meine Leidenschaft für die Sache an sich entdeckt hatte, hat mich Martin Grubinger senior, mein erster Lehrer, sofort an die Marimba herangeführt, die bis heute mein zentrales Instrument ist. Für Pianisten, Geiger und Sänger gibt es ja zahlreiche Wettbewerbe. Wie ist das im Bereich Schlagwerk? Es gibt auch für Schlagwerk wichtige Wettbewerbe, beispielsweise den alle zwei Jahre stattfindenden TROMP Percussion-Wett­ bewerb in den Niederlanden oder reine ­Marimba-Wettbewerbe; ein solcher wird im Oktober 2015 beispielsweise an der Bruckner Universität ausgetragen. Das Spezielle am ARD-Wettbewerb ist aber, dass die Kategorie Schlagwerk nur etwa alle sieben Jahre vertreten ist; das heißt: beim ARD-Wettbewerb treffen sich wirklich die besten Schlagwerker einer Generation. Wie bei den Olympischen Eine Teilnahme am ARD-Musikwettbewerb beginnt ein Jahr im Voraus mit Ausschreibung und Bewerbung und endet im besten Falle, wie bei Dir, im Finale. Wie würdest Du diesen Weg beschreiben? Das Intensivste und der eigentliche Wahnsinn ist die Vorbereitung. Sobald das Programm veröffentlicht wird, schaut man, was man schon gespielt hat bzw. was man neu lernen muss. Das ist oft ein beträchtlicher Teil des Programms. Im Fach Schlagwerk erweitert sich das Repertoire ständig: Ein Stück, das vor zwei Jahren uraufgeführt wurde, ist heute mitunter schon ein Standard-Repertoirestück. Und alle Werke sind Neue Musik; für Schlagwerk gibt es ja keinen Mozart oder Tschaikowsky. Ich wollte alles auswendig spielen, also habe ich ein Jahr lang, zusätzlich zu meinen Diensten im Orchester, wirklich zehn bis zwölf Stunden am Tag geübt. Als ­Herausforderung kommt im Schlagwerk die Bandbreite an bespielbaren Instrumenten hinzu: Für das Pflicht-Stück, das im Semi-­ Finale verlangt wurde, musste ich ein kompliziertes Setup zusammenstellen, das u. a. aus gestimmten Fliesen, Auto-Federungen und Mahagoni-Platten bestand. Dabei hat mir ein Kollege aus dem Orchester, Vladimir Petrov, maßgeblich geholfen. Welches Stück hast Du Dir dann für das Finale gewählt? „Frozen in Time“ von Avner Dorman. Das Stück ist extrem melodisch und dennoch nicht kitschig oder musikalisch nicht gehaltvoll. Vor allem ist das Stück sehr facettenreich: Marimba ist das Hauptinstrument, dazu kommen die Melodie-Instrumente Vibraphon, Glockenspiel, Crotales und ­ C encerros und ein Setup verschiedener ­ ­Trommeln wie Djembén, Tarambucas und Timbales. – Für alle, die sich darunter nicht viel vorstellen können: Man kann sich dieses Konzert nach wie vor auf www.br.de ­ansehen! Provokante Frage: Ist Dein Orchester­ alltag als Akademist nur annähernd so vielseitig wie die Instrumentierung ­Deines Finalstückes? Das kann man quantitativ meist nicht miteinander vergleichen. Mein erster Dienst nach dem Wettbewerb – der Gesangswettbewerb Competizione dell’ Opera – war beispielsweise mit zwölf Schlägen im ganzen Konzert gleich ein Extremfall, wobei das nicht heißt, dass es weniger schwierig ist. Im Orchester zählen ja auch Eigenschaften, die man als Solist nicht unbedingt lernt. Des­ wegen bin ich sehr dankbar, dass ich jetzt in der Orchesterakademie diese Erfahrung ­machen darf, und das in einer so groß­a rtigen und kollegialen Gruppe. Darüber hinaus lernt man ein großes Repertoire nicht Schlagzeug-spezifischer Musik hautnah kennen. Zudem habe ich seit Oktober ein weiteres Betätigungsfeld, da ich nun an der Musik-Universität in Wien auch Marimba unterrichte. Ein Lehrauftrag an einer Universität im Alter von 22 Jahren, das ist bemerkenswert. Das alles ist doch wiederum eigentlich eine Auszeichnung für Deinen ­Professor Leonhard Schmidinger, der ja auch Erster Pauker im Bruckner Orchester ist. Oder? Auf jeden Fall. Wir Linzer haben uns beim ARD-Wettbewerb wirklich gut gemacht! ­Neben mir hat es auch Kai Strobel, der in der 27 Kinderoper Lynx, der Luchs von Helmut Schmidinger am Landestheater den auf­ wändigen Schlagwerk-Part spielt, ins Semi-­ Finale geschafft. Er studiert genauso wie ich Schlagzeug bei Leonhard Schmidinger und Marimba bei Bogdan Bacanu an der Bruckner Universität. – Ich habe mit 17, gegen den gut gemeinten Widerstand meiner Eltern, die Schule abgebrochen und bin zum Studium nach Linz gezogen. Jetzt löst sich das alles ­irgendwie ein. Und das hat natürlich auch mit meinen Lehrern zu tun; ich habe den beiden sehr viel zu verdanken. Aber ich muss mir, auch wenn von allen Seiten Glückwünsche entgegenströmen, immer vor Augen halten: So ein Wettbewerb alleine macht keine ­Karriere, kann aber ein Türöffner sein. © Daniel Delang WWW.BRUCKNER-ORCHESTER.AT KONZERTKALENDER NOVEMBER 2014 SA 22. NOV, 19.30 UHR Musikverein Wien BOL Musikverein-Zyklus „Russland“ DO 6. NOV, 11.00 UHR Musiktheater Linz School Concert I „Halloween“ Daniel Spaw Dirigent Albert Landertinger Moderation DO 6. NOV, 16.00 UHR Musiktheater Linz Jugendsinfoniekonzert I „Dämonen und Mächte“ Daniel Spaw Dirigent Albert Landertinger Moderation DI 11. NOV, 19.30 UHR Brucknerhaus Linz Das Große Abonnement Ludwig van Beethoven Ouvertüre zu Goethes Trauerspiel „Egmont“ f-Moll op. 84 Alfred Schnittke Konzert für Viola und Orchester Hector Berlioz Symphonie fantastique op. 14 Markus Poschner Dirigent Yuri Bashmet Viola SO 23. NOV, 11.00 UHR Brucknerhaus Linz Sonntagsmatinee Modest Mussorgsky Eine Nacht auf dem kahlen Berge. Originalfassung Modest Mussorgsky Sinfonie Nr. 15 A-Dur op. 141 Dmitrij Schostakowitsch Lieder und Tänze des Todes für Singstimme und Orchester, bearbeitet von Dmitrij Schostakowitsch Dennis Russell Davies Dirigent Kurt Rydl Bass FR 28. NOV, 19.30 UHR Brucknerhaus Linz AK Classics Konzert „Der Große Krieg“ A. Wassiljewitsch Mossolow „Eisengießerei“ op. 19 Kurt Weil „Der neue Orpheus” – Kantate für Sopran, Solovioline und Orchester op. 16 Franz Lehár „Fieber” – Tondichtung für Tenor und Orchester Ottorino Respighi Pini di Roma Johannes Kalitzke Dirigent Elisabeth Breuer Sopran Jussi Myllys Tenor Tomasz Liebig Violine BRUCKNER ORCHESTER LINZ + MUSICA SACRA BRUCKNER HIER UND JETZT Ein verschollen geglaubter Brief von Anton Bruckner ist im September dieses Jahres aufgetaucht und vom Anton-Bruckner-Institut Linz angekauft worden. Diese vor allem musik­ historisch spektakuläre Nachricht ist nur ein Beispiel dafür, dass über Oberösterreichs ­Ersten Komponisten Anton Bruckner noch nicht alles gesagt ist. Nicht jede historische Quelle ist erschlossen, nicht jede Sinfonie bis zum Ende durchdrungen. Immer wieder fällt in der hiesigen Kulturlandschaft, in der Bruckner ja für verschiedene Institutionen als Namenspatron fungiert, der Begriff „Bruckner-Pflege“. Doch welchen Auftrag gibt uns der Begriff ­„ Pflege“ mit auf den Weg? Fürsorge, Erhaltung, Konservierung oder gar Schutz? Dies ist sicherlich zu wenig, denn will man Kunst nicht nur museal verwalten, wird keiner dieser ­Begriffe einer Auseinandersetzung mit einem künstlerischen Werk gerecht. Das Bruckner ­Orchester und die beiden mit dem Orchester in ­Kooperation stehenden Vereine MUSICA SACRA und OÖ. Stifts­ konzerte haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Musik Bruckners zum einen zu erhalten und in Oberösterreich regelmäßig erlebbar zu machen, sie aber immer wieder auch neu zu befragen. Das Bruckner Orchester bringt in der Spielzeit 2014/2015 im Rahmen des Bruckner­ fests und bei Konzertreisen nach Düsseldorf und Passau gleich vier verschiedene Bruckner-­Sinfonien zur Aufführung. Die ­erste Gesamteinspielung aller Bruckner-­ Sinfonien des Orchesters „aus einer Hand“ ist zudem abgeschlossen; nun arbeitet Dennis Russell Davies mit seinen Musikerinnen und Musikern (als erstes Orchester weltweit!) an der Aufnahme aller Fassungen der Sinfonien. Bei dem jährlich stattfindenden Konzert des Orchesters mit einer wechselnden Sinfonie Bruckners im Rahmen der OÖ. Stiftskonzerte wird im kommenden Jahr außerdem ein exklusives Ereignis erwartet: Der polnische Dirigent Stanisław Skrowaczewski wird mit Bruckners Achter, seiner Lieblings-Sinfonie des Komponisten, in der Stiftsbasilika St. Florian, und somit an der ehemaligen Wirkungsstätte Bruckners, seine Karriere beschließen und dafür extra aus den USA anreisen. Und auch MUSICA SACRA widmet sich, angelehnt an aktuelle Jubiläen und angefangen mit dem 190. Geburtstag des Komponisten in diesem Jahr, der „Bruckner-Pflege“: Mit dem Konzert am 9. November in der Minoritenkirche beginnt ein dreijähriger Zyklus, der im nächsten Jahr mit einer geplanten Aufführung von Bruckners geistlichen Orchesterwerken unter der Leitung von Dennis Russell Davies fortgesetzt wird. Im Jahr darauf ist, zum 120. Todestag Bruckners im Jahr 2016, schließlich ein großer ­Abschluss des Zyklus geplant. Dass „BrucknerPflege“ auch die Förderung zeitgenössischer Auseinandersetzung mit der Musik des großen Romantischen Komponisten bedeuten kann, beweist vor ­a llem der Kompositionsauftrag, der zum ­Anlass des Konzerts von MUSICA SACRA am 9. November vom Land OÖ an Helmut ­Schmidinger vergeben wurde. Schmidinger schreibt eine Komposition Bruckners fort, ­indem er die zweite Texthälfte des 114. Psalm nach der Luther-Übersetzung, die Bruckner in seiner Vertonung nicht bearbeitet hat, nun in seiner Komposition zur Uraufführung bringt. Er übernimmt dabei auch die ungewöhnliche Besetzung mit drei Posaunen zusätzlich zum gemischten Chor. In diesem ­Sinne bleibt also festzuhalten: „Pflege“ bedeutet auch, Musik neu zu befragen und fort­ zuschreiben. MUSICA SACRA NOVEMBER 2014 SA 8. NOV, 19.30 UHR Ursulinenkirche Ehrentage Alter Meister Werke von Carl Philipp Emanuel Bach und Jean-Philippe Rameau Ensemble Castor Linz SO 9. NOV, 17.00 UHR Minoritenkirche Alleluja! Anton Bruckner Spiegelungen Anton Bruckner Os justi, Ave Maria, Virga Jesse sowie Alleluja! Liebe erfüllt mich, Psalm 114 (116) für fünfstimmigen Chor und drei Posaunen Helmut Schmidinger Ich glaube, darum rede ich aus dem Psalm 116, Uraufführung (Kompositionsauftrag des Landes OÖ) sowie Werke weiterer Komponisten und Improvisationen für Orgel Wolfgang Kreuzhuber Orgel Posaunenensemble des Musikgymnasiums Linz Linzer Jeunessechor Wolfgang Mayrhofer Leitung SO 30. NOV, 17.00 UHR Minoritenkirche Erster Advent Wachet auf, ruft uns die Stimme! Kantaten von Biegel, Bach, Homilius Ursula Langmayr Sopran Christa Ratzenböck Alt Markus Miesenberger Tenor Günter Haumer Bass Ensemble Castor Linz Chor des Diözesankonservatoriums Linz Wolfgang Kreuzhuber Leitung www.musicasacra.at