Schnelle (tachykarde) Arrhythmien

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Departement Medizin, Kardiologie, Brauerstrasse 15, Postfach 834, CH-8401 Winterthur, www.ksw.ch
Schnelle (tachykarde) Arrhythmien
Was versteht man unter dem Begriff tachykarde Arrhythmien?
Der Begriff „Arrhythmien“ bezieht sich auf alle Formen von Herzrhythmusstörungen. Der normale oder
«physiologische» Herzrhythmus wird von einem speziellen Teil des Herzens, dem sog. Sinusknoten, der sich
im rechten Vorhof nahe der Einmündung der oberen Hohlvene befindet, bestimmt. Der Sinusknoten ist der
natürliche Schrittmacher des Herzens. Er sendet einen elektrischen Impuls über ein spezifisches
Reizleitungssystem an die Vorhöfe, den sog. AV(atrio-ventrikulären) Knoten zwischen Vorhöfen und Kammern
und schliesslich via His-Purkinje System an die Kammern. Dieses Reizleitungssystem gewährleistet eine
geordnete Kontraktion zuerst der Vorhöfe, dann - nach einer kurzen zeitlichen Verzögerung im AV Knoten - der
Kammern. Unter «tachykarden» Arrhythmien versteht man Herzrhythmusstörungen die mit einem schnellen
(takhus, griech. «schnell») Puls einhergehen. Generell spricht man dann von tachykarden
Herzrhythmusstörungen, wenn der Puls über 100/min beträgt.
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Welche Formen von tachykarden Arrhythmien unterscheidet man?
Entsprechend dem Aufbau des Herzens unterscheidet man 2 Hauptgruppen von tachykarden Arrhythmien:
 supraventrikuläre Tachykardien (meist vom Vorhof ausgehend)

ventrikuläre Tachykardien (von der Kammer ausgehend)
Die supraventrikulären Tachykardien haben ihren Ursprung in den Vorhöfen oder dem AV-Knoten, während die
ventrikulären aus dem Herzmuskel der Hauptkammern selbst, selten aus dem Reizleitungssystem (His-Purkinje
System) entspringen. Diese anatomische Einteilung macht auch deshalb Sinn, weil sie in der Klinik eine
prognostische Bedeutung hat: supraventrikuläre Tachykardien haben in der Regel eine gute Prognose,
währenddessen ventrikuläre Tachykardien meist mit einer schlechten Prognose und dem Risiko eines
plötzlichen Herztodes vergesellschaftet sind.
Welches sind die Haupformen der supraventrikulären Tachykardien?

Tachykardes Vorhofflimmern: Bei dieser Herzrhythmusstörung ist die Frequenz der Vorhofkontraktionen
so hoch, meist >350/min, dass keine geordnete Vorhofkontraktion mehr erfolgen kann und es zu einem
elektrischen Chaos, dem Flimmern kommt. Der Kammerpuls ist dabei meist völlig unregelmässig, weil die
Überleitung der Impulse auf die Kammern zufällig und ohne bestimmtes Muster (auch absolute Arrhythmie).

Vorhofflattern: Bei einem elektrisch gut geordneten jedoch äusserst raschen Vorhofpuls von 250-350/min
kommt es zu einer Überleitung z.B. jedes 2. oder 3. Vorhofpulses auf die Kammern, was einen meist
regelmässigen Kammerpuls von 150 oder 100/min bewirkt.
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
“Re-entry”- Tachykardien: Bei anatomischen Anomalien des Reizleitungssystems kann es innerhalb
dieses Systems entweder im AV-Knoten selbst oder zwischen Vorhöfen und Kammern zu Bildung von
“Kurzschlüssen” mit kreisender Erregung kommen. Es kommt dabei meist zu eindrücklichen, plötzlichen
Pulsbeschleunigungen. Diese Tachykardien haben einen regelmässigen, meist sehr schnellen Puls um 160
–240/min zur Folge und treten immer anfallsweise (“paroxysmal”) auf. Die häufigste Form von Re-entryTachykardie ist die AV- Knotentachykardie, die sich durch einen Erregungkreis innerhalb des AV- Knotens
auszeichnet. Die anderen Formen umfassen die sog. Zusatzbahnen (“akzessorischen ReizleitungsBahnen”), die zwischen Vorhof und Kammern eine zusätzliche elektrische Brücke bilden und ebenfalls zu
anfallsweise kreisender Herzerregung führen können.
Was sind die Ursachen von supraventrikulären Tachykardien?
Re-entry-Tachykardien im AV-Knotenbereich oder bei Vorhandensein von akzessorischen Leitungsbahnen
treten nur bei entsprechend veranlagten Individuen auf, die solche “Missbildungen” oder Varianten des
Reizleitungssystems aufweisen. Diese akzessorischen Bahnen oder Kurzschlüsse im AV-Knoten sind als
angeborene Anomalien anzusehen, auch wenn sie sich häufig erst im Erwachsenenalter manifestieren. Die
übrigen Anteile und Funktionen des Herzens sind meist normal.
Vorhofflimmmern und -flattern können auch isoliert als reine Rhythmusstörung auftreten, ohne anderweitige
Herzkrankheit. Häufiger treten sie jedoch im Rahmen eines Herzleidens auf. Hauptverantwortlicher für
Vorhofflimmern ist das zunehmende Alter. Nebst dem Alter sind die häufigsten Begleitleiden die folgenden:
 arterielle Hypertonie
 Mitralklappenfunktionsstörungen, insbesondere bei Stenosen
 Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung
 alle chronischen Herzerkrankungen
Definition der Ventrikulären Tachykardien (Kammertachykardien)
Ventrikuläre Tachykardien haben ihren Ursprung wie bereits gesagt in der Kammermuskulatur und zeichnen
sich dadurch aus, dass die schnelle Kammeraktivität praktisch immer unabhängig vom Vorhofrhythmus schlägt.
Der Vorhofpuls wird meist weiterhin vom normalen Sinusrhythmus bestimmt. Die meisten Kammertachykardien
treten bei kranken, mehr oder weniger stark geschädigten Herzen auf. Ihre regelmässige Pulsfrequenz liegt in
der Regel zwischen 130- 220/min. Da diese Tachykardien Ausdruck einer zu Grunde liegenden Herzkrankheit
sind, müssen sie als Warnsymptome und im Gegensatz zu den supraventrikulären Tachykardien nicht als
eigenständiges Krankheitsbild interpretiert werden. Während einer Kammertachykardie kann es durch eine
Tachykardie-bedingte Herzinsuffizienz und/oder eine zu Grunde liegende koronare Herzkrankheit zu einer
Myokardischämie kommen, wodurch die Kammertachykardie elektrisch instabil wird und zu einer polymorphen
Kammertachykardie bzw. zu Kammerflimmern degenerieren kann (plötzlicher Herztod). Dies erklärt auch die
schlechte Prognose der Kammertachykardien.
Was sind die Ursachen von Ventrikulären Tachykardien?
Kammertachykardien treten in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle im Gefolge von Herzkrankheiten auf:
 ausgedehnte Herzinfarktnarben sind eine der häufigsten Ursachen
 Kardiomyopathien (Herzmuskelerkrankungen jeder Form)
 Herzinsuffizienz jeglicher Ursache
 Im Rahmen von Stoffwechselstörungen, z. B. Entgleisungen des Kaliumhaushalts
 Seltener: arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie
Was sind die Symptome von Tachykardien?
Die tachykarden Rhythmusstörungen äussern sich meist als “Herzklopfen”, wobei der Puls schnell, regelmässig
oder unregelmässig, sein kann. Diese Rhythmusstörungen werden vom Patienten meist verspürt, wenn sie
anfallsweise (paroxysmal) auftreten. Die Anfälle können einige Sekunden bis Minuten oder Stunden dauern. Je
nach Frequenz des Pulses und Zustand des Herzkreislaufsystems können sich tachykarde Rhythmusstörungen
durch zusätzliche Symptome manifestieren:
 mehr oder weniger ausgeprägter Blutdruckabfall, der zu Schwächegefühl, Schwindel, Schweissausbruch,
Unwohlsein, Sehstörungen, drohender Ohnmacht bis zum vollständigen Bewusstseinsverlust führen kann
 Blässe
 Engegefühl über der Brust, Angina pectoris
 Atemnot, Todesangst
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Nach Beendigung eines Tachykardieanfalles kann es infolge vermehrter Nierendurchblutung während der
Tachykardie zu vermehrter Harnproduktion kommen.
Wie sollen Tachykardien gesucht bzw. diagnostiziert werden?
Das EKG spielt in der Diagnostik von Herzrhythmusstörungen eine zentrale Rolle, da es die Methode der Wahl
darstellt um den Herzrhythmus aufzuzeichnen. Die Aufzeichnung des EKGs wird sowohl in seiner Grundform
des 12-Ableitungs-EKG in Ruhe, als auch in seinen vielfältigen Varianten der kontinuierlichen Aufzeichnung
eingesetzt (24 Std-EKG oder Holter-EKG, längerfristige Aufzeichnung über mehrere Tage mittels Eventrecorder oder neuerdings sogar über mehrere Monate mittels implantierbaren Registriergeräten (implantable
loop-recorder). Bleibt die Diagnose dennoch unklar, muss manchmal zu invasiven, intrakardialen EKGaufzeichnungen übergegangen werden, der sog. elektrophysiologischen Untersuchung (EPU, EPS).
Wie können Tachykardien behandelt werden?
Die Therapie hängt vom Schweregrad der Symptome ab, welche die Tachykardie verursacht. Bei schwerem
Blutdruckabfall, Beeinträchtigung des Bewusstseins oder erheblicher Atemnot infolge paroxysmaler
Tachykardie drängt sich eine notfallmässige Behandlung in Form einer Elektrokonversion, d.h. durch Versetzen
eines elektrischen Stromstosses unter Kurznarkose auf.
Ausserhalb solcher bedrohlicher Notfallsituationen können die tachykarden Rhythmusstörungen meistens mit
Verabreichung von Medikamenten beherrscht werden. Diese können entweder intravenös oder oral appliziert
werden. Bei supraventrikulären Tachykardien kommen vorwiegend Adenosin (nur intravenös wirksam)
Betablocker, Verapamil, Digitalispräparate oder Amiodaron zur Anwendung, während bei ventrikulären
Tachykardien in der akuten Situation in der Regel nur intravenös verabreichte Substanzen möglich sind.
Da diese Rhythmusstörungen leider häufig zu Rezidiven neigen, ist u. U. eine prophylaktische medikamentöse
Behandlung notwendig.
Bei häufigen Rezidiven, schlechter Toleranz der Arrhythmie mit erheblichen Symptomen oder bei eventuell
lebensgefährlichen Arrhythmien wird heutzutage sehr oft zu einer ursächlichen Behandlungsmethode
geschritten, die namentlich bei Vorhandensein von akzessorischen Bahnen oder AV-Knoten Tachykardien
oftmals eine definitive Heilung erlaubt. Diese Behandlung besteht in der sog. Ablationstechnik, bei welcher die
Kurzschlussleitung physisch mit Hitze, Kälte oder Radiofrequenz unterbrochen wird. Eine invasive,
elektrophysiologische Untersuchung ist hiefür unumgänglich.
Bei potentiell lebensgefährlichen ventrikulären Tachykardien ist manchmal die Implantation eines
automatischen Defibrillators (siehe dort) notwendig.
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