9. chemie der komplexe

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Stefan Reißmann
ANORGANISCH-CHEMISCHES TUTORIUM
WS 2000/2001
9. CHEMIE DER KOMPLEXE
UND
NATÜRLICHEN
SUBSTANZEN
9.1. Komplexverbindungen
9.1.1. Struktur
Ein Komplex(-ion/-molekül) besteht aus:
(1) einem Metall-Atom oder -Ion als Zentralatom,
(2) einem oder mehreren Molekülen oder Ionen, die an es ((1)) angelagert sind – den Liganden.
Die Liganden stellen dem Zentralatom Elektronenpaare zur Verfügung:
Ligand
→ Lewis-Base
Zentralatom
→ Lewis-Säure
-
Die Art der Bindung zwischen Ligand und Zentralatom kann unterschiedlich sein und zwischen überwiegend kovalent
und ionisch liegen.
Die Ladung eines Komplexes ergibt sich aus der Summe der Ladungen des Zentralatoms und der Liganden.
Die stabilsten Komplexe werden von Metall-Ionen nmit hoher positiver Ladung und kleinem Ionenradius (als
Zentralatom) gebildet.
Bei ihnen handelt es sich v.a. um Übergangsmetalle und Metalle der III. und IV. Hauptgruppe; Alkali- und
Erdalkalimetalle sowie Lanthanoide bilden kaum stabile Komplexe.
An den Bindungskomplexen der Übergangsmetalle sind die d-Orbitale des Zentralatoms beteiligt.
Die gebundenen („koordinierten“) Liganden bilden die erste Koordinationssphäre um das Zentralatom.
Die Liganden sind in einer regelmäßig geometrischen Art um das Zentralatom angeordnet.
9.1.1.1. Koordinationszahlen
→ Anzahl der unmittelbar an das Zentralatom gebundenen Atome der Liganden
Es sind Komplexe mit Koordinationszahlen von zwei bis zwölf bekannt. Am weitesten verbreitet sind die
Koordinationszahlen 2, 4 und 6, wobei die letzte die mit Abstand häufigste ist.
Die meisten Metalle treten in verschiedenen Komplexen mit unterschiedlichen Koordinationszahlen auf.
9.1.1.2. Koordinationspolyeder
→ Geometrisches Objekt, das entsteht, wenn man die unmittelbar an das Zentralatom gebundenen Ligandenatome durch
Linien verbindet und diese als Kanten eines Körpers oder einer zweidimensionalen Gestalt betrachtet werden.
KOORDINATIONSZAHL
KOORDINATIONSPOLYEDER
6
Oktaeder
4
Tetrader oder planes Quadrat
2
Linie
9.1.1.3. Achtzehn-Elektronen-Regel
Die Achtzehn-Elektronen-Regel wird von vielen Komplexen der Nichtmetalle erfüllt, sofern in ihnen die Koordinationszahl
des Zentralatoms ungleich zwei ist.
Die Regel besagt, daß in den Komplexen mit den von den Liganden zur Verfügung gestellten Elektronenpaaren in der
Valenzschale des Zentralatoms eine Zahl von 18 Elektronen erreicht wird.
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9.1.1.4. Zähnigkeit von Liganden
Bindet ein Ligand nur über ein Atom an das Zentralatom, so wird er als einzähnig bezeichnet. Bindet ein Ligand über
mehrere Atome unmittelbar an das Zentralatom, so ist er mehrzähnig.
Mehrzähnige Liganden bilden mit dem Zentralatom Chelatkomplexe, welche sich meist durch besondere Stabilität
auszeichnen. Besondere Formen der mehrzähnigen Liganden sind Kronenether, Kryptanden und Porphyrine.
9.1.2. Stabilität von Komplexen und Komplexgleichgewichte
→ Stabilität von Komplexen gegenüber Dissoziation bzw.
→ Gleichgewicht zwischen einem Komplex und seiner dissoziierten Form
- Gleichgewichtskonstante für die Dissoziation von Komplexen:
KD = Komplexzerfallskonstante = (Komplex-)Dissoziationskonstante
- Kehrwert:
KK = 1/KD = Komplexbildungskonstante = Stabilitätskonstante
9.1.3. Nomenklatur von Komplexen
1.
Bei salzartigen Komplex-Verbindungen wird das Kation zuerst genannt, unabhängig davon, ob es ein Komplex-Ion ist
oder nicht.
2. In einem Komplex werden die Liganden an erster Stelle und das Zentralatom an letzter Stelle genannt.
3. Die Liganden werden in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.
4. Die Anzahl der Liganden einer Art wird durch ein vorangestelltes griechisches Zahlwort (di, tri, tetra, penta, hexa, . . .)
gekennzeichnet. Diese Präfixe werden bei der alphabetischen Einordnung nicht berücksichtigt (z.B. wird „Dichloro-“
unter „c“ eingeordnet), es sei denn, sie sind Bestandteile des Namens der Liganden. In diesem Fall werden sie zur
alphabetischen Einordnung herangezogen (z.B. wird „Diethylamin-„ unter „d“ eingeordnet).
5. Namen komplizierter Liganden werden in Klammern gesetzt und ihre Anzahl wird durch vorgesetzte griechische
Multiplikativzahlen (bis, tris tetrakis, pentakis, hexakis, . . .) angegeben
6. Anionische Liganden erhalten die Endung „-o“. In manchen Fällen werden abgekürzte Namen für die Liganden
verwandt (z.B. „Oxo-“).
7. Die Namen neutraler Liganden werden insgemein nicht verändert und erhalten keine Endung. Ausnahmen sind z.B.:
H2O
„Aquo-“
NH3
„Ammin-“
CO
„Carbonyl-“
NO
„Nitrosyl-“
8. Ist der ganze Komplex ein Anion, erhält er die Endung „-at“, und das Zentralatom wird mit seinem lateinischen
Namen bezeichnet.
9. Ist der Komplex insgesamt neutral oder kationisch, wird das Zentralatom mit seinem unveränderten deutschen Namen
bezeichnet.
10. Die Oxidationszahl des Zenralatoms wird als römische Ziffer in Klammern nach dem Namen des Komplexes
angezeigt. Im Falle der Oxidationszahl Null wird eine arabische Null verwandt.
9.1.4. Isomerie von Komplexen
Isomere: sind Verbindungen mit gleicher Summenformel aber unterschiedlichem Aufbau.
Sie unterscheiden sich in chemischen und/oder physikalischen Eigenschaften.
9.1.4.1. Konstitutionsisomerie
=Bindungsisomerie
→ Atome haben unterschiedliche Bindungspartner
9.1.4.1.1. Ionisationsisomerie
→ unterschiedliche Verteilung von Ionen in und außerhalb der Koordinationssphäre
- Spezialfall: Hydratisomerie (→ wenn Wassermoleküle als Liganden beteiligt)
9.1.4.1.2. Koordinationsisomerie
→ wenn in einer Verbindung verschiedene Koordinationszentren
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9.1.4.1.3. Bindungsisomerie
→ wenn ein Ligand auf zweierlei Art an das Zentralatom gebunden werden kann
- typische Liganden für Bindungsisomerie:
(1) Nitrit-Ion NO2-:
a)
–NO2 „Nitro-“
b)
–O2N „Nitrito-“
(2) Cyanid-Ion CN-:
a)
–CN
„Cyano-“
b)
–NC
„Isocyano-“
(3) Thiocyanid-Ion SCN-:
a)
–SCN „Thiocyanato-“
b)
–NCS „Isothiocyanato-“
9.1.4.2. Konfigurationsisomerie
= Stereoisomerie
→ alle Atome haben die gleichen Bindungspartner, doch die räumlichen Anordnungen unterscheiden sich
9.1.4.2.1. Diastereoisomerie
→ Die Isomere unterscheiden sich in der geometrischen Anordnung der Moleküle ohne Enantiomere zu sein.
- tritt bei Komplexen v.a. als cis-trans-Isomerie auf
- Ist die Koordinationszahl gleich vier, so ist Diastereoisomerie nur bei planarer Anordnung möglich, bei tetraedrischer
hingegen nicht, da bei ihr alle Winkel gleich sind.
9.1.4.2.2. Enantiomerie
→ wenn Moleküle chiral (= dissymmetrisch) sind; d.h. es zwei Formen (Enantiomere) gibt, die sich zueinander wie Bild und
Spiegelbild verhalten
Enantiomere:
zwei Isomere, die sich zueinander wie Bild und Spiegelbild verhalten
→ unterscheiden sich hinsichtlich ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften nur in ihrem
Verhalten gegenüber linear polarisiertem Licht; abgesehen davon stimmen sie in ihren chemischenn und
physikalischen Eigenschaften überein
Enantiomere drehen die Schwingungsebene linear polarisierten Lichtes um einen bestimmten Betrag, der für beide
Enantiomere gleich ist; die Dextro-(D-)Form dreht sie im Uhrzeigersinn, d.h. nach rechts, die Laevo-(L-)Form entgegen dem
Uhrzeigersinn, d.h. nach links.
Racemat: äquimolares Gemisch von Enantiomeren
→ kein Drehung der Schwingungsebene polarisierten Lichtes, da die zu gleichen Teilen vorliegenden
Enantiomeren einander in ihrer optischen Aktivität gegenseitig aufheben
9.1.5. Komplexe in der Natur
9.1.5.1. Wäßrige Lösungen
-
Ionen in wäßriger Lösung werden von Wassermolekülen komplexiert
-
biologisch wichtige Liganden
Porphyrine sind Abkömmlinge des Porphins
9.1.5.2. Porphin und Porphyrine
9.1.5.2.1. Chlorophyll
→ Chelat-Komplex des Mg -Ions mit einem vierzähnigen Porphyrin
2+
-
9.1.5.2.2. Hämoglobin
Zentralatom Fe2+ ist oktaedrisch koordiniert: an vier Koordinationstellen ist die planare Häm-Gruppe(ein Porphyrin)
gebunden, an der fünften ein Protein und an der sechsten wird in Abhängigkeit vom Sauerstoff-Partialdruck reversibel
ein H2O- oder ein O2-Molekül gebunden (→ Sauerstoff-Transport im Blut);
An die letztgenannte Stelle werden, wenn vorhanden, auch CO oder CN - angelagert, wobei Komplexe entstehen, die
stabiler sind als Oxyhaemoglobin. Dies begründet ihre toxische Wirkung.
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9.2. Natürlich vorkommende und künstlich erzeugte Stoffe
Amalgam
Anhydrit
Apatit
Bleiglanz
Braunstein
Bronze
Diamant
Eisenkies
Eisenrhodanit
Feldspat
Fixiersalz
Fluorit
Flußspat
Galenit
Gips
Glaubersalz
Graphit
Hydrazin
Hydroxylamin
Kalifeldspat
Kalk
Kalkspat
Karborund
Kochsalz
Korund
Kryolith
Magneteisenstein
Magnetit
Marmor
Phosgen
Pyrit
Quarz
Rhodanit
Rutil
Schwerspat
Silberamalgam
Soda
Steinsalz
Tonerde
Zinkblende
Zinnober
Zinnstein
siehe „Silberamalgam“
CaSO4
Ca5[(PO4)3(F,Cl,OH)]
PbS
MnO2 (MnO6/3)
Cu-Sn-Legierung (ca. 80% Cu und 20% Sn)
C
(Koordinationszahl 4)
FeS2
Fe(SCN)3
siehe „Kalifeldspat“
Na2S2O3  5H2O
CaF2
(CaF8/4)
CaF2
(CaF8/4)
PbS
CaSO4  2H2O
Na2SO4  10H2O
C
(Koordinationszahl 3)
N2H4
NH2OH
KalSi3O8
CaCO3
CaCO3
SiC
NaCl
(NaCl6/6)
α-Al2O3
Na3[AlF6]
Fe3O4
Fe3O4
CaCO3
COCl2
FeS2
SiO2
(SiO4/2)
siehe „Eisenrhodanit“
TiO2
(TiO6/3)
BaSO4
Ag-Hg-Legierung
Na2CO3  10H2O
NaCl
(NaCl6/6)
Al2O3
ZnS
(ZnS4/4)
HgS
SnO2
(SnO6/3)
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9.3. Übungsaufgaben
1.
VDP F99:
Nennen Sie jeweils zwei stabile Komplexe von Metallen mit den folgenden Liganden:
(1) Cyanid, (2) Ammoniak, (3) Fluorid
b) Nennen Sie jeweils ein Beispiel für Komplexe mit:
(1) cis/trans-Isomerie,
(2) Bindungsisomerie von Liganden,
(3) Enantiomerie
c) Nennen sie zwei Beispiele für Chelat-Liganden!
a)
2.
VDP F99:
Nennen Sie drei Metalle, die als Umweltgifte eine wesentliche Rolle spielen! Geben Sie jeweils an, bei welchen
Anwendungen die Metalle in die Umwelt gelangen!
b) Formulieren Sie die unterschiedlichen Prozesse der Bildung von Ozon in der Stratosphäre und in der
Troposphäre! Wie entsteht „Smog“? Welche Luftschadstoffe sind überwiegend beteiligt und aus welchen Quellen
stammen diese hauptsächlich?
c) Was bewirkt der Abgas-Katalysator bei einem benzinbetriebenen Kraftfahrzeug?
a)
3.
4.
VDP F96: Worin besteht die Umweltbelastung
a) bei der Gewinnung von Aluminium?
b) bei der Chloralkalielektrolyse?
c) beim Betrieb eines PKW-Motors?
d) beim Düngen?
e) Bei Benutzung gasförmiger Halogenkohlenwasserstoffe?
Machen Sie Aussagen nicht nur in Worten, sondern auch mit Formeln und Reaktionsgleichungen.
VDP H84: Wie lautet die Summenformel von Ammonium-tetrathiocyanato-diammin-chromat(III) ?
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