Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) - Vegetative Störungen (Dysautonomie) - Sexualität und Partnerschaft -Therapie und aufklärendes Gespräch - Die Patienten-Leitlinie Parkinson Marburg, 27.10.2010 Jürgen Rieke, Neurologe, Psychiater, Epileptologe, Gießen Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) 1. Kardinalsymptome (Vortrag Eggert) - Bradykinese und Akinese - Rigor - Tremor - Posturale Instabilität 2. Nicht motorische (nahezu regelhafte) Symptome - Störungen des autonomen Nervensystems - Neuropsychologische Störungen (Vortrag Dodel) Depression, Demenz, Schlafstörungen Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen (Dysautonomie) Die klinischen Syndrome - Blasenentleerungsstörungen - Störungen der Sexualität - Störungen der Verdauung - orthostatische Hypotension - Schmerzen und Parästhesien - Seborrhoe - vermehrtes Schwitzen - die nicht autonome Störung Sialorrhoe (sog. Hypersalivation) Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - Blasenentleerungsstörungen Ursache: gestörte Funktion des Detrusormuskels (hyperaktiv) und parallel nicht zeitgerechte Erschlaffung des Blasenbodens Klinisches Bild: imperativer Harndrang Dranginkontinenz Nykturie Pollakisurie Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - Störungen der Sexualität Ursache: Dopaminmangel krankheitsbedingte psychische Hemmung (Verlust des positiven Selbstwertgefühles, Angst, Depression, Störung der Kognition) Nebenwirkung von Medikamenten Klinisches Bild: erektile Dysfunktion mit Impotentia coeundi Libidoverlust (gelegentlich gesteigerte Libido) Vaginismus Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - Störungen der Verdauung Ursache und klinisches Bild: Dysphagie Störung der Magenentleerung (Störung im Vaguskerngebiet) Obstipation (Degeneration der dopaminergen Neurone in der Darmschleimhaut) Übelkeit, selten Erbrechen (überwiegend Folge der dopamimetischen und anticholinergen Therapie) J. Rieke© Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - orthostatische Hypotension Ursache: Störungen des zentralen und peripheren autonomen Nervensystems (Lewy-Körperchen im Hypothalamus, in den autonomen Zentren des Hirnstammes, im Plexus myentericus und in sympathischen Ganglien des Herzmuskels) Volumenmangel fehlende Vasokonstriktion nach dem Aufrichten aus dem Liegen Klinisches Bild: Kollapsneigung, Gefühl des Schwindels Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - Schmerzen und Parästhesien Ursache: im wesentlichen ungeklärt Klinisches Bild: diffuse Schmerzen vermehrt (?) im Off diffuse Parästhesien (polyneuropathisch?) auch im Bereich der Hände Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - Seborrhoe Ursache: ungeklärt Klinisches Bild: Salbengesicht Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - vermehrtes Schwitzen Ursache: Lewy-Körperchen im Hypothalamus Lewy-Körperchen in den cholinergen parasympathischen Nervenfasern Klinisches Bild: profuses Schwitzen in Kopf- und Nackenbereich nächtliches profuses Schwitzen Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - nicht autonome Störung Sialorrhoe (sog. Hypersalivation) Ursache: vermindertes Schlucken im Rahmen der allgemeinen Hypokinesie Klinisches Bild: der Speichel läuft aus dem Mundwinkel morgendliche Flecken auf dem Kopfkissen Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen und ihre Therapieversuche - Blasenentleerungsstörungen Ursache: gestörte Funktion des Detrusormuskels (hyperaktiv) und parallel nicht zeitgerechte Erschlaffung des Blasenbodens Therapie: 1. : Detrusor-Hyperreflexie Anticholinergikum: - Dridase®, Detrusidol®, Baclofen, 2. : Detrusor-Hyporeflexie α-Sympathtikolytikum: - Dibenzyran® 3. : fehlende Relaxation Sphinkt. vesicae extern. α-Blocker - Alna® Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - Störungen der Sexualität Ursache: Dopaminmangel krankheitsbedingte psychische Hemmung (Verlust des positiven Selbstwertgefühles, Angst, Depression, Störung der Kognition) Nebenwirkung von Medikamenten Therapie: Erektile Dysfunktion 1. : Überprüfung a l l e r Medikamente bezüglich NW erektile Dysfunktion (!) 2. : medikamentöse Therapie beim Mann - Viagra® oder Cialis® beim Mann 3. : Eine valide Behandlungsmöglichkeit der Störung der Sexualität bei der Frau ist nicht bekannt. 4. : Nicht medikamentöse Therapie Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - Störungen der Verdauung Ursache und klinisches Bild: Dysphagie Obstipation Übelkeit, selten Erbrechen Therapie: Dysphagie, Störung der Magenentleerung, und Übelkeit - Domperidon (Paspertin® ist k o n t r a i n d i z i e r t !) Obstipation - erhöhte Ballaststoff- u. Trinkmengenzufuhr - Movicol® Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - orthostatische Hypotension Ursache: Störungen des zentralen u. peripheren autonomen autonomen Nervensystems Volumenmangel u. fehlende Vasokonstriktion Therapie: ausreichende Trinkmenge kein Alkohol keine schweren Mahlzeiten Stützstrümpfe α1- Rezeptoragonist Midodrin - Gutron®, vor der Mahlzeit Fludrocortison bei Versagen der Midodrin-Therapie - Astonin H® Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - Schmerzen und Parästhesien Ursache: im wesentlichen ungeklärt Therapie: symptomatisch (Reichmann) es gibt keine valide Therapie, versucht werden: Katadolon®, Citalopram, Gabapentin Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - Seborrhoe Ursache: ungeklärt Therapie: symptomatisch (Reichmann) Kohleteer-Shampoo, Selenid-haltige Kopfwaschmittel. Hydrocortison-Creme für das Gesicht Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - vermehrtes Schwitzen Ursache: Lewy-Körperchen im Hypothalamus Lewy-Körperchen in den cholinergen parasympathischen Nervenfasern Therapie: es gibt keine valide Therapie Anticholinergikum, prinzipiell problematisch - Sormodren® Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Die autonomen Störungen - nicht autonome Störung Sialorrhoe (sog. Hypersalivation) Ursache: vermindertes Schlucken im Rahmen der allgemeinen Hypokinesie Therapie: nicht medikamentös Schlucktraining durch den Logopäden Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Sexualität und Partnerschaft Das besondere Thema • • • • Kann man darüber reden? Soll man darüber reden? Ein genderspezifisches Thema? Wer soll darüber reden? - der Hausarzt, - der Neurologe, - der Psychiater, - der Psychotherapeut, - der Urologe, - der Frauenarzt? Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Sexualität und Partnerschaft • • Ein wie (lange noch?) Tabu-Thema der Gesellschaft Parkinson-Patienten sind krankheitsbedingt besonders belastet durch Störungen der Sexualität - der junge Parkinson-Patient in der “Blüte seines Lebens“ - der ältere Parkinson-Patient, der auch hier “sowieso“ als älterer Mensch, “sowieso“ als Parkinson-Patient, “sowieso“ als Behinderter Verzicht leisten soll / muss. Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Sexualität und Partnerschaft • • Es fehlen insgesamt verlässliche Daten. Beier (2000) hatte als einer der ersten genderspezifische Zahlen über sexuell dysfunktionale Symptomwirkungen aufgeführt: (Hypokinese, Störung der Feinmotorik, Rigor, Tremor, Angst, Depression, Hyperkinese). • Männer klagten zu 64 %, Frauen zu 30% über eine Veränderung der Qualität ihrer Sexualität. (aber: Frauen reden in der Sprechstunde fast nie spontan über Störungen ihrer Sexualität !) Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Sexualität und Partnerschaft • Libidoverlust und erektile Dysfunktion sind Folgen - der Krankheit selbst (Dopaminmangel) und - der morbustypischen Medikation. • Hypersexualität ( n i c h t genderspezifisch !) - wird manchmal als Zunahme der Lebensqualität vom Betroffenen selbst erlebt, der Partner ist häufig eher irritiert, - wird häufiger als quälend erlebt wegen fehlender Satisfaktion (Befriedigung) Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Sexualität und Partnerschaft • • • Das vertrauensvolle Gespräch über Sexualität und die häufigere Entscheidung der multiprofessionellen Problemlösung müssen selbstverständlich werden. Das Gespräch über intimste krankheitsbedingte Störungen setzt ein A-priori-Vertrauen von Anbeginn der Erkrankung und ihrer Therapie voraus. Die Parkinson-Krankheit betrifft nicht ein Organ des Menschen sondern ihn in seiner Ganzheit. Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Süchtiges Verhalten als Teil der Parkinsonsymptomatik Drei dopaminerge Neuronensysteme 1. : nigrostriatales System - Willkürmotorik 2. : tubero-infundibuläres System - Hypothalamus-Hypophysen-Achse 3. : mesolimbisches und mesokortikales System mit Nucleus accumbens, Amygdala, frontaler und entorhinaler Cortex, Cingulum - Kontrolle von Motivation, Emotion incl. Wut und Aggression aber auch kognitive Funktionen Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Süchtiges Verhalten als Teil der Parkinsonsymptomatik Drei dopaminerge Neuronensysteme 3. : mesolimbisches und mesokortikales System mit Nucleus accumbens, Amygdala, frontaler und entorhinaler Cortex, Cingulum Überfunktion endogen : - Schizophrenie und andere Psychosen exogen : - Drogen-, Alkohol-Sucht, - Sucht als Folge therapeutischer dopaminerger Überstimulierung des Parkinson-Patienten “raus aus dem Off“, - Spielsucht und sekundäre Psychosen durch Dopaminergika-Überstimulierung. Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Patienten-Leitlinie Parkinson Des Berufsverbandes der Deutscher Neurologen (BDN) und Der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit dem Kompetenz-Zentrum Parkinson (Prof. Dr. Oertel, Neurologie der Universität Marburg-Gießen, Standort Marburg) Leitlinien für Diagnostik und Therapie, 4. Auflage, Thieme ISBN 978-3-13-132414-6 Ein kurzer Überblick an Hand des detaillierten Inhaltsverzeichnisses Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Patienten-Leitlinie Parkinson Inhaltsverzeichnis (1) - Wer kann erkranken? Welches sind die ersten Zeichen der Parkinsonerkrankung? Welches sind die Zeichen einer ausgeprägten Erkrankung? Welche weiteren Kennzeichen gibt es? Welche Ursachen hat die Erkrankung? Welche Formen des idiopathischen Parkinsonsyndroms IPS („echte“ Parkinsonerkrankung) gibt es? Wie unterscheidet der Arzt die idiopathischen Parkinsonsyndrome von anderen? Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Patienten-Leitlinie Parkinson Inhaltsverzeichnis (2) - Welche Formen des sekundären Parkinson-Syndroma gibt es? (Erkrankung aus anderen Ursachen) Wie erkennt der Arzt diese symptomatischen ParkinsonSyndrome? Kann das Parkinson-Syndrom auch als Folge von anderen Hirnerkrankungen auftreten? Wie erkennt der Arzt ein atypisches Parkinson-Syndrom? Was geschieht bei der ärztlichen Untersuchung? Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Patienten-Leitlinie Parkinson Inhaltsverzeichnis (3) Die Behandlung der Parkinson-Erkrankung (1) - Welches sind die Behandlungsziele? - Welche Vor- und Nachteile hat eine Behandlung mit L-Dopa? - Gibt es Alternativen zu L-Dopa? - Wann sollte die Behandlung mit Medikamenten beginnen? - Mit welchen Medikamenten sollte die Behandlung beginnen? - Die Empfehlungen der DGN für Patienten unter 70 Jahren ohne schwere Begleiterkrankungen - Die Empfehlungen der DGN für Patienten über 70 Jahren oder für Patienten mit schweren Begleiterkrankungen Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Patienten-Leitlinie Parkinson Inhaltsverzeichnis (4) Die Behandlung der Parkinson-Erkrankung (2) - Was sind die sogenannten Spätkomplikationen? - Welche Formen der hypokinetischen Wirkungsfluktuationen gibt es? - Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei hypokinetischen Wirkungsfluktuationen? - Welche Formen der hyperkinetischen Wirkungsfluktuationen gibt es? - Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei hyperkinetischen Wirkungsfluktuationen ? Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Patienten-Leitlinie Parkinson Inhaltsverzeichnis (5) Die Behandlung der Parkinson-Erkrankung (3) - Welche Möglichkeiten gibt es, wenn sich unter der Behandlung der Tremor nicht bessert? Was ist eine akinetische Krise? - Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei der akinetischen Krise? Parkinson und Psychosen Parkinson und Depression Können Diät, Ergotherapie oder Sprechtherapie die Symptome lindern? Welche chirurgischen Verfahren gibt es ? Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) Alle Referenten der heutigen Veranstaltung hoffen, • • • • einige Fragen beantwortet zu haben, notwendige Entwicklungen bei der Diagnostik und Therapie der Parkinson-Syndrome gezeigt zu haben, die unverändert höchste Herausforderung bei Diagnostik und Therapie der Parkinsonsyndrome demonstriert zu haben, die Notwendigkeit des lebhaften Diskurses zum Ziele des Konsenses belegt zu haben.