Druckversion Dissertation - Ti

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Aus der Klinik für kleine Haustiere
der Tierärztlichen Hochschule Hannover
und dem Universitätsklinikum Ulm
Innere Medizin III
Mutationsanalyse an dem Kandidaten-Gen AY147037 aus der
„kritischen“ Deletionsregion 7q22-q31.1 bei myeloischen
Leukämien des Menschen
INAUGURAL-DISSERTATION
Zur Erlangung des Grades einer
Doktorin der Veterinärmedizin
(Dr. med. vet.)
durch die Tierärztliche Hochschule Hannover
vorgelegt von
Kathrin Hofmann
aus Bremen
Hannover 2003
Wissenschaftliche Betreuung:
Apl.-Prof. Dr. R. Mischke
PD Dr. med. Konstanze Döhner
1. Gutachter: Apl.-Prof. Dr. Mischke
2. Gutachter: Prof. Dr. Leeb
Tag der mündlichen Prüfung: 01.12.2003
Meinen Eltern
Inhaltsverzeichnis
A
Einleitung
B
Literaturübersicht
9
10
1 Klassifikation und Bedeutung der akuten myeloischen Leukämie und des
myelodysplastichen Syndroms
10
1.1 Klassifikation und Bedeutung der akuten myeloischen Leukämie und des
myelodysplastischen Syndroms beim Menschen
10
1.2 Klassifikation und Bedeutung der akuten myeloischen Leukämie und des
myelodysplastischen Syndroms beim Hund und bei der Katze
14
2 Bedeutung genetischer Veränderungen bei hämatologischen Erkrankungen
von Menschen
16
2.1
Chromosomale Translokationen und chromosomale Deletionen
17
2.2
Tumor-Suppressorgene
19
2.3
Numerische und strukturelle Aberrationen von Chromosom 7 bei
myeloischen Leukämien des Menschen
21
2.4
Kritische Deletionsregion 7q22-q31.1
21
2.5
Kandidaten-Gen Genbank Nummer (Acc. No.) AY147037
26
3 Bedeutung genetischer Veränderungen bei hämatologischen Erkrankungen
von Hunden und Katzen
31
4 Mutations-Analyse von Kandidaten-Genen
33
4.1
Sequenzierung nach der Didesoxymethode nach SANGER et al. (1977) 33
4.2
Weitere Methoden zur Mutationsanalyse von DNA
34
C
Material und Methoden
37
1
Material
1.1
Geräte und Bezugsquellen
1.2
Reagenzien, Verbrauchsmaterial und Bezugsquellen
37
37
37
2
Patienten und Zelllinien
2.1
Probanden
2.2
Patienten
2.3
Maligne Zelllinien
40
40
40
40
3
Methoden
3.1
Isolierung mononukleärer Zellen aus Blut und/oder Knochenmark
3.2
DNA-Extraktion
3.3
Entwerfen der Oligonucleotidprimer-Paare für das Gen AY147037
3.4
DNA-Amplifikation mit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und
Auftrennung der PCR-Produkte
3.5
Aufreinigung von PCR-Produkten aus Agarose-Gelen
3.6
DNA-Sequenzierung
42
42
43
43
45
46
47
3.6.1 Polyacrylamidgele
3.6.2 Radioaktive DNA Sequenzierung nach SANGER et al. (1977)
47
48
D
Ergebnisse
50
1
Mutationsanalyse an Menschen mit myeloischer Leukämie und
myelodysplastischen Syndrom und 7q-Aberration
50
2
Mutationsanalyse an Tumor-Zelllinien
50
3
Mutationsanalyse an gesunden Probanden
50
E
Diskussion
57
F
Zusammenfassung
61
G
Summary
62
H
Literaturverzeichnis
63
Abkürzungsverzeichnis:
A
=
Adenin
Abb.
=
Abbildung
Acc. No. =
accession number (Genbank-Nummer)
AML
=
akute myeloische Leukämie
BAC
=
bacterial artificial chromosome
bp
=
Basenpaare
bzw.
=
beziehungsweise
C
=
Cytosin
°C
=
Grad Celsius
dATP
=
Desoxyadenosintriphosphat
del (x)
=
Deletion (x)
dCTP
=
Desoxycytosintriphosphat
ddNTP
=
Didesoxynucleotide
dGTP
=
Desoxyguanosintriphosphat
DNA
=
Desoxyribonucleinsäure
dTTP
=
Desoxythymidintriphophat
EST
=
expressed sequence tags
FAB
=
French-American-British (Klassifikation)
G
=
Guanin
g
=
gravity, Erdbeschleunigung
inv (X;X) =
Inversion (X;X)
Mb
=
Megabasen
MDS
=
myelodysplatisches Syndrom
ml
=
Milliliter
MLL
=
mixed lineage leukemia
mM
=
millimolar
n
=
Chromosomensatz
PAC
=
P1 artifical chromosome
PCR
=
polymerase chain reaction, Polymerasekettenreaktion
pmol
=
Picomol
PHD
=
Plant homeodomain
SET
=
Suvar 3-9 Enhancer-of-zeste Trithorax, Proteindomäne
T
=
Thymin
Tab.
=
Tabelle
TBE
=
Tris-Borat-Ethylendiamintetraessigsäure-Puffer
T (X;X) =
Translokation (X;X)
YAC
=
yeast artificial chromosome
z.B.
=
zum Beispiel
µl
=
Mikroliter
µCi
=
Mikro-Curie
A
A
Einleitung
9
Einleitung
Der Verlust von Chromosom 7 (-7) oder die Deletion des langen Arms del (7q-) sind
rekurrente chromosomale Veränderungen bei malignen myeloischen Erkrankungen
des Menschen. Diese Aberrationen sind vor allem mit dem myelodysplastischen
Syndrom (MDS) und der akuten myeloischen Leukämie (AML) assoziiert, wobei die
Inzidenz von 7q-Aberrationen bei dem MDS bzw. der AML, die durch Strahlen- oder
durch Zytostatikatherapie hervorgerufen wurden (t-MDS/t-AML), auf bis zu 50-60%
ansteigt (LE BEAU et al. 1986, LUNA-FINEMAN et al. 1995. PEDERSONBJERGAARD et al. 1996, THIRMAN et al. 1996). Darüber hinaus finden sich -7/7q
Aberrationen häufig bei Menschen mit bestimmten konstitutionellen Erkrankungen
wie z.B. der Fanconi Anämie oder dem Kostmann-Syndrom, die im Verlaufe ihrer
Erkrankung eine AML oder ein MDS entwickeln (LUNA-FINEMAN 1995).
Auf dem langen Arm von Chromosom 7 konnte in den letzten Jahren mittels
chromosomaler G-Bänderungsanalyse und molekulargenetischer Methoden eine
kleinste gemeinsam deletierte Region, eine so genannte „kritische“ Deletionsregion,
identifiziert werden (FISCHER et al. 1997, JOHANSSON et al. 1993, LE BEAU et al.
1986, LE BEAU et al. 1996, , NEUMAN et al. 1992, RODRIGUES et al. 1996). Diese
umfasst den distalen Teil der chromosomalen Bande 7q22 und den proximalen Teil
der Bande 7q31.1 (FISCHER et al. 1997, LE BEAU et al. 1996).
Der rekurrente Verlust von chromosomalen Material bei AML-Patienten legt nahe,
dass möglicherweise in dieser „kritischen“ Region für die myeloische Leukämie
pathogenetisch relevante Gene lokalisiert sind. In den letzten Jahren haben mehrere
Arbeitsgruppen versucht, diese „kritische“ Region auf molekularer Ebene zu
charakterisieren, letztendlich mit dem Ziel, Kandidaten-Gene zu identifizieren. So
gelang es auch unserer eigenen Arbeitsgruppe, ein bislang unbekanntes Gen
(Genbank „accession number“ (Acc.No. AY147037) zu klonieren, das innerhalb der
„kritischen“ Region lokalisiert ist. Zeitgleich zu unserer Arbeitsgruppe identifizierten
und charakterisierten EMMERLING et al. (2002) das Kandidaten-Gen MLL5, welches
nahezu identisch mit dem Kandidaten-Gen AY147037 ist.
Ziel dieser Arbeit war es, die pathogenetische Bedeutung dieses Kandidaten-Gens
bei der AML des Menschen zu untersuchen. Hierzu sollten Patienten mit AML bzw.
MDS und 7q-Aberration auf mögliche Mutationen im noch vorhandenen zweiten Allel
analysiert werden.
B
Literaturübersicht
B
Literaturübersicht
1
Klassifikation
und
Bedeutung
der
10
akuten
myeloischen
Leukämie und des myelodysplastichen Syndroms
Bei den Leukämien handelt es sich um Neoplasien, die aus den hämatopoetischen
Stammzellen hervorgehen. Die akute myeloische Leukämie (AML) kann alle
Zellreihen der Hämatopoese, mit Ausnahme der lymphatischen Zellreihe, betreffen.
Die AML ist durch eine unkontrollierte Proliferation myeloischer Vorläuferzellen, den
so genannten Blasten charakterisiert (BENNETT et al. 1985).
Das myelodysplastische Syndrom (MDS), häufig auch als eine präleukämische
Erkrankung gesehen, bezeichnet eine klonale Stammzellerkrankung mit Störung von
Proliferation und Differenzierung hämatopoetischer Zellen. Betroffen ist meist die
Granulo-, Erythro-, und/oder die Thrombopoese (FIALKOW 1984, JANNSSEN et al.
1989).
1.1
Klassifikation und Bedeutung der akuten myeloischen Leukämie und des
myelodysplastischen Syndroms beim Menschen
Anfang der 80iger Jahre wurde erstmals die so genannte French-American-British
(FAB)- Klassifikation für die AML und das MDS definiert (BENNETT et al. 1985). Sie
basiert auf rein morphologischen Kriterien der einzelnen Leukämieformen und
beschreibt den Differenzierungs- bzw. Reifungsgrad der betroffenen Zellreihen (Tab.
1 und Tab. 2).
1999 hat die World Health Organisation (WHO) einen Vorschlag für eine neue
Klassifikation der AML und des MDS herausgegeben. Dieser beinhaltet neben
morphologischen Kriterien spezifische genetisch differenzierbare Subgruppen
(HARRIS et al. 1999). Die WHO-Klassifikation für die AML bzw. das MDS kann den
Tabellen 3 und 4 entnommen werden.
Die Inzidenz der AML steigt mit dem Alter kontinuierich an und erreicht ihr Maximum
im sechsten und siebten Lebensjahrzehnt. Ebenso wie bei den anderen
Leukämieformen überwiegt das männliche Geschlecht (HELLENBRECHT et al.
2003).
B
Literaturübersicht
11
Tab. 1: French-American-British (FAB)-Klassifiktion der akuten myeloischen
Leukämie beim Menschen (nach BENNETT et al. 1985)
FAB
-Typ
Bezeichnung
Morphologie
Nur wenige azurophile
Granula
Anteil der Gesamtblasten
>30%
Anteil der Granulopoese
<10%
Blasten mit promyelozytären
Granula, Auer-Stäbchen
können vorliegen
Anteil der Gesamtblasten
>30%
Anteil der Granulopoese
>10%
Zytochemische HäufigFärbungen
keit
MPO: 3-10% der
Zellen
EST: PAS: -
20%
MPO: >30% der
Zellen
EST: PAS: -
30%
M1
Akute unreife
Myeloblastenleukämie
M2
Akute
Myeloblastenleukämie
mit Ausreifung
M2Baso mit Basophilie
M3
Akute
Promyelozytenleukämie
Hypergranuläre
Promyelozyten, oft mit
multiplen Auer-Stäbchen pro
Zelle
MPO: +++
EST: PAS: -/+
5%
M4
Akute myelomonozytäre
Leukämie
M4Eo mit >5%
abnormen Eosinophilen
Monozytenähnliche Zellen im
peripheren Blut; M4 mit
Eosinophilen bildet Subtypus
Anteil der Granulopoese 3080%
Monozyten/Monoblasten
>20%
MPO: +
EST: +
PAS: -
30%
M5
Akute
Monoblastenleukämie
M5a ohne Ausreifung
M5b mit Ausreifung
a) undifferenziert, >80%
Monoblasten
b) differenziert mit 80%
Promyelozyten und
Monozyten
MPO: +/EST: +
PAS: -/+
10%
M6
Akute Erythroleukämie
Prädominaz von
Erythroblasten und deutlich
dysplastischer erythroider
Vorläufer
>50% Erythroblasten
MPO: EST: PAS: +/-
selten
M7
Akute
Megakaryoblastenleukämie
Undifferenzierte Blasten
regieren mit
antithrombozytären
Antikörpern und enthalten
Thrombozytenperoxidase
MPO: EST: PAS: +/-
selten
Erläuterungen zu Tab. 1:
MPO: Myeloperoxidase; EST: unspezifische Esterase ( Naphtylazetatesterase); PAS:
Perjodsäure-Schiffreaktion; + > positive Reaktion; +++>deutlich positiv; - > negative
Reaktion; +/- > teilweise positiv, teilweise negativ Reaktion
B
Literaturübersicht
12
Tab. 2: World Health Organisation-Klassifikation der akuten myeloischen
Leukämie (AML) des Menschen (nach VARDIMAN et al. 2002)
AML mit spezifischen chromosomalen Translokationen
AML mit t(8;21)(q22;q22) und AML1/ETO Rearrangement
Akute Promyelozytenleukämie mit t(15;17)(q22;q12)
AML mit inv (16)(p13;q22) oder (16;16)(p13;q22) und CBFß/MYH11-Rearrangement
AML mit 11q23 Veränderungen (MLL-Gen)
AML mit multilinearer Dysplasie
mit vorhergegangenem myelodysplastischen Syndrom
ohne vorhergegangenes myelodysplastischen Syndrom
Therapiebedingte AML
nach alkylierenden Substanzen
nach Epipodophyllotoxine
andere
AML nicht näher klassifiziert
AML mit minimaler Differenzierung
AML ohne Ausreifung
AML mit Ausreifung
Akute myelomonozytäre Leukämie
Akute monozytäre Leukämie
Akute erythroide Leukämie
Akute Basophilenleukämie
Akute Panmyelose mit Myelofibrose
Akute biphänotypische Leukämie
Tab.3: French-American-British (FAB)-Klassifikation des myelodysplastischen
Syndroms beim Menschen (nach BENNET et al. 1985)
FAB-Typ
RA
RARS
RAEB
RAEB-T
CMML
Bezeichnung
Refraktäre Anämie
Refraktäre Anämie mit Ringsideroblasten
im Knochenmark
Refraktäre Anämie mit Blasten-Exzess
5-10% Blasten im Knochenmark
Refraktäre Anämie mit Blasten-Exzess in
Transformation
21-30% Blasten im Knochenmark
Chronische myelomonozytäre Leukämie
Monozytose = 1000/ µl im Blut
B
Literaturübersicht
13
Tab. 4: World Health Organisation (WHO)-Klassifikation des myelodysplastischen Syndroms des Menschen (nach VARDIMAN et al. 2002)
WHO-Typ
Bezeichnung
a) myelodysplastisches Syndrom
RA
RCMD
RAEB
5q
MDS-U
Refraktäre Anämie
mit Ringsideroblasten
ohne Ringsideroblasten
Refraktäre Zytopenie mit multilineärer Dysplasie (mindestens 2
Zellreihen betroffen)
Refraktäre Anämie mit Blasten-Exzess
5q-Syndrom
nicht klassifizierbar
b) myelodysplastische/ myeloproleferative Erkrankungen
• Chronische myelomonozytäre Leukämie
• Atypische chronische myeloische Leukämie
• Juvenile myelomonozytäre Leukämie
RA=refractory anaemia, RCMD=refractory cytopenia with multilineage dysplasia,
RAEB=refractory anaemia with excess blasts, MDS-U=myelodysplastic syndrome –
unclassifiable
Nach einer Untersuchung von HELLENBRECHT et al. (2003) im Rahmen des
Projektes
21
des
Kompetenznetz
Leukämien
aus
München
gibt
es
4,3
Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner pro Jahr bei Männern und 2,9
Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner pro Jahr bei Frauen (HELLENBRECHT et
al. 2003). Auch für das MDS findet man ab dem Alter von 60 Jahren einen deutlichen
Anstieg der Inzidenz (5,1 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner pro Jahr bei
Männern und 3,8 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner pro Jahr bei Frauen)
(HELLENBRECHT et al. 2003).
B
1.2
Literaturübersicht
14
Klassifikation und Bedeutung der akuten myeloischen Leukämie und des
myelodysplastischen Syndroms beim Hund und bei der Katze
JAIN et al. (1991) adaptierten die Kriterien der FAB-Klassifikation (BENNETT et al.
1985) auf die Klassifikation der AML beim Hund und bei der Katze (Tab. 5). Wie in
der Humanmedizin gewinnen auch in der Tiermedizin neben den klassischen
morphologischen Untersuchungen und den zytochemischen Untersuchungen die
Immunophenotypisierung,
die
Durchflusszytometrie
und
die
Zytogenetik
an
Bedeutung (RASKIN et al. 1996, MODIANO et al. 1998, FERNANDES et al. 2002).
Allerdings muss die neueste WHO-Klassifikation der AML des Menschen (HARRIS et
al. 1999) vor ihrer Anwendung beim Tier noch einmal überarbeitet werden, da sie
sich ganz wesentlich auch auf humanspezifische zytogenetische Veränderungen und
Therapie-induzierte Aspekte stützt.
Im Gegensatz zur Katze ist die myeloische Leukämie beim Hund im Verhältnis zu
den lymphatischen Leukämien relativ selten (MORITZ und GRÜNBAUM 1993). Wie
für andere Leukämieformen liegen für die Inzidenz der AML bei Hund und Katze
jedoch keine verlässlichen Daten vor. Die AML wird gehäuft bei Tieren mittleren
Alters gefunden (FRASER et al. 1974, CROW et al. 1977, HENNESS und CROW
1977, HENNESS et al. 1977, LINNABARY et al. 1978, JAIN et al. 1981, COUTO
1985, GRINDEM et al. 1985a, GRINDEM et al. 1986, GORMAN und EVANS 1987,
BLUE et al.1988), ohne Geschlechts- oder Rassedisposition bei Hund (GRINDEM et
al. 1985b, GORMAN und EVANS 1987) und Katze (BLUE et al. 1988).
Unter Berücksichtigung der einzelnen FAB-Kriterien wurden akute myeloblastische
Leukämien (M1, M2) für den Hund erst vereinzelt beschrieben (WELLER et al. 1980,
KELLER et al. 1985, GRINDEM et al. 1986). Im Vergleich hierzu kommt ihnen bei der
Katze ein größeres Gewicht zu (FRASER et al. 1974, GRINDEM et al. 1985a,
FACKLAM und
KOCIBA 1986). Ein außergewöhnlicher Fall einer akuten
myeloischen Leukämie basophilen Ursprung (M-2B) wurde von BOUNOUS et al.
(1994) bei einer Katze beschrieben. Für die Promyelozytenleukämie (M3) kann der
zugänglichen Literatur für Hund und Katze bislang noch keine Beschreibung
entnommen werden. Ablesbar an systematischen Untersuchungen (GRINDEM et al.
1985b, GRINDEM et al. 1986, JAIN et al. 1991) wie an einer Fülle von Fallberichten
ist, dass beim Hund am häufigsten die akute myelomonozytäre (CHRISTOPHER et
al. 1986, GREEN und BARTON 1977, JAIN et al. 1981, LINNABARY et al. 1978,
ROHRIG 1983) und akute monozytäre Leukämie (M5) (COUTO 1985, GRINDEM et
B
Literaturübersicht
15
al. 1985b, LATIMER und DYKSTRA 1984, MISCHKE und FREUND 1998) auftritt. In
einem geringeren Anteil der AML werden Neoplasien unter Beteiligung der
Monozyten bei der Katze gesehen (HENNESS et al. 1977, STANN 1979,
TSUJIMOTO et al. 1981, FACKLAM und KOCIBA 1986, SHIRAHAMA et al. 2000).
Bei Leukämien unter Beteiligung der roten Zellreihe (M6) liegt – vor allem bei der
Katze – häufig eine Dominanz von Blasten der erythroiden Komponente vor, die als
Subtyp M6-Er klassifiziert werden (SCHALM 1975, CROW et al. 1977, HARDY 1981,
GRINDEM et al. 1985a, FACKLAM und KOCIBA 1986, BLUE et al. 1988, SHIMADA
et al. 1995). Spontane Neoplasien unter Beteiligung der Erythropoese stellen beim
Hund eine Seltenheit dar (CAPELLI 1990). Innerhalb einer Krankheitsgeschichte
kann sich eine Erythroleukämie in eine akute Myeloblastenleukämie fortentwickeln
(SCHALM 1975, SHIMADA et al. 1995). Auch zur Megakaryoblasten-Leukämie (M7)
liegen sowohl für den Hund (CAIN et al. 1986, BOLON et al. 1989, MESSICK et al.
1990, COLBATZKY und HERMANNS 1993, PUCHEU-HASTON et al. 1995,
MIYAMOTO et al. 1996) und in geringerem Umfang auch für die Katze (JUCHEM
und PAUSE 1987, HAMILTON et al. 1991, COLBATZKY und HERMANNS 1993,
BURTON et al. 1996) einige Fallbeschreibungen vor.
In der oben zitierten Arbeit von JAIN et al. (1991) wird ebenfalls auf die Klassifikation
des MDS bei Hund und Katze eingegangen. JAIN et al. (1991) unterteilten das MDS,
das mit weniger als 30 % Blasten im Knochenmark assoziiert ist, in zwei Typen. Zum
einen in das MDS und zum anderen in das MDS-Er, welches – analog zur M6-Er –
durch die Prädominanz von erythroiden Zellen gekennzeichnet ist. Allerdings kamen
in vielen Arbeiten auch die FAB-Klassifikation des Menschen oder hieran angelehnte
Klassifikationen zur Anwendung (BAKER und VALLI 1986, BLUE et al. 1988,
HISAUE et al. 2001).
Die wenigen bislang publizierten Falldokumentationen belegen, dass das nicht
Therapie-induzierte MDS beim Hund eine Rarität darstellt (COUTO und KALLET
1984, WEISS et al. 1985, WEISS und REIDARSON 1989, FUJINO et al. 2003).
Katzen erkranken häufiger an einem MDS, wobei bei ca. 80% der Katzen eine
Infektion mit dem Felinen Leukämievirus vorliegt (MADEWELL et al. 1979, BLUE et
al. 1988, JAIN et al. 1991, BREUER et al. 1999, HISAUE et al. 2000, HISAUE et al.
2001). Das MDS ist – wie beim Menschen – häufig eine präleukämische Erkrankung
(MADEWELL et al. 1979, HISAUE et al. 2000, HISAUE et al. 2001). In einer Studie
von HISAUE et al. (2001) wurden 16 Katzen mit MDS untersucht. Diese Fälle wurden
B
Literaturübersicht
16
nach der humanen FAB-Klassifikation unterteilt: 8 der Katzen hatten eine refraktäre
Anämie (RA), 5 Katzen eine refraktäre Anämie mit Blasten-Exzess (RAEB), eine
Katze eine RAEB in Transformation sowie zwei Katzen eine chronische
myelomonozytische Leukämie. Drei von sechs Katzen mit erhöhter Blastenzahl
entwickelten eine AML, während dies nur bei einer von acht Katzen mit niedriger
Blastenzahl der Fall war (HISAUE et al. 2001).
Tab 5: Modifizierte French-American-British (FAB)-Kriterien für die
Klassifikation der akuten myeloischen Leumämien (AML) beim Hund und bei
der Katze (nach JAIN et al. 1991)
FAB-Typ
Bezeichnung
Morphologie
AUL
Akute undifferenzierte
Leukämie
M0
Akute undifferenzierte
Leukämie
Primitive Zellen, Fehlen zytochemischer
Färbungen
Primitive Zellen, welche eingeschränkt
myeloische Differenzierung im
Elektronenmikroskop erkennen lassen
M1
M2
M3
M4
M5
M6
M6-Er
M7
2
Akute myeloblastische
Leukämie ohne Ausreifung
Akute Myeloblastenleukämie
mit Ausreifung
Akute Promyelozytenleukämie
Akute myelomonozytäre
Leukämie
Akute Monoblastenleukämie
M5a ohne Ausreifung
M5b mit Ausreifung
Akute Erythroleukämie
Akute Erythroleukämie mit
erythroider Prädominaz
Akute
Megakaryoblastenleukämie
Nur wenige azidophile Granula
Blasten mit promyelozytären Granula, AuerStäbchen können vorliegen
Konnte beim Tier noch nicht beschrieben
werden
Myeloblasten und differenzierte
Granulozyten, Monozytäre Zellen > 20%
a) undifferenziert, >80% Monoblasten
b) differenziert mit 80% Promyelozyten und
Monozyten
Prädominanz von Erythroblasten und
deutlich dysplastischer erythroider Vorläufer
M6 plus erythroider Prädominanz mit
Rubriblasten
Megakaryoblasten, positive AcetylcholinEsterase-Reaktion
Bedeutung genetischer Veränderungen bei hämatologischen
Erkrankungen von Menschen
Das gehäufte Vorkommen chromosomaler Veränderungen bei Tumorerkrankungen
führte schon sehr früh zu der Hypothese, dass diese Aberrationen ursächlich an der
Entstehung oder der Progression maligner Erkrankungen beteiligt sind. Unterstützt
B
Literaturübersicht
17
wurde diese Vermutung durch Experimente an transgenen Mäusen, die zeigten,
dass spezifische genetische Läsionen am Beginn einer wahrscheinlich mehrstufigen
pathogenetischen Kette stehen (ADAMS et al. 1985, VOGELSTEIN et al. 1988,
LAVIGUEUR et al. 1989, DALEY et al. 1990, DONEHOVER et al. 1992).
Auf chromosomaler Ebene unterscheidet man verschiedene Mechanismen, die zu
einer Veränderung des Karyotyps führen können: a) balancierte Translokationen,
b) numerische Veränderungen und c) strukturelle Veränderungen (z.B. Deletionen).
Bei der balancierten Translokation wird Material zwischen zwei Chromosomen
ausgetauscht, numerische Veränderungen kommen durch den Verlust eines
Chromosoms oder aber durch den Gewinn eines zusätzlichen Chromosoms (z.B.
Trisomie) zustande, während Deletionen zu einem Verlust von genetischem Material
führen (DÖHNER et al. 2001b).
Die
molekulargenetische
Analyse
der
Bruchpunkte
tumorspezifischer
Translokationen ermöglicht die Identifikation von Genen, durch deren Umlagerung
ein neues Fusionsgen mit veränderter Funktion entsteht. Sie trägt in der Regel zur
Entstehung der malignen Transformation bei. Diese Gene sind häufig an der
Regulation von Zellproliferation und Zelldifferenzierung beteiligt und werden in ihrer
physiologischen Form als Proto-Onkogene bezeichnet (CANTLEY et al. 1991, YUNIS
und TANZER 1993, RABBITTS 1994). Die Aktivierung eines zellulären ProtoOnkogens durch z.B. chromosomale Translokation oder Punkt-Mutation führt zu
unkontrollierten Wachstums- und Differenzierungsprozessen, die als Teilschritte
einer Tumorentwicklung aufgefasst werden können. Chromosomale Translokationen
beeinflussen entweder die Gen-Expression oder das Gen-Produkt (KORSMEYER
1992). Bei einer Reihe maligner solider Tumoren und hämatologischer Erkrankungen
konnten
spezifische
Verluste
von
chromosomalem
Material
(Deletionen)
nachgewiesen werden (SOLOMON et al. 1991). Dieses legt nahe, dass innerhalb
dieser deletierten Regionen Gene lokalisiert sind, deren Funktionsverlust oder
Inaktivierung für die Initiation oder Progression malignen Wachstums von Bedeutung
sind (so genannte Tumor-Suppressorgene).
2.1
Chromosomale Translokationen und chromosomale Deletionen
Ein Teil der rekurrenten Aberrationen bei Tumorerkrankungen, insbesondere der
Hämatopoese
des
Menschen,
ist
mit
spezifischen
morphologischen,
immunologischen und klinischen Charakteristika assoziiert (MITELMAN et al. 1990,
B
Literaturübersicht
MITELMAN
18
1995). Die derzeit am besten untersuchten und etablierten Kriterien
liefert die Zytogenetik (GRIMWADE et al. 1998).
In großen Studien konnte, vor allem für die AML, gezeigt werden, dass spezifische
chromosomale Aberrationen mit statistisch signifikanten Unterschieden in den
Ansprechraten auf Chemotherapie und insbesondere in den Überlebenszeiten der
Patienten einhergehen (BLOOMFIELD und DE LA CHAPELLE et al. 1987,
BLOOMFIELD et al. 1989, MRÓZEK et al. 1997, SCHLENK et al. 2003). Ein Beispiel
für die prognostische Bedeutung genetischer Veränderungen sind die reziproke
Translokation (t) zwischen den Chromosomen 8 und 21, t(8;21)(q22;q22), bei der
AML, assoziert mit dem FAB-Subtyp M2, die bei Erwachsenen mit einer hohen Rate
kompletter Remissionen und einer günstigen Langzeitprognose assoziiert ist
(SWANSBURY et al. 1994, NUCIFURA und ROWLEY 1995, GRIMWADE et al.
1998). Ebenso ist die AML mit Translokation t(15;17), assoziiert mit FAB-Subtyp M3,
oder die Inversion (16)(p13q22) (inv (16)(p13q22)), verbunden mit der AML-M4Eo,
durch eine exzellente Prognose gekennzeichnet (GRIMWADE et al. 1998). Im
Gegensatz hierzu sind komplexe Veränderungen mit einer Beteiligung der
Chromosomen 5 und 7 (-5/5q-, -7/7q-) oder Veränderungen an Chromosom 3q mit
einer schlechten Prognose assoziiert (GRIMWADE et al. 1998). Bei der AML stellt
der Karyotyp den wichtigsten unabhängigen Prognosefaktor dar (BLOOMFIELD und
DE LA CHAPELLE 1987, ARTHUR et al. 1989, SCHIFFER et al. 1989, GRIMWADE
et al. 1998).
Auch bei der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) konnte die prognostische
Bedeutung genetischer Veränderungen gezeigt werden. So geht die Deletion des
Tumor-Suppressorgens TP53 oder die Deletion des langen Arms von Chromosom 11
bei der chronischen B-Zell-Leukämie mit niedrigen Überlebensraten und schlechtem
Ansprechen auf Chemotherapie einher (DÖHNER et al. 2001a).
Zu den häufig auftretenden Deletionen bei myeloischen Leukämien zählen 5q-, 7q-,
9q- und 20q- (MITELMAN et al. 1991). Mittels G-Bänderungsanalyse konnte für
einen Teil dieser Deletionen (5q-, 7q-, 20q-) ein gemeinsam deletiertes Segment,
eine so genannte Konsensus-Deletionsregion, ermittelt werden (KOBAYASHI et al.
1993, LE BEAU et al.. 1993, ROULSTON et al. 1993, SATO et al. 1995, HOORIGAN
et al. 1996, LE BEAU et al. 1996, FISCHER et al. 1997, ZHAO et al. 1997).
Diese
Konsensus-Deletionsregionen
enthalten
höchstwahrscheinlich
Tumor-
Suppressorgene, deren Funktionsverlust in der Pathogenese myeloischer Leukämien
B
Literaturübersicht
19
eine bedeutende Rolle spielt (KRATZ et al. 2001), wobei bis heute kein Leukämiespezifisches Tumor-Suppressorgen identifiziert werden konnte (FERRARI et al.
2001, KRATZ et al. 2001).
2.2
Tumor-Suppressorgene
Die Existenz der Tumor-Suppressorgene wurde 1971 erstmals von KNUDSON
postuliert. Tumor-Suppressorgene wirken hiernach, im Gegensatz zu klassischen
dominanten Onkogenen, auf zellulärer Ebene rezessiv. Ein mutiertes ererbtes oder
durch somatische Mutation entstandenes Allel kann, wenn keine normale Kopie mehr
vorhanden ist, eine Transformation der Zelle bewirken (WEINBERG 1991). Für die
Aufrechterhaltung der normalen Zellwachstumsregulation reicht nach dieser
klassischen Theorie das Gen-Produkt eines normalen Allels aus. So ist nicht nur die
Deletion eines Allels nachweisbar, sondern zusätzlich eine Mutation des zweiten
Allels für die Tumorentstehung notwendig (klassische Zwei-Schritt-Hypothese oder
„two-hit-model“). Tumor-Suppressorgene begünstigen die Entstehung von Tumoren
durch
das
Fehlen
antiproliferativer
Regulationsproteine
(KNUDSON
1993,
WEINBERG 1993).
KNUDSON (1971) formulierte auf der Grundlage epidemiologischer Untersuchungen
des erblichen und sporadischen Retinoblastoms, einem seltenen Netzhauttumor des
Kindes, eine Zwei-Schritt-Hypothese. Bei der erblichen Form gelangt ein defektes
Allel über die Keimbahn in alle Körperzellen des Betroffenen. Geht durch ein weiteres
Ereignis die Funktion des zweiten Allels in einem Retinoblasten verloren, entwickelt
sich in einer prädisponierten Retina ein Tumor. Hier kann eine Deletion ursächlich
sein. Bei der sporadischen Form des Retinoblastoms führen zwei unabhängige
somatische
Ereignisse
zu
einem
Funktionsverlust
beider
Allele
in
einem
Retinoblasten und somit zur Tumorentstehung (KNUDSON 1971). Basierend auf
neueren Analysen vermutet man allerdings, dass diese Zwei-Schritt-Hypothese nicht
für alle Tumor-Suppressorgene bzw. Erkrankungen zutreffen muss, sondern schon
die Inaktivierung eines Allels (Haploinsuffzienz) ausreichen kann (SONG et al. 1999).
Ähnlich wie bei soliden Tumoren legt das Vorhandensein chromosomaler Deletionen
in malignen myeloischen Erkrankungen nahe, dass die Inaktivierung eines TumorSuppressorgenes für die Pathogenese dieser Leukämien von Bedeutung sein könnte
(JOHANSSON et al. 1993). In Tabelle 6
sind einige
Suppressorgene bei menschlichen Tumoren zusammengestellt.
bekannte Tumor-
B
Literaturübersicht
20
Tab.
6:
Zusammenstellung
bekannter
Tumor-Suppressorgene
menschlichen Tumoren (nach einer Übersicht von DÖHNER et al. 2001)
Gen
Chromosomaler
Lokus
APC
5q21
ATM
11q22
BRCA1
17q21
BRCA2
13q12
CDKN2A/MTS1/p16
9q21
DCC
18q21
DPC4/SMAD4/MADH4 18q21
Erkrankung
Familäre,
adenomatöse
Polyposis
T- und B-ZellLeukämie,
MantelzellLymphom
Familiäres Mammaund Ovarkarzinom
Familiäres Mamma-,
Ovarial- und
Prostatakarzinom
Melanom
Karzinome (Kolon,
Endometrium,
Pankreas)
Karzinome
(Pankreas,
Kolon,Leber)
Siegelringkarzinom,
Kolonkarzinom,
Mammakarzinom
Karzinome (Lunge,
Pankreas,Magen,
Niere)
Leber- und
Kolonkarzinom
bei
Funktion
Signaltransduktion
Zellzyklus/DNAReparatur
DNA-Reparatur
DNA-Reparatur
Zyklinabhängiger
Kinaseinhibitor
Signaltransduktion
Signaltransduktion
E-Cadherin/CDH1
16q22
FHIT
3q21
MSH2
2p16
NF1
17q11
Neurofibrome
GTPase aktivierendes
Protein
PMS1/HNPCC3
2q31-q33
Kolonkarzinom
DNA-Reparatur
RB1
13q14
TP53
17p13
WT1
11p13
Retinoblastom,
Osteosarkom,
Karzinome (Blase,
Mamma, Lunge,
Prostata)
Astrozytom,
Osteosarkom,
Karzinome (Blase,
Mamma, Kolon,
Leber)
Nephroblastom
Signaltransduktion
Phosphathydrolase
DNA-Reparatur
Transkriptionsmodifikator
Transkriptionsfaktor
Transkriptionsfaktor
B
2.3
Literaturübersicht
21
Numerische und strukturelle Aberrationen von Chromosom 7 bei
myeloischen Leukämien des Menschen
Der Verlust von Chromosom 7 oder Deletion (7q-) (del (7q-)) zählen zu den
häufigsten chromosomalen Anomalien bei myeloischen Leukämien des Menschen.
Diese Veränderungen sind auch assoziiert mit dem MDS (LUNA-FINEMAN et al.
1995). Ca. 5-10% der Patienten mit de novo MDS oder de novo AML weisen eine
Monosomie 7 oder eine del (7q-) auf. Die Inzidenz von -7/7q- steigt in der Gruppe der
sekundären bzw. Therapie-assozierten MDS bzw. AML (t-MDS/t-AML) auf bis zu ca.
50-60% an (LE BEAU et al. 1986, PEDERSEN-BJERGAARD et al. 1994, LUNAFINEMAN et al. 1995, THIRMAN et al. 1996). Bei den sekundären oder Therapieinduzierten Erkrankungen liegt die Chromosom-7-Veränderung häufig nicht als
isolierte Chromosomenaberration vor, sondern findet sich innerhalb eines komplex
veränderten Karyotyps (LE BEAU et al. 1986, LE BEAU et al. 1996).
Interessanterweise findet sich die chromosomale Aberration -7/7q- beim Menschen
bei einer Reihe von Patienten mit konstitutionellen Erkrankungen (Fanconi Anämie,
Kostman-Syndrom, Down-Syndrom), die im Verlauf ein MDS oder eine AML
entwickeln (LUNA-FINEMAN et al. 1995). Tabelle 7 zeigt die unterschiedlichen
Erkrankungsgruppen, die einen Verlust von Chromosom 7 oder eine del (7q-)
aufweisen.
Diese
unterschiedlichen
myeloischen
mit
-7/7q-
assoziierten
Erkrankungen weisen gemeinsame, klinisch typische Charakteristika auf: hohe
Infektanfälligkeit, schlechtes Ansprechen auf die Zytostatikatherapie und kurze
Überlebenszeiten (BLOOMFIELD und DE LA CHAPELLE 1987, MRÓZEK et al.
1997).
2.4
Kritische Deletionsregion 7q22-q31.1
Mit Hilfe der konventionellen Chromosomen-Bänderungsanalyse wurden bei AMLbzw. MDS-Patienten zwei so genannte „kritische“ Deletionsregionen auf dem langen
Arm von Chromosom 7 definiert, eine proximale in der Bande 7q22 und eine distale
in den Banden 7q32-q35 (LE BEAU et al. 1986, NEUMAN et al. 1992, JOHANSSON
B
Literaturübersicht
22
et al. 1993, LE BEAU et al. 1996, RODRIGUES et al. 1996). Diese „kritischen“
Regionen
waren
für
verschiedene
Arbeitsgruppen
Ausgangspunkt
zur
Charakterisierung der Deletionsregionen auf molekularer Ebene.
Tab. 7: Übersicht über die beim Menschen mit einer Monosomie 7 (-7) oder
einer Deletion des langen Arms von Chromosom 7 (7q-) assoziierten
myeloischen Leukämien und konstitutionellen Erkrankungen (nach
BLOOMFIELD und DE LA CHAPELLE 1987, LUNA-FINEMAN et al. 1995)
Akute myeloische Leukämie (AML)
Myelodysplastisches Syndrom (MDS)
De novo-Erkrankungen
Chronische myeloische Leukämie (CML)
Juvenile chronisch myelozytäre Leukämie
(JCMML)
Therapie-induzierte akute myeloische
Sekundäre oder Therapie-induzierte
Leukämie (t-AML)
Erkrankungen
Therapie-induziertes myelodysplastisches
Syndrom (t-MDS)
Fanconi-Anämie
Kostmann-Syndrom
Konstitutionelle Erkrankungen
Schwachman-Diamond-Syndrom
Down-Syndrom
Neurofibromatose Typ I
Familiäre Monosomie 7
KERE
et
al.
(1989b)
lokalisierten
mit
Hilfe
des
Restriktionsfragment-
Längenpolymorphismus (RFLP) und quantitativen Southern-Blot-Analysen eine
gemeinsame Deletionsregion auf 7q in vier Erwachsenen mit MDS oder AML und
einer del (7q-). Die Region lag telomer des Genes für Erythropoietin (EPO) bei
7q21.3-22 und schloss den Genlokus für den Plasminogen-Aktivator-Inhibitor
(PLANH1) mit ein (KERE et al.1989a, KERE et al. 1989b). LEWIS et al. (1996)
untersuchten mit Hilfe der RFLP- und der quantitativen Southern-Blot-Analyse fünf
Patienten mit MDS und del (7q-) und fanden interstitielle Deletionen in allen fünf
Fällen. In zwei Fällen lag der proximale Bruchpunkt zwischen den Genen für Elastin
(ELN) und Kollagen Typ 1a (COLIA2), in drei Fällen distal dieser Region zwischen
B
Literaturübersicht
23
EPO und ACHE (Genprodukt: Azetylcholinesterase)(LEWIS et al. 1996). Aufgrund
der geringen Patientenzahlen und der geringen Auflösung der eingesetzten Marker
beschreiben diese Studien jeweils sehr große genomische Regionen.
KIURU-KUHLEFELT et al. (1997) führten Loss of Heterozygosity (LOH)-Analysen an
8 Patienten mit MDS und/oder AML und del (7q-) durch. Unter Verwendung von 48
polymorphen Mikrosatelliten-Markern, die auf dem langen Arm von Chromosom 7
kartiert
wurden,
wurden
sowohl
die
Lymphozyten-
als
auch
die
Granulozytenpopulationen der Patienten auf den Verlust eines Alles untersucht und
die Heterozygotie zwischen den beiden Zellpopulationen miteinander verglichen.
Dabei konnte eine „kritische“ Region in der Bande 7q31 identifiziert werden, die
durch die anonymen Marker D7S658 und D7S655 begrenzt wird. Bei vier der
untersuchten Patienten fand sich sowohl in der Lymphozyten- als auch in der
Granulozytenpopulation eine Homozygotie für die Marker, die um die Deletionsregion
lokalisiert waren. Aufgrund dieser Ergebnisse postulierten KIURU-KUHLEFELT et al.
(1997), dass möglicherweise zwei unterschiedliche molekulare Ereignisse auf dem
langem Arm von Chromosom 7 in der Pathogenese myeloischer Erkrankungen eine
Rolle spielen. Das erste Ereignis betrifft dabei ein bestimmtes Segment auf 7q in
einer frühen Knochenmarkstammzelle und führt zu deren Homozygotie. Dies hat
wiederum eine Homozygotie der lymphatischen als auch der myeloischen Reihe zur
Folge. In einem zweiten, später stattfindenden Ereignis kommt es zu einer Deletion,
wobei die Deletion jetzt die myeloische und nicht mehr die lymphatische Reihe betrifft
(KIURU-KUHLEFELT et al. 1997).
In einer weiteren LOH-Analyse von LIANG et al. (1998) wurden an insgesamt 23
Patienten mit MDS und/oder AML und 7q-Aberrationen drei unterschiedliche
Deletionsregionen in den Banden 7q22-q31 identifiziert. In dieser Untersuchung
wurden 24 polymorphe Mikrosatelliten-Marker, die in den chromosomalen Banden
7q22-q31 kartiert wurden, verwendet. Während mehr als 80% der Patienten eine
Deletion der gesamten untersuchten Region aufwiesen, konnte bei einem Patienten
mit AML und del (7q-) eine kleinere Deletionregion in 7q31.1 identifiziert werden. In
einem weiteren Fall mit AML und Monosomie 7 ließ sich eine diskontinuierliche
Deletion nachweisen, wobei eine Deletionsregion in der Bande 7q22 und die zweite
in der Bande 7q31 lokalisiert war. Das erhaltene Segment zwischen den beiden
Deletionsregionen umfasste die chromosomalen Banden 7q22-q31.1. Das Ausmaß
der beiden Deletionsregionen nach proximal bzw. distal wurde in dieser Studie nicht
B
Literaturübersicht
24
näher untersucht. Bei einem weiteren Patienten mit AML und zytogenetisch
unauffälligem Chromosom 7 konnte eine submikroskopische Deletion in 7q31.3
nachgewiesen werden. Aufgrund von fehlendem Material für weiterführende
Analysen konnte auch in diesem Fall das exakte Ausmaß der Deletion nicht bestimmt
werden (LIANG et al. 1998).
Mit Hilfe von Fluoreszenz in situ Hybridisierung (FISH) identifizierten JOHNSON et al.
(1996) den genomischen Bruchpunkt eines MDS-Patienten mit einer konstitutionalen
inv(7)(q22.1q34) und eines weiteren MDS-Patienten mit t(2;7)(p11;q21.2). Die
Bruchpunkte wurden jeweils in einem genomischen Fragment, das durch den Yeastartificial-chromosome (YAC)-Klon HSC7E783 in der Bande 7q22 repräsentiert wird,
lokalisiert.
Dieses
DNA-Segment
enthält
das
Gen
ASNS,
das
eine
Asparaginsynthetase kodiert (JOHNSON et al. 1996).
LE BEAU et al. (1996) beschrieben mit Hilfe der FISH-Analyse und überlappender
YAC-Klone eine 2 bis 3 Megabasen (Mb) große deletierte Region, die den distalen
Teil der Bande 7q22 sowie den proximalen Teil der Bande 7q31.1 umfasst. Diese
„kritische“ Region befindet sich distal der von JOHNSON et al. (1996) beschriebenen
Inversions- bzw. Translokations-Bruchpunkte. Sie untersuchten insgesamt 15
Patienten mit myeloischen und lymphatischen Erkrankungen (LE BEAU et al. 1996).
FISCHER et al. (1997) führten FISH-Analysen an 21 Patienten mit myeloischen
Leukämien und 7q-Aberration durch. In 19 Fällen mit Deletionen identifizierten sie
zwei „kritische“ Regionen, eine in der Bande 7q22, bei zwei Patienten mit chronischer
myeloischer Leukämie und eine zweite, die chromosomalen Banden 7q22-7q32
umfassend, welche bei MDS- bzw. AML-Patienten vorkam. Die erste der
beschriebenen Regionen enthält die Gene PLANH1 und CUTL1 (Genprodukt:
CCAAT displacement protein). Die zweite Region 7q22-7q32 enthält die Gene RELN
(Maus-Homolog, welches in die neuronale und cerebelle Entwicklung involviert ist),
ORC5L (Genprodukt: human recognition complex subunit 5), SRPK2 (Genprodukt:
Arginin/Serin-reiche Splicing-Faktor-Kinase) und MET (Proto-Onkogen) (FISCHER et
al. 1997).
Eine weitere Arbeitsgruppe charakterisierte mit Hilfe der FISH den Bruchpunkt einer
balancierten Translokation, t(7;7)(p13;22), bei einem Patienten mit AML (TOSI et al.
1999). Sie konnten zeigen, dass der Translokationsbruchpunkt in der Bande 7q22
lokalisiert war und mit einer ca. 500 kb großen Deletion assoziert war, wobei die
deletierten Sequenzen das Gen CUTL1 enthielten. Darüber hinaus wurden in dieser
B
Literaturübersicht
25
FISH-Studie Analysen an 16 weiteren Patienten mit myeloischen Leukämien
durchgeführt und zwei zusätzliche Deletionsregionen in den Banden 7q31-q32 sowie
der Bande 7q33 identifiziert.
TODD et al. (2000) untersuchten mittels FISH-Analysen die Zelllinie DD1027 von
einem Patienten mit
familiärem MDS und charakterisierten zwei Inversions-
Bruchpunkte in den Banden 7q22 und 7q34. Beide Inversionsbruchpunkte liegen in
den oben beschriebenen Deletionsregionen. Nahe des proximalen Bruchpunktes in
der Bande 7q22 liegen die Gene TAC2 (Genprodukt: Tachykinin 2) und ASNS
(Genprodukt: Asparaginsynthetase) sowie eine Region von „expressed sequence
tags“ (EST) (TODD et al. 2000).
KRATZ et al. (2001) erstellten eine physikalische Karte inklusive einer TranskriptionsKarte, die die gemeinsame deletierte Region repräsentiert. In dieser Region sind das
Gen ORC5L und einige ESTs enthalten. In der Nähe der von KRATZ et al. (2001)
beschrieben Deletionsregion liegen die Gene P37NB (Knochen-Proteoglykan),
PMPCB („mitochondrial processing peptidase“), ZRF1 (antagonisiert die Aktivität der
„Inhibitor of differentiation family members“), PSMC2 (Komponente der 26
protosomalen ATPase und HIV Koaktivator), RELN und SRPK2. Fünf dieser Gene
(PMPCB, ZRF1, PSMC2, ORC5L, RELN) wurden bei Patienten mit Monosomie 7
bzw. del (7q-) als mögliche Kandidaten-Gene für Tumor-Suppressorgene auf
Mutationen untersucht, wobei keine Mutationen beschrieben wurden. Allerdings geht
aus dieser Arbeit nicht hervor, wie viele Patienten oder Zelllinien mit welcher
Methode untersucht wurden (KRATZ et al. 2001).
Fasst man nun alle bislang durchgeführten molekulargenetischen Analysen an 7q
beim Menschen mit akuter Leukämie zusammen, so findet sich eine „kritische“
Region von 2-3 Mb Größe in den Banden 7q22-q31.1. Hier wurden von den
einzelnen Arbeitsgruppen die meisten Deletionsbruchpunkte beschrieben. Darüber
hinaus wurden jedoch auch weitere Deletionsregionen und Bruchpunkte identifiziert,
die außerhalb dieser Region lokalisiert sind. Diese beruhen meist auf Einzelfällen
oder auf nur wenigen Patienten.
Die Tatsache, dass unterschiedliche „hot spots“ auf dem langen Arm von
Chromosom 7 identifiziert wurden, legt den Verdacht nahe, dass möglicherweise
weitere pathogenetisch relevante Gene auf 7q lokalisiert sind. Abbildung 1
veranschaulicht die gemeinsam deletierten Regionen in 7q22, die von den
unterschiedlichen Arbeitsgruppen beschrieben wurden.
Tosi et al. 1999
Döhner et al.1998
26
Fischer et al. 1997
Le Beau et al. 1996
Johnson et al. 1996
21
Liang et al. 1998
11
Le Beau et al. 1996
Literaturübersicht
Kere et al. 1989
B
7q
22
31
32
33
34
35
36
Abb. 1: Schematische Darstellung der von verschiedenen Arbeitsgruppen beim
Menschen in Verbindung mit akuten myeloischen Leukämien beschriebenen
Deletionsregionen und Translokations- und Inversions-bruchpunkte auf dem
langen Arm von Chromosom 7.
Erläuterungen zu Abb.1:
= Deletionsregion
= Translokations-/Inversionsbruchpunkt
2.5
Kandidaten-Gen Genbank Nummer (Acc. No.) AY147037
In der von LE BEAU et al. (1996) und FISCHER et al. (1997) definierten „kritischen“
Deletionsregion konnte ein Kandidaten-Gen gefunden werden, welches eine 7.2-7.5
Kilobasen (kb) große mRNA umfasst (Genbank Acc. No. AY147037) (OBERMILLER
et al. 2002). Das Gen AY147037 konnte mit Hilfe der positionellen Klonierung
identifiziert werden: Ausgangspunkt waren zwei EST, die nach Hybridisierung
verschiedener cDNA-Bibliotheken und Sequenzierung 9 überlappende cDNAFragmente ergaben (Abb. 2) (OBERMILLER et al. 2002). Diese Fragmente
B
repräsentieren
Literaturübersicht
27
die Exons -2 bis 17 des Kandidaten-Gens. Die Exons 18 bis 25
wurden durch Gen-Vorhersage-Programme bestimmt und experimentell durch cDNAPCR und Northern-Blot-Hybridisierung bestätigt (OBERMILLER et al. 2002). Fasst
man die Sequenzen der 27 Exons zusammen, so ergibt sich nach OBERMILLER et
al. (2002) ein Transkript von 7139 Basenpaaren (bp) (Abb. 3), wobei das offene
Leseraster 5577 bp (Exon 1 bis 25) enthält. Das Kandidaten-Gen AY147037 wird in
allen Geweben exprimiert, wobei es am häufigsten im fetalen Gehirn, in der fetalen
Niere und im adulten hämatopoetischen Gewebe sowie in den Zelllinien K562, Molt4
und SW480 exprimiert wird (OBERMILLER et al. 2002). In der 5’Region des Gens
findet sich neben einer Cytosin-Guanin (CG)-reichen Region eine Promotorregion.
Die CG-reiche Region könnte für die DNA-Methylierung und somit für die Expression
des Gens von Bedeutung sein (OBERMILLER et al.2002).
Proteinanalysen haben zwei funktionelle Domänen, einen Plant Homoeodomain(PHD) Finger und eine Suvar 3-9 Enhancer-of-zeste Trithorax (SET)-Domäne (Abb.
3) nachgewiesen, welche eine Homologie mit den PHD-Fingern und den SETDomänen der Drosophila trithorax Gene CG9007, ASH1, TRX und „mixed lineage
leukemia“ (MLL) aufweisen. Es handelt sich bei dem Kandidaten-Gen AY147037
höchstwahrscheinlich um ein Gen der Drosophila trithorax Gruppe (Trx-G)
(OBERMILLER et al. 2002). Vertebraten- und Trx-G-Gene enthalten transkriptionale
Regulatoren, wie z.B. PHD-Finger und SET-Domänen, welche die Protein-ProteinInteraktion vermitteln und somit die Regulation der Gen-Expression steuern (GOULD
1997, JAKOBSON et al. 1999, VAN LOHUIZEN 1999).
Das MLL-Gen liegt in der Bande 11q23 und ist sowohl bei der AML als auch bei der
akuten lymphatischen Leukämie (ALL) in eine Reihe von Translokationen involviert.
Es scheint in der Leukämieentstehung eine bedeutende Rolle zu spielen (CANAANI
et al. 1995, CORRAL et al. 1996, DIMARTINO und CLEARY 1999, DOBSON et al.
1999, LAVAU et al. 2000). Analysen an so genannten „knock out“ Mäusen haben
gezeigt, dass MLL eine wichtige Rolle in der Differenzierung und Proliferation der
Hämatopoese
spielt:
Heterozygote
MLL-Mäuse
zeigen
hämatopoetische
Veränderungen wie Anämie und niedrige Thrombozytenzahlen (YU et al. 1998). Das
MLL-Gen besitzt mehrere PHD- und SET-Domänen (THIRMAN et al. 1993), sowie
Motive, wie „A-T-hook“- und Methyltransferase-Domänen, die direkt mit der DNABindung in Verbindung stehen (JACOBSON et. al. 1999) und die bei MLL im
Gegensatz zum Gen AY147037 vorhanden sind. Die Transkription des Gens
B
Literaturübersicht
28
AY147037 wird möglicherweise über eine Protein-Protein-Interaktion vermittelt
(EMMERLING et al. 2002).
Nahezu zeitgleich zu unserer Arbeitsgruppe identifizierten und charakterisierten
EMMERLING et al. (2002) ebenfalls dieses neue Mitglied der Trx-G-Familie und
nannten es MLL5 (Acc. No. AF519459). Die cDNA besitzt eine Größe von 5574 bp.
In der Arbeit von OBERMILLER et al. (2002) ist im Gegensatz zu EMMERLING et al.
(2002) eine zusätzliche Sequenz von 333 bp beschrieben, die eine potentielle
Promotorregion sowie Teile von Exon -2, -1 und Exon 1 enthält. Weiterhin
identifizierten OBERMILLER et al. (2002) eine CG-reiche Region und untersuchten
den Methylisierungsstatus in der Promotorregion des Gens in normalem Gewebe und
verschiedenen Tumorzelllinien (HL60, K562, Jurkat, THP1). OBERMILLER et al.
(2002) fanden verschiedene „Splice Sites“ von AY147037. Die Bedeutung der „Splice
Sites“ ist jedoch noch nicht geklärt (OBERMILLER et al. 2002).
Die Trx-G kodiert Proteine, welche mit den Polycomb-Faktoren als negative oder
positive Regulatoren für die Entwicklung von so genannten Homeobox (HOX)-Genen
in Zusammenhang stehen. HOX-Gene enthalten viele Transkriptions-Faktoren, die
unter anderem die Zelldifferenzierung während der Entwicklung kontrollieren
(LAWRENCE und LARGMAN et al. 1992). So regulieren HOX-Proteine das
Wachstum und die Differenzierung von Stammzellen.
In einer Studie von LESSARD et al. (1998) zeigte sich, dass HOX-Gene in die
Differenzierung von hämatopoetischen Zellen involviert sind. Veränderte GenExpression und HOX-Gen-Mutationen konnten in menschlichen und murinen
Leukämien gefunden werden (LAWRENCE und LARGMAN et al. 1992).
Aufgrund der Homologie zum Drosophila-Trithorax-Gen könnte AY147037 ein
solcher HOX-Gen-Regulator sein (EMMERLING et al. 2002). Die Lokalisation des
Gens AY147037 in der kritischen Region, die Expression in hämatopoetischem
Gewebe und Leukämie-Zelllinien, sowie die Homologie zu dem Leukämie-Gen MLL
macht das Gen AY147037 zu einem interessanten und potentiellen Kandidaten-Gen
in
der
Pathogenese
myeloischer
Leukämien
(EMMERLING
et
al.
2002).
29
Gene
BAC/PAC- Klone
Zentromer
„kritische“ Region
100 kb
Literaturübersicht
Telomer
B
Abb. 2: Physikalische Karte der „kritischen“ Region 7q22-q31.1 auf
Chromosom 7: Die genomische DNA ist durch den grauen Balken
gekennzeichnet. Die entsprechenden Marker sind darüber eingezeichnet.
Darunter sind horizontal die überlappenden BAC/PAC-Klone dargestellt. Die
Gene ORC5L, SRPK2 und AY147037 sind durch die unteren Balken
repräsentiert. Die Pfeile zeigen die Richtungen, in der das jeweilige Gen
transkribiert wird (OBERMILLER et al. 2002). BAC=bacterial artifical
chromosome, PAC= P1 artifical chromosome, bp=Basenpaar, kb=Kilobasen,
mb=Megabasen
reich=Cytosin-Guanin-reich.
Abb. 3: Kandidaten-Gen AY147037. Schematisch dargestellt ist das Transkript bestehend aus 27 Exons. Der untere
graue Balken zeigt die Größe des Gens. Die Plant homeodomain (PHD)-Domäne und die Suvar 3-9 Enhancer-of-zest
Trithorax (SET)-Domäne sind rot dargestellt. Die blauen Linien kennzeichnen die „untranslated region“ (UTR). Die
grüne Linie kennzeichnet das offene Leseraster (ORF=open reading frame). bp=Basenpaar, kb=Kilobasen, CG-
7139bp
B
Literaturübersicht
30
B
3
Literaturübersicht
31
Bedeutung genetischer Veränderungen bei hämatologischen
Erkrankungen von Hunden und Katzen
Bei Hunden und Katzen treten, ähnlich wie beim Menschen, zytogenetisch
nachweisbare chromosomale Veränderungen bei neoplastischen Erkrankungen des
hämatopoetischen Systems auf (GRINDEM und BUOEN 1986, WELLING et al.
1988, NOLTE et al. 1993, REIMANN et al. 1998, SETOGUCHI et al. 2001). Diese
Veränderungen können wie beim Menschen bedeutsam für die Diagnostik, die
Prognose und die Therapie sein (GRINDEM und BUOEN 1986).
Katzen haben im Vergleich zum Menschen oder anderen Haustieren häufiger
hämatopoetische Neoplasien (GRINDEM und BUOEN 1989). Trotzdem ist über
zytogenetische Veränderungen nur sehr wenig bekannt. In einer Studie zur
zytogenetischen
(myeloische
Analyse
Leukämie=2,
von
leukämischen
myelomonozytäre
Katzen
wurden
Leukämie=1,
neun
Katzen
Erythroleukämie=1,
monozytäre Leukämie=1, lymphatische Leukämie=4) untersucht (GRINDEM und
BUOEN 1989). Bei acht Katzen lagen chromosomale Veränderungen vor. Sieben der
Katzen waren mit dem Felinen-Leukämie-Virus infiziert. Hier beobachteten
GRINDEM und BUOEN (1989) Hyperploidie und „Double-minute“-Chromosomen,
das
heißt
Genamplifikationen,
als
eine
der
häufigsten
Veränderungen.
Translokationen wurden nicht nachgewiesen. „Double-minute“-Chromosomen sind
assoziiert mit neoplastischen Erkrankungen in Menschen und Mäusen und könnten
bei der Amplifikation oder Resistenzbildung gegenüber Medikamenten eine
Bedeutung haben. So sprechen diese erkrankten Individuen schlecht auf eine
Zytostatikatherapie an (MARINELLO et al. 1980, COWELL 1982).
Bei einer der Katzen mit monozytärer Leukämie handelte es sich um eine sekundäre
Leukämie, die sich nach Therapie eines Lymphoms entwickelte (GRINDEM und
BUOEN 1989). Ca. 5-10% der Menschen entwickeln nach Zytostatika- (vor allem mit
Alkylantien) oder Strahlentherapie mit einer Latenz von 5-10 Jahren eine AML mit
einem Verlust des Chromosoms 5 bzw. 7 oder einer Deletion des Chromosoms 5
bzw. 7 (LARSON et al. 1981). Eine größere Zahl von Dokumentationen liegt für
genetische Veränderungen bei leukämischen Hunden vor.
GRINDEM und BUOEN (1986) untersuchten in ihrer Studie 10 Hunde mit Leukämie
(myeloische Leukämie=1, myelomonozytäre Leukämie=4, monozytäre Leukämie=1,
B
Literaturübersicht
32
lymphathische Leukämie=3, chronisch myeloische Leukämie=1) und fanden bei neun
der zehn Hunde zytogenetische Veränderungen in den Leukämiezellen. Aneuploidie,
Hyperdiploidie, extra-metazentrische Markerchromosomen und so genannte „Double
minute“-Chromosomen sowie in einem Fall Tetraploidie waren die häufigsten
Aberrationen. Numerische Veränderungen zeigten auch 16% der untersuchten
Zellen von fünf gesunden Hunden. Aufgrund dieser wenigen Fälle bleibt die
biologische Bedeutung dieser chromosomalen Veränderungen unklar (GRINDEM
und BUOEN 1986). Sechs der 10 leukämischen Hunde wiesen einen normalen
Chromosomensatz von 78 Chromosomen auf (Mensch 2n=48), während vier Hunde
eine unterschiedliche Anzahl von 54 bis zu 158 Chromosomen zeigten. Extrametazentrische Marker-Chromosomen und „Double-minute“-Chromosomen wurden
nicht bei gesunden Individuen gefunden. Die chromosomalen Veränderungen
konnten nicht mit einer bestimmten Form der Leukämie assoziiert werden
(GRINDEM und BUOEN 1986).
Ein weiteres Beispiel für zytogenetische Veränderungen bei Leukämien von Hunden
beschrieben NOLTE et al. (1993). Sie untersuchten eine 4 Monate alte Deutsche
Schäferhündin und eine 7 Jahre alte Boxerhündin mit akuter lymphatischer
Leukämie. Die Schäferhündin wies keinen veränderten Karyotyp auf. Die
Boxerhündin zeigte eine zusätzliche Kopie von Chromosom 1, welche aus einer
zentrischen Fusion zweier zusätzlicher Chromosomen 1 im Sinne einer RobertsonTransloaktion bestand. Interessanterweise fanden GRINDEM und BUOEN (1986) in
ihrer Studie ebenfalls einen Hund mit einem metazentrischen Markerchromosom,
das aus zwei zusätzlichen Chromosomen 1 hervorgegangen sein könnte.
1998 beschrieben REIMANN et al. den Fall eines vier Jahre alten männlichen
Eurasiers mit AML und einer Trisomie 1, sowie einer Translokation t(X;8). Hier wäre
es denkbar, dass die Polysomie 1, eine einfache Trisomie, eine sekundäre
Karyotypveränderung darstellt und somit eher mit der Ätiologie oder Progression der
Erkrankung assoziiert ist. Die Trisomie 1 könnte auch als eine durch erhöhte
Gendosis induzierte Leukämieform zu verstehen sein (REIMANN et al. 1998).
In einer weiteren Studie wurden 15 Hunde mit verschiedenen Tumoren, darunter
einer mit einer monozytären Leukämie, auf chromosomale Aberrationen des TumorSuppressorgens p53 untersucht (SETOGUCHI et al. 2001). 7 der Hunde, darunter
der Hund mit der monozytären Leukämie, zeigten eine Aberration in beiden oder
aber auch nur einem Allel des Gens p53. Die Aberrationen waren unter anderem in
B
Literaturübersicht
33
der DNA-Bindungsdomäne lokalisiert. Die Inaktivierung des Tumor-Suppressorgens
p53 ist möglicherweise eine der wesentlichen, für die Tumorgenese verantwortlichen
genetischen Veränderungen (SETOGUCHI et al. 2001).
4
Mutations-Analyse von Kandidaten-Genen
4.1
Sequenzierung nach der Didesoxymethode nach SANGER et al. (1977)
Die Analyse der DNA auf Basenpaarebene erfolgt mittels verschiedener Methoden
der Sequenzierung. Man unterscheidet radioaktive und nicht-radioaktive Methoden.
Bei der nicht-radioaktiven Sequenzierung handelt es sich, wie bei der radioaktiven
Sequenzierung, um eine Didesoxymethode, in der die DNA-Fragmente durch
Silberfärbung oder aber mit Hilfe von Fluoreszenzfarbstoffen markiert werden. Bei
den radioaktiven Markierungen werden die DNA-Fragmente mit z.B. ß-32Phosphor [ß32
P], a-33Phosphor [a-33P] oder aber auch a-35Schwefel [a-35S] markiert.
Bei der manuellen Sequenzierung nach SANGER et al. (1977) werden Fragmente
durch eine kontrollierte Unterbrechung der enzymatischen Replikation ermittelt
(SANGER et al. 1977). Seit der ersten Beschreibung durch SANGER et al. (1977)
wurden zahlreiche Varianten der „Sanger-Methode“ entwickelt (McMAHON et al.
1987, TABOR und RICHARDSON 1987, HUIBREGSTE et al. 1988, LEVEDAKOU et
al. 1989, MURRAY 1989, LEE 1991).
Alle Methoden haben folgendes Prinzip gemeinsam: Die DNA wird zunächst
denaturiert, mit einem Primer hybridisiert und dieser wird schließlich mit einer
Polymerase verlängert. Zusätzlich zu den vier Desoxyribonucleotidtriphosphaten
(dNTP) enthält das Inkubationsgemisch noch ein 2’,3’-Didesoxyanalogon eines
dieser Nucleosidtriphosphate (ddNTP). Der Einbau des Analogons blockiert die
Elongation der Kette, da ihm ein 3’-Hydroxylende fehlt und somit kein weiteres
Nucleotid angehängt werden kann. Es werden vier Sequenzieransätze mit je einem
der
Didesoxynucleotide
cytosintriphosphat
Didesoxyadenosintriphosphat
(ddCTP),
(ddATP),
Didesoxyguanidintriphosphat
(ddGTP),
DidesoxyDidesoxy-
thymidintriphosphat (ddTTP) benötigt. Radioaktiv markierte dNTP oder Primer
werden
in
die
Synthese
mit
eingeschlossen,
um
die
gebildeten
Ketten
unterschiedlicher Länge nach der Elektrophorese auf einem Film sichtbar zu
machen. SANGER et al. (1977) nutzten in der traditionellen Kettenabbruchmethode
Einzelstrang-DNA, die durch Klonierung in einen Vektor hergestellt wurde, und die
DNA-Polymerase I (Klenow Polymerase) (SANGER et al. 1977).
B
Literaturübersicht
34
Die Sauberkeit und Lesbarkeit einer Sequenz hängt zu großen Teilen von der
Polymerase der Sequenzierreaktion ab. TABOR und RICHARDSON (1987)
beschrieben die T7 DNA-Polymerase, die wesentlich gleichmäßigere Bandenmuster
als die von SANGER et al. (1977) verwendete Klenow Polymerase liefert und die
Interpretation der Ergebnisse erleichtert. Aber auch sie verwendeten in einen Vektor
klonierte Einzelstrang-DNA.
Das „Cycle sequencing’“ ist eine Variante der Polymerase-Kettenreaktion (PCR), wo
es im Gegensatz zur PCR zur linearen Vermehrung der DNA, anstelle exponentieller
Vermehrung von DNA kommt, da hier nur ein Primer eingesetzt wird. Das Prinzip des
„Cycle sequencing“ wurde in der manuellen Sequenzierung ebenfalls genutzt, wobei
ein mit [ß-32P] markierter Primer und eine nicht hitzestabile Polymerase verwendet
wurden (McMAHON et al. 1987, HUIBREGSTE et al. 1988).
MURRAY (1989) beschrieb die Möglichkeit, eine doppelsträngige DNA mit Hilfe der
linearen Polymerasekettenreaktion (LPCR) und der hitzestabilen Taq-Polymerase zu
sequenzieren. Zur Verstärkung der Signale wurden statt der markierten Primer
radioaktiv markierte Nucleotidtriphosphate eingesetzt (LEVEDAKOU et al. 1989).
Durch diese alternative Methode der Didesoxysequenzierung können beliebig lange
Fragmente von 94 bp bis 2,3 kb Länge sequenziert werden und es ist möglich, die
DNA-Sequenzen direkt aus einem PCR-Produkt zu ermitteln (LEE 1991). Die
„Sanger-Methode“ fand in verschiedenen Untersuchungen zur Mutationsanalyse ihre
Anwendung. So z.B. bei der Mutationsanalyse des Gens CBFA2 (SONG et al. 1999)
oder aber beim Gen AML1 (FERRARI et al. 2000).
Der Gebrauch von [a-33P] zur radioaktiven Sequenzierung nach SANGER et al.
(1977) hat den Vorteil, dass die Belichtungszeit kürzer und die Strahlenbelastung
geringer als bei [ß-32P] ist und gleichzeitig ähnlich gute Ergebnisse wie bei [a-35S] in
der Bandenauflösung erzielt werden (ZAGURSKY et al. 1991). Die „SangerMethode“ bietet den Vorteil, dass sehr lange DNA-Fragmente erfasst werden
können. Sie ermöglicht durch die Bestimmung der Basenabfolge die Identifikation
von unbekannten Mutationen und Polymorphismen in unbekannten Genen und
zeichnet sich durch eine hohe Sensivität aus (SAMBROOK et al. 1989).
4.2
Weitere Methoden zur Mutationsanalyse von DNA
Der Single Strand Conformation Polymorphism (SSCP) (Einzelstrang-Konformationspolymorphismus) ist eine weitere Möglichkeit, die DNA auf Mutationen zu
B
Literaturübersicht
35
untersuchen (ORITA et al. 1989a, 1989b). Das Prinzip basiert darauf, dass
einzelsträngige DNA durch Basenpaarung bestimmte Konformationen eingeht. Diese
Konformationen sind von Faktoren wie Sequenz und Temperatur abhängig. Für die
SSCP wird über eine PCR ein DNA-Fragment amplifiziert. Die vervielfältigte DNA
wird dann denaturiert und auf ein nicht denaturiendes Polyacrylamidgel aufgetragen.
Liegt
eine
Mutation
vor,
kommt
es
unter
bestimmten,
definierten
Temperaturbedingungen, zu einer Konformationsänderung im Vergleich zur
normalen Sequenz, die die Laufeigenschaften des DNA-Fragments im Gel verändert
(ORITA et al. 1989a).
Die SSCP ist eine häufig angewandte Methode zur Analyse auf Mutationen bereits
bekannter Gene mit gut definierten Mutationen (KRATZ et al. 2001, VEGESNA et al.
2002). Allgemein geht man davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit, eine beliebige
Mutation mittels SSCP zu entdecken, bei 60-80% liegt (HAYASHI et al. 1993).
Der
RFLP
kann
zusammen
mit
der
Southern-Blot-Analyse
ebenfalls
zur
Mutationsanalyse genutzt werden. Er hat folgendes Prinzip: Die zu untersuchende
DNA wird mit verschiedenen Restriktionsenzymen verdaut und anschließend mittels
Gelelektrophorese
aufgetrennt.
Restriktionsenzyme
entstehen
Durch
die
Spaltung
DNA-Fragmente
der
DNA
unterschiedlicher
Länge.
durch
Der
Nachweis erfolgt anschließend mittels Southern-Blot-Analysen. Die Bandenmuster
von normaler und untersuchter DNA werden verglichen (SAMBROOK et al. 1989).
Es lassen sich so Abschnitte von mehreren Kb in genomischer DNA analysieren.
Mittels dieser Methode können nur große Aberrationen wie Deletionen und
Insertionen, wie z.B. bei KERE et al. (1989a/b) und LEWIS et al. (1996),
nachgewiesen werden, da das mutierte Fragment groß genug sein muss, um sich in
der Laufeigenschaft vom normalen Fragment zu unterscheiden. Punktmutationen
sind somit kaum nachweisbar. Voraussetzung für diese Methode ist die Verfügbarkeit
einer Sonde aus dem untersuchten Gen oder Genbereich und die Kenntnis des
normalen Southern Blot Musters nach Restriktionsanalyse des zu untersuchenden
Gens (JONAS et al. 2002).
Neuerdings wird noch eine weitere Methode zur Mutationsanalyse genutzt: Die
Denaturating
High-Performance
Liquid
Chromatography
(DHPLC)(XIAO
und
OEFNER 2001). Es handelt sich hierbei um eine halbautomatische Methode.
Ausgangsmaterial
sind
PCR-Produkte
von
200-500
bp
Länge,
um
einen
unterschiedlichen Schmelzpunkt zu gewährleisten. Diese DNA-Fragmente werden in
B
Literaturübersicht
36
wässriger Lösung mit einer konstanten Geschwindigkeit durch eine HPLC-Säule
gespült und die durchlaufende Flüssigkeit wird an einem Sensor analysiert. Der
eigentliche Auftrennschritt findet in der HPLC-Säule statt. Diese ist mit einer Matrix
gefüllt, an der die aufzutrennenden Proben für eine gewisse Zeit, der so genannte
Retentionszeit, zurückgehalten werden (JONAS et al. 2002). Die Auftrennung in der
HPLC-Säule findet bei erhöhter Temperatur, zwischen 50 und 65°C statt, knapp
unter der jeweiligen Schmelztemperatur der DNA-Fragmente. Unterscheiden sich
nun die beiden Allele des untersuchten Gens, werden in der PCR auch zwei
unterschiedliche
Produkte
synthetisiert.
Durch
das
Erhitzen
während
des
Denaturierungsschrittes werden die DNA-Doppelstränge aufgeschmolzen und
trennen sich voneinander, beim Abkühlen paaren sie sich wieder und bilden nun
Homoduplizes und Heteroduplizes zu gleichen Teilen. Bei der anschließenden
Analyse in der DHPLC werden nun Homo- und Heteroduplices unterschiedlich lange
zurückgehalten.
Durch
das
Auftreten
von
zusätzlichen
Banden
in
den
Chromatogrammen wird das Vorhandensein einer Mutation ersichtlich (JONAS et al.
2002).
Die DHPLC wurde unter anderem zur Mutationsanalyse der Tumor-Suppressorgene
BRCA1 und 2 eingesetzt, die wichtig für die Entstehung von Mamma- und
Ovarialkarzinomen sind (XIAO und OEFNER 2001). Die DHPLC ermöglicht ein
rasches Screening auf definierte Mutationen bzw. Polymorphismen bei einem hohen
Probendurchsatz. Wird eine Mutation entdeckt, wird dieses PCR-Fragment
sequenziert, um das Ergebnis zu bestätigen. Die genaue Mutationsstelle ist nur in
Kombination mit der Sequenzierung des PCR-Fragments detektierbar (JONAS et al.
2002).
Alle drei Verfahren (SSCP, RFLP und DHPLC) werden vor allem für die
Mutationsanalyse bereits bekannter Genmutanten eingesetzt. Des Weiteren bietet
sich diese Methoden für die Mutationsanalyse sehr großer Gene an. Die Sensitivität
von RFLP ist dabei am niedrigsten, die der DHPLC mit über 90% am höchsten
(JONAS et al. 2002).
C
Material und Methoden
C
Material und Methoden
1
Material
1.1
Geräte und Bezugsquellen
37
AGFA, Köln
Entwickler AGFA Curix 60
Applied Biosystems, Weiterstadt
PCR System 9700
Biometra®, Göttingen
Geltrockner Maxidry D 64
Heraeus Instruments, Hanau
Multizentrifuge 3 S-R
Zentrifuge Biofuge fresco
Thermo Life Sciences, Egelsbach
DNA Sequencing System EC 160, bestehend aus:
•
DNA-Sequenzierer
•
Glasplatten
Eppendorf, Hamburg
Thermomixer 5436
1.2
Reagenzien, Verbrauchsmaterial und Bezugsquellen
Amersham Biosciences, Freiburg
Sequencing
Grade
Solution
dNTPs,
100
mM
solution,
dNTP-Lösung
zur
Amplifikation
Set of four Redivue Terminators [a-33P] ddNTPs (ddATP, ddCTP, ddGTP, ddTTP),
450µCurie/ml, Radioaktivität zur manuellen Sequenzierung
C
Material und Methoden
38
Applied Biosystems, Weiterstadt
Reaction Tube with Cap, Micro Amp®, 0.2 ml PCR-Reaktionsgefäß
Becton Dickinson Labware, Frankreich
Falcon® Blue Max™, 15-ml-Zentrifugenröhrchen
Biochrom AG, Berlin
Biocoll Seperating Solution (Ficoll Seperating Solution), Separationsmedium
RMPI 1640 Medium (1x) w 2,0g/l NaHCO3 w/o L-Glutamin
BioWhittaker Molecular Applications, USA
Long
Ranger®
Gel
Solutions,
Acrylamidlösung
zur
Herstellung
Polyacrylamidgels
Braun Melsungen AG, Melsungen
Aqua ad injectablia 10 ml
Carl Roth GmbH & Co, Karlsruhe
Harnstoff, zur Herstellung der Polyacrylamidlösung
Eppendorf, Hamburg
Kunststoff-Reaktionsgefäß 0,5 ml
Kunststoff-Reaktionsgefäß 1,5 ml
Kunststoff-Reaktionsgefäß 2 ml
GibcoBRL, Eggenstein
DNAzol®Reagent, Reagenz zur DNA-Extraktion
Invitrogen GmbH, Karlsruhe
Reagenzien für Amplifikation und Analyse der PCR-Produkte:
•
Platinum®-Taq-Polymerase
•
MgCl2; 50mM
•
10 x PCR-Puffer
•
Gel Loading Buffer 10 x Blue Juice, Probenpuffer zur Erhöhung der Dichte
des
C
Material und Methoden
•
39
100 bp Ladder, Größenmarker
Merck GmbH, Darmstadt
Borsäure, zur Herstellung des Tris-Borat-Ethylendiamintetraessigsäure (TBE)-Puffers
(Elektrophoresepuffer)
Ammoniumperoxiddisulfat, zur Polymerisation des Polyacrylamidgels
Qiagen GmbH, Hilden
Qiaquick® Gel Extraction Kit, Extraktions-Kit bestehend aus:
•
Qiaquick® spin column, Extraktions-Säule
•
QG-Puffer, Lösungs- und Bindungspuffer
•
PE-Puffer, ethanolhaltiger Waschpuffer
•
Eluationspuffer
Röntgen Bender, Baden Baden
Kodak Biomax MR™ 35x43 cm
Sigma® Aldrich, Steinheim
Agarose
Temed , zur Polymerisation des Polyacrylamidgels
Thermo Hybaid, Ulm
Primer-Paare zur Amplifikation und Sequenzierung
USB Cooperation, Amersham Biosciences, Freiburg
Thermo Sequenase Radiolabeled Terminator Cycle Sequencing Kit, Kit zur
manuellen Sequenzierung bestehend aus:
•
Reaktionspuffer
•
Thermo-Sequenase-DNA-Polymerase
•
Stopplösung
Tris, zur Herstellung des TBE-Puffers (Elektrophoresepuffer)
C
Material und Methoden
2
Patienten und Zelllinien
2.1
Probanden
40
Als Kontroll-DNA wurde die genomische DNA aus peripheren Blut von 5 gesunden
Probanden untersucht.
2.2
Patienten
Für die Analysen stand genomische DNA aus peripherem Blut oder Knochenmark
von 15 Patienten mit AML bzw. MDS und 7q22 Deletion zur Verfügung. Die Deletion
im Bereich der Konsensus-Deletionsregion wurde sowohl mittels klassischer GBänderungsanalyse als auch mittels FISH diagnostiziert. Die Zellpellets dieser
Patienten wurden 1991 bis 2000 bei -70°C asserviert.
Von den 15 Patienten hatten 11 eine de novo AML, wobei die FAB-Subtypen, wenn
bekannt, der Tabelle 8 zu entnehmen sind. Zwei Patienten zeigten eine t-AML und
zwei Patienten ein MDS. Die Diagnose AML bzw. MDS wurde anhand klinischer,
morphologischer,
zytochemischer
und
immunphänotypischer
Untersuchungen
gestellt. Angaben, wie Alter, Geschlecht und Karyotyp sind in Tabelle 8 dargestellt.
2.3
Maligne Zelllinien
Zur Mutationsanalyse des Gens AY147037 wurden 6 Zelllinien untersucht: K562,
HL60,
Lama84,
Molt4
und
Jurkat
von
der
Deutschen
Sammlung
von
Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH in Braunschweig (http://www.dsmz.de) und
die Zelllinie Pank-I aus der Abteilung Innere Medizin I des Universitätsklinikum Ulm.
Weitere Informationen sind der Tabelle 9 zu entnehmen.
Labor
Eingangsnummer
Universität Ulm
96PB717
00PB1515
97PB190
00PB829
92KM146
94PB94
97PB827
00KM402
98KM783
00KM2352
96KM3
95KM675
95KM600
95PB548
91PB99
Patientennummer
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
-
57
58
67
48
69
-
64
47
58
-
55
-
63
41
Alter bei
Diagnose
-
MDS
MDS
MDS/sek.AML
sek. AML
AML-M2
AML
AML-M4
AML
AML-M4
AML
AML
undifferenziert
AML
AML-M2
AML-M4
Diagnose *
48, XY, del (7)(q22), t(8;16)(p11;p13),+ 13, +13 [7]/ 49,
XY, del (7)(q22), +8, t(8;16)(p11;p13),+ 13, +13 [3]
46, XY, t(3;7)(p13;q22) [20]
46, XX, del (7)(q22)
46, XY,[7] / 46, XY, del (7)(q22)[3]
46, XX, ?3q- ; - ?7q ;19p+ [10]
46, XX [12]/ 46, XX, del (7)(q22), del (8)(p21)[5]
44, XX, der (5), t(5;12)(q15;q12), del (7)(q22), +8, -12,
t(13;14)(q32;q24), -16, -18
46, XY, add (7)(q11) [8]; 46, XY, add (7) (q11), t(8;14)
(q12,q32) [3]
Komplex: 5q-; 7q-; +8q; +11q; +12p-; 20q (inc)
45, Y, del (X)(p11), -2, add (3)(q2 ?7) add (3)(p21), del
(4)(q21;q31), -5, del(7)(q22q32), add (8)(q2?4) del
(9)(p22), -13, add (16)(p13), der(17), t(2;17)(q21;p11),
+mar1, +mar2, [16]
46, XX, t(2 ;11)(q37 ;q23), del (7)(q11) [21]
7q-, 17p-, 21q-
7q-Aberration
46, XX, 1p-, 3q-, 5q-, add (6p), 7q-, -8, -9, add(10p) add
14q, +r,+mar [19]
46, XX, del(7q21 or q(22)),+der(9,22)(q10;q10), -22 [15]
Karyotyp
Material und Methoden
M
M
W
M
W
W
W
M
M
M
W
M
M
W
W
Geschlecht
C
41
Tab. 8: Klinische und zytogenetische Daten der 15 in dieser Arbeit untersuchten
Patienten mit strukturellen Aberrationen des langen Arms von Chromosom 7
W=weiblich,
M=männlich,
AML=akute
myeloische
Leukämie,
sek.=sekundär,
MDS=myelodysplastisches Syndrom, * nach French-American-British-Klassifikation
C
Material und Methoden
42
Tab. 9: Leukämie- und Krebszelllinien, die zur Mutationsanalyse des Gens
AY147037 zur Verfügung standen
Zelllinie Zelltyp
K562
HL60
Lama84
Molt4
Jurkat
Pank-I
Humane chronische
myeloische Leukämie
Humane akute
myeloische Leukämie
Humane chronische
myeloische Leukämie
Humane T-ZellLeukämie
Humane T-ZellLeukämie
Pankreaszelltumor
DSMZ=Deutsche
Sammlung
Chromosm 7
Aberration
Herkunft
+7
DSMZ
-
DSMZ
del(7)(p15)
DSMZ
+7,
der(7)t(7;7)(p15;q11)x2
DSMZ
-
DSMZ
-
Innere Medizin I,
Universitätsklinikum
Ulm
von
Mikroorganismen
und
Zellkulturen
GmbH,
Braunschweig, - =ohne Aberration
3
Methoden
3.1
Isolierung mononukleärer Zellen aus Blut und/oder Knochenmark
Monunukleäre Zellen aus dem peripheren venösen Blut und/oder Knochenmark
wurden
durch
Dichtegradienten-Zentrifugation
isoliert.
Hierzu
wurde
das
heparinisierte (20 I.E. Natrium-Heparin/ml), venöse Blut und/oder Knochenmark im
Verhältnis 1:2 über ein Separationsmedium geschichtet (1 Teil Blut und/oder
Knochenmark und 2 Teile Separationsmedium). Wenn die Leukozytenzahl im
peripheren Blut bei mehr als 50 000/µl lag, wurde das Material zuvor mit RPMI 1640
Medium zu gleichen Teilen verdünnt. Anschließend folgte für 20 Minuten ein
Zentrifugationsschritt mit 2800 g bei Raumtemperatur ohne Bremse, um die
monounukleären Zellen in der Interphase zwischen dem verdünnten Plasma und der
Ficoll-Schicht anzureichern. Die Interphase wurde dann abpipettiert, zweimal mit
RPMI 1640 Medium gewaschen und jeweils für 10 Minuten mit 1200 g bei
Raumtemperatur zentrifugiert. Danach wurde das Material unter anderem für die
vorliegende Arbeit zu Zellpellets aufgearbeitet, die bei -70°C gelagert wurden. Diese
C
Material und Methoden
43
Arbeiten erfolgten durch die Mitarbeiter des Labors in der Inneren Medizin III des
Universitätsklinikum Ulm.
3.2
DNA-Extraktion
Die Zellpellets mit einer Größe von ca. 1 – 3x107 mononukleärer Zellen wurden zur
Herstellung einer Zellsuspension mit 1 ml Reagenz zur DNA-Extraktion versetzt und
in ein 15 ml Zentrifugenröhrchen überführt. Anschließend wurden 2 ml Ethanol
(100%), der bei -20°C gelagert wurde, dazugegeben, wodurch die genomische DNA
ausgefällt wurde. Die ausgefällte DNA wurde mit dem Überstand in ein 1,5 ml
Kunststoff-Reaktionsgefäß überführt und bei 4°C und 16060 g 15 Minuten in einer
Zentrifuge pelletiert. Nach Entfernen des Überstandes wurde die ausgefällte DNA mit
1 ml Ethanol (95%) gewaschen, erneut 10 Minuten mit 16060 g zentrifugiert, der
Überstand abgekippt und die Pellets luftgetrocknet. Danach wurde die ausgefällte
DNA erneut mit Ethanol (95%) gewaschen, zentrifugiert und anschließend
luftgetrocknet. Das gewonnene DNA-Pellet wurde mit 2 ml H2O resuspendiert und,
um die DNA zu lösen, über Nacht auf einen Thermomixer (Stufe 7) bei 37°C gestellt.
Am nächsten Tag wurden die Proben nochmals kurz zentrifugiert (16060 g, 1 Minute)
und anschließend mit 5 µl RNA’se versetzt, um mögliche RNA’se Reste abzubauen.
Abschließend folgten wieder 30 Minuten auf dem Thermomixer (Stufe 7, 37°C) und
eine erneute kurze Zentrifugation (16060 g, 1 Minute). Die so aufbereitete DNA
konnte bis zur Weiterverarbeitung bei -20°C aufbewahrt werden.
3.3
Entwerfen der Oligonucleotidprimer-Paare für das Gen AY147037
Für die Konstruktion geeigneter Oligonucleotidprimer-Paare wurde das Programm
„Primer 3“ verwendet. Das Programm verfügt über eine einfache Anwendung und es
können bestimmte Parameter, wie die Primer-Länge, der GC-Gehalt der Primer, die
Länge des zu amplifizierenden Produktes und die Annealing Temperatur vorgegeben
werden. Das Programm wird über das Whitehead Institute for Biomedical Research
Center (http://www.genome.wi.mit.edu/) öffentlich zur Verfügung gestellt.
Sämtliche in dieser Arbeit verwendeten Primer-Paare wurden mit Hilfe dieses
Programmes ausgewählt (Tab. 10). Synthetisiert wurden die so ausgesuchten
Primer-Paare in der Firma THERMO HYBAID in Ulm.
Für jedes Exon wurden Primer-Paare konstruiert, die die hochkonservierten
Intron/Exon- bzw. Exon/Intron-Übergänge (so genannte „Splice Sites“) mit erfassten.
C
Material und Methoden
44
Da einige Exons sehr groß sind, wurden hier mehrere überlappende Primer-Paare
konstruiert, um das gesamte Exon komplett erfassen zu können.
Für die Amplifikation mittels PCR wurden zwei Primer, die das jeweilige Exon vom 5’und 3’-Ende flankieren, so genannte Forward- und Reverse-Primer, verwendet. Zur
Sequenzierung der einzelnen Exons wurde in der Regel ein Forward-Primer
eingesetzt mit den folgenden Ausnahmen: bei Exon 25 wurde zusätzlich der Reverse
Primer angewendet. Ebenso wurde ein zweiter Forward-Primer bei Exon 20
angewandt.
Exon
Tab. 10: Oligonucleotidprimer-Paare, die die Exons 1 bis 25 des
Kandidatengens AY147037 flankieren. Angegeben sind die Länge des Exons in
Basenpaaren (bp) und die Länge des amplifizierten Produktes. Für jedes Exon
wurde ein Forward- und ein Reverse-Primer konstruiert.
ExonLänge
(bp)
Länge
amplifiziertes
Produkt (bp)
Forward-Primer
Reverse-Primer
1
185
389
5’-tcaattccagaaaaattaatgaga-3’
5’-aaaaacccttctggagctagaaa3’
2
115
306
5’-tttgtatagccattattttgctg-3’
5’-atactgtgcttgaaacggca-3’
3
230
413
5’aaggaaggaatgagccagtct-3’
5’-ttgaatgcctgataacctttgg-3’
4
78
293
5’-gctcaaagtaggtgcttattaaatg-3’ 5’-aaattaatgaatcacagccgg-3’
5
59
256
5’-aactgtattgcaagggattttg-3’
5’-cgtgtgattgagagaataaacg-3’
6
173
334
5’-ttgtcatatggaatgctgtt-3’
5’-ggagaggcaggagagt-3’
7
39
193
5’-cagttaaaagtttcaatgaacc-3’
5’-ttcaggagctacatgcttg-3’
8
231
493
5’-gtgtgtgtgtgtgtgtgtgtgt-3’
5’-ccacatttctggaaaagaaacc-3’
9
131
296
5’-catttgtccaaaaattgtaaagca-3’
5’-ttgaacttttggctgttttacc-3’
10 118
225
5’-gcccggcctaaaatgttaat-3’
5’-ggtgtgttggaatctgagca-3’
11 110
226
5’-gatgcttctgaaggcagaaagt-3’
5’-aaaatagttccataatgtccctgt-3’
12 265
398
5’-tttgtggagttgcagctta-3’
13 99
273
5’-ttgaatttgttgtggttgaaaga-3’
5’tgaaattgaataaacaaaggaaaa-3’
5’-ttgtttgctgcctttacatgg-3’
14 165
442
5’-tttctccccatatccaccaa-3’
5’-gcatttttcagatcctatggga-3’
15 309
638
5’-ttccagaaagttggcttctga-3’
5’-tcaggacttttatggtattgca-3’
16 255
406
5’-ttcaagggagaatttggaat-3’
5’-tgaaatgcttttggaatcgg-3’
17 145
289
5’-aaatgcttttggaatcggct-3’
5’-agaaatgtggcagggcatac-3’
C
Material und Methoden
45
Fortsetzung Tabelle 10:
18 251
410
5’-tcccagaatgtgacacaaaca-3’
5’-ctctttcccctcctttaaca-3’
19 57
269
5’-ggggaatggaaataaacaga-3’
20 564
696
5’-ggggaatggaaataaacaga3’
5’-actactgaggggaattgttagatg3’
5’-actactgaggggaattgttagatg3’
5’-gagccctgacagaacaggag-3’
21 287
441
5’-aaagaatgcattggttctgaca-3’
5’-tttgttgttctccaaggct-3’
22 89
499
5’-tcaaaagccttggtctgaca-3’
5’-ccaactttttataaaggctat-3’
23 126
499
5’-tcaaaagccttggtctgaca-3’
5’-ccaactttttataaaggctat-3’
24 98
228
5’-tgctttgtggtgttaaaacag-3’
5’-ggttgagtgcagaaaagctg-3’
25 1509
467 (25/1)
484 (25/2)
469 (25/3)
465 (25/4)
5’-cctcaaggtacacaaaatgttcc-3’
5’-ttcaccaaagcctccttcac-3’
5’-tttgccctctcagaacccta-3’
5’-ccactttttccttcgagtgc-3’
5’-agttggaacacctcagcgag-3’
5’-aaactgctgctgccgtagtc-3’
5’-caccgtatccctcacaagct-3’
5’-acaccagtgctctttcgttg-3’
a=Adenin, c=Cytosin, g=Guanin, t=Thymin
3.4
DNA-Amplifikation mit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und
Auftrennung der PCR-Produkte
Für die PCR-Reaktion wurden 2 µl Patienten-, Probanden- bzw. Zelllinien-DNA
(template) in einem 50 µl-PCR-Reaktionsansatz (Tab.11) eingesetzt und 35 Zyklen
mit den in Tabelle 12 genannten PCR-Bedingungen amplifiziert.
Zur Kontaminationskontrolle wurde eine Negativ-Kontrolle mitpipettiert, die alle
Reagenzien mit Ausnahme der DNA enthielt. Die PCR-Produkte wurden auf einem
2,5 %igen Agarose-Gel 45 Minuten bei 150 Volt aufgetrennt. Zur Größenorientierung
wurde ein Größenmarker von 100 bp mit aufgetragen. Die DNA wurde mittels
Ethidiumbromid gefärbt.
C
Material und Methoden
46
Tab. 11: Reaktionsansatz für die Amplifikation der Exons 1-25 des Gens
AY147037 mit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR)
Reagenzien
Eingesetzte Volumia
Aqua bidest.
33,0 µl
10xPCR-Puffer
5,0 µl
2,5 mM dNTP-Mix
4,0 µl
10 pmol Forward-Primer
2,0 µl
10 pmol Reverse-Primer
2,0 µl
Patienten/Probanden/Zelllinien-DNA
2,0 µl
Platinum-Taq-Polymerase
0,5 µl
dNTP=Desoxyribonucleotidtriphosphate, mM=millimolar, pmol=Picomol, µl=Mikroliter
Tab. 12: Bedingungen zur Durchführung der Polymerase-Kettenreaktion (PCR)
zur Amplifikation der Exon 1-25 des Gens AY147037 mit dem PCR System 9700
Temperatur
Zeitabfolge
94°C
94°C
2 Minuten einmaliger Schritt initial (hot start)
45 Sekunden (Denaturierung)
56°C
1 Minute (Annealing)
72°C
1 Minute (Synthese)
72°C
7 Minuten (einmaliger letzter Syntheseschritt)
3.5
35
Zyklen
Aufreinigung von PCR-Produkten aus Agarose-Gelen
Die amplifizierten DNA-Abschnitte wurden nach Auftrennung auf einem Agarose-Gel
und
Betrachtung
unter
UV-Exposition
mit
einem
Skalpell
aus
dem
Gel
ausgeschnitten und in ein steriles 1,5 ml Kunststoff-Reaktionsgefäß gegeben. Die
Aufreinigung erfolgte mit dem Extraktions-Kit. Das Gelstückchen im KunststoffReaktionsgefäß wurde mit ca. 300 µl QG-Puffer des Kits versetzt (100mg Gel ~
100µl QG-Puffer) und 10 Minuten auf einen Thermomixer bei Stufe 7 und 50°C,
inkubiert bis es vollständig gelöst war.
C
Material und Methoden
47
Danach wurde das einfache Gelvolumen Isopropanol (ca 100 µl) hinzugegeben und
vermischt. Die Probe wurde in eine Extraktions-Säule, die in einem 2 ml KunststoffReaktionsgefäß platziert war, überführt und für eine Minute mit 16060 g bei
Raumtemperatur zentrifugiert. Der Durchfluss wurde verworfen und es wurden
erneut 0,5 ml QG-Puffer auf die Extraktions-Säule gegeben und 1 Minute mit 16060g
zentrifugiert.
Nach erneutem Verwerfen des Durchflusses wurden zum Waschen 700 µl PE-Puffer
hinzugegeben. Die Säule wurde 5 Minuten bei Raumtemperatur inkubiert, für eine
Minute mit 16060 g zentrifugiert, der Durchfluss wieder verworfen und die
Extraktions-Säule anschließend eine Minute trockenzentrifugiert.
Die Extraktions-Säule wurde in ein neues, steriles 2 ml Reaktiongefäß überführt und
30 µl Eluationspuffer hinzugefügt. Das Gefäß wurde für 2 Minuten bei
Raumtemperatur inkubiert und anschließend für eine Minute mit 16060 g
zentrifugiert. Die so aufgereinigte DNA wurde für die weiteren Versuche bei -20°C
aufbewahrt.
3.6
DNA-Sequenzierung
3.6.1 Polyacrylamidgele
Es wurden für die manuelle DNA Sequenzierung nach SANGER et al. (1977)
Polyacrylamidgele mit einer Acrylamidkonzentration von 6 % angefertigt. Die
Zusammensetzung der Polyacrylamidlösung ist der Tabelle 13 zu entnehmen.
Tab. 13: Ansatz der Polyacrylamidlösung zur Herstellung eines
Polyacrylamidgeles für die DNA-Seuenzierung nach SANGER et al. (1977)
Reagenzien
Harnstoff
10-fach TBE-Puffer
Eingesetzte Menge
210 g
(108g Tris-Base, 55g Borsäure, 9,3g
Na²EDTA·2H²O, ad H²O 1000ml)
50 ml
Acrylamidlösung
Aqua bidest.
60 ml
ad 500ml
TBE=Tris-Borat-Ethylendiamintetraessigsäure-Puffer
C
Material und Methoden
48
Die Sequenziereinheit, bestehend aus zwei Glasplatten, Abstandshaltern (Spacer)
und einem Haifischzahnkamm, wurde gründlich mit 100 % Ethanol gereinigt. Die
Glasplatten wurden, von zwei Abstandshaltern getrennt, aufeinander gelegt. Durch
kapillare Kräfte wird die Gellösung, vermischt mit 30 µl Temed und 300 µl
Ammoniumperoxiddisulfat zur Polymersisation, zwischen die Glasplatten gesogen.
Ein Taschenformer wurde ca. 8 mm tief in das frisch gegossene Gel eingeschoben
und mit Klammern befestigt. Das Gel war nach ca. 1 Stunde vollständig
auspolymerisiert. Die Abbildung 4 zeigt die Sequenziereinheit.
Kamm
Spacer
Polyacrylamidgel
Abb. 4: Schematischer Aufbau der Sequenziereinheit bestehend aus zwei
Glasplatten, zwei Abstandshaltern (Spacer), dem Polyacrylamidgel und
einem Haifischzahnkamm
3.6.2 Radioaktive DNA Sequenzierung nach SANGER et al. (1977)
Die Proben wurden nach der „Sanger-Methode“ sequenziert. In einem 0,5 ml
Kunststoff-Reaktionsgefäß
wurden
für
das
„Cycle
Sequencing“
8
µl
der
aufgereinigten, zu analysierenden DNA mit 7 µl Aqua bidest. und 1 µl des jeweiligen
Primers
mit
einer
Konzentration
von
2,5
pmol/µl
vermischt.
2
µl
eines
Reaktionspuffers und 2 µl der Thermo Sequenase DNA Polymerase wurden hinzu
gegeben. Anschließend wurden jeweils 4,5 µl dieses Ansatzes in vier 0,2 ml PCRReaktionsgefäße überführt, in denen sich je nach Sequenzieransatz 2,5 µl
[a33P]ddATP, [a33P]ddCTP, [a33P]ddGTP, [a33P]ddTTP (450µCi/ml) befanden.
C
Material und Methoden
49
Die vier Sequenzieransätze wurden mit 30 Reaktions-Zyklen, bestehend aus 30
Sekunden bei 95°C, 30 Sekunden bei 55°C und einer Minute bei 72°C durchgeführt.
Anschließend wurde den vier Sequenzieransätzen 4 µl einer Stopplösung
hinzugefügt. Bevor die Proben auf das Gel geladen wurden, wurden sie nochmals
denaturiert.
Das Gel wurde mit den Glasplatten in das Sequenziersystem EC 160 eingespannt,
die Puffertanks mit 1-fach TBE-Puffer gefüllt und der Taschenformer entfernt. Die
Tasche
wurde
mit
1-fach
TBE-Puffer
gespült
und
ein
so
genannter
Haifischzahnkamm eingeschoben, um die DNA-Proben in getrennte Kammern
pipettieren zu können.
Von den denaturierten Sequenzierproben wurden 3 µl in der Basen-Reihenfolge
Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin auf das Gel aufgetragen und die synthetisierten
Fragmente mittels Elektrophorese bei ca. 2100 Volt und 115 Watt entsprechend ihrer
Größe getrennt.
Anschließend wurde das Gel von den Glasplatten gelöst, auf ein Blotting-Papier
überführt, mit Folie abgedeckt und auf den Geltrockner gelegt. Das Trocknen des
Gels dauerte ca. 1,5 Stunden.
Danach wurde ein Röntgenfilm aufgelegt. Die Exposition erfolgte über Nacht und am
nächsten Tag wurde der Film im Entwickler entwickelt. Abschließend wurde die
analysierte Sequenz mit der genomischen Sequenz des Gens AY147037 durch
Ablesen der einzelnen Sequenzabschnitte verglichen.
D
D
1
Ergebnisse
50
Ergebnisse
Mutationsanalyse an Menschen mit myeloischer Leukämie
und myelodysplastischen Syndrom und 7q-Aberration
In der kodierenden Region fanden sich bei 5 (Patient Nr. 1, 3, 4, 8, 11) der 15
untersuchten Patienten Mutationen. Alle Mutationen lagen im Exon 8 (im
Aminosäurekodon 292), wobei es zu einem Basenaustausch von Cytosin gegen
Thymin kam. Achtundsechzig Basenpaare vor dem ersten Exon im untranslierten
Teil des Gens, konnte bei drei Patienten (Nr. 1, 2, 8) ein Basenaustausch von
Guanin gegen Adenin festgestellt werden (Abb. 5 und 6). Die exakten Daten sind der
Tabelle 14 zu entnehmen.
Abbildung 7 zeigt repräsentativ das Ergebnis der Sequenzanalyse von Exon 16 bei 5
Patienten und einem gesunden Probanden. In allen Fällen, die in dieser Abbildung
dargestellt werden, lag eine Normalsequenz vor.
2
Mutationsanalyse an Tumor-Zelllinien
Bei keiner der Zelllinien konnte in den Exons 1 bis 7 ein Unterschied zum Wildtyp der
AY147037-Sequenz ermittelt werden. Bei der Zelllinie K562, einer Zelllinie, welche
von einem Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie stammt, fand sich, wie
bei den Patienten Nr. 1, 3, 4, 8 und 11 ein Basenaustausch von Cytosin gegen
Thymin im Kodon 292. Die Zelllinien Molt4, kultiviert aus Zellen eines Patienten mit
ALL, und Pank-I, einer Pankreastumorzelllinie, zeigten denselben Basenaustausch
von Cytosin gegen Thymin (Abb. 8). Die Exons 9 bis 25 wiesen keine Abweichungen
auf. Im Intron 13 fand sich bei der Zelllinie Molt4 ein Basenaustausch von Adenin
gegen Thymin, wobei auch dieser mit 28 bp außerhalb der „Splice Sites“ lokalisiert
war.
3
Mutationsanalyse an gesunden Probanden
Bei fünf gesunden Probanden konnten in Exon 1 bis 25 keine Abweichungen von der
angegebenen Gen-Sequenz (Genbank Acc. No. AY147037) festgestellt werden. Ein
Proband zeigte, in Analogie zur Zelllinie Molt4, im Intron 13 einen Basenaustausch
von Adenin gegen Thymin, 28 bp von der „Splice Site“ entfernt (Abb. 9).
D
Ergebnisse
51
Tab. 14: Zusammenfassung der Mutationsanalyse des Kandidaten-Gens
AY147037: Aminosäureaustausch und Kodonwechsel bei den betroffenen
Patienten bzw. Zelllinien im Gen AY147037
Patientennummer/
Zelllinie
Aminosäuren/
Kodon
Basenpaarabstand zum
Kodonwechsel
Exon
1
292
Tyr? Tyr
C>T
3
292
Tyr? Tyr
C>T
4
292
Tyr? Tyr
C>T
8
292
Tyr? Tyr
C>T
11
292
Tyr? Tyr
C>T
K562
292
Tyr? Tyr
C>T
Molt4
292
Tyr? Tyr
C>T
Pank-I
292
Tyr? Tyr
C>T
1
Intron -1
68 bp 5’, Exon1
G>A
2
Intron -1
68 bp 5’, Exon1
G>A
8
Intron -1
68 bp 5’, Exon1
G>A
Molt4
Intron 13
28 bp 5’, Exon14
A>T
Gesunder Proband
Intron 13
28 bp 5’, Exon14
A>T
Tyr=Tyrosin, bp=Basenpaar, A=Adenin, C=Cytosin, G=Guanin, T=Thymin, C>T
bedeutet C wird ausgetauscht gegen ein T
D
Ergebnisse
A
C
52
G
T
1 2 345 6 78 1 2 34 5 6 78 1 2 34 5 6 78 1 2 345 6 78
5’
Abb. 5: Röntgenfilmausschnitt der DNA-Sequenzanalyse vom Intron vor Exon 1
des Gens AY147037, dargestellt sind ein gesunder Proband (Bahn 1), 5
Patienten mit akuter myeloischer Leukämie oder myelodysplastischem
Syndrom (Nr. 8, 1, 7, 12, 14; Bahn 2-6) und die Zelllinien K562 und HL60 (Bahn 7
und 8). Patient 8 (markiert durch den dicken Pfeil) zeigt 68 Basenpaare (bp) vor
dem Exon 1 einen Basenaustausch von G gegen A (G>A). Der obere Pfeil (5’)
markiert den Beginn des Exon 1 (5’Ende). A, C, G und T sind die Basen Adenin,
Cytosin, Guanin, und Thymin.
D
Ergebnisse
A
1 2
C
3 4 5 1
2 3 4 5 1 2
53
G
3
T
4 5 1 2
3
4 5
5’
Abb. 6 : Röntgenfilmausschnitt der DNA-Sequenzanalyse vom Intron vor Exon
1 des Gens AY147037, dargestellt sind ein gesunder Proband (Bahn 1) und 4
Patienten mit akuter myeloischer Leukämie oder myelodysplastischem
Syndrom (5, 6, 2, 9; Bahn 2-5). 68 bp vor Exon 1 ist bei Patient 2 (markiert durch
den dicken Pfeil) ein Basenaustausch von G gegen A (G>A) zu sehen. Der
obere Pfeil (5’) markiert den Beginn des Exon 1 (5’Ende). A, C, G und T sind die
Basen Adenin, Cytosin, Guanin, und Thymin.
D
Ergebnisse
A
C
G
T
1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6
2
23
23
54
A
1 2 3 4 5 6
C
G
1 2 3 4 5 6
1 2 3 4 5 6
T
1 2 3 4 5 6
3’
5’
Start
Abb. 7: Röntgenfilm der DNA-Sequenzanalyse von Exon 16 des Gens AY147037.
Aufgetrennt ist die DNA von einem Probanden (Bahn 1) und 5 Patienten mit
akuter myeloischer Leukämie oder myelodysplastischem Syndrom (Nr. 1, 2, 3, 4,
5; Bahn 2-6). Die kodierende Region beginnt links oben und geht in der rechten
Spalte weiter. Hier lagen keine Sequenzabweichungen zur Normalsequenz vor.
Der untere rechte Pfeil (5’) markiert den Beginn des Exon 16 (5’Ende), der obere
linke Pfeil (3’) das Ende des Exons. A, C, G und T sind die Basen Adenin, Cytosin,
Guanin, und Thymin.
D
Ergebnisse
A
123 4 5 6
C
G
55
T
12 3 456
12 3 456 12 3 456
5’
Abb. 8: Röntgenfilmausschnitt der DNA-Sequenzanalyse von Exon 8 des Gens
AY147037, dargestellt sind die humanen Tumor-Zelllinien K562, HL60, Lama83,
Molt4, Pank-I und Jurkat (Bahn 1-6). Einen Basenpaaraustausch von C gegen T
(C>T) zeigen, markiert durch den Pfeil, K562, Molt4 und Pank-I. Der obere Pfeil
(5’) markiert den Beginn des Exon 8 (5’Ende). A, C, G und T sind die Basen
Adenin, Cytosin, Guanin, und Thymin.
D
Ergebnisse
A
C
56
G
1 2 3 4 5 61 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6
T
1 2
3 4 5 6
5’
Abb. 9: Röntgenfilmausschnitt der DNA-Sequenzanalyse von Intron 13 vor
Exon 14 des Gens AY147037. Dargestellt sind ein gesunder Proband (Bahn 1)
und 5 Patienten mit akuter myeloischer Leukämie oder myelodysplastischem
Syndrom (Nr. 3, 4, 6, 7, 12; Bahn 2-6). Der gesunde Proband zeigt 28
Basenpaare (bp) 5’ vor Exon 14 einen Basenaustausch von A gegen T (A>T).
Der obere Pfeil (5’) markiert den Beginn des Exon 14 (5’Ende). A, C, G und T
sind die Basen Adenin, Cytosin, Guanin, und Thymin.
.
E
E
Diskussion
57
Diskussion
Der Verlust von Chromosom 7 oder del (7q-) sind häufig auftretende chromosomale
Veränderungen
in
myeloischen
Leukämien
des
Menschen
(FOURTH
INTERNATIONAL WORKSHOP ON CHROMOSOMES IN LEUKEMIA 1982). Diese
Veränderungen sind insbesondere mit dem Therapie-induzierten MDS und der
Therapie-induzierten AML assoziiert (LE BEAU et al. 1986). Auf dem langem Arm
von Chromosom 7 konnte in den letzten Jahren mittels chromosomaler GBänderungsanalyse
und
molekulargenetischer
Methoden
eine
so
genannte
„kritische“ Deletionsregion, die die Banden 7q22-7q31.1 umfasst, definiert werden
(NEUMANN et al. 1992, JOHANSSON et al. 1993, RODRIGUEZ PEREIRA
VELLOSO et al. 1996, LE BEAU et al. 1996,FISCHER et al. 1997). OBERMILLER et
al. (2002) definierten das bislang nicht bekannte Kandidaten-Gen mit der Genbank
Acc. No. AY147037 (auch als MLL5 bezeichnet), welches zeitgleich von
EMMERLING et al. (2002) gefunden wurde.
Die Tatsache, dass das Gen AY147037 in der „kritischen“ Deletionsregion lokalisiert
ist und funktionell interessante Domänen aufweist, die eine Homologie zu den Genen
der Trx-G, insbesondere dem bekannten Leukämie-Gen MLL zeigen, machen es zu
einem interessanten Kandidaten-Gen für myeloische Leukämien (EMMERLING et al.
2002). Folgt man der klassischen Zwei-Schritt-Hypothese KNUDSON’s (1971), so
war es nahe liegend, die pathogenetische Bedeutung des Gens AY147037 zunächst
durch Mutationsanalysen im zweiten Allel des Gens zu untersuchen.
Daher wurden in der vorliegenden Arbeit 15 Menschen mit myeloischer Leukämie
und einer del (7q-) sowie 6 Tumor-Zelllinien auf Mutationen im Gen AY147037
untersucht. Die Analysen wurden nach der „Sanger-Methode“ durchgeführt, um die
gesamte Sequenz des Gens exakt und komplett zu erfassen. Die Methode nach
SANGER et al. (1977) erlaubt es, auch kleinste Mutationen, das heißt den Austausch
einzelner Basenpaare oder deren Verlust, darzustellen. Dies ist bei anderen
Techniken wie z.B. dem SSCP nicht der Fall, da hier unter definierten Bedingungen
Mutationen aufgrund von Konformationsänderungen im Vergleich zur Konformation
der normalen Sequenz ermittelt werden. Die Sequenz ist beim SSCP nicht direkt
lesbar, sondern Mutationen werden indirekt durch unterschiedliches Laufverhalten im
Gel nachgewiesen (ORITA et al. 1989a, ORITA et al. 1989b). Die Länge der
Fragmente, die mittels SSCP analysiert werden können, ist auf etwa 250 Basen
E
Diskussion
58
begrenzt, während mittels manueller Sequenzierung Fragmente von gut 400 bp
Länge analysierbar sind (LEE 1991). Anhand des hier etablierten Mutations-Assays
wurden mittels der „Sanger-Methode“ zusätzlich die hochkonservierten „Splice Sites“
bzw. Intron/Exon-Exon/Intron Übergänge untersucht.
Die Mutationsanalysen an dem Gen AY147037 ergaben keine inaktivierenden
Mutationen an 15 Patienten mit AML bzw. MDS und 7q-Aberration wie auch in 6
Tumor-Zelllinien. Es fand sich lediglich in Exon 8 ein Basenpaaraustausch von
Cytosin gegen Thymin, bei dem es sich um eine stille Mutation handelt, die nicht zur
Veränderung der Aminosäuresequenz führt. Diese Mutation hat also keine
erkennbare Veränderung der biologischen Eigenschaften des Genproduktes zur
Folge. Sehr wahrscheinlich handelt es sich somit um einen Polymorphismus.
Weitere Sequenzvariationen fanden sich im selbst untersuchten Probenmaterial
außerhalb der kodierenden Sequenz im Intron, 68 bp vor Exon 1 und 28 bp vor Exon
14. Dass diese Variationen Einfluss auf die Funktion des Genes haben, ist eher
unwahrscheinlich. Des Weiteren liegen sie weit entfernt von den „Splice Sites“, so
dass sie in der Entstehung von Splice-Varianten keine Rolle spielen. EMMERLING et
al. (2002) fanden bei ihrer Mutationsanalyse des MLL5 Gens mittels SSCP ebenfalls
keine inaktivierenden Mutationen. In der Zelllinie RCV-ACV-A, einer Zelllinie eines
Patienten mit ALL und t(1;19), fanden EMMERLING et al. (2002) einen Austausch
der Basen Thymin gegen Cytosin am Nukleotid 599 mitten in der PHD-Domäne des
von ihnen beschriebenen MLL5-Gens. Hierdurch kommt es zu einer Veränderung
der Aminosäuresequenz. Ein Polymorphismus ist eher unwahrscheinlich, da diese
Variation in keinem der untersuchten 40 gesunden Probanden vorkam. EMMERLING
et al. (2002) analysierten außerdem noch 53 Patienten (Exon 1-13) und 24 Patienten
(Exon 14-24) mit MDS oder AML, die eine Monosomie 7 oder del (7q-) aufwiesen.
Die Mutationsanalysen fokussierten sich im Wesentlichen auf die funktionellen
Domänen und umfassten nicht die gesamte cDNA. Auch hier fanden sich keine GenMutationen. Ob die oben beschriebene Mutation Auswirkungen auf die Funktion des
Genes hat, kann bislang nicht gesagt werden (EMMERLING et al. 2002).
Die Tatsache, dass in der eigenen Arbeit übereinstimmend mit EMMERLING et al.
(2002) keine inaktivierenden Mutationen in dem Gen AY147037 gefunden wurden,
lässt folgende Interpretationen zu: Zum einem besteht die Möglichkeit, dass dem
Gen AY147037 keine Rolle in der Pathogenese myeloischer Leukämien zukommt.
Möglicherweise sind in der „kritischen“ Deletionregion 7q22-q31.1 noch weitere
E
Diskussion
59
bislang nicht identifizierte Gene lokalisiert, die mit der Leukämogenese assoziiert
sind.
Betrachtet
man
die
Heterogenität
der
Translokations-
und
Deletionsbruchpunkte, die auf dem langen Arm von Chromosom 7 bislang
identifiziert wurden, so ist es durchaus wahrscheinlich, dass mehr als ein
pathogenetisch relevantes Gen auf dem langen Arm von Chromosom 7 lokalisiert ist
(LE BEAU et al. 1996, FISCHER et al. 1997, KIURU-KUHLEFELT et al. 1997, LIANG
et al. 1998).
Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass das Kandidaten-Gen AY147037 nicht der
klassischen Zwei-Schritt-Hypothese KNUDSON’s (1971) unterliegt und somit die
Inaktivierung eines Allels zur Entstehung der myeloischen Leukämie ausreicht
(Haploinsuffizienz). In den letzten Jahren gab es immer mehr Untersuchungen, die
zeigen
konnten,
dass
die
klassische
Zwei-Schritt-Hypothese
für
die
Tumorentstehung nicht unbedingt erfüllt sein muss: FERO et al. (1998) analysierten
das Tumor-Suppressor-Kandidaten-Gen p27Kip1 bei Mäusen und fanden heraus,
dass das Gen haploinsuffizient ist. Molekulare Untersuchungen haben gezeigt, dass
das verbleibende Allel bei heterozygoten Mäusen weder mutiert noch sonst in seiner
Funktion verändert ist (FERO et al. 1998). Ein weiteres mögliches TumorSuppressorgen, bei dem eine Haploinsuffizienz diskutiert wird, ist CBFA2 (auch
AML1). Der haploinsuffiziente hämatopoetische Transkriptionsfaktor CBFA2 ist für
die Entwicklung einer familiären Thrombozytopenie verantwortlich. Betroffene
Patienten sind für die Entstehung einer AML prädisponiert. So reicht eventuell schon
eine sinkende Konzentration des myeloischen Transkriptionsfaktors zur Entstehung
der Leukämie aus (SONG et al. 1999).
OBERMILLER et al. (2002) identifizierten in der 5’Region des Gens AY147037 eine
CG-reiche Region, so dass das Gen AY147037 eventuell durch epigenetische
Mechanismen, wie z.B. Methylierung oder Demethylierung, in seiner Expression
reguliert
werden
könnte.
In
CG-reichen
Regionen
wurden
sowohl
Keimbahnmutationen als auch somatische Mutationen beschrieben, die zu
tumorösen Veränderungen führten. Beispiel ist die mutierte CG-reiche Region in der
kodierenden Region des TP53 Gens, die in 50% der inaktivierenden Mutationen zu
Kolontumoren führt (ROBERTSON et al. 2000). Der Mechanismus der Methylierung
bzw. Demethylierung muss bei dem Kandidaten-Gen AY147037 noch genauer
untersucht werden. Schließlich ist auch zu überlegen, ob die von OBERMILLER et al.
E
Diskussion
60
(2002) gefundenen Splice-Varianten eine pathogenetische Rolle bei der AMLEntstehung spielen.
Die physiologische und auch pathogenetische Bedeutung des Kandidaten-Gens
AY147037 kann derzeit nur mit Hilfe eines Tiermodells analysiert werden. Notwendig
ist die Konstruktion spezifischer hetero- und homozygoter Tiermodelle. Durch
systematische Deletion eines spezifischen Gens, in diesem Falle AY147037, oder
kleiner definierter genomischer Regionen innerhalb der „kritischen“ Deletionsregion
können dann über die Entwicklung des entsprechenden Phänotypes Leukämierelevante Gene identifiziert werden.
F
F
Zusammenfassung
61
Zusammenfassung
Kathrin Hofmann
Mutationsanalysen an dem Kandidaten-Gen AY147037 aus
der „kritischen“
Deletionsregion 7q22-q31.1 bei myeloischen Leukämien des Menschen
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, beim Menschen das KandidatenGen mit der Genbank Nummer (accession number, Acc. No.) AY147037 auf
Mutationen bei Patienten mit myeloischer Leukämie und einer 7q-Aberration zu
analysieren. Diese Arbeit basiert auf der Beobachtung, dass Aberrationen des
langen Armes von Chromosom 7 (7q-) eine häufige chromosomale Veränderung bei
der myeloischen Leukämie darstellen, die überwiegend in der chromosomalen
Region 7q22-q31.1 lokalisiert ist. Das Gen AY147037 liegt in der so genannten
„kritischen“ Deletionsregion 7q22-q31.1 und ist somit ein potentieller Kandidat, der in
der Leukämieentstehung eine wichtige Rolle spielen könnte.
Im Rahmen der Arbeit wurden 15 Menschen mit akuter myeloischer Leukämie bzw.
myelodysplastischem Syndrom und chromosomaler 7q22 Aberration mit Hilfe der
Sequenzierung nach SANGER et al. (1977) auf Mutationen untersucht. Zusätzlich
wurde die DNA von 6 Tumor-Zelllinien (K562, HL60, Lama84, Molt4, Pank-I, Jurkat)
sowie von fünf gesunden Probanden analysiert. Es fanden sich keine inaktivierenden
Mutationen, lediglich in Exon 8 konnte bei 5 Patienten und bei den Zelllinien K562,
Molt4 und Pank-I eine so genannte stille Mutation, ein Basenaustausch von Cytosin
gegen Thymin ohne Aminosäurenwechsel, identifiziert werden.
Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen verschiedene Interpretationen zu: 1.) Bei dem
Gen AY147037 reicht die Inaktivierung eines Allels zur Entstehung der myeloischen
Leukämie aus. Somit könnte es sich bei dem Gen AY147037 um ein
haploinsuffizientes Tumor-Suppressorgen handeln. 2.) Eine weitere Möglichkeit
wäre, dass das Gen über andere Mechanismen wie z.B. durch Methylierung und
Demethylierung, reguliert wird. 3.) Aufgrund der Heterogenität der bislang
identifizierten Translokations- und Deletionsbruchpunkte ist es auch denkbar, dass in
der „kritischen“ Deletionregion 7q22-q31.1 weitere bislang noch nicht identifizierte
Gene liegen. Um die normale Funktion des Gens AY147037 sowie seine Rolle in der
Leukämieentwicklung untersuchen zu können, wäre die Konstruktion spezifischer
Tiermodelle wünschenswert.
G
G
Summary
62
Summary
Kathrin Hofmann
Mutational analysis of the candidate gene AY147037 located in the critical
deleted region 7q22-q31.1 in human myeloid leukaemias
The aim of this study was to analyse the candidate gene with the Genbank accession
number AY147037 for mutation in human patients with myeloid leukaemia and 7q
aberrations. Aberrations of the long arm of chromosome 7 (7q-) are recurring
chromosome abnormalities detected in myeloid leukaemia mainly located in the
chromosomal region 7q22-q31.1. The gene AY147037 is located in the so called
critical deleted region 7q22-q31.1 and is considered as a candidate playing a
pathogenetic role in myeloid leukaemias.
In this study 15 patients with acute myeloid leukaemia or myelodysplastic sydrome
and chromosomal 7q22 aberration were screened by SANGER et al. (1977) chain
termination sequencing. Additionally, the DNA from 6 cancer cell lines (K562, HL60,
Lama84, Molt4, Pank-I, Jurkat) and 5 healthy donors were analysed. No inactivating
mutations were detected, a silent mutation, a transition from cytosin to guanin without
amino acid change, was identified in exon 8 in 5 patients and in K562, Molt4 and
Pank-I cell lines.
The results can be interpreted as follows: 1.) In the gene AY147037 inactivation of
one allele contributes to leukemogenesis. Hence, the gene AY147037 could be a
haploinsuffcient tumour suppressor gene. 2.) Another possibility is that the gene is
regulated by mechanisms like methylation and demethylation. 3.) Concerning the
heterogeneity of translocation and deletion breakpoints the existence of other
myeloid leukaemia associated genes in the critical deleted region 7q22-q31.1 that
have not been identified has to be discussed. To investigate the normal function of
the gene AY147037 and its pathogenetic role in leukaemogenesis the construction of
specific animal models would be useful.
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Danksagung
Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. Mischke für die freundliche Betreuung und Beratung
bei der Anfertigung der Dissertation.
PD Dr. Konstanze Döhner für die Überlassung des interessanten Themas, für die
gute Betreuung und Unterstützung bei der Anfertigung der Dissertation.
Bei Herrn Prof. Dr. H. Döhner für die Möglichkeit zur Durchführung des praktischen
Teils und für die freundliche Aufnahme in der Abteilung Innere Medizin III des
Universitätsklinikum Ulm.
Marianne Habdank für die unermüdliche Hilfe während des praktischen Teils und die
gute Zusammenarbeit.
Bei den Mitarbeitern, Assistenten und Doktoranden aus dem Labor, insbesondere
Robin, für die gute Zusammenarbeit.
Bei meiner Freundin Christine für die Hilfe bei den organisatorischen Dingen am
Ende.
Mein herzlicher Dank gilt meinem Freund Roland Klinger für die Korrektur des
Manuskriptes, den seelischen Beistand, vor allem in der Endphase, für die
uneingeschränkte Unterstützung und für den gemeinsamen Kampf gegen den
Computer.
Vor allem möchte ich mich bei meiner Familie bedanken für die liebevolle seelische
Unterstützung. Besonders meinen Eltern, Renate und Harald Hofmann, fürs Zuhören
und Mut machen.
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