Willensmängel bei Entstehung bei Erklärung arglistige Täuschung Drohung anfechtbar, § 123 BGB Wille u. Erkl. Fallen bewusst auseinander Geheimer Vorbehalt: § 116 S. 1 Æunbeachtl. § 116 S. 2 Æ nichtig Scheingeschäft § 117 Æ nichtig Scherzgeschäft § 118 Æ nichtig Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) Wille u. Erkl. fallen unbewusst auseinander anfechtbar § 119 BGB 1 Willensmängel Zulässigkeit der Anfechtung: • Grds. darf jede WE unter den Vss. der §§ 119 ff. BGB angefochten werden • Sonderregeln im Familien- und Erbrecht • Gründungs- und Beitrittserklärungen zu Kapitalgesellschaften nicht anfechtbar • Soweit Anwendungsbereich der Gewährleistungsvorschriften reicht, ist § 119 II BGB ausgeschlossen Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 2 Willensmängel Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtung Anfechtungsgrund (siehe nächste Folie) Anfechtungserklärung ggü Anf.gegner, § 143 BGB fristgemäß, §§ 121, 124 BGB Grds. formlos möglich Keine Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts, vgl. § 144 BGB Rechtsfolge: - WE gem. § 142 von Anfang an nichtig - ggf. §§ 812 ff., § 122, §§ 280 I, 311 II, 241 II Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 3 Willensmängel Anfechtungsgrund Erklärungsirrtum, § 119 I 1 2. Alt. Inhaltsirrtum, § 119 I 1 1. Alt. Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft, § 119 II Unrichtige Übermittlung, § 120 Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) Arglistige Täuschung § 123 Widerrechtl. Drohung § 123 4 Willensmängel (Fall 1: Die Buchbestellung) Sachverhalt: K bestellt beim Versandhaus V ein Buch mit der Bestellnummer 5001 zum Preis von 29,80 Euro. Versehentlich schreibt er bei der Eintragung der Bestellnummer in den Bestellschein jedoch „1005“. Unter der Rubrik „Artikel und Preis“ trägt er ein: „Buch, Euro 20,80 Euro“. Daraufhin wird ihm ein anderes Buch, das die betreffende Bestellnummer hat und gleich-falls 29,80 Euro kostet, geliefert. K entdeckt nun seinen Irrtum. Er schreibt dem Versandhaus, dass er sich beim Ausfüllen des Bestellscheins verschrieben habe und dieses Buch gar nicht wolle. V verlangt von K Bezahlung und Abnahme. Wenn dies aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei, müsse K aber wenigstens die Verpackungs- und Versandkosten tragen. Wie ist die Rechtslage? Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 5 Willensmängel (Lösung: Die Buchbestellung) A. I. 1. 2. Æ Anspruch V gegen K aus § 433 II BGB: Kaufvertrag V-K: Angebot Annahme (+) II. Anfechtung: 1. Erklärung gem. § 143 I, II BGB 2. Anfechtungsgrund gem. § 119 I, 2. Alt. BGB 3. Irrtum subjektiv und objektiv kausal für abgegebene WE 4. unverzüglich, § 121 I BGB Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 6 Willensmängel (Lösung: Die Buchbestellung) III. Ergebnis: Anfechtung wirksam, WE des K gem. § 142 I BGB nichtig, Kaufvertrag besteht nicht, kein Anspruch des V auf Bezahlung. B. Anspruch V gegen K aus § 122 I (Verpackungs- und Versandkosten): 1. Wirksame Anfechtung 2. Kosten müssten dem V dadurch entstanden sein, dass er auf die Gültigkeit der Bestellung vertraut. 3. Kein Ausschluss nach § 122 II BGB 4. Ergebnis: Anspruch aus § 122 I BGB (+) Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 7 Willensmängel (Fall 2: die Mozartnoten) Sachverhalt: Am 25. 6. 02 findet in Karlsruhe ein öffentlicher Flohmarkt statt. Klavierlehrer P stöbert am Stand des Hobbyhändlers H in einem großen Angebot an Notenheften, Notenblättern und Musikzeitschriften. P entdeckt einige Notenblätter, die ihn interessieren und kauft alle Manuskripte zusammen für 10 Euro. Am 27. 6. 02 berichtet die örtliche Presse von einem „sensationellen Mozartfund von beachtlichem Seltenheitswert“, der dem P auf besagtem Flohmarkt gelungen sei. H wird hellhörig und sendet noch am selben Tag ein Schreiben an P, in dem er die Anfechtung des Kaufs wegen Irrtums erklärt. Er schreibt, er habe am Tag vor dem Flohmarkt aus seinem Bestand alle Exemplare aussortiert, die vor 1905 erschienen sind, da er diese nicht verkaufen wollte. Hierunter haben sich auch die Mozartstücke befunden, die er als solche aber nicht erkannt habe. Aus ihm unerfindlichen Gründen seien die Mozart-Blätter wieder unter die Flohmarktstücke geraten, ohne dass er dies bemerkt habe. Auch beim Verkauf selbst habe er nicht darauf geachtet. P verweigert die Herausgabe. Kann H die Übereignung der Noten anfechten? Es handelt sich tatsächlich um originale, antiquarische Notenhefte Mozarts. Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 8 Willensmängel (Lösung: die Mozartnoten) Lösung: H kann anfechten, wenn die Voraussetzung für Anfechtung gegeben sind: 1. Anfechtungsgrund: a) Inhaltsirrtum gem. § 119 I Fall 1 BGB? aa) Irrtum des H über Bedeutung und Tragweite der Erklärung? Æ (-) bb) Irrtum über die Sollbeschaffenheit? Herkunft der Blätter wurden nicht zur Sollbeschaffenheit gemacht Æ (-) Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 9 Willensmängel (Lösung: Die Mozartnoten) b) Erklärungsirrtum gem. § 119 I Fall 2 BGB? äußerer und innerer Erklärungstatbestand stimmen überein Æ (-) c) Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften i.S.d. § 119 II BGB aa) Als Eigenschaften kommen in Betracht - Wert der Noten (-) - Urheberschaft Mozarts (+), da Beziehung der Sache zur Umwelt, die untrennbar mit dem Gegenstand verbunden. - Alter der Noten (+) , ebenso Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 10 Willensmängel (Lösung: die Mozartnoten) bb) Eigenschaften „Urheberschaft Mozarts“ und „Alter“ im Verkehr als wesentlich angesehen? argumentieren! Æ (+) cc) Hat H über das Vorliegen dieser Eigenschaften geirrt? argumentieren! (Er hat alte Noten aussortiert ./. Er hat sich keine Gedanken gemacht über Urheberschaft Mozarts) Æ (+) dd) Berechtigt Eigenschaftsirrtum auch zur Anfechtung der Verfügung? Æ (+), da Eigenschaftsirrtum gerade auch für die Vornahme der Übereignung kausal wurde. Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 11 Willensmängel (Lösung: die Mozartnoten) 2. Anfechtungsfrist, § 121 BGB: Æ (+) 3. Anfechtungserklärung, § 143 BGB a) Gegenüber P (+), § 143 II BGB b) H hat in Schreiben ausdrücklich den Kaufvertrag angefochten, nicht die Übereignung. Auslegung nach §§ 133, 157 BGB Æ H wollte nicht nur das Verpflichtungsgeschäft, sondern auch das Verfügungsgeschäft vernichten 4. Ergebnis: H hat bereits wirksam die Übereignung der Noten angefochten. Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 12 Willensmängel (Fall 3: die Kommode) Sachverhalt: V hat von seiner Oma eine alte Kommode geschenkt gekommen. Da sie ihm nicht gefällt, will er sie an seine Bekannte K verkaufen. V, der weiß, dass es sich um eine alte Handarbeit handelt, die einigen Wert haben dürfte, meint, 3000,- Euro sei ein angemessener Preis. Um aber sicher zu gehen, fragt er den Antiquitätenhändler A um Rat. Obwohl A sieht, dass die Kommode mehr als den doppelten Preis erzielen könnte, erklärt er, die Preisvorstellung des V gehe in Ordnung. Darauf verkauft V der K die Kommode für 3000,- Euro. Noch vor der Übergabe an K erfährt V den wahren Wert der Kommode und erklärt, er widerrufe den Vertrag: Er habe sich zum einen über den wirklichen Wert der Kommode geirrt, zum anderen sei er von A arglistig hintergangen worden. K besteht auf dem Vertrag. Muss V die Kommode an K liefern? Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 13 Willensmängel (Lösung: Die Kommode) Anspruch K ./. V auf Lieferung gem. §433 I, 1 BGB: I. Kaufvertrag (+) II. Anfechtung? 1. Irrtum über Wert der Kommode a) Anfechtungserklärung b) Anfechtungsgrund, § 119 II BGB (-) 2. Täuschung von A über Wert der Kommode a) Anfechtungserklärung (+) b) arglistige Täuschung, §123 BGB aa) Täuschung (+) bb) Kausalität (+) Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 14 Willensmängel (Lösung: Die Kommode) cc) widerrechtlich (+) dd) arglistig (+) ee) Täuschung erfolgte nicht durch K, sondern durch A A = unbeteiligter Dritter, § 123 II BGB K = nicht bösgläubig Æ Täuschung berechtigt nicht zur Anfechtung Ergebnis: Anspruch auf Lieferung gem. § 433 I, 1 BGB (+) Universität BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester Karlsruhe (TH) 15