Pharmakodynamik Pharmakodynamik • wie wird Körper durch Wirkstoff beeinflusst? • wie stark und wo genau wird Körper dabei beeinflusst? 1 Pharmakodynamik • Wirkstoff muss vor Wirkungsentfaltung an seinen Wirkort gelangen (Pharmakokinetik) • verschiedene Wirkstoffe greifen dann unterschiedliche Wirkorte in unterschiedlicher Wirkdauer mit unterschiedlichem Effekt an • gut: schlecht: therapeutischer Effekt toxischer Effekt Pharmakodynamik • Wirkung eines Wirkstoffes – Rezeptor-Ligand-Modell („Schlüssel-Schloss-Prinzip“) • Rezeptor: Bindungsstelle für körpereigene Substanzen und körperfremde Wirkstoffe aus Arzneimitteln (gibt es für jedes Schloss einen körpereigenen Schlüssel?) • Ligand: Bindungspartner eines Rezeptoren 2 Pharmakodynamik • Effekt eines Wirkstoffes – Agonismus • Kopplung eines Liganden an einen Rezeptor führt zur Wirkungsauslösung – Antagonismus • Kopplung eines Liganden an einen Rezeptor führt zu keiner Wirkung • Besetzung des Rezeptors für einige Zeit Pharmakodynamik • Agonist / Antagonist 3 Pharmakodynamik • Beispiel beta-Rezeptor Pharmakodynamik • Effekt eines Wirkstoffes – Agonismus • Wirkung am Rezeptor wird durch Agonisten ausgelöst • Dosiserhöhung Wirkungsverstärkung meist möglich oft gewichtsbezogene Dosierung von Arzneimitteln besser: Dosierung nach Körperoberfläche (KOF) • Dosierung eines Wirkstoffes charakterisiert durch effektive Dosis 50 (ED50) und letale Dosis 50 (LD50) 50% der Probanden (Tiere) zeigen gewünschten Effekt 50% der Probanden (Tiere) versterben 4 Pharmakodynamik • Effekt eines Wirkstoffes – verschiedene Arten des Antagonismus • reversibel: – Antagonist bindet am gleichen Rezeptor wie Agonist – Konkurrenz um diesen „Rezeptorplatz“ – abhängig von Konzentration beider Wirkstoffe Agonist & Antagonist können sich gegenseitig verdrängen • nicht-reversibel: – Antagonist bindet am gleichen Rezeptor wie Agonist – keine Konkurrenz, dauerhafte Blockade durch Antagonist – unabhängig von Konzentration beider Wirkstoffe Agonist & Antagonist können sich nicht verdrängen Pharmakodynamik • reversibler Antagonismus: 5 Pharmakodynamik • nicht-reversibler Antagonismus: Pharmakodynamik • Beispiele von „Betablockern“: Metoprolol (Beloc®, Beloc ZOK®) Nebivolol (Nebilet®) Carvedilol (Dilatrend®) Atenolol (Tenormin®) Propranolol (Obsidan®) Timolol (Arutimol®) 6 Pharmakodynamik • Beispiele von „Betablockern“: Metoprolol (Beloc®, Beloc ZOK®) Nebivolol (Nebilet®) Carvedilol (Dilatrend®) Atenolol (Tenormin®) Propranolol (Obsidan®) Timolol (Arutimol®) gemeinsame Wirkstoffendung „-(o)lol“ Pharmakodynamik • „Blocker“ (Beta-Blocker) • „Hemmer“ (ACE-Hemmer) • „Antagonisten“ (AT2-Antagonisten) • … bedeuten nichts durchweg negatives, sondern beschreiben nur den hemmenden Effekt eines Wirkstoffes Wirkung kann sehr positiv und gewollt sein 7 Pharmakodynamik • Bsp. Therapieschema Herzinsuffizienz Pharmakodynamik • reversibler/nicht-reversibler Antagonismus: Problem Kreislaufreaktivierung mit Adrenalin bei Patienten unter laufender Betablocker-Therapie? Verdrängung des Betablockers theoretisch durch entsprechend höhere Adrenalin-Mengen möglich, wenn jedoch Versagen beobachtet wird: „[…] Ein Sonderfall sind Patienten, die Betablocker einnehmen; hier kann bei Erfolglosigkeit von Adrenalin eine Therapie mit Glukagon (1-2 mg i.m. alle 5 Minuten – oder i.v.) hilfreich sein. […]“ http://www.luftrettung-hamburg.de 8 Pharmakodynamik Deutsche Ärztezeitung, 16.09.2009 Pharmakodynamik • Effekt eines Wirkstoffes – verschiedene Arten des Antagonismus • funktionell: – zwei Wirkstoffe lösen an über jeweils einen anderen Mechanismus gegenläufige Wirkungen aus Acetylcholin (parasympathisch): Bronchienverengung Noradrenalin (sympathisch): Bronchienerweiterung 9 Pharmakodynamik Acetylcholin (parasympathisch): Bronchienverengung Noradrenalin (sympathisch): Bronchienerweiterung Pharmakodynamik Acetylcholin (parasympathisch): Bronchienverengung Noradrenalin (sympathisch): Bronchienerweiterung 10 Pharmakodynamik Acetylcholin (parasympathisch): Bronchienverengung Noradrenalin (sympathisch): Bronchienerweiterung Pharmakodynamik • Effekt eines Wirkstoffes – verschiedene Arten des Antagonismus • chemisch: – Inaktivierung zweier Wirkstoffe durch Reaktion miteinander und gegenseitige Auslöschung » Heparin (Anion) + Protamin (Kation) » Antikörper + Antigen (immunologischer Antagonismus, Achtung bei Simultanimpfung!) © wissenmedia GmbH 11 Pharmakodynamik • Wirkdauer eines Wirkstoffes am Rezeptor – abhängig von Affinität des Liganden zum Rezeptor – bei verdrängbaren Wirkstoffen: • bis Wirkstoff sich von allein ablöst • bis Wirkstoff von Gegenspieler verdrängt wird • bis Wirkstoff abgebaut wird – bei unverdrängbaren Wirkstoffen: • bis Wirkstoff sich von allein ablöst • bis Wirkstoff abgebaut wird • nicht mit Halbwertszeit zu verwechseln!! Placebo-Effekt • Placebo = Scheinmedikament ohne Wirkstoff • Wirkung beruht auf psychologischer Beeinflussung des Patienten • Notwendigkeit nach wie vor bei Prüfung der vergleichsweisen Wirksamkeit eines Wirkstoffs • Achtung: auch gegenteiliger Nocebo-Effekt möglich! (Schädigung eines Patienten durch Gabe einer Placebo-Arzneiform) 12 Placebo-/Nocebo-Effekt • Bsp. Untersuchung an 22 Probanden mit a) heimlicher Gabe eines Schmerzmittels b) angekündigter Gabe eines Schmerzmittels c) verneinter Gabe eines Schmerzmittels Schmerzstärke 100% a) 50% Hitzereiz b) c) Zeit Bingel et al., 2011; The effect of treatment expectation on drug efficacy: imaging the analgesic benefit of the opioid remifentanil. Placebo-/Nocebo-Effekt Meißner, KlinPharmUpdate 2011 (nach Afilalo et al., WIP 2009) 13 Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Definition nach §4 AMG […] (13) Nebenwirkungen sind die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, die tödlich oder lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich machen, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung, Invalidität, kongenitalen Anomalien oder Geburtsfehlern führen; für Arzneimittel, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, sind schwerwiegend auch Nebenwirkungen, die ständig auftretende oder lang anhaltende Symptome hervorrufen. Unerwartete Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, deren Art, Ausmaß oder Ausgang von der Packungsbeilage des Arzneimittels abweichen. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die als Folge von Wechselwirkungen auftretenden Nebenwirkungen. […] Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen Gustav Kuschinsky: „Wenn behauptet wird, dass eine Substanz keine Nebenwirkung zeigt, so besteht oftmals der Verdacht, dass sie auch keine Hauptwirkung hat.“ 14 Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Häufigkeiten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen im Beipackzettel – sehr häufig: > 10 % – häufig: 1 - 10 % – gelegentlich: 0,1 - 1 % – selten: 0,01 - 0,1 % – sehr selten: < 0,01 %, auch Einzelfälle • Fachinfo Champix Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen http://www.gift.de 15 Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Therapeutische Breite – Zieldosis eines Wirkstoffes im Organismus muss innerhalb der „Therapeutischen Breite“ liegen: Dosisbereich, in dem ein Wirkstoff „minimal therapeutisch wirksam“ bis „gerade noch nicht toxisch wirksam“ ist – Unterschreiten der Wirksamkeitsgrenze keine ausreichende Wirkung – Überschreiten der Toxizitätsgrenze Überdosierung Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen Paracelsus: „Sola dosis facit venenum.“ („Allein die Dosis macht das Gift.“) 16 Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Abhängigkeit Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Mangelnde Spezifität des Wirkortes – Wirkstoff wirkt nicht nur an gewünschtem Wirkort, sondern aufgrund seiner Wirkweise vielerorts – Bsp. Antibiotikum: • soll körperfremde Bakterien eliminieren • bei peroraler Gabe Erreichen hoher Wirkstoffkonzentrationen im Darmbereich • Abtöten auch körpereigener Bakterien, die zur normalen Darmflora gehören und u.a. für Verdauungsvorgänge notwendig sind häufige Nebenwirkung: Darmbeschwerden & Durchfall 17 Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Allergie – durch Immunsystem ausgelöste Problematik – nicht abhängig von Dosis oder Einwirkdauer – Antigen-Antikörper-Reaktion • externes Antigen: Wirkstoff • interner Antikörper: Immunglobulin (Bluteiweiße) – allergische Reaktion kann erst stattfinden, wenn Antikörper vorhanden sind immer frühestens bei Zweitkontakt mit Wirkstoff – unterschiedliche Ausprägungen einer Allergie • wichtigste: Kontaktekzem, anaphylaktische Reaktion Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Allergie – typisch: Arzneimittelexanthem (Hautausschlag) bei Penicillinen, anderen Antibiotika, Antiepileptika, „leichten“ Schmerzmitteln, Lokalanästhetika 18 Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Allergie – weniger imposante bis sehr dramatische Verlaufsformen möglich, Allergie niemals unterschätzen! (sog. Stevens-Johnson-Syndrom & Lyell-Syndrom) Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Allergie – allergisches Kontaktekzem (oft „Kontaktdermatitis“, genauer jedoch: „Kontaktekzem“) • bei Hautkontakt eines Wirkstoffes • nicht ansteckend! • Hervorrufen einer lokalen Entzündung bei Zweitkontakt in Form eines gut sichtbaren Ekzems • Prävention (Meidung des Allergens!) sinnvoller als Therapie (nur symptomatisch möglich) 19 Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Allergie – anaphylaktische Reaktion • beruht auf Wirkungen von Histamin (körpereigener Botenstoff im Nervensystem) im Körper, nachdem dieses durch Kontakt von Antikörpern mit Antigen (Wirkstoff) massenhaft freigesetzt wurde • kann bis zu lebensbedrohlichen Zuständen (anaphylaktischer Schock) führen, die sofort behandlungsbedürftig sind (Schocktherapie?) • Mögliche Wirkverstärker: Betablocker, ACE-Hemmer Nebenwirkungen / Unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Allergie – Wirkungen von Histamin ( Schocksymptomatik) 20 Schwangerschaft • Vielzahl mütterlich verabreichter Wirkstoffe erreicht Embryo oder Fötus im Mutterleib • stets Gefahr der Fruchtschädigung! • während gesamter Schwangerschaft strenge Nutzen/Risiko-Abwägung für alle Wirkstoffe • besonders in Frühschwangerschaft starke Anfälligkeit (bis 18. Tag „Alles-oder-Nichts“) • kritischer Einsatz neuer Arzneimittel, da oft keine vorhandenen Daten bei Schwangeren Stillzeit • Übertritt zahlreicher Wirkstoffe mit der Muttermilch in den kindlichen Organismus • vor allem fettlösliche Stoffe (Fettgehalt der Muttermilch 2,5 – 10%!) • potentiell toxische Wirkungen für Säuglinge, auch wenn für Mutter gut verträglich • bei Notwendigkeit der Gabe ggf. vorheriges Abstillen nötig oder aber Ausweichen auf Wirkstoff, der nicht muttermilch-gängig ist (wenn mögliche Alternative vorhanden) 21 Zusammenfassung • vielfältige Vorgänge von Aufnahme eines Wirkstoffes bis hin zum letztendlichen Wirkeintritt • klare Trennung von pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Prozessen (Körper/Wirkstoff-Beziehung und Wirkstoff/Körper-Beziehung) • Komplex-Beispiel: Morphin beim Neugeborenen 22