Brexit – Negativ für die Wirtschaft - vbw

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Position
Brexit – Negativ für die Wirtschaft
Stand: Mai 2016
www.vbw-bayern.de
Position – Brexit – Negativ für die Wirtschaft
vbw – Mai 2016
Vorwort
Vorwort
Den Brexit vermeiden – zum Wohle Europas und seiner Wirtschaft
Am 23. Juni 2016 entscheiden die Bürgerinnen und Bürger Großbritanniens und Nordirlands in einer Volksabstimmung über den Verbleib oder Austritt ihres Staates aus der
Europäischen Union. Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. setzt
darauf, dass die Menschen in unserem europäischen Partnerland sich der Vorteile
eines gemeinsamen Europas bewusst sind und für einen Verbleib in der EU votieren.
Der Ausgang des Referendums sendet ein bedeutendes Signal. Sollten sich die
Befürworter des sog. Brexit durchsetzen, hätte dies erhebliche negative Folgen –
politischer und wirtschaftlicher Natur. In erster Linie würde die britische Wirtschaft
Schaden nehmen. Der Außenhandel würde verteuert, die Bedeutung als Investitionsstandort ginge zurück, Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand würden sinken.
Doch auch die EU und ihre Mitgliedsstaaten wären negativ betroffen. Die EU würde
wirtschaftlich erheblich an Gewicht verlieren. Für die EU-Länder würde sich der Handel
mit einem wichtigen Partner verteuern und reduzieren. Deutschland und Bayern wären
in besonderem Maße betroffen. UK ist der drittgrößte Auslandsmarkt für deutsche Produkte, für die bayerische Wirtschaft ist das Vereinigte Königreich sogar der zweitgrößte
Exportmarkt.
Ein Brexit würde aber auch politisch ein fatales Signal setzen und der europäischen
Integration einen herben Rückschlag versetzen. Zudem würde gerade Deutschland
einen wichtigen Partner verlieren, der für eine liberale, marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung steht. Die wirtschaftspolitisch interventionistisch ausgerichteten Kräfte würden
innerhalb der EU an Gewicht gewinnen.
Umgekehrt könnte ein Votum pro EU gerade jetzt, da die europäische Einigung unter
einer großen Belastungsprobe steht, der europäischen Idee neuen Schub geben.
Deshalb setzt die vbw auf die Überzeugungskraft der pro-europäischen Kräfte im
Vereinigten Königreich und auf die rationale Vernunft der Britinnen und Briten, damit
sich am 23. Juni 2016 eine Mehrheit für den Verbleib in der EU ausspricht.
Bertram Brossardt
30. Mai 2016
Position – Brexit – Negativ für die Wirtschaft
vbw – Mai 2016
Inhalt
Inhalt
1
Daten und Fakten ........................................................................................ 1
1.1
Das Vereinigte Königreich in der EU ............................................................. 1
1.2
Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands und Bayerns mit UK ......................... 2
2
Die Folgen eines Brexit .............................................................................. 5
2.1
Politische Folgen........................................................................................... 5
2.2
2.2.1
2.2.2
Wirtschaftliche Folgen ................................................................................... 6
Folgen für das Vereinigte Königreich ............................................................ 6
Folgen für die EU, Deutschland und Bayern ................................................. 8
3
Die Position der vbw ................................................................................. 11
3.1
Ein Brexit schadet der britischen Wirtschaft ................................................ 11
3.2
Ein Brexit schadet der Wirtschaft in der EU................................................. 11
3.3
Ein Brexit schadet auch der deutschen und bayerischen Wirtschaft ........... 12
3.4
Ein Brexit schwächt die liberalen, marktwirtschaftlichen Kräfte in der EU .... 12
3.5
Ein Brexit sendet ein falsches Signal für die europäische Integration .......... 12
Ansprechpartner ......................................................................................................... 13
Position – Brexit – Negativ für die Wirtschaft
vbw – Mai 2016
1
1
Daten und Fakten
Daten und Fakten
Das Vereinigte Königreich ist ein wichtiger Partner Deutschlands und Bayerns
1.1
Das Vereinigte Königreich in der EU
Das Vereinigte Königreich umfasst Großbritannien mit England, Schottland und Wales
sowie Nordirland. Zum Jahresende 2015 lebten dort insgesamt 64,9 Millionen Einwohner. Damit ist UK nach Deutschland und Frankreich der drittgrößte Staat der Europäischen Union (EU) mit einem Bevölkerungsanteil von 12,8 Prozent.
Bezogen auf die Wirtschaftskraft ist das Vereinigte Königreich die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU nach Deutschland. Das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug
im Jahr 2015 2,569 Billionen Euro, das waren 16,7 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der EU.
Abbildung 1
Bevölkerung und Wirtschaftsleistung
Jeweils Anteil an EU insgesamt
D
16,0%
übrige Länder
22,4%
NL
3,3%
Bevölkerung
am 31.12.2015
übrige Länder
16,6%
FRA
13,1%
POL
7,5%
UK
12,8%
ESP
9,1%
ITA
12,0%
POL
2,9%
SWE
3,0%
Bruttoinlandsprodukt
in jeweiligen Preisen,
2015
NL
4,6%
ROM
3,9%
D
20,7%
UK
17,6%
ESP
7,4%
ITA
11,2%
FRA
14,9%
Quelle: EuroStat
Das Vereinigte Königreich ist wirtschaftlich stark in die EU integriert. Rund die Hälfte
des britischen Außenhandels erfolgt innerhalb der EU. Im Jahr 2014 stammten
53 Prozent der Importe des Vereinigten Königreichs aus den anderen EU-Staaten,
48 Prozent der britischen Exporte gingen in Länder der EU.
Auch die Verflechtung über Direktinvestitionen zwischen UK und der EU ist sehr intensiv. Knapp 48 Prozent des Bestands an ausländischen Direktinvestitionen im Jahr
2014 kam aus Staaten der EU. Umgekehrt befinden sich fast 40 Prozent der britischen
Auslandsinvestitionen in den anderen EU-Mitgliedsstaaten.
2
1.2
Daten und Fakten
Position – Brexit – Negativ für die Wirtschaft
vbw – Mai 2016
Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands und Bayerns mit UK
Das Vereinigte Königreich ist ein bedeutender Handelspartner Deutschlands. Im Jahr
2015 exportierten deutsche Unternehmen Waren im Wert von 89,3 Milliarden Euro
nach UK, das waren 7,5 Prozent der gesamten deutschen Ausfuhren. UK rangiert damit auf Platz 3 der größten Exportmärkte Deutschlands hinter den USA und Frankreich.
Die deutschen Importe aus dem Vereinigten Königreich summierten sich 2015 auf 38,2
Milliarden Euro. Mit einem Anteil von 4,0 Prozent an den Importen ist UK damit auf
Rang 9 platziert.
Auch für den bayerischen Außenhandel spielt das Vereinigte Königreich eine wichtige
Rolle. Die Exporte des Freistaats nach UK lagen 2015 bei 15,5 Milliarden Euro, das
waren 8,6 Prozent der Gesamtausfuhren des Freistaats. Das Vereinigte Königreich
überholte im vergangenen Jahr Österreich und China und ist nun nach den USA der
zweitgrößte Exportmarkt Bayerns. Die bayerischen Einfuhren aus UK betrugen 5,6
Milliarden Euro, das waren 3,5 Prozent der Gesamtimporte, UK rangiert damit auf Platz
10 der wichtigsten Lieferländer.
Tabelle 1
Die TOP-10 der Export- und Importmärkte Bayerns, 2015
USA
Exporte
in Mrd.€
22,782
Anteil an
Gesamtexporten
12,7%
Österreich
Importe
in Mrd.€
14,791
Anteil an
Gesamtimporten
9,2%
UK
15,457
8,6%
China
14,780
9,2%
China
14,443
8,1%
USA
12,067
7,5%
Österreich
13,830
7,7%
Tschechien
11,457
7,1%
Frankreich
12,175
6,8%
Italien
10,535
6,5%
Italien
10,860
6,1%
Polen
8,759
5,4%
Niederlande
6,110
3,4%
Niederlande
8,550
5,3%
Tschechien
5,979
3,3%
Ungarn
8,489
5,3%
Polen
5,936
3,3%
Frankreich
6,302
3,9%
Schweiz
5,234
2,9%
UK
5,580
3,5%
Quelle: Bay. Landesamt für Statistik.
Sowohl Deutschland als auch Bayern weisen somit einen hohen Exportüberschuss
gegenüber dem Vereinigten Königreich auf. Bundesweit übertrafen die Exporte die
Importe um das 2,3-fache, die bayerischen Ausfuhren nach UK sind sogar fast drei Mal
so hoch wie die Importe von dort.
Über die Hälfte der Ausfuhren Bayerns nach Großbritannien und Nordirland waren im
vergangenen Jahr Kraftwagen und Kraftwagenteile. Für die Automobilindustrie ist UK
der zweitgrößte Exportmarkt. Maschinen machten knapp zehn Prozent der Exporte
nach UK aus, DV-Geräte, elektronische und optische Erzeugnisse gut sieben Prozent.
Position – Brexit – Negativ für die Wirtschaft
vbw – Mai 2016
Daten und Fakten
3
Bei den Importen aus dem Vereinigten Königreich liegen DV-Geräte, elektronische und
optische Geräte mit einem Anteil von 17 Prozent an den Gesamteinfuhren aus UK sowie Kraftwagen und Kraftwagenteile mit knapp 16 Prozent an vorderster Stelle. Elf
Prozent der Importe aus UK sind chemische Produkte. Eine besondere Rolle spielt das
Vereinigte Königreich beim Import von Kohle. Der Freistaat importierte 2015 aus UK
Kohle im Wert von 30 Millionen Euro. Das sind zwar nur 0,5 Prozent der gesamten
Einfuhren aus UK, aber 29 Prozent der gesamten Kohleimporte.
Das Vereinigte Königreich ist auch ein wichtiger Investitionsstandort für deutsche und
bayerische Unternehmen. 11,3 Prozent des Bestands an Direktinvestitionen deutscher
Firmen im Ausland befinden sich in Großbritannien und Nordirland. Vom Direktinvestitionsbestand der bayerischen Unternehmen entfallen 10,3 Prozent auf UK. Umgekehrt
investieren auch britische Unternehmen stark in Bayern. 9,7 Prozent der ausländischen
Direktinvestitionen im Freistaat stammen aus dem Vereinigten Königreich. Der entsprechende Anteil in Deutschland liegt bei 8,1 Prozent. Das bedeutet zugleich, dass
ein knappes Fünftel der britischen Direktinvestitionen in Deutschland in Bayern getätigt
wurden.
Position – Brexit – Negativ für die Wirtschaft
vbw – Mai 2016
2
Die Folgen eines Brexit
5
Die Folgen eines Brexit
Ein Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU schadet nicht nur der britischen
Wirtschaft
2.1
Politische Folgen
Welchen Status das Vereinigte Königreich im Falle des Brexit gegenüber der EU haben würde, ist derzeit unklar. Sollten sich die Briten im Referendum mehrheitlich für
einen Austritt aus der EU aussprechen, hätten UK und EU laut EU-Verträgen zwei Jahre Zeit, die künftigen Beziehungen zwischen beiden Wirtschaftsräumen zu verhandeln.
Grundsätzlich sind folgende Lösungen denkbar:
– Das UK bleibt Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Der EWR ist
eine sog. vertiefte Freihandelszone, die einerseits die EU und andererseits die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) mit Ausnahme der Schweiz erfasst. Im
EWR gelten wie in der EU die vier Grundfreiheiten des Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs. Das Vereinigte Königreich bliebe somit weiterhin ein
Teil des europäischen Binnenmarkts. Allerdings müsste das UK einen finanziellen
Beitrag an den EU-Haushalt leisten und auch weiterhin den Großteil der EU-Regeln
einhalten, ohne jedoch zugleich ein Mitentscheidungsrecht zu besitzen. Das UK hätte dann den Status wie Norwegen, Island und Liechtenstein.
– Das UK bekommt einen zur Schweiz vergleichbaren Status. Die Schweiz ist zwar
Mitglied der EFTA, nicht jedoch des EWR. Im Falle eines solchen Status hätte das
Vereinigte Königreich zwar Zugang zum europäischen Binnenmarkt für Güter, nicht
jedoch für die aus britischer Sicht wichtigen Finanzdienstleistungen. Außerdem würden nicht-tarifäre Handelshemmnisse existieren.
– Das UK bildet mit der EU eine Zollunion, so wie sie heute bereits zwischen der EU
und der Türkei besteht. Auch in diesem Fall entfallen zwar Zölle auf den Warenhandel, nicht-tarifäre Handelshemmnisse bleiben aber bestehen. Zudem bezieht sich
eine Zollunion in der Regel nur auf den Warenverkehr, die (Finanz-)Dienstleistungen
würden auch in diesem Fall vermutlich nicht berücksichtigt.
– Die EU und das Vereinigte Königreich verhandeln ein bilaterales, maßgeschneidertes Handelsabkommen. Je tiefer die wirtschaftliche Integration zwischen beiden
Wirtschaftsräumen in einem solchen Abkommen ausfiele, umso höher wären aber
wohl die von der EU geforderten Gegenleistungen. Ansonsten wäre dies für andere
Mitgliedsstaaten ein Signal, ebenfalls aus der Union auszutreten.
– Ohne eine spezielle Regelung müsste das UK seine Handelsbeziehungen mit der
EU als normales Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) gestalten.
6
Die Folgen eines Brexit
Position – Brexit – Negativ für die Wirtschaft
vbw – Mai 2016
Außer den unmittelbaren Handelsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich
und der EU müssten im Falle eines Brexit auch die Beziehungen des UK zu den Ländern und Wirtschaftsräumen geklärt werden, die ein Handelsabkommen mit der EU
abgeschlossen haben. Die EU hat derzeit mit 52 Ländern Handelsabkommen vereinbart, mit weiteren 72 Ländern laufen Verhandlungen. Als Nicht-EU-Mitglied würden
diese Abkommen für das UK nicht mehr gelten.
2.2
Wirtschaftliche Folgen
Bereits jetzt belastet die Unsicherheit über den Ausgang des Referendums die Märkte
in Europa. Im Falle der Zustimmung für einen Austritt aus der EU würde diese Verunsicherung für den Zeitraum der Verhandlungen nochmals massiv steigen. Der Internationale Währungsfonds warnt, dass ein Brexit „schwerwiegenden regionalen und globalen
Schaden anrichten“ könne.
Die mittel- und langfristigen Folgen eines Austritts des Vereinigten Königreichs aus der
EU hängen wesentlich vom künftigen Status des UK ab. In praktisch allen vorliegenden
Studien und Untersuchungen herrscht aber Einigkeit, dass ein Brexit negative wirtschaftliche Folgen hätte – wobei das UK deutlich stärker betroffen wäre als die anderen EU-Staaten. Je schwächer die Integration Großbritanniens und Nordirlands in der
EU-Wirtschaft künftig sein wird, desto größer sind die wirtschaftlichen Einbußen.
Die Wirtschaft spricht sich klar gegen einen Brexit aus. In einer Umfrage der Economist
Intelligence Unit unter britischen und deutschen Unternehmen plädierten knapp 80
Prozent der Befragten für den Verbleib des UK in der EU. 42 Prozent der Unternehmen
erwarten, dass das Beschäftigungsniveau drei Jahre nach einem Brexit geringer wäre
als aktuell, nur 13 Prozent rechnen mit einem höheren Beschäftigungsniveau. Auch die
Folgen des Brexit auf das eigene Unternehmen werden per Saldo negativ gesehen.
Ein knappes Drittel der Firmen rechnet mit negativen Auswirkungen auf Umsatz, Investitionen und Beschäftigung, 15 Prozent hoffen auf positive Impulse. Zudem planen über
28 Prozent der befragten Unternehmen, innerhalb von drei Jahren nach einem Brexit
ihre Kapazitäten im UK zu verringern bzw. zu verlagern. Zehn Prozent können sich
eine Erhöhung der Kapazitäten im Vereinigten Königreich vorstellen.
Auch die Gewerkschaften warnen vor den Folgen eines Brexit. Der größte britische
Gewerkschaftsverband TUC (Trades Union Congress) sieht beim Ausscheiden des
Vereinigten Königreichs aus der EU vier Millionen Jobs in Gefahr.
2.2.1
Folgen für das Vereinigte Königreich
Der Austritt des UK aus der EU würde den britischen Außenhandel verteuern. Selbst
im Falle eines weiteren Zugangs zum europäischen Binnenmarkt würden die nichttarifären Handelshemmnisse zunehmen. Im schlechtesten Fall würden im Handel zwischen dem UK und der EU sogar wieder Zölle anfallen. Auf Basis von WTO-Daten hat
der europäische Think-Tank Bruegel einen künftigen durchschnittlichen Zollsatz von
Position – Brexit – Negativ für die Wirtschaft
vbw – Mai 2016
Die Folgen eines Brexit
7
3,2 Prozent auf britische Exportgüter errechnet. Das wären Kosten von rund sechs
Milliarden Euro pro Jahr. Durch die Verteuerung würde die Exportentwicklung gebremst.
Auch die britischen Importe würden sich infolge der zunehmenden Handelsrestriktionen verteuern. Sowohl die Exportrückgänge als auch die steigende Inflation würden
das britische Wirtschaftswachstum beeinträchtigen. Nach einer Studie des ifo-Instituts
im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung wären vor allem die Chemische Industrie, der Maschinenbau, der Fahrzeugbau sowie die Finanzbranche betroffen.
Nicht nur der britische Außenhandel mit der EU würde beeinträchtigt, sondern auch der
Handel mit den Ländern, mit denen die EU ein Handelsabkommen abgeschlossen hat.
Als Nicht-EU-Mitglied würden diese Abkommen für das vereinigte Königreich nicht
mehr gelten. Derzeit entfallen rund 35 Prozent des britischen Außenhandels auf solche
Länder. Zusammen mit den knapp 50 Prozent des Handels, der mit der EU stattfindet,
würde ein Brexit also rund 85 Prozent des britischen Außenhandels verteuern und erschweren.
Außer dem unmittelbaren Handelseffekt wären noch weitere negative Auswirkungen zu
erwarten. Die Attraktivität des Vereinigten Königreichs als Investitionsstandorts würde
ohne Zugang zum EU-Binnenmarkt deutlich nachlassen. Verlagerungen von Standorten und Arbeitsplätzen auf den europäischen Kontinent wären zu erwarten, insbesondere in der für UK so wichtigen Finanzbranche. Die schwächere Integration in die europäische Wirtschaft und in den internationalen Handel würde den Wettbewerbsdruck
für die britische Wirtschaft verringern. Dies hätte eine nachlassende Investitions- und
Innovationstätigkeit der Unternehmen zur Folge.
Ein positiver Effekt des Brexit für die britische Wirtschaft wäre der Wegfall der jährlichen Zahlungen an den EU-Haushalt. UK ist ein Nettozahler, der Beitrag schwankte in
den vergangenen Jahren zwischen sieben und zehn Milliarden Euro bzw. zwischen 0,3
und 0,5 Prozent des britischen BIP. Ob dieser Beitrag komplett wegfällt, hängt davon
ab, welchen Status das Vereinigte Königreich gegenüber der EU künftig innehat.
Es liegen mittlerweile zahlreiche Studien über die Folgen eines Brexit für die britische
Wirtschaft vor. Die meisten Studien analysieren dabei verschiedene Szenarien des
künftigen Status des Vereinigten Königreichs gegenüber der EU. In praktisch allen
Szenarien ergeben sich für den Fall des Brexit negative Effekte in Form eines geringeren Pro-Kopf-Einkommens im Vergleich zum Verblieb des Vereinigten Königreichs in
der EU. Lediglich Oxford Economics kommt in einem von elf Szenarien zu einem leicht
positiven Effekt. Hier ist der unwahrscheinliche Fall unterstellt, dass die wirtschaftliche
Integration Großbritanniens und Nordirlands in der EU nahezu unverändert bleibt,
gleichzeitig aber die Beitragszahlungen an den EU-Haushalt wegfallen. Eine Übersicht
über die quantitativen Ergebnisse der vorliegenden Studien sind in Tabelle 2 auf Seite
8 dargestellt.
8
Die Folgen eines Brexit
Position – Brexit – Negativ für die Wirtschaft
vbw – Mai 2016
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat eine Meta-Studie veröffentlicht, die
die vorliegenden Untersuchungen analysiert. Darin kommt das IW zu der Ansicht, dass
die negativen Folgen in vielen Studien unterschätzt werden, da die faktische Verflechtung des Vereinigten Königreichs mit der EU unzureichend abgebildet wird. Die IWForscher halten eine Wachstumseinbuße für UK von bis zu zehn Prozent für möglich.
Tabelle 2
Wirtschaftliche Folgen eines Brexit für das Vereinigte Königreich
Übersicht über die Ergebnisse vorliegender Studien; dargestellt ist die Abweichung im
Fall eines Brexit im Vergleich zum Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU
Quelle
Größe
Best case
Worst case
-0,6%
-2%
-3,0%
-14%
ifo Institut, Bertelsmann Stiftung
- statische Betrachtung
- inkl. dynamischer Folgeeffekte
BIP pro Kopf
im Jahr 2030
Centre for Economic Performance an
der London School of Economics
Einkommen
pro Haushalt,
p.a.
-937,- €
-8.955,-€
PwC / CBI (Confederation of British
Industry)
Einkommen
pro Haushalt,
p.a.
758,- €
5.097,- €
Oxford Economics
Einkommen
pro Haushalt,
p.a.
+96,- €
-2.618,- €
OECD
Einkommen
pro Haushalt,
im Jahr 2020
Verlust in Höhe eines
Monatsgehalts
Britisches Finanzministerium
Einkommen
pro Haushalt,
p.a.
5.924,- €
Quellen: o.g. Institute; die Umrechnung in Euro erfolgte auf Basis des Referenzkurses der EZB im Jahresdurchschnitt 2015
Das Britische Finanzministerium hat eine weitere Studie vorgelegt, wonach im Falle
eines Brexit innerhalb von zwei Jahren 400.000 bis 800.000 Arbeitsplätze im Vereinigten Königreich verloren gingen.
Position – Brexit – Negativ für die Wirtschaft
vbw – Mai 2016
2.2.2
Die Folgen eines Brexit
9
Folgen für die EU, Deutschland und Bayern
Ein Brexit hätte nicht nur für das Vereinigte Königreich, sondern auch für die anderen
EU-Staaten negative wirtschaftliche Auswirkungen. Zum einen, weil sich ihre Exporte
und Importe mit einem wichtigen Handelspartner verteuern würden, zum anderen, weil
die schwächere Wirtschaftsleistung in UK zu einer geringeren Nachfrage nach Importen, also Exporten der anderen EU-Länder führt. Im Schnitt exportieren die EUMitglieder rund sechs Prozent ihrer Gesamtausfuhren in das Vereinigte Königreich.
Eine zusätzliche Belastung würden die übrigen EU-Mitgliedsstaaten erfahren, weil mit
dem Vereinigten Königreich ein Nettozahler aus der EU ausscheiden würde und die
anderen Länder die fehlenden Haushaltsmittel kompensieren müssten.
Das ifo-Institut beziffert in seiner Studie die Einbußen des Pro-Kopf-Einkommens in der
EU-27 (ohne UK) im Jahr 2030 auf 0,06 bis 0,25 Prozent – je nach Szenario des
Brexit. Die deutsche Wirtschaft wäre überdurchschnittlich betroffen, hier lägen die ProKopf-Einkommensverluste bei 0,08 bis 0,33 Prozent. Werden die dynamischen
Folgeeffekte zusätzlich berücksichtig, so steigen die Einbußen für Deutschland auf 0,3
bis zwei Prozent des BIP pro Kopf. Auf Branchenebene wären in Deutschland vor allem die Automobilindustrie, die Elektronikindustrie, die Metallerzeugung und die Lebensmittelbranche am stärksten betroffen. Da das Vereinigte Königreichs für Bayern –
zumindest, was den Export angeht – eine noch größere Bedeutung hat, wären im Freistaat die negativen Folgen eines Brexit wohl auch noch etwas größer. Zumal mit der
Automobilindustrie und dem Ernährungsgewerbe zwei Branchen im Freistaat ein überdurchschnittliches Gewicht haben, die besonders negativ betroffen wären.
Zudem müsste Deutschland den größten Teil der ausfallenden Beitragszahlungen des
UK an den EU-Aushalt kompensieren. Für den Fall, dass die Beiträge des Vereinigten
Königreichs komplett wegfielen, kämen auf Deutschland nach aktuellem Stand zusätzliche Beiträge von jährlich 2,5 Milliarden Euro zu. Das wäre ein Plus von gut 15 Prozent. Frankreich müsste zusätzliche 1,9 Milliarden zahlen, Italien 1,4 Milliarden.
Position – Brexit – Negativ für die Wirtschaft
vbw – Mai 2016
3
Die Position der vbw
11
Die Position der vbw
Die britische Bevölkerung für einen Verbleib in der EU überzeugen
Ein Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union hätte erhebliche negative Folgen – sowohl wirtschaftlicher als auch politischer Natur. Die vbw
– Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. setzt daher darauf, dass die Bevölkerung Großbritanniens und Nordirlands sich im Referendum am 23. Juni für einen Verbleib in der EU ausspricht. Alle Verantwortlichen in UK und in Europa sind aufgefordert,
die Vorteile eines gemeinsamen und wirtschaftlich integrierten Europas aufzuzeigen
und die Nachteile eines Brexit deutlich zu machen, um somit für ein Votum pro EUMitgliedschaft zu werben. Das Vereinigte Königreich braucht Europa und Europa
braucht das Vereinigte Königreich.
3.1
Ein Brexit schadet der britischen Wirtschaft
Ein Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU würde Wachstum, Einkommen und Beschäftigung im Land schwächen. Dies zeigen alle vorliegenden Studien. Je
weiter sich UK von der EU faktisch lösen würde, umso größer wäre der Schaden für
Wachstum und Wohlstand. Der Außenhandel des Vereinigten Königreichs würde sich
verteuern, die Integration in den Welthandel ginge zurück. Ohne Zugehörigkeit zum
europäischen Binnenmarkt würde die Attraktivität des Vereinigten Königreichs als Investitionsstandort sinken. Die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der britischen
Wirtschaft würde zurückgehen.
Die finanziellen Einsparungen durch die wegfallenden Beiträge zum Haushalt der EU
könnten die ökonomischen Nachteile bei Weitem nicht wettmachen.
3.2
Ein Brexit schadet der Wirtschaft in der EU
Auch die EU und ihre verbleibenden Mitgliedsstaaten würden im Falle eines Brexit
wirtschaftlichen Schaden nehmen. Das Vereinigte Königreich ist ein wichtiger Handelspartner für die meisten EU-Länder, vor allem für die westeuropäischen Volkswirtschaften. Der Handel mit Großbritannien und Nordirland würde sich nach einem Brexit
verteuern, zudem wird das verlangsamte Wachstum in UK die Nachfrage nach Exportgütern dämpfen.
Bei einem Ausscheiden der zweitgrößten Volkswirtschaft würde die EU global erheblich an Gewicht verlieren. Der europäische Binnenmarkt würde 65 Millionen Einwohner
verlieren, wodurch die Attraktivität der EU als Investitionsstandort und als Partner für
Handelsabkommen abnimmt.
12
3.3
Die Position der vbw
Position – Brexit – Negativ für die Wirtschaft
vbw – Mai 2016
Ein Brexit schadet auch der deutschen und bayerischen Wirtschaft
Deutschland und Bayern wären von einem Brexit überdurchschnittlich stark betroffen.
Für Deutschland ist UK der viertgrößte Exportmarkt, 7,5 Prozent der Ausfuhren fließen
dorthin. Für Bayern ist es sogar der zweitgrößte Auslandsmarkt, der Anteil an den Gesamtausfuhren liegt bei 8,6 Prozent. Sowohl Deutschland als auch Bayern weisen einen hohen Exportüberschuss gegenüber dem UK auf. Besonders betroffen wären nach
den vorliegenden Studien unter anderem der Fahrzeugbau und die Lebensmittelindustrie. Diese Branchen haben für den Freistaat eine besondere Bedeutung.
Die bayerischen und deutschen Unternehmen sind auch über Kapitalströme eng mit
der britischen Wirtschaft vernetzt. Jede zehnte ausländische Direktinvestition bayerischer Unternehmen findet im UK statt, umgekehrt wurden auch zehn Prozent der Auslandsinvestitionen in Bayern von britischen Investoren getätigt. Im Falle eines Brexit
würden diese Wertschöpfungsketten gefährdet.
3.4
Ein Brexit schwächt die liberalen, marktwirtschaftlichen Kräfte in der EU
Das Vereinigte Königreich steht für eine liberale, marktwirtschaftlich ausgerichtete
Ordnungspolitik. Im Vergleich zu Frankreich oder vielen südeuropäischen Staaten steht
das Vereinigte Königreich lenkenden Eingriffen des Staates in das Wirtschaftsgeschehen deutlich skeptischer gegenüber. Mit einem Ausscheiden UKs würde die EU eine
wichtige freihändlerische Stimme verlieren, der Abbau von Subventionen, Wettbewerbsbeschränkungen und anderer protektionistischen Maßnahmen in Europa würde
erschwert.
Insbesondere Deutschland würde bei Abstimmungen einen bedeutsamen Partner verlieren, ohne den es erheblich schwerer wird, die sog. Sperrminorität z.B. zum Verhindern von Handels- oder Wettbewerbsbeschränkungen zu erreichen.
3.5
Ein Brexit sendet ein falsches Signal für die europäische Integration
Der Austritt des Vereinigten Königreichs würde der europäischen Integration einen
großen Rückschlag versetzen. Gerade in der aktuellen Phase, in der das gemeinsame
europäische Projekt unter Druck steht, würde das Ausscheiden noch dazu eines so
großen Landes ein fatales Signal setzen. In vielen Mitgliedsstaaten gibt es inzwischen
nicht unbedeutende europakritische Kräfte, die im Falle eines Brexit zusätzlich Auftrieb
bekämen.
Letztlich stünde die gesamte europäische Idee inklusive der Währungsunion in Gefahr.
Dies hätte nicht nur politische, sondern auch wirtschaftlich gravierende negative Folgen. Der gemeinsame Binnenmarkt von 28 Ländern sowie der 19 Staaten umfassende
gemeinsame Währungsraum hat Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand in den europäischen Staaten spürbar erhöht. Diese Erfolge würden durch einen Brexit aufs Spiel
gesetzt.
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Herausgeber:
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Vereinigung der Bayerischen
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