Position Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft Stand: Juni 2016 www.vbw-bayern.de Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 Vorwort Vorwort Den Brexit schadet Europa und seiner Wirtschaft Die Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs haben sich für den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union entschieden. Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. bedauert diese Entscheidung. Der so genannte Brexit setzt ein fatales Signal für Europa. Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs wird erhebliche negative Folgen haben – politischer und wirtschaftlicher Natur. In erster Linie wird die britische Wirtschaft Schaden nehmen. Der Außenhandel wird verteuert, die Bedeutung als Investitionsstandort geht zurück, Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand werden sinken. Doch auch die EU und ihre Mitgliedsstaaten sind negativ betroffen. Die EU verliert wirtschaftlich erheblich an Gewicht. Für die EU-Länder wird sich der Handel mit einem wichtigen Partner verteuern und reduzieren. Deutschland und Bayern sind in besonderem Maße betroffen. UK ist der drittgrößte Auslandsmarkt für deutsche Produkte, für die bayerische Wirtschaft ist das Vereinigte Königreich sogar der zweitgrößte Exportmarkt. Der Brexit setzt aber auch politisch ein fatales Signal und versetzt der europäischen Integration einen herben Rückschlag. Gerade Deutschland verliert einen wichtigen Partner, der für eine liberale, marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung steht. Die wirtschaftspolitisch interventionistisch ausgerichteten Kräfte innerhalb der EU gewinnen an Gewicht. Der 23. Juni 2016 ist ein schwarzer Tag für Europa und hinterlässt nur Verlierer. Nun geht es darum, in den Verhandlungen zu einer Lösung zu kommen, die die negativen Folgen des Brexit begrenzt. Zudem muss die EU ihre Lehren aus diesem Votum ziehen und die Ursachen für die Austritts-Entscheidung bekämpfen. Nur so kann ein Domino-Effekt weiterer Austritts-Bestrebungen vermieden werden. Bertram Brossardt 24. Juni 2016 Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ die Wirtschaft vbw – Juni 2016 Inhalt Inhalt 1 Daten und Fakten ........................................................................................ 1 1.1 Das Vereinigte Königreich in der EU ............................................................. 1 1.2 Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands und Bayerns mit UK ......................... 2 2 Die Folgen eines Brexit .............................................................................. 5 2.1 Politische Folgen........................................................................................... 5 2.2 2.2.1 2.2.2 Wirtschaftliche Folgen ................................................................................... 6 Folgen für das Vereinigte Königreich ............................................................ 6 Folgen für die EU, Deutschland und Bayern ................................................. 9 3 Die Position der vbw ................................................................................. 11 3.1 Der Brexit schadet der britischen Wirtschaft................................................ 11 3.2 Der Brexit schadet der Wirtschaft in der EU ................................................ 11 3.3 Der Brexit schadet auch der deutschen und bayerischen Wirtschaft ........... 11 3.4 Der Brexit schwächt die liberalen, marktwirtschaftlichen Kräfte in der EU ... 12 3.5 Der Brexit sendet ein falsches Signal für die europäische Integration ......... 12 3.6 Der Brexit muss der Anstoß zu grundlegenden Reformen der EU sein ....... 13 Ansprechpartner ......................................................................................................... 15 Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 1 1 Daten und Fakten Daten und Fakten Das Vereinigte Königreich ist ein wichtiger Partner Deutschlands und Bayerns 1.1 Das Vereinigte Königreich in der EU Das Vereinigte Königreich umfasst Großbritannien mit England, Schottland und Wales sowie Nordirland. Zum Jahresende 2015 lebten dort insgesamt 64,9 Millionen Einwohner. Damit ist UK nach Deutschland und Frankreich der drittgrößte Staat der Europäischen Union (EU) mit einem Bevölkerungsanteil von 12,8 Prozent. Bezogen auf die Wirtschaftskraft ist das Vereinigte Königreich die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU nach Deutschland. Das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug im Jahr 2015 2,569 Billionen Euro, das waren 16,7 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der EU. Abbildung 1 Bevölkerung und Wirtschaftsleistung Jeweils Anteil an EU insgesamt D 16,0% übrige Länder 22,4% NL 3,3% Bevölkerung am 31.12.2015 übrige Länder 16,6% FRA 13,1% POL 7,5% UK 12,8% ESP 9,1% ITA 12,0% POL 2,9% SWE 3,0% Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen, 2015 NL 4,6% ROM 3,9% D 20,7% UK 17,6% ESP 7,4% ITA 11,2% FRA 14,9% Quelle: EuroStat Das Vereinigte Königreich ist wirtschaftlich stark in die EU integriert. Rund die Hälfte des britischen Außenhandels erfolgt innerhalb der EU. Im Jahr 2014 stammten 53 Prozent der Importe des Vereinigten Königreichs aus den anderen EU-Staaten, 48 Prozent der britischen Exporte gingen in Länder der EU. Auch die Verflechtung über Direktinvestitionen zwischen UK und der EU ist sehr intensiv. Knapp 48 Prozent des Bestands an ausländischen Direktinvestitionen im Jahr 2014 kam aus Staaten der EU. Umgekehrt befinden sich fast 40 Prozent der britischen Auslandsinvestitionen in den anderen EU-Mitgliedsstaaten. 2 1.2 Daten und Fakten Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands und Bayerns mit UK Das Vereinigte Königreich ist ein bedeutender Handelspartner Deutschlands. Im Jahr 2015 exportierten deutsche Unternehmen Waren im Wert von 89,3 Milliarden Euro nach UK, das waren 7,5 Prozent der gesamten deutschen Ausfuhren. UK rangiert damit auf Platz 3 der größten Exportmärkte Deutschlands hinter den USA und Frankreich. Die deutschen Importe aus dem Vereinigten Königreich summierten sich 2015 auf 38,2 Milliarden Euro. Mit einem Anteil von 4,0 Prozent an den Importen ist UK damit auf Rang 9 platziert. Auch für den bayerischen Außenhandel spielt das Vereinigte Königreich eine wichtige Rolle. Die Exporte des Freistaats nach UK lagen 2015 bei 15,5 Milliarden Euro, das waren 8,6 Prozent der Gesamtausfuhren des Freistaats. Das Vereinigte Königreich überholte im vergangenen Jahr Österreich und China und ist nun nach den USA der zweitgrößte Exportmarkt Bayerns. Die bayerischen Einfuhren aus UK betrugen 5,6 Milliarden Euro, das waren 3,5 Prozent der Gesamtimporte, UK rangiert damit auf Platz 10 der wichtigsten Lieferländer. Tabelle 1 Die TOP-10 der Export- und Importmärkte Bayerns, 2015 USA Exporte in Mrd.€ 22,782 Anteil an Gesamtexporten 12,7% Österreich Importe in Mrd.€ 14,791 Anteil an Gesamtimporten 9,2% UK 15,457 8,6% China 14,780 9,2% China 14,443 8,1% USA 12,067 7,5% Österreich 13,830 7,7% Tschechien 11,457 7,1% Frankreich 12,175 6,8% Italien 10,535 6,5% Italien 10,860 6,1% Polen 8,759 5,4% Niederlande 6,110 3,4% Niederlande 8,550 5,3% Tschechien 5,979 3,3% Ungarn 8,489 5,3% Polen 5,936 3,3% Frankreich 6,302 3,9% Schweiz 5,234 2,9% UK 5,580 3,5% Quelle: Bay. Landesamt für Statistik. Sowohl Deutschland als auch Bayern weisen somit einen hohen Exportüberschuss gegenüber dem Vereinigten Königreich auf. Bundesweit übertrafen die Exporte die Importe um das 2,3-fache, die bayerischen Ausfuhren nach UK sind sogar fast drei Mal so hoch wie die Importe von dort. Über die Hälfte der Ausfuhren Bayerns nach Großbritannien und Nordirland waren im vergangenen Jahr Kraftwagen und Kraftwagenteile. Für die Automobilindustrie ist UK der zweitgrößte Exportmarkt. Maschinen machten knapp zehn Prozent der Exporte nach UK aus, DV-Geräte, elektronische und optische Erzeugnisse gut sieben Prozent. Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 Daten und Fakten 3 Bei den Importen aus dem Vereinigten Königreich liegen DV-Geräte, elektronische und optische Geräte mit einem Anteil von 17 Prozent an den Gesamteinfuhren aus UK sowie Kraftwagen und Kraftwagenteile mit knapp 16 Prozent an vorderster Stelle. Elf Prozent der Importe aus UK sind chemische Produkte. Eine besondere Rolle spielt das Vereinigte Königreich beim Import von Kohle. Der Freistaat importierte 2015 aus UK Kohle im Wert von 30 Millionen Euro. Das sind zwar nur 0,5 Prozent der gesamten Einfuhren aus UK, aber 29 Prozent der gesamten Kohleimporte. Das Vereinigte Königreich ist auch ein wichtiger Investitionsstandort für deutsche und bayerische Unternehmen. 11,3 Prozent des Bestands an Direktinvestitionen deutscher Firmen im Ausland befinden sich in Großbritannien und Nordirland. Vom Direktinvestitionsbestand der bayerischen Unternehmen entfallen 10,3 Prozent auf UK. Umgekehrt investieren auch britische Unternehmen stark in Bayern. 9,7 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen im Freistaat stammen aus dem Vereinigten Königreich. Der entsprechende Anteil in Deutschland liegt bei 8,1 Prozent. Das bedeutet zugleich, dass ein knappes Fünftel der britischen Direktinvestitionen in Deutschland in Bayern getätigt wurden. Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 2 Die Folgen des Brexit 5 Die Folgen des Brexit Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU schadet nicht nur der britischen Wirtschaft 2.1 Politische Folgen Welchen Status das Vereinigte Königreich künftig gegenüber der EU haben würde, ist noch unklar. UK und EU haben laut EU-Verträgen nun zwei Jahre Zeit, die künftigen Beziehungen zwischen beiden Wirtschaftsräumen zu verhandeln. Beide Seiten können sich aber auch auf einen längeren Verhandlungszeitraum einigen. Grundsätzlich sind folgende Lösungen denkbar: – Das UK bleibt Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Der EWR ist eine sog. vertiefte Freihandelszone, die einerseits die EU und andererseits die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) mit Ausnahme der Schweiz erfasst. Im EWR gelten wie in der EU die vier Grundfreiheiten des Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs. Das Vereinigte Königreich bliebe somit weiterhin ein Teil des europäischen Binnenmarkts. Allerdings müsste das UK einen finanziellen Beitrag an den EU-Haushalt leisten und auch weiterhin den Großteil der EU-Regeln einhalten, ohne jedoch zugleich ein Mitentscheidungsrecht zu besitzen. Das UK hätte dann den Status wie Norwegen, Island und Liechtenstein. – Das UK bekommt einen zur Schweiz vergleichbaren Status. Die Schweiz ist zwar Mitglied der EFTA, nicht jedoch des EWR. Im Falle eines solchen Status hätte das Vereinigte Königreich zwar Zugang zum europäischen Binnenmarkt für Güter, nicht jedoch für die aus britischer Sicht wichtigen Finanzdienstleistungen. Außerdem würden nicht-tarifäre Handelshemmnisse existieren. – Das UK bildet mit der EU eine Zollunion, so wie sie heute bereits zwischen der EU und der Türkei besteht. Auch in diesem Fall entfallen zwar Zölle auf den Warenhandel, nicht-tarifäre Handelshemmnisse bleiben aber bestehen. Zudem bezieht sich eine Zollunion in der Regel nur auf den Warenverkehr, die (Finanz-)Dienstleistungen würden auch in diesem Fall vermutlich nicht berücksichtigt. – Die EU und das Vereinigte Königreich verhandeln ein bilaterales, maßgeschneidertes Handelsabkommen. Je tiefer die wirtschaftliche Integration zwischen beiden Wirtschaftsräumen in einem solchen Abkommen ausfiele, umso höher wären aber wohl die von der EU geforderten Gegenleistungen. Ansonsten wäre dies für andere Mitgliedsstaaten ein Signal, ebenfalls aus der Union auszutreten. – Ohne eine spezielle Regelung müsste das UK seine Handelsbeziehungen mit der EU als normales Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) gestalten. 6 Die Folgen des Brexit Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 Außer den unmittelbaren Handelsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU müssten im Falle eines Brexit auch die Beziehungen des UK zu den Ländern und Wirtschaftsräumen geklärt werden, die ein Handelsabkommen mit der EU abgeschlossen haben. Die EU hat derzeit mit 52 Ländern Handelsabkommen vereinbart, mit weiteren 72 Ländern laufen Verhandlungen. Als Nicht-EU-Mitglied würden diese Abkommen für das UK nicht mehr gelten. 2.2 Wirtschaftliche Folgen Das Votum für einen Austritt aus der EU hat zu einer erheblichen Unsicherheit geführt, die für den Zeitraum der Verhandlungen anhalten wird. Der Internationale Währungsfonds hatte gewarnt, dass ein Brexit „schwerwiegenden regionalen und globalen Schaden anrichten“ könne. Die mittel- und langfristigen Folgen eines Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU hängen wesentlich vom künftigen Status des UK ab. In praktisch allen vorliegenden Studien und Untersuchungen herrscht aber Einigkeit, dass ein Brexit negative wirtschaftliche Folgen haben wird – wobei das UK deutlich stärker betroffen sein wird als die anderen EU-Staaten. Je schwächer die Integration Großbritanniens und Nordirlands in der EU-Wirtschaft künftig sein wird, desto größer sind die wirtschaftlichen Einbußen. Die Wirtschaft hatte sich im Vorfeld des Referendums klar gegen einen Brexit ausgesprochen. In einer Umfrage der Economist Intelligence Unit unter britischen und deutschen Unternehmen plädierten knapp 80 Prozent der Befragten für den Verbleib des UK in der EU. 42 Prozent der Unternehmen erwarten, dass das Beschäftigungsniveau drei Jahre nach einem Brexit geringer wäre als aktuell, nur 13 Prozent rechnen mit einem höheren Beschäftigungsniveau. Auch die Folgen des Brexit auf das eigene Unternehmen werden per Saldo negativ gesehen. Ein knappes Drittel der Firmen rechnet mit negativen Auswirkungen auf Umsatz, Investitionen und Beschäftigung, 15 Prozent hoffen auf positive Impulse. Zudem planen über 28 Prozent der befragten Unternehmen, innerhalb von drei Jahren nach einem Brexit ihre Kapazitäten im UK zu verringern bzw. zu verlagern. Zehn Prozent können sich eine Erhöhung der Kapazitäten im Vereinigten Königreich vorstellen. Auch die Gewerkschaften warnen vor den Folgen eines Brexit. Der größte britische Gewerkschaftsverband TUC (Trades Union Congress) sieht beim Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU vier Millionen Jobs in Gefahr. 2.2.1 Folgen für das Vereinigte Königreich Der Austritt des UK aus der EU wird den britischen Außenhandel verteuern. Selbst im Falle eines weiteren Zugangs zum europäischen Binnenmarkt werden die nicht-tarifären Handelshemmnisse zunehmen. Im schlechtesten Fall werdeb im Handel zwischen Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 Die Folgen des Brexit 7 dem UK und der EU sogar wieder Zölle anfallen. Auf Basis von WTO-Daten hat der europäische Think-Tank Bruegel einen künftigen durchschnittlichen Zollsatz von 3,2 Prozent auf britische Exportgüter errechnet. Das wären Kosten von rund sechs Milliarden Euro pro Jahr. Durch die Verteuerung wird die Exportentwicklung gebremst. Auch die britischen Importe werden sich infolge der zunehmenden Handelsrestriktionen verteuern. Sowohl die Exportrückgänge als auch die steigende Inflation werden das britische Wirtschaftswachstum beeinträchtigen. Nach einer Studie des ifo-Instituts im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung werden vor allem die Chemische Industrie, der Maschinenbau, der Fahrzeugbau sowie die Finanzbranche betroffen sein. Nicht nur der britische Außenhandel mit der EU wird beeinträchtigt, sondern auch der Handel mit den Ländern, mit denen die EU ein Handelsabkommen abgeschlossen hat. Als Nicht-EU-Mitglied werden diese Abkommen für das vereinigte Königreich nicht mehr gelten. Derzeit entfallen rund 35 Prozent des britischen Außenhandels auf solche Länder. Zusammen mit den knapp 50 Prozent des Handels, der mit der EU stattfindet, wird der Brexit also rund 85 Prozent des britischen Außenhandels verteuern und erschweren. Außer dem unmittelbaren Handelseffekt sind noch weitere negative Auswirkungen zu erwarten. Die Attraktivität des Vereinigten Königreichs als Investitionsstandorts kann ohne Zugang zum EU-Binnenmarkt deutlich nachlassen. Verlagerungen von Standorten und Arbeitsplätzen auf den europäischen Kontinent sind zu befürchten, insbesondere in der für UK so wichtigen Finanzbranche. Die schwächere Integration in die europäische Wirtschaft und in den internationalen Handel verringert den Wettbewerbsdruck für die britische Wirtschaft. Dies kann eine nachlassende Investitions- und Innovationstätigkeit der Unternehmen zur Folge haben. Ein positiver Effekt des Brexit für die britische Wirtschaft ist der Wegfall der jährlichen Zahlungen an den EU-Haushalt. UK ist ein Nettozahler, der Beitrag schwankte in den vergangenen Jahren zwischen sieben und zehn Milliarden Euro bzw. zwischen 0,3 und 0,5 Prozent des britischen BIP. Ob dieser Beitrag komplett wegfällt, hängt davon ab, welchen Status das Vereinigte Königreich gegenüber der EU künftig innehat. Es liegen mittlerweile zahlreiche Studien über die Folgen eines Brexit für die britische Wirtschaft vor. Die meisten Studien analysieren dabei verschiedene Szenarien des künftigen Status des Vereinigten Königreichs gegenüber der EU. In praktisch allen Szenarien ergeben sich für den Fall des Brexit negative Effekte in Form eines geringeren Pro-Kopf-Einkommens im Vergleich zum Verblieb des Vereinigten Königreichs in der EU. Lediglich Oxford Economics kommt in einem von elf Szenarien zu einem leicht positiven Effekt. Hier ist der unwahrscheinliche Fall unterstellt, dass die wirtschaftliche Integration Großbritanniens und Nordirlands in der EU nahezu unverändert bleibt, gleichzeitig aber die Beitragszahlungen an den EU-Haushalt wegfallen. Eine Übersicht über die quantitativen Ergebnisse der vorliegenden Studien ist in Tabelle 2 auf Seite 8 dargestellt. 8 Die Folgen des Brexit Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat eine Meta-Studie veröffentlicht, die die vorliegenden Untersuchungen analysiert. Darin kommt das IW zu der Ansicht, dass die negativen Folgen in vielen Studien unterschätzt werden, da die faktische Verflechtung des Vereinigten Königreichs mit der EU unzureichend abgebildet wird. Die IWForscher halten eine Wachstumseinbuße für UK von bis zu zehn Prozent für möglich. Tabelle 2 Wirtschaftliche Folgen eines Brexit für das Vereinigte Königreich Übersicht über die Ergebnisse vorliegender Studien; dargestellt ist die Abweichung im Fall eines Brexit im Vergleich zum Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU Quelle Größe Best case Worst case -0,6% -2% -3,0% -14% ifo Institut, Bertelsmann Stiftung - statische Betrachtung - inkl. dynamischer Folgeeffekte BIP pro Kopf im Jahr 2030 Centre for Economic Performance an der London School of Economics Einkommen pro Haushalt, p.a. -937,- € -8.955,-€ PwC / CBI (Confederation of British Industry) Einkommen pro Haushalt, p.a. 758,- € 5.097,- € Oxford Economics Einkommen pro Haushalt, p.a. +96,- € -2.618,- € OECD Einkommen pro Haushalt, im Jahr 2020 Verlust in Höhe eines Monatsgehalts Britisches Finanzministerium Einkommen pro Haushalt, p.a. 5.924,- € Quellen: o.g. Institute; die Umrechnung in Euro erfolgte auf Basis des Referenzkurses der EZB im Jahresdurchschnitt 2015 Das Britische Finanzministerium hat eine weitere Studie vorgelegt, wonach im Falle eines Brexit innerhalb von zwei Jahren 400.000 bis 800.000 Arbeitsplätze im Vereinigten Königreich verloren gingen. Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 2.2.2 Die Folgen des Brexit 9 Folgen für die EU, Deutschland und Bayern Ein Brexit hat nicht nur für das Vereinigte Königreich, sondern auch für die anderen EU-Staaten negative wirtschaftliche Auswirkungen. Zum einen, weil sich ihre Exporte und Importe mit einem wichtigen Handelspartner verteuern, zum anderen, weil die schwächere Wirtschaftsleistung in UK zu einer geringeren Nachfrage nach Importen, also Exporten der anderen EU-Länder führt. Im Schnitt exportieren die EU-Mitglieder rund sechs Prozent ihrer Gesamtausfuhren in das Vereinigte Königreich. Eine zusätzliche Belastung erfahren die übrigen EU-Mitgliedsstaaten, weil mit dem Vereinigten Königreich ein Nettozahler aus der EU ausscheidet und die anderen Länder die fehlenden Haushaltsmittel kompensieren müssen. Das ifo-Institut beziffert in seiner Studie die Einbußen des Pro-Kopf-Einkommens in der EU-27 (ohne UK) im Jahr 2030 auf 0,06 bis 0,25 Prozent – je nach Szenario des Brexit. Die deutsche Wirtschaft wird überdurchschnittlich betroffen sein, hier liegen die Pro-Kopf-Einkommensverluste bei 0,08 bis 0,33 Prozent. Werden die dynamischen Folgeeffekte zusätzlich berücksichtig, so steigen die Einbußen für Deutschland auf 0,3 bis zwei Prozent des BIP pro Kopf. Auf Branchenebene werden in Deutschland vor allem die Automobilindustrie, die Elektronikindustrie, die Metallerzeugung und die Lebensmittelbranche am stärksten betroffen sein. Da das Vereinigte Königreichs für Bayern – zumindest, was den Export angeht – eine noch größere Bedeutung hat, könnten im Freistaat die negativen Folgen eines Brexit wohl auch noch etwas größer sein. Zumal mit der Automobilindustrie und dem Ernährungsgewerbe zwei Branchen im Freistaat ein überdurchschnittliches Gewicht haben, die besonders negativ betroffen sind. Zudem muss Deutschland wohl den größten Teil der ausfallenden Beitragszahlungen des UK an den EU-Aushalt kompensieren. Für den Fall, dass die Beiträge des Vereinigten Königreichs komplett wegfielen, kämen auf Deutschland nach aktuellem Stand zusätzliche Beiträge von jährlich 2,5 Milliarden Euro zu. Das wäre ein Plus von gut 15 Prozent. Frankreich müsste zusätzliche 1,9 Milliarden zahlen, Italien 1,4 Milliarden. Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 3 Die Position der vbw 11 Die Position der vbw Die negativen Folgen des Brexit begrenzen Das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union hat erhebliche negative Folgen – sowohl wirtschaftlicher als auch politischer Natur. Nun muss in den Verhandlungen eine Lösung gefunden werden, die die negativen Folgen des Brexit begrenzt. Zudem muss die EU ihre Lehren aus diesem Votum ziehen und die Ursachen für die Austritts-Entscheidung bekämpfen. 3.1 Der Brexit schadet der britischen Wirtschaft Das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU schwächt Wachstum, Einkommen und Beschäftigung im Land schwächen. Dies zeigen alle vorliegenden Studien. Je weiter sich UK von der EU faktisch lösen wird, umso größer wird der Schaden für Wachstum und Wohlstand. Der Außenhandel des Vereinigten Königreichs verteuert ich, die Integration in den Welthandel geht zurück. Ohne Zugehörigkeit zum europäischen Binnenmarkt sinkt die Attraktivität des Vereinigten Königreichs als Investitionsstandort. Die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der britischen Wirtschaft geht zurück. Die finanziellen Einsparungen durch die wegfallenden Beiträge zum Haushalt der EU können die ökonomischen Nachteile bei Weitem nicht wettmachen. 3.2 Der Brexit schadet der Wirtschaft in der EU Auch die EU und ihre verbleibenden Mitgliedsstaaten nehmen wirtschaftlichen Schaden. Das Vereinigte Königreich ist ein wichtiger Handelspartner für die meisten EULänder, vor allem für die westeuropäischen Volkswirtschaften. Der Handel mit Großbritannien und Nordirland wird sich nach einem Brexit verteuern, zudem wird das verlangsamte Wachstum in UK die Nachfrage nach Exportgütern dämpfen. Durch das Ausscheiden der zweitgrößten Volkswirtschaft verliert die EU global erheblich an Gewicht. Der europäische Binnenmarkt verliert 65 Millionen Einwohner, wodurch die Attraktivität der EU als Investitionsstandort und als Partner für Handelsabkommen abnimmt. 3.3 Der Brexit schadet auch der deutschen und bayerischen Wirtschaft Deutschland und Bayern sind vom Brexit überdurchschnittlich stark betroffen. Für Deutschland ist UK der viertgrößte Exportmarkt, 7,5 Prozent der Ausfuhren fließen 12 Die Position der vbw Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 dorthin. Für Bayern ist es sogar der zweitgrößte Auslandsmarkt, der Anteil an den Gesamtausfuhren liegt bei 8,6 Prozent. Sowohl Deutschland als auch Bayern weisen einen hohen Exportüberschuss gegenüber dem UK auf. Besonders betroffen sind nach den vorliegenden Studien unter anderem der Fahrzeugbau und die Lebensmittelindustrie. Diese Branchen haben für den Freistaat eine besondere Bedeutung. Die bayerischen und deutschen Unternehmen sind auch über Kapitalströme eng mit der britischen Wirtschaft vernetzt. Jede zehnte ausländische Direktinvestition bayerischer Unternehmen findet im UK statt, umgekehrt wurden auch zehn Prozent der Auslandsinvestitionen in Bayern von britischen Investoren getätigt. Diese Wertschöpfungsketten sind gefährdet. 3.4 Der Brexit schwächt die liberalen, marktwirtschaftlichen Kräfte in der EU Das Vereinigte Königreich steht für eine liberale, marktwirtschaftlich ausgerichtete Ordnungspolitik. Im Vergleich zu Frankreich oder vielen südeuropäischen Staaten steht das Vereinigte Königreich lenkenden Eingriffen des Staates in das Wirtschaftsgeschehen deutlich skeptischer gegenüber. Mit dem Ausscheiden UKs verliert die EU eine wichtige freihändlerische Stimme, der Abbau von Subventionen, Wettbewerbsbeschränkungen und anderer protektionistischen Maßnahmen in Europa dürfte erschwert werden. Insbesondere Deutschland verliert bei Abstimmungen einen bedeutsamen Partner, ohne den es erheblich schwerer wird, die sog. Sperrminorität z.B. zum Verhindern von Handels- oder Wettbewerbsbeschränkungen zu erreichen. 3.5 Der Brexit sendet ein falsches Signal für die europäische Integration Der Austritt des Vereinigten Königreichs versetzt der europäischen Integration einen großen Rückschlag. Gerade in der aktuellen Phase, in der das gemeinsame europäische Projekt unter Druck steht, setzt das Ausscheiden noch dazu eines so großen Landes ein fatales Signal. In vielen Mitgliedsstaaten gibt es inzwischen nicht unbedeutende europakritische Kräfte, die nun wohl zusätzlich Auftrieb bekommen. Letztlich ist die gesamte europäische Idee inklusive der Währungsunion gefährdet. Dies hätte nicht nur politische, sondern auch wirtschaftlich gravierende negative Folgen. Der gemeinsame Binnenmarkt von 28 Ländern sowie der 19 Staaten umfassende gemeinsame Währungsraum hat Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand in den europäischen Staaten spürbar erhöht. Diese Erfolge stehen nun auf dem Spiel. Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 3.6 Die Position der vbw 13 Der Brexit muss so gestaltet werden, dass die negativen Folgen begrenzt bleiben Die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich müssen so ausgestaltet werden, dass die negativen wirtschaftlichen und politischen Folgen des Brexit begrenzt werden. Es gilt jetzt, zügig Verhandlungen aufzunehmen. Diese müssen transparent gestaltet werden und frühzeitig ein konkretes Ziel haben. Nur so kann die große Verunsicherung auf den Finanz-, Güter- und Arbeitsmärkten verringert werden. Je tiefer die wirtschaftliche und politische Integration des Vereinigten Königreichs in der EU künftig sein wird, desto geringer fallen die negativen Folgen aus. Klar muss aber auch sein, dass der künftige Status des Vereinigten Königreichs im Verhältnis zur EU ausgewogen sein muss im Hinblick auf Rechte und Pflichten. Der Brexit darf nicht zum Präzedenzfall werden. 3.7 Der Brexit muss der Anstoß zu grundlegenden Reformen der EU sein Die EU muss aus dem Votum der britischen Bevölkerung ihre Lehren ziehen und die Ursachen der Austritts-Bestrebungen bekämpfen. Ein „weiter so“ darf es nicht geben. Nur so kann ein Domino-Effekt vermieden und der Bestand eines vereinten Europas dauerhaft gesichert werden. Zu den Reformen gehört insbesondere, in der EU wieder streng nach dem Subsidiaritätsprinzip zu handeln. Der Weg einer immer tieferen Integration mit der Übertragung von immer mehr Souveränität von den Nationalstaaten auf die Union muss überdacht werden. Die Idee der „ever closer union“ ist offenkundig nicht mehr mehrheitsfähig. Notwendig ist ein Europa der Einheit in Vielfalt. Statt immer neue zentrale Vorschriften und Regulierungen zu erlassen, sollte die EUPolitik demokratischer und transparenter werden. Nur dann werden sich die Menschen wieder für die europäische Idee begeistern. Konkret brauchen wir jetzt in der Flüchtlingspolitik ein gemeinsames europäisches Handeln. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist ohne Abstriche umzusetzen. Europa muss zudem die Stärkung seiner Wettbewerbsfähigkeit wieder mehr in den Fokus nehmen und insbesondere das Ziel, den industriellen Wertschöpfungsanteil bis 2020 auf 20 Prozent zu erhöhen, erreichen. Es gilt auch, die digitale Agenda konsequent weiter zu verfolgen. Position – Der Brexit – Negativ für Europa, negativ für die Wirtschaft vbw – Juni 2016 Ansprechpartner / Impressum Ansprechpartner Volker Leinweber Abt. Planung und Koordination, Volkswirtschaft Telefon 089-551 78-133 Telefax 089-551 78-294 [email protected] Dagmar von Bohnstein Abt. Planung und Koordination, Bundes- und Europaangelegenheiten Telefon 089-551 78-159 Telefax 089-551 78-137 [email protected] Impressum Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher Form verzichtet. Herausgeber: vbw Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Max-Joseph-Straße 5 80333 München www.vbw-bayern.de © vbw Juni 2016 15