Endergebnisse Analyse - Aktion Spielsucht Südtirol

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Analyse zum Behandlungsverlauf von pathologischen Glücksspielern
mit unterschiedlicher Komorbidität in stationärem Setting
Manuela Tosti, Salvatore Giacomuzzi, Helmut Zingerle
Fakultät für Psychologie der Universität Innsbruck, Therapiezentrum Bad Bachgart, Rodeneck, Südtirol
Fragestellung und Ziel der Untersuchung
Stichprobe
Die Stichprobe bestand aus 100 pathologischen Glücksspielern, die sich während der Jahre
2007 bis 2013 im Therapiezentrum Bad Bachgart in Rodeneck (Südtirol) einer stationären
achtwöchigen multimodalen therapeutischen Behandlung unterzogen.
Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 46,6 Jahre (s=10,7 / Md= 46), 85% der
Stichprobe waren Männer und 15% Frauen.
62% der Stichprobe hatten als Erstdiagnose pathologisches Glücksspiel, 27%
Alkoholabhängigkeit, 6% eine affektive Störung und 5% eine andere Diagnose erhalten.
Die bevorzugte Spielform war bei 81% Geld- und Glücksspielautomaten. Die Dauer der
Spielsucht betrug bei 47% 0,5 bis 5 Jahre, bei 38% zwischen 5 und 15 Jahren und bei 15%
mehr als 15 Jahre.
Welche Prävalenz von komorbiden psychiatrischen Diagnosen zeigt sich in der Stichprobe?
Zeigen die Patienten im Verlauf der stationären Behandlung signifikante Veränderungen bezüglich
psychischer Belastetheit, depressiver Symptomatik und Zufriedenheit in verschiedenen
Lebensbereichen?
Welche Effektstärke zeigt sich in Bezug auf die allgemeine psychische Belastetheit?
Gibt es Unterschiede im Behandlungsverlauf bei Patienten mit und ohne verschiedene komorbide
Störungen (affektive Störungen, Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit, Persönlichkeitsstörungen)
sowie bei Patienten mit und ohne Rückfall zum Katamesezeitpunkt?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Veränderung der psychischen Belastetheit und dem
Alter der Patienten, der Dauer ihrer Spielsucht oder dem Grad ihrer Depressivität bei der Aufnahme
in die stationäre Therapie?
Methodik
Retrospektive Analyse
verwendete Testverfahren: Symptom Checklist SCL90R,
Beck Depression Inventary BDI-II
Skala zur Zufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen
Prä-Post-Messung im Abstand vom 8-10 Wochen, Abstinenzstatus beim katamnestischen
Gespräch zwei Monate nach Therapieende
Statistische Prüfverfahren:
Wilcoxon-Test zur Prüfung auf Unterschiede zwischen abhängigen Variablen im
Therapieverlauf, berechnen der Effektstärke mit Post-hoc-Poweranalyse
Mann-Whitney-U-Test zur Prüfung auf signifikante Unterschiede der Differenzwerte bei zwei
unabängigen Stichproben, Kruskal-Wallis-Test bei mehr als zwei unabhängigen Stichproben
Rangkorrelation nach Spearman Rho zur Überprüfung von Zusammenhängen
Komorbiditätsraten
Durchschnitt von komorbiden Störungen war
1,61- mit Nikotinabhängigkeit 2,38
Substanzmissbrauch: 47% Alkoholabhängigkeit,
17% Alkoholmissbrauch, 29% kein
Substanzmissbrauch
Nikotinabhängigkeit: 68% Raucher, 10%
Exraucher
Affektive Störungen: 56% keine, 22% depressive
Episode, 7% bipolare Störung, 6% rezidivierende
depressive Störung (zusammen 35%)
Persönlichkeitsstörungen bei 26% der Stichprobe
Vergangene Suizidversuche: 22%
Psychopharmaka: Bei der Aufnahme nahmen
32%, bei Entlassung 41% Antidepressiva oder
Stimmungsstabilisatoren oder Kombi
Ergebnisse: Therapieverlauf
Die pathologischen Glücksspieler erreichten im Laufe der stationären
Therapie eine höchst signifikante Verbesserung der psychischen
Belastetheit auf allen Subskalen des SCL90R. Bezogen auf die
allgemeine psychische Belastetheit konnte eine Effektstärke von
0,83 erreicht werden - laut Bortz & Döring (2002) als hoch einzustufen.
Höchst signifikant waren auch die Abnahme der depressiven
Symptomatik sowie die Zunahme der Zufriendeheit in allen außer
zwei Bereichen, wo die Zunahme sehr signifikant war.
Beim Katamnesezeitpunkt waren 64% der Stichprobe abstinent,
19% waren rückfällig geworden (DGGS 4).
Diskussion, Kritik und Ausblick
Ergebnisse: Gruppenunterschiede
Der Vergleich des Behandlungsverlaufs zwischen Gruppen mit und ohne
bestimmte Komorbiditäten zeigte lediglich im Fall der komorbiden
affektiven Störung signifkante Unterschiede.
Ergebnisse: Zusammenhänge
Die Gruppe mit einer komorbiden affektiven Störung schnitt in der
Abnahme der allgemeinen psychischen Belastetheit und in der Zunahme
an Belastbarkeit doppelt so gut ab wie jene ohne diese Komorbidität, der
Unterschied war im ersten Fall signifikant und im zweiten Fall sehr
signifikant.
In der Stichprobe zeigte sich eine hohe Prävalenz von
komorbiden Störungen bei pathologischen Glücksspielern in
stationärer Behandlung, allen voran Nikotinabhängigkeit,
Alkoholabhängigkeit sowie affektive Störungen.
Die stationäre Behandlung scheint zumindest in Bezug auf die
gemessene Symptomatik gute Ergebnisse zu bringen. Leider
wurden keine spielsuchtspezifischen Parameter erhoben, auch
das Fehlen einer Kontrollgruppe schränkt die Aussagekraft der
Ergebnisse ein.
Zwischen dem Alter der pathologischen Spieler und dem Grad der
Verbesserung ihrer psychischen Belastetheit im Therapieverlauf fand sich
ein kleiner positiver Zusammenhang, der sehr signifikant war. Je jünger
die Patienten, desto stärker war die Verbesserung der allgemeinen
psychischen Belastetheit im Therapieverlauf.
Das Fehlen eines dritten Messzeitpunktes und der sehr kurze
Katamnesezeitraum erlauben kaum Aussagen über die Stabilität
der erreichten Veränderung. Trotzdem verweist die relativ hohe
Abstinenzquote auf einen positiven Einfluss der Therapie auch
auf das pathologische Spielverhalten.
Zwischen dem Grad der Depressivität bei Aufnahme und der
Verbesserung der allgemeinen psychischen Belastetheit fand sich ein
großer, negativer Zusammenhang, der höchst signifikant war. Je
depressiver die pathologischen Spieler bei der Aufnahme, desto stärker
war die Verbesserung der allgemeinen psychischen Belastetheit.
Besonders depressive pathologischen Glücksspieler scheinen in
dieser Untersuchung von der Behandlung zu profitieren.
Depression könnte in diesem Sinne nicht nur ein die Behandlung
verkomplizierender Faktor sein, sondern gerade auch als
Angelpunkt der Behandlung dienen. Allerdings ist auch der
Einfluss der Gabe von Antidepressiva auf die Verbesserung der
Symptomatik ist nicht ganz auszuschließen.
Literatur
Blaszczynski, A, Nower, L (2002): A pathways model of problem and pathological
gambling. Addiction, 97: 487-499
Premper, V (2006). Komorbide psychische Störungen bei pathologischen
Glücksspielern - Krankheitsverlauf und Behandlungsergebnisse. Pabst, Lengerich
Empfehlenswert wäre die Durchführung einer vergleichbaren,
aber randomisierten und kontrollierten Studie mit prospektivem
Design, drei Messzeitpunkten, einem längerem Katamnesezeitraum sowie dem Einsatz von spielsuchtspezifischen
Messinstrumenten.
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