Mikrorobotik für die minimalinvasive Ophthalmochirurgie

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SCHWERPUNKT
AMD/NETZHAUT
Mikrorobotik für die minimalinvasive
Ophthalmochirurgie
Am Institut für Robotik und Intelligente Systeme an der ETH Zürich werden in Zusammenarbeit mit Schweizer
Augenkliniken (Triemli Spital Zürich, Inselspital Bern) verschiedene Robotersysteme für ophthalmochirurgische
Eingriffe entwickelt. Jedes minimalinvasive Robotersystem ist zur Behandlung spezifischer Augenerkrankungen,
wie zum Beispiel die Altersbedingte Makuladegeneration, den retinalen Venenverschluss und die Diabetische
Retinopathie, entwickelt worden. Franziska Ullrich und Prof. Bradley J. Nelson vom Multi-Scale Robotics Lab der ETH
Zürich erörtern die Möglichkeit einer robotergestützten gezielten intravitrealen Medikamentenapplikation sowie die
Entwicklung von robotischen Systemen zur Unterstützung bei minimalinvasiven chirurgischen Eingriffe.
D
amit das Gesundheitssystem der Überalterung und dem damit
verbundenen Anstieg altersbedingter Augenerkrankungen
gerecht werden kann, müssen diese präzise, sicher und auch wirt­
schaftlich behandelt werden. Aus diesem Grund befasst sich die
Forschung mit der Entwicklung von magnetisch gesteuerten Mikro­
robotern, die in vielen Bereichen in der Augenheilkunde denkbar
sind. Ein zukünftig möglicher Einsatz ist beispielsweise die robo­
tergestützte gezielte intravitreale Medikamentenapplikation oder
die Unterstützung durch robotische Systeme bei minimalinvasiven
chirurgischen Eingriffen am Auge. Am Institut für Robotik und
Ophthalmoskop
& CCD-Kamera
BIOM
Arbeitsbereich
Elektromagnete
(8x)
Abb. 1: Elektromagnetisches System (OctoMag) zur Steuerung von
gebundenen und drahtlosen Mikrorobotern innerhalb des Auges.
32 DER AUGENSPIEGEL
Intelligente Systeme der ETH Zürich (ETHZ) werden in Zusam­
menarbeit mit Schweizer Augenkliniken (Triemli Spital Zürich,
Inselspital Bern) verschiedene minimalinvasive Robotersysteme für
ophthalmochirurgische Eingriffe entwickelt, die jeweils für spezifi­
sche Augenerkrankungen, wie zum Beispiel AMD, Netzhautvenen­
verschluss und Diabetische Retinopathie, eingesetzt werden sollen.
Assistierende Roboter in der Augenheilkunde
Ophthalmologische Eingriffe müssen möglichst zügig, mit hoher
Sicherheit und großer Präzision erfolgen. Da die bei Operationen
am Auge wirksamen Kräfte oft kleiner als das menschliche Wahr­
nehmungslimit sind, muss der Chirurg viel Erfahrung und Fin­
gerfertigkeit mitbringen (Gupta et al. 1999; Jagtap et al. 2004).
Mit Hilfe robotischer Hilfstechnologien können mögliche Prob­
leme, die durch die auftretenden Kräfte verursacht werden, ver­
mindert beziehungsweise sogar verhindert werden und sie erlau­
ben die Durchführung sicherer und hochpräziser Operationen.
Derzeit bestehen bereits einzelne Technologien, die in der Augen­
chirurgie assistieren, zum Beispiel teleoperierende Roboter wie
das Da-Vinci-System (Tsirbas et al. 1992; Bourla et al. 2008), ein
Parallelroboter für vitreoretinale Eingriffe (Nakano et al. 2009)
sowie kooperativ gesteuerte (Uneri et al. 2010) und tremorreduzie­
rende Technologien (Maclachlan et al. 2012). Alle diese Systeme
unterstützen den Augenchirurg während der Operation, wobei der
Mensch weiterhin für Entscheidungsfindung und Instrumenten­
führung verantwortlich ist.
Medikamentengabe in das Auge
Hornhaut und Bindehautepithel bilden eine dichte physikalische
Barriere, die das Auge vor externen Einwirkungen schützt. Bei
JANUAR 2016
20
2020
00
10050
100
150100
200150
250200
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300250
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6060
4040
20
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0
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150100
200150
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80
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40
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20
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0
250
50
50200
150
80
gemessenes Feld [mT]
4040
8080
gemessenes
gemessenes
Feld
Feld
[mT]
[mT]
0
050
50
6060
100
Distanz
zum Arbeitsbereich [mm]
0
10035mT
200150 in y250200
50
in150100
x, 500mT/m
Distanz zumDistanz
Arbeitsbereich
[mm]
zum Arbeitsbereich
[mm]
80
35 mT
x 500mT/m
ininx,x,500 mT/m
in35 mT
500mT/m
in500mT/m
y
35mTininx,x,500 mT/m
500mT/m
xinx,
35mT
in x,in500mT/m
in x35mTin
in yin y
35mT
in
xx, 35mT
gemessenes Feld [mT]
gemessenes
Feld [mT]
20
20
80
positivepositive
x-Achse
positive
x-Achse
x-Achse
negativenegative
x-Achse
negative
x-Achse 60
x-Achse
positivepositive
y-Achse
positive
y-Achse
y-Achse
negativenegative
y-Achse
negative
y-Achse
y-Achse
positivepositive
z-Achse
positive
z-Achse 40
z-Achse
gemessenes Feld [mT]
40
40
gemessenes Feld in [mT]
60
60
in
Gradient
35mT
in35 mT
x,in
kein
35mT
inx,x, kein
kein Gradient
35mT
x, Gradient
kein
Gradient
8080
gemessenes Feld [mT]
gemessenes
gemessenesFeld
Feld[mT]
[mT]
80
80
50
0
50
20
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300
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150
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150300
250
200
200150300 250
250200
300
300250
Distanz
zumDistanz
Arbeitsbereich
[mm] mit[mm]
zumDistanz
Arbeitsbereich
[mm]im Distanz
zum Arbeitsbereich
zum Arbeitsbereich
[mm]zum
Arbeitsbereich
[mm]
zum Arbeitsbereich
[mm]
Abb.
2: Abfall
desArbeitsbereich
Magnetfelds
der Distanz zumDistanz
zentralen
Arbeitsbereich
OctoMag.
Distanz
zumDistanz
Arbeitsbereich
[mm]
Distanz
zum
[mm]
Distanz
zum
Arbeitsbereich
[mm]
80
80
35mT in x, 35mT
500mT/m
y
in x,in500mT/m
in y
35mT in x, 500mT/m in y
80
100
35mT in x, 35mT
500mT/m
z
in x,in500mT/m
in z
35mT in x, 500mT/m in z
20
40
200
50
0
300 50
gemessenes Feld [mT
200
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zum Arbeitsbereich [mm]
0
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200150 in z250200
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in150100
x, 500mT/m
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300 50
50 Distanz
10050
150100 200
200150 50-300
250200 mm
300250
zum Arbeitsbereich
300
100
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80
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20
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Distanz zumDistanz
Arbeitsbereich
[mm]
zum Arbeitsbereich
[mm]
35 mT
35mTininx,x,500 mT/m
500mT/m
zin z in z
35mT
in x,in500mT/m
100
gemessenes Feld [mT]
40
40
gemessenes
Feld [mT
gemessenes
20
positive x-Achse
positive x-Achse
positive z-Achse
negative x-Achse
negative x-Achse
positive y-Achse
positive y-Achse
negative y-Achse
negative y-Achse
positive z-Achse
positive z-Achse
60
gemessenes
gemessenes
Feld
Feld
[mT]
[mT]
60
gemessenes Feld [mT
gemessenes
gemessenes
Feld [mT
40
80
60
40
20
Distanz
Arbeitsbereich
[mm]
zum Arbeitsbereich
[mm]
Distanz zum
zumDistanz
Arbeitsbereich
[mm]
100
100
gemessenes Feld [mT]
gemessenes
Feld [mT]
gemessenes Feld [mT]
gemessenes Feld [mT]
gemessenes
gemessenesFeld
Feld[mT]
[mT]
erte chirurgische Instrumente aus einem flexiblen Körper (zum
topischer Behandlung des Auges muss
das80Medikament diese
80
60
80
Beispiel einem Katheter) mit einem magnetischen Kopf, welcher
Barriere passieren, wobei in der Regel weniger als fünf Prozent
60
60
60
in einem extern angelegten Magnetfeld bewegt wird. Ein kontrol­
Medikaments in das Auge eindringen
(Davies et
40 des gegebenen
40
40
40
40
40
liertes Magnetfeld und die dazugehörigen magnetischen Gradi­
al. 2000; Urtti et al. 2006). Deshalb werden verschiedene
Medi­
20
20
20
20
20 kamente intravenös oder intravitreal verabreicht,
enten können durch Permanentmagnete (Stereotaxis 2015) oder
da
die
benötigten
20
0 Medikamentendosierungen
0
0
0
Elektromagnete
(AeonScientific 2015) erzeugt werden. Darüber
in300250
der hinteren
Augenkammer
(Netz­
10050
150100
200150
250200
100500
150100
200150
250200
300250
300 50
300
050
50
100 zumDistanz
150 zum Arbeitsbereich
200
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150
200
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Distanz
Arbeitsbereich
[mm] 250
Distanz50sind.
zumDistanz
Arbeitsbereich
[mm]
[mm] 300
zum Arbeitsbereich
[mm]
hinaus
haben
sich
magnetisch geführte ungebundene Mikrorobo­
haut,
Glaskörper,
Aderhaut)
häufig
relativ hoch
Sowohl
bei
Distanz zum Arbeitsbereich [mm]
Distanz zum Arbeitsbereich [mm]
ter als chirurgische Instrumente für die gezielte Wirkstoffabgabe
der intravenösen als auch intravitrealen Medikamentenapplikation
im Auge etabliert (Chatzipirpiridis et al. 2014).
kann es zu Gewebsschäden und auch unerwünschten Nebenwir­
Das erste magnetisch gesteuerte Instrument für Ophthalmologie
kungen wie zum Beispiel Glaskörperblutungen, Netzhautablösung
wurde 1974 von Charles D. Kelman vorgestellt (Kelman 2001).
oder Endophthalmitis kommen (Kuno et al. 2011). Die Entwick­
Seitdem haben sich mikrorobotische Systeme als In-vivo-Werk­
lung von Systemen, die über lange Zeit Wirkstoff in der hinte­
zeuge für minimalinvasive Augenchirurgie fortentwickelt (Flynn
ren Augenkammer abgeben, ist deshalb von zunehmendem Inte­
et al. 1998; Nelson 2006). Im Jahr 2010 wurde ein elektromag­
resse. Intravitreale Implantate können mit einer großen Auswahl
netisches System zur Steuerung von drahtlosen Mikrorobotern
verschiedener Medikamente beladen werden und ermöglichen die
im Glaskörper des Auges entwickelt, der so genannte OctoMag
Abgabe eines Wirkstoffes über längere Zeit nach nur einer einzel­
(Kummer et al. 2010). Das System besteht aus acht Elektromag­
nen Injektion.
neten mit weichmagnetischem Kern, die in einer Halbkugel ange­
Bislang wurden mehrere intravitreale Implantate entwickelt und
ordnet sind. Mithilfe dieses Systems (siehe Abbildung 1), können
in Studien getestet (Kane et al. 2008; Jaffe et al. 2011; Thrima­
gezielt magnetische Felder (bis zu 40 mT) und Gradienten (bis
withana et al. 2011). Keines dieser Implantate verfügt jedoch über
zu 1 T/m) in einem Arbeitsbereich von 2x2x2 cm erzeugt wer­
die Fähigkeit, sich kontrolliert im Auge zu bewegen, um möglichst
den, wobei die Größe des Arbeitsbereiches ungefähr den Dimen­
nahe am pathologischen Prozess stationiert zu werden. Außerdem
sionen eines menschlichen Auges entspricht. Ein Computer regelt
erfordert die Entfernung der bisherigen Implantate häufig eine Vit­
den Strom in jedem der acht Elektromagnete und überwacht den
rektomie und beinhaltet die damit verbundenen Risiken. Um diese
Arbeitsbereich mithilfe einer CCD-Kamera und einem Weitwin­
Nachteile zu überwinden, entwickelt das Institut für Robotik und
kel BIOM, sodass große Teile der Netzhaut beobachtet werden
Intelligente Systeme an der ETH Zürich mobile und steuerbare
können. Abbildung 2 stellt den steilen Abfall des Magnetfeldes
Mikroroboter, mit deren Hilfe die gezielte Arzneimittelabgabe in
mit zunehmender Entfernung vom zentralen Arbeitsbereich dar.
der hinteren Augenkammer ohne Vitrektomie ausgeführt werden
kann. Indem der mit Wirkstoff beladene Mikroroboter gezielt an
den erkrankten Bereich im Auge gesteuert wird, ergibt sich auf­
grund des Fickschen Diffusionsgesetzes bei gleicher applizierter
Medikamentendosis eine höhere Konzentration des Wirkstoffs.
60
60
Magnetische Steuerung ophthalmischer Mikroroboter
Magnetisch gesteuerte Instrumente sind aufgrund ihrer hohen Fle­
xibilität, ihrer Stabilität und Präzision und gleichzeitig reduzierter
Perforationsgefahr des Gewebes vielversprechende Hilfsmittel für
minimalinvasive Eingriffe (Ernst et al. 2004; Moreno et al. 2009;
Nguyen et al. 2010). Typischerweise bestehen magnetisch gesteu­
JANUAR 2016
Abb. 3: Intravitrealer Mikroroboter in einer 23-Gauge-Injektionsnadel.
DER AUGENSPIEGEL 33
SCHWERPUNKT
AMD/NETZHAUT
Abb. 4: Ein Mikroroboter folgt einer vorherbestimmten Trajektorie (gestrichelte Linie) entlang einer Netzhautvene in einem Augenmodel.
Im Abstand von 300 mm, was der Entfernung zwischen Auge
und Herz entspricht, werden nur noch fünf Prozent des angeleg­
ten Magnetfeldes gemessen. Das beschriebene System bietet hohe
Präzision während medizinischer Eingriffe und ermöglicht eine
Kraftrückkopplung unterhalb der vom Menschen wahrnehmbaren
Kraft. Der OctoMag wird über einen Joystick vom behandelnden
Augenchirurgen gesteuert und ermöglicht damit Teleoperation.
Sicherheit für Patienten
Aufgrund der hohen Sicherheit trifft die Nutzung von Magnet­
feldern und Gradienten in der Chirurgie auf zunehmendes Inte­
resse. Magnetfelder dringen tief ins menschliche Gewebe ein.
Aufgrund der geringen magnetischen Suszeptibilität von biologi­
schem Gewebe schaden schwache Magnetfelder dem Menschen
nicht und sind mit hoher Sicherheit für den Patienten verbunden
(Schaefer et al. 2010; Schenk 2010; Shellock 2010). Um Mikro­
roboter im Auge zu bewegen, generiert das elektromagnetische
System OctoMag Magnetfelder bis zu 40 mT, das in etwa einem
Hundertstel der Feldstärke eines konventionellen Magnetresonanz­
tomographens entspricht. Zudem fallen die generierten Felder mit
sich vergrößernder Distanz zum Arbeitsbereich rapide ab, gezeigt
in Abbildung 2. Minimalinvasive intravitreale Mikroroboter sind
zylindrisch mit Außendurchmesser von 285 µm und passen damit
in eine 23-Gauge-Injektionsnadel (Abb. 3), die zur Injektion des
Roboters in den Glaskörper des Patienten verwendet wird (Ullrich
et al. 2013). Aufgrund von biokompatiblen Polymer- oder MetallBeschichtungen sind die Mikroroboter für das Auge unschädlich
(Sivaraman et al. 2012). Die Sicherheit für den Patienten ist durch
kleinere Einschnitte, weniger Narbenbildung und reduzierte Kom­
plikationen während des medizinischen Eingriffs gewährleistet.
Hohe Präzision
Zurzeit existiert kein kommerziell verfügbares intravitreales
Implantat, das die Fähigkeit zur gezielten Medikamentenabgabe in
der hinteren Augenkammer besitzt, ohne das umgebende Gewebe
zu beeinflussen. Da der mit Wirkstoff beladene Mikroroboter mit­
tels Magnetfeldern direkt zum pathologischen Focus gesteuert
wird, erhöht sich die Präzision der Medikamentenabgabe deutlich,
sodass die Dosis verringert werden kann. Die Augenheilkunde
34 DER AUGENSPIEGEL
tendiert zu immer kleiner werdenden Instrumenten, wodurch die
Präzision und die Verwendung der Geräte immer mehr zu einer
kritischen Größe wird. Dieser Trend wird durch die Entwicklung
magnetisch gesteuerter minimalinvasiver Mikroroboter unter­
stützt und gleichzeitig optimiert.
Kraftrückkopplung
Studien haben gezeigt, dass 75 Prozent der bei Augenoperati­
onen auftretenden Kräfte kleiner als 7.5 mN sind und nur 20
Prozent dieser Kräfte von einem Augenchirurg gespürt wurden,
da sie unter dem menschlichen Wahrnehmungsvermögen liegen
(Gupta et al. 1999). Aufgrund dieser Begrenzungen nimmt der
Operateur die auftretenden Kräfte häufig nicht wahr und muss
sich somit auf seine Erfahrung, sein Training und seine Finger­
fertigkeit verlassen. Ein elektromagnetisches System ermöglicht
die direkte Rückkopplung von Kraft und Drehmoment, da die
angelegten Magnetfelder und Gradienten sowie die Magnetisie­
rung des Instruments bekannt sind. Die Kraft F in [N], die ein
intravitrealer Mikroroboter auf das Gewebe ausübt, leitet sich
von der Stärke der magnetischen Gradienten und der Magneti­
sierung des Roboters M als
T
" ∂B ∂B ∂B %
F =$
' M
# ∂x ∂y ∂z &
T = M ×B
T
ab, wobei B das Magnetfeld in [T] beschreibt.
" ∂B ∂B ∂B % Das Drehmoment T
F = $ ausübt, kann' über
M
in [Nm], das der Mikroroboter
# ∂x ∂y ∂z &
T = M ×B
berechnet werden. Indem man die maximal ausgeübten Kräfte und
Momente begrenzt, wird das Risiko einer Netzhautschädigung
deutlich reduziert.
Anwendung von Mikrorobotern im Auge
Magnetisch gesteuerte Mikroroboter können für verschiedene
Eingriffe sowohl in der vorderen als auch in der hinteren Augen­
kammer eingesetzt werden.
JANUAR 2016
SCHWERPUNKT
AMD/NETZHAUT
Vordere Augenkammer: Zur automatisierten Kapsulorhexis wurde
ein magnetisch-mechanisches System mit flexiblem Körper und
magnetischer Spitze entwickelt (Ullrich et al. 2014). Die Kapsulo­
rhexis beschreibt den Prozess des Aufschneidens der Linsenkap­
sel während einer Kataraktoperation und zielt darauf ab, eine per­
fekt kreisförmige Öffnung zu erstellen, die eine bestimmte Größe,
Form und Lokalisierung aufweist. Das magnetisch gesteuerte Ins­
trument besteht aus einem flexiblen Katheter (Außendurchmesser
600 µm) mit einer magnetischen Spitze. Die Katheterspitze wird
durch einen kleinen Einschnitt in die vordere Augenkammer einge­
führt. Die Längsbewegung des Katheters wird durch einen piezo­
elektrischen Aktuator, die seitliche Bewegung über Magnetfelder
gesteuert, sodass die Bewegung der scharfen Spitze einen perfek­
ten Kreis mit definiertem Durchmesser beschreibt. Bei In-situExperimenten wurden eine mittlere radiale Genauigkeit von 136
µm und eine Wiederholbarkeit von 18 µm verifiziert.
Hintere Augenkammer: Drahtlos im Auge gesteuerte Mikroro­
boter können unter anderem für die gezielte Arzneimittelabgabe
in ophthalmologischen Anwendungen, wie zum Beispiel bei der
Behandlung von AMD, verwendet werden. Ein solcher Mikro­
roboter mit einem Wirkstoffreservoir wurde entwickelt und kann
in die Nähe der Netzhaut gesteuert werden, ohne das umgebende
Gewebe wesentlich zu traumatisieren. Mit Hilfe entsprechender
Algorithmen wird der Mikroroboter auf einer vorher definierten
Trajektorie bewegt, so wie dies in Abbildung 4 dargestellt ist (Ber­
geles et al. 2012). Mikroroboter, die mit kleinsten Nadeln ausge­
stattet sind, wurden dazu benutzt, einzelne Venen auf der Chorio­
allantoismembran (CAM) eines Hühnerembryos zu punktieren,
um die Möglichkeit einer Injektion in Netzhautvenen zu demons­
trieren. Die Kräfte, die der magnetisch gesteuerte Mikroroboter
dabei auf die Vene ausübt, werden in Echtzeit gemessen und auf­
gezeichnet. Intravitreale Mikroroboter zeigen somit vielverspre­
chende Möglichkeiten beim gezielten Arzneimitteltransport und
als Instrumente für die minimalinvasive Augenchirurgie. Sie kön­
nen aber auch zur Diagnostik eingesetzt werden. Ein Mikroroboter
wurde mit lumineszierendem Material beschichtet, das in Gegen­
wart von Sauerstoff die Intensität der Lumineszenz verändert
(Ergeneman et al. 2012). Somit kann die Sauerstoffkonzentration
im Glaskörper des Auges gemessen werden. Nach Beendigung
eines durch einen Mikroroboter assistierten chirurgischen Ein­
griffs, wird der Mikroroboter mittels eines magnetischen Werk­
zeugs wieder aus dem Auge entfernt.
Experimente am lebenden Auge: Mittels In-vivo-Experimenten an
insgesamt fünf Augen von lebenden Kaninchen, konnten Mobilität
und Steuerbarkeit von magnetisch gesteuerten Mikrorobotern im
Auge untersucht werden (Ullrich et al. 2013). Drei der Augen wur­
JANUAR 2016
Abb. 5: Goldbeschichteter, zylindrischer Mikroroboter im Kaninchenauge.
den vitrektomiert und mit Silikonöl (Viskosität 1.000 mm2/s bei
25 Grad Celsius) oder physiologischer Kochsalzlösung (Balan­
ced Salt Solution, BSS) befüllt. Mit einer 23-Gauge-Injektions­
nadel wurde in jedes Auge ein Mikroroboter mit einem Außen­
durchmesser von 285 µm injiziert (Abb. 5). Anschließend wurde
der Kopf des Kaninchens so im OctoMag platziert, dass sich das
Auge im Arbeitsbereich des elektromagnetischen Systems befin­
det. Einem experimentellen Protokoll folgend, wurde der Mikro­
roboter innerhalb des lebenden Auges mit verschiedenen Rotati­
onsfrequenzen, Magnetfeldstärken und magnetischen Gradienten
bewegt. Die Experimente zeigen, dass minimalinvasive Mikroro­
boter über gute dreidimensionale Mobilität verfügen und sowohl
Rotationen als auch Translationen im Auge ermöglichen, unab­
hängig vom umgebenden Medium (Glaskörper, Silikonöl, BSS).
Zukünftige intravitreale Mikroroboter
Die Entwicklung magnetisch gesteuerter Mikroroboter eröffnet
viele neue Möglichkeiten als Hilfsmittel in der Augenheilkunde.
Dies betrifft zum Beispiel die gezielte Medikamentenapplikation
als auch minimalinvasive chirurgische Eingriffe. In Zukunft kann
die Effizienz von ophthalmologischen Eingriffen mittels dieser
magnetisch gesteuerten Instrumente verbessert werden, da unter
anderem eine hohe Präzision besteht und die entstehenden Kräfte
rückgekoppelt werden, um so die Gewebstraumatisierung auf ein
Minimum zu beschränken.
Literatur auf Anfrage in der Redaktion.
Franziska Ullrich
Institut für Robotik und Intelligente Systeme (IRIS)
an der ETH Zürich
E-Mail: [email protected]
DER AUGENSPIEGEL 35
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