2011 - Deutsches Ärzteblatt

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Die Zeitschrift der Ärzteschaft
|
Gegründet 1872
www.aerzteblatt.de/dossiers/embryonenforschung
2011
INHALT
EMBRYONENFORSCHUNG
Der Beginn
des Lebens
Die Debatte über Präimplantationsdiagnostik
und die Forschung an und mit Embryonen
Seit der Veröffentlichung des „Diskussionsentwurfs zu einer
Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik (PID)“ im Jahr 2000
hat sich das Deutsche Ärzteblatt intensiv an der Debatte über
PID, die Forschung an und mit Embryonen sowie die Gewinnung
von Stammzellen beteiligt und die unterschiedlichsten Stimmen
zu Wort kommen lassen. In diesem Dossier spiegeln die Beiträge
der DÄ-Redakteurinnen und -Redakteure, aber auch Aufsätze
und Kommentare von Ärzten, Politikern, Juristen sowie Theologen
▄
die Meinungsvielfalt zu dieser Thematik wider.
BEITRÄGE AUS DEM JAHR 2011
2
Präimplantationsdiagnostik: Der Bundestag braucht Zeit
19
Norbert Jachertz
3
4
Gisela Klinkhammer
Präimplantationsdiagnostik: Die Kirchen sind uneinig
Gisela Klinkhammer
20
Präimplantationsdiagnostik: Wissenschaftler ziehen
Parallele zur Pränataldiagnostik
Eva Richter-Kuhlmann
Reaktionen auf die PID-Entscheidung: Zustimmung und
Kritik
Stammzellforschung: Wie man eine Herzinsuffizienz
verhindern will
Ulrike Gebhardt
23
Memorandum zur Präimplantationsdiagnostik (PID)
Bundesärztekammer
5
Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof:
Keine Patentierung menschlicher Embryonen
Peter Liese
6
31
Präimplantationsdiagnostik: Kohärenz statt brechender
Dämme
Peter Dabrock, Jens Ried
Präimplantationsdiagnostik: „Ethisch weniger
problematisch als eine Schwangerschaft auf Probe“
Gisela Klinkhammer, Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
8
Präimplantationsdiagnostik: Zwischen begrenzter Freigabe
und vollständigem Verbot
Gisela Klinkhammer
9
12
14
Interview Erzbischof Dr. Robert Zollitsch,
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
DOSSIER EMBRYONENFORSCHUNG
Präimplantationsdiagnostik: Im Entscheidungsdilemma
Chefredakteur: Heinz Stüwe, Köln
Eva Richter-Kuhlmann
(verantwortlich für den Gesamtinhalt im Sinne der
gesetzlichen Bestimmungen)
Präimplantationsdiagnostik: Zulassung der PID in engen
Grenzen
Chefs vom Dienst: Gisela Klinkhammer, Herbert Moll
Gisela Klinkhammer
17
Zulassung der Präimplantationsdiagnostik:
Paradigmenwechsel
Eva Richter-Kuhlmann
1
IMPRESSUM
Deutsches
..
Arzteblatt
Redaktion: Gisela Klinkhammer, Michael Schmedt (Internet)
Technische Redaktion: Michael Peters
Schlussredaktion: Inge Rizk, Christine Menz-Hackenberg
Verlag: Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, Köln
aerzteblatt.de
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 1–2, 10. Januar 2011
KOMMENTAR
Norbert Jachertz
M
an mache sich nichts vor, die
„Liste“ kommt, wenn die Präimplantationsdiagnostik (PID) zugelassen wird. Entweder offen wie in
Großbritannien oder kaschiert wie in
Frankreich. Beide kennen einen Katalog der Indikationen. Der englische
kann bei der HFEA, der Human Fertilisation and Embryology Authority, eingesehen werden. Die Franzosen sprechen lieber von einer Aufstellung der
für PID verfügbaren Tests. In der Praxis läuft’s auf dasselbe hinaus: Beim
Verdacht auf die aufgelisteten Erkran-
noch gar zu beantworten ist, bisher
ausgespart. Stattdessen informierte er
sich am 16. Dezember 2010, wie PID
anderswo praktiziert wird und wohin
die Reise geht. Das beschrieben Emely
Jackson von der HFEA, Patrick Gaudray vom französischen Ethikrat, Paul
Devroey, ein belgischer PID-Protagonist, und Luca Gianaroli von der European Society of Human Reproduction
and Embryology. Alle ausgewiesene
Experten, die wissen, was läuft. Und
glaubt man ihnen, dann läuft mit PID
alles bestens.
derzeit 30 bis 40 Tests, darunter so
umstrittene wie die auf einzelne Krebsarten, künftig möglich etwa hundert.
● Gesucht wird nicht nur nach
monogenetischen Defekten, sondern
weit mehr noch – 61 Prozent aller
Testungen – nach chromosomalen
Anomalien.
● Um den einen einzigen tadellosen Embryo herauszufinden, der erfolgversprechend transferiert werden
kann, müssen zuvor viele Embryonen
getestet werden. Zurzeit stammen die
Zellen von Embryonen des zweiten und
PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK
Der Bundestag braucht Zeit
kungen oder Behinderungen ist PID
zulässig. Ob sie dann auch durchgeführt wird, hängt vom Einzelfall ab.
Dafür haben beide Länder sehr komplizierte Verfahren entwickelt. Sie gleichen sich in den großen Zügen: Der
Gesetzgeber lässt PID prinzipiell zu,
regelt aber keine Details. Damit beauftragt er eine Agentur. Die erstellt
und aktualisiert die Liste, lizenziert einige wenige „Zentren“, schreibt das
Zusammenspiel der Experten – Genetiker, Morphologen, Fertilisationsmediziner, Psychologen, Ethiker – vor und
legt das Beratungsprozedere für die
Paare fest.
Der extrem hohe Aufwand für relativ wenige Betroffene – 182 Paare in
Großbritannien, 278 in Frankreich, jeweils 2008 – deutet schon darauf hin,
dass PID alles andere als „normal“ ist.
Der Selektionscharakter ist auch den
Anwendern bewusst. Sie reden nur
nicht gern davon, sondern lieber von
ihren organisatorischen Vorkehrungen.
Immerhin hat der französische Ethikrat
einmal darüber beraten, ob PID als
„eugenisch“ anzusehen ist. Man konnte sich nicht einigen.
Der Deutsche Ethikrat hat diese
ethische Grundsatzfrage, die ja in
Deutschland weder einfach zu stellen
Der Ethikrat hatte freilich keine Kritiker eingeladen. Erstaunlich. Doch auch
ohne Gegenmeinungen, die Anhörung
ließ so viele Fragen zurück, dass der
Deutsche Bundestag sich gut überlegen
sollte, ob er die PID eilends gesetzlich
regeln sollte. Er muss zwar irgendwann
tätig werden, nachdem ihm der Bundesgerichtshof das Kuckucksei ins Nest
gelegt hat, aber er könnte Zeit gewinnen, indem er PID erneut und diesmal
eindeutig untersagt. Bis auf weiteres.
Eile ist nicht geboten. Durch Abwarten wird niemand geschädigt. Einige
Paare müssten zwar ihren Kinderwunsch verschieben oder aufgeben.
Das ist bitter. Doch ihnen geschähe
damit kein Unrecht. Andererseits steht
mit PID ethisch viel auf dem Spiel. Das
Expertenhearing bestätigte nämlich
einmal mehr:
● PID geht einher mit hohem „Embryonenverbrauch“ sowie steter Ausweitung der „Selektion“. Das liegt daran, dass die Methode nicht allein dazu
dient, Paaren ein gesundes Kind zu bescheren, sondern vor allem auch die
(bisher bescheidenen) Implantationschancen zu verbessern – optimaler
Embryo, optimale Chance.
● Die Liste der Indikationen wird
lang und länger. Klinisch relevant sind
dritten Tages, demnächst häufiger
auch von Blastozysten; sie liefern
mehr Zellgewebe.
● Die Zahl der Embryonen muss
für PID weitaus höher sein, als in
Deutschland bisher erlaubt ist. Sieben
und mehr, statt drei. Pro Zyklus. Macht
bei drei Zyklen 21, bei fünf oder sechs,
die für Frauen ab circa 30 Jahren angestrebt werden, 35 und 42 oder mehr.
● Verdächtige Embryonen werden
vernichtet, gute (im Idealfall ein einziger) implantiert, gute überschüssige
eingefroren und für eine spätere Implantation bei wem auch immer oder
für andere Zwecke aufgehoben. Sofern
diese erlaubt sind.
● PID ersetzt nicht PND (Pränataldiagnostik). Vielfach wird in der
Schwangerschaft vorsichtshalber zusätzlich mit PND „nachgetestet“, obwohl der implantierte Embryo an sich
gut aussah. In Frankreich zum Beispiel sind die Zahlen der Pränataldiagnosen (29 779) und der darauffolgenden Spätabtreibungen (6 876,
jeweils für 2008) hoch und leicht steigend, trotz der relativ großzügigen
PID-Praxis.
Fazit: Der deutsche Gesetzgeber
sollte nüchtern die Realitäten prüfen
und wissen, worauf er sich einlässt.
2
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 3, 21. Januar 2011
keiten schaffe, Embryonen mit
möglichen Behinderungen oder Anlagen zu möglichen Krankheiten
durch Selektion auszuscheiden und
zu töten, dann werde dies auch geschehen. „Ja, es entsteht ein – vielleicht auch nur unterschwelliger –
Druck, Menschen mit Behinderungen oder Eigenheiten nicht mehr zu
akzeptieren. Unsere Gesellschaft
würde dadurch nicht glücklicher,
aber weniger menschlich“, sagte
Zollitsch in seiner Weihnachtspredigt in Freiburg.
PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK
Die Kirchen sind uneinig
Während sich die katholische Deutsche Bischofskonferenz
für ein Verbot der PID ausspricht, halten Vertreter der evangelischen
Kirche eine offene Debatte für notwendig.
b die Präimplantationsdiagnostik (PID) in engen Grenzen
künftig zugelassen werden soll,
darüber sind sich nicht nur Politiker
quer durch alle Parteien uneinig,
auch die beiden großen christlichen
Kirchen in Deutschland vertreten in
diesem Punkt unterschiedliche Ansichten. So sprach sich der Kölner
Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner, scharf gegen eine Zulassung der
dung für falsch. „Wahr ist einzig und
allein: Der Mensch darf ab dem Zeitpunkt seiner Zeugung niemals getötet werden.“
Der evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer aus Wittenberg
hat daraufhin Meisner zum Rücktritt
aufgefordert. „Ein Mann, der so argumentiert, sollte sich aus dem Amt
zurückziehen“, betonte Schorlemmer.
Der biblische Kindermord von He-
PID aus. „PID zieht immer Selektion und Tötung nach sich. Wer PID
zulässt, sagt Nein zum Leben und
damit Nein zum Schöpfer und damit
Nein zu Gott selbst“, sagte der Kölner Erzbischof in seiner Predigt zum
„Fest der Unschuldigen Kinder“.
rodes sei ein Genozid an gesunden
Kindern, ein Vergleich mit der PID
daher „geradezu absurd“. Der Kölner Kardinal diffamiere die Befürworter der PID „auf üble Weise“.
Der Vorsitzende der Deutschen
Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, verzichtet auf derartige Vergleiche, lehnt jedoch
ebenfalls die Präimplantationsdiagnostik ab. „Auch wenn eine Präimplantationsdiagnostik zunächst
nur wenige Paare betreffen würde,
besteht die Gefahr eines Dammbruchs, wenn sich der Mensch zum
Herrn über andere Menschen macht
und bestimmt, welches Leben sich
entwickeln darf und welches nicht.“
Wenn man durch PID die Möglich-
Medizinische Entwicklung
Foto: ddp
O
Pfuscht man mit
PID Gott ins Handwerk? Der Ratsvorsitzende der EKD,
Nikolaus Schneider
(links), und der Vorsitzende der Bischofskonferenz,
Robert Zollitsch,
sind sich da nicht
einig.
3
Gefahr eines Dammbruchs
Auf scharfe Kritik stieß er mit seinem Vergleich zwischen der PID und
dem Kindermord von Bethlehem:
„Auch Herodes hat damals eine Selektion vorgenommen.“ Zwar räumte
der Kardinal selbst ein, dass es politisch unkorrekt sei, diesen Vergleich
zu ziehen, weil die Befürworter von
PID um ihre Entscheidung gerungen
hätten, dennoch hält er die Entschei-
Während die katholische Kirche
also nach wie vor ein Verbot der
Präimplantationsdiagnostik fordert,
spricht sich die Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
für eine begrenzte Zulassung dieses
Gentests an Embryonen aus. So hält
der EKD-Ratsvorsitzende, Nikolaus
Schneider, eine offene Debatte für
notwendig. Er plädiert dafür, dass
die evangelische Kirche in Deutschland nicht einfach an ihrer im Jahr
2003 beschlossenen Forderung nach
einem Verbot der PID festhalten
solle. Die Diskussion müsse erneut
geführt werden, weil zum einen die
medizinische Entwicklung weitergegangen sei, erklärte Schneider, und
zum anderen kämen „ihm die Mütter
zu wenig vor in dieser ethischen
Debatte“. Es sei zu kurz geschlossen, „wenn mit absoluter Gewissheit
postuliert wird: Geburtenverhütung,
pränatale Diagnostik, künstliche Befruchtung und die Präimplantationsdiagnostik pfuschen Gott ins Handwerk“.
Auch der protestantische Berliner Bischof Markus Dröge hat sich
für eine differenzierte Nutzung der
Präimplantationsdiagnostik ausgesprochen. „Beides muss möglich
sein: dass Eltern aus leidvollen Erfahrungen sagen, wir möchten eine
PID, und dass andere Eltern auch
einem behinderten Kind den Weg
ins Leben ermöglichen wollen und
für diese Entscheidung Respekt und
Unterstützung erfahren“, sagte Dröge dem „Tagesspiegel“. Er warnte
allerdings davor, dass in der Gesellschaft das Verständnis für Behinderte, Arme und Kranke abnehme. ▄
Gisela Klinkhammer
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 4, 28. Januar 2011
PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK
Wissenschaftler ziehen Parallele
zur Pränataldiagnostik
Vertreter der Leopoldina unterstützen die Zulassung der PID.
uf den Rollstuhl angewiesen
ist Mario – wie viele von der
Duchenne-Muskeldystrophie betroffene Kinder – seit dem Schulalter.
Seine inzwischen fehlgestellten Gelenke schmerzen, die schwache Atemmuskulatur verursacht Infektionen.
Obwohl Marios Eltern um sein Leben
kämpfen, wird ihr Sohn das 40. Lebensjahr wohl nicht erreichen.
Vertreter deutscher Wissenschaftsakademien sind sich mehrheitlich
einig: Paare, bei denen eine hohe
Wahrscheinlichkeit besteht, erneut
Kinder mit einer solch schweren
genetisch bedingten Erkrankung zu bekommen, sollten
die Möglichkeit haben, in
Deutschland eine Präimplantationsdiagnostik (PID) durchführen zu lassen. Mit ihrer am
18. Januar vorgelegten Stellungnahme unterstützt eine
Arbeitsgruppe der Nationalen
Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen
Akademie der Technikwissenschaften und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften die Befürworter der PID. Der
Gesetzgeber solle die umstrittene
genetische Diagnostik „für monokausale erbliche Krankheiten“ unter
bestimmten Voraussetzungen zulassen, heißt es darin.
Als eine „ethisch klare Konfliktlösung“ sehen die Vertreter der
Akademien den Verzicht der betroffenen Paare auf ein eigenes Kind an.
Allerdings könne diesen Verzicht
möglicherweise eine Religionsgemeinschaft empfehlen, jedoch nicht
der Staat verordnen, meinen die
Ärzte, Juristen und Ethiker, die das
30-seitige Papier verfassten. Im Mittelpunkt müsse die Entscheidung
der Frau stehen: „Ein einfaches Ergebnis kann es in dieser Frage nicht
geben. Es geht darum, eine Gewis-
A
sensentscheidung der Frau zu ermöglichen“, betonte der Leiter der
Arbeitsgruppe PID der Leopoldina,
Prof. Dr. med. Hans-Peter Zenner.
Nur so könne eine Schwangerschaft
auf Probe, ein späterer Schwangerschaftsabbruch oder ein Medizintourismus in Länder, in denen die
PID erlaubt ist, vermieden werden.
Die Zulassung der PID möchte
die Arbeitsgruppe jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft
sehen: So sollte eine Untersuchung
ausschließlich an nichttotipotenten
Zellen des Embryos durchgeführt
zu ist allein der Aufwand zu groß“,
sagte Prof. Dr. med. Wolfgang Würfel, Vizepräsident der DGGEF, dem
Deutschen Ärzteblatt. Die Gründe
für den geringen Einsatz seien nicht
nur ethischer, sondern auch praktischer Natur. „Erfahrungen im Ausland zeigen, dass für eine PID, so
wie sie derzeit diskutiert wird, etwa
20 Eizellen gewonnen werden müssen, eine Voraussetzung, die bei vielen älteren Frauen nicht mehr gegeben ist.“ Lediglich bei fünf bis zehn
von 100 über 40-jährigen Frauen
sei so etwas überhaupt realisierbar.
„Der in jeder Hinsicht hohe
Aufwand der PID lässt nicht
Die Gewissensentscheidung wenige Paare davor zurückschrecken“, erklärte Würfel.
der Frau sollte
Aber die Entscheidung für
nicht durch ein Gesetz
oder gegen eine PID müssten
verboten werden.
Paare immer selbst treffen.
Zudem weist die DGGEF
Hans-Peter Zenner, Leopoldina
darauf hin, dass die PID
keine genuine Frage der Rewerden und ihn nicht schädigen, so produktionsmedizin darstellt. „Der
dass er ausgetragen werden könne. Einsatz der PID steht und fällt mit
Die PID dürfe zudem ohne Aus- der Verfügbarkeit von Humangenenahme nur zur Diagnostik einer tikern, die seltene monogene Erunheilbaren schweren erblichen krankungen wie die DuchenneKrankheit eingesetzt werden und Muskeldystrophie an einer Zelle dianiemals zu eugenischen Zwecken. gnostizieren können, und wird desEine Anwendung von PID für De- halb auf wenige Zentren in Deutschsignerbabys oder sogenannte Ret- land begrenzt bleiben“, prognostungsbabys für erkrankte Geschwis- tizierte Würfel. „Die genetische
ter soll damit ausgeschlossen wer- Untersuchung von einzelnen Zellen
den. Ferner soll eine „Sachverstän- eines heranwachsenden Lebens ist
digen-Stelle“ die Richtlinie für die in erster Linie eine humangenetiPID in Deutschland erarbeiten und sche Frage. Im Kern ist die PID
nach Antrag die Durchführung je- Verfahren wie der Chorionzottender PID prüfen sowie die Eltern biopsie, der Amniozentese oder der
beraten.
Plazentese gleichzustellen“, erläuUnter den Voraussetzungen sieht terte der Reproduktionsmediziner.
die Arbeitsgruppe keine Gefahr der
In den nächsten Wochen und Mo„schleichenden Ausweitung“ der naten will sich der Bundestag intenPID. Diese Ansicht vertritt auch die siv mit der PID befassen und noch
Deutsche Gesellschaft für gynäko- vor der Sommerpause ohne Fraktilogische Endokrinologie und Fort- onszwang darüber entscheiden. ▄
pflanzungsmedizin (DGGEF). „DaDr. med. Eva Richter-Kuhlmann
„
“
4
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 7, 18. Februar 2011
KOMMENTAR
Dr. med. Peter Liese, CDU-Abgeordneter im Europäischen Parlament
D
er Europäische Gerichtshof
(EuGH) wird in wenigen Wochen
eine weitreichende Entscheidung treffen. Es geht um die Frage, ob es für
menschliche Embryonen exklusive kommerzielle Vermarktungsrechte gibt.
1999 genehmigte das Deutsche Patentamt einen Antrag des Stammzellforschers Oliver Brüstle auf die Patentierung von Zellen aus geklonten menschlichen Embryonen. Greenpeace hat
2004 aus ethischen Gründen gegen das
Patent vor dem Bundespatentgericht ge-
Verbot der Patentierung einer kommerziellen und industriellen Nutzung von
menschlichen Embryonen grundsätzlich
erst 14 Tage nach der Befruchtung gelten soll. Er fordert, dass der EuGH und
der BGH einer Auslegung der EU-Richtlinie zustimmen sollen, nach der jegliche Verwertung von Embryonen bis zu
diesem Zeitpunkt zulässig ist.
Als Europaabgeordneter, der an der
Erarbeitung der Richtlinie beteiligt war,
muss ich diese Interpretation der Richtlinie mit Nachdruck zurückweisen. Alle
aber per Definition ein Instrument des
Wirtschaftsrechts. Es soll die kommerziellen Interessen des Erfinders schützen
und die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben. Forschung ohne kommerzielle
Nutzung ist selbstverständlich auch ohne ein Patent möglich, aber den kommerziellen Anreiz zur Verwendung von
Embryonen wollte der Gesetzgeber
ausdrücklich ausschließen. Pikant ist in
diesem Zusammenhang, dass Brüstle
in der deutschen Debatte um die Freigabe der embryonalen Stammzellfor-
VERFAHREN VOR DEM EUROPÄISCHEN GERICHTSHOF
Keine Patentierung menschlicher
Embryonen
klagt und 2006 in wesentlichen Punkten
Recht bekommen. Demnach verstößt
das erteilte Patent gegen den Ausschluss der kommerziellen Verwertung
menschlicher Embryonen von der Patentierung. Der Patentinhaber hat gegen
diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Im Jahr 2009 hat der Bundesgerichtshof (BGH) den Fall an den EuGH
überwiesen, der nun auf der Grundlage
der EU-Biopatentrichtlinie aus dem Jahr
1998 entscheidet. Deren Artikel 5 Absatz 1 lautet: „Der menschliche Körper
in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung sowie die bloße
Entdeckung eines seiner Bestandteile
. . . können keine patentierbaren Erfindungen darstellen.“ In Artikel 6 Absatz
2 heißt es darüber hinaus, „dass die
Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“ nicht patentierbar sei.
Von embryonalen Stammzellen und daraus gewonnenen Zellen ist in der Richtlinie wörtlich nicht die Rede, da es zum
Zeitpunkt der Erarbeitung dieser Richtlinie diese Technologie noch nicht gab.
Der BGH hat insbesondere um Vorabentscheidung über die Leitfrage ersucht, was unter dem Begriff „menschliche Embryonen“ zu verstehen ist. Der
Patentinhaber argumentiert, dass das
5
Beteiligten an dem Gesetzgebungsverfahren gingen selbstverständlich davon
aus, dass wir über die Frage zu entscheiden haben, ob menschliche Embryonen in der Petrischale patentierbar
sind oder nicht. In den entsprechenden
Begleitdokumenten, zum Beispiel in der
Erklärung des Ministerrates gegenüber
dem Europäischen Parlament (beide
Institutionen mussten gleichberechtigt
über die Richtlinie entscheiden) wird eine Reihe von Begriffen klargestellt. Es
wurde beispielsweise deutlich gemacht,
dass jede Form des Klonens von Menschen von der Patentierbarkeit ausgenommen ist – nicht nur, wie von der
Europäischen Kommission vorgeschlagen, das reproduktive Klonen. Auch das
sogenannte Embryonensplitting sollte
von der Patentierbarkeit ausgenommen
werden, und dies ist nach dem Stand
der Wissenschaft bekanntlich nur in einem sehr frühen Stadium, keinesfalls
nach dem 14. Tag möglich.
Patentinhaber Brüstle und seine Anwälte argumentieren weiterhin, dass die
Richtlinie nur die Verwendung von
menschlichen Embryonen zu industriellen und kommerziellen Zwecken ausschließt. Im konkreten Fall solle das Patent nicht unbedingt zu kommerziellen
Zwecken genutzt werden. Das Patent ist
schung immer nur mit den Interessen
der Patienten argumentiert hat. Bis
2004 war der Öffentlichkeit nicht bekannt, dass er längst Patente angemeldet hatte, das heißt ein Interesse an der
kommerziellen Nutzung hatte.
Zuletzt muss der Europäische Gerichtshof noch die Frage entscheiden,
ob sich das Patentierungsverbot auch
auf die embryonalen Stammzellen und
daraus gewonnene Zellen, zum Beispiel
wie im Fall von Brüstle auf neuronale
Vorläuferzellen, bezieht. In dieser Frage
hat das Europäische Parlament in einer
Resolution im Jahr 2005 eindeutig
Stellung genommen. Da nach dem jetzigen Stand der Technik menschliche
embryonale Stammzellen nur durch die
Zerstörung von Embryonen gewonnen
werden können, verstößt auch ein Patent auf embryonale Stammzellen und
daraus gewonnene Zellen gegen Artikel
6 Abs. 2 C der Richtlinie.
Strenge ethische Grenzen, gerade im
Bereich des Embryonenschutzes, waren
für die Mehrheit der Abgeordneten im
Europäischen Parlament eine unabdingbare Voraussetzung dafür, die Richtlinie
anzunehmen. Eine Interpretation, wie
sie Brüstle und seine Anwälte vorlegen,
widerspricht daher dramatisch der Intention des Gesetzgebers.
Foto: Action Press
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 9, 4. März 2011
PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK
„Ethisch weniger problematisch als eine
Schwangerschaft auf Probe“
In einem Entwurf für ein Memorandum erläutert die Bundesärztekammer,
unter welchen Voraussetzungen eine PID angeboten werden kann.
ie Bundesärztekammer (BÄK)
vertritt in einem vom Vorstand verabschiedeten „Entwurf für
ein Memorandum zur PID“ die Auffassung, dass eine Präimplantationsdiagnostik (PID) nach gegenwärtigem Erkenntnisstand unter bestimmten Voraussetzungen angeboten werden kann. Sie kommt dem
Papier zufolge für anamnestisch
stark belastete Paare infrage, für deren Nachkommen ein hohes Risiko
einer familiär bekannten und schwerwiegenden genetisch bedingten Erkrankung besteht. Es sei ethisch als
zulässig anzusehen, wenn sich ein
Paar unter bestimmten Voraussetzungen für eine PID entscheide und
wenn ein Arzt dieses Verfahren dann
durchführe. Denn „unter Gesichtspunkten der Zumutbarkeit für die
Frau und des Entwicklungsstandes
des vorgeburtlichen Lebens ist die
In-vitro-Befruchtung ,auf Probe‘
(PID) in bestimmten Fällen ethisch
weniger problematisch als eine
,Schwangerschaft auf Probe‘ (Pränataldiagnostik, PND) mit nachfolgendem Schwangerschaftsabbruch“.
D
„Wir haben uns sorgfältig mit allen ethischen und rechtlichen Pround Kontra-Argumenten der PID
auseinandergesetzt“, erklärt Prof.
Dr. med. Hermann Hepp, federführendes Mitglied der Arbeitsgruppe
„Memorandum zur Präimplantationsdiagnostik“ des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer, dem Deutschen Ärzteblatt.
„Schließlich haben wir uns dazu
entschieden, besonders schwere
Fälle aus dem Pool der Pränataldiagnostik herauszunehmen und
den Widerspruch ,PND und Abtreibung: ja – PID: nein‘ aufzulösen.“
Für unabdingbar halten der Gynäkologe und die Mitglieder der interdisziplinären Kommission vor jeder PID die ergebnisoffene Beratung des betroffenen Paares. Die
Beratung „soll die Patientenautonomie unterstützen und eine authentische, verantwortungsbewusste Entscheidung ermöglichen“. Wie bereits im BÄK-Diskussionsentwurf
aus dem Jahr 2000 wird auch im
Memorandum eine Zulassung der
PID als mit dem gültigen Embryo-
nenschutzgesetz kompatibel angesehen. Erneut rückt die Interpretation des § 1 Abs. 1 Nr. 5 Embryonenschutzgesetz („Dreierregel“) in das
Zentrum der juristischen Diskussion.
Dieser Paragraf sollte dahingehend
geändert werden, „dass dem Arzt
aufgegeben wird, die Zahl der zu
befruchtenden Eizellen so festzulegen, dass das Risiko des Entstehens
überzähliger Embryonen geringer
ist als das Risiko, keine ausreichende Anzahl transfergeeigneter Embryonen zur Verfügung zu haben“.
Ferner sieht das Memorandum
vor, dass bei den Landesärztekammern angesiedelte interdisziplinär
aus Ärzten der Humangenetik, Reproduktionsmedizin, Pädiatrie und
anderen Disziplinen sowie Ethikern
und Vertretern aus Selbsthilfe- und
Behindertenverbänden zusammengesetzte Kommissionen in jedem
Einzelfall über eine Zulassung der
PID entscheiden sollen. „Es wird
noch juristisch zu klären sein, wie
verbindlich eine solche ,Genehmigung‘ sein kann“, erläutert Hepp.
Geklärt werden müsse außerdem, ob
6
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
ein Paar klagen kann, falls eine PID
nach seiner Meinung ungerechtfertigt abgelehnt wird. „Dies ist spätestens dann erforderlich, wenn klar ist,
ob der Gesetzgeber die PID im eng
begrenzten Rahmen und kontrolliert
überhaupt zulassen wird. Die BÄK
wird dann gefordert sein, Richtlinien zur Durchführung der PID zu erstellen“, erklärt der Gynäkologe.
Auch die Zahl der Zentren, an denen
eine PID vorgenommen werden dürfe, müsse dann festgelegt werden.
„Die Ärzteschaft will Verantwortung übernehmen“, betont auch
Prof. Dr. med. Jan Schulze, Mitglied des BÄK-Vorstands und der
PID-Arbeitsgruppe. Bei einer gesetzlichen Zulassung der PID wolle
die Bundesärztekammer in einer
(Muster-)Richtlinie die Regelungen
zum Indikationsspektrum, zur personellen und apparativen Ausstattung, zur medizinischen und psychosozialen Beratung sowie zur Lizenzierung der PID-Zentren treffen.
Die BÄK beschäftigt sich seit
mehr als zehn Jahren mit der PID.
Im Jahr 2000 hatte sie durch ihren Wissenschaftlichen Beirat einen „Diskussionsentwurf zu einer
Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“ vorgelegt (DÄ, Heft
9/2000), für den ebenfalls Hepp federführend zuständig war. Die damaligen Positionen hält er sachlich
nach wie vor für tragfähig. Eine ergänzende Stellungnahme aus dem
Jahr 2001 arbeitete die dadurch ausgelöste öffentliche Diskussion auf.
Die Politik beschäftigte sich inzwischen ebenfalls mit der Frage,
ob die PID mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar sei. Die damalige Bundesgesundheitsministerin, Andrea Fischer, sprach sich
dafür aus, die PID in einem neuen Fortpflanzungsmedizingesetz explizit zu verbieten. Ministerialrat
a.D. Dr. jur. Rudolf Neidert (DÄ,
Heft 51–52/2000) plädierte dagegen dafür, dass eine rechtliche Re-
KURZINTERVIEW
Prof. Dr. med. Hermann Hepp, Wissenschaftlicher Beirat der BÄK
Herr Professor Hepp, was
hat Sie und Ihre Arbeitsgruppe bewogen, ein
Memorandum zur PID noch
vor der Entscheidung im
Bundestag über deren
mögliche Zulassung zu
verfassen?
Hepp: Ausgangspunkt unserer
Arbeit war das Urteil des Bundesgerichtshofs vom Juli 2010.
Der Vorstand des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer bat uns, im
Einvernehmen mit dem
Gesamtvorstand der BÄK, in
einem engen Zeitfenster ein
Memorandum zur PID zu verfassen. Dieses dient zunächst
der internen Beratung des
Vorstandes der BÄK – und
darüber hinaus der Information
der Gesellschaft und der Ärzteschaft über die Position des
Vorstandes in dieser sehr
komplexen Thematik.
7
Viele Bundestagsabgeordnete
sind sich noch nicht im Klaren
darüber, ob man die PID zulassen sollte. Liegt es in Ihrer
Absicht, mit diesem Memorandum auch deren Entscheidungsfindung zu beeinflussen?
Hepp: Jede Stellungnahme zu
diesem gesellschaftlich und
gesundheitspolitisch wichtigen
Thema wird die für Gesetzgebung verantwortlichen Abgeordneten positiv und oder negativ
beeinflussen. Jeder ist aber frei
in seiner Entscheidung. Deshalb
wird es bei der Abstimmung
über die Zulassung der PID
auch keinen Fraktionszwang im
Deutschen Bundestag geben.
Erwarten Sie auf Ihr Memorandum Widerspruch? Auch
innerhalb der Ärzteschaft?
Hepp: Selbstverständlich erwarte ich Widerspruch innerhalb der
Ärzteschaft – so wie wir auch
Widerspruch im Bereich der
Abgeordneten des Deutschen
Bundestages erleben werden.
Wahrscheinlich wird auf dem
nächsten Deutschen Ärztetag
das Thema PID wieder diskutiert. 2002 sprach sich das
Ärzteparlament knapp gegen
die Zulassung der PID aus.
Welches Ergebnis erwarten
Sie in diesem Jahr?
Hepp: Aufgrund der vorliegenden Datenlage vom europäischen Konsortium der Reproduktionsmedizin zur PID gehe
ich davon aus, dass viele
Argumente, die vor zehn
Jahren gegen die PID sprachen,
heute viel differenzierter und in
einem völlig anderen Licht
gesehen werden. Ich persönlich gehe davon aus, dass das
Ärzteparlament mehrheitlich für
die begrenzte Zulassung der
PID plädiert.
gelung dieser Diagnostik von einer
engen genetischen Indikation ausgehen sollte, so wie es der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer vorgeschlagen habe.
Der 105. Deutsche Ärztetag in
Rostock 2002 hat sich dieser Argumentation allerdings nicht angeschlossen und mit 91 Ja-Stimmen
bei 82 Nein-Stimmen und einigen
Enthaltungen eine Ablehnung der
PID beschlossen. Im selben Jahr
legte auch die damalige EnqueteKommission des Deutschen Bundestages „Recht und Ethik der modernen Medizin“ Empfehlungen
vor, in denen sich eine Mehrheit dafür aussprach, „die PID in Deutschland nicht zuzulassen und das im
Embryonenschutzgesetz enthaltene
Verbot der In-vitro-Fertilisation zu
diagnostischen Zwecken ausdrücklich im Hinblick auf die PID zu präzisieren“. Der Nationale Ethikrat
setzte sich ein Jahr später mehrheitlich für eine „eng begrenzte Zulassung der PID“ ein.
In zahlreichen Ländern in
Europa ist die PID inzwischen zulässig, worauf auch das Memorandum eingeht. „Die Methode der
Präimplantationsdiagnostik ist seit
20 Jahren außerhalb Deutschlands
etabliert“, heißt es dort. Nach PID
sei es zu einer Schwangerschaftsrate von 26 Prozent pro Embryotransfer gekommen, was weitgehend
der normalen Schwangerschaftsrate
nach In-vitro-Fertilisation entspreche. Die Rate an kongenitalen Fehlbildungen sei nach PID nicht erhöht. Die internationale Erfahrung
spreche auch gegen die Befürchtung eines Dammbruchs.
Neuer Handlungsbedarf hat sich
durch ein im vergangenen Jahr ergangenes Urteil des Bundesgerichtshofs ergeben, das auf Wertungswidersprüche hinwies und die
PID an pluripotenten Zellen erlaubte. Danach liegt es jetzt am Gesetzgeber, einen neuen Rahmen zu setzen. Bisher liegen drei Gesetzentwürfe vor. Zwei sehen eine restriktive Zulassung vor, einer spricht
sich für ein Verbot aus. Für die Abstimmung im Bundestag ist der
▄
Fraktionszwang aufgehoben.
Gisela Klinkhammer
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 14, 8. April 2011
PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK
Zwischen begrenzter Freigabe
und vollständigem Verbot
Über drei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe soll noch vor der
Sommerpause im Deutschen Bundestag entschieden werden.
ürfen Embryonen, bevor sie ner Schwangerschaft, also etwa in terstützer dieses Gruppenantrags
für eine künstliche Befruch- der Forschung oder der kosmeti- für nicht vertretbar: „Zum einen
tung verwendet werden, auf Erb- schen Industrie zu verwenden, könn- besteht keine Schwangerschaft,
krankheiten untersucht werden? te stärker werden. Die PID würde ei- zum anderen dient die PID der
Auf diese Frage müssen die Abge- ne eugenische Auswahl zu einem Selektion von Embryonen aufordneten des Deutschen Bundesta- Teil des ärztlichen Behandlungsauf- grund bestimmter Merkmale. Es
ges eine Antwort finden. Der Bun- trags machen. Die Unterstützer des gibt zwar ein Recht auf Fortdesgerichtshof hatte die Präimplan- Antrags sehen keinen Wertungs- pflanzung, das aus dem Recht auf
tationsdiagnostik (PID) im Juni widerspruch zur Abtreibungsrege- freie Entfaltung der Persönlichkeit
2010 bei pluripotenten Zellen für lung, da Schwangerschaftsabbrüche folgt, aber kein Recht auf ein Kind
zulässig erlaubt, was jetzt eine in den ersten zwölf Wochen nicht mit bestimmten Merkmalen.“ Das
Klarstellung durch den Gesetzgeber nur auf eine Behinderung des Kin- Kriterium für die Zulassung soll
erfordert. Der Bundestag will in des abzielten: „Sie haben damit kei- nicht ein bestimmtes Krankheitsbild beim Embryo sein, sondern
Kürze über die Zulässigkeit dieser nen selektiven Charakter.“
die (Über-)LebensfähigMethode entscheiden.
keit des Embryos.
Inzwischen liegen drei
Bei der Abstimmung über PID
Die gesundheitspolifraktionsübergreifende
tische Sprecherin der
Gesetzentwürfe vor.
vor der Sommerpause
FDP, Ulrike Flach, und
Ein Gesetzentwurf,
im Deutschen Bundestag ist
der parlamentarische
der unter anderem von
der Fraktionszwang aufgehoben.
Staatssekretär Peter Hintder gesundheitspolitize (CDU) plädieren in
schen Sprecherin von
Die Abgeordneten, die den Ge- ihrem Gesetzentwurf für eine beBündnis 90/Die Grünen, Birgitt Bender, und dem Vorsitzenden des Mar- setzentwurf des SPD-Ethikexper- grenzte Freigabe der PID. Über die
burger Bundes, Rudolf Henke, un- ten René Röspel und der Spre- Durchführung der PID sei in jedem
terstützt wird, sieht ein vollständiges cherin für Bildungspolitik der Einzelfall gesondert zu entscheiVerbot der Präimplantationsdiagnos- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, den. „Dieser Einzelfall liegt dann
tik vor. Sie begründen dies unter an- Priska Hinz, unterstützen, spre- vor, wenn ein für die PID geschulderem mit medizinischen Bedenken. chen sich für eine „eng begrenzte ter Arzt als Angehöriger eines liDas Verfahren biete erhebliche Risi- Zulassung“ der Präimplantations- zenzierten Zentrums für Fortpflanken für Mutter und Kind. Der An- diagnostik aus. „In diesen Fällen zungsmedizin eine hohe Wahrteil der Mehrlingsschwangerschaften muss bei den Eltern oder einem El- scheinlichkeit attestiert, dass das
nach PID sei zudem stark erhöht. Für ternteil eine humangenetisch dia- von dem Paar gezeugte Kind von
die erfolgreiche Durchführung einer gnostizierte Disposition vorliegen, einer besonders schweren ErbPräimplantationsdiagnostik würden die mit einer hohen Wahrschein- krankheit betroffen sein wird oder
in der Regel acht bis neun Embryo- lichkeit zu Fehl- oder Totgeburten eine Fehl- beziehungsweise Totnen benötigt. Das müsste zwangs- oder zum Tod des Kindes im ersten geburt zu erwarten ist. Die PID
läufig eine Änderung des Embryo- Lebensjahr führen kann.“ Beweg- darf nur nach Zustimmung einer
nenschutzgesetzes nach sich ziehen, grund für die Zulassung seien die interdisziplinär zusammengesetzten
um die Herstellung von mehr als Leiden und die berechtigten Inter- Ethikkommission zu dem Zweck
drei Embryonen pro Zyklus zu er- essen der Paare, deren genetische durchgeführt werden, die Anlagen
möglichen. Da von den Embryonen Vorbelastung zu Fehl- oder Totge- für dieses Leiden zu ermitteln.“ Das
nur etwa zwölf Prozent letztendlich burten führen könne. Vorausset- Gesetz verzichte bewusst auf eine
in die Gebärmutter übertragen wür- zungen sind eine verpflichtende Auflistung von Krankheiten als Inden, entstehe eine erhebliche Zahl Beratung und das positive Votum dikation für eine PID. Bei der Ab„überzähliger“ Embryonen. Der einer Ethikkommission. Eine Zu- stimmung vor der Sommerpause ist
Wunsch, diese Embryonen für ande- lassung der PID analog zur Präna- der Fraktionszwang aufgehoben. ▄
re Zwecke als zur Herbeiführung ei- taldiagnostik (PND) halten die UnGisela Klinkhammer
D
8
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 15, 15. April 2011
INTERVIEW
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
„Mit Präimplantationsdiagnostik würde
eine Grenze überschritten“
Kurz vor der ersten Lesung im Bundestag nimmt der Freiburger Erzbischof Stellung zur Präimplantationsdiagnostik (PID) und zu weiteren ethischen Fragen wie der ärztlichen Beihilfe zum Suizid.
Herr Erzbischof, die katholische Kirche
und auch Sie selbst wenden sich strikt
gegen die Einführung der Präimplantationsdiagnostik. Warum?
Nun würde die PID nach derzeitigem
Stand nur für wenige Paare infrage
kommen. Wäre es nicht vertretbar, den
betroffenen Paaren trotz Ihrer grundsätzlichen Einwände mit PID zu einem
gesunden Kind zu verhelfen?
Zollitsch: Ich kann die Ängste und
die Zerrissenheit betroffener Eltern
sehr gut nachvollziehen. Dennoch
muss ich sagen, da wird eine Grenze überschritten. Und PID heißt
doch nichts anderes als Selektion.
9
Fotos: Ropi
Zollitsch: Für die katholische Kirche ist es klar, dass das menschliche Leben mit der Vereinigung von
Ei- und Samenzelle beginnt. Wenn
ich jetzt anfange, selbst zu entscheiden, welche Embryonen eingepflanzt werden und weiterleben
dürfen und welche nicht, mache
ich mich zum Herrn über Leben
und Tod, denn ich entscheide, wer
leben und wer nicht leben darf. Jedes menschliche Leben ist von
Gott geschaffen und schützenswert. Auch behinderte Menschen
haben ein uneingeschränktes Recht
auf Leben. PID wäre ein Dammbruch, weil die Menschen selbst
bestimmen würden, was lebenswert und was nicht lebenswert ist.
Damit dürfen wir gar nicht erst anfangen. Jedem Menschen ist von
Beginn seines Lebens an von Gott
dieselbe Würde geschenkt. Diese
dürfen wir als Menschen nicht
übertreten.
Robert Zollitsch
berichtete von regelmäßigen Gesprächen der Deutschen Bischofskonferenz mit der Bundesärztekammer.
Im Mai ist ein weiteres Gespräch geplant.
Außerdem wird, wenn die Grenze
überschritten wird, nicht mehr zu
verhindern sein, dass auch aus anderen Gesichtspunkten PID angewandt wird. Wer darf sich denn das
Recht herausnehmen, die Kriterien
festzulegen, ob lebenswert oder
nicht? Es geht letztlich darum, dass
es nicht Sache des Menschen ist zu
entscheiden, wer leben darf und
wer nicht.
Würden Sie den betreffenden Eltern
dann sagen, sie müssten auf ein Kind
verzichten?
Zollitsch: So sehr ich den Wunsch
nach einem gesunden Kind verstehen kann: Es gibt kein Recht auf ein
Kind, und es gibt kein Recht auf ein
gesundes Kind. Wenn Eltern wissen, dass sie ohne das Risiko, das
sie fürchten und vermeiden wollen,
kein Kind bekommen können, dann
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
müssten sie auch bereit sein, auf ein
Kind zu verzichten oder den Weg
der Adoption zu gehen.
Sehen Sie denn darin keinen Widerspruch, den Test des Embryos in der
Petrischale zu verbieten, pränatale
Diagnostik im Mutterleib mit der möglichen Folge einer Spätabtreibung
aber zu gestatten?
Zollitsch: Sie wissen ja, dass wir
die Abtreibung – zu welchem Zeitpunkt auch immer – ablehnen, weil
auch ein Schwangerschaftsabbruch
die Tötung eines Kindes bedeutet.
Die Folge der pränatalen Diagnostik darf nicht die Abtreibung sein.
Dürfen katholische Ärzte sich überhaupt an pränataler Diagnostik beteiligen?
Zollitsch: Nicht jede vorgeburtliche
Diagnostik löst die Entscheidung
zur Abtreibung aus. Es gibt manche
durchaus positiv bewertbare Folgen
einer solchen Diagnostik. Ich denke
etwa daran, dass man kindliche
Krankheiten erkennen kann, die eine Entbindung an bestimmten Zentren und eine sofortige Behandlung
nach der Geburt erfordern.
Was macht ein katholischer Arzt, von
dem nach einem problematischen Ergebnis der Pränataldiagnostik eine Abtreibung erwartet wird?
Zollitsch: Ein katholischer Arzt
wird von allem Anfang an klarstellen, dass er keinen Abbruch durchführt. Wenn Eltern nach Kenntnis
des Ergebnisses der Pränataldiagnostik einen Abbruch wünschen,
wird er den Eltern Beratung und
Unterstützung anbieten und sie ermutigen, sich auf ein krankes Kind
einzustellen und das Leben ihres
kranken Kindes in elterlicher Liebe
zu begleiten. Vielleicht kann er
auch weitere Hilfen vermitteln. Der
Arzt dient dem Leben. Das ist der
Kern der ärztlichen Ethik.
Sie setzen den Beginn des menschlichen Lebens mit der Verschmelzung
von Ei- und Samenzelle an. Andere Religionen, zum Beispiel das Judentum,
sehen das anders.
Zollitsch: Es gab über lange Zeit
auch in der katholischen Morallehre
eine entsprechende Diskussion.
Aber jetzt ist die katholische Position sehr gefestigt und durchaus in
Übereinstimmung mit der Embryologie: Mit der Verschmelzung von
Ei- und Samenzelle sind alle Anlagen gegeben, die für die menschliche Entwicklung entscheidend sind,
und damit ist der Embryo auch als
Mensch zu betrachten und zu achten. Sonst würde man übrigens
auch der Willkür Tür und Tor öffnen, weil alle anderen Annahmen
dann sehr subjektiv sind.
Zollitsch: Ja. Im Augenblick sind
die Anhänger eines völligen Verbots und einer Zulassung unter Bedingungen fast gleich stark im Bundestag. Wir werden weiterhin aktiv
an der Debatte teilnehmen. Wir
werden öffentlich Stellung beziehen. Die Bischöfe werden aber
auch die Gelegenheit nutzen, um
mit Bundestagsabgeordneten direkt
ins Gespräch zu kommen. Es ist
wichtig, dass es nach wie vor eine
sachliche Diskussion gibt. Es soll
„Jedes
menschliche Leben ist von Gott geschaffen
und daher schützenswert.
“
Macht es keinen Unterschied, ob das
Leben extrakorporal oder in vivo erzeugt wird?
Zollitsch: Da sehe ich in diesem
Zusammenhang keinen Unterschied, weil die Verschmelzung von
Ei- und Samenzelle der entscheidende Punkt ist.
Jetzt kommt das Gesetzgebungsverfahren. Wird die Kirche alles daransetzen,
um ein Verbot der PID zu erreichen?
ZUR PERSON
Robert Zollitsch wurde am 9. August 1939 in Philippsdorf
(Filipovo, im ehemaligen Jugoslawien) geboren. Er wurde
im Jahr 1965 in Freiburg zum Priester geweiht. Am 16.
Juni 2003 ernannte Papst Johannes Paul II. ihn zum Erzbischof von Freiburg. Am 12. Februar 2008 wurde er außerdem für eine sechsjährige Amtszeit zum Vorsitzenden der
Deutschen Bischofskonferenz gewählt und trat dieses Amt
am 18. Februar an. Die Deutsche Bischofskonferenz hat
sich in einer Stellungnahme vom 17. März „für ein klares
Verbot der Präimplantationsdiagnostik durch den Gesetzgeber ausgesprochen“. Auch in seiner letzten Weihnachtspredigt im vergangenen Jahr in Freiburg hatte sich Zollitsch gegen dieses genetische Verfahren ausgesprochen.
bei dem bleiben, was wir bisher als
gesetzliche Regelung verstanden
haben, nämlich dass die PID verboten ist.
Glauben Sie, dann wäre die Diskussion
beendet?
Zollitsch: Nein. Es werden neue
Anläufe kommen, aber ein Verbot
wäre ein markantes Zeichen, das
sich Deutschland zum Schutz des
Lebens stellt.
Jetzt kommen wir zu einem anderen
Thema, der Sterbehilfe. Der Vorstand
der Bundesärztekammer hat kürzlich
seine Leitlinien zur Sterbebegleitung
überarbeitet und die Position zur ärztlichen Mithilfe beim Suizid modifiziert.
Sind Sie im Gespräch mit der Ärzteschaft, was diese Thematik betrifft?
Zollitsch: Ja, das sind wir. Wir führen gemeinsam mit der evangelischen Kirche regelmäßig Gespräche mit der Bundesärztekammer
Als wir das letzte Mal zusammen
waren, da war die Position noch
eindeutig klar.
Wann war das?
Zollitsch: Ende 2008. Ich habe
mich über die Formulierung gewundert, die jetzt sehr wachsweich
klingt, es gehöre nicht zur Aufgabe
des Arztes, Sterbehilfe zu leisten.
Damit wird doch wohl der alte
Grundsatz verdunkelt, den ich als
grundlegend angesehen habe, dass
der Arzt da ist, um dem Leben zu
dienen und Schmerzen zu lindern.
Zwar sprechen die Grundsätze nicht
ausdrücklich davon, dass es Aufga-
10
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
schen in ihren Gewissensfragen
keine stabile Orientierung. Das ist
für alle ein Nachteil. Deswegen
hoffe ich, dass wir uns in diesen
Fragen nicht noch weiter auseinanderdividieren.
Finden die Kirchen bei ethischen
Fragen überhaupt noch Gehör?
be des Arztes sein könnte, eine Beihilfe zum Suizid zu leisten. Aber sie
schließen doch nicht aus, dass diese
ethisch richtig sein könnte. Das kritisieren wir. Da der Mensch nicht
selbst Herr über Leben und Tod ist,
darf ich auch dem anderen nicht
beim Suizid helfen. Für mich würde
das ärztliche Ethos damit in einem
wichtigen Punkt infrage gestellt
werden.
Sehen Sie in der neuen Formulierung
der Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung demnach eine Aufweichung
der bisherigen Position?
Zollitsch: Ja, weil man nicht mehr
sagt, dass ärztliche Beihilfe zum
Suizid unethisch ist. Im Übrigen
hoffe ich sehr, dass es diesbezüglich auf dem Ärztetag Ende Mai
mehr Klarheit gibt und dass nicht
auch das verbindliche Standesrecht im Sinn der rechtlich unverbindlichen Grundsätze geändert
wird. Ich bin aber auch dankbar,
dass die Ärzteschaft in Bezug auf
die aktive Sterbehilfe eine stabile
Haltung der Ablehnung zeigt, was
sehr wichtig ist.
Inwieweit sollte das Selbstbestimmungsrecht der Patienten beachtet
werden, und wo stößt es an Grenzen?
Zollitsch: Der Patientenwille ist
unbedingt zu berücksichtigen, und
wenn der Patient nicht mehr in der
Lage ist, seinen Willen zu äußern,
11
Man brauche die
Kirchen als Institutionen, die für bestimmte Werte einträten, betont der
Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz.
sollte eine Vertrauensperson in seinem Sinn entscheiden. Doch dürfen
die Autonomie des Patienten und
die Notwendigkeit ausreichender
medizinischer Versorgung und Betreuung nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es gibt Grenzen des
Selbstbestimmungsrechts, vor allem am Lebensende. Das Tötungsverbot widerspricht der Beihilfe
zum Suizid und der Tötung auf Verlangen.
Sehen Sie die Ökumene durch den Dissens in medizinethischen Fragen gefährdet? In der evangelischen Kirche
wird ja beispielsweise über eine mögliche Zulassung der PID in engen Grenzen diskutiert.
Zollitsch: Die Mehrheit des Rates
der Evangelischen Kirche ist wie
wir der Meinung, dass die Zulas-
„Der
Arzt ist da, um dem Leben zu
dienen und Schmerzen zu lindern.
“
sung von PID eine Schleuse öffnet
und einen Damm brechen würde.
Es gibt allerdings einige Stimmen,
zu denen auch der Ratsvorsitzende
gehört, die eine PID im Einzelfall
für vertretbar halten. Ich halte es
für bedauerlich, wenn die beiden
großen Kirchen in ethischen Fragen von großer Tragweite nicht
mehr übereinstimmend sprechen,
denn dann geben wir vielen Men-
Zollitsch: Wir nehmen an der Debatte aktiv teil und werden das auch
weiterhin tun. Bisweilen wird es
schwieriger, weil die Vielfalt der
Standpunkte, die Menschen vertreten, immer größer wird. Gerade
deshalb ist es uns so wichtig, dass
wir uns eng mit der Evangelischen
Kirche abstimmen und möglichst
mit einer Stimme sprechen. Für die
Macht des guten Arguments gibt es
übrigens ein interessantes Beispiel:
Die Abstimmung im Bundestag
hinsichtlich der Stammzellforschung
fiel zwar nicht in unserem Sinne
aus. Aber in der öffentlichen Debatte haben viele Stimmen unsere
Argumentation übernommen. Das
zeigt für mich, es lohnt sich Argumente einzubringen, denn es geht
hier um den Schutz des menschlichen Lebens. Und den Kampf der
öffentlichen Meinungsbildung werden wir in einer freien Gesellschaft
auch führen im Wissen, dass wir
mit starken Argumenten arbeiten
müssen.
Glauben Sie, dass die Position der
Kirche durch die Missbrauchsfälle
geschwächt wurde?
Zollitsch: Es gibt in der Tat einen
Vertrauensverlust. Andererseits habe ich festgestellt, dass wir Aufmerksamkeit finden und dass unsere Beiträge aufgenommen werden.
Die Kirchen werden als Institutionen in unserer Gesellschaft gebraucht, die für bestimmte Werte
eintreten, gerade für die Achtung
des Lebens und des ungeborenen
Lebens. Man hört uns, selbst wenn
man unsere Positionen nicht übernimmt. Es ist wichtig, Werte zu garantieren und sich für sie einzusetzen. Das ist eine bedeutsame
Aufgabe auch der Kirche, die eng
mit ihrer Verkündigung des christlichen Glaubens zusammenhängt. ▄
Interview: Gisela Klinkhammer,
Norbert Jachertz
Heft 16, 22. April 2011
Im Entscheidungsdilemma
Ernst, emotional und respektvoll diskutierten die
Abgeordneten des Bundestages die Zulassung
der Präimplantationsdiagnostik. Für welchen der
drei vorliegenden Gesetzentwürfe sich die Mehrheit
entscheiden wird, blieb noch ungewiss.
olitiker ändern gern mal ihre
Meinung, doch nur selten erklären sie dies offen. Und auch nur
selten werden im routinierten Politikbetrieb des Bundestages ehrliche
und persönliche Debatten geführt,
die frei von jeglichem parteipolitischen Kalkül sind. Die dreistündige
Diskussion zur Präimplantationsdiagnostik (PID) am 14. April war
eine solche Debatte. An diesem Tag
ging es um eine Frage, die die Gesellschaft emotional spaltet: um die
Option auf Selektion. Auf der einen
Seite steht das große Leid der betroffenen Paare, das Ärztinnen und
Ärzte durch den Fortschritt der
Medizin lindern könnten. Auf der
anderen Seite steht das Aussortieren von menschlichen Embryonen
aufgrund von Krankheitsmerkmalen.
Viele Abgeordnete sehen sich da in
einem Entscheidungsdilemma.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier bekannte, mit sich
selbst intensiv „gerungen“ zu haben. Lange habe er für ein straffes
Verbot der PID votiert, über Jahre
hinweg habe er jedoch daran gezweifelt. Doch: „Das strikte Verbot
löst nicht die Fragen der Realität“,
betont er jetzt. Man dürfe Hilfesuchenden – und das seien im Falle
der PID verzweifelte Menschen,
P
denen es nicht um Selektion oder
Töten, sondern um das Leben gehe
– nicht die Hilfe verweigern. Doch,
ob dieses (ärztliche) Gebot auch
für die gesetzliche Zulassung der
PID in Deutschland gilt, bleibt
fraglich. „Jeder von uns ist in dieser Debatte ein Suchender“, resümiert der FDP-Abgeordnete Patrick Meinhardt – Töne, wie man
sie nur selten in der Politik hört.
Und sein liberaler Parteikollege
Pascal Kober kommt zu dem
Schluss, dass man sich im Zweifel
für das Leben und den weitergehenden Schutz entscheiden müsse.
„PID bedeutet“, sagte er, „dass ein
Gremium ermächtigt wird zu bestimmen, welchen Menschen Schutz
zukommt.“
Ein Drittel der Abgeordneten
zweifelt noch
Steinmeier und Kober haben für sich
eine Entscheidung getroffen. Etwa
200 Abgeordnete des Deutschen
Bundestages sind indes noch unschlüssig. Sie seien sich bei der
Abwägung unsicher, könnten den
Argumenten jeder Position etwas
abgewinnen, hört man von ihnen.
Dennoch wird es bei der Abstimmung voraussichtlich am 30. Juni
auf sie ankommen, ob die PID in
Foto: epd
PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK
Deutschland gesetzlich zugelassen
wird oder verboten bleibt. Denn
zwei der drei zur Diskussion stehenden Gesetzentwürfe liegen bezüglich der Anzahl ihrer Unterstützer
fast gleich auf.
Einen etwas größeren Zulauf
im Parlament finden momentan die
PID-Befürworter. 215 Abgeordnete
haben schon den Entwurf unterschrieben, der die PID begrenzt zulassen will. Federführend stammt er
von den Abgeordneten Peter Hintze
(CDU), Ulrike Flach, Heinz Lanfermann (beide FDP), Carola Reimann
(SPD), Petra Sitte (Die Linke) sowie
Jerzy Montag (Bündnis 90/Die Grünen). „Wir wollen nicht alle Türen
für die PID öffnen, sondern sie soll
nur in Ausnahmefälle erlaubt sein“,
betont die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrike Flach. Nach einer verpflichtenden Aufklärung und Beratung sowie
dem positiven Votum einer Ethikkommission soll die PID dem Entwurf zufolge nur dann zulässig sein,
wenn ein oder beide Elternteile die
Veranlagung für „eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen
oder mit einer Tot- oder einer Fehlgeburt zu rechnen ist“. Fehl- und
Totgeburten sowie die Weitergabe
von besonders schweren Erkrankungen an das Kind sollen so bereits vor
der Geburt verhindert und schwere
Belastungen der Familien abgewendet werden. „Wir wollen damit den
Wertungswiderspruch zum Schwangerschaftsabbruch aufheben“, erklärte Flach. Einen PID-Automatismus werde es jedoch nicht geben.
12
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Dabei verweist Flach auf ähnliche
Empfehlungen, wie die des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer und der Nationalakademie Leopoldina sowie auf das Teilvotum des Deutschen Ethikrats, der
der PID allerdings engere Grenzen
als die Gruppe um Flach setzen will.
In ihrer Argumentation verweisen die PID-Befürworter immer
wieder auf die Sorgen und Nöte der
betroffenen Familien, denen es nicht
um ein blondes oder blauäugiges
Kind geht, sondern die lediglich
ein Kind möchten, das sie nicht
nach kurzer Zeit wieder verlieren.
Der ehemalige Pfarrer und derzeitige Wirtschaftsstaatssekretär Peter
Hintze (CDU) mahnt, der Gesetzgeber habe die Pflicht, Paaren die
Nutzung der medizinischen Chancen zu erlauben. Auch Carola Reimann (SPD) hält es für „schwer erträglich“ und „frauenverachtend“,
diesen Paaren keine Hilfe anbieten
zu dürfen, obwohl sie medizinisch
möglich wäre.
steht die Selektion am Anfang. Den
aussortierten Embryonen wird das
Recht genommen, sich zu entwickeln.“ Deutliche Unterschiede
zum Schwangerschaftsabbruch sieht
auch die Grünen-Gesundheitspolitikerin Bender. „Manche werden sich
wundern, dass ich hier für ein Verbot eintrete, schließlich habe ich
viele Jahre vehement für die Abtreibungsregelung gekämpft“, betont
Doch am Kern des Entwurfs der
PID-Befürworter kommt keiner
vorbei: Er legitimiert die Selektion
von Leben. Ein Embryo wird zur
Implantation ausgesucht, ein anderer verworfen. Dies ist auch das
Hauptargument der PID-Gegner.
Die stellvertretenden Vorsitzenden
der Unionsfraktion Johannes Singhammer (CSU) und Günter Krings
(CDU), der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke (CDU),
die gesundheitspolitische Sprecherin
von Bündnis 90/Die Grünen, Birgitt
Bender, sowie die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt
(SPD) fordern deshalb ein striktes
Verbot der PID. Ihr Gesetzentwurf,
den mittlerweile 192 Abgeordnete
unterzeichnet haben, wird ebenfalls
von Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt.
Auch diese Abgeordneten erkennen die schwierige Situation und
das Leid der betroffenen Eltern an.
Aber es handele sich bei diesen
Fällen eben nicht um existenzielle
Konfliktsituationen, wie sie bei einem Schwangerschaftsabbruch aufträten, meint Schmidt. „Bei der PID
13
Foto: dpa
PID entspricht nicht einem
Schwangerschaftsabbruch
sie. Doch ein Schwangerschaftsabbruch sei mit der PID nicht vergleichbar. „Die PID ist die bewusste Erzeugung von etwa acht Embryonen zum Zweck des Aussortierens. Diese Option auf Selektion
würde unsere Gesellschaft verändern. Wie soll sich da noch eine Frau
für ein behindertes Kind entscheiden?“ Wie viele ihrer Mitunterzeichner sieht Bender die Gefahr des
wachsenden sozialen Drucks, sich
dem Verfahren der PID zu unterziehen, ist diese erst einmal zugelassen.
„Ich kenne viele, die nicht auf der
Welt wären, hätte es die PID bereits
gegeben“, gab der behindertenpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, Ilja Seifert, zu bedenken, der
nach einem Unfall in der Jugend auf
den Rollstuhl angewiesen ist. Viele
Beifall aus allen
Fraktionen erhielt
Ilja Seifert: „Jeder
und jede von uns ist
einmalig, deshalb
gehören wir zusammen. Das mag
pathetisch klingen,
aber darunter ist
diese Debatte nicht
zu führen.“
Behinderte hätten Angst vor einer
Abwertung, erklärt Seifert. Für
nichtbehinderte Menschen sei dies
möglicherweise nicht direkt greifbar. „Doch wer ein solches Leben
hat, für denjenigen gibt es nichts
Wichtigeres.“ Krings befürchtet zudem wachsende Begehrlichkeiten der
Forschung nach befruchteten Eizellen. „Lassen Sie uns gemeinsam
dafür sorgen, dass weder Ärzte noch
die Gesellschaft über lebenswertes
und nicht lebenswertes Leben entscheiden“, appelliert er. Ein Embryo
sei keine Sache, die man bei Mängeln verwerfen könne.
Als einen Ausweg aus dem Entscheidungsdilemma und die „mittelnde Position“ sehen die Abgeordneten um den Ethikfachmann der
SPD-Fraktion René Röspel und die
bildungspolitische Sprecherin der
Grünen, Priska Hinz, ihren Gesetzentwurf an, den bislang 36 Abgeordnete unterschrieben hatten,
darunter auch Bundestagspräsident
Norbert Lammert (CDU). Die
Gruppe will die PID grundsätzlich
verbieten, jedoch in jenen Fällen,
bei denen die Paare mit einer Totund Fehlgeburt ihres Kindes rechnen müssen, nicht für rechtswidrig
erklären. „Wir stellen nicht die Frage: Darf ein Leben gelebt werden?
Sondern: Kann ein Leben gelebt
werden?“, erklärt Röspel. „Wir
wollen Menschen in die Lage versetzen, Eltern zu werden.“ Offen
bleibt jedoch noch, wie der Entwurf
in der Praxis umgesetzt werden
kann. Denn die Lebensfähigkeit
und die Dauer des Lebens eines
Kindes lassen sich nur in den seltensten Fällen genau vorhersagen.
Sollte der Antrag wegen seiner
nicht besonders praktikablen Lösung
bei der zweiten und dritten Lesung
im Juni aus der interfraktionellen
Abstimmung genommen werden,
könnte es entscheidend werden, wie
die Anhänger der bisherigen Kompromisslösung votieren. Ihren Redebeiträgen zufolge scheinen zumindest Hinz und Röspel im Zweifel zu
einem Verbot zu tendieren. Hubertus
Heil (SPD) bot ihnen jedoch explizit
noch einmal Verhandlungen an, um
sie als Unterstützer einer PID-Zu▄
lassung zu gewinnen.
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 23, 10. Juni 2011
PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK
Zulassung der PID in engen Grenzen
Sollten die Gentests unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt werden,
will die Ärzteschaft an einer verantwortungsvollen Umsetzung mitarbeiten.
s war eine kontroverse, aber
gleichwohl auch eine sachliche, ernsthafte Diskussion, bei der
Befürworter und Gegner einer Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) ihre Argumente austauschten. Letztendlich entschied
sich dann aber eine deutliche
Mehrheit der Delegierten des 114.
Deutschen Ärztetages, dem Vorstandsantrag zu folgen und sich für
eine Zulassung der PID in engen
Grenzen auszusprechen. Im Jahr
2000 hatte noch eine knappe Mehrheit solche Gentests abgelehnt. Die
Delegierten unterstützten damit ein
Memorandum zur PID, das eine
gemeinsame Arbeitsgruppe des
Vorstandes der Bundesärztekam-
E
mer (BÄK) und des Wissenschaftlichen Beirats der BÄK erarbeitet
hatte.
Das Papier zeigt medizinische,
ethische und rechtliche Argumente
für eine begrenzte Zulassung des
Verfahrens auf. Demnach sollte es
Ziel des Indikationsmodells sein,
Paaren mit hohem genetischem Risiko zu einer Schwangerschaft mit
einem von dieser genetischen ErFAZIT
krankung unbelasteten Embryo zu
verhelfen. Die Bundesärztekammer hält allerdings eine Eingrenzung der Indikationsstellung für erforderlich. Die PID soll nur Paaren
angeboten werden, für deren Nachkommen ein hohes Risiko einer
familiär bekannten und schwerwiegenden, genetisch bedingten
Erkrankung besteht. Keine Indikationen für die PID dürfen vor al-
Mit 204 zu 33
Stimmen bei
sechs Enthaltungen hat der Deutsche Ärztetag einem Memorandum
zur Präimplantationsdiagnostik zugestimmt.
TOP I: Gesundheits, Sozial- und Berufspolitik (PID)
● Die Delegierten des 114. Deutschen Ärztetages sprechen sich für eine Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID)
in engen Grenzen aus.
● Sie halten allerdings eine Eingrenzung der Indikationsstellung für erforderlich.
● Nach Auffassung des Deutschen Ärztetages ist eine PID in bestimmten Fällen weniger problematisch als eine Pränataldiagnostik mit nachfolgendem Schwangerschaftsabbruch.
14
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
lem Geschlechtsbestimmungen ohne
Krankheitsbezug, ein höheres Alter
der Eltern sowie „Maßnahmen der
assistierten Reproduktion im Allgemeinen sein“. Außerdem wird
unter anderem eine „umfassende
Information und Aufklärung sowie
kompetente Beratung“ gefordert.
Nach Auffassung des Ärztetages
ist die PID unter Gesichtspunkten
der Zumutbarkeit für die Frau und
Plädoyer für ein
Verbot der PID –
Rudolf Henke versuchte die Delegierten davon zu überzeugen, dass die PID
behindertes Leben
diskriminiere.
15
des Entwicklungsstands des vorgeburtlichen Lebens in bestimmten Fällen ethisch weniger problematisch als eine Pränataldiagnostik (PND) mit nachfolgendem
Schwangerschaftsabbruch. Wenn
es nach ihm ginge, gäbe es allerdings weder die Pränataldiagnostik
noch die Präimplantationsdiagnostik, sagte der scheidende Präsident
der Bundesärztekammer, Prof. Dr.
med. Jörg-Dietrich Hoppe, bei der
Eröffnungsveranstaltung zum 114.
Deutschen Ärztetag in Kiel. Dennoch ist ihm klar: „Das eine bedingt das andere.“ Und so habe der
Bundesgerichtshof (BGH) folgerichtig die unlogische Diskrepanz
zwischen den Möglichkeiten der
PND und denen der PID aufgehoben – auch wenn er die geschlechtsspezifische Auswahl wie
auch die unbegrenzte Selektion
von Embryonen strikt untersagt
habe. Der BGH habe damit klar
herausgestellt, dass mit Hilfe von
PID keine Designerbabys erzeugt
werden dürften.
Doch bei allen Restriktionen
wird nach Auffassung Hoppes die
PID nun rechtlich zulässig in
Deutschland. „Der Gesetzgeber ist
aufgefordert, das Embryonenschutzgesetz entsprechend nachzubessern, tut sich aber schwer.“
Hoppe berichtete, dass sich auch
der Vorstand der Bundesärztekammer intensiv mit der bevorstehenden Gesetzesentscheidung befasst
habe.
Dr. med. Christian Albring, Niedersachsen, begrüßte den Antrag
und das Memorandum der Bundesärztekammer. Seiner Ansicht nach
kann das Gesetz dazu verhelfen,
„unermessliches Leid zu verhindern“. Eine Zulassung der PID unter bestimmten Voraussetzungen
sei „ein kleiner Schritt für uns und
ein großer Schritt für die Menschheit“. Auch Prof. Dr. med. habil.
Jan Schulze sprach sich für den
BÄK-Antrag aus. Ihm zufolge
müssten die betroffenen Paare, es
seien etwa 200 im Jahr in Deutschland, in Selbstverantwortung ihre
Entscheidung treffen können.
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Aber es gab auch deutliche Gegenstimmen. So sprach sich beispielsweise Rudolf Henke, BÄKVorstand, vehement für ein umfassendes Verbot der PID aus. Er
hält unter anderem den Vorwurf,
ohne PID müssten Frauen eine
sogenannte Schwangerschaft auf
Probe eingehen, um sich dann
während der Schwangerschaft einer Pränataldiagnostik zu unterziehen, die gegebenenfalls zu einer
Spätabtreibung führen würde, für
nicht korrekt. Im Jahr 1995 sei die
embryopathische Indikation ausdrücklich mit der Begründung abgeschafft worden, dass sie behindertes Leben diskriminiere. Mit einer Zulassung würde diese Diskriminierung wieder gesetzlich eingeführt. Auch Dr. med. Guido Marx
vertrat die Auffassung, dass die PID
eine Methode der Selektion sei.
„Ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, ein fehlerfreies menschliches
Leben zu ermöglichen“, sagte er.
Der Ärztetag betonte letztendlich, dass nur der Gesetzgeber legitimiert sei, das menschliche Leben elementar berührende Fragen
verbindlich zu regeln. „Gestattet
der Gesetzgeber die PID in engen
Grenzen, wird die Ärzteschaft an
einer verantwortungsbewussten Umsetzung – so wie sie in ihrem
Memorandum zur PID skizziert ist
– nicht zuletzt im Sinne einer optimalen Versorgung und Behandlung
der betroffenen Paare umsichtig
mitwirken“, heißt es in dem Beschluss. Bei den Bedingungen für
die PID wollen die Mediziner mitentscheiden. Für das Verfahren solle die Bundesärztekammer eine
Richtlinie erarbeiten, „insbesondere zum Indikationsspektrum, zur
personellen und apparativen Ausstattung, zur medizinischen und
psychosozialen Beratung sowie
zur Festlegung der erforderlichen
Zahl danach qualifizierter durchführender Zentren“. Bei den Landesärztekammern sollen PID-Kommissionen eingerichtet werden, die
die Qualitätssicherung der Präimplantationsdiagnostik gewährleisten sollen.
Der Bundestag steht zurzeit vor
einem ähnlichen Gewissenskonflikt wie die Ärzteschaft. Dort werden derzeit drei verschiedene Gesetzentwürfe zur PID beraten.
Zwei Entwürfe plädieren für eine
begrenzte Zulassung, einer, der
auch von Henke unterstützt wird,
▄
für ein komplettes Verbot.
Plädoyer für eine
Zulassung der PID
– Jan Schulze spricht
sich für die Eigenverantwortung der betroffenen Paare aus.
Gisela Klinkhammer
@
Das Memorandum im Internet:
www.aerzteblatt.de/111280
INFORMATIONS- UND SELBSTBESTIMMUNGS LÖSUNG
In Deutschland warten 12 000 Menschen auf ein Spenderorgan, jeden
Tag sterben drei Patienten, weil nicht
rechtzeitig ein passendes Organ zur
Verfügung steht. Um die Zahl der
Spenderorgane zu erhöhen, hat sich
der 114. Deutsche Ärztetag in Kiel
dafür ausgesprochen, die Information
der Bevölkerung über die Möglichkeiten der Organspende und der Transplantationsmedizin zu intensivieren.
Ziel müsse es sein, dass möglichst
viele Bürger ihre Bereitschaft für eine
Organ- und Gewebespende erklärten.
Dabei müsse das Selbstbestimmungsrecht gewahrt bleiben. „Wird
dieses Recht nicht zu Lebzeiten
wahrgenommen und liegt somit keine
Erklärung vor, können dem Verstorbenen unter Ermittlung des mutmaßlichen Willens durch Einbeziehung
der Angehörigen, Organe und/oder
Gewebe entnommen werden“, heißt
es in dem Ärztetags-Beschluss.
Die Delegierten folgten damit dem
Vorschlag der Ständigen Kommission
Organtransplantation der Bundesärztekammer, die das „Modell einer Informations- und Selbstbestimmungslösung mit Erklärungspflicht“ entwickelt hat. Der Ärztetag betonte,
dass diese Regelung die positiven
Aspekte sowohl der derzeit geltenden Zustimmungslösung wie auch
der sogenannten Widerspruchslösung konstruktiv aufgreife und zusammenführe.
Im vergangenen Jahr hatte sich
der Ärztetag für eine Widerspruchslösung ausgesprochen. Doch Martina
Wenker vom BundesärztekammerVorstand konnte die Antragsteller des
damaligen Beschlusses davon überzeugen, dass diese Lösung schwer
umzusetzen sei. „Selbst Patientenvertreter wollen keine Widerspruchs-,
sondern eine Selbstbestimmungslösung.“
Kli
16
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 28–29, 18. Juli 2011
ZULASSUNG DER PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK
Paradigmenwechsel
Der Bundestag hat entschieden: Gentests an Embryonen
werden künftig erlaubt sein. Freude und Bedauern darüber liegen
auch bei Betroffenen eng beieinander.
ie Präimplantationsdiagnostik (PID) soll künftig auch in
Deutschland nach dem positiven Votum einer Ethikkommission an zugelassenen Zentren für Paare erlaubt
sein, die die Veranlagung für eine
schwerwiegende Erbkrankheit in
sich tragen oder bei denen mit einer
Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist,
entschied der Deutsche Bundestag
am 7. Juli.
Als Gesa Borek an diesem Tag
davon hört, steckt sie gerade mitten
in den Vorbereitungen zum 80. Geburtstag ihrer Mutter. „Wir feiern
bei uns zu Hause“, erklärt sie. Mehrere Stunden in einem Restaurant zu
verweilen, das sei mit ihren vier
Söhnen, von denen zwei ein Fragiles-X-Syndrom haben, nicht möglich. „Das Leben mit behinderten
Kindern ist einfach anders“, sagt
sie. „Mein Mann und ich lieben unsere Kinder, und das Leben mit ihnen ist unsere Normalität. Aber man
muss sich bewusst darauf einlassen
können.“
Deshalb begrüßen die Boreks die
Zulassung der PID. Nach der Geburt von Christian (17) und Lars
(14), der ein Fragiles-X-Syndrom
aufweist, wünschten sie sich ein
weiteres Kind. Trotz Polkörperchendiagnostik wurde auch Jonas
(7) mit einem Fragilen X geboren.
„Während der Schwangerschaft mit
Jonas bin ich oft angefeindet worden, weil ich mich keinem weiteren
Test unterzogen habe“, erzählt Borek. Teilweise sei ihr auch in der
Annahme, dass eine Behinderung
ausgeschlossen sei, zu einem gesunden Kind gratuliert worden.
„Ein behindertes Kind ist
Schicksal, aber zwei behinderte
Kinder sind eine Dummheit. Wieso
rennt ihr blind ins Unglück?“, hätte
es auch geheißen. Moritz (3) sei
dann ein „Geschenk des Himmels“
D
17
gewesen: ungeplant und gesund,
wie Tests letztendlich in der 21.
Schwangerschaftswoche nachweisen konnten.
Gesa Borek engagiert sich in der
Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V. – ebenso
wie Doris Michel, die von Achondroplasie (Kleinwuchs) betroffen
ist. Michel hatte sich im Gegensatz
„Die
neue Rechtslage traut den Betroffenen endlich die Kompetenz
der Entscheidung zu.
“
Gesa Borek
zu Borek eine andere Entscheidung
des Bundestages erhofft. Durch die
gesetzliche Zulassung der PID und
deren gesellschaftliche Akzeptanz
befürchtet sie nun, dass der Diskriminierung von Behinderten weiterer
Vorschub geleistet und deren Integration geschwächt wird.
„Die Gruppe der ACHSE-Mitglieder, für die aus eigener Erfah-
rung entweder das Für oder Wider
zur PID im Vordergrund steht, ist
sehr heterogen“, erklärt Rania von
der Ropp, Sprecherin der ACHSE.
Deshalb habe die ACHSE als Verband keine eigene Stellungnahme
zur PID abgegeben. Bei einer Befragung der Mitglieder hätte jedoch
eine Mehrheit für die eingeschränkte Zulassung der PID plädiert.
Im Kleinen ist die ACHSE damit
ein Spiegelbild der Zerrissenheit der
Gesellschaft und des Parlaments:
326 Abgeordnete von 594 teilnehmenden Parlamentariern votierten
bei der Schlussabstimmung im Bundestag für die Zulassung der PID,
260 stimmten dagegen, acht enthielten sich. Der dritte Vorschlag, ein
Kompromissentwurf, war mit 58
Stimmen bereits in zweiter Lesung
gescheitert. Ihn hatte eine Abgeordnetengruppe um Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), René
Röspel (SPD) und Priska Hinz (Grüne) eingebracht. Sie wollten die PID
zwar „grundsätzlich“ verbieten, in
Ausnahmefällen aber „für nicht
rechtswidrig“ erklären. Möglich
sollte eine PID nur dann sein, wenn
die erbliche Vorbelastung der Eltern
„mit hoher Wahrscheinlichkeit“ eine
Schädigung des Embryos verursachen würde, die zur Tot- oder Fehlgeburt führt.
Offen blieb der Ausgang der Abstimmung bis zum Schluss. Denn
BETROFFENE PRO PID
Als Mutter von vier Kindern, von denen zwei ein
Fragiles-X-Syndrom haben, begrüße ich die Entscheidung des Bundestages, die PID in engen
Grenzen zuzulassen. Durch die PID erhalten Familien kein Recht auf ein gesundes Kind. Sie erhalten eine
Chance auf ein Kind ohne die
eine, spezielle Behinderung, für
die sie ein hohes genetisch bedingtes Risiko tragen. In meinem Fall heißt hoch 50 Prozent.
Die PID ist ein physisch und psychisch hochbelastendes Verfahren, dem sich Familien in großer
Not stellen – trotz der Ängste, Schmerzen und
Enttäuschungen, die es mit sich bringt. Oft versorgen sie schon ein Kind oder einen Verwandten
mit Behinderung oder sind selbst betroffen. Diese
Familien haben nicht die Sorge, ein Kind mit Be-
hinderung nicht lieben zu können, sondern die
Sorge, einem Kind mit Behinderung nicht gerecht
werden zu können. Die neue Rechtslage traut denen, die die Konsequenzen in Gestalt der Herausforderungen des Alltags mit einem Kind mit Behinderung tragen würden, endlich die Kompetenz der Entscheidung zu. Sie erhalten ein Stück Selbstbestimmung in einem Schicksal zurück,
das sie sich nicht aussuchen
konnten. Die Zulassung der PID entbindet die Gesellschaft nicht davon, die Belange von Menschen mit Behinderung in allen Bereichen von
Anfang an zu berücksichtigen. Die soziale Konstruktion von Behinderung findet nicht im Reagenzglas, sondern im Leben statt.
Gesa Borek, Hamburg
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
bis zum 7. Juli hatten sich 178 Abgeordnete noch nicht per Unterschrift einer der drei Vorlagen angeschlossen. Einen Fraktionszwang
gab es nicht, und auch der federführende Gesundheitsausschuss hatte
keine Empfehlung ausgesprochen.
Entsprechend emotional rangen in
einer fast vierstündigen Debatte die
Parlamentarier um ihre Position
und warben bei den Unentschlossenen für den von ihnen unterstützten
Antrag.
„Eltern mit einer schweren Erbkrankheit wünschen sich sehnlichst ein gesundes Kind“, mahnte
Ulrike Flach (FDP). „Sie verstehen
nicht, warum sie in Deutschland
keine Hilfe bekommen.“ Die
Parlamentarische Staatssekretärin
im Bundesgesundheitsministerium
warnte zudem, ein Verbot der PID
würde vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Sie hatte
gemeinsam mit Peter Hintze
(CDU) den Gesetzentwurf eingebracht, der die PID eingeschränkt
erlaubt und für den schließlich die
meisten Abgeordneten stimmten.
Bereits zuvor hatten ihn 215 Parlamentarier unterzeichnet. Flach wies
erneut die Befürchtung zurück, dass
mit der begrenzten Zulassung ein
Dammbruch absehbar sei. Es gehe
nur um wenige hundert Fälle, und
über jeden einzelnen werde eine
Ethikkommission entscheiden, bekräftigte sie.
Kurz vor der entscheidenden Abstimmung war im Entwurf noch ergänzt worden, dass die Bundesregierung „durch Rechtsverordnung
mit Zustimmung des Bundesrates“
Anzahl und Zulassungsvoraussetzungen der PID-Zentren regeln soll.
In der Rechtsverordnung sollen ferner die Details zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise
und Finanzierung der Ethikkommissionen für PID bestimmt werden.
Unterstützt wurden Flach und
Hintze unter anderen vom SPD-Abgeordneten Karl Lauterbach, der
der PID umgehen“, sagte sie und
appellierte an die Abgeordneten, eine „Lösung mit Augenmaß“ zu finden: „Trauen wir den Menschen,
den Eltern, etwas zu.“
Ebenfalls sehr emotional verwies
Rudolf Henke (CDU) auf das
Schicksal seines Bruders, der keine
fünf Stunden gelebt habe. „Ich erinnere mich an Besuche jahrzehntelang am Grab“, berichtete er und
plädierte für ein striktes Verbot der
PID und damit für den Antrag der
Parlamentarier um Katrin GöringEckardt und Birgitt Bender von der
„Das
Leben ohne Behinderung wird durch die Zulassung der
PID als höher, als lebenswerter bewertet.
“
Doris Michel
CDU-Politikerin Katherina Reiche
und dem Grünen-Abgeordneten
Jerzy Montag sowie von Sozialministerin Ursula von der Leyen
(CDU). Diese berichtete von ihren
Erfahrungen als junge Ärztin auf
der Geburtsstation. Damals habe sie
geglaubt, alles zu wissen. „Aber die
Wucht des Schicksals rund um
Schwangerschaft und Geburt haben
mich still werden lassen“, sagte die
Mutter von sieben Kindern. Allein
auf den Eltern laste die Verantwortung vor Gott, vor dem ungeborenen Leben und vor den eigenen
Kindern. „Die deutsche Ärzteschaft
und die Eltern werden verantwortungsvoll mit den Möglichkeiten
BETROFFENE CONTRA PID
Die Entscheidung ist gefallen, leider
nicht in meinem Sinne!
Ich habe große Angst, dass durch
die Zulassung der PID das Leben behinderter Menschen infrage gestellt
wird. Die PID verspricht der Mutter,
ein gesundes Kind zu gebären. Aber
was ist, wenn es bei der Geburt zu
Komplikationen kommt?
Es wird gesagt, dass durch die
PID die Schwangerschaftsabbrüche abnehmen
werden. Doch dies entspricht nicht den Erfahrungen. Auch über Fehldiagnosen wird nicht gesprochen!
Sicher, die PID stellt nicht die Menschen mit
Behinderungen infrage. Aber das Leben ohne Behinderung wird durch die Zulassung der PID hö-
her bewertet, als lebenswerter! Die Erfahrungen in Forschung und Entwicklung zeigen, dass Grenzen und Abgrenzungen immer wieder durchbrochen
werden. So wird es auch mit der PID geschehen: Es werden Ausnahmefälle
konstruiert werden. Irgendwann wird
man sich fragen, warum überhaupt
noch behinderte Menschen geboren
werden müssen.
Ich hoffe und wünsche, dass viele Ärzte und
Ärztinnen die Mütter dahingehend beraten und
unterstützen, dass diese den behinderten Embryo
annehmen. Ich bin kleinwüchsig (Achondroplasie)
und lebe sehr gut mit meiner Behinderung, so wie
viele andere kleinwüchsige Menschen, die ich
kenne.
Doris Michel, Horneburg
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
sowie dem Unions-Fraktionsvize
Johannes Singhammer (CSU). „Die
Entscheidung über die Zulassung
der PID betrifft nicht nur wenige,
sondern die Gesellschaft als Ganzes“, mahnte Göring-Eckardt. Mehr
als ein Dammbruch sei bereits in
dem Antrag von Ulrike Flach, der
die PID in Deutschland genehmigen wolle, angelegt.
„Die PID wäre ein fundamentaler Paradigmenwechsel, denn wir
würden eine Qualitätsüberprüfung
menschlichen Lebens ermöglichen“, appellierte auch der SPDPolitiker Wolfgang Thierse an die
Abgeordneten. „Wir sollten das
nicht tun.“ Angeschlossen hatten
sich diesem Antrag, der schließlich
mit 260 zu 326 Stimmen scheiterte,
im Vorfeld 193 Abgeordnete, unter
anderem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der UnionsFraktionschef
Volker
Kauder
(CDU), der Patientenbeauftragte
Wolfgang Zöller (CSU) sowie der
im Rollstuhl sitzende Abgeordnete
der Linken Ilja Seifert.
Gesa Borek kann es noch kaum
glauben, dass nun die PID gesetzlich auch in Deutschland erlaubt
sein wird. Es sei gut, wenn sich jede
Familie frei entscheiden könne,
meint sie. Denn das alltägliche Leben sei oftmals eine Gratwanderung: „Manchmal frage ich mich,
ob ich meinen nichtbehinderten
Kindern nicht zu viel zumute.“ ▄
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
18
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 28–29, 18. Juli 2011
REAKTIONEN AUF DIE PID-ENTSCHEIDUNG
Zustimmung und Kritik
Die Bundesärztekammer will daran mitwirken, dass das Verfahren
unter kontrollierten Bedingungen angewendet werden kann.
Vertreter der Kirchen bedauern das Votum des Bundestages.
chon kurz nach Ende der
Bundestagsdebatte zur Präimplantationsdiagnostik (PID) gab es
die ersten Reaktionen. Die Entscheidung wurde erwartungsgemäß sehr
unterschiedlich aufgenommen. Für
einen verantwortungsvollen Umgang mit der PID hat sich der Präsident der Bundesärztekammer, Dr.
med. Frank Ulrich Montgomery,
ausgesprochen. Er teilte mit, dass
„wir Ärzte Verantwortung übernehmen werden, dass dieses Verfahren
unter kontrollierten Bedingungen
und nur bei vorheriger fachkundiger
S
Kommissionen bei den Ärztekammern, besetzt mit Ärzten, Psychologen, Theologen, Ethikern und Juristen, die einzelnen Behandlungsfälle
in anonymisierter Form vorab zur
Beurteilung vorgelegt werden. „Wir
Ärzte werden dafür sorgen, dass die
betroffenen Paare eine gute psychosoziale Betreuung und Beratung bekommen.“
Auch der Präsident der Ärztekammer Berlin, Dr. med. Günther
Jonitz, fordert, „dass für die Durchführung der PID genaue Regelungen
getroffen werden müssen. Es geht
hier ausschließlich um den Schutz
der Mütter und der werdenden Eltern. Das ,Baby nach Maß’ muss
strikt verboten bleiben!“ Grundsätzlich begrüßte Jonitz die Entscheidung des Bundestages. Bei einer Ablehnung der PID hätten aus medizinischer Sicht auch Abtreibungen
verboten werden müssen, sagte er.
„Selektion von Embryonen“
Die Schlagzeilen
der Tageszeitungen am 8. Juli
kommentierten die
Bundestagsentscheidung.
19
Beratung angewendet wird. Wir
wollen auf keinen Fall, dass die PID
ein Routineverfahren der In-vitroFertilisation wird. Sie muss auf
wenige und ganz bestimmte Indikationen begrenzt werden.“ Keine Indikationen für die PID dürften Geschlechtsbestimmungen ohne Krankheitsbezug, das Alter der Eltern oder
Maßnahmen der assistierten Reproduktion im Allgemeinen sein. „Mit
uns wird es kein Designerbaby geben und auch kein sogenanntes Retterbaby, das nur einem erkrankten
Kind als Ersatzteillager dienen soll.
Wir sind auch gegen einen Katalog
bestimmter Krankheiten“, betonte
Montgomery. Vielmehr sollten den
Der Vorsitzende des Rates der
Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus
Schneider, begrüßte es, dass nun
Rechtssicherheit herrsche. Er würdigte auch den Entscheidungsprozess der Politikerinnen und Politiker. „Sie haben sich Zeit gelassen,
mit großem Ernst gedacht und diskutiert und, wie es dieser Sache angemessen ist, fraktionsübergreifend
der persönlichen Entscheidung
Raum gegeben.“ Schneider meinte
auch, dass Fortpflanzungsmedizin
in Deutschland mit großem Verantwortungsbewusstsein betrieben und
in Anspruch genommen werde. „Ich
möchte Medizinerinnen und Medizinern sowie den Paaren nicht mit
einem grundsätzlichen Misstrauen
gegenübertreten.“ Allerdings hält
der EKD-Vorsitzende die Freigabe
der Präimplantationsdiagnostik für
„zu weit gehend“. Er hätte eine Zu-
lassung der PID nur für den Ausnahmefall einer mit großer Wahrscheinlichkeit drohenden Tot- oder
Fehlgeburt persönlich vorgezogen.
Auf sehr viel schärfere Kritik
stößt die geplante Neuregelung
beim Vorsitzenden der katholischen
Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch: „So
sehr wir die Nöte von Eltern verstehen und den Wunsch nach einem
gesunden Kind nachvollziehen
können; die Selektion von menschlichen Embryonen verstößt gegen
das Achtungsgebot der Menschenwürde, die jedem Menschen von
Anbeginn zuteil ist.“ Jeder Mensch
sei einmalig als Person und Träger
seiner unverfügbaren Würde, unabhängig von seinem Entwicklungsstand, seinen aktuellen Fähigkeiten, seinen Begabungen, Stärken, Schwächen oder seiner sozialen Stellung, und zwar in allen Phasen seines Daseins.
„Guter und vertretbarer Weg“
Auch der Europaabgeordnete Peter
Liese (EVP-Christdemokraten) bedauert das Votum des Bundestages.
„PID ist keine menschenfreundliche Methode und garantiert auch
kein gesundes Kind. Ich hoffe sehr,
dass die Entscheidung nicht der
Startschuss für die Abschaffung des
Embryonenschutzgesetzes
war“,
betont Liese. Das einzig Gute an
der PID-Diskussion sei, dass von
allen Seiten darauf hingewiesen
worden sei, dass eine Abtreibung
ethisch problematisch sei und auch
für die Frau eine große Belastung
bedeute. Der schleswig-holsteinische Gesundheitsminister Heiner
Garg (FDP) dagegen hält die getroffene Entscheidung für einen
„guten und vertretbaren Weg“.
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung befürchtet, dass die PID
künftig bei vielen Paaren angewandt
wird und Behinderung als vermeidbar erscheinen lässt. „Die Lebenshilfe hat sich für ein anderes Ergebnis
eingesetzt. Viele Menschen mit Behinderungen müssen diese Entscheidung als diskriminierend empfinden“, sagte der Vorsitzende der Bundesvereinigung, Robert Antretter. ▄
Gisela Klinkhammer
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 28–29, 18. Juli 2011
STAMMZELLFORSCHUNG
Wie man eine Herzinsuffizienz
verhindern will
Unterschiedliche zelltherapeutische Ansätze werden derzeit zur
Regeneration des Myokardgewebes nach Herzinfarkt entwickelt.
tammzellforschung auf dem
Abstellgleis? Fast mag man
es annehmen, wenn man die öffentliche Berichterstattung verfolgt.
Ganz anders schätzt Prof. Dr. med.
Jürgen Hescheler (Klinikum der
Universität Köln) die Situation ein:
„Von der Öffentlichkeit ein wenig
unbemerkt geht es bei der Stammzellforschung gerade sehr schnell
voran“, sagte er auf dem 21. Symposium für Intensivmedizin und Intensivpflege in Bremen.
Vor dem Hintergrund vieler „echter“ intensivmedizinischer Themen
auf dem Kongress, schien dieser
Bereich zunächst ein wenig exotisch. Doch Hescheler schlug die
Brücke über die – noch hypothetische – klinische Anwendung von
Herzmuskelzellen, die aus pluripotenten Stammzellen gewonnen werden könnten: „Die Kardiomyozyten
müssen nach der Transplantation
zunächst ausreifen. In dieser Phase
muss der Patient engmaschig versorgt werden, die Intensivmedizin
sollte also vorbereitet sein.“
Schon seit Jahren wird über die
Möglichkeiten einer Stammzelltherapie zur Reparatur des geschädigten Myokards nach Herzinfarkt diskutiert. Hierbei können bis zu eine
Milliarde Kardiomyozyten absterben. Wenn es gelänge, die Geweberegeneration zu fördern, die Narbenbildung zu minimieren und die
Angiogenese im Infarktrandbereich
zu stimulieren, könnte einer Verminderung der Pumpfunktion und
Entwicklung einer Herzinsuffizienz
entgegengewirkt werden.
Denn die Sterblichkeit nach Herzinfarkt ist durch ein gutes Funktionieren der Rettungskette zwar deutlich gesunken; gleichzeitig hat die
Inzidenz der Herzinsuffizienz aber
Foto: mauritius images
S
deutlich zugenommen, da immer
mehr Patienten mit großem Infarkt
überleben. „Wir haben gute Therapieoptionen für die initiale Phase
nach Infarkt, jedoch bislang keine
spezifische Therapie, um die Heilungsphase zu unterstützen“, sagte
Prof. Dr. med. Kai Wollert (Medizinische Hochschule Hannover/
MHH).
Nicht alle Studien beobachten
Steigerung der Pumpleistung
Mehrere klinische Studien haben
untersucht, ob sich eine Applikation von Knochenmarkzellen nach
Herzinfarkt günstig auf den Heilungsprozess auswirkt. Hierfür werden dem Patienten Knochenmarkzellen – darunter befinden sich
adulte Stamm- und Progenitor-Zellpopulationen, aber auch ausdifferenzierte Knochenmarkzellen –
über die Koronararterien verabreicht. Die an der MHH vor acht
Jahren gestartete und inzwischen
abgeschlossene BOOST-Studie an
Die Therapie mit
Stammzellen verfolgt das Konzept,
verlorengegangenes Myokard zu regenerieren und unterscheidet sich
hierdurch grundlegend von allen bisherigen Therapieverfahren bei Herzinsuffizienz.
60 Patienten überprüfte die Herzfunktion mittels Magnetresonanztomographie sechs , 18 und 61 Monate
nach dem Zelltransfer. „Nach sechs
Monaten hatte sich die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) der
Behandelten im Vergleich zu den
Kontrollpatienten um sechs Prozent
verbessert. 18 und 61 Monate nach
einmaliger Zellgabe waren die Effekte allerdings statistisch nicht
mehr signifikant“, sagte Wollert.
Auch andere – aber nicht alle
Studien der letzten Jahre – beobachteten vier bis sechs Monate nach
Knochenmarkzellgabe eine Steigerung der Pumpleistung, wobei Patienten mit stark eingeschränkter
LVEF offenbar am meisten profitierten (1). Die unterschiedlichen
Ergebnisse kämen möglicherweise
durch abweichende Studienprotokolle zustande, erklärte Wollert.
Es sei nicht unerheblich für den
Ausgang einer Studie, wie die Knochenmarkzellen isoliert und welche
Patienten ausgewählt würden. Aktuell laufen international mehrere
Studien zu dieser Frage; an der
MHH wird in Zusammenarbeit mit
zehn deutschen Zentren im Rahmen
der BOOST-2-Studie getestet, welchen Einfluss verschiedene Zeitpunkte, Verabreichungswege und
verschiedene Zelltypen auf den Erfolg der Therapie haben.
Natürlich stellt sich die Frage
nach dem Mechanismus der beobachteten Effekte. „Wir wissen inzwischen, dass manche der transferierten Knochenmarkzellen im Herzgewebe zurückgehalten werden“,
sagte Wollert. „Allerdings wandeln
sich die Zellen dort nicht in Kardiomyozyten um, sondern verschwinden nach einiger Zeit wieder.“ Deswegen verfolgt das MHH-
20
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Team inzwischen eine andere Hypothese: „Möglicherweise brauchen wir die Zellen nicht in dieser
Form, denn für den therapeutischen
Effekt sind vielmehr Wachstumsfaktoren verantwortlich, die die
transplantierten Zellen freisetzen“,
berichtete Wollert. Knochenmarkzellen fungierten dabei gleichsam
als „Zytokinfabriken“, die einen ganzen Cocktail an Signalstoffen und
Wachstumsfaktoren ins Infarktgebiet hineintrügen.
Ein Wachstumsfaktor aus
der Embryonalzeit
Mit Hilfe von Mikroarrayanalysen
charakterisierten die Forscher das
Sekretom der Knochenmarkzellen,
das sich quantitativ deutlich etwa
von demjenigen der Blutleukozyten
unterscheidet (2). Sezerniert werden unter anderem Faktoren mit
proangiogenetischer Wirkung. Aktuell konzentriert sich Wollerts
Team hier auf den „Fibroblast
growth factor 9“ (FGF9). Dieser
Faktor fördert die Gefäßbildung im
Herzen während der Embryonalentwicklung, ist im adulten Herzen
aber kaum vorhanden. „Die Knochenmarkzelltherapie bringt also einen Wachstumsfaktor aus der Embryonalzeit ins infarktgeschädigte
Herz ein“, sagte Wollert.
In einem transgenen Mausmodell, in dem die Expression des
FGF9 im adulten Herzmuskel wieder „angeschaltet“ werden kann,
stimulierte der Wachstumsfaktor
die Angiogenese und verringerte
die Fibrose im Myokard nach Herzinfarkt (3). Dadurch nahm bei den
Mäusen die linksventrikuläre Funktion zu und ihre Sterblichkeit ab.
„Diese Beobachtungen belegen, wie
durch einen einzigen sezernierten
Faktor Heilungsprozesse stimuliert
und Komplikationen nach Infarkt
dramatisch reduziert werden könnten“, sagte Wollert.
Eine Applikation dieses (und anderer) parakriner Faktoren hätte
potenzielle Vorteile gegenüber einer Zelltherapie. Wachstumsfaktoren
könnten industriell produziert und
nichtinvasiv appliziert werden. Die
aufwendige Gewinnung von Knochenmarkzellen würde entfallen. Zytokincocktails könnten zudem im
21
Gegensatz zur Knochenmarkzelltherapie patentiert werden und so
auf ein größeres Interesse bei der
Industrie stoßen, so Wollert.
Im Gegensatz dazu geht es für
Hescheler ohne Zellen überhaupt
nicht. Der Kölner Stammzellforscher ist überzeugt davon, mit Hilfe
von pluripotenten Stammzellen nicht
nur zur Regeneration des geschädigten Herzmuskels beitragen zu
können: „Es gibt unzählige Einsatzmöglichkeiten für diese Stammzellen.“ Bereits 1991 hatte Hescheler
zusammen mit anderen Forschern
gezeigt, dass pluripotente embryonale Stammzellen der Maus unter
bestimmten Kulturbedingungen zu
funktionellen Kardiomyozyten ausdifferenzieren (4).
Doch nicht nur die ethischen Bedenken sind ein großes Hindernis
dafür, dass aus humanen embryonalen Stammzellen gezüchtetes „Reparaturgewebe“ zum klinischen
Einsatz kommt. Auch gibt es bisher
keine Strategien, um die Abstoßungsreaktion, die der Körper natürlich auch gegen dieses fremde
Gewebe einleitet, zu verhindern.
Ein Ausweg könnte eine vor fünf
Jahren vom japanischen Arzt und
Stammzellforscher Shin`ya Yamanaka entwickelte Technik sein:
durch die Zugabe sogenannter Reprogrammierungsfaktoren wandeln
sich im Labor bereits ausdifferenzierte Körperzellen in pluripotente
Stammzellen um. Diese „induzierten pluripotenten Stammzellen“,
kurz iPS, können bei Bedarf etwa
aus Hautzellen eines jeden Menschen gewonnen werden.
Inzwischen werden für die Rückverwandlung der ausdifferenzierten
Körperzellen auch nicht mehr unbedingt Viren als Genfähren benötigt,
wie es anfangs der Fall war. Allein
durch die Zugabe eines Proteincocktails wird ein Umschalten gewisser Gene in der ausdifferenzierten Körperzelle ausgelöst und die
gewünschten Stammzellqualitäten
erzeugt.
Aktuell wird unter Wissenschaftlern jedoch angezweifelt, ob die iPS
und die embryonalen Stammzellen
sowie das aus ihnen hergestellte
Gewebe qualitativ überhaupt vergleichbar sind. Prof. Dr. rer. nat.
Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in
Münster etwa gibt sich skeptisch.
Zur Transplantation würde er die
iPS beziehungsweise deren Abkömmlinge vorerst nicht einsetzen.
Auch Heschelers Team prüft die
Eignung der iPS. Die Kölner Forscher haben untersucht, ob sich
Kardiomyozyten, die im Labor aus
iPS gewonnen wurden, von Herzmuskelzellen unterscheiden, die
aus embryonalen Stammzellen entstanden sind (5). Das von beiden
Zelltypen angelegte Expressionsprofil von etwa 40 000 Genen,
zeigte eine deutliche Anreicherung
kardiospezifischer Transkripte. Unterschiede gab es bei der Expression von 1,9 Prozent der abgelesenen
Gene. „Wir müssen nun schauen,
ob diese Unterschiede physiologische Konsequenzen haben“, sagte
Hescheler. Ob also die Funktionsfähigkeit des im Labor aus iPS gezüchteten Reparaturgewebes einschränkt ist, werde sich zeigen
müssen.
Zugabe von Fibroblasten wird
im Mausmodell getestet
Dennoch glaubt Hescheler an einen
baldigen klinischen Einsatz: „In
vier, fünf Jahren, wird es erste Therapien geben.“ Bevor es soweit ist,
gilt es jedoch noch eine weitere
Hürde zu nehmen. Unklar ist bisher,
wie man das im Labor gezüchtete
Ersatzgewebe am besten dorthin
bekommt, wo es benötigt wird – etwa in das durch den Infarkt versehrte Gewebeareal im Herzen.
Ideal wäre es, wenn die Zellen
einfach in den Blutkreislauf gegeben und diese über ein „Homing“
ganz allein ihren Zielort finden
würden, sagte Hescheler. Auch eine
Verabreichung über die Koronarien
ist denkbar. Allerdings geht der
Kölner davon aus, dass man die
Herzzellen künftig nicht allein wird
transplantieren können. Möglicherweise wird eine Zugabe von Fibroblasten den Einbau in das geschädigte Myokard begünstigen. Aktuell
testet Heschelers Team das Verfah▄
ren am Mausmodell.
Dr. rer. nat. Ulrike Gebhardt
@
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit2811
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 28–29, 18. Juli 2011
LITERATIRVERZEICHNIS HEFT 28–29/2011, ZU:
STAMMZELLFORSCHUNG
Wie man eine Herzinsuffizienz
verhindern will
Unterschiedliche zelltherapeutische Ansätze werden derzeit zur
Regeneration des Myokardgewebes nach Herzinfarkt entwickelt.
LITERATUR
1. Wollert KC, Drexler H: Cell therapy fort he
treatment of coronary heart disease: a critical appraisal. Nat Rev Cardiol 2010; 7:
204–15.
2. Korf-Klingebiel M, et al.: Bone marrow cells
are a rich source of growth factors and cytokines: implications for cell therapy trials
after myocardial infarction. Eur Heart J
2008; 29(23): 2851–8.
3. Korf-Klingebiel M, et al.: Conditional transgenic expression of fibroblast growth factor
9 in the adult mouse heart reduces heart
failure mortality after myocardial infarction.
Circulation 2011; 123: 504–14.
4. Wobus AM, et al.: Pluripotent mouse embryonic stem cells are able to differentiate
into cardiomyocytes expressing chronotropic responses to adrenergic and cholinergic
agents and Ca2+ channel blockers. Differentiation 1991; 48: 173–82.
5. Gupta MK, et al.: Global transcriptional profiles of beating clusters derived from human induced pluripotent stem cells and
embryonic stem cells are highly similar.
BMC Developmental Biology 2010; 10: 98.
22
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 31–32, 8. August 2011
BUNDESÄRZTEKAMMER
Bekanntmachungen
Memorandum
zur Präimplantationsdiagnostik (PID)
Vorwort
Durch das im Juli 2010 verkündete Urteil des Bundesgerichtshofes
wurde die Debatte zur Präimplantationsdiagnostik (PID) an mittels
In-vitro-Fertilisation (IVF) erzeugten Embryonen neu entfacht. Galt
die PID in den vergangenen Jahren in Deutschland nach überwiegender Rechtsmeinung noch als verboten, kam das Gericht in
seinem Urteil zu dem Schluss, dass die genetische Untersuchung an
nicht mehr totipotenten embryonalen Zellen rechtlich zulässig ist. In
seinem Urteil wies der Bundesgerichtshof aber auch darauf hin,
„dass eine eindeutige gesetzliche Regelung der Materie wünschenswert wäre“.
Die erhebliche öffentliche Resonanz infolge dieser höchstrichterlichen Entscheidung hat den Gesetzgeber zum Handeln veranlasst. Nach
intensiven Beratungen hat sich der Deutsche Bundestag in namentlicher
Abstimmung und unter Aussetzung des Fraktionszwanges am 07. Juli
2011 mit dem Präimplantationsdiagnostikgesetz für eine begrenzte Zulassung der PID entschieden und damit das Embryonenschutzgesetz
entsprechend geändert.
Mit Blick auf diese legislative Entscheidungsnotwendigkeit hatte eine
gemeinsame Arbeitsgruppe des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer und des Vorstands der Bundesärztekammer in dem vorliegenden Memorandum Vorschläge zur Ausgestaltung einer gesetzlichen
Reform erarbeitet. Auch der 114. Deutsche Ärztetag hatte sich im Juni
2011 auf der Basis dieses Memorandums ausführlich mit der PID befasst. Im Ergebnis der Debatte haben 204 der insgesamt 250 Delegierten bei 33 Gegenstimmen das Memorandum bestätigt und damit die
Position der Ärzteschaft neu bestimmt.
Dr. med. Frank Ulrich Montgomery
Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages
Präambel
Der Bundesgerichtshof hat am 06. Juli 2010 ein Grundsatzurteil zur Präimplantationsdiagnostik (PID) gefällt. In dieser Entscheidung hat er einen Arzt freigesprochen, der in den Jahren
2005 und 2006 bei Paaren, die ein hohes Risiko für eine schwere genetische Störung ihrer Kinder aufwiesen, mit Hilfe der Invitro-Fertilisation Schwangerschaften erzeugt hat. An der nicht
mehr totipotenten Zelle hatte er vor der Übertragung in die
Gebärmutter eine genetische Untersuchung der Embryonen
23
Dieses eindeutige Votum der deutschen Ärzteschaft für eine Zulassung der PID in bestimmten Grenzen und unter kontrollierten Verfahrensvoraussetzungen war stets und ist auch weiterhin eng verbunden
mit der Bereitschaft, Verantwortung in dieser für die Gesellschaft wichtigen Frage zu übernehmen. So hatte sich die Bundesärztekammer bereits im Jahr 2000 intensiv mit den von der PID berührten medizinischen, ethischen und rechtlichen Fragen befasst und den „Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur PID“ vorgelegt, um „einen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Diskussion auf diesem so schwierigen und sensiblen Gebiet der Fortpflanzungsmedizin zu leisten“.
Angesichts dieser wegweisenden Vorarbeiten einerseits und des
u. a. im Koalitionsvertrag verankerten Bekenntnisses der Regierungsfraktionen zur Selbstverwaltung als einem tragenden Ordnungsprinzip
im deutschen Gesundheitswesen andererseits gilt es nun, die näheren
Verfahrensregelungen zum Präimplantationsdiagnostikgesetz für die
Beratung, die Einwilligung, die Zulassung zur PID, die Lizenzierung der
Zentren und die Qualitätssicherung zu entwickeln und einer medizinisch
adäquaten Umsetzung zuzuführen. Die Ausgestaltung der hierfür notwendigen Verordnung der Bundesregierung liegt daher im ganz besonderen Interesse der betroffenen Paare sowie der die PID durchführenden Ärztinnen und Ärzte.
Mit dieser Veröffentlichung des Memorandums dokumentiert die Ärzteschaft gegenüber den politischen Entscheidungsträgern nicht nur ihre
Sachkunde, sondern auch ihr Verantwortungsbewusstsein in dieser gesellschaftlich wichtigen Frage und ihr Angebot zur Mitgestaltung der näheren Regelungen zur PID.
Berlin im Juli 2011
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Peter C. Scriba
Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates
der Bundesärztekammer
durchgeführt und dabei nur diejenigen Embryonen in die Gebärmutter transferiert, die den untersuchten Gendefekt nicht
aufwiesen (4, 5).
Bis dahin erschien nach oft vertretener Auffassung die PID
durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass eine PID mittels Gewinnung
und Untersuchung nicht mehr totipotenter Zellen rechtlich zulässig ist. Es liege am Gesetzgeber, für die PID einen neuen Rahmen zu setzen.
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Die Bundesärztekammer (BÄK) hat bereits im Jahr 2000
durch ihren Wissenschaftlichen Beirat (WBR) einen „Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“
veröffentlicht (12) und die ausgelöste öffentliche Diskussion in
einer ergänzenden Stellungnahme aufgearbeitet. Diese wurde
am 19. 10. 2001 vom Vorstand der BÄK und am 15. 12. 2001
vom Plenum des WBR verabschiedet (13). Wie bekannt hat der
105. Deutsche Ärztetag in Rostock 2002 allerdings mit 91 JaStimmen bei 82 Nein-Stimmen und einigen Enthaltungen eine
Ablehnung der PID beschlossen.
Die im Vorwort des Diskussionsentwurfes vertretenen Positionen zum ärztlichen, ethischen und juristischen Hintergrund
der PID sind sachlich nach wie vor tragfähig. Auch das seinerzeit beschriebene enge Indikationsspektrum mit Einzelfallprüfung, welches sich auf Paare mit einem hohen Risiko für eine
dem Paar bekannte schwere genetisch bedingte Erkrankung beschränkt und somit weit hinter dem der konventionellen vorgeburtlichen Diagnostik (Pränataldiagnostik = PND) zurückbleibt, sowie die strengen Zulassungs- und Durchführungsbedingungen werden weiterhin vertreten (28). Der Nationale
Ethikrat hat im Jahre 2003 ebenso wie die Bioethikkommission
des Landes Rheinland-Pfalz in ihren Berichten aus den Jahren
1999 und 2005 die gleiche mehrheitlich zustimmende Position
vertreten (7, 8, 46).
1. Definition
Unter Präimplantationsdiagnostik (PID)* versteht man die (invasive) Diagnostik an durch In-vitro-Fertilisation (IVF) entstandenen, kultivierten Embryonen vor dem Embryotransfer (ET) in
die Gebärmutter hinsichtlich Veränderungen des Erbmaterials,
die eine schwere Erkrankung zur Folge haben können.
Die PID ist nur im weiteren Sinne ein pränatalmedizinisches
Verfahren, da die Diagnostik vor der Einnistung des Embryos,
d. h. vor dem Beginn der Schwangerschaft stattfindet.
2. Zukünftige Durchführung der PID in Deutschland
Die Entnahme (Biopsie) der Zelle(n) zur genetischen Diagnostik
erfolgt nach dem 8-Zellstadium, in welchem nach heutiger
wissenschaftlicher Erkenntnis die Blastomeren pluripotent sind,
d. h. keine Totipotenz mehr besitzen, oder danach im Blastozystenstadium (Trophektodermbiopsie).
Nach jetziger Erkenntnis besteht bei sachgemäßer Entnahme
der Zelle(n) aus dem Embryo kein Verletzungsrisiko für den Embryo und ist dessen Einnistung nach dem Transfer in die Gebärmutter nicht gestört. Nur die von der untersuchten Erkrankung
nicht betroffenen Embryonen werden in die Gebärmutter der
Frau transferiert.
3. Indikationsspektrum
Ziel der PID in Deutschland ist es, Paaren mit hohem genetischem Risiko zu einer Schwangerschaft mit einem von dieser genetischen Erkrankung unbelasteten Embryo zu verhelfen.
Eine PID sollte nach gegenwärtigem Erkenntnisstand anamnestisch stark belasteten Paaren angeboten werden können,
für deren Nachkommen ein hohes Risiko einer familiär bekannten und schwerwiegenden, genetisch bedingten Erkrankung besteht (z. B. Muskeldystrophie Duchenne, vgl. Abschnitt 4).
* Im internationalen Raum wird die englische Abkürzung PGD (preimplantation genetic diagnosis) verwendet. Sie definiert die PID im engeren, genetisch diagnostischen Sinn.
Bei der PID darf nur auf diejenige Veränderung des Erbmaterials untersucht werden, die zu der infrage stehenden schweren
genetischen Erkrankung führt.
Nach derzeitigem Kenntnisstand sind dies monogenetisch bedingte Erkrankungen sowie numerische und strukturelle Chromosomenstörungen. Keine Indikationen für PID sind insbesondere Geschlechtsbestimmung ohne Krankheitsbezug, Alter der
Eltern und Maßnahmen der assistierten Reproduktion im Allgemeinen.
4. Medizinische Aspekte und Ergebnisse
Da in Deutschland keine Ergebnisse zur PID vorliegen, werden
im Folgenden internationale Ergebnisse dargestellt.
Die European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) erhebt über ihr „Preimplantation Genetic Diagnostic (PGD) Consortium“ seit 1997 kontinuierlich Daten. Nach
dem jüngsten Konsortiumsbericht (2010) liegen Erfahrungen mit
der PID von 57 „Zentren“ vor (26).
Es wurden auch Daten erfasst von Ländern, die keine eindeutige gesetzliche Regelung haben, sowie von außereuropäischen
Ländern (Argentinien, Australien, Brasilien, Israel, Japan, Taiwan, Türkei und USA) (26).
Im Beobachtungszeitraum 1997–2008 wurden kumulativ
27 630 Fälle der Präimplantationsdiagnostik erfasst. Eine Präimplantationsdiagnostik im engeren Sinne kann durchgeführt
werden als Diagnostik zur Erfassung von bestimmten genetischen Auffälligkeiten. Davon zu unterscheiden sind das Präimplantationsscreening zur möglichen Erhöhung der Geburtenrate
bei künstlicher Befruchtung (IVF) ohne genetischen Hintergrund
sowie eine Präimplantationsdiagnostik zur Geschlechtswahl
(„social sexing“).
Im selben Beobachtungszeitraum wurden 10 153 Fälle der
Präimplantationsdiagnostik (PID) im engeren Sinne dokumentiert (36,5 % aller Fälle). Die vorliegenden Daten wurden
sowohl an totipotenten (Embryo bis Acht-Zell-Stadium) wie an
pluripotenten Zellen (Embryo nach dem Acht-Zell-Stadium) erhoben, wobei in den meisten Fällen die PID am Embryo im
Acht-Zell-Stadium erfolgte. Die hauptsächlichen Indikationen
für eine PID waren chromosomale Anomalien (n = 4 253) wie
z. B. die sog. Robertsonsche Translokation oder reziproke
Translokationen. In 1 167 Fällen wurden Untersuchungen für
X-chromosomal gebundene Erkrankungen durchgeführt. Bei
den monogenetischen Erkrankungen (n = 4 733) dominieren die
Untersuchungen auf zystische Fibrose (Mukoviszidose), auf
Betathalassämie, myotone Dystrophie sowie Morbus Huntington. Die klinische Schwangerschaftsrate wird mit 26 % pro Embryotransfer angegeben, was in etwa der Schwangerschaftsrate
nach IVF entspricht (26).
Davon abgesehen wurde in 16 806 Fällen ein Präimplantationsscreening (PIS), d. h. die ungezielte Untersuchung
der Embryonen auf numerische chromosomale Störungen,
durchgeführt (61 % aller Fälle). Die Indikationen waren vorrangig das Alter der Frau, IVF-Versagen und wiederholte
Fehlgeburten. Die Erwartung, die Schwangerschaftsrate insbesondere bei Frauen über 37 Jahren zu erhöhen, hat sich jedoch nicht erfüllt (17, 42, 57). Auch die Fehlgeburtenrate
wurde nicht reduziert. Sowohl die ESHRE als auch die Amerikanische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (ASRM)
haben festgehalten, dass das PIS derzeit kein Routineverfahren darstellt (19).
24
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Zu den nach PID bzw. PIS geborenen Kindern liegen Datensätze von insgesamt 4 140 Geburten vor (26). Die Geburtenrate
ist im Wesentlichen abhängig vom Alter der Frau (58).
Eine falschnegative Diagnose durch PID wurde in insgesamt 28 Fällen für diesen Zeitraum dokumentiert (26). Bezogen auf die implantierten Embryonen waren dieses 0,3 % beim
PIS, 0,5 % bei Translokationen, 1,0 % bei monogenetischen
Erkrankungen und 1,7 % bei der Untersuchung von X-chromosomal gebundenen Erkrankungen (61). Die Rate an kongenitalen Fehlbildungen nach PID scheint insgesamt nicht erhöht
(39, 54).
Zur Inzidenz an pränataldiagnostischen Maßnahmen (z. B.
Amniozentese) nach zuvor durchgeführter PID liegen keine belastbaren Daten vor.
In den Daten des PGD-Konsortiums beträgt der Anteil der
PID-Zyklen (inklusive PIS) im Verhältnis zu allen durchgeführten IVF-Zyklen etwa 0,3–0,4 % (24). In England wurden 0,42 %
für das Jahr 2008 gemeldet (29). Dementsprechend müsste man
in Deutschland von etwa 200 Paaren pro Jahr ausgehen.
Den internationalen Erfahrungen gemäß sind durchschnittlich
sieben Präimplantationsembryonen notwendig, um nach den
vorgesehenen genetischen Untersuchungen wenigstens zwei
nicht betroffene Embryonen für eine Übertragung zur Verfügung
zu haben. Überzählige Embryonen lassen sich weitgehend vermeiden, zumal tatsächlich überzählige, nicht betroffene Embryonen für einen späteren Zyklus eingefroren werden (22, 24).
Als Alternative zur PID wird auch die Polkörperdiagnostik
(PKD) diskutiert. Hierbei wird der erste und ggfs. zweite Polkörper der Eizelle noch vor vollendeter Befruchtung auf eine genetische Veränderung untersucht. Die PKD ist jedoch aus mehreren
Gründen keine gleichwertige Alternative zur PID: Die PKD ist
technisch erheblich aufwendiger, und die Polkörperbiopsie kann
die Eizelle traumatisieren oder sogar zerstören. Bei der PKD
werden in einem nicht unerheblichen Teil Eizellen untersucht,
die ohnehin nicht entwicklungsfähig sind. Es kann auch nur das
maternale Genom untersucht werden, somit scheiden paternal
vererbte Erkrankungen aus. Darüber hinaus ist die PKD bei autosomal-rezessiven Erkrankungen mit einem deutlichen Mehrbedarf und Mehrverbrauch an Eizellen verbunden und damit einer
zusätzlichen Gesundheitsbelastung der Patientin, da alle Eizellen
mit einer erblichen Veränderung verworfen werden müssen, obwohl eine 50-prozentige Chance besteht, dass eine genetisch betroffene Eizelle mit einer genetisch nicht betroffenen Samenzelle
fertilisiert werden würde, also ein phänotypisch gesundes Kind
aus dieser Eizelle erwachsen könnte. Schließlich ist das Risiko
einer Fehldiagnose bei PKD deutlich höher aufgrund von Rekombinationsereignissen im Rahmen der noch nicht abgeschlossenen Reifeteilung der Eizelle. Aus diesen Gründen wird die
PKD im Ausland praktisch nicht angewandt (11, 14, 45).
5. Ethische Abwägungen
Ethisch ist es als zulässig bzw. als „erlaubt“ anzusehen, wenn ein
Paar sich unter bestimmten Voraussetzungen für eine PID entscheidet und wenn ein Arzt dieses Verfahren dann durchführt.
(1) Diese Einschätzung legt bereits der Vergleich mit der Pränataldiagnostik (PND) nahe. Die PND dient einem informativen, nicht selten lebenserhaltenden und zunehmend auch intrauterin therapeutischen Zweck. Andererseits eröffnet sie die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs bei bestimmten gesundheitlichen Befunden. Der Anlass zur PND kann auch eine
25
Altersindikation sein, z. B. die Antizipation einer möglichen Trisomie 21 (Down-Syndrom) des Kindes. Die PID hingegen ist eine medizinische Methode, die bei Paaren mit hohem genetischem Risiko eine „auf Probe“ begonnene Schwangerschaft sowie eine Konfliktsituation nach PND zeitlich vorwegnimmt (28,
40 [S. 408 ff.], 62). Dabei nimmt die Frau Belastungen in Kauf,
die aus der hierzu erforderlichen IVF resultieren. Ethisch ist die
PID im Vergleich zur PND in bestimmten Fällen, z. B. bei Muskeldystrophie Duchenne, als ein sogenanntes kleineres Übel zu
bewerten, weil sie am noch ganz unentwickelten frühen Embryo
erfolgt. Sie betrifft keinen weit entwickelten Fetus, der bei einem
eventuellen späten Schwangerschaftsabbruch sogar bereits
schmerzempfindlich ist. Darüber hinaus fällt ins Gewicht, dass
die PID nur in eingegrenztem Umfang und eng gefasst lediglich
angesichts schwerwiegender genetisch bedingter Krankheitsbilder infrage kommt. Paare ziehen eine PID in Betracht, wenn –
anders als etwa bei der allgemeinen Altersindikation für eine
PND – bei ihnen ein hohes genetisches Erkrankungsrisiko familiär bekannt ist oder wenn ein schwer krankes Kind schon geboren worden ist.
Eine PND mit nachfolgendem Schwangerschaftsabbruch wird
in unserer Gesellschaft ethisch und rechtlich toleriert. Es wäre
normativ widersprüchlich und kann einer Frau nicht zugemutet
werden, bei familiärer genetischer Belastung als Alternative zur
PID eine PND durchführen zu lassen.
(2) Nimmt man zur PID eine ethische Güterabwägung vor,
sind die folgenden Gesichtspunkte relevant:
– einerseits die Schutzrechte pränidativer Embryonen, an denen eine PID durchgeführt wird,
– andererseits die Persönlichkeitsrechte und das Selbstbestimmungsrecht der Frau und ihres Partners, ihre Gewissensfreiheit
und Gewissensverantwortung, die antizipierte physische und
psychische Belastung der künftigen Mutter durch ein schwer erkranktes Kind sowie die hiermit verbundenen Sorgen der Eltern.
Zu der einen Seite dieser Abwägungskonstellation, dem Lebensschutz früher Embryonen, wird in unserer weltanschaulich
pluralistischen Gesellschaft eine Mehrzahl voneinander abweichender Standpunkte vertreten.
(3) Das Verfahren der PID berührt den Schutzanspruch pränidativer Embryonen, weil krankheitsbelastete Embryonen
nicht übertragen werden und weil verfahrensbedingt überzählige
Embryonen entstehen können. In der Ethik und der Philosophie
sind die Schutzrechte des frühen extrakorporalen Embryos mit
Hilfe der sogenannten SKIP-Kriterien diskutiert worden (S = Zugehörigkeit des Embryos zur Spezies Mensch; K = Kontinuität
der embryonalen Entwicklung; I = Individualität und Identität
des Embryos; P = Potentialität des Embryos, sich von sich aus
zum vollen Menschsein zu entwickeln). Weil der pränidative
Embryo der Gattung Mensch angehört, kommt ihm menschlicher
Lebensschutz zu. Jedoch ist zu beachten, dass in dieser frühen
Lebensphase epigenetische Reprogrammierungen erfolgen und
die spätere Identität noch nicht endgültig feststeht. Der pränidative Embryo vermag sich auch nicht allein „aus sich selbst heraus“
zum vollen Menschsein zu entfalten. Überdies enthält der Begriff
der Potentialität seinerseits Unschärfen (1, 6, 33, 36 [S. 163 ff.],
47). Trotz einer umfangreichen Auseinandersetzung in der wissenschaftlichen Literatur sind zum Status des frühen Embryos
ethisch und philosophisch weiterhin kontroverse Positionen vorhanden (30 [S. 140 ff.], 32 [S. 49–81], 41, 49). Neben einem uneingeschränkten Würdeschutz ab der Konzeption wird die Auf-
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
fassung vertreten, der Würdeschutz des vorgeburtlichen Lebens
steige mit seiner Fortentwicklung graduell an. Diesem Verständnis zufolge ist der frühe extrakorporale Embryo als menschliches
Leben („human life“), aber noch nicht als Mensch im eigentlichen Sinn („human being“) anzusehen (3 [S. 37 ff.], 8 [S. 52 f.],
36 [S. 169 ff.]).
Auch weltanschaulich-religiös weichen die Deutungen des
pränidativen Embryos voneinander ab. Im Rahmen des jüdischchristlichen Menschenbilds ist kein einhelliges Verständnis anzutreffen. Den Standpunkt eines absoluten Embryonenschutzes hat
sich besonders die römisch-katholische Kirche zu eigen gemacht
(34, 38). Daneben finden sich religiöse Ansichten, die dem pränidativen Embryo noch nicht den Status des vollen Menschseins
zusprechen (36 [S. 150 ff.], 63).
(4) Der Staat hat die Grund- und Menschenrechte zu achten
und zu schützen. An dem ethischen, religiösen und weltanschaulichen Pluralismus, der in unserer Gesellschaft zur Frage
des Status des Embryos herrscht, kann der Gesetzgeber allerdings nicht vorbeigehen. Zu einer Frage, die die persönliche
Religiosität oder Weltanschauung und die individuelle moralische Überzeugung der Bürger betrifft, sollte die Rechtspolitik
einseitige Festlegungen vermeiden (8 [S. 47 ff.], 35 [S. 159 ff.]).
Schon jetzt schreibt der Staat seinen Bürgern keinen uneingeschränkten Embryonenschutz vor (Spirale, „Pille danach“,
Schwangerschaftsabbruch). Deshalb sollte der Staat auch in Bezug auf die PID die Pluralität der Auffassungen beachten und
die Gewissensfreiheit und -verantwortung, die Persönlichkeitsrechte und das Selbstbestimmungsrecht von Paaren respektieren. Vor diesem Hintergrund sollte den Paaren zur PID ein Entscheidungsspielraum offengehalten werden, den sie, gestützt
auf medizinische Information, Aufklärung und umfassende,
kompetente Beratung, in eigener Verantwortung gewissenhaft
nutzen können.
(5) Gegen die PID wird der Einwand erhoben, das Verfahren
impliziere eine Diskriminierung Behinderter. Dieser Einwand
ist ernst zu nehmen. Er müsste dann allerdings erst recht gegen
die PND mit nachfolgendem Schwangerschaftsabbruch erhoben
werden. Die PND ist aufgrund der Konfliktsituation der Mutter
rechtlich und ethisch zulässig. Zu betonen ist überdies, dass eine
PID keine „Garantie“ für ein gesundes Kind bietet. Das Basisrisiko, das bei jeder Schwangerschaft vorhanden ist, bleibt auch
nach einer PID bestehen. Das Bemühen von Eltern, eine schwere
genetisch bedingte Erkrankung, die ihren ihnen nicht zumutbaren Konflikt begründet, präventiv abzuwenden, richtet sich nicht
gegen die Würde, Anerkennung oder Selbstachtung von Menschen, die behindert geboren wurden oder die sich im Lauf ihres
Lebens eine Behinderung zuziehen. Dies ergibt sich auch aus der
Aufarbeitung der langjährigen Erfahrungen mit der PND (18, 31,
37 [S. 202], 55).
(6) Gesonderter Reflexion bedarf es, ob eine PID im Einzelfall
zulässig sein sollte, wenn die erblich bedingte Krankheit nicht
schon bald nach der Geburt, sondern erst in späteren Lebensjahren aufzutreten droht (spät manifestierende Krankheiten).
Rechts- und medizinethisch kann es nicht überzeugen, hierzu ein
pauschales Verbot auszusprechen. Denn ein solches Verbot würde den Eltern und dem später heranwachsenden Kind geradezu
eine Pflicht zum Nichtwissen auferlegen. Die persönliche Konflikt- und Belastungssituation der Eltern würde nicht ernst genommen, und der Schweregrad von Krankheiten sowie die Wahrscheinlichkeit ihres Ausbruchs blieben unbeachtet. Aufgrund der
Dynamik biologischer Prozesse wäre es schon allein medizinisch
unhaltbar, einen starren Stichtag festzulegen, von dem ab Krankheiten als „spät manifestierend“ gelten (37 [S. 204 f.]). Stattdessen ist hierzu für Ärzte und Patienten das Gebot der Einzelfallverantwortung und -abwägung in den Vordergrund zu rücken.
(7) Eine Zulassung der PID bedeutet keinen Dammbruch zulasten des vorgeburtlichen Lebensschutzes. Dieser Befürchtung
ist entgegenzuhalten, dass derzeit mit der Spirale und der „Pille
danach“ in einem weitaus umfangreicheren Maße Embryonen an
der weiteren Entwicklung gehindert werden. Sodann ist darauf
zu verweisen, dass zahlreiche wissenschaftliche oder medizinische Entwicklungen missbrauchbar sind. Der mögliche Missbrauch hebt den rechten Gebrauch jedoch nicht auf („abusus non
tollit usum“). Bei der PID kommt hinzu, dass eine Frau hierfür
das psychisch und körperlich belastende, medizinisch nicht risikofreie Verfahren der IVF auf sich nehmen muss. Daher ist nicht
anzunehmen, dass das Verfahren vorschnell in Anspruch genommen wird. Im Rahmen der assistierten Reproduktion wurde in
den zurückliegenden Jahren weltweit nur eine sehr geringe Zahl
von PID durchgeführt (in der Größenordnung deutlich unter ca.
0,5 % der IVF-Punktionen).
Unvertretbaren Ausweitungen oder einem eventuellen Missbrauch der PID ist durch geeignete institutionelle und prozedurale Vorkehrungen entgegenzuwirken, insbesondere dadurch, dass
die PID in Deutschland künftig nur in zugelassenen Zentren und
dort erst nach vorausgehender Information und Aufklärung sowie nach kompetenter psychosozialer Beratung der einzelnen Patientinnen und Patienten durchgeführt werden sollte.
6. Beratung
Da es sich bei der PID um ein Verfahren handelt, welches den
Embryo invasiv untersucht, bedarf es der umfassenden Information, Aufklärung und ergebnisoffenen Beratung, bevor eine Einwilligung im Sinne eines informed consent erklärt werden kann.
Nur ein gut informiertes Paar kann eine autonome Entscheidung
treffen.
Vor der Durchführung sind auch Alternativen insbesondere im
Rahmen der Beratung mit einzubeziehen:
– Verzicht auf (weitere) Kinder
– Möglichkeiten der Adoption
– im Falle einer Schwangerschaft die Möglichkeit der pränatalen Diagnostik der infrage kommenden genetischen Erkrankung.
Zusätzlich muss beraten werden zu:
– den einzelnen Schritten der Durchführung der Methode
– Vor- und Nachteilen der Methode
– diagnostischen Grenzen der Methode
– potentiellen Sicherheitsrisiken der assistierten Reproduktion
für das ungeborene Kind
– möglichen sonstigen Erkrankungen des Kindes, die durch
PID nicht entdeckt werden
– Kosten der Methode.
Im Rahmen der Beratung müssen Humangenetiker sowie Ärztinnen und Ärzte, die Auskünfte zur Ausprägung des Krankheitsgrades der betreffenden Erkrankung und zur Therapie machen
können (insbesondere Pädiater), hinzugezogen werden. Ebenso
sind die ethischen Aspekte zu beachten.
Zusätzlich muss eine psychosoziale Beratung angeboten werden. Die Notwendigkeit einer solchen Beratung wurde in jüngsten Gesetzen, wie z. B. dem Änderungsgesetz zum Schwanger-
26
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
schaftskonfliktgesetz sowie dem Gendiagnostikgesetz, aufgegriffen.
Weiterhin sind die einschlägigen Regelungen des Gendiagnostikgesetzes und der zu schaffenden (Muster-)Richtlinie zur
Durchführung der PID der Bundesärztekammer zu beachten
(14). Auf die Empfehlungen der amerikanischen Gesellschaft für
Reproduktionsmedizin (ASRM) hinsichtlich der Beratungsaspekte bei PID sei verwiesen (2).
7. Rechtliche Aspekte
Ausdrückliche rechtliche Regelungen zur PID finden sich bislang weder im ESchG noch im GenDG. Für die rechtliche Beurteilung der PID müssen die einzelnen Teilschritte des Geschehens analysiert werden.
Nach Erzeugung von Embryonen (1) im Sinne von § 8 Abs. 1
ESchG – als Embryo gilt auch schon die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an – werden aus ihnen die eigentlichen Untersuchungsmaterialien gewonnen (2) und durch die entsprechenden
humangenetischen Methoden untersucht (3), um schließlich je
nach Ergebnis die Embryonen zu transferieren oder sie nicht zu
übertragen (4). Zu allen Teilschritten ist die rechtliche Diskussion kontrovers. Dies gilt auch für die Ebene etwaiger Rechtfertigungsgründe (5) sowie für die verfassungsrechtlich möglichen
gesetzgeberischen Optionen (6).
(1) (a) Umstritten ist zunächst, ob das Verbot verletzt wird, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten,
als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der
die Eizelle stammt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG). Befürworter der
PID heben maßgeblich auf das Ziel ab, das auf die Herbeiführung einer Schwangerschaft der genetischen Mutter gerichtet ist,
Kritiker auf die zunächst vorgesehene Untersuchung des Embryos, von deren Ergebnis das weitere Vorgehen abhänge (10, 25,
60). Nach Ansicht des BGH verlangt § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG (als
Voraussetzung der Straflosigkeit), dass die Herbeiführung der
Schwangerschaft „jedenfalls handlungsleitend bzw. bewusstseinsdominant sein muss“ (5). Dem stehe die Absicht, pluripotente Zellen auf schwerwiegende genetische Belastungen hin zu
untersuchen, nicht entgegen.
(b) Probleme wirft sodann das Verbot auf, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG). Welche Möglichkeiten § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG eröffnet, ist schon für die IVFRoutine umstritten (25). Bei vorgesehener PID stellt sich die Frage, inwieweit die sog. „Dreierregel“ wegen der zu erwartenden
Zahl nicht zum Transfer geeigneter Embryonen modifiziert werden sollte. Denn Ziel muss es sein, einen oder zwei übertragbare
Embryonen zur Verfügung zu haben. Der BGH hatte hierzu in
seinem Urteil vom 06. Juli 2010 keine Stellung zu nehmen.
(2) Die Zellgewinnung für die PID darf nach geltendem
Recht nicht im Stadium der Totipotenz (≤ 8 Zellen) geschehen,
da dies nach § 6 Abs. 1 ESchG in Verbindung mit § 8 ESchG unzulässig ist. Erfolgt die Zellgewinnung in einem späteren Entwicklungsstadium des Embryos, kommt Strafbarkeit nach § 2
Abs. 1 ESchG in der Tatbestandsalternative der Verwendung eines Embryos zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck
in Betracht. Im juristischen Schrifttum ist die Frage, ob der Vorgang der Gewinnung des Untersuchungsmaterials durch Abspalten von Zellen als Verwendung verstanden werden könne, kontrovers diskutiert worden (10, 50, 52, 53). Wie das Absichtskrite-
27
rium in § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG ist auch das Zweckkriterium in
§ 2 Abs. 1 ESchG lebhaft umstritten. Wer mehr auf den einzelnen
untersuchten Embryo abhebt, wird den „Erhaltungszweck“
(eher) verneinen, wer das Ziel einer Schwangerschaft mit einem
für tauglich erachteten Embryo in den Vordergrund rückt, wird
ihn (eher) bejahen (21, 25, 52, 56).
Wenn für die PID Trophoblastzellen abgespalten werden,
könnte man rechtlich sogar daran zweifeln, ob dies überhaupt
noch als Verwendung eines Embryos verstanden werden kann, da
die Trophoblastzellen sich später zum (embryonalen) Teil der
Plazenta entwickeln (48). Der BGH kommt in einer am Gesetzeszweck orientierten wertenden Gesamtbetrachtung zu dem Ergebnis, es könne „nicht angenommen werden, dass die den Embryo selbst unberührt lassende Entnahme von Trophoblastzellen
. . . als ‚missbräuchliche Verwendung’ angesehen wird“ (5).
Schließlich wird für die Kultivierung des Embryos in vitro bis
zur Zellentnahme zwecks PID bzw. bis zur Entscheidung auf
Grundlage des PID-Ergebnisses über den Transfer auch ein Verstoß gegen das Verbot der extrakorporalen Weiterentwicklung eines Embryos zu einem anderen Zweck als dem der Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 2 Abs. 2 ESchG) diskutiert (10,
52). Gegen die Anwendbarkeit dieses Straftatbestandes auf PIDFälle spricht insbesondere, dass der Gesetzgeber hier einen anderen Sachverhalt (Verbot der Ektogenese, d. h. die extrakorporale
Weiterentwicklung eines Embryos bis zur Lebensfähigkeit) im
Auge hatte (23).
(3) Die eigentliche genetische Untersuchung erfolgt nicht
am Embryo selbst, sondern an den diesem vorher entnommenen
Zellen. Das ESchG ist insoweit nicht tangiert (10, 52, 53, 60).
(4) Nach überwiegender Auffassung im juristischen Schrifttum kann auch das „Nicht-Übertragen“ untersuchter Embryonen im Gefolge eines positiven Befundes und deren
„Nicht-weiter-Kultivieren“ nicht als „zweckwidrige Verwendung“ im Sinne von § 2 Abs. 1 ESchG verstanden werden (52,
53). Für den BGH ist es entscheidend, dass es dem Arzt weder
möglich noch zumutbar ist, „Embryonen gegen den Willen seiner Patientinnen zu übertragen und sich dadurch nach § 4 Abs. 1
Nr. 2 ESchG und § 223 StGB strafbar zu machen“ (5).
(5) Soweit einer der genannten Straftatbestände erfüllt wäre,
bliebe zu erörtern, ob der Rechtsgedanke der (embryopathisch
veranlassten) medizinischen Indikation zum Schwangerschaftsabbruch (§ 218 a Abs. 2 StGB) als Rechtfertigungsgrund für eine PID herangezogen werden könnte (10, 50, 53). Für den BGH
kam es hierauf auf der Basis der von ihm gefundenen „Tatbestands-Lösung“ nicht mehr an.
(6) Auch im Verfassungsrecht wird die Zulässigkeit der PID
kontrovers diskutiert. Dabei spielt die Frage der Grundrechtsträgerschaft des in-vitro-Embryos eine zentrale Rolle. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu nicht explizit geäußert; die entsprechenden Formulierungen in den Entscheidungen zum
Schwangerschaftsabbruch (15, 16) lassen die Frage nach dem
Status des pränidativen Embryos schon für den Fall natürlicher
Zeugung unbeantwortet. Erstreckt man den Grundrechtsschutz
(Art. 1 Abs. 1 GG – Schutz der Menschenwürde, konkretisiert
durch Art. 2 Abs. 2 GG – Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) auch auf In-vitro-Embryonen, muss dessen Gewichtung im Verhältnis zu Grundrechten der betroffenen Paare
bestimmt werden (44). Mit zahlreichen Stimmen in der juristischen Fachliteratur ist unter der Annahme eines mit der Befruchtung einsetzenden und entwicklungsabhängig zunehmenden
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Schutzanspruchs des Embryos (20) das Recht der Eltern auf
Durchführung einer PID als vorrangig zu erachten, wenn dafür
triftige Gründe sprechen. Solche sind z. B. im Mehrheitsvotum
des Nationalen Ethikrats klar definiert worden (46). Teilweise
wird sogar angenommen, ein vollständiges Verbot der PID verstoße gegen Grundrechte der Eltern (30, 60).
Bemerkenswerterweise hat denn auch der BGH in seinem Urteil keine Überlegungen etwa in Richtung auf ein verfassungsrechtliches Pönalisierungsgebot, das als Auslegungsmaxime in
Erwägung hätte gezogen werden können, für angebracht befunden. Im Ergebnis liegt nach überwiegend vertretener Auffassung ein Indikationsmodell für die PID innerhalb des verfassungsrechtlichen Handlungsspielraums des Gesetzgebers vor
(9, 27, 43, 46, 51, 59, 60).
Rechtspolitischer Handlungsbedarf
a) In der Politik konkurrieren derzeit Überlegungen in Richtung
auf ein völliges Verbot der PID mit Konzepten der Zulassung im
Rahmen eines engen, beratungsgestützten Indikationsmodells. Letzteres ist vorzugswürdig. Die Indikationen sollten typisierend formuliert werden (hohes Risiko einer – von den Eltern
als nicht zu bewältigende Belastung empfundenen – schweren
erblichen Krankheit oder mit dem Erreichen extrauteriner Lebensfähigkeit nicht vereinbarer genetischer Defekt). Eine Krankheitenliste ist abzulehnen.
b) Bei einer Entscheidung für eine begrenzte Zulässigkeit in
dem skizzierten Rahmen besteht Bedarf für Regelungen zur
prozeduralen Absicherung der Entscheidung zur PID im Einzelfall. Eine bei den Landesärztekammern angesiedelte PIDKommission kann prüfen, ob die jeweils geplante PID den rechtlichen und standesrechtlichen Vorgaben entspricht. Die Vertraulichkeit der Arzt-Patient-Beziehung ist hierbei zu wahren.
c) Eine Orientierung am GenDG empfiehlt sich nicht, soweit es um die Frage der Untersuchung auf sog. spät manifestierende Erkrankungen geht.
d) Auch im Hinblick auf die PID sollte § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG
dahingehend abgeändert werden, dass dem Arzt aufgegeben
wird, die Zahl der zu befruchtenden Eizellen abwägend so
festzulegen, dass das Risiko des Entstehens überzähliger Embryonen geringer ist als das Risiko, keine ausreichende Anzahl
transfergeeigneter Embryonen zur Verfügung zu haben. Die Festlegung einer bestimmten Höchstzahl empfiehlt sich nicht.
e) Rechtspolitischer Handlungsbedarf besteht weiterhin für
Folgeregelungen zur Qualitätssicherung und zum Leistungsrecht der Krankenversicherung. Die Geltung des Weigerungsrechts (vgl. § 10 ESchG) auch für die Mitwirkung an einer PID
ist selbstverständlich.
f) Die PID betrifft nur einen geringen Teil der reproduktionsmedizinischen Behandlungen. Dieses Memorandum beschränkt
sich aus Gründen der rechtspolitischen Aktualität auf sie. Eine
umfassende Regelung des Bereichs der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in einem Fortpflanzungsmedizingesetz
bleibt notwendig.
8. Verfahrens- und Qualitätssicherung
Der Gesetzgeber ist gefordert, einen Rechtsrahmen für die
Durchführung der PID zu setzen.
Die Bundesärztekammer wird in einer „(Muster-)Richtlinie
zur Durchführung der Präimplantationsdiagnostik“ Regelungen
zum Indikationsspektrum, zur personellen und apparativen Aus-
stattung, zur medizinischen und psychosozialen Beratung sowie
zur Anzahl der durchführenden Zentren treffen.
Bei den Landesärztekammern sind auf Grundlage der
„(Muster-)Richtlinie zur Durchführung der Präimplantationsdiagnostik“ interdisziplinär und mit Behinderten-/Patientenvertretern zu besetzende Kommissionen (insbesondere Gynäkologie, Humangenetik, Innere Medizin, Neurologie, Pädiatrie,
Rechtswissenschaft, Ethik) einzusetzen in Analogie zu den im
Transplantationsgesetz vorgesehenen Lebendspendekommissionen, die die Qualitätssicherung übernehmen. Zur Qualitätssicherung gehört ebenfalls die langfristige Nachverfolgung der
Gesundheit und der weiteren Entwicklung der nach PID geborenen Kinder. Die Kommissionen sind behandlungsunabhängig
besetzt.
Der zuständigen Kommission sind die einzelnen Behandlungsfälle in anonymisierter Form vorab zur Beurteilung vorzulegen.
Die bei den einzelnen Kommissionen der Landesärztekammern erhobenen Daten zur Qualitätssicherung sind in einem zentralen Register in anonymisierter Form zusammenzuführen.
Für eine weitere Erfassung der Daten bietet sich das PGDKonsortium der ESHRE an, wodurch die Daten einem internationalen Vergleich zugänglich würden.
9. Zusammenfassung
Auf der Basis des Urteils des Bundesgerichtshofes 2010 sowie
einer Aktualisierung der Überlegungen, die die Bundesärztekammer bereits im Jahre 2000 im „Diskussionsentwurf zu einer
Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“ getroffen hat, lässt
sich folgendes zusammenfassen:
– Die Methode der Präimplantationsdiagnostik (PID) ist seit
20 Jahren außerhalb Deutschlands etabliert. Internationale Daten (ESHRE) liegen für einen Beobachtungszeitraum von insgesamt elf Jahren vor. Für die PID im engeren Sinne wurden Daten
von über 10 000 Behandlungszyklen dokumentiert. Nach PID
kam es zu einer Schwangerschaftsrate von 26 % pro Embryotransfer, was weitgehend der normalen Schwangerschaftsrate
nach IVF entspricht. Falschnegative Diagnosen wurden im Berichtszeitraum in 28 Fällen mitgeteilt, was einer Häufigkeit von
0,3–1,7 % je nach Indikation bezogen auf den implantierten Embryo entspricht. Die Rate an kongenitalen Fehlbildungen ist nach
PID nicht erhöht. Mit Bezug auf die internationalen Erfahrungen
ist in Deutschland von einem Bedarf der PID bei etwa 200 betroffenen Paaren pro Jahr auszugehen. Das PräimplantationsScreening ist absehbar keine Methode zur Effizienzsteigerung
der assistierten Reproduktion. Die Polkörperdiagnostik kann
nicht als eine medizinisch gleichwertige Alternative zur PID
angesehen werden. Die PID wird im Ausland durchschnittlich an
sieben Embryonen durchgeführt.
– Eine Eingrenzung der Indikationsstellung ist erforderlich.
Die PID soll nur für Erkrankungen durchgeführt werden, für die
bei einem Paar ein hohes genetisches Risiko bekannt ist. Keine
Indikation für PID sind Geschlechtsbestimmung ohne Krankheitsbezug, höheres Alter der Eltern sowie reproduktionsmedizinische Maßnahmen im Allgemeinen.
– Die ethische Abwägung spricht für eine Zulassung der PID
in bestimmten Grenzen und unter kontrollierten Voraussetzungen. Unter Gesichtspunkten der Zumutbarkeit für die Frau und
des Entwicklungsstandes des vorgeburtlichen Lebens ist die Invitro-Befruchtung „auf Probe“ (PID) in bestimmten Fällen
28
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
ethisch weniger problematisch als eine „Schwangerschaft auf
Probe“ (PND) mit nachfolgendem Schwangerschaftsabbruch.
Gegen die Befürchtung eines Dammbruchs spricht schon allein
die internationale Erfahrung. Aus ethischer Sicht fallen die Persönlichkeitsrechte und das Selbstbestimmungsrecht der Frau
bzw. des Paares, ihre Gewissensfreiheit sowie ihre Gewissensverantwortung – auch mit Blick auf das erhoffte Kind – ins Gewicht.
– Um die Patienten-Autonomie zu unterstützen und eine authentische, verantwortungsbewusste Entscheidung zu ermöglichen, bedarf es umfassender Information und Aufklärung sowie
kompetenter Beratung.
– In rechtlicher Hinsicht ergeben sich aus dem Urteil des
BGH vom Juli 2010 gewisse Handlungsspielräume jedenfalls
dann, wenn Trophpoblastzellen entnommen und zur Untersuchung verwendet werden. Medizinisch ist von wesentlicher
Bedeutung, dass neben Trophoblasten auch Blastomere nach
dem Acht-Zell-Stadium aus nichttotipotenten Zellen bestehen.
Rechtspolitisch liegt nach überwiegender Auffassung ein Indikationsmodell innerhalb des verfassungsrechtlichen Handlungsspielraums des Gesetzgebers vor. Ein solches sollte typisierend
ausgestaltet sein, jedoch auf eine Auflistung bestimmter Krankheiten verzichten. Bei den notwendigen prozeduralen Absicherungen sollte die Beratung des betroffenen Paares im Mittelpunkt
stehen. Die Geltung des Weigerungsrechts gem. § 10 ESchG
auch für die Mitwirkung an einer PID steht außer Frage.
– Unbeschadet des Erfordernisses, die Belange der Reproduktionsmedizin in einem umfassend angelegten Fortpflanzungsmedizingesetz zu regeln, sollte eine Regelung der PID Anlass
geben, den vielfach kritisierten § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG dahingehend abzuändern, dass dem Arzt aufgegeben wird, die Zahl der
zu befruchtenden Eizellen so festzulegen, dass das Risiko des
Entstehens überzähliger Embryonen geringer ist als das Risiko,
keine ausreichende Anzahl transfergeeigneter Embryonen zur
Verfügung zu haben.
– Eine (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der Präimplantationsdiagnostik ist von der Bundesärztekammer zu erarbeiten,
insbesondere zum Indikationsspektrum der PID, zur personellen
und apparativen Ausstattung, zur medizinischen und psychosozialen Beratung sowie zur Festlegung der danach erforderlichen
Zahl durchführender Zentren.
– Bei den Landesärztekammern sind behandlungsunabhängige PID-Kommissionen einzurichten, die die Qualitätssicherung der PID gewährleisten. Der zuständigen Kommission sind
die einzelnen Behandlungsfälle in anonymisierter Form vorab
zur Beurteilung vorzulegen. Die bei den einzelnen Kommissionen der Landesärztekammern erhobenen Daten zur Qualitätssicherung sind in einem zentralen Register in anonymisierter
Form zusammenzuführen.
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Wissenschaftlichen Beirats „Memorandum
zur Präimplantationsdiagnostik“
Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. K. Diedrich, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universität Lübeck
Prof. Dr. med. M. Sc. G. Griesinger, Oberarzt des Kinderwunschzentrums der
Universität Lübeck
Prof. (em.) Dr. med. H. Hepp (federführend), ehem. Direktor der Klinik für
Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Klinikums Großhadern der LudwigMaximilians-Universität München
Dr. med. U. Hilland, 1. Vorsitzender des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands (BRZ), Ärztlicher Leiter des Fertility
Center Münsterland, Bocholt
Prof. Dr. med. H. Kentenich, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe an den DRK Kliniken Berlin-Westend
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PD Dr. iur. H.-G. Koch, Referatsleiter am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg
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Prof. Dr. theol. H. Kreß, Abteilung für Sozialethik der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
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Dr. med. F. U. Montgomery, Präsident der Ärztekammer Hamburg, Präsident
der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages
Prof. (em.) Dr. med. Dr. h. c. E. Nieschlag, ehem. Direktor des Instituts für
Reproduktionsmedizin und Andrologie am Universitätsklinikum Münster
Prof. (em.) Dr. med. J. Schulze, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer, Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer
Prof. (em.) Dr. med. Dr. h. c. P. C. Scriba, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, ehem. Direktor der Medizinischen
Klinik Innenstadt der Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. med. Dr. phil. U. Wiesing, Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Eberhard Karls Universität Tübingen
Geschäftsführung und Korrespondenz
Dezernat VI – Wissenschaft und Forschung
Bundesärztekammer
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin
30
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
Heft 31–32, 8. August 2011
KOMMENTAR
Prof. Dr. theol. Peter Dabrock/Dr. theol. Jens Ried, Erlangen
A
m 7. Juli, genau ein Jahr und
einen Tag nachdem der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil zur
Präimplantationsdiagnostik (PID) festgestellt hatte, „dass eine eindeutige
gesetzliche Regelung der Materie
wünschenswert wäre“, hat der Bundestag die begrenzte Zulassung der
PID beschlossen. Künftig können Paare, die In-vitro-Fertilisation in Anspruch
nehmen und bei denen zudem die große Wahrscheinlichkeit einer Tot- oder
Fehlgeburt oder der Weitergabe einer
nisch. PID und PND gleichen sich darin,
dass mit ihrer Hilfe Informationen gewonnen werden, die dazu führen (können), dass die Geburt von Kindern, bei
denen genetisch bedingte Schädigungen festgestellt werden, verhindert
wird: sei es aufgrund einer medizinischen Indikation, sei es, weil der Embryo solche Merkmale aufweist, die seine Geburt im Fall eines Transfers in den
Uterus höchst unwahrscheinlich machen. Es ist kaum plausibel zu machen,
warum ein Diagnoseverfahren in utero
auch nach der Entscheidung klar gegen eine wie eng auch immer begrenzte Zulassung der PID gewandt. Zugleich haben sie anerkannt, dass die
Situation, in der sich die „Hochrisikopaare“ befinden, eine seelsorgerliche
Herausforderung darstellt. Wie strikte
Klarheit auf der einen Seite mit der
notwendigen Sensibilität auf der anderen Seite in Einklang zu bringen ist,
bleibt dabei freilich unklar. Seelsorge
und Ethik sollen und können an dieser
Stelle nicht getrennt werden, denn es
PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK
Kohärenz statt brechender Dämme
schweren erbliche Erkrankung besteht,
die erzeugten Embryonen vor der Implantation einer genetischen Diagnose
unterziehen lassen, um anschließend
über den Transfer in den Mutterleib zu
entscheiden. Am Ende des politischen
und gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozesses ist mit dem Ja zur
eng begrenzten Zulassung der PID die
Position mehrheitsfähig gewesen, die
aus drei Gründen auch aus theologisch-ethischer Sicht die größte Plausibilität hat.
Erstens trägt diese Entscheidung zur
Kohärenz der politisch-rechtlichen Regelungen bei – und Kohärenz ist ein
ethisches Kriterium jeder Ethik. Die Diskussionen zur PID vollziehen sich nicht
in einem luftleeren Raum, sondern vor
dem Hintergrund einer komplexen gesellschaftlichen Situation, die schon
längst rechtlich vorgeregelt ist. Wichtigster Referenzpunkt ist dabei die
etablierte und weitestgehend akzeptierte Pränataldiagnostik (PND). Die Konfliktsituationen von PID und PND mögen
sich aufgrund der unterschiedlichen
Verortung des Embryos in vivo oder in
vitro unterscheiden. Daraus aber abzuleiten, dass es sich bei der PID um einen „sterilen“ Konflikt handelt, in dem
betroffene (potenzielle) Eltern aus einer
Distanzperspektive nach Rationalitätskalkül Embryonenselektion betreiben,
ist wirklichkeitsfern, wenn nicht zy-
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mit allen seinen möglichen Konsequenzen bis hin zum Abbruch der Schwangerschaft selbst in späten Stadien erlaubt ist, während ein anderes, das sogar noch vor der Schwangerschaft ansetzt, verboten sein soll. Dass sowohl
PID als auch PND letztlich auf den guten Verlauf einer Schwangerschaft und
die erfolgreiche Geburt eines Kindes
abzielen, kann darüber hinaus nur geleugnet werden, wenn es von beiden
Prozeduren behauptet wird.
Zweitens folgt das Parlament mit
seiner Entscheidung nicht den in bioethischen und biopolitischen Kontroversen beliebten, zugleich aber höchst
problematischen „Dammbruch“-Argumenten. Unkontrollierbare Ausweitungen und unabsehbare Nebenwirkungen
wurden beispielsweise auch im Fall der
bedingten Zulassung der embryonalen
Stammzellforschung befürchtet. Keiner
dieser Effekte konnte beobachtet werden. „Dammbruch“-Argumente implizieren zudem einen ausgeprägten Regelungspessimismus, denn es wird
mehr oder weniger offen angenommen, dass es kaum Möglichkeiten gibt,
den Gebrauch einer Technologie oder
eines Verfahrens rechtlich so zu regeln,
dass dabei unerwünschte und verbotene Anwendungen auch effektiv unterbunden werden.
Die beiden großen christlichen Kirchen haben sich sowohl im Vorfeld als
geht im Kern um die betroffenen Familien selbst. Erst recht können an dieser
Stelle nicht Argumente in Anschlag gebracht werden, die auf die Bewahrung
ethischer Schemata abzielen, die durch
die PID beeinträchtigt würden. Das Ja
zur eng begrenzten Zulassung der PID
verortet die Entscheidung bei denen,
die letztlich auch die Verantwortung
tragen müssen und bei denen das
Parlament sie zum Beispiel auch im
Schwangerschaftskonflikt gesehen hat:
bei den Betroffenen. Angesichts der
auch für Christen unklaren Bestimmung des Lebensanfangs ihnen selbst
das Recht auf eine Entscheidung einzugestehen und sie dabei zu begleiten,
ist Ausdruck christlich gedeuteter Freiheit. Mit dem parlamentarischen Beschluss sind weder alle Fragen gelöst
noch ist zu erwarten, dass die Debatten um die PID verstummen – insofern
ist das mit der Entscheidung des Bundestages erreichte Ende sicher ein vorläufiges. Dass die Kontroversen in einen die Kohärenz fördernden Beschluss eingemündet sind, der ohne
Fraktionszwang gefällt wurde, darf als
Hinweis und Auftrag verstanden werden, in allen kommenden Debatten
weiter auf die in der Diskussion erreichten Standards zu bauen. Ärzteschaft und die einzurichtenden Ethikkommissionen tragen dabei eine große
Verantwortung.
DOSSIER: EMBRYONENFORSCHUNG
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