Diagnostik und Therapie der renalen Anämie

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Diagnostik und Therapie der renalen Anämie
I. Diagnostik bei renaler Anämie
Zur initialen Beurteilung eines Patienten mit renaler Anämie gehören:
- Hämoglobin, MCV und MCH.
- Absolute Retikulozytenzahl
- Ferritin und Transferrinsättigung (TSAT), ggf. % hypochrome Erythrozyten
- CRP (Ausschluss von Inflammation/Infektion)
Besteht der Verdacht auf das zusätzliche Vorliegen weiterer Anämieursachen können
folgende Untersuchungen indiziert sein:
- Hämoccult, ggf. Endoskopie (V.a. GI-Blutung)
- Serum-Vitamin B12 und Folat-Konz. im Erythrozyten
(hyperchrome, makrozytäre Anämie)
- Serum-PTH (Ausschluss schwerer Hyperparathyroidismus)
- Differentialblutbild inklusive Thrombozyten
- Haptoglobin, LDH, Bilirubin, Coomb’s Test (Hämolyse)
- Serum (Urin) Elektrophorese (Ausschluss Plasmozytom)
- Hb-Elektrophorese (Thalassämie, Sichelzellanämie)
- Knochenmark-Histologie
Es besteht eine renale Anämie, wenn:
- Hb-Wert <12.5 g/dl
- Erythrozyten: Normochrom und normozytär
- GFR <30 ml/min
- Keine andere Anämieursache offensichtlich
II. Targets der Anämie-Behandlung
Ziel-Hb
Behandlungsziel bei Patienten mit renaler Anämie ist es, Hb-Werte >11 g/dl zu erreichen oder
zu halten (unabhängig von Alter, Geschlecht, Ausmaß der Niereninsuffizienz und Art des
Nierenersatzverfahrens). Bei Hämodialysepatienten sollte die Hb-Konzentration vor Beginn
der Dialysesitzung gemessen werden.
Für jeden Patienten sollte ein individueller Ziel-Hb definiert werden, der Alter und
Comorbidität berücksichtigt. Bei Hämodialysepatienten sollten Hb-Werte >14 g/dl vermieden
werden.
Bei Patienten mit ausgeprägten kardiovaskulären Begleiterkrankungen (NYHA III und IV)
sollte der Hb-Wert nicht über 12 g/dl angehoben werden, es sei denn es besteht eine
symptomatische koronare Herzkrankheit.
Auch bei diabetsichen Patienten (besonders bei solchen mit peripherer arterieller
Verschlusskrankheit) sollten Hb-Konzentrationen >12 g/dl nur mit großer Vorsicht realisiert
werden.
COPD-Patienten können im Einzelfall von Hb-Werten >12 g/dl profitieren.
Zielvorgaben Eisen-Haushalt
Folgende Zielvorgaben hinsichtlich des Eisen-Status sollten realisiert werden, um eine
adäquate Response auf Epoetin sicherzustellen:
1) Minimalanforderungen
- Ferritn >100 µg/l
- TSAT >20%
- % Hypochrome Ery <10%
- CHr >29 pg
2) Optimale Bedingungen
- Ferritin 200 – 500 µg/l
- TSAT 30 – 40 %
- % Hypochrome Ery <2.5%
- CHr ~35 pg
Behandlung der renalen Anämie mit Epoetinen
Alle Patienten mit renaler Anämie (Prädialyse-, Dialyse- und Transplant-Patienten) sollten
mit einem Epoetin behandelt werden, wenn der Hb-Wert unter 11 g/dl abfällt. Hämodialysepatienten können intravenös mit einem Epoetin behandelt werden. Man geht allerdings davon
aus, dass die subkutane Applikation mit einer Dosiseinsparung einhergeht. Bei allen anderen
Patienten mit renaler Anämie bietet sich der subkutane Applikationsweg aus rein praktischen
Überlegungen heraus an.
Da Epoetin-alpha (ERYPO®) in Deutschland nicht für die subkutane Applikation bei
Patienten mit Niereninsuffizienz zugelassen ist, muss entweder mit Epoetin-ß
(NeoRecormon®) oder mit Darbepoetin-alpha (Aranesp®) therapiert werden. Wegen der
längeren Halbwertszeit präferieren wir aus Gründen der Praktikabilität die Verwendung von
Darbepoetin-alpha bei Prädialyse-, CAPD- und Transplantpatienten mit renaler Anämie.
Hämodialyse-Patienten, die intravenös behandelt werden, sollten Epoetin-alpha oder -ß
dreimal pro Woche erhalten. Bei Verwendung von Darbepoetin-alpha ist eine intravenöse
Injektion pro Woche ausreichend. Prädialyse-, CAPD- und Transplant-Patienten erhalten
entweder Epoetin-ß einmal wöchentlich oder Darbepoetin-alpha einmal alle 2 – 4 Wochen.
In der Korrekturphase der Anämiebehandlung sollten die Hb-Werte alle 2-4 Wochen
kontrolliert werden. Dabei sollte der Hb-Anstieg 1-2 g/dl im Monat nicht überschreiten. Bei
einem Anstieg von weniger als 1 g/dl im Monat kann die Epoetindosis stufenweise um 25%
erhöht werden. Bei einem Hb-Anstieg von mehr als 2 g/dl pro Monat sollte die Dosis um
25-50% reduziert werden. In der Erhaltungsphase reichen Hb-Kontrollen alle 4-8 Wochen
aus. Bei Hb-Änderungen von mehr als 1 g/dl sollte die Epoetindosis um 25% erhöht bzw.
reduziert werden.
Im Rahmen der Anämie-Korrektur kann es zu einem Blutdruckanstieg kommen. Deshalb
sollte der der Bludruck in der Korrekturphase besonders engmaschig kontrolliert werden,
solange bis die Erhaltungsphase erreicht ist. Im Falle eines ausgeprägten Blutdruckanstiegs
sollte bei Hämodialysepatienten die antihypertensive Therapie intensiviert werden und das
Trockengewicht überprüft werden, ggf. durch vermehrte Ultrafiltration extrazelluläre
Flüssigkeit entzogen werden.
Adjuvante Therapie der renalen Anämie mit Eisen
Alle Patienten mit renaler Anämie, die mit einem Epoetin behandelt werden, sollten
zusätzlich eine Eisen-Substitution erhalten, um ein optimales Ansprechen auf Epoetin zu
gewährleisten. Hämodialysepatienten haben in der Regel einen größeren Eisenbedarf als
Prädialyse- oder CAPD-Patienten.
Intravenöses Eisen stellt die Darreichungsform der Wahl dar, da orales Eisen bei
niereninsuffizienten Patienten nur schlecht resorbiert wird. In der Korrekturphase der renalen
Anämie werden 25-150 mg Eisen pro Woche für die gesteigerte Erythropoese benötigt. In der
Erhaltungsphase wird der Eisenbedarf von Hämodialysepatienten auf etwa 200 mg/Monat
veranschlagt.
Die Eisenparameter: Ferritin, TSAT und ggf. %hypochrome Ery, sollten regelmäßig
kontrolliert werden:
-
Stabiler Hb, keine Epoetin-Therapie: 2-6 Monate
Korrekturphase bei Epoetin-Therapie: 4-6 Wochen
Erhaltungsphase bei Epoetin-Therapie: 1-3 Monate
Bei der Wahl des intravenösen Eisenpräparats ist in besonderem Maße auf die
Verträglichkeit zu achten. Eisensaccharose (Venofer®) gilt als sicherstes Präparat
gefolgt von Eisengluconat (Ferrlecit®). Wegen potentiell lebensbedrohlicher
Unverträglichkeitsreaktionen wird von der Verwendung von Eisendextran (Cosmofer®)
abgeraten.
Therapie der renalen Anämie mit Blut-Transfusionen
Bei Patienten mit Niereninsuffizienz sollten Blutübertragungen weitestgehend vermieden
werden, besonders in solchen Fällen, wo eine Transplantation angestrebt wird. Transfusionen
können indiziert sein, wenn eine symptomatische Anämie mit Fatigue, Angina oder schwerer
Dyspnoe bei Patienten mit ausgeprägter Comorbidität (Diabetes, KHK, Herzinsuffizienz, etc.)
besteht. Auch bei akutem Blutverlust oder Hämolyse und bei Erkrankungen des Knochemarks
(MDS) sowie ausgeprägter Epoetin-Resistenz können Blutübertragungen notwendig werden.
Nichtansprechen auf eine Epoetin-Behandlung
Von einer Epoetin-Resistenz spricht man, wenn es bei einem Patienten unter Epoetin in einer
Dosierung von 20.000 U/Woche oder mehr nicht zu einem Hb-Anstieg kommt. Häufige
Ursachen für ein solches Nichtansprechen sind Eisenmangel, Blutverlust oder ein
inflammatorischer Zustand. Ferner sollte auch immer an das Voliegen einer Pure Red Cell
Aplasia (PRCA) gedacht werden.
Pure Red Cell Aplasia (PRCA)
Eine PRCA kann vorliegen, wenn ein Patienten unter Epoetin-Behandlung eine
transfusionsbedürftige Anämie mit niedrigen Retikulozyten (<10.000/µl) entwickelt.
Typischerweise findet sich die Zahl der Erythroblasten im Knochenmark auf weniger als 5%
bei ansonsten normaler Zellularität erniedrigt, im Serum lassen sich anti-ErythropoetinAntikörper nachweisen. In solchen Fällen sollte jegliche Epoetin-Therapie (wg.
Kreuzreaktivität) gestoppt werden. In manchen Fällen hat sich eine immunsuppressive
Therapie oder eine erfolgreiche Nierentransplantation als günstig erwiesen.
Literatur
Revised European Best Practice Guidelines for the management of anaemia in patients with
chronic renal failure. Nephrol Dial Transplant 19 (Suppl. 2): 1-47, 2004
Die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr, die Verantwortung liegt
ausschließlich bei den behandelnden Ärztinnen und Ärzten
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