Mathematik I für Maschinenbau

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Mathematik I für Maschinenbau
3. April 2014
2
Dieses Skript wurde erstellt auf der Grundlage des Skripts Mathematik I für EIT von Joachim Ohser und Mathematik I für MB von Udo Rohlfing. Es gibt eine Übersicht über den zu behandelnden
Stoff in der Vorlesung Mathematik I für Maschinenbau. Die Benutzung des Skripts ersetzt in der
Regel nicht den Besuch der Vorlesung, in der der Stoff durch weitere Erklärungen und Beispiele vertieft wird. Ebenso kann die Vorlesung im Einzelfall vom hier dargestellten Stoff abweichen.
Ausschlaggebend für den Stoffumfang des Leistungsnachweises ist die Vorlesung, nicht dieses Skript.
Inhaltsverzeichnis
1 Grundlagen
5
1.1
Mengenbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
1.2
Zahlenmengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
1.2.1
Aufbau des Zahlensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
1.2.2
Rechnen mit ganzen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
1.3
Reelle Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.3.1
Potenzen und Logarithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.3.2
Absolutbetrag und Signum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.3.3
Gleichungen und Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.4
Trigonometrische Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1.5
Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
1.5.1
Definition und Darstellung komplexer Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
1.5.2
Rechnen mit komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2 Vektorrechnung
29
2.1
Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.2
Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.3
Produkte von Vektoren
2.4
2.5
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.3.1
Das Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.3.2
Das Vektorprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
2.3.3
Das Spatprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Geometrische Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.4.1
Geraden in der Ebene und im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.4.2
Ebenen im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Lineare Unabhängigkeit von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
3
3 Matrizen und lineare Gleichungssysteme
55
3.1
Definition und wichtige Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
3.2
Rang und Determinante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
3.3
3.2.1
Der Rang einer Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
3.2.2
Die Determinante einer Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
3.3.1
Charakterisierung der Lösbarkeit eines linearen Gleichungssystems . . . . . . 66
3.3.2
Methoden zur Lösung linearer Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Kapitel 1
Grundlagen
1.1
Mengenbezeichnungen
Verschiedene zu einer Gesamtheit zusammengefasste Objekte nennt man eine Menge. Die Objekte
heis̈en Elemente der Menge. Bezeichnet M eine Menge und a ein Element der Menge, so schreibt
man a ∈ M . Mengen kann man auf verschiedene Weise definieren, z.Bsp.
Aufzählung aller Elemente der Menge:
M = {a, b, s, d, e, p, z}
Aufzählung einiger Elemente der Menge mit plausibler Fortsetzung:
M = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, ...}
Angabe einer definierenden Eigenschaft:
M = {a | a erfüllt die Bedingung B}
z.B.: M = {a | a ∈ N und 100 ≤ a ≤ 199}
Beispiele
M = {a | a ist Student des Maschinenbaus im 1. Semester an der HDA}
M = {a | a ist Primzahl und 100 ≤ a ≤ 199}
M = {(i, j) |0 ≤ i ≤ 1279, 0 ≤ j ≤ 1023}
Mengenbeziehungen
A⊂B
A∩B
A ⊂ M, A = M r A
Teilmenge
Durchschnitt
Komplement
A∪B
ArB
∅
Vereinigung
Differenz
leere Menge
5
6
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
1.2
Zahlenmengen
1.2.1
Aufbau des Zahlensystems
N = {1, 2, . . . } – Menge der natürlichen Zahlen. Zulässige Operationen sind Addition und Multiplikation, d. h. die Addition oder Multiplikation zweier natürlicher Zahlen ergibt stets wieder
eine natürliche Zahl.
Z = {. . . , −2, −1, 0, 1, 2, . . . } – Menge der ganzen Zahlen. Zulässig sind Addition, Subtraktion und
Multiplikation.
Q = { pq : p ∈ Z, q ∈ N} – Menge der rationalen Zahlen. Zulässig sind Addition, Subtraktion,
Multiplikation und Division.
Zur Anschaulichkeit können Zahlen auf der Zahlengeraden dargestellt werden, siehe Abbildung 1.1.
-3
-2
-1
0
1
2
3
4
x
Abbildung 1.1: Die Anordnung der ganzen Zahlen auf der Zahlengeraden.
Beispiele für rationale Zahlen
(i) endliche Dezimalbrüche:
1
4
= 0, 25,
(ii) periodische Dezimalbrüche:
1
3
−1
8
= −0, 125,
= 0, 333 . . . = 0, 3,
19
16
= 1, 187 5
−2
11
= −0, 181818 . . . = −0, 18
Die rationalen Zahlen liegen dicht auf der Zahlengeraden, d. h., zu jedem Punkt auf der Zahlengeraden gibt es rationale Zahlen, die in jeder noch so kleinen Umgebung dieses Punktes liegen.
Computer arbeiten in der Regel mit Teilmengen von N, Z und Q.
Irrationale Zahlen
Die Zahl π ist keine rationale Zahl. Sie ist darstellbar z. B. durch
π =4−
4 4 4 4
4
+ − + −
+ . . . = 3, 14159 . . .
3 5 7 9 11
Die Zahl π kann durch Fortsetzung der Summation beliebig genau, aber nie exakt dargestellt
werden. Dazu wären unendlich viele Summanden nötig.
Es gibt eine Vielzahl weiterer Zahlen, die nicht rational sind.
7
1.2. ZAHLENMENGEN
Beispiele
(i) die Euler-Zahl, die ebenfalls durch die Bildung eines Grenzwertes erhalten werden kann,
1 n
= 2, 7183 . . .
e = lim 1 +
n→∞
n
(ii) die Quadratwurzel von 2,
erhalten kann,
1
1.4
1.41
1.414
1.4142
1.41421
<
<
<
<
<
<
√
√2
√2
√2
√2
√2
2
..
.
<
<
<
<
<
<
√
(1.1)
2, deren Dezimalstellen man z.B. durch Intervallschachtelung
2,
1.5,
1.42,
1.415,
1.4143,
1.41422,
wegen
12
wegen
1.42
wegen
1.412
wegen
1.4142
wegen 1.41422
wegen 1.414212
<
<
<
<
<
<
2
2
2
2
2
2
..
.
<
<
<
<
<
<
22
1.52
1.422
1.4152
1.41432
1.414222
Diese Intervallschachtelung
wäre beliebig oft fortsetzbar. Die dabei erhaltenen Dezimalbrüche
√
für die Grenzen von 2 sind weder endlich noch periodisch.
Eine Zahl, die nicht rational ist, heißt irrational.
Es gibt unendlich viele irrationale Zahlen, die wie die rationalen Zahlen dicht auf der Zahlengeraden
liegen.
Definition. Die Vereinigung der Menge der rationalen und der Menge der irrationalen Zahlen wird
Menge der reellen Zahlen genannt und mit R bezeichnet,
R = Menge aller rationalen und irrationalen Zahlen.
1.2.2
Rechnen mit ganzen Zahlen
Die Fakultät
Definition. Die Fakultät einer Zahl n ist durch
n! = 1 · 2 · 3 · . . . · n
für n ∈ N,
0! = 1
definiert.
n! lässt sich auch mit Hilfe der Produktschreibweise
n! =
n
Y
i=1
i
8
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
schreiben. Allgemein scheibt man
a1 · a2 · . . . · an =
n
Y
ai
i=1
.
Zur Abschätzung der Fakultät kann die Approximation
n! ≈
n n
√
2πn
e
(Stirlingsche Formel)
(1.2)
verwendet werden.
Beispiel
10! = 3 628 800 ≈
√
20π
10
e
10
= 3 598 457
Anwendung in der Kombinatorik
(i) Die Anzahl N der Permutationen von n Elementen, die voneinander verschieden sind, errechnet
sich aus der Fakultät von n,
N = n!.
So lassen sich beispielsweise aus den 5 Buchstaben A, B, C, D und E insgesamt 120 verschiedene Permutationen (d. h. Wörter) bilden.
(ii) Die Anzahl N der Permutationen von n Elementen, von denen je ni Elemente gleich sind,
i = 1, . . . , k, ergibt sich aus
N=
n!
,
n1 ! · n2 ! · . . . · nk !
wobei n1 + n2 + . . . + nk = n ist. Ein in dem Zusammenhang häufig zitiertes Beispiel ist das
11!
Wort Mississippi“, dessen Buchstaben sich durch Permutationen zu N = 1!·4!·4!·2!
= 34 650
”
Variationen anordnen lassen.
Die Binomialkoeffizienten
Definition. Seien k und n nicht negative ganze Zahlen und k ≤ n. Dann heißt
n!
n
=
k
k!(n − k)!
der Binomialkoeffizient n über k“.
”
9
1.2. ZAHLENMENGEN
Es gilt stets
n
k
+
n
k
n
k+1
=
=
n
n−k
n+1
k+1
.
,
Die letzte Gleichung ist die Motivation für das Pascalsche Dreieck
n
0
1
2
3
4
5
..
.
Binomialkoeffizienten Zeilensumme
1
20
1 1
21
1 2 1
22
1 3 3 1
23
1 4 6 4 1
24
1 5 10 10 5 1
25
..
..
.
.
n
, k = 0, . . . , n nach einem einfachen Schema aus den
mit dem alle Binomialkoeffizienten
k
n−1
, k = 0, . . . , n − 1 berechnet werden können.
Binomialkoeffizienten
k
Spezialfälle
n
0
= 1,
n
1
= n,
n
n−1
= n,
n
n
=1
Beispiele
(i)
9
3
=
9!
7·8·9
=
= 84
3! · 6!
1·2·3
(ii)
100
97
=
100
3
=
100!
98 · 99 · 100
=
= 161 700
3! · 97!
1·2·3
(iii)
3 X
3+i
3
4
5
6
=
+
+
+
3
3
3
3
3
i=0
4·5 4·5·6
+
1·2 1·2·3
= 1 + 4 + 10 + 20
= 1+4+
= 35
10
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
Anwendungen in der Kombinatorik
Die Anzahl N von Kombinationen aus n Elementen zu je k Elementen
(i) ohne Berücksichtigung der Reihenfolge der k ausgewählten Elemente errechnet sich aus
N=
n
k
,
(ii) und mit Berücksichtigung der Reihenfolge ergibt sich
N=
n
k
k!.
So ergibt sich beispielsweise für 6 aus 49“ die Anzahl
”
N=
44 · 45 · 46 · 47 · 48 · 49
49!
=
= 13 983 816.
6! · 43!
1·2·3·4·5·6
Binomische Formeln
Für zwei reelle Zahlen a und b gilt
(a + b)2 = a2 + 2ab + b2 ,
(a + b)3 = a3 + 3a2 b + 3ab2 + b3
4
(a + b)
4
3
und
2 2
= a + 4a b + 6a b + 4ab3 + b4 .
Man kann erkennen, dass die auf den rechten Seiten der Gleichungen auftretenden Koeffizienten
Binomialkoeffizienten sind. Allgemein, d. h. für beliebige Exponenten n, kann man daher schreiben
n
n
n
n
1 n−1
n 0
n−1 1
a
b + ... +
a b
+
a0 bn
a b +
(a + b) =
n
0
1
n−1
n X
n
=
an−k bk
k
n
k=0
Da diese Formel für beliebige reelle Werte b gilt, erhält man unmittelbar
n X
n
(a − b) =
an−k (−b)k
k
n
k=0
Außerdem gilt
(a + b)(a − b) = a2 − b2
(1.3)
11
1.3. REELLE ZAHLEN
Beispiele
(i) Vereinfachen von Ausdrücken.
(x + y)2 (x2 − 2xy + y 2 )
(x + y)2 (x − y)2
=
= (x + y)(x − y) = x2 − y 2
2
2
x −y
(x + y)(x − y)
(ii) Effektives Berechnen von Potenzen.
992 = (100 − 1)2 = 1002 − 2 · 100 · 1 + 12 = 9 801
9992 = (1000 − 1)2 = 10002 − 2 · 1000 · 1 + 12 = 998 001,
..
.
1.3
Reelle Zahlen
1.3.1
Potenzen und Logarithmen
Sei
Definition:
a ∈ R, n ∈ N
an = a
| · a ·{z. . . · a},
n mal
a−n =
1
,
a · a · ... · a
1
an =
√
n
a (a > 0).
Bei einer Potenz ab heisst a die Basis und b der Exponent.
Spezialfälle sind
a0 = 1 (a 6= 0),
a1 = a,
1
a2 =
√
a,
Die wichtigsten Potenzgesetze sind in Tabelle 1.1 zusammengefasst.
Beispiele
(i) Es gilt
√
50
1
9 801100 = 9 801100· 50 = 9 8012 = 9 6059 601.
Wenn man mit dem Taschenrechner zuerst 9 801100 berechnen will, erzeugt man in der Regel
einen Überlauf“ des Wertebereichs.
”
(ii)
√
3
8a + 2 ·
√
3
s
p
p
3
a2 = 3 (8a + 2) · a2 = 8a3 + 2a2 =
3
8a3
r
1
1
3
1+
= 2a 1 +
4a
4a
12
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
Potenzgesetze
ab ac = ab+c
ab
= ab−c
ac
1
= a−c
ac
(a· b)c = ac · bc
ab
c
Logarithmengesetze
loga (b · c) = loga b + loga c
b
= log b − loga c
loga
c a
1
= − loga c
loga
c
Bemerkungen
c
c
c
Achtung: ab := a(b ) =
6
ab
= ab·c
ac = bc·logb a = 10c·lg a = ec·ln a
loga bc = c · loga b
logb c
lg c
ln c
loga c =
=
=
logb a
lg a
ln a
Basiswechsel
Tabelle 1.1: Wichtige Potenz- und Logarithmengesetze. Für die Basis a wird a > 0 sowie beim
Logarithmus a 6= 1 vorausgesetzt.
Definition:
Die Lösung der Gleichung ax = c, (a, c > 0, a 6= 1) heisst
Logarithmus der Zahl c zur Basis a, geschrieben x = loga c.
Die wichtigsten Logarithmengesetze sind in Tabelle 1.1 zusammengestellt. Ferner gilt
loga ab = b,
aloga b = b.
Beispiele
(i) Logarithmus zur Basis 2 (a = 2):
log2 1 024 = 10
(ii) dekadischer Logarithmus (a = 10):
log10 100 = 2,
log10 1000 = 3
(abkürzende Schreibweise lg“ statt log10“)
”
”
(iii) natürlicher Logarithmus (a = e):
loge 10 = 2, 302 585 . . .
(abkürzende Schreibweise ln“ statt loge“)
”
”
(iv) Als Modifikation der Stirlingschen Formel (1.2) wird häufig
ln n! ≈
1
n+
2
ln n − n + ln
√
2π
verwendet. Durch Umformen und Anwenden der Potenz- bzw. Logarithmengesetze sieht man,
13
1.3. REELLE ZAHLEN
dass diese Abschätzung mit Formel (1.2) identisch ist. Es gilt
√
1
ln n − n + ln 2π
2
√
n 12 −n
n! ≈ n n e
2π
√
n
−n
= n 2πn e
n n
√
2πn
.
=
e
ln n! ≈ n ln n +
1.3.2
Absolutbetrag und Signum
Definition. Der Absolutbetrag |x| einer Zahl x ∈ R ist definiert durch
x,
falls x ≥ 0
|x| =
.
−x,
falls x < 0
Der Absolutbetrag |x| beschreibt den Abstand der Zahl x vom Ursprung 0 der Zahlengeraden. Es
gilt
|x| =
√
x2 .
Für das Rechnen mit Beträgen gelten folgende Regeln:
|x| ≥ 0
|x| = | − x|
|x| ≤ a
⇐⇒
−a ≤ x ≤ a
|x| ≥ a
⇐⇒
x ≤ −a
oder x ≥ a
|x · y| = |x| · |y|
|x + y| ≤ |x| + |y|
(Dreiecksungleichung)
Definition. Das Signum einer reellen Zahl x ist gegeben durch
sgn(x) =
1.3.3
x
,
|x|
für x 6= 0,
sgn(0) = 0.
Gleichungen und Ungleichungen
Mathematische Gleichungen und Ungleichungen bestehen aus arithmetischen Ausdrücken mit einer
oder mehreren Variablen und einem der Zeichen =, <, >, ≤, ≥, 6=. Lösung ist jede Belegung
der Variablen mit Werten aus einer vorgegebenen Menge, die zu einer wahren Aussage führt. Zur
Berechnung der Lösung wird die Gleichung oder Ungleichung durch äquivalente Umformungen nach
der (den) Variablen aufgelöst.
14
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
Beispiele
(i) Es sind die Lösungen x der quadratischen Gleichung
x2 + px + q = 0
gesucht, wobei p und q reellwertige Konstanten sind, p, q ∈ R. Diese Gleichung wird wie folgt
nach der Variablen x umgestellt:
x2 + px + q
2
2
x + p2 − p4 + q
2
x + p2
q
2
x + p2
x + p 2
= 0
quadratische Ergänzung auf der linken Seite
2
= 0
| + p4 − q
2
√
= p4 − q
|
q
p2
=
−q
q4
√
2
p
x2 .
=
−
q,
wegen
|x|
=
4
Hierbei werden die nach dem senkrechten Strich vermerkten Operationen in der darauf folgenden Zeile jeweils auf beiden Seiten der Gleichung ausgeführt.
Nun müssen noch die Betragsstriche aufgelöst werden. Für x +
x+
p
2
=
x =
und aus x +
p
2
q
p2
q
4 −
q
2
− p2 + p4
≥ 0 erhält man
| − p2
− q,
< 0 folgt
p
2
+ p2
− x+
x
p
2
=
q
p2
q4
= −
x =
−q
| ·(−1)
p2
−q
4q
2
− p2 − p4
| − p2
− q.
Um beide Lösungen zu unterscheiden, führen wir die Bezeichungen x1 und x2 für die erste
bzw. zweite Lösung ein. Abkürzend wird
x1/2
p
=− ±
2
r
p2
−q
4
(1.4)
geschrieben. Es wird noch darauf verwiesen, dass nur dann beide Lösungen x1 und x2 rell2
wertig sind, wenn p4 − q ≥ 0 ist.
(ii)
√
x
−
x−1
p
x − 2 x(x −p
1) + x − 1
2px(x − 1)
x(x − 1)
x(x − 1)
√
=
=
=
=
=
√
2x − 1
2x − 1
0
0
0
| 2
| −(2x − 1)
| :2
| 2
15
1.3. REELLE ZAHLEN
Die Werte x1 = 0 √
und x2 = √
1 sind Lösungen der letzten Gleichung, jedoch ist nur x2 = 1
√
Lösung von x − x − 1 = 2x − 1. Das kann durch Einsetzen in die Ausgangsgleichung
geprüft werden (Probe). Ungültige Lösungen (in diesem Beispiel x1 = 0) können durch das
Quadrieren einer Gleichung erhalten werden (oder durch Anwendung anderer Umformungen,
die nicht äquivalent sind).
(iii) Es ist zu beachten, dass es Gleichungen gibt, die auf analytischem Wege nicht lösbar sind.
Die Gleichung
x = e−x
hat eine Lösung x = 0, 567 . . ., die jedoch nur numerisch berechnet werden kann. (Man setze
auf der rechten Seite als Anfangslösung für x z. B. den Wert 1 ein. Der dabei auf der linken
Seite für x erhaltene Wert wird wieder auf der rechen Seite eingesetzt, u.s.w.)
Grundlage zur Lösung von Ungleichungen sind die folgenden Regeln:
Für reelle Zahlen a, b, c, d gilt
a<b ⇒ a+c<b+c
a < b, c < d ⇒ a + c < b + d
a < b ⇒ ac < bc
für c > 0
ac > bc
für c < 0
a < b, 0 < c < d ⇒ ac < bd
a < b ⇒ −a > −b
1
1
>
0<a<b ⇒
a
b
a≤b ⇔ a<b
oder
a=b
Bei der Lösung von Ungleichungen treten oft Lösungsmengen in Form von Intervallen als Teilmengen der reellen Zahlen auf:
Für reelle Zahlen a, b gilt
I
= [a, b] = {x ∈ R | a ≤ x ≤ b}
I = (a, b) = {x ∈ R | a < x < b}
−a
abgeschlossenes Intervall
offenes Intervall
0
a
x
Abbildung 1.2: Die Menge aller reeller Zahlen x mit |x| ≤ a ist auf dem Zahlenstrahl das abgeschlossene Intervall [−a, a].
16
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
Beispiele
(i)
x−1
x+2
≥ 3
| · (x + 2),
Vorzeichen beachten!
x 6= −2
1. Fall:
x + 2 > 0,
d. h.
x > −2
x − 1 ≥ 3(x + 2)
−7 ≥ 2x
7
x ≤ −
2
2. Fall:
x + 2 < 0,
Die Lösungsmenge L1 ist leer, L1 = ∅.
d. h.
x < −2
x − 1 ≤ 3(x + 2)
−7 ≤ 2x
7
x ≥ − ,
2
d. h.
7
L2 = − , −2
2
Als Gesamtlösungsmenge L ergibt sich L = L1 ∪ L2 = − 72 , −2 .
(ii)
x
2
x − 1 ≥ 0,
x
x−1 ≤
2
x
≤ 1
2
x ≤ 2,
|x − 1| ≤
1. Fall:
2. Fall:
d. h.
|
|
x≥1
x
− +1
2
·2
d. h.
L1 = [1, 2]
x − 1 < 0, d. h. x < 1
x
−(x − 1) ≤
2
x
x
−x + 1 ≤
| − −1
2
2
3
3
− x ≤ −1
| :−
2
2
2
2
x ≥
,
d. h. L2 =
,1
3
3
Die Gesamtlösungsmenge ist L = L1 ∪ L2 =
2
3, 2
.
17
1.4. TRIGONOMETRISCHE GRÖSSEN
(iii)
x2 + 2x − 1 ≤ 0
x2 + 2x + 1 − 2 ≤ 0
nach quadratischer Ergänzung
2
(x + 1) ≤ 2
p
√
(x + 1)2 ≤
2
√
|x + 1| ≤
2
1. Fall:
wegen
x + 1 ≥ 0, d. h. x ≥ −1
√
x+1 ≤
2
√
x ≤ −1 + 2,
d. h.
|x| =
√
x2
L1 = [−1, −1 +
√
2]
2. Fall:
x + 1 < 0, d. h. x < −1
√
2
−(x + 1) ≤
√
x+1 ≥ − 2
√
√
x ≥ −1 − 2
d. h. L2 = [−1 − 2, −1)
√
√ Die Gesamtlösungsmenge ist L = L1 ∪ L2 = −1 − 2, −1 + 2 .
Allgemein gilt für alle Zahlen a, b ∈ R mit b ≥ 0 die Beziehung
|x − a| ≤ b
1.4
⇔
a − b ≤ x ≤ a + b.
Trigonometrische Größen
Die Definition der trigonometrische Größen erfolgt am Einheitskreis und ist für beliebige Winkel
gültig.
1
1
α
sin(α)
cos(α)
tan(α)
1
sin(π − α)
π−α
cos(π − α)
Abbildung 1.3: Definition der trigonometrischen Größen am Einheitskreis.
1
tan(π − α)
18
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
Dabei gilt die Konvention (siehe Abb 1.3):
- Der Sinus und der Tangens werden von der horizontalen Achse senkrecht gemessen
- Der Cosinus wird vom Koordinatenursprung auf der horizontalen Achse gemessen
- Werte oberhalb der horizontalen Achse und rechts von der vertikalen Achse zählen positiv
Beziehungen zwischen den trigonometrischen Größen
Grundregeln:
sin(α)
cos(α)
sin(α)
cos(α)
tan(α)
tan(α)
tan(α)
sin2 (α) + cos2 (α)
1 + tan2 (α)
=
=
=
=
=
=
=
=
=
− sin(−α)
cos(−α) cos α − π2 sin α + π2
=
=
=
=
=
=
=
sin(α) cos(β) ± cos(α) sin(β)
cos(α) cos(β) ∓ sin(α) sin(β)
sin(α)
cos(α)
− tan(−α)
tan(α + π)
1
1
cos2 (α)
Additionstheoreme:
sin(α ± β)
cos(α ± β)
tan(α ± β)
2
cos (β) − cos2 (α)
cos2 (β) − sin2 (α)
sin(2α)
cos(2α)
1.5
1.5.1
tan(α)±tan(β)
1 ∓ tan(α) tan(β)
sin(α + β) sin(α − β)
cos(α + β) cos(α − β)
2 sin(α) cos(α)
cos2 (α) − sin2 (α).
Komplexe Zahlen
Definition und Darstellung komplexer Zahlen
Die Menge der komplexen Zahlen stellt eine Erweiterung der Menge der reellen Zahlen dar, in der
√
unter anderem√ x auch für negative reelle Zahlen x erklärt ist. Dazu führt man die Zahl i ein,
die durch i = −1 definiert ist, d. h., i ist Lösung von i2 = −1. Die Zahl i wird imaginäre Einheit
genannt.
Beispiele
(i) Zu lösen ist die quadratische Gleichung x2 + 1 = 0. Durch Umformung erhält man
x2 + 1 = 0
x2 = −1
√
x1/2 = ± −1
x1/2 = ±i,
x1 = i,
x2 = −i
19
1.5. KOMPLEXE ZAHLEN
(ii)
x2 + 9 = 0
x2 = −9
√
x1/2 = ± −9
√
x1/2 = ±3 −1
x1/2 = ±3i,
x1 = 3i,
x2 = −3i
(iii)
x2 − 4x + 13 = 0
x1/2 = 2 ±
x1/2 = 2 ±
√
√
4 − 13
−9
x1/2 = 2 ± 3i,
x1 = 2 + 3i,
x2 = 2 − 3i
Definition. Unter einer komplexen Zahl z versteht man die Summe aus einer reellen Zahl a und
einem Vielfachen bi der imaginären Einheit i,
z = a + bi.
Die Menge der komplexen Zahlen ist gegeben durch
C = {z = a + bi | a, b ∈ R}.
Offensichtlich ist R ⊂ C, denn jede reelle Zahl a lässt sich als komplexe Zahl mit a + 0i schreiben.
Bezeichnungen
Re (z) – Realteil von z, Re (z) = a
Im (z) – Imaginärteil von z, Im (z) = b
Eine komplexe Zahl kann als ein Punkt in der komplexen Zahlenebene graphisch dargestellt werden,
die auch Gaußsche Zahlenebene genannt wird.
Einige Grundbegriffe
(i) Zwei komplexe Zahlen
z1 = a1 + b1 i
und
z2 = a2 + b2 i
heißen gleich genau dann, wenn a1 = a2 und b1 = b2 .
20
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
Im (z)
Im (z)
z = a + bi
b
z = r(cos ϕ + i sin ϕ)
r
ϕ
a
Re (z)
Re (z)
Abbildung 1.4: Darstellung einer komplexen Zahl z als Punkt oder Vektor in der komplexen
Zahlenebene: in kartesischen Koordinaten a, b (links) und in Polarkoordinaten r, ϕ (rechts).
(ii) Die zu einer komplexen Zahl z = a + bi gehörige Zahl
z̄ = a − bi
heißt die zu z konjugiert komplexe Zahl. Die zu z konjugiert komplexe Zahl z̄ ist in der
Gaußschen Zahlenebene spiegelsymmetrisch zu z bezüglich der x-Achse. Es gilt (z̄) = z, und
wenn z = z̄, dann ist z ∈ R.
(iii) Der Betrag z = a + bi ist definiert durch
|z| =
p
a2 + b2 .
Der Betrag einer komplexen Zahl entspricht in der Gaußschen Zahlenebene ihrem Abstand
vom Koordinatenursprung. Es gilt |z| ≥ 0 für alle z ∈ C.
Beispiele
(i) Für z = 1 + 4i ist Re z = 1, Im z = 4,
z̄ = 1 − 4i
und
|z| =
p
√
12 + 42 = 17.
(ii) Für z = 4 ist Re z = 4, Im z = 0,
z̄ = 4
und
|z| = 4.
(iii) Für z = 3i ist Re z = 0, Im z = 3,
z̄ = −3i
und
|z| = 3.
(iv) Unter Verwendung von i2 = −1 erhält man
z = 2 + 3i − 4i2 + 8i3 − i4 + 12i5
= 2 + 3i + 4 − 8i − 1 + 12i
= 5 + 7i .
21
1.5. KOMPLEXE ZAHLEN
Darstellungsformen komplexer Zahlen
(i) Die bisher bereits verwendete Darstellung
z = a + bi
(kartesische Form)
(1.5)
wird auch algebraische Form oder Normalform genannt, siehe auch Abbildung 1.4, links.
(ii) Durch Einführung von Polarkoordinaten
a = r · cos(ϕ),
b = r · sin(ϕ)
√
mit r = |z| = a2 + b2 und
(
ϕ = arg(z) =
arccos ( ar ),
2π −
arccos ( ar ),
b ≥ 0,
(z im I. oder II. Quadranten)
b < 0,
(z im III. oder IV. Quadranten)
kann die durch (1.5) gegebene komplexe Zahl z 6= 0 auch durch
z = r · (cos(ϕ) + i sin(ϕ))
(trigonometrische Form)
(1.6)
dargestellt werden.
(iii) Wegen
eiϕ = cos ϕ + i sin ϕ
(Euler-Formel)
ist die trigonometrische Form (1.6) identisch mit
z = reiϕ
(exponentielle Form).
Beispiele
(i) Umwandlung in die trigonometrische Form.
q √
√
r = |z| = (− 3)2 + (−1)2 = 2,
z = − 3 − i,
−1
π
7
ϕ = arg(z) = arctan √ + π = + π = π
6
6
− 3
7
7
= 2 cos( π) + i sin( π)
6
6
(ii) Umwandlung in die kartesische Form.
π
π z = 2 cos( ) + i sin( )
6
6
√
π
a = 2 cos( ) = 3 = 1.732 . . . ,
6
√
=
3+i
π
b = 2 sin( ) = 1
6
(1.7)
22
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
(ii) Umwandlung in die exponentielle Form.
π π
z = 2 cos( ) + i sin( )
6
6
π
i
6
= 2e
1.5.2
Rechnen mit komplexen Zahlen
Da die reellen Zahlen spezielle komplexe Zahlen sind, R ⊂ C, sind die Rechenoperationen für
komplexe Zahlen so definiert, dass sie für den Spezialfall z ∈ R identisch mit den bekannten
Rechenoperationen für reelle Zahlen sind.
Addition und Subtraktion
Definition. Die Summe z1 + z2 und die Differenz z1 − z2 zweier komplexer Zahlen
z1 = a1 + ib1
und
z2 = a2 + ib2
sind definiert durch
z1 + z2 = (a1 + a2 ) + i(b1 + b2 ),
z1 − z2 = (a1 − a2 ) + i(b1 − b2 ).
Die Real- und Imaginärteile der komplexen Zahlen werden also jeweils für sich addiert bzw. subtrahiert.
Die Addition und die Subtraktion lassen sich direkt nur in der kartesischer Form durchführen.
Komplexe Zahlen, die in trigonometrischer Form gegeben sind, müssen vor der Addition bzw.
Subtraktion in die kartesische Form umgewandelt werden.
Im (z)
z1 + z2
z2
z1
Re (z)
Abbildung 1.5: Graphische Darstellung der Addition zweier komplexer Zahlen in der Gaußschen
Zahlenebene.
1.5. KOMPLEXE ZAHLEN
23
Beispiel
Für z1 = 3 + 4i und z2 = 2 − 5i erhält man
z1 + z2 = (3 + 2) + (4 + (−5))i = 5 − i,
z1 − z2 = (3 − 2) + (4 − (−5))i = 1 + 9i,
z2 − z1 = (2 − 3) + (−5 − 4)i = −1 − 9i.
Multiplikation und Division
Gegeben seien zwei komplexe Zahlen z1 und z2 in kartesischer Form z1 = a1 + ib1 bzw. z2 = a2 + ib2 ,
dann gilt
z1 · z2 = (a1 + ib1 ) · (a2 + ib2 )
= a1 a2 + a1 ib2 + ib1 a2 + i2 b1 b2
= a1 a2 + i(a1 b2 + b1 a2 ) − b1 b2
= a1 a2 − b1 b2 + i (a1 b2 + a2 b1 )
{z
}
|
|
{z
}
Re (z1 · z2 )
Im (z1 · z2 ).
Sind die komplexen Zahlen z1 und z2 dagegen in trigonometrischer Form gegeben,
z1 = r1 · (cos(ϕ1 ) + i sin(ϕ1 ))
z2 = r2 · (cos(ϕ2 ) + i sin(ϕ2 ))
dann erhält man mit Hilfe der Additionstheoreme für trigonometrische Funktionen
z1 · z2 = (r1 · (cos(ϕ1 ) + i sin(ϕ1 ))) · (r2 · (cos(ϕ2 ) + i sin(ϕ2 )))
= r1 · r2 · (cos(ϕ1 ) · cos(ϕ2 ) + cos(ϕ1 ) · i sin(ϕ2 ) + i sin(ϕ1 ) · cos(ϕ2 ) + i sin(ϕ1 ) · i sin(ϕ2 ))
= r1 · r2 · cos(ϕ1 ) · cos(ϕ2 ) − sin(ϕ1 ) · sin(ϕ2 ) + i (cos(ϕ1 ) · sin(ϕ2 ) + sin(ϕ1 ) · cos(ϕ2 ))
|
{z
}
|
{z
}
cos (ϕ1 + ϕ2 )
sin (ϕ1 + ϕ2 )
= r1 · r2 · (cos (ϕ1 + ϕ2 ) + i sin (ϕ1 + ϕ2 ))
Zwei komplexe Zahlen werden also multipliziert, indem man das Produkt ihrer Beträge und die
Summe ihrer Argumente bildet. Besonders anschaulich ist es in der exponentiellen Form:
z1 · z2 = r1 ei·ϕ1 r2 ei·ϕ2 = r1 r2 ei·ϕ1 ei·ϕ2 = r1 r2 ei·(ϕ1 +ϕ2 )
Diese Ergebnisse werden in der folgenden Definition zusammengefasst:
24
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
Definition. Das Produkt z1 · z2 zweier komplexer Zahlen
z1 = a1 + ib1 = r1 · (cos(ϕ1 ) + i sin(ϕ1 )) ,
z2 = a2 + ib2 = r2 · (cos(ϕ2 ) + i sin(ϕ2 ))
ist definiert durch
z1 · z2 = a1 · a2 − b1 · b2 + i(a1 · b2 + a2 · b1 )
= r1 · r2 (cos (ϕ1 + ϕ2 ) + i sin (ϕ1 + ϕ2 ))
= r r ei·(ϕ1 +ϕ2 )
1 2
Beispiele
(i) Das Produkt der beiden komplexen Zahlen z1 = 3 + 4i und z2 = 2 − 5i ist
z· 1z2 = (3 + 4i) · (2 − 5i)
= 6 − 15i + 8i − 20i2
= 6 − 7i + 20
= 26 − 7i.
(ii) Für z1 = 3 + 4i und z2 = z̄1 = 3 − 4i erhält man
z1 · z2 = z1 · z̄1
= (3 + 4i) · (3 − 4i)
= 9 − 12i + 12i − 16i2
= 25.
Allgemein gilt:
Satz. Für jede komplexe Zahl z ∈ C ist
z · z̄ = |z|2 .
(1.8)
Das folgt unmittelbar aus
z · z̄ = (a + bi) · (a − bi) = a2 − (bi)2 = a2 + b2 = |z|2 .
Der Quotient z1 /z2 zweier komplexer Zahlen z1 = a1 +ib1 und z2 = a2 +ib2 wird durch Erweiterung
mit der zu z2 konjugiert komplexen Zahl z̄2 berechnet. Man erhält mit Hilfe von Gleichung (1.8)
z1
z1 · z̄2
1
=
=
(z1 · z̄2 ).
z2
z2 · z̄2
|z2 |2
Da |z2 |2 = a22 + b22 reellwertig ist, wird damit die Bildung des Quotienten z1 /z2 auf die Berechnung
des Produktes z1 · z̄2 zweier komplexer Zahlen zurückgeführt. Wegen
z1 · z̄2 = (a1 + ib1 ) · (a2 − ib2 )
= a1 · a2 + b1 · b2 + i(a2 · b1 − a1 · b2 )
1.5. KOMPLEXE ZAHLEN
25
kann der Quotient z1 /z2 in der kartesischen Form
a2 · b1 − a1 · b2
a1 · a2 + b1 · b2
z1
+ i
=
2
2
z2
a2 + b2
a22 + b22
geschrieben werden.
Sind z1 und z2 in trigonometrischer Form gegeben, ergibt sich wegen z2 · z̄2 = r22 und
z̄2 = r2 · (cos(−ϕ2 ) + sin(−ϕ2 ))
aus der Produktregel für komplexe Zahlen die Darstellung
z1
z2
=
=
=
1
· (z1 · z̄2 )
|z2 |2
1
· r1 · r2 · (cos(ϕ1 − ϕ2 ) + i sin(ϕ1 − ϕ2 ))
r22
r1
· (cos(ϕ1 − ϕ2 ) + i sin(ϕ1 − ϕ2 ))
r2
Für die exponentielle Form folgt unmittelbar:
r1 ei·ϕ1
z1
r1
=
= ei·(ϕ1 −ϕ2 )
i
·ϕ
2
z2
r2
r2 e
Den Quotienten zweier in trigonometrischer Form gegebener komplexer Zahlen erhält man folglich
durch die Berechnung des Quotienten ihrer Beträge und die Bildung der Differenz ihrer Argumente.
Diese Ergebnisse sollen wieder in einer Definition zusammengefasst werden:
Definition. Der Quotient z1 /z2 zweier komplexer Zahlen
z1 = a1 + ib1 = r1 · (cos ϕ1 + i sin ϕ1 ) ,
z2 = a2 + ib2 = r2 · (cos ϕ2 + i sin ϕ2 )
ist definiert durch
z1
z2
=
=
=
a1 · a2 + b1 · b2
a2 · b1 − a1 · b2
+ i
2
2
a2 + b2
a22 + b22
r1
· (cos(ϕ1 − ϕ2 ) + i sin(ϕ1 − ϕ2 ))
r2
r1 i·(ϕ1 −ϕ2 )
e
r2
Beispiele
(i) Für z1 = 3 + 4i und z2 = 2 − 5i ist
z1
z2
3 + 4i
(3 + 4i) · (2 + 5i)
6 + 15i + 8i + 20i2
−14 + 23i
=
=
=
2 − 5i
(2 − 5i) · (2 + 5i)
4 + 25
29
23
14
= −
+
i.
29
29
=
26
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
(ii) Mit z1 = 1 und z2 = i erhält man
1
1 · (−i)
−i
z1
= =
= 2 = −i.
z2
i
i · (−i)
−i
Potenzieren und Radizieren
Aus der exponentiellen Form folgt unmittelbar
z a = (rei·ϕ )a = rn ei·n·ϕ = rn (cos(n · ϕ) + i sin(n · ϕ)) ,
n ∈ N.
Diese Formel gilt auch für beliebige reellwertige Exponenten:
Definition. Die Potenz z a einer komplexen Zahl z ∈ C, die in trigonometrischer oder exponentieller
Form gegeben ist, z = rei·ϕ = r · (cos(ϕ) + i sin(ϕ)), ist definiert durch
z a = ra ei·a·ϕ = ra · (cos(a · ϕ) + i sin(a · ϕ))
Das Potenzieren einer in kartesischer Form gegebenen komplexen Zahl ist aufwändig. Daher ist
es sinnvoll, diese Zahl zunächst in die entsprechende trigonometrische oder exponentielle Form zu
überführen.
Beispiel
Für die komplexe
Zahl z = 4 + 3i ist z 6 gesucht. Die Umwandlung in die trigonometrische Form
√
2
mit r = 4 + 32 = 5 und ϕ = arg z = arctan 43 = 36, 87◦ liefert
z 6 = 56 (cos(6 · 36, 87◦ ) + i sin(6 · 36, 87◦ ))
= 15 625 (cos(221, 22◦ ) + i sin(221, 22◦ ))
= −11 725, 89 − 10 296, 16 i.
Das Radizieren – also das Wurzel ziehen“ – wird auf die Berechnung der Lösungen (d.h. der Wur”
zeln) einer Gleichung zurückgeführt.
√
Definition. Unter der n-ten Wurzel n z einer komplexen Zahl z versteht man die Menge aller
Lösungen der Gleichung xn = z,
√
n
z = {x ∈ C : xn = z},
z ∈ C.
27
1.5. KOMPLEXE ZAHLEN
Beispiel
√
Gesucht ist 3 1. Zu berechnen sind also alle Lösungen der Gleichung z 3 = 1. Mit dem Ansatz
z = a + bi folgt:
z 3 = (a + bi)3
= a3 + 3 · a2 · b · i + 3 · a · (b · i)2 + (b · i)3
= a3 − 3 · a · b2 + (3 · a2 · b − b3 )i
=1
⇒ a3 − 3 · a · b2 = 1, 3 · a2 · b − b3 = 0
Sei b = 0 ⇒ a = 1
√
1
3
1
Sei b 6= 0 ⇒ 3a = b ⇒ a = − ⇒ a = − , b = ±
8
2 √
2
√
1
3
1
3
Lösungsmenge:
z1 = 1 + 0i, z2 = − +
, z3 = − −
2
2
2
2
2π
2π
in trigonometrischer Form:
z1 = 1 · (cos(0 ·
) + sin(0 ·
)i),
3
3
2π
2π
z2 = 1 · (cos(1 ·
) + sin(1 ·
)i),
3
3
2π
2π
z1 = 1 · (cos(2 ·
) + sin(2 ·
)i)
3
3
2
2
3
Aus der exponentiellen Form folgt unmittelbar
√
n
1
1
ϕ
1
1
n
n
z = rei·ϕ
= r n ei·ϕ
= r n ei· n ,
n ∈ N.
Das bedeutet:
√
Die Elemente von n z liegen in der Gaußschen Zahlenebene auf einem Kreis mit dem Radius r1/n
im (Winkel-)Abstand von 2π
n , siehe Abbildung 1.6.
In der Menge der komplexen Zahlen ist eine quadratische Gleichung stets lösbar: Sei x2 + px + q = 0
gegeben. Mit Hilfe der pq-Formel folgt
z1,2
p
=− ±
2
r

q
 − p ± p2 − q für
p2
2 q 4
−q =
 − p ± q − p2 i für
4
2
4
p2
4
p2
4
−q ≥0
−q <0
.
28
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
Im (z)
x2
x1 =
x3
1
2
+
31/2
2
Im (z)
x1
i
x0
x0 = 1
Re (z)
x4
x5
x2
Re (z)
x3
a)
b)
Abbildung 1.6: a) Die Lösungen √
von x6 = 1 liegen in der komplexen Zahlenebene auf dem
Einheitskreis. b) Die Elemente von 4 3 + 3i liegen auf einem Kreis mit dem Radius r = 181/8 =
1, 435.
Kapitel 2
Vektorrechnung
Vektoren werden u. a. zur Beschreibung von Größen verwendet, die durch eine Maßzahl und eine
Richtung gekennzeichnet sind. Beispiele aus der Mechanik sind die Kraft, die Geschwindigkeit
und das Drehmoment. Im Gegensatz dazu sind z. B. die Masse, das Volumen und die Temperatur
eindimensionale und damit ungerichtete Größen. Eindimensionale Größen werden auch als skalare
Größen bezeichnet.
Darüber hinaus ist es oft zweckmäßig, Punkte in der Ebene oder im Raum als Vektoren aufzufassen. In diesem Zusammenhang gibt es eine Vielzahl geometrischer Anwendungen z. B. in der
Computergraphik.
2.1
Grundbegriffe
Ein Vektor ~x im n-dimensionalen Raum Rn wird in der Form


x1


~x =  ... 
xn
geschrieben. Es gilt also


x1


Rn = { ...  | xi ∈ R}
xn
Die Werte x1 , . . . , xn heissen Komponenten des Vektors ~x, und n ist seine Dimension. Ein Vektor ~x
in der oben angegebenen Form heisst Spaltenvektor. Ein Spaltenvektor kann durch Transponieren
in einen Zeilenvektor überführt werden ,
~xT = (x1 , . . . , xn )
29
30
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
Mit


0
. 
~0 = 
 ..  .
0
wird der Nullvektor bezeichnet.
Alternative Bezeichnungen und Konzepte
Andere Symbole:
x, y, z, 0, . . . ,
x, y, z, 0 . . .
An Stelle des Symbols
T
”
“wird auch das Symbol
0
”
“ für das Transponieren verwendet, z. B.
~x = (x1 , . . . , xn )0 .
Darstellung im Koordinatensystem, Ortsvektor


x1


Jedem Vektor ~x =  ...  entspricht eindeutig ein Punkt im Koordinatensystem, dessen Koordixn
naten mit den Komponenten des Vektors übereinstimmen.
Gegeben seien zwei Punkte A = (1, 2) und B = (4, 3) in der Ebene. Dann werden mit
−→
OA =
1
2
,
−−→
OB =
4
3
,
−−→
AB =
4−1
3−2
=
3
1
die Vektoren vom Koordinatenursprung O nach A, von O nach B bzw. von A nach B bezeichnet,
siehe Abbildung 2.1.
y
−−→
AB
A
−→
OA
B
−−→
OB
x
Abbildung 2.1: Darstellung von Vektoren im R2 .
−→
−−→
−−→
Die Vektoren OA und OB sind die Ortsvektoren der Punkte A und B. AB verbindet die Punkte
A und B, er ist kein Ortsvektor.
31
2.1. GRUNDBEGRIFFE
Elementare Rechenoperationen
Gegeben seien die Vektoren ~x, ~y ∈ Rn .
(i) Vergleich. Die zwei Vektoren ~x und ~y sind gleich, wenn Sie die gleiche Dimension haben und
in ihren Komponenten übereinstimmen, xi = yi , i = 1, . . . , n.
(ii) Multiplikation mit einem Skalar.

 

x1
c · x1

 

c · ~x = c ·  ...  =  ...  ,
xn
c · xn
c ∈ R.
Es gilt c · ~x = ~x · c. Für c = −1 schreibt man (−1) · ~x = −~x wobei der Vektor −~x einer
Spiegelung des Vektors ~x am Koordinatenursprung entspricht.
(iii) Addition und Subtraktion.

 
x1

 
~x + ~y =  ...  + 
xn
 

y1
x1 + y1

..  = 
..
,
.  
.
yn
xn + yn

 
x1

 
~x − ~y =  ...  − 
xn
 

y1
x 1 − y1

..  = 
..
,
.  
.
yn
x n − yn
d. h. Vektoren werden komponentenweise addiert bzw. subtrahiert. Im R2 können die Vektoraddition und -subtraktion graphisch veranschaulicht werden, siehe Abbildung 2.2.
(iv) Norm. Die Norm oder der Betrag eines Vektors entspricht seiner Länge (anschaulich in
R1 , R2 , R3 ),
v
u n
q
uX
2
2
x2i .
k~xk = x1 + . . . + xn = t
i=1
Es gilt für alle ~x, ~y ∈ Rn
k~xk ≥ 0,
k~xk = 0
kc · ~xk = |c| · k~xk,
k~x + ~y k ≤ k~xk + k~y k
⇐⇒
~x = 0,
c ∈ R,
(Dreiecksungleichung).
Vektoren mit der Länge 1 heissen Einheitsvektoren. Die Normierung eines Vektors ~x 6= 0
erfolgt durch
~x0 =
~x
,
k~xk
wobei mit ~x0 der zu ~x gehörige Einheitsvektor bezeichnet wird.
32
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
x
x
x+y
x−y
y
−y
y
b)
a)
Abbildung 2.2: Darstellung der Addition und Subtraktion von Vektoren im R2 : (a) Addition, (b)
Subtraktion. Es ist ~x − ~y = ~x + (−1) · ~y = ~x + (−~y ).
Beispiele
(i) Gegeben sei ein Würfel K durch seine Eckpunkte A = (1, 1, 1), B = (2, 1, 1), C = (1, 2, 1),
D = (2, 2, 1), E = (1, 1, 2), F = (2, 1, 2), G = (1, 2, 2), H = (2, 2, 2).
Die Translation (Verschiebung) des Würfels um die Vektoren

1
~y =  1 
4

3
~x =  1  ,
1


entspricht der Addition dieser Vektoren zum Würfel K, der als konvexe Hülle der Ortsvektoren
−→ −−→ −−→ −−→ −−→ −−→ −−→
−−→
OA, OB, OC, OD, OE, OF , OG und OH seiner Eckpunkte aufgefasst werden kann,
1
1
1
(
K=
2
1
1
!
,
1
2
1
!
,
2
2
1
!
,
1
1
2
!
,
2
1
2
!
,
1
2
2
!
,
2
2
2
!
,
!)
.
Damit erhält man
(
K + ~x =
4
2
2
!
,
5
2
2
4
3
2
!
,
!
,
5
3
2
!
,
4
2
3
!
,
5
2
3
4
3
3
!
,
!
,
5
3
3
!)
.
Die Tanslationen K + ~x und K + ~y des Würfels K sind in Abbildung 2.3a dargestellt.
(ii) Eine Multiplikation von K mit der Konstanten c 6= 0 entspricht einer Skalierung des Würfels
– also neben einer Verschiebung für |c| > 1 eine Vergrößerung“ und für |c| < 1 eine Verklei”
”
nerung“. Ist c negativ erfolgt außerdem eine Spiegelung am Koordinatenursprung.
Für c = 2.5 erhält man

 

5
 2.5
c · K =  2.5  ,  2.5  ,

2.5
2.5
siehe Abbildung 2.3b.
2.5
5
2.5
!
,
5
5
2.5
! 

2.5
,  2.5  ,
5
5
2.5
5
!
,
2.5
5
5
!
,
5
5
5
!

,

33
2.2. POLARKOORDINATEN
K + ~y
~y
c·K
~x
K + ~x
K
K
a)
b)
Abbildung 2.3: (a) Die Translationen K + ~x und K + ~y des Einheitswürfels K. (b) Die Multiplikation des Würfels K mit der Konstanten c = 2.5.
(iii) Die Beträge k~xk, k~y k, k~zk der Vektoren


2
~x =  −1  ,
−2


2
~y =  2  ,
2


2
~z =  0 
0
errechnen sich sich aus
p
√
22 + (−1)2 + (−2)2 = 9 = 3,
p
√
k~y k =
22 + 22 + 22 = 2 3,
p
k~zk =
22 + 02 + 02 = 2.
k~xk =
Folglich sind

~x0 = 
2
3
− 13
− 23


,

~y 0 = 
√1
3
√1
3
√1
3


,
die zu ~x, ~y bzw. ~z gehörigen Einheitsvektoren.
2.2
Polarkoordinaten
Ein Vektor ~x ∈ R2 mit
~x =
x1
x2


1
~z0 =  0 
0
34
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
x2
~x =
r cos ϕ
r sin ϕ
r
ϕ
x1
Abbildung 2.4: Die Darstellung eines Vektors ~x in Polarkoordinaten r und ϕ.
ist durch seine Norm (Länge) und seine Richtung eindeutig bestimmt. Wir setzen
q
x21 + x22 ,
r = k~xk =
(
arccos ( xr1 ),
x2 ≥ 0,
(~x im I. oder II. Quadranten)
ϕ =
,
x1
(~x im III. oder IV. Quadranten)
2π − arccos ( r ), x2 < 0,
und damit erhalten wir
r · cos(ϕ)
~x =
r · sin(ϕ)
wobei r > 0 und 0 ≤ ϕ < 2π. Die Werte r und ϕ heissen Polarkoordinaten von ~x, siehe Abbildung
2.4.
2.3
Produkte von Vektoren
In diesem Abschnitt werden folgende Produkte von Vektoren behandelt:
• das Skalarprodukt zweier Vektoren, dessen Ergebnis eine Zahl (d. h. ein Skalar) ist,
• das Vektorprodukt, dessen Ergebnis wieder ein Vektor ist und
• das Spatprodukt – eine Verknüpfung von Vektor- und Skalarprodukt.
Während das Skalarprodukt für Vektoren beliebiger Dimension erklärt ist, sind das Vektor- und
Spatprodukt nur für Vektoren aus dem R3 definiert.
2.3.1
Das Skalarprodukt
Definition. Das Skalarprodukt zweier Vektoren ~x, ~y ∈ Rn ist definiert durch
~x · ~y :=
n
X
x i yi .
i=1
Im Hinblick auf die Matrix-Vektormultiplikation sollte das Skalarprodukt besser in der Form ~xT · ~y
35
2.3. PRODUKTE VON VEKTOREN
geschrieben werden. Aus Gründen der Übersicht wird hier aber die Kurzschreibweise ~x · ~y oder,
wenn keine Verwechslungsgefahr besteht, auch ~x~y verwendet.
Eigenschaften des Skalarprodukts
Es seien ~x, ~y , ~z ∈ Rn , dann gilt
~x · ~y
∈ R,
~x · ~y = ~y · ~x,
~x · ~x = ~0
~x · ~x ≥ 0,
√
~x · ~x = k~xk,
⇐⇒
~x = ~0,
(~x + ~y ) · ~z = ~x · ~z + ~y · ~z,
(c · ~x) · ~y = c · (~x · ~y ),
c ∈ R.
Weiterhin gilt für den von den beiden Vektoren ~x, ~y ∈ Rn eingeschlossenen Winkel ∠(~x, ~y )
~x · ~y = k~xk · k~y k · cos ∠(~x, ~y ).
(2.1)
Daraus folgt unmittelbar, dass das Skalarprodukt gleich Null ist, wenn die Vektoren ~x und ~y
senkrecht zueinander sind, ~x ⊥ ~y .
Für den zweidimensionalen Fall folgt die Beziehung (2.1) aus dem Additionstheorem für die Kosinusfunktion. Die beiden Vektoren ~x, ~y ∈ R2 seien durch ihre Polarkoordinaten r1 , θ1 bzw. r2 , θ2
gegeben,
r1 cos θ1
r2 cos θ2
~x =
,
~y =
.
r1 sin θ1
r2 sin θ2
Damit erhält man
r1 cos θ1
r2 cos θ2
~x · ~y =
·
r1 sin θ1
r2 sin θ2
= r1 cos θ1 · r2 cos θ2 + r1 sin θ1 · r2 sin θ2
= r1 r2 (cos θ1 cos θ2 + sin θ1 sin θ2 )
{z
}
|
cos (θ2 − θ1 )
= r1 r2 cos (θ2 − θ1 )
= k~xk · k~y k cos ∠(~x, ~y ),
siehe Abbildung 2.5.
Bemerkungen
(i) Für den Winkel ∠(~x, ~y ) zwischen zwei Vektoren ~x, ~y ∈ Rn mit ~x, ~y 6= 0 gilt
∠(~x, ~y ) = arccos
~x · ~y
.
k~xk · k~y k
36
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
y=
r2
r1
r2 cos θ2
r2 sin θ2
r1 cos θ1
~x =
r1 sin θ1
θ2
θ1
Abbildung 2.5: Der Winkel zwischen den beiden Vektoren ~x und ~y entspricht der Differenz θ2 −θ1 .
Das folgt unmittelbar aus Gleichung (2.1).
(ii) Die Länge ` der (orthogonalen) Projektion eines Vektors ~x auf einen Vektor ~y errechnet sich
aus
` = k~xk · | cos ∠(~x, ~y )| = k~xk ·
|~x · ~y |
|~x · ~y |
=
,
k~xk · k~y k
k~y k
wobei ~y 6= ~0 vorausgesetzt werden muss.
(iii) Den Vektor ~z, der die Länge ` der orthogonalen Projektion von ~x auf ~y und die Richtung des
Vektors ~y hat, erhält man für ~y 6= ~0 aus
~z = ` · ~y 0 = ` ·
~y
|~x · ~y |
|~x · ~y |
=
~y =
~y .
k~y k
k~y k2
~y · ~y
Beispiele
(i) Zu berechnen ist der Winkel zwischen den Vektoren


2
~x =  1  ,
−4


−1
~y =  0  .
−4
Es gilt
~x · ~y = 2 · (−1) + 1 · 0 + (−4) · (−4) = 14,
d. h., die Vektoren ~x und ~y sind nicht senkrecht zueinander. Der Winkel zwischen beiden
Vektoren errechnet sich aus
~x · ~y
14
√ = 0, 741
=√
k~xk · k~y k
21 · 17
∠(~x, ~y ) = arccos (0, 741) = 42, 19◦
cos ∠(~x, ~y ) =
37
2.3. PRODUKTE VON VEKTOREN
(ii) Die Vektoren


−3
~x =  1  ,
−5


1
~y =  −2 
−1
sind wegen
~x · ~y = (−3) · 1 + 1 · (−2) + (−5) · (−1) = 0
senkrecht zueinander, und folglich ist ∠(~x, ~y ) = 90◦ .
(iii) Zu bestimmen ist die Länge ` der orthogonalen Projektion des Vektors ~x auf eine Gerade,
deren Richtung durch den Einheitsvektor ~y 0 gegeben ist,

3
~x =  1  ,
4


√1
2



~y 0 =  0  .
√1
2
Es gilt
4
7
3
` = ~x · ~y 0 = √ + 0 + √ = √ .
2
2
2
Die Projektion des Vektors ~x auf die Gerade ist ein Vektor ~z, der sich aus

√1
2


7
2

7 

~z = (~x · ~y 0 ) · ~y 0 = ` · ~y 0 = √ ·  0  =  0 
2
7
√1
2
2
errechnet.
2.3.2
Das Vektorprodukt
Definition. Es seien ~x, ~y ∈ R3 . Der Vektor


x2 y3 − x3 y2
~x × ~y :=  x3 y1 − x1 y3 
x1 y2 − x2 y1
heisst Vektorprodukt oder Kreuzprodukt der beiden Vektoren ~x und ~y .
Das Vektorprodukt ~x × ~y ist charakterisiert durch
• den Betrag k~x × ~y k = k~xk · k~y k · sin ∠(~x, ~y ),
• die Richtung, ~x × ~y ist sowohl senkrecht zu ~x als auch senkrecht zu ~y , und
• die Orientierung, die Vektoren ~x, ~y und ~x × ~y bilden ein Rechtssystem.
38
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
Eigenschaften des Vektorprodukts
(i) Der Betrag k~x × ~y k des Vektorprodukts entspricht dem Flächeninhalt des Parallelogramms,
das durch die beiden Vektoren ~x und ~y aufgespannt“ wird, siehe auch Abbildung 2.6a.
”
(ii) Sind ~x und ~y parallel, dann ist der Flächeninhalt des Parallelogramms gleich Null, k~x ×~y k = 0.
(iii) Das Vektorprodukt ist nicht kommutativ. Es gilt
~x × ~y = −(~y × ~x).
(iv) Das Vektorprodukt ist nicht assoziativ,
~x × (~y × ~z) 6= (~x × ~y ) × ~z.
(iv) Es gilt
c · (~x × ~y ) = (c · ~x) × ~y = ~x × (c · ~y ),
c ∈ R.
B
~x
h
~x
~y
~y
C
A
a)
b)
Abbildung 2.6: (a) Das von den Vektoren ~x und ~y aufgespannte“ Parallelogramm hat die Höhe
”
h = k~xk sin ∠(~x, ~y ). (b) Der Flächeninhalt des Dreiecks ABC entspricht dem halben Flächeninhalt
des durch die Vektoren ~x und ~y aufgespannten“ Parallelogramms.
”
Beispiele
(i)


1
~x =  −2  ,
0


3
~y =  1  ,
−3

 
  
1
3
6
~x × ~y =  −2  ×  1  =  3 
0
−3
7
(ii) Gesucht ist der Flächeninhalt F4 des Dreiecks mit den Eckpunkten
A = (−2, 6, 2),
B = (−6, 2, 1),
C = (2, 3, 9).
39
2.3. PRODUKTE VON VEKTOREN
−→
−−→
−→
Wir wählen z. B. den Ortsvektor OA als Offset und setzen ~x = AB und ~y = AC. Damit
erhalten wir
1
F4 = k~x × ~y k,
2
vgl. auch Abbildung 2.6b. Es gilt


−4
−−→ 
−4  ,
~x = AB =
−1


4
−→ 
−3 
~y = AC =
7
und
F4 =
=



 



−4
−28 − 3
−31 4 1 
 ×  −3  = 1  −4 + 28  = 1  24 
−4
2
2
2
−1
12 + 16 28 7 48, 18
= 24, 09.
2
(iii) Zu berechnen ist die Oberfläche S des durch die drei Vektoren


−1
~x =  1  ,
−1


0
~y =  2  ,
0


2
~z =  1 
1
aufgespannten“ Parallelepipeds. Aus Abbildung 2.7a wird ersichtlich, dass sich die Oberfläche
”
S wie folgt errechnet:
S = 2 (k~x × ~y k + k~x × ~zk + k~y × zk)
! !
! !
−1
0 −1
2 1
1
= 2 × 2 +
× 1 +
−1
0 −1
1 ! ! !!
2 2 2 0 + −1 + 0 = 2 −2 −3 −4 √
√
√ 8 + 14 + 20
= 2
= 22, 08.
2.3.3
Das Spatprodukt
Definition. Seien ~x, ~y , ~z ∈ R3 . Die Verknüpfung
[~x, ~y , ~z] := (~x × ~y ) · ~z
der drei Vektoren ~x, ~y und ~z heisst Spatprodukt.
0
2
0
!
×
2
1
1
!!
40
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
~z
1
~y
-
~x
Abbildung 2.7: Das von den Vektoren ~x, ~y und ~z aufgespannte“ Parallelepiped, das wegen
”
ähnlicher Kristallformen z. B. im Mineral Feldspat auch Spat genannt wird. Ein Parallelepiped ist
das dreidimensionale Analogon zum Parallelogramm.
Bemerkungen
(i) Das Spatprodukt ist eine reelle Zahl.
(ii) Der Betrag des Spatprodukts ist gleich dem Volumen des von den Vektoren ~x, ~y und ~z aufgespannten Parallelepipeds, siehe Abbildung 2.7a. Der Name Spatprodukt“ leitet sich von
”
Spat“ ab, wobei Spat“ eine alte deutsche Bezeichnung für Parallelepiped“ ist.
”
”
”
Eigenschaften
(i) Wenn die Vektoren ~x, ~y und ~z in einer Ebene liegen, dann ist [~x, ~y , ~z] = 0.
(ii) Das Spatprodukt ist nicht kommutativ, jedoch gilt
[~x, ~y , ~z] = [~y , ~z, ~x] = [~z, ~x, ~y ] = −[~x, ~z, ~y ] = −[~z, ~y , ~x] = −[~y , ~x, ~z].
Beispiele
(i) Die Einheitsvektoren
 
1
e~1 =  0  ,
0


0
e~2 =  1  ,
0


0
e~3 =  0 
1
spannen“ den Einheitswürfel auf; ihr Spatprodukt ist erwartungsgemäß gleich 1, denn es gilt
”
     
1
0
0
e~1 × e~2 =  0  ×  1  =  0  = e~3 .
0
0
1
Daraus folgt unmittelbar
[e~1 , e~2 , e~3 ] = (e~1 × e~2 ) · e~3 = e~3 · e~3 = 1.
41
2.4. GEOMETRISCHE ANWENDUNGEN
(ii) Für


1
~x =  −3  ,
0


0
~y =  −2  ,
−2


1
~z =  3 
3
erhält man

 
 

1
0
6
~x × ~y =  −3  ×  −2  =  2 
0
−2
−2
und

  
6
1
(~x × ~y ) · ~z =  2  ·  3  = 6.
−2
3
(iii) Das Volumen V des Parallelepipeds in Beispiel (iii) auf Seite 39 beträgt

  
2 2



1  = |2| = 2.
0
V = |[~x, ~y , ~z]| = |(~x × ~y ) · ~z| = ·
−2
1 2.4
2.4.1
Geometrische Anwendungen
Geraden in der Ebene und im Raum
Definition (Parameterdarstellung einer Geraden). Eine Gerade g im n-dimensionalen Raum ist
charakterisiert durch einen Ortsvektor ~x0 ∈ Rn und einen Richtungsvektor ~a ∈ Rn , ~a 6= 0. Die
Gerade g ist die Menge aller Punkte ~x, die sich durch ~x = ~x0 + t ·~a mit einem beliebigen Parameter
t ∈ R darstellen lassen,
g = {~x ∈ Rn : ~x = ~x0 + t · ~a,
t ∈ R} .
Die Gleichung ~x = ~x0 + t · ~a heißt Punkt-Richtungs-Gleichung der Geraden g. Entsprechend wird
die Parameterdarstellung auch Punkt-Richtungs-Darstellung“ genannt.
”
Beispiele
(i) Die graphische Darstellung in Abbildung 2.8a zeigt eine Gerade in der Ebene mit dem Ortsvektor ~x0 und dem Richtungsvektor ~a,
~x0 =
1
2
,
~a =
3
2
1
.
42
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
Der Anstieg dieser Geraden ist
t = − 35 den Punkt
~x =
1
2
5
− ·
3
3
2
a2
a1
=
2
3.
− 32
=
1
1
3
Beispielsweise erhält man für den Parameterwert
,
der auf der Geraden g liegt.
~g
B
~a
~g
~a
A
t · ~a
~x0
~x0
a)
b)
Abbildung 2.8: Veranschaulichung der Parameterdarstellung einer Geraden in der Ebene mit dem
Ortsvektor ~x0 und der Richtung ~a.
(ii) Gesucht ist eine Parameterdarstellung der Geraden g, die durch die Punkte A = (3, −1, 2) und
−→
B = (5, 3, 6) verläuft. Wir wählen als Ortsvektor den Vektor ~x0 = OA und als Richtungsvektor
−−→
den Vektor ~a = AB, siehe Abbildung 2.8b,

3
~x0 =  −1  ,
2

  
 
2
3
5





4 .
−1
3
=
−
~a =
4
2
6

Damit erhalten wir



 
3
2

g = ~x ∈ R3 : ~x =  −1  + t ·  4  ,

2
4
t∈R


.

(iii) Gesucht ist die Parameterdarstellung einer Geraden g im R2 , die durch die Gleichung
y = 3x − 1
repräsentiert wird. Wir setzen für die x-Koordinate die Werte 0 und 1 ein und erhalten die
beiden Punkte A = (0, −1) und B = (1, 2), die auf der Geraden g liegen. Mit dem Ortsvektor
−→
−−→
OA und dem Richtungsvektor AB erhalten wir die Parameterdarstellung
2
g = ~u ∈ R : ~u =
siehe auch Abbildung 2.8b.
0
−1
+t
1
3
,
t∈R ,
43
2.4. GEOMETRISCHE ANWENDUNGEN
(iv) Gesucht ist der Schnittpunkt S der beiden Geraden





−2
−1

g1 =
~x ∈ R3 : ~x =  5  + s  2  ,

1
3





3
1

g2 =
~x ∈ R3 : ~x =  −1  + t  −1  ,

2
1
s∈R


,



t∈R .

Fall es einen Schnittpunkt S = g1 ∩ g2 gibt, dann existieren zwei Werte s und t, so dass die
Vektorgleichung



 



−2
−1
3
1
 5  + s  2  =  −1  + t  −1 
1
3
2
1
erfüllt ist. Durch Umformen erhält man die Vektorgleichung

 

−2 − s
3+t
 5 + 2s  =  −1 − t  ,
1 + 3s
2+t
die auch komponentenweise gelten muss, d. h., die Parameter s und t müssen Lösung des
linearen Gleichungssystems
−2 − s = 3 + t
5 + 2s = −1 − t
1 + 3s = 2 + t
sein. Aus den ersten beiden Gleichungen erhält man die Werte s = −1 und t = −4, die auch
die dritte Gleichung erfüllen. Als Schnittpunkt S erhalten wir z. B. durch Einsetzen von s in
die Geradengleichung von g1



 

−2
−1
−1
~xS =  5  + (−1) ·  2  =  3  ,
1
3
−2
d. h. S = (−1, 3, −2) ist Schnittpunkt von g1 und g2 .
(v) Zu berechnen ist der Schnittwinkel zwischen den im vorangegangenen Beispiel betrachteten
Geraden g1 und g2 . Der Schnittwinkel zwischen den beiden Geraden entspricht dem Winkel
∠(~a1 , ~a2 ) zwischen den Richtungsvektoren ~a1 und ~a2 von g1 bzw. g2 . Es gilt
cos ∠(~a1 , ~a2 ) =
~a1 · ~a2
.
k~a1 k · k~a2 k
Aus

 

−1
1
~a1 · ~a2 =  2  ·  −1  = 0
3
1
folgt unmittelbar cos ∠(~a1 , ~a2 ) = 0 und ∠(~a1 , ~a2 ) = 90◦ .
44
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
(vi) Die beiden Geraden
g1
g2




3

=
~x ∈ R3 : ~x =  −1  + s 

2




−1

=
~x ∈ R3 : ~x =  5  + t 

3


2

4 , s ∈ R ,

10


−4

4 , t ∈ R

6
schneiden sich nicht, denn es gibt keine Werte s und t, die die Vektorgleichung



 



3
2
−1
−4
 −1  + s  4  =  5  + t  4 
2
10
3
6
erfüllen. Aus den ersten beiden Gleichungen des linearen Gleichungssystems
3 + 2s = −1 − 4t
−1 + 4s = 5 + 4t
2 + 10s = 3 + 6t
erhält man zwar unmittelbar s = 13 und t = − 67 . Das Einsetzen dieser Werte in die dritte
Gleichung führt aber zum Widerspruch. Die Geraden g1 und g2 sind windschief“.
”
Satz. Gegeben seien zwei Geraden g1 und g2 im Rn durch ihre Ortsvektoren ~x1 bzw. ~x2 und ihre
Richtungsvektoren ~a1 bzw. ~a2 ,
g1 = {~x ∈ Rn : ~x = ~x1 + s · ~a1 ,
s ∈ R},
g2 = {~x : ~x = ~x2 + t · ~a2 ,
s ∈ R}.
(i) Die Geraden g1 und g2 schneiden sich in einem Punkt, wenn die Vektorgleichung
~x1 + s · ~a1 = ~x2 + t · ~a2
(2.2)
genau eine Lösung für die beiden Parameter s und t hat.
(ii) Die Geraden g1 und g2 schneiden sich nicht, wenn die Vektorgleichung (2.2) keine Lösung hat.
(iii) Die Geraden g1 und g2 sind identisch, wenn die Gleichung (2.2) unendlich viele Lösungen
besitzt.
Diese drei Fälle sollen anhand von Geraden in der Ebene noch einmal veranschaulicht werden:
Beispiele.
(i) Für die beiden Geraden
1
1
g1 = ~x : ~x =
+s
, s∈R ,
0
2
2
0
g2 = ~x : ~x =
+t
, t∈R
3
1
45
2.4. GEOMETRISCHE ANWENDUNGEN
erhält man aus der Vektorgleichung
1
0
+s
1
2
=
2
3
+t
0
1
die eindeutig bestimmte Lösung s = 1, t = −1. Das bedeutet, beide Geraden schneiden sich
in genau einen Punkt S = (2, 2), d. h. g1 ∩ g2 = {S}.
(ii) Für die beiden Geraden
1
1
g1 = ~x : ~x =
+s
, s∈R ,
0
2
2
−2
g2 = ~x : ~x =
+t
, t∈R
3
−4
ist die Gleichung
1
0
+s
1
2
=
2
3
+t
−2
−4
nicht lösbar, d. h., die Geraden schneiden sich nicht, g1 ∩ g2 = ∅. (Im zweidimensionalen Fall
folgt daraus unmittelbar, dass die Geraden parallel sein müssen.)
(iii) Für die beiden Geraden
1
1
+s
, s∈R ,
g1 = ~x : ~x =
0
2
g2 = ~x : ~x =
0
−2
+t
3
6
, t∈R
hat die Gleichung
1
0
+s
1
2
=
0
−2
+t
3
6
unendlich viele Lösungen, d. h., für jeden Wert s kann ein Wert t gefunden werden, so dass
die Vektorgleichung erfüllt ist, z. B. s = −1 und t = 0 oder s = 2 und t = 1. Das bedeutet,
die Geraden g1 und g2 sind identisch, g1 = g2 .
2.4.2
Ebenen im Raum
Definition (Parameterdarstellung einer Ebene). Seien ~x0 , ~a, ~b ∈ R3 mit ~a 6= 0, ~b 6= 0 und ~a × ~b 6= 0.
Dann bezeichnet
E = {~x ∈ R3 : ~x = ~x0 + s · ~a + t · ~b,
s, t ∈ R}
eine Ebene im dreidimensionalen Raum.
Der Vektor ~u = ~a × ~b muss verschieden von Null sein und ist senkrecht zur Ebene E. Multipliziert
man die parametrische Ebenengleichung
~x = ~x0 + s · ~a + t · ~b
46
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
mit dem Vektor ~u, dann folgt unmittelbar
~u · ~x = ~u · (~x0 + s~a + t · ~b),
~u · ~x = ~u · ~x0 + s (~u · ~a) +t (~u · b)
| {z } | {z }
=0
=0
~u · ~x = ~u · ~x0 ,
d. h., die erhaltene Gleichung ist parameterfrei. Der Normalenvektor ~u und den Ortsvektor ~x0
charakterisieren die Ebene E.
Definition (parameterfreie Ebenendarstellung). Die Darstellung einer Ebene mit dem Ortsvektor
~x0 ∈ Rn und der Normalenrichtung ~u ∈ Rn in der Form
E = {~x ∈ Rn : ~u · ~x = ~u · ~x0 }
heißt parameterfrei.
Man kann statt dem Vektor ~u auch den dazugehörigen Einheitsvektor ~u0 =
~
u
k~
uk
einsetzen. Aus
~u0 · ~x = ~u0 · (~x0 + s · ~a + t · ~b)
folgt unmittelbar
~u0 · ~x = ~u0 · ~x0 .
Definition (Hessesche Normalform einer Ebene). Die Darstellung einer Ebene mit dem Ortsvektor
~x0 und der normierten Normalenrichtung ~u0 in der Form
E = {~x ∈ Rn : ~u0 · ~x = ~u0 · ~x0 }
heißt Hessesche Normalform.
Beispiele.
(i) Gesucht ist eine Parameterdarstellung und eine parameterfreie Darstellung der Ebene E, die
durch die drei Punkte P1 = (1, −2, 4), P2 = (−3, 4, 1) und P3 = (2, 1, 7) bestimmt ist.
−−→
Wenn wir als Ortsvektor den Vektor ~x0 = OP1 wählen, folgt unmittelbar aus


−4
−−−→ 
6 ,
~a = P1 P2 =
−3
 
1
−
−
−
→
~b = P1 P3 =  3 
3
die Parameterdarstellung





 
1
−4
1

E = ~x ∈ R3 : ~x =  −2  + s  6  + t  3  ,

4
−3
3
s, t ∈ R



.
2.4. GEOMETRISCHE ANWENDUNGEN
47
Mit

   

−4
1
27
9 
~u = ~a × ~b =  6  ×  3  = 
−3
3
−18
erhält man die parameterfreie Darstellung




 

27
27
1 

9  · ~x = 
9  ·  −2  .
E = ~x ∈ R3 : 


−18
−18
4
(ii) Die Gleichung
3x − 2y + 5z = 8
beschreibt eine Ebene E im Raum. Diese Gleichung entspricht der parameterfreien Form. Für
x = 1 und y = 0 erhält man aus dieser Gleichung den Wert z = 1, und wir können z. B. den
−−→
Vektor OP mit P = (1, 0, 1) zum Ortsvektor erklären. Die parameterfreie Darstellung von E
ist damit
 
  
   

1 
3
x
3
 x
3









0  .
−2
y
−2
y
·
=
·
∈R :
E=


1
5
z
5
z
Es kann aber auch jeder andere Punkt P der Ebene als Ortsvektor verwendet werden.
(iii) Gesucht ist der Schnittpunkt S = g ∩ E der Geraden g mit der Ebene E, die durch die
parametrische Geradengleichung
 


1
2
~x =  2  + t  −1 
1
2
bzw. durch
2x1 + x2 − x3 − 4 = 0
gegeben sind. Es gilt also


 


x1
1
2
 x2  =  2  + t  −1 
x3
1
2
2x1 + x2 − x3 − 4 = 0
was einem linearen Gleichungssystem mit vier Gleichungen in den vier Unbekannten x1 , x2 ,
x3 und t entspricht:
x1 = 1 + 2t
x2 = 2 − t
x3 = 1 + 2t
2x1 + x2 − x3 − 4 = 0
48
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
Einsetzen der ersten drei Gleichungen in die vierte Gleichung liefert eine lineare Gleichung in
der Unbekannten t,
2(1 + 2t) + (2 − t) − (1 + 2t) − 4 = 0.
Daraus ergibt sich t = 1 und der Schnittpunkt S = (3, 1, 3).
(iv) Der Durchschnitt zweier Ebenen E1 und E2 ist – sofern beide Ebenen nicht identisch oder
parallel sind – eine Gerade g, g = E1 ∩ E2 . Für die in Parameterform gegebenen Ebenen
E1
E2



~x ∈ R3 : ~x = 
=




=
~x ∈ R3 : ~x = 



 
 
2
0
1

1  + s1  1  + t1  3  , s1 , t1 ∈ R ,

1
2
1


 


−4
1
−1

3  + s2  0  + t2  1  , s2 , t2 ∈ R

5
0
1
erhält man die Vektorgleichung


 
  

 


2
0
1
−4
1
−1
 1  + s1  1  + t1  3  =  3  + s2  0  + t2  1 
1
2
1
5
0
1
bzw. das lineare Gleichungssystem
2
+ t1 = −4 + s2 − t2
1 + s1 + 3t1 =
3
+ t2
1 + 2s1 + t1 =
5
+ t2 .
Dieses Gleichungssystem besteht aus drei Gleichungen mit vier Unkannten. Es ist daher nicht
zu erwarten, dass eine eindeutig bestimmte Lösung existiert. Es gibt unendlich viele Lösungen,
wobei drei der Unbekannten sich als Funktion der vierten Unbekannten darstellen lassen.
Subtrahiert man z. B. die dritte von der zweiten Gleichung erhält man
−s1 + 2t1 = −2
bzw.
s1 = 2 + 2t1 .
Substituiert man nun in E1 den freien Parameter s1 durch 2+2t1 dann erhält man die Gerade



g =
~x ∈ R3 : ~x = 




=
~x ∈ R3 : ~x = 



2
1  + (2 + 2t1 ) 
1

 
2
1


3
5 ,
+ t1
5
5

 
0
1


1
3 ,
+ t1
2
1


t1 ∈ R .



t1 ∈ R

49
2.4. GEOMETRISCHE ANWENDUNGEN
(v) Zu berechnen ist der Schnittwinkel zwischen den beiden Ebenen E1 und E2 aus dem vorherigen
Beispiel. Zunächst werden die Normalenvektoren ~u1 und ~u2 von E1 bzw. E2 berechnet,

   

0
1
−5
~u1 =  1  ×  3  =  2  ,
2
1
−1

 
 

1
−1
0
~u2 =  0  ×  1  =  −1  .
0
1
1
Der Schnittwinkel zwischen den beiden Ebenen E1 und E2 entspricht dem Schnittwinkel
∠(~u1 , ~u2 ) zwischen ihren Normalenvektoren ~u1 und ~u2 . Es gilt
cos ∠(~u1 , ~u2 ) =
−3
~u1 · ~u2
√ = −0, 387,
=√
k~u1 k · k~u2 k
30 · 2
und damit ist ∠(~u1 , ~u2 ) = arccos (−0, 387) = 112, 79◦ . Schließlich ist noch zu berücksichtigen,
dass es zwei Schnittwinkel gibt, die sich zu 180◦ ergänzen, d. h., der Winkel 67, 21◦ ist ebenfalls
Schnittwinkel.
(vi) Den kürzesten Abstand zwischen einem Punkt P und einer Ebene E kann man auf die folgende
Weise berechnen:
1. Bestimmung der Geraden g mit dem Ortsvektor P und der Richtung, die senkrecht zu
E ist,
2. Berechnung des Schnittpunktes S der Ebene E mit der Geraden g,
3. Berechnung des Abstandes zwischen P und S.
Gegeben sei P = (1, 1, 1) und




  
−1
−1
1 

E = ~x ∈ R3 :  −1  ~x =  −1   0  .


−1
−1
0
1. Die Gleichung der Geraden g lässt sich direkt hinschreiben. Es gilt
 


1
−1
~x =  1  + t  −1  ,
t ∈ R.
1
−1
2. Durch einsetzen in die Ebenengleichung wird der Parameter t bestimmt,

  

 
 
−1
1
−1
−1
1
 −1   1  + t  −1  =  −1   0  .
−1
1
−1
−1
0
Das liefert
−3 + 3t = −1
3t = 2
2
t =
.
3
50
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
Setzt man den Wert für t
 

1
2
~xS =  1  + 
3
1
d. h. S = 13 , 13 , 31 .
in die Geradengleichung ein, erhält man
  1 
−1
3


−1  =  13 
1
−1
3
3. Der gesuchte Abstand zwischen dem Punkt P und der Ebene E ist
   1   2 
√
3
1
3 r4 4 4
12
2
   1   2 
k~xP − ~xS k = 1
−  3  =  3  =
+ + =
=√ .
2 9 9 9
3
3
1
1
3
3
(vii) Bei der Berechnung des kürzesten Abstandes zwischen einem Punkt P und einer Geraden g
wird analog verfahren:
1. Bestimmung der Ebene E mit dem Ortsvektor P und der Normalenrichtung, die der
Richtung von g entspricht,
2. Berechnung des Schnittpunktes S der Ebene E mit der Geraden g,
3. Berechnung des Abstandes zwischen P und S.
Gegeben seien der Punkt P = (2, 2, 2) und die Gerade g durch die Geradengleichung


 
1
1



1
~x =
+ t 1 ,
1
2
t ∈ R.
1. Die parameterfreie Form der Ebenengleichung lässt sich von den gegebenen Daten sofort
ablesen,
 
  
1
1
2
 1  ~x =  1   2  .
2
2
2
2. Einsetzen von g in E ergibt
   
     
1
1
1
1
2
 1   1  + t  1  =  1   2 
2
1
2
2
2
und
4 + 6t = 8
2
t =
.
3
Mit Hilfe der Geradengleichung erhält
 
   5
1
1
3
2

~xS =  1  +  1  =  53
3
7
1
2
3
5 5 7
und S = 3 , 3 , 3 .
man den Schnittpunkt,



51
2.4. GEOMETRISCHE ANWENDUNGEN
3. Schließlich berechnen wir den gesuchten Abstand,
   5   1 
3
3
2
1
   5   1 
k~xP − ~xS k = 2
−  3  =  3  = √ .
3
7
−1 2
3
3
(viii) Zu berechnen ist der kürzeste Abstand zweier (windschiefer) Geraden g1 und g2 . Das kann
man so machen:
1. Bestimmung einer Ebene E, die parallel zu beiden Geraden ist und in der die Gerade g1
enthalten ist.
2. Bestimmung einer Geraden g senkrecht zu E, wobei als Ortsvektor von g der Ortsvektor
der Geraden g2 gewählt wird,
3. Berechnung des Schnittpunktes S der Ebene E mit der Geraden g,
4. Berechnung des Abstandes zwischen S und dem Ortsvektor von g.
Auch dazu noch einmal eine Rechnung mit Daten. Die Geraden g1 und g2 seien durch ihre
Gleichungen gegeben,

 
1
1
s ∈ R,
~x =  1  + s  1  ,
1
1




1
1
~x =  −1  + t  −1  ,
t ∈ R.
0
1

1. Der Normalenvektor ~u der Ebene E errechnet sich als Kreuzprodukt der Richtungsvektoren der beiden Geraden,
  
 

1
1
2
~u =  1  ×  −1  =  0  .
1
1
−2
Wählt man noch den Ortsvektor von g1 als Ortsvektor von E, dann ist garantiert, dass
g1 in E liegt. Die parameterfreie Gleichung von E ist folglich



 
2
2
1
 0  ~x =  0   1  .
−2
−2
1
2. Die Gleichung der Geraden g kann man dann sofort hinschreiben,




1
2
~x =  −1  + t  0  ,
t ∈ R.
0
−2
52
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
3. Den Schnittpunkt zwischen g und E erhält man aus

 




 
2
1
2
2
1
 0   −1  + t  0  =  0   1 
−2
0
−2
−2
1
2 + 8t = 0
t = −
1
4
und


  1 
1
2
2
1
~xS =  −1  +  0  =  −1  .
4
1
0
−2
2

4. Der kürzesten Abstand zwischen g1 und g2 ist folglich

  1 
1
2
 −1  −  −1  = √1 .
2
1
0
2
2.5
Lineare Unabhängigkeit von Vektoren
Definition.
(i) Es seien ~x1 , . . . , ~xm Vektoren im Rn und λ1 , . . . , λm reelle Zahlen. Dann heisst die Summe
λ1 ~x1 + . . . + λm ~xm =
m
X
λk ~xk
k=1
Linearkombination der Vektoren ~x1 , . . . , ~xm .
(ii) Die Vektoren ~x1 , . . . ~xm heissen linear unabhängig, wenn das lineare Gleichungssystem
m
X
λk ~xk = 0
k=1
nur die Lösung λ1 = . . . = λm = 0 hat. Andernfalls heissen die Vektoren linear abhängig.
Beispiele.
(i) Es seien ~x1 , ~x2 ∈ R2 gegeben durch
0
1
~x1 =
,
~x2 =
.
1
0
Dann folgt aus
λ1 ~x1 + λ2 ~x2 = λ1
0
1
+ λ2
1
0
=
0
0
2.5. LINEARE UNABHÄNGIGKEIT VON VEKTOREN
53
unmittelbar
λ1 = 0,
λ2 = 0,
d. h., die Vektoren ~x1 und ~x2 sind linear unabhängig. Jeder weitere Vektor ~x3 ∈ R2 lässt sich
als Linearkombination von ~x1 und ~x2 darstellen, z. B.
−3
~x3 =
= −3~x1 + 5~x2 .
5
Die drei Vektoren ~x1 , ~x2 , ~x3 sind jedoch linear abhängig. So gilt z. B.
−3~x1 + 5~x2 − ~x3 = 0,
d. h. λ1 = 5, λ2 = −3 und λ3 = −1 sind Lösung von
−3
0
1
0
=
.
+ λ3
+ λ2
λ1
5
0
0
1
(ii) Aus den gleichen Gründen wie in Beispiel (i) sind die Vektoren
 
 
 
0
0
1
~x3 =  0 
~x2 =  1  ,
~x1 =  0  ,
1
0
0
linear unabhängig.
(iii) Gegeben seien die Vektoren
 
 
1
3
~x1 =  2  ,
~x2 =  4  ,
3
5


0
~x3 =  2  .
4
Die Gleichung
λ1 ~x1 + λ2 ~x2 + λ3 ~x3 = 0
d. h.


 
   
1
3
0
0







2
4
2
0 
λ1
+ λ2
+ λ3
=
3
5
4
0
kann als lineares Gleichungssystem für die Variablen λ1 , λ2 , λ3 ∈ R, das auch in der Form
λ1 +3λ2
= 0
2λ1 +4λ2 +2λ3 = 0
3λ2 +5λ2 +4λ3 = 0
geschrieben werden kann. Eine Lösung (von unendlich vielen möglichen Lösungen) ist
λ1 = −3,
λ2 = 1,
λ3 = 1.
Durch Umformen der Gleichung −3~x1 + ~x2 + ~x3 = 0 erhält man beispielsweise ~x2 = 3~x1 − ~x3 ,
d. h., der Vektor ~x2 ist Linearkombination der beiden Vektoren ~x1 und ~x3 .
54
KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG
Allgemein gilt:
(i) Seien ~x1 , ~x2 ∈ Rn , n ≥ 2, und ~x1 , ~x2 6= 0. Die beiden Vektoren ~x1 , ~x2 sind linear unabhängig
genau dann, wenn ~x1 und ~x2 nicht parallel sind. Für Vektoren im R3 bedeutet das ~x1 ×~x2 6= 0.
(ii) Seien ~x1 , ~x2 , ~x3 ∈ Rn , n ≥ 3 und ~x1 , ~x2 , ~x3 6= 0. Die Vektoren ~x1 , ~x2 , ~x3 sind linear unabhängig genau dann, wenn sie nicht in einer Ebene liegen. Für ~x1 , ~x2 , ~x3 ∈ R3 bedeutet das
[~x1 , ~x2 , ~x3 ] 6= 0.
(iii) Die maximale Anzahl linear unabhängiger Vektoren im Rn ist n.
(iv) Eine Menge von Vektoren, welche den Nullvektor enthält, ist stets linear abhängig.
(v) In einer Menge linear abhängiger Vektoren lässt sich mindestens ein Vektor als Linearkombination der anderen Vektoren darstellen.
Kapitel 3
Matrizen und lineare
Gleichungssysteme
3.1
Definition und wichtige Grundbegriffe
Definition. Ein rechteckiges Schema von m · n reellen Zahlen aik ∈ R, i = 1, . . . , m, k = 1, . . . , n,
der Form


a11 . . . a1k . . . a1n
 ..
..
.. 
 .
.
. 



A =  ai1 . . . aik . . . ain 

 ..
..
.. 
 .
.
. 
am1 . . . amk . . . amn
heißt Matrix vom Typ (m, n) oder kurz (m, n)-Matrix. Dabei ist m die Anzahl der Zeilen, n die Anzahl der Spalten, i der Zeilenindex und k der Spaltenindex. Die reellen Zahlen aik heißen Elemente
der Matrix A.
Abkürzend wird auch die Schreibweise A = (aik )mn oder A = (aik ) verwendet. Um Missverständnisse zu vermeiden, werden die Indizes manchmal durch Komma getrennt, A = (ai,k ).
Beispiel.



A=


1 4 6 4 1
4 16 24 16 4
6 24 36 24 6
4 16 24 16 4
1 4 6 4 1








−1 2.7 −5 22.6 1
B =  4.01 1.3 204 1.6 14 
62 2.4 3
4
36
55
56
KAPITEL 3. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME
Bemerkungen
(i) Eine Matrix vom Typ (1, n) ist ein Zeilenvektor der Länge n, eine Matrix vom Typ (m, 1) ist
ein Spaltenvektor der Länge m.
(ii) Eine Matrix, die nur Nullen enthält, heißt Nullmatrix.
(iii) Eine Matrix vom Typ (n, n) heißt quadratisch. Die Elemente a11 , . . . , ann bilden die Hauptdiagonale der quadratischen Matrix A. Eine Matrix heißt Diagonalmatrix, wenn nur die Elemente
außerhalb der Hauptdiagonalen Null sind, wenn also gilt:


a11
0


..
A=
.
.
0
ann
(iv) Eine quadratische Matrix mit aik = 1 für i = k und aik = 0 für i 6= k heißt Einheitsmatrix
und wird mit I bezeichnet,


1
0


..
I=
.
.
0
1
(v) Eine quadratische Matrix heißt symmetrisch, wenn aik = aki für i, k = 1, . . . , n,


a11 . . . a1n

..  .
..
A =  ...
.
. 
a1n . . . ann
(vi) Die quadratischen Matrizen


a11 . . . a1n

.. 
..

.
. 
0
ann

bzw.
a11
 ..
..
 .
.
an1 . . .
0



ann
heißen obere bzw. untere Dreiecksmatrix. Die Elemente unter- bzw. oberhalb der Hauptdiagonalen sind gleich Null.
(vii) Zwei Matrizen A = (aik ) und B = (bik ) sind gleich, wenn sie vom gleichen Typ sind und ihre
Elemente übereinstimmen,
aik = bik ,
i = 1, . . . , m, k = 1, . . . , n.
(viii) Eine Untermatrix der Matrix A erhält man durch Streichen“ einer Zeile und einer Spalte.
”
Die ik-te Untermatrix Aik von A ist definiert durch


a11
. . . a1,k−1
a1,k+1 . . . a1n


..
..
..
..


.
.
.
.


 ai−1,1 . . . ai−1,k−1 ai−1,k+1 . . . ai−1,n 

,
Aik = 

 ai+1,1 . . . ai+1,k−1 ai+1,k+1 . . . ai+1,n 


..
..
..
..


.
.
.
.
am1
...
am,k−1
am,k+1
...
amn
3.1. DEFINITION UND WICHTIGE GRUNDBEGRIFFE
57
d. h. sie geht aus A durch Streichen der i-ten Zeile und der j-ten Spalte hervor.
Elementare Operationen für Matrizen
(i) Transponieren. Die transponierte Matrix AT einer (m, n)-Matrix A erhält man durch systematisches Vertauschen ihrer Zeilen mit ihren Spalten,

a11 . . . a1n

..  ,
A =  ...
. 
am1 . . . amn



a11 . . . am1

..  .
AT =  ...
. 
a1n . . . amn
Die transponierte Matrix ist also vom Typ (n, m).
Eine quadratische Matrix A ist symmetrisch genau dann, wenn A = AT
(ii) Multiplikation mit einem Skalar. Für jede Zahl c ∈ R gilt


ca11 . . . ca1n

..  ,
cA =  ...
. 
cam1 . . . camn
d. h. A wird elementweise mit c multipliziert. Vereinbarungsgemäß ist cA = Ac.
(iii) Addition. Zwei Matrizen A = (aik ) und B = (bik ) können addiert werden, wenn sie vom
gleichen Typ sind. Es gilt


a11 + b11 . . . a1n + b1n


..
..
A+B =
.
.
.
am1 + bm1 . . . amn + bmn
Außerdem gelten die einfachen Rechenregeln
A + B = B + A,
(A + B) + C = A + (B + C),
(A + B)T
= AT + B T ,
c(A + B) = cA + cB,
c ∈ R.
(iv) Subtraktion. Zwei Matrizen A = (aik ) und B = (bik ) können voneinander subtrahiert werden,
wenn sie vom gleichen Typ sind. Es gilt


a11 − b11 . . . a1n − b1n


..
..
A−B =
.
.
.
am1 − bm1 . . . amn − bmn
58
KAPITEL 3. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME
(v) Multiplikation. Zwei Matrizen A = (aik ) und B = (bik ) vom Typ (m1 , n1 ) bzw. (m2 , n2 )
können multipliziert werden, wenn n1 = m2 , d. h., die Anzahl n1 der Spalten der Matrix A
muss gleich der Anzahl m2 der Zeilen der Matrix B sein. Es gilt A · B = C, wobei C = (cik )
eine Matrix vom Typ (m1 , n2 ) mit den Elementen
cik =
n1
X
aij · bjk ,
i = 1, . . . , m1 , k = 1, . . . , n2 ,
j=1
ist, d. h., cik ist das Skalarprodukt zweier Vektoren – des i-ten Zeilenvektors der Matrix A
und des j-ten Spaltenvektors der Matrix B.
Hier sei noch angemerkt, dass das Skalarprodukt ~x · ~y zweier Spaltenvektoren ~x und ~y wie
an entsprechender Stelle vermerkt korrekt in der Form ~xT · ~y geschrieben wird und somit als
Produkt einer einzeiligen und einer einspaltigen Matrix gesehen werden kann.
Es gelten die Regeln
A · (B + C) = AB + AC
A · (B · C) = (A · B) · C
(A · B)T
= B T · AT .
Hinweis: Bei quadratischen Matrizen ist mit dem Produkt A · B auch das Produkt B · A
definiert. Es gilt aber i.a. A · B 6= B · A.
Beispiele
(i) Gegeben seien zwei Matrizen A und B vom Typ (4, 2) bzw. (2, 3),


2 −4
 1 10 
1 −7
2


.
,
B=
A=
0
3 −1
−3
0 
1
1
Ihr Produkt C = A · B ist

2 · 1 + (−4) · 0
 1 · 1 + 10 · 0
C=
 −3 · 1 + 0 · 0
1·1+1·0
vom Typ (4, 3), und es gilt
 

2 · (−7) + (−4) · 3 2 · 2 + (−4) · (−1)
2 −26
8

1 · (−7) + 10 · 3
1 · 2 + 10 · (−1) 
23 −8 
= 1
.


−3 · (−7) + 0 · 3
−3 · 2 + 0 · (−1)
−3
21 −6 
1 · (−7) + 1 · 3
1 · 2 + 1 · (−1)
1 −4
1
Hilfreich für die Ausführung einer Multiplikation ist das Falksche Schema,
2 −4
1 10
−3
0
1
1
1 −7
2
0
3 −1
2 −26
8
1
23 −8
−3
21 −6
1 −4
1
in dem die bei der Matrixmultiplikation zu berechnenden Skalarprodukte übersichtlich dargestellt sind.
59
3.1. DEFINITION UND WICHTIGE GRUNDBEGRIFFE
(ii) Für die beiden Spaltenvektoren




2
−3
~x =  −1  ,
~y =  1 
1
−2
ist


−6
2 −4
2 .
~x · ~y T =  3 −1
−3
1 −2
~xT · ~y = −9,
(iii) Die Matrix
A=
cos ϕ sin ϕ
− sin ϕ cos ϕ
(3.1)
bewirkt eine Drehung um den Winkel −ϕ, wobei das Zentrum der Drehung der Koordinatenursprung ist.
Gegeben sei ein Polygon mit den Eckpunkten
P1 = (4, 4),
P2 = (0, 5),
P3 = (−4, 5),
P4 = (−3, −4),
P5 = (4, −3),
siehe Abbildung 3.1a. Zu berechnen sind die Koordinaten der Eckpunkte nach einer Drehung
des Polygons um den Winkel ϕ1 = π3 = 60◦ bzw. ϕ2 = π2 = 90◦ .
Es gilt
Aϕ1 =
1
2√
−
3
2
√
3
2
1
2
!
,
Aϕ2 =
0 1
−1 0
.
Fasst man die zu den Punkten P1 , . . . , P5 gehörigen Vektorn zu einer Matrix B zusammen,
4 0 −4 −3
4
,
B=
4 5
5 −4 −3
dann ergibt sich
ATϕ1
√
√
2 − 2 3 −523
√
5
2 3+2
2
!
√
√
− 32 √+ 2 3 2 + 3 2 3
√
·B =
− 3 2 3 − 2 2 3 − 32
−1, 46 −4, 33 −6, 33
1, 96 4, 60
≈
5, 46
2, 50 −0, 96 −4, 60 1, 96
√
−2 − 5 2 3
√
−2 3 + 52
bzw.
ATϕ2
·B =
−4 −5 −5
4 3
4
0 −4 −3 4
,
woraus sich die Koordinaten der Eckpunkte der beiden gedrehten Polygone direkt ablesen
lassen. Die Fünfecke ATϕ1 · B und ATϕ2 · B sind in den Abbildungen 3.1d bzw. 3.1f dargestellt.
60
KAPITEL 3. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME
Abbildung 3.1: (a) ein Fünfeck und (b). . . (f) seine Drehumgen um die Winkel ϕ =
3.2
1·π
5·π
12 , . . . , 12 .
Rang und Determinante
Der Rang und die Determinante sind Funktionen, die einer Matrix eine nicht negative ganze Zahl
bzw. eine reelle Zahl zuordnen. Während der Rang für alle Matrizen erklärt ist, ist die Determinante
nur für quadratische Matrizen definiert.
3.2.1
Der Rang einer Matrix
Zur Einführung des Ranges einer Matrix werden die Zeilen bzw. Spalten einer Matrix als Vektoren
aufgefasst. Dann gilt die folgende Aussage:
Satz. Die maximale Anzahl linear unabhängiger Zeilen einer Matrix A ist gleich der maximalen
Anzahl linear unabhängiger Spalten von A.
Definition. Der Rang rg (A) einer Matrix A ist die maximale Anzahl linear unabhängiger Spaltenvektoren.
Bemerkungen
(i) Der Rang einer Matrix ist sowohl für quadratische Matrizen als auch für Rechteckmatrizen
erklärt.
(ii) Für eine (m, n)-Matrix A gilt rg A ≤ min{m, n} und rg A = rg AT .
(iii) Der Rang der Nullmatrix ist gleich Null.
61
3.2. RANG UND DETERMINANTE
Beispiel
Gegeben sei die Matrix

1
2
 0 −1
A=
 0
0
0
0

3
1
2 −1 
.
4
2 
0
5
Ihr Rang ist 4, rg A = 4, denn das lineare Gleichungssystem
 

 


 
1
3
2
1
 −1  
 2 
 −1 
 0 
 

 



λ1 
 0  + λ2  0  + λ3  4  + λ4  2  = 
5
0
0
0

0
0 

0 
0
hat genau eine Lösung für λ1 , λ2 , λ3 , λ4 , nämlich die Triviallösung
λ1 = λ2 = λ3 = λ4 = 0.
An einer Dreiecksmatrix lässt sich der Rang leicht ablesen. Daraus leitet sich unmittelbar ein
Verfahren zur Bestimmung des Rangs einer Matrix ab.
Das Gauß-Verfahren zur Bestimmung des Rangs einer Matrix
Das Ziel des Gauß-Verfahrens ist die Transformation einer gegebenen Matrix A = (aik ) in eine
Matrix B = (bik ) mit Dreiecksgestalt, wobei nur solche Umformungen verwendet werden, die den
Rang nicht ändern, rg A = rg B.
Rangerhaltende Umformungen sind
• das Vertauschen von zwei Zeilen oder zwei Spalten,
• die Multiplikation einer Zeile oder Spalte mit einer von Null verschiedenen Konstanten und
• die Addition oder Subtraktion einer Zeile oder Spalte zu einer anderen Zeile bzw. Spalte.
Allgemein gilt






rg B = rg 





b11 b12
0 b22
..
..
.
.
0 ...
0
..
.
0
...
...
..
0
.
bkk . . .
...
...
b1n
b2n
..
.






bkn 
 = k,
0 

.. 
. 
0
falls die Elemente b11 , b22 , . . . , bkk alle verschieden von Null sind.
Dann ist auch rg A = k.
62
KAPITEL 3. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME
Beispiel
Gegeben sei eine Matrix A durch


1 3 −4
3
A =  3 9 −2 −11  .
4 12 −6 −8
Es gilt




1 3 −4
3
1 −4 3
3
rg A = rg  0 0 10 −20  = rg  0 10 0 −20 
0 0 10 −20
0 10 0 −20


1 −4 3
3
= rg  0 10 0 −20 
0
0 0
0
= 2.
Bemerkungen
(i) Mit dem Gauß-Verfahren steht eine einfache Methode zur Untersuchung der linearen Abhängigkeit von Vektoren zur Verfügung, vgl. Abschnitt 2.5.
(ii) Das Gaußsche Verfahren liefert nicht nur die Information, ob Vektoren linear abhängig oder
unabhängig sind. Falls der Rang gleich Eins ist, dann sind alle Vektoren parallel (sie liegen
also auf einer Geraden), falls der Rang gleich zwei ist, liegen alle Vektoren in einer Ebene
(d. h. eine Auswahl von jeweils zwei Vektoren bildet eine Basis einer Ebene), falls der Rang
gleich 3 ist, bilden drei der untersuchten Vektoren eine Basis eines dreidimensionalen Raumes,
usw.
(iii) Der Rang ist ein wichtiges Kriterium für die Untersuchung der Lösbarkeit eines linearen
Gleichungssystems, siehe Abschnitt 3.3.1.
3.2.2
Die Determinante einer Matrix
Definition. Sei A eine quadratische (n, n)-Matrix mit den Untermatrizen Aik . Die Determinante
det(A) von A ist eine reelle Zahl, die durch
det A =
n
X
(−1)i+k aik · det Aik
(Entwicklung nach der i-ten Zeile)
(3.2)
k=1
für n > 1 rekursiv erklärt ist. Für n = 1 und A = (a11 ) wird det(A) = a11 gesetzt.
Mit Hilfe dieser Formel wird die Berechnung der Determinante einer (n, n)-Matrix auf die Berechnung der Determinanten ihrer Untermatrizen zurückgeführt, die vom Typ (n − 1, n − 1) sind. Die
Wahl der Zeile, d. h. die Wahl von i ist zunächst beliebig.
63
3.2. RANG UND DETERMINANTE
Formel (3.2) ist äquivalent zu
n
X
det A =
(−1)i+k aik · det Aik
(Entwicklung nach der k-ten Spalte).
(3.3)
i=1
Die Entscheidung darüber, ob eine Zeilen- oder Spaltenentwicklung zur Berechnung der Determinante verwendet und nach welcher Zeile bzw. Spalte entwickelt wird, ist abhängig von den Koeffizienten der Matrix. Meist wählt man eine Zeile oder Spalte mit möglichst vielen Elementen,
die gleich Null sind. (Denn falls aik = 0 ist, kann man sich die Berechnung der Determinante der
Untermatrix Aik sparen; das Produkt aik · det Aik ist in diesem Fall ja ohnehin gleich Null.)
Neben der Schreibweise det(A) wird auch |A| verwendet, det(A) = |A|.
Wichtige Spezialfälle
(i) n = 2. Für
A=
a11 a12
a21 a22
ist
a
a
det A = 11 12
a21 a22
= a11 · a22 − a12 · a21 .
(ii) n = 3.
a11 a12 a13
det A = a21 a22 a23
a31 a32 a33
a11 · a22 · a33 + a21 · a13 · a32 + a31 · a12 · a23
=
−a
31 · a22 · a13 − a21 · a12 · a33 − a11 · a32 · a23
Wichtige Rechenregeln
Es seien A, B quadratische Matrizen vom Typ (n, n). Dann gilt
det A = det AT ,
det(A · B) = det A · det B,
det(cA) = cn det A,
det A 6= 0
⇔
c ∈ R,
rg A = n.
Eine Matrix mit det A 6= 0 heißt regulär (oder nicht singulär ).
Außerdem folgt direkt aus dem Entwicklungssatz für Diagonal- bzw. Dreiecksmatrizen

a11
0
..

det 
0
.
ann


a11 . . .


..
 = det 
.
0


a1n
a11
..  = det  ..
..
 .
.
. 
ann
an1 . . .
0
ann

n
 Y
akk ,
=
k=1
64
KAPITEL 3. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME
d. h., die Determinante von Diagonal- bzw. Dreiecksmatrizen ist gleich dem Produkt der Hauptdiagonalelemente. Insbesondere gilt
det I = 1.
Schließlich wird noch darauf verwiesen, dass sich mit Hilfe der Determinante das Vektor- bzw.
Spatprodukt von Vektoren


a1
~a =  a2  ,
a3


b1
~b =  b2  ,
b3


c1
~c =  c2 
c3
in der Form


~e1 ~e2 ~e3
~a × ~b = det  a1 a2 a3 
b1 b2 b3

bzw.

a1 a2 a3
(~a × ~b) · ~c = det  b1 b2 b3 
c1 c2 c3
geschrieben werden kann. Dabei sind ~e1 , ~e2 , ~e3 die Einheitsvektoren im R3 in x-, y- bzw. z-Richtung.
Beispiele
(i) Zur Berechnung der Determinante der Matrix

0
 2
A=
 −1
1

1
2 4
5
7 1 

2 −3 0 
3
4 0
empfiehlt sich eine Entwicklung nach der letzten Spalte,



0 1
2
2 5
7
det A = (−1) · 4 · det  −1 2 −3  + (+1) · 1 · det  −1 2 −3  + 0 + 0
1 3
4
1 3
4
= (−4) · (16 − 21 − 15 − 14 + 18 + 20) + 1 · (−6 − 3 − 4 + 4)

= (−4) · 4 + 1 · (−9)
= −25.
(ii)



det 


1
0
0
0
0

2 −1 7
0
3
0 3 −1 

0 −1 1
2 
 = 1 · 3 · (−1) · 4 · 1 = −12
0
0 4
1 
0
0 0
1
3.3. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME
65
(iii) Gesucht ist eine Zahl a ∈ R, so dass der Vektor
 
1
 2 
a
in der Ebene



~x : x = s · 





1
3




0
1 , s, t ∈ R
+t·

−1
−3
liegt. Die Vektoren
 


1
1
 2 ,
 0 ,
a
−1


3
 1 
−3
müssen also linear abhängig sein. Es muss daher gelten


1 0 −1
det  3 1 −3  = 0
1 2
a
d. h.
a−6+1+6=0
bzw.
a + 1 = 0,
und daraus folgt a = −1.
(iv) Die Determinante der auf Seite 59, Formel (3.1), gegebenen Drehmatrix“ ist
”
cos ϕ sin ϕ
cos ϕ sin ϕ = det
= cos2 ϕ + sin2 ϕ = 1
− sin ϕ cos ϕ
− sin ϕ cos ϕ für alle Winkel ϕ.
Der Betrag der Determinante einer Matrix A ist das n-dimensionale Volumen des Parallelepipeds,
das von den Spaltenvektoren (oder den Zeilenvektoren) von A aufgespannt wird. Für n = 2 ist
| det A| die Fläche des von den Zeilen- bzw. Spaltenvektoren aufgespannten Parallelogramms.
3.3
Lineare Gleichungssysteme
Definition. Ein System von m linearen Gleichungen mit n Unbekannten x1 , . . . , xn ∈ R der Form
a11 x1
+a12 x2
+ . . . +a1n xn
= b1
..
.
am1 x1 +am2 x2 + . . . +amn xn = bm
mit den Koeffizienten aik ∈ R, i = 1, . . . , m, k = 1, . . . , n und der rechten Seite“ bi ∈ R, i =
”
1, . . . , m, heißt lineares Gleichungssystem (LGS). Falls die rechte Seite“ des Gleichungssystems
”
gleich Null ist, bi = 0, i = 1, . . . , m, heißt das lineare Gleichungssystem homogen, andernfalls
inhomogen.
66
KAPITEL 3. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME
In der im vorigen Abschnitt eingeführten Matrixschreibweise kann dieses Gleichungssystem kompakt und übersichtlich in der Form
A~x = ~b
mit

a11 . . .
 ..
A= .
am1 . . .

a1n
..  ,
. 
amn

x1


~x =  ...  ,
xn


b1
. 
~b = 
 .. 
bm

geschrieben werden.
Das Ziel ist die Bestimmung einer Lösung des linearen Gleichungssystems, d. h. die Berechnung des
unbekannten Vektors ~x, wobei die Koeffizientenmatrix A und die rechte Seite“ ~b gegeben sind.
”
In diesem Abschnitt sollen die folgenden Fragestellungen behandelt werden:
• Ist das lineare Gleichungssystem lösbar?
• Gibt es eine oder mehrere Lösungen?
• Welche (einfachen) Kriterien für die Lösbarkeit können angewendet werden?
• Welche Lösungsverfahren stehen zur Verfügung?
3.3.1
Charakterisierung der Lösbarkeit eines linearen Gleichungssystems
Zur Beantwortung der Frage nach der Lösbarkeit wird zunächst der einfachste Fall m = n = 1
betrachtet:
(i) Die (zu einfachen linearen Gleichungen degenerierten) linearen Gleichungssysteme
1 · x = 1,
bzw.
1·x=0
haben genau eine Lösung x = 1 bzw. x = 0.
(ii) Die lineare Gleichung
0·x=1
hat keine Lösung; es gibt keinen Wert x ∈ R, für den diese Gleichung erfüllt ist.
(iii) Die lineare Gleichung
0·x=0
besitzt unendlich viele Lösungen; jeder Wert x ∈ R ist Lösung.
67
3.3. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME
Es bezeichne (A, ~b) die um den Vektor ~b ergänzte Matrix A,

a11 . . .

(A, ~b) =  ...
am1 . . .
a1n
..
.
amn

b1
..  .
. 
bm
Mit Hilfe dieser Notation lassen sich für den allgemeinen Fall folgende Kriterien formulieren:
Satz. Es sei A~x = ~b ein lineares Gleichungssystem mit m Gleichungen und n Unbekannten.
(i) Das Gleichungssystem A~x = ~b besitzt eine Lösung genau dann, wenn rg A = rg (A, ~b) = n,
(ii) A~x = ~b ist nicht lösbar genau dann, wenn rg A < rg (A, ~b),
(iii) A~x = ~b besitzt unendlich viele Lösungen genau dann, wenn rg A = rg (A, ~b) < n.
Beispiel
Die Lösbarkeit des linearen Gleichungssystems
x1 + 2x2
2x1 + 6x2
3x1 + 8x2
−2x1
+ 4x3
+ 11x3
+ 10x3
+
x3
+ 3x4
+ 5x4
+ 6x4
+ αx4
= 1
= 7
= 13
= β
hängt von der Wahl der Parameter α, β ∈ R ab. Für welche Werte von α und β ist dieses
Gleichungssystem lösbar und hat genau eine Lösung?
Die Bestimmung des Rangs der Matrix (A, ~b) mit Hilfe des Gaußschen Algorithmus liefert

1 2 4 3
 2 6 11 5
rg 
 3 8 10 6
−2 0 1 α

1 2 4
3
 0 2 3
−1
= rg 
 0 0 5
2
0 0 3 α+8


1 2
1
 0 2
7 
 = rg 
 0 2
13 
0 4
β


1
1
 0
5 
 = rg 
 0
−5 
β−8
0

4
3
1
3
−1
5 

10 
−2
−3
9 α+6 β+2
2
2
0
0

4
3
1
3
−1
5 
.
5
2
−5 
0 5α + 34 5β − 25
Nach den allgemeinen Kriterien für die Lösbarkeit linearer Gleichungssysteme besitzt das
Gleichungssystem
(i) genau eine Lösung, wenn
34
,
β ∈ R (d. h. β beliebig),
5
(ii) keine Lösung, wenn 5α + 34 = 0 und 5β − 25 6= 0, d. h.
α 6= −
α=−
34
5
und
β 6= 5,
68
KAPITEL 3. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME
(iii) unendlich viele Lösungen, falls
34
und
β = 5.
α=−
5
Spezialfälle
(i) Ist die Anzahl der Gleichungen m kleiner als die Anzahl der Unbekannten n, dann ist stets
rg A ≤ m < n,
und das Gleichungssystem ist nicht eindeutig lösbar; es besitzt also entweder keine oder
unendlich viele Lösungen.
(ii) Ein homogenes Gleichungssystem
A~x = ~0
ist wegen rg A = rg (A, ~b) immer lösbar. Es besitzt nur die Triviallösung ~x = 0, falls rg A = n,
oder es besitzt unendlich viele Lösungen, wenn rg A < n.
(iii) Ein quadratisches Gleichungssystem, d. h. ein Gleichungssystem mit quadratischer Koeffizientenmatrix (m = n), ist eindeutig lösbar genau dann, wenn det A 6= 0. In diesem Fall existiert
die Inverse A−1 von A und es gilt
~x = A−1~b.
3.3.2
(3.4)
Methoden zur Lösung linearer Gleichungssysteme
Wie wir soeben gesehen haben, kann die Lösung eines quadratischen linearen Gleichungssystems
auf die Berechnung der Inversen seiner Koeffizientenmatrix zurückgeführt werden. Eine weitere
Methode zur Lösung quadratischer Gleichungssysteme – die Cramersche Regel – basiert auf der
Berechnung von Determinanten. Für Gleichungssysteme, die nicht notwendig quadratisch sind,
wird der Gaußsche Algorithmus angewandt, der auch die Grundlage für numerische Verfahren zur
Lösung linearer Gleichungssysteme ist.
Die Cramersche Regel
Satz. Die Lösung ~x = (x1 , . . . , xn )T des quadratischen Gleichungssystems A~x = ~b mit det A 6= 0
kann durch
xk =
det Ak
,
det A
k = 1, . . . , n,
bestimmt werden, wobei die Matrix Ak aus der Matrix A erhalten wird, in dem die k-te Spalte von
A durch die rechte Seite“ ~b ersetzt wird,
”


a11 . . . a1,k−1 b1 a1,k+1 . . . a1n

..
..
..
..  .
Ak =  ...
.
.
.
. 
an1 . . . an,k−1 bn an,k+1 . . . ann
69
3.3. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME
Beispiel
x1
− x3 = 1
3x1 + x2 − 3x3 = 3
x1 + 2x2 − 2x3 = 4
Es gilt

A =
A1 =
A2 =
A3 =

1 0 −1
 3 1 −3  ,
1 2 −2


1 0 −1
 3 1 −3  ,
4 2 −2


1 1 −1
 3 3 −3  ,
1 4 −2


1 0 1
 3 1 3 ,
1 2 4
det A = −2 − 6 + 1 + 6 = −1,
det A1 = −2 − 6 + 4 + 6 = 2,
det A2 = 0
(da
rg A2 < 3),
det A3 = 4 + 6 − 1 − 6 = 3.
Daraus folgt
x1 =
2
= −2,
−1
x2 = 0,
x3 =
3
= −3.
−1
Das Verfahren von Gauß
Wir betrachten zunächst ein einfaches Beispiel eines linearen Gleichungssystems, in dem die Koffizientenmatrix Dreiecksgestalt hat.
Beispiel
2x1 − 4x2 + 3x3 =
8
2x2 − 5x3 = −8
3x3 =
6
Aus der dritten Gleichung folgt unmittelbar x3 = 2, und durch Rückwärtseinsetzen“ erhält
”
man
2x2 − 5 · 2 = −8
2x1 − 4 · 1 + 3 · 2 =
8
⇒
⇒
x2 = 1,
x1 = 3.
Wenn also die Koeffizientenmatrix Dreiecksgestalt hat, dann liegt die Lösung des linearen Gleichungssystems auf der Hand (ähnlich wie bei der Rangbestimmung, siehe Seite 61). Folglich ist es
das Ziel eines Lösungsverfahrens, das lineare Gleichungssystem so umzuformen, dass die Koeffizientenmatrix Dreiecksgestalt erhält, wobei sich jedoch die Lösung ~x bei den Umformungen nicht
ändern darf.
70
KAPITEL 3. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME
Es ist zu erwarten, dass sich die Umformungen mit auf die rechte Seite“ ~b des Gleichungssystems
”
beziehen müssen. Es wird daher die Matrix (A, ~b) betrachtet, für die folgende Umformungen möglich
sind
• das Vertauschen von zwei Zeilen,
• die Multiplikation einer Zeile mit einer von Null verschiedenen Konstanten und
• die Addition oder Subtraktion einer Zeile von einer anderen Zeile.
Beispiele
(i)
2x2
x1
−2x1
4x1
+
+
−
+
4x2
2x2
4x2
6x2
− x3
− x3
+ 5x3
− 2x3
+
−
+
+
3x4
3x4
2x4
5x4
= −11
= −2
=
14
= −17
Gaußsches Verfahren:
2
4 −1
3 −11
1
2 −1 −3 −2
−2 −4
5
2
14
4
6 −2
5 −17
⇒
2
4 −1
3 −11
0
0 −1 −9
7
0
0
4
5
3
0 −2
0 −1
5
⇒
2
4 −1
3 −11
0 −2
0 −1
5
0
0
4
5
3
0
0
0 −31
31
Rückwärtseinsetzen“ liefert
”
2x1
−
31x4
4x3 + 5 · (−1)
−
2x2 + 0 · 2 −
(−1)
+ 4 · (−2) −
2 + 3 · (−1)
=
31
=
3
=
5
= −11
⇒
⇒
⇒
⇒
x4
x3
x2
x1
= −1,
=
2,
= −2,
=
1.
(ii)
x1 − 2x2 + 3x3 = 4
3x2 + x2 − 5x3 = 5
2x1 − 3x2 + 4x3 = 7
Gaußsches Verfahren:
1 −2
3 4
3
1 −5 5
2 −3
4 7
⇒
1 −2
3
4
0
7 −14 −7
0
1 −2 −1
⇒
1 −2
3
4
0
7 −14 −7
0
0
0
0
Wegen rg A = rg (A, b) < n hat das Gleichungssystem unendlich viele Lösungen. Rückwärt”
seinsetzen“ liefert
x1
7x2 −
− 2 · (−1 + 2t) +
0 · x3 =
0
14t = −7
3t =
4
⇒
⇒
⇒
x3 = t,
t ∈ R,
x2 = −1 + 2t,
x1 = 2 + t,
71
3.3. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME
d. h., die Lösung ist von einem freien Parameter t abhängig. Die Lösungsmenge kann durch




 
2
1


~x ∈ R3 : ~x =  −1  + t ·  2  , t ∈ R


0
1
beschrieben werden, d. h., die Lösungsmenge entspricht einer Geraden. Die durch die drei
Gleichungen des Gleichungssystems repräsentierten Ebenen schneiden sich in diesem Beispiel
also nicht in einem Punkt (wie das bei einer eindeutig bestimmten Lösung der Fall gewesen
wäre), sondern in einer Geraden.
(iii)
2x1 + 2x2 + 5x3 = 3
x1 − 3x2 − 6x3 = 5
7x1 − 5x2 − 8x3 = 15
Gaußsches Verfahren:
2 +2 +5 3
1 −3 −6 5
7 −5 −8 15
⇒
5
1 −3 −6
0
8
17 −7
0 −16 −34 20
⇒
5
1 −3 −6
0
8 17 −7
0
0
0
6
Wegen rg A < rg (A, ~b) ist dieses Gleichungssystem nicht lösbar.
Zwei der durch die drei Gleichungen des linearen Gleichungssystems repräsentierten Ebenen
sind parallel zueinander. Es gibt daher keine gemeinsame Schnittmenge der drei Ebenen.
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