2. Klausur zur Theoretischen Physik I (Mechanik) Aufgabe 1 Physikalisches Pendel 09.07.2004 4 Punkte Eine homogene, kreisförmige, dünne Platte mit Radius R und Masse M ist am Punkt P so aufgehängt, daß sie unter Einfluß der Schwerkraft in ihrer Körperebene eine Pendelbewegung vollführen kann (siehe Skizze). 1. Berechnen Sie das für die Schwingung relevante Trägheitsmoment der Scheibe bezüglich der senkrecht durch den Aufhängepunkt P verlaufenden Rotationsachse. 2. Bestimmen Sie für kleine Auslenkungen α die der Schwingungsbewegung zugrundeliegende Differentialgleichung und lesen Sie daran die zugehörige Schwingungsfrequenz ω ab. 3. Bestimmen Sie die Länge l eines Fadenpendels mit gleicher Schwingungdauer T = 2π/ω wie obiges physikalisches Pendel. Lösungsvorschlag 1. Man berechne zunächst das Trägheitsmoment bzgl. einer Achse durch den Schwerpunkt (= Mittelpunkt) der Scheibe: Z Θz = dm(x2 + y 2 ) . In Polarkoordinaten, x = r cos φ, y = r sin φ, gilt mit σ = M/(πR2 ) dm = σrdrdφ mit r ∈ [0, R] und φ ∈ [0, 2π] und man erhält Z Θz = σ R drr 0 3 Z 0 2π 1 1 dφ = πσR4 = M R2 . 2 2 Das Trägheitsmoment ΘP bzgl. P erhält man dann mit dem Satz von Steiner: 3 ΘP = Θz + M R2 = M R2 . 2 2. Entweder mit Lagrange-Formalismus: = M gR(1 − cos α) 1 T = Trot = ΘP α̇2 2 1 L = T − V = ΘP α̇2 − M gR(1 − cos α) 2 V also d ∂L ∂L d − = (ΘP α̇) + M gR sin α = 0 dt ∂ α̇ ∂α dt und damit für kleine Auslenkungen (sin α ' α) α̈ + M Rg 2g α = α̈ + α=0. ΘP 3R ~ = Θ̂~ω ): Oder alternativ direkt über das Drehmoment (Drehimpulssatz, L ~˙ = M ~ = ~r × F~ ⇒ ΘP α̈ = −M gR sin α . L 3. Die Schwingungsfrequenz für das physikalische Pendel liest man an der Differenti2g R algleichung ab: ω 2 = M = 3R . ΘP Für ein Fadenpendel hat man g α̈ + α = 0 , l g 2 also ω = l . Gleichsetzen liefert l= Aufgabe 2 ΘP 3 = R. MR 2 Abrollen eines zylindrischen Rohrs 5 Punkte Wir betrachten ein zylindrisches Rohr, das mit waagerecht liegender Achse auf einer um den Winkel α gegen die Horizontale geneigten schiefen Ebene im Schwerefeld ohne Schlupf abrollen kann. Das Rohr habe dabei die Länge h, eine Masse M , die homogen auf die Wandung verteilt ist, sowie Innen- und Außenradien ri und ra . 1. Welche Freiheitsgrade hat das System? Wie lautet die Zwangsbedingung? 2. Stellen Sie die Lagrangefunktion für das System auf. (Trägheitsmoment!) 3. Geben Sie die Bewegungsgleichungen an. 4. Denken Sie sich das Rohr ersetzt durch • ein Rohr infinitesimaler Dicke mit derselben Masse und demselben Außenradius • einen homogen ausgefüllten Stab mit derselben Masse und demselben Außenradius • einem reibungsfrei rutschenden Massenpunkt derselben Masse. Wie unterscheidet sich die Dynamik der Bewegung Situationen? (Begründung!) Lösungsvorschlag 1. Die Rollbed. ṡ = ra ϕ̇ reduziert die Zahl der Freiheitsgrade auf einen. 2. T,V und L M 2 θS 2 1 θS 2 M + 2 ṡ T = ṡ + ϕ̇ = 2 2 2 ra V = − M gs sin α 1 θS 2 L =T − V = M + 2 ṡ + M gs sin α 2 ra (1) Wir benötigen ausserdem θS als Funktion der Radien bei fester Gesamtmasse M: Z ra 1 (2) θS = ρM 2πh r2 rdr = ρM 2πh (ra4 − ri4 ) 4 ri wobei Z ra M = ρM 2πh ri 1 rdr = ρM 2πh (ra2 − ri2 ) 2 ⇒ ρM = M 2πh 12 (ra2 − ri2 ) (3) und also 2πh 41 (ra4 − ri4 ) M (ra4 − ri4 ) M 2 θS = M = = (ra + ri2 ) 1 2 2 2 2 2 (ra − ri ) 2 2πh 2 (ra − ri ) (4) 3. BGL: θS M + 2 s̈ − M g sin α = 0 ra s̈ = 1 g sin α 1 + MθSr2 (5) a 4. Das Trägheitsmoment verlangsamt die Beschleunigung umso mehr je grösser es ist. Deshalb beschleunigt der Massenpunkt am stärksten, die Rohre umso langsamer je dünner die Massebelegte Wand. Es ergibt sich die Hierarchie M ra2 für ri → ra (dünnwandiges R.) M 2 (unser Fall) θS = (ra + ri2 ) → (6) M 2 ra für ri → 0 (Vollzyl.) 2 2 0 für ra , ri → 0 (Punkt) Alternativ: Um alles in x auszudrücken ersetze s = x/ cos α. ϕ = s/ra übersetzt nach ϕ Aufgabe 3 Stoß an Stock auf Eis 4 Punkte Ein dünner Stab der Länge l und der Masse M liegt auf einer reibungsfreien Eisfläche. Ein Hockeypuck der Masse m und der Geschwindigkeit v stößt diesen senkrecht im Abstand d vom Schwerpunkt. Nach dem elastischen Stoß sei der Puck in Ruhe. 1. Welche Erhaltungsgrößen hat das System? Bestimmen Sie die Bewegung des Stabes. 2. Wo befindet sich der Stab nach einer vollen Umdrehung (Skizze)? 3. Berechnen Sie das Verhältnis M/m als Funktion von l/d. Hinweis: Trägheitsmoment eines dünnen Stabes um seinen Mittelpunkt: I = 1 M l2 12 Lösungsvorschlag 1. Wähle Ursprung des Systems: Schwerpunkt des ruhenden Stabes. Bewegung des Stab-Schwerpunktes nach dem Stoß ergibt sich aus Impulserhaltung: Ps = M Vs = mv mv Vs = M Schwerpunkt des Stabes bewegt sich geradlinig vom Ursprung weg ⇒ kein Bahndrehimpuls des Stabes ⇒ Drehimpuls des Stabes um Ursprung ist gleich dem Drehimpuls um seinen Schwerpunkt. Drehimpulserhaltung: mvd = Iω mvd ω = I 12mvd = M l2 2. Zeit für volle Umdrehung: t = 2π ω Schwerpunktsbewegung in dieser Zeit: s = Vs t −1 mv 12mvd = 2π M M l2 π l2 = 6d Die Richtung dieser Bewegung verläuft exakt senkrecht zur Ausgangslage des Stabes. 3. Energieerhaltung: m 2 M 2 I 2 v = V + ω 2 2 s 2 2 1 M l2 M mv 2 12 mvd = + 1 2 M 2 M l2 12 m2 2 6m2 d2 2 = v + v 2M M l2 m 12d2 m 1 = + 2 M l M M m = 1 + 12 (d/l)2 Aufgabe 4 Streuung von Lichtstrahlen an einer totalreflektierenden Kugel 3 Punkte An einer totalreflektierenden Kugel mit Radius R werden Lichtstrahlen gestreut (siehe Bild). Bestimmen Sie den Zusammenhang zwischen dem Abstand b und dem Streuwinkel dσ θ. Leiten Sie daraus den differentiellen Wirkungsquerschnitt dΩ ab. Wie groß ist der totale Wirkungsquerschnitt? Hinweis: Benutzen Sie die Beziehung sin 2x = 2 sin x cos x Lösungsvorschlag Aus der Zeichnung kann man ablesen: b = R sin α θ = π − 2α (7) (8) Auflösen von (8) nach α und Einsetzen in (7) gibt b = R sin( θ π θ − ) = R cos 2 2 2 (9) Damit ergibt sich b db R cos 2θ R θ R2 dσ = = · sin = dΩ sin θ dθ sin θ 2 2 4 Der totale Wirkungsquerschnitt ergibt sich somit zu Z dσ R2 σ = dΩ = 4π = πR2 dΩ 4 Aufgabe 5 Stabilität von Kreisbahnen (10) (11) 2 Punkte Gegeben sei ein Zentralkraft-Potential U (r) = −km/rn (k > 0, konstant). Geben Sie ausgehend vom effektiven Potential (L sei der erhaltene Drehimpuls) Ueff (r) = U (r) + L2 2mr2 zunächst eine Bedingung für die Existenz stabiler Kreisbahnen an (d.h. für kleine Auslenkungen von der Kreisbahn wirkt eine rücktreibende Kraft hin zum stabilen Radius). Zeigen Sie dann, dass die Stabilitätsbedingung n < 2 im Potential U (r) erforderlich macht. Lösungsvorschlag Stabile Kreisbahn erfordert Minimum im effektivem Potential: dUeff d2 Ueff = 0 und >0 . dr dr2 D.h. explizit für obiges Potential dUeff dr d2 Ueff dr2 also kmn L2 km2 n 2 − = 0 ⇒ L = rn+1 mr3 rn−2 2 kmn(n + 1) 3L = − + rn+2 mr4 kmn(n + 1) 3kmn = − + n+2 > 0 rn+2 r = kmn [3 − (n + 1)] > 0 ⇔ 3 − (n + 1) > 0 ⇔ n < 2 . rn+2