reger brahms - Münchner Philharmoniker

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REGER
»Symphonischer Prolog
zu einer Tragödie«
BRAHMS
2. Klavierkonzert
NAGANO, Dirigent
LUGANSKY, Klavier
Donnerstag
07_07_2016 20 Uhr
Samstag
09_07_2016 19 Uhr
Tangente – Manufakturklassiker
made in Glashütte, Germany.
MAX REGER
»Symphonischer Prolog
zu einer Tragödie« op. 108
JOHANNES BRAHMS
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2
B-Dur op. 83
1. Allegro non troppo
2. Allegro appassionato
3. Andante
4. Allegretto grazioso
KENT NAGANO, Dirigent
NIKOLAI LUGANSKY, Klavier
118. Spielzeit seit der Gründung 1893
VALERY GERGIEV, Chefdirigent
PAUL MÜLLER, Intendant
2
»Eine Ouvertüre
ganz großen
symphonischen
Stils«
MICHAEL KUBE
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
MAX REGER
(1873–1916)
»Symphonischer Prolog
zu einer Tragödie« op. 108
Geboren am 19. März 1873 in Brand / Ober­
pfalz; gestorben am 11. Mai 1916 in Leip­
zig. Regers Grabstätte befindet sich heute
auf dem Münchner Waldfriedhof, wo ihm die
Stadt München ein Ehrengrab errichtete.
ENTSTEHUNG
Nachdem Max Reger die Komposition im Mai
1908 begonnen und während eines Sommer­
aufenthalts in Schneewinkl bei Berchtes­
gaden bereits teilweise in Partitur ge­
bracht hatte, konnte er sie aufgrund seiner
nahezu täglichen Konzertverpflichtungen
im gesamten deutschen Kaiserreich erst
am 25. Dezember endgültig (wie auf einer
Postkarte notiert: »fix und fertig«) vollen­
den. Parallel dazu waren bereits die Arbei­
ten am Notenstich aufgenommen worden,
so dass Reger das ursprünglich auf 432
Takte angelegte und ca. 40 Minuten Spiel­
zeit umfassende Werk erst nach der erfolg­
Max Reger: »Symphonischer Prolog zu einer Tragödie«
3
ten Drucklegung und ersten Aufführungen
um zunächst einen kleinen Teil, ab 1912
dann in erheblichem Maße um 123 Takte
und somit um die gesamte Reprise kürzte.
WIDMUNG
Reger widmete seinen »Symphonischen
Prolog« dem Dirigenten Arthur Nikisch
(1855–1922), einem der bedeutendsten
Dirigenten seiner Zeit, der parallel die Or­
chester in Leipzig, Berlin und Hamburg
leitete. Die Zueignung dürfte aus Dankbar­
keit für die von Nikisch im Herbst 1908
übernommene und von Henri Marteau ge­
spielte Uraufführung von Regers riesigem
Violinkonzert op. 101 im Leipziger Gewand­
haus erfolgt sein.
URAUFFÜHRUNG
Am 9. März 1909 in Köln im Gürzenich-Saal
(Städtisches Orchester Köln – »Gürzenich-­
Orchester« – unter Leitung von Fritz Stein­
bach). Ursprünglich sollte die Urauffüh­
rung des gerade erst im Druck erschiene­
nen »Symphonischen Prologs« – wie schon
beim Violinkonzert – Arthur Nikisch über­
nehmen; vorgesehen war dafür ein Konzert
der Berliner Philharmoniker am 1. März
1909. Das Programm musste jedoch kurz­
fristig verschoben werden, so dass Regers
Werk zu guter Letzt in Köln uraufgeführt
wurde.
VON MÜNCHEN NACH LEIPZIG
Nachdem die Jahre in München mit einem
fulminanten Eklat bei der Uraufführung
seiner Sinfonietta op. 90 einen katastro­
phalen Höhepunkt erreicht hatten, bildete
für Max Reger im Alter von 30 Jahren die
zum 1. April 1907 wirksame Berufung nach
Leipzig zum Universitätsmusikdirektor und
Lehrer am angesehenen Leipziger Konser­
vatorium den herbeigesehnten Flucht­
punkt. So schrieb er an den befreundeten
Kritiker Eugen Segnitz mit geradezu pro­
grammatischem Impetus: »So nach und
nach – nach vielen Wirrsalen und Kämpfen
– lerne ich jetzt, was ›Linie‹ in der Musik
ist ! Op. 100–1000, solang mir der liebe
Gott das Leben lässt, wird Ihnen ein Beweis
sein.« Entsprechend entstanden – gleich­
sam befreit von Freund und Feind – in nur
wenigen Monaten gleich mehrere groß­
formatige Partituren, die Reger auch als
Komponisten symphonischen Formats be­
kannt werden ließen, ohne dass er dabei
freilich eine Symphonie oder Symphonische
Dichtung geschaffen und er sich zu einem
der ästhetisch verfeindeten Lager (Kon­
servative vs. Neudeutsche) bekannt hätte.
Vielmehr zeigen die bereits lange geplan­
ten Hiller-Variationen op. 100, das in seinen
Ausmaßen fast schon monströse Violinkon­
zert op. 101, der klanggewaltige »100.
Psalm« op. 106 (zur Einweihung der Jahr­
hunderthalle in Breslau) und der »Sympho­
nische Prolog zu einer Tragödie« op. 108
eine kompositorische Potenz und Unabhän­
gigkeit, die angesichts der unterschiedli­
chen Einflusssphären jener Zeit noch im­
mer erstaunen muss.
AUF DEM WEG ZUR »SYMPHONIE«
Dass Reger nur vier Jahre später auch
Leipzig verließ, da er nach eigener Über­
Max Reger: »Symphonischer Prolog zu einer Tragödie«
4
Heinrich Hübner: Max Reger (1936)
Max Reger: »Symphonischer Prolog zu einer Tragödie«
5
zeugung in keiner anderen Stadt von der
Kritik derart »angerempelt« wurde, war zu
diesem Zeitpunkt nicht abzusehen. Mit sei­
ner 1911 erfolgten Ernennung zum Kapell­
meister der Meininger Hofkapelle – einer
Tätigkeit, die er für nur wenig mehr als
zwei Jahre mit geradezu besessenem Eifer
und nicht enden wollenden Konzertreisen
bis zu einem verheerenden Nervenzusam­
menbruch ausübte – entstanden zahlrei­
che weitere Orchesterwerke, ohne dass es
zu der von Anfang an anvisierten »Sym­
phonie« kam: Bis heute ist ungeklärt, ob
ein frühes, ursprünglich als op. 18 geplan­
tes Werk aus dem Jahre 1896 jemals fertig
gestellt wurde und dann auf dem Postweg
zu einem Londoner Verleger verloren ging.
Auch die »Vier Tondichtungen nach Arnold
Böcklin« op. 128 sind in diesem Zusammen­
hang eher als symphonischer Entwurf zu
verstehen, ganz so wie es Reger seinem
Freund Karl Straube, dem Leipziger Tho­
maskantor, in einem Brief vom Dezember
1912 mitteilte: Er wolle »im nächsten Som­
mer ›als Vorbereitung‹ zur Symphonie«
außer den Tondichtungen »noch etwas un­
endlich Graziöses« schreiben – gemeint ist
die mehrsätzige Ballettsuite op. 130.
150 Mark gezahlt werden. Vielmehr war es
– nachdem Reger in den vorausgegangenen
Jahren bei anderen Verlagen schlechte Er­
fahrungen gesammelt hatte – der betont
freundschaftliche Kontakt wie auch die
überzeugte Grundhaltung seinem umstrit­
tenen Schaffen gegenüber. Anfänglich von
Reger noch als eine »Ouvertüre leiden­
schaftlichen, dramatischen Charakters«
bezeichnet, handelt es sich bei dem Werk
der ersten Idee nach vermutlich um ein Ge­
genstück zum Violinkonzert, das wegen
seines Umfangs in einem Brief auch »Rie­
senbaby« genannt wurde. Wie schon bei
der 1906 kritisch aufgenommenen Sinfoni­
etta op. 90, die Reger durch die Serenade
op. 95 auszugleichen beabsichtigte, dach­
te er auch in diesem Fall an ein Werk, das
mit dem Konzert versöhnen sollte. So
schrieb er am 1. Oktober 1908, noch mitten
in der kompositorischen Arbeit, an Henri
Hinrichsen: »Die Leute werden sich allmäh­
lich schon daran gewöhnen; das Concert ist
ein tiefernstes Kunstwerk […]. In 10 Jahren
spätestens ist das Concert durchgedrun­
gen. Die neue Ouvertüre wird dagegen so­
fort verstanden werden.«
GEGENSTÜCK ZUM VIOLINKONZERT
ZWISCHEN »OUVERTÜRE«
UND »PROLOG«
Ohne den konkreten Auftrag eines Orches­
ters ist nicht sicher auszumachen, was
Max Reger zur Komposition des »Sympho­
nischen Prologs« veranlasste. Kaum wer­
den es allein die für ihn fraglos günstigen
Bedingungen gewesen sein, die ihm Henri
Hinrichsen Ende 1907 für die Drucklegung
seiner Kompositionen im Verlag der Edition
Peters offeriert hatte: Die nach Gattungen
differenzierte und genau bezifferte Hono­
rarliste sah für ein »großes symphonisches
Werk« die erhebliche Summe von 10.000
Mark vor, für ein Orgelstück sollten nur
Dass es sich bei der neuen Partitur gleich­
wohl nicht um eine kurze und schon gar
nicht kurzweilige Komposition handeln soll­
te, hatte Reger bereits zwei Tage zuvor
deutlich gemacht: »Es ist eine Ouvertüre
ganz großen symphonischen Stils für gro­
ßes Orchester ! Umfang: ungefähr wie eine
R. Strauß’sche symphonische Dichtung;
ich werde dieses neueste ›Kindlein‹ ›eine
dramatische Ouvertüre‹ taufen.« Überra­
schend mutet in diesem Zusammenhang
allerdings der Verweis auf Richard Strauss
und dessen Tondichtungen an – zum einen
Max Reger: »Symphonischer Prolog zu einer Tragödie«
6
weil Reger der ihnen zugrunde liegenden
Idee immer mit Reserve begegnete, zum
anderen weil diese Werke doch recht unter­
schiedliche Spieldauern aufweisen: vom
»Till Eulenspiegel« (ca. 15 Minuten) bis
zum »Heldenleben« (ca. 40 Minuten). Aus
dieser Perspektive betrachtet war freilich
die Bezeichnung als »Ouvertüre« kaum
länger zu halten – zumal bei dem von Reger
in die Partitur hineingelegten musikali­
schen Gewicht. So berichtet er nur wenig
später über die entscheidende Verände­
rung, die in diesem Fall einem glücklichen
Einwand Karl Straubes entstammt: »Nun
wegen des Titels der Ouvertüre, so sind
Straube u. ich gestern Abend nach reif­
lichster Überlegung dazu gekommen, das
Werk: ›Prolog zu einer Tragödie‹ zu nen­
nen ! Straube findet den Namen ›Ouver­
türe‹ für das Werk zu wenig ›vornehm‹ !«
Dass der neue Titel allerdings nicht aus der
Luft gegriffen wurde, sondern zu jener
Zeit etwa von der Münchner Schule um Max
Schillings vielfach Verwendung fand, ist
bisher weitgehend unbekannt geblieben. Er
bezieht sich dort allerdings auf jeweils ein
konkretes Schauspiel, beispielsweise bei
Schillings selbst (zu Sophokles’ »König
Oedipus«, 1900) sowie bei Adolf Sandber­
ger (angeregt durch Björnsons Drama
»Maria von Schottland«, 1900), August
Reuß (zu Hofmannsthals »Der Thor und der
Tod«, 1902) oder Hugo Kaun (zu Hebbels
»Maria Magdalena«, 1904).
zwei Themengruppen in der Exposition
(Allegro agitato), einer mehrteiligen Durch­
führung und umfänglichen Reprise, dem
eine mächtige langsame Einleitung (Grave)
vorausgeht. Auf der anderen Seite be­
schreibt gerade der letztgültig gewählte
Titel einen dramatischen Bezug, der sich
zwar nicht konkretisiert, der aber mit dem
teils leidenschaftlichen, teils erschüttern­
den Ausdrucksgehalt der Partitur gleich­
wohl das narrative Element einer idealisier­
ten Handlung antizipiert und schließlich
auch in einer Apotheose überhöht. So war
es denn wohl auch nicht die Länge der Kom­
position, die Reger bereits zwei Wochen
nach der Uraufführung zu einer ersten
Kürzung veranlasste und die er 1912 bei
Aufführungen mit der Meininger Hofkapel­
le auf die gesamte (!) Reprise ausweitete,
sondern vielmehr die Einsicht, dass in einer
wahren Tragödie eine solche Wiederholung
des Thematischen keinen rechten Platz ha­
ben kann: »Diese Sache ist sehr wichtig
und wird sich in jeder Weise als segens­
reich für das Werk erweisen.« Dass es ihm
schließlich gar um eine schlüssige innere
Dramaturgie ging, bei der die Coda heraus­
gehoben erscheint, machte Reger in einer
bildhaften, den Sachverhalt genau treffen­
den Bemerkung deutlich, die durch den mit
ihm befreundeten Fritz Stein überliefert
ist: »Der Montblanc darf nur einmal kom­
men.«
TRAGÖDIE MIT KÜRZUNGEN
»STELLEN VON
ERHEBENDER GRÖSSE«
Vor diesem Hintergrund betrachtet steht
Regers »Symphonischer Prolog« in bemer­
kenswert unklarer Weise zwischen absolu­
ter und programmatischer Musik: Auf der
einen Seite handelt es sich, der ursprüng­
lichen Konzeption nach, um einen extrem
weiträumig angelegten Sonatensatz mit
Davon abgesehen zeichnet sich der »Sym­
phonische Prolog« im musikalischen Satz
durch eine für das voll besetzte Orchester
erstaunliche Plastizität aus. Der Grund da­
für ist in der über weite Strecken mehr
homophon als kontrapunktisch angelegten
Faktur zu suchen, die zuvor Regers Ton­
Max Reger: »Symphonischer Prolog zu einer Tragödie«
7
Margarete Stein: Max Reger beim Komponieren (1914)
sprache entscheidend bestimmt hatte.
Zudem gelingt es ihm, den formalen Verlauf
durch deutlich hervorgehobene Absätze
aber auch durch Kontrastbildungen klar zu
strukturieren. Dies betrifft nicht nur die
mit Fermaten versehenen Haltepunkte,
sondern auch die gleich mehrfach auftre­
tenden Steigerungsphasen, die auf ihrem
Höhepunkt scharfkantig abgerissen wer­
den. Ihnen stehen beruhigte, in Tempo und
Dynamik reduzierte Passagen gegenüber,
die eine seltsam entrückte, modal gepräg­
te Harmonik anschlagen – eine Ausdrucks­
kategorie, die Reger schon in der Serenade
op. 95 erprobt und im chorsymphonischen
Stück »Die Nonnen« op. 112 (1909) weiter
entfaltet hatte – er selbst sprach von
»apartem Reiz«. Hinsichtlich der Modula­
tionen, die vielen von Regers Zeitgenossen
als verworren, wenn nicht gar hypertroph
galten, konnte allerdings schon ein auf­
merksamer Rezensent der Dresdner Nach­
richten Entwarnung geben: »Auch die har­
monischen Nüsse, die Reger seinem Publi­
kum diesmal zu knacken gibt, sind nicht
übermäßig hart und erfreuen jedesmal
dann mit einem gesunden, wohlschme­
ckenden kernigen Kern. Manche Stellen
haben geradezu etwas von einer erheben­
den Größe.«
Max Reger: »Symphonischer Prolog zu einer Tragödie«
8
Maximaler Reger –
über einen Riesen
in der Musik
MICHAEL KUBE
»Ob meine Sachen etwas taugen oder
nicht, das wird die Geschichte entschei­
den.« Künstlerische Egomanie oder ästhe­
tische Esoterik waren ihm fremd, und doch
sah sich Max Reger (1873–1916) mit sei­
nem vielfältigen Schaffen und grenzen­
losen schöpferischen Vermögen selbst­
bewusst in der Nachfolge von Bach, Mozart
und Brahms – kompositorische Bezugs­
punkte, die auch heute noch – in Hinblick
auf einzelne Besetzungen und Gattungen
– hörend nachvollziehbar sind. Umso über­
raschender ist es, dass man sich mit seiner
Musik so oft schwer tut. Dabei sind es ge­
rade nicht die fein ausgesponnenen und
eng gestrickten kontrapunktischen Linien
oder die mit Chromatik gespickten, durch
den Quintenzirkel dahinrasenden Harmo­
nien, die so manches Werk musikalisch äch­
zen lassen. Vielmehr fehlt es allzu häufig
an gestaltungsfreudigen Interpreten, die
Regers lange Bögen auch einmal ruhig at­
men lassen, die die kadenzierenden Ziel­
punkte weiträumiger Passagen bewusst
ansteuern oder die mit roter Tinte bezeich­
nete, genau kalkulierte Agogik und Dyna­
mik wachen Ohres befolgen.
Vollkommen unumstritten war Reger nie,
vielmehr regte seine Musik zur Parteinah­
me an. Dennoch blieben große Skandale
ebenso aus, wie die schon zu Lebzeiten von
Freunden und Mitstreitern veranstalteten
Reger-Feste keine nachhaltige Wirkung
entfalteten. Konnten sich noch Teile der in
den 1920er Jahren auftretenden jungen
Generation mit ihm als wichtigem, Grenzen
auslotenden Meister der spätromantischen
Moderne identifizieren, brach diese kurze
Tradition bald nach 1945 fast vollständig
zusammen – oder beschränkte sich eine
Zeitlang noch auf gefällige Schmonzetten
wie die für nahezu jedes Instrument mit
Klavierbegleitung arrangierte Romanze
G-Dur oder »Mariä Wiegenlied« (aus den
»Schlichten Weisen« op. 76). Umso mehr
gilt daher immer noch jene Einschätzung,
die Arnold Schönberg, der ja auch den lan­
ge als konservativ geschmähten Brahms
als fortschrittlich einschätzte, im Jahre
1922 seinem Schwager Alexander Zemlins­
ky ans Herz legte: »Reger muss meines
Erachtens viel gebracht werden: erstens,
weil er viel geschrieben hat, zweitens, weil
er schon tot ist und man immer noch nicht
Klarheit über ihn besitzt – ich halte ihn für
ein Genie.«
Max Reger: Komponistenportrait
9
»Anfang einer verunglückten Symphonie«, erste Seite des Autographs (1902)
Max Reger: Komponistenportrait
10
MUT ZUR ANNÄHERUNG
Wie sich also Reger nähern und verstehen ?
Die Antwort ist – wie kann es anders sein
– kompliziert und auf mehreren Ebenen zu
suchen. Da wäre zunächst der Tonsatz
selbst, den Reger in einer so hochvirtuo­
sen, kontrapunktisch wie harmonisch dicht
gefügten Art und Weise gestaltet, dass sie
selbst einem weidlich geübten Musiker zu­
nächst das Fürchten lehrt. Wer sich mit
den Noten vertraut machen will, muss sich
tatsächlich erst einmal mühsam einen
Überblick verschaffen über die Form und
die Eckpunkte des Verlaufs, über die weit
tragenden melodischen Linien und die Har­
monien, deren Richtung und Ziel nicht im­
mer sofort ersichtlich sind. Somit regt
Reger auch zum grundsätzlichen Nachden­
ken darüber an, wie ein musikalischer Satz
aus sich heraus zu gestalten ist – mit all
seinen Aspekten (um nicht Parametern zu
sagen). Schon früh von seinen Antipoden
in aller Öffentlichkeit mit solcherlei Ein­
wänden konfrontiert, konnte Reger indes
nahezu unbeeindruckt erwidern: »Mit
einem flüchtigen Durchlesen wird man bei
meinen Sachen nie Glück haben ! Meine
Musik verzichtet auf jeden sogenannten
billigen Effekt – ich gehe jeder nur im ge­
ringsten banalen Wendung mit Bewusst­
sein aus dem Wege.«
STATIONEN
Diese Äußerung stammt aus dem Jahr
1900, und die Kritik bezog sich auf ein auf­
trumpfendes Schaffen, das sich zu jenem
Zeitpunkt neben zahlreichen Brotarbeiten
(Klavierstücke und Lieder) vor allem auf
Werke für große Orgel erstreckte, darunter
die Choralfantasien op. 40 und op. 52 und
die erschütternde »Symphonische Fanta­
sie und Fuge« op. 57. Es ist diesen Werken
wirklich nicht anzumerken, dass sie im ab­
gelegenen oberpfälzischen Weiden ent­
standen, wohin sich Reger nach reichlich
ausschweifender Studienzeit in Wiesbaden
auf Druck seiner Eltern hatte zurückziehen
müssen. Gleichwohl empfand er die Studien­
jahre als verlorene Zeit, wovor er später
Fritz Stein vorsorglich warnte: »Ferner:
nach Tübingen würde ich an Deiner Stelle
niemals gehen ! […] Ich schreibe Dir das,
weil ich 8 Jahre meines Lebens in ähnlicher
Lage sozusagen ›umsonst‹ gelebt habe.«
Eine deutliche Sichtweise, jedoch lässt
sich in Regers weiterem Œuvre tatsächlich
eine gewisse Abhängigkeit von Wirkungsort
und schöpferischem Ertrag festmachen:
Der erlösende Wechsel nach München
(1901) wurde begleitet von einer ganzen
Reihe von Kompositionen (etwa dem
Streichquartett d-Moll op. 74), in denen
Reger reichlich Extreme auslotete, auch
hinsichtlich des Ausdruckscharakters. Mit
der Berufung nach Leipzig zum Universi­
tätsmusikdirektor (1907) nahm er sich nun
erstmals großformatiger Partituren an wie
den »Hiller-Variationen« op. 100, dem
Violinkonzert op. 101, dem 100. Psalm
op. 106 (zur Einweihung der Jahrhundert­
halle in Breslau) und dem »Symphonischen
Prolog zu einer Tragödie« op. 108. Weitere
Orchesterwerke entstanden nach Regers
Ernennung zum Kapellmeister der Meinin­
ger Hofkapelle (1911) – einer Tätigkeit, die
er für etwas mehr als zwei Jahre bis zu
einem verheerenden Nervenzusammen­
bruch mit geradezu besessenem Eifer und
nicht enden wollenden Konzertreisen aus­
übte. Nach Sanatorium und Kur sollte der
Neuanfang in Jena (1915) schon bald wie­
der alte Energien freisetzen und ins ge­
wohnte Gleis führen. Und dennoch beginnt
Reger mit einem nach innerer Klarheit und
äußerem Ausgleich strebenden Stil etwas
Neues, wie er es auch Karl Straube gegen­
Max Reger: Komponistenportrait
11
Regers Konzertkalender vom 2. bis 15. November 1913 mit zwölf verschiedenen Stationen
über programmatisch formulierte: »Jetzt
beginnt der freie, jenaische Stil bei Re­
ger.«
MOZART IM BLICK
Tatsächlich muten die letzten Werke, vor
allem das Klarinettenquintett op. 146, auf
eigentümliche Weise entspannter in der
Struktur und gelöster im Tonfall an. Doch
sollte diese Wendung hin zu durchsichtiger
Kantabilität und harmonischer Wärme
nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit
kaum mehr als nur eine der vielfältigen
Ausdrucksmöglichkeiten von Regers Perso­
nalstil in den Vordergrund trat. So notier­
te er schon 1904 mit anhaltender Überzeu­
gung seine Vorstellung von einer mehr sich
beschränkenden klassizistischen Haltung:
»Mir ist’s absolut klar, was unserer heuti­
gen Musik mangelt: ein Mozart !« Als »ers­
te Früchte dieser Erkenntnis« nannte Re­
ger gegenüber seinem Verlag das Streich­
trio op. 77b und die Serenade op. 77a für
Flöte, Violine und Viola, die er zuvor schon
als »etwas allerleichtestes, einfachstes u.
sehr melodiöses« angekündigt hatte. Dabei
handelt es sich auch um eine Gegenreakti­
on, mit der Reger letztlich dem Unwillen
gegen Richard Strauss, der arg privaten
»Sinfonia Domestica« und deren Erfolg bei
einer Amerika-Tournee Luft machen wollte.
Da fügt sich denn genau jene Anekdote,
nach der Reger seine grundlegende Über­
zeugung als absoluter Komponist geradezu
verteidigte. Als Richard Strauss bemerkte:
Max Reger: Komponistenportrait
12
»Reger, noch einen Schritt und Sie sind bei
uns«, soll dieser erwidert haben: »Ja, lie­
ber Strauss, den Schritt tue ich eben
nicht.«
MELANCHOLIE DES VERMÖGENS
Hört man auch nur eines seiner vor kompo­
sitorischem Vermögen nur so strotzenden
Werke, so überrascht es, wie unsicher sich
Reger seiner Schöpfungen war. Dies be­
trifft nicht nur das Frühwerk (bis op. 20),
das er gelegentlich als »wertvollen Mist«
bezeichnete, sondern auch all jene groß­
formatigen Kompositionen, die er mit dem
eng befreundeten, aber auch stark Ein­
fluss nehmenden Thomaskantor Karl
Straube durchsprach – und im Anschluss
die Partituren entweder umarbeitete,
»wohltätige« Kürzungen vornahm oder gar
(wie im Fall des atemberaubenden Lateini­
schen Requiems) abbrach; eine Symphonie
hat er übrigens nach einigen Versuchen nie
vollendet, und eine Oper lässt sich bei Max
Reger gar nicht erst vorstellen. Auf der
anderen Seite war es ihm als rastlos um­
herreisendem Interpreten darum zu tun,
eine Aufführungstradition seiner Werke zu
etablieren. Denn so schwierig sich manche
seiner überzeichneten Partituren auch
lesen mögen, so gibt es doch einen poeti­
schen Kern, den es nicht nur zu erfassen,
sondern auch herauszuarbeiten gilt. Wenn
dies gelingt, bedarf es dann auch nicht
mehr der auf vielen Fotos festgehaltenen
körperlichen Präsenz des Komponisten
oder seines legendär derben oberpfälzer
Humors. So waren die im schön gebunde­
nen, 1923 herausgegebenen »Max Reger-­
Brevier« dokumentierten Witze und Bon­
mots selbst bei den Apologeten lange Zeit
beliebter als viele der unzweifelhaft mit
einer Melancholie des Vermögens geschrie­
benen Werke. Und als Ernst Bloch in den
kontrapunktisch durchwirkten Partituren
lediglich eine »Fingerfertigkeit höherer
Ordnung« erblickte (»Geist der Utopie«,
1923), hatte Paul Bekker längst auf ihre
Funktion als Katalysator für die sich for­
mierende Neue Musik (1919) hingewiesen.
Verborgen blieb beiden freilich die mensch­
liche Tragik, die Reger physisch geradezu
spiralförmig in den Abgrund trieb. So starb
er, bis zuletzt ein (wie er sich selbst be­
zeichnete) »Akkordarbeiter«, im Alter von
43 Jahren am 11. Mai 1916 in einem Leip­
ziger Hotelzimmer mitten in der Arbeit
über einer neuen Komposition. Heute muss
die tatsächliche Bedeutung seines Schaf­
fens erst wieder klar­gestellt werden. Wie
wichtig er aber mit seinen Kompositionen
für die nachfolgende Generation des musi­
kalischen Aufbruchs gewesen war, fasste
bereits Paul Hindemith zusammen: »Max
Reger war der letzte Riese in der Musik. Ich
bin ohne ihn gar nicht zu denken.«
Max Reger: Komponistenportrait
13
Synthese
der Gattungen
THOMAS LEIBNITZ
JOHANNES BRAHMS
(1833–1897)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2
B-Dur op. 83
1. Allegro non troppo
2. Allegro appassionato
3. Andante
4. Allegretto grazioso
ENTSTEHUNG
Knapp 20 Jahre nach der Uraufführung
seines ersten Klavierkonzerts (d-Moll
op. 15) begann Brahms im Sommer 1878 in
Pörtschach am Wörther See / Kärnten ein
weiteres (und gleichzeitig letztes) Werk
dieser Gattung; nach der Rückkehr von sei­
ner zweiten Italienreise folgten im Sommer
1881 Vollendung und Niederschrift der
Partitur im Wiener Vorort Pressbaum.
WIDMUNG
»Seinem teuren Freunde und Lehrer Edu­
ard Marxsen gewidmet«: Eduard Marxsen
(1806–1887) wirkte jahrzehntelang als
Pianist, Komponist und Lehrer in Hamburg,
wo Johannes Brahms sein Schüler war; er
hinterließ an die 70 Werke, darunter ein
Orchesterwerk mit dem Titel »Beethovens
Schatten«.
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
Geboren am 7. Mai 1833 in Hamburg; ge­
storben am 3. April 1897 in Wien.
URAUFFÜHRUNG
Am 9. November 1881 in Budapest (Königlich-­
Ungarische Hofkapelle unter Leitung von
Alexander Erkel; Solist: Johannes Brahms).
Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur
14
Willy von Beckerath: Brahms am Klavier (zeitgenössische Zeichnung)
Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur
15
Brahms: Der Name löst Achtung und
Respekt aus vor strenger, »gediegener«
kompositorischer Kunst. »Klassizität«
wurde Brahms oft zugesprochen, wiewohl
er dem Zeitalter der Romantik entstammte
und das Element des Romantischen in sei­
nem Schaffen nie verleugnete. Aber keiner
der Romantiker war so intensiv wie Brahms
bestrebt, dem Vorbild des Klassischen –
personifiziert in Beethoven – gerecht zu
werden und es als Messlatte an das eigene
Komponieren anzulegen. Bei aller Strenge
und Klassizität hatte Brahms übrigens tro­
ckenen Humor; als eine ihn anschwärmende
Dame der Gesellschaft fragte, wie er es
fertig bringe, so tief empfundene Adagios
zu schreiben, antwortete er lakonisch:
»Weil meine Verleger es so bestellen...«
Hinter dem Witz der Antwort verbirgt sich
aber auch Abwehr: Über so ernste, persön­
liche Dinge wie das Geheimnis des Schaf­
fens ist im Konversationston nicht zu spre­
chen.
»SYMPHONIE
MIT OBLIGATEM KLAVIER«
Brahms schrieb »nur« vier Symphonien –
jedoch auch die These, es seien acht, hat
einiges für sich. Neben dem Block der Sym­
phonien steht, gleich eindrucksvoll, die
Gesamtheit der vier Instrumentalkonzerte:
die beiden Klavierkonzerte, das Violinkon­
zert und das Doppelkonzert für Violine und
Violoncello. Brahms’ Instrumentalkonzerte
sind in Gestus und struktureller Konzep­
tion der Gattung der Symphonie sehr nahe;
bestand bis Mozart das Wesen des Kon­
zerts darin, dass Soloinstrument und
Orchester als »Gegenspieler« auftraten,
einander abwechselten und kontrastier­
ten, so zeigt sich bereits bei Beethoven die
Tendenz, das konzertierende Instrument in
den symphonischen Fluss zu integrieren.
Brahms steigerte diese Einbettung des
Soloinstruments in das Gewebe des Sym­
phonischen zu einem Extrem, und Eduard
Hanslicks Bezeichnung des 2. Klavierkon­
zerts als einer »Symphonie mit obligatem
Klavier« ist nicht bloß ein journalistisches
Schlagwort, sondern trifft trotz seiner
Überspitzung etwas Richtiges und Wesent­
liches.
Dabei ging zweifellos die Durchsichtigkeit
der Instrumentation, wie sie etwa Mozarts
Klavierkonzerte auszeichnet, ein wenig
verloren. Der Vorwurf des »Dickflüssigen«,
»Unelastischen«, auch der »schwerblüti­
gen Gedankentiefe« wurde Brahms gele­
gentlich gemacht, und es bleibt dem Urteil
des Hörers überlassen, ob dies bloß Ver­
dikte aus dem Munde Übelwollender oder
doch – freilich negativ zugespitzte – Ein­
sichten in Brahms’ Kompositionstechnik
sind. Nicht zu vergessen wäre allerdings
bei derartigen Beurteilungen, dass auch
Brahms im Fluss einer historischen Ent­
wicklung stand, die zu »Schwere« im Sinne
höherer kompositorischer Komplexität ten­
dierte; man denke an die symphonische
Befrachtung der Klavierkonzerte Max Re­
gers oder Ferruccio Busonis, gegen die sich
Brahms’ 2. Klavierkonzert geradezu trans­
parent ausnimmt. Als hätte der Komponist
einen Ausgleich für die Dominanz des Sym­
phonischen schaffen wollen, finden sich im
langsamen 3. Satz kammermusikalische
Elemente, indem hier ein zweites Solo­
instrument, das Violoncello, eine führende
Rolle spielt. Zunächst gehen Klavier und
Violoncello ihre Wege völlig getrennt; erst
in der Reprise treten sie in eine unmittel­
bare Beziehung zueinander und erinnern
daran, dass Brahms als Komponist von
Kammermusik auf gleicher Höhe stand wie
als Symphoniker.
Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur
16
1. SATZ:
ROMANTIK UND KLASSIZITÄT
Formenstrenge und feingliedrige themati­
sche Arbeit weisen Brahms im 2. Klavier­
konzert ebenso wie in seinen anderen gro­
ßen Orchesterwerken als »Klassizisten«
aus, und dennoch beginnt dieses Werk so
»romantisch« wie kaum ein anderes. Im
Solohorn ertönt – leise, wie aus der Ferne
– das Hauptthema, in das sich das Klavier
sogleich mit zarten, im B-Dur-Dreiklang
aufsteigenden Akkordzerlegungen ein­
schaltet, die charakteristisch aufsteigen­
de kleine Terz des Hornmotivs einen Takt
später gleich einem Echo aufgreifend. In
analoger Weise wird dieser Vorgang mit
dem zweiten Teil des Themas wiederholt.
Die anschließende solistische Klavierpas­
sage führt in die Orchesterexposition mit
ihren klar profilierten Themen: Das erste
ist eine Abwandlung des Hornthemas, das
zweite eine zarte, chromatisch getönte
Streicherepisode. Den Höhepunkt der Ex­
position bilden markante Trillerfiguren des
Klaviers, kombiniert mit dem Zitat des
Hauptthemas. Der Beginn der Durchfüh­
rung greift den Prolog auf, geht aber so­
gleich in die komplexe thematische Verar­
beitung über, die dieser formale Abschnitt
erwarten lässt. Abspaltungen der Themen,
Umfärbungen der motivischen Partikel
durch immer neue Instrumentation und die
Durchdringung des Orchestersatzes durch
den stets höchst virtuos geführten Kla­
viersatz verschleiern jedoch auf raffinier­
te Weise die Struktur des Gesamtverlaufs,
dessen – auch für den erstmaligen Hörer
nachvollziehbare – Einheit vor allem durch
die charakteristische und einprägsame Ge­
stalt des Hauptthemenkopfes zustande
kommt.
2. SATZ:
EIN SCHERZO IN EINEM
­KLAVIERKONZERT ?
Ungewöhnlich ist bereits die Existenz
des folgenden Satzes im Charakter eines
Scherzos, denn gemäß der klassischen Tra­
dition hat ein Instrumentalkonzert nur drei
Sätze: zwei Allegro-Sätze, die einen lang­
samen Mittelsatz umrahmen. Offensicht­
lich wollte Brahms dem verhaltenen,
romantischen Kopfsatz ein energisches
Gegenstück zur Seite stellen. Die Viersät­
zigkeit des 2. Klavierkonzerts und die Tat­
sache, dass der »Scherzo«-Satz – er wird
nicht als solcher bezeichnet – gleich Beet­
hovens 9. Symphonie an zweiter Stelle
steht, hat die Deutung des Werks als einer
»verkappten Symphonie« zweifellos be­
stärkt. Formal lässt sich der Satz sowohl
als Sonaten-Form wie auch als Scherzo-­
Form mit kontrastierendem Trio interpre­
tieren; der Mittelteil setzt sich durch seine
energische Wendung nach D-Dur deutlich
vom Vorangegangenen ab. »Allegro appas­
sionato« lautet die Tempobezeichnung:
leidenschaftliche, vollgriffige Passagen
des Klaviers entsprechen dieser Vorschrift
ebenso wie die kraftvollen Steigerungswel­
len des Orchesters.
3. SATZ:
»IMMER LEISER
WIRD MEIN SCHLUMMER…«
In absolutem Stimmungskontrast dazu
steht das nun folgende Andante, in dem
Brahms alle Register romantischen Klang­
zaubers zieht. Hier erhält, wie bereits
erwähnt, neben dem Klavier das SoloVioloncello eine dominante Funktion, indem
es die weitgespannte, liedhafte Melodik ex­
poniert. Brahms griff sie später erneut auf
und unterlegte sie einem lyrischen Text: Im
Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur
17
Johannes Brahms (1883)
Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur
18
Lied »Immer leiser wird mein Schlummer«
op. 105/2 begegnen wir der einprägsamen
Melodie wieder. Um den Stimmungscharak­
ter dieses Einfalls zu verstehen, bedarf es
jedoch keiner Worte: Die weiten Melodie­
bögen bis ans Ende auskostend, versetzen
uns Klavier, Violoncello und Orchester in
einen meditativen Zustand des Nachsin­
nens, des Nachvollziehens glücklicher Erin­
nerungen an der Grenze zwischen Traum
und Wirklichkeit. Einen Kontrastakzent
setzt der rhapsodische Mittelteil, der durch
die Präsenz des motivischen Beginns des
Liedthemas mit seiner Umgebung eng ver­
flochten ist.
4. SATZ:
UNGARISIERENDES
SCHLUSSRONDO
Dass letzten Endes doch keine »Sympho­
nie«, sondern ein »Konzert« auf dem Pro­
gramm steht, macht Brahms im Schluss­
satz deutlich: Hier geht es nicht um die
Synthese oder Apotheose des Vorangegan­
genen, sondern um graziös-eleganten Aus­
klang. Die spielerischen, durch Punktie­
rung tänzerisch gefärbten Themen haben
– ähnlich dem Rondothema im Finale des
Violinkonzerts – leicht »ungarischen« Cha­
rakter, allerdings nur im Sinne einer An­
deutung. Leichtigkeit und virtuose Spiel­
freude beherrschen über weite Strecken
den Satz, der die Form des Rondos mit Ele­
menten der Sonatensatzform verbindet.
Eduard Hanslick, der Anmutig-Melodisches
stets über Komplexität stellte, wollte – aus
seiner Sicht durchaus konsequent – in die­
sem Finalsatz den bedeutendsten des gan­
zen Werks erkennen. Auch wer eine andere
Wertung vornimmt, wird der Kombination
von instrumentaler Transparenz und pia­
nistischer Brillanz in diesem Schlussrondo
seine Anerkennung nicht versagen.
DER KOMPONIST ALS INTERPRET
Dass Komponisten immer wissen, was In­
strumentalisten zugemutet werden kann,
ist keineswegs selbstverständlich. Richard
Strauss war nicht der einzige, bei dem sich
empörte Orchestermitglieder über »un­
spielbare« Passagen beschwerten und auf
Änderung drängten. Nun ist der Solopart
eines Konzerts ein heikler Sonderfall für
Komponisten: Virtuosität in allen Facetten
ist gefragt, ohne die Grenze zur »Unspiel­
barkeit« zu überschreiten. Brahms war
aufrichtig genug, sich im Falle seines Violin­
konzerts einzugestehen, diese Grenze
nicht selber bestimmen zu können. Nicht
ausreichend vertraut mit den technischen
Grenzen des Violinspiels, zog er seinen
Freund Joseph Joachim zu Rate, einen der
bedeutendsten Geiger des 19. Jahrhun­
derts. Auf Joachims Vorschläge geht denn
auch die endgültige Ausformung des Solo­
parts seines Violinkonzerts zurück.
Im Falle der Klavierkonzerte war dies an­
ders. Brahms, ein hervorragender Pianist,
schrieb diese Konzerte nicht zuletzt für
sich selbst: Seine pianistischen Vorlieben
treten in der Partitur deutlich zutage. Die
Vollgriffigkeit von Brahms’ Klavierwerken
ist auch für die Ausführung des Soloparts
in den Klavierkonzerten charakteristisch.
Nach wie vor stellen sie für Pianisten eine
Herausforderung dar; denn es gilt nicht
bloß, den immens schwierigen Klavierpart
technisch zu bewältigen, sondern darüber
hinaus den Eindruck des »Sperrigen« oder
»Klotzigen« zu vermeiden, den die akkord­
reiche Klaviersprache Brahms’ bei nicht
absolut souveräner Beherrschung des In­
struments manchmal erzeugen kann. Den
Vorwurf der »Unspielbarkeit« konnte im
Fall des 2. Klavierkonzertes allerdings nie­
mand erheben: Brahms selbst war der In­
Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur
19
Im Klavierlied »Immer leiser wird mein Schlummer« (1886)
die Melodie des Andante erneut auf
griff Brahms
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Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur
25.03.11 15:32
20
terpret des Soloparts bei der Urauffüh­
rung.
DREISÄTZIGKEIT
ODER VIERSÄTZIGKEIT ?
Der Brahms-Biograph Max Kalbeck nimmt
an, dass erste Skizzen zum 2. Klavierkon­
zert bereits im Frühjahr 1878 entstanden,
und dass es sich beim 2. Satz, dem »Scher­
zo«, um eine Umarbeitung jenes Satzes
handelt, den Brahms ursprünglich für das
Violinkonzert komponiert, dann aber ver­
worfen hatte; interessant ist der Aspekt,
dass Brahms bereits bei einem früheren
Instrumentalkonzert an Viersätzigkeit ge­
dacht hatte. Die Endfassung des 2. Klavier­
konzerts entstand im Sommer 1881, den
Brahms im Ort Pressbaum bei Wien ver­
brachte. Im Stil des für ihn typischen
»Understatements« schrieb er am 7. Juli
1881 an Elisabet von Herzogenberg, er
habe »ein ganz ein kleines Klavierkonzert
geschrieben mit einem ganz kleinen zarten
Scherzo«. In gleicher Weise kündigte er
seinem Freund Theodor Billroth, der als
Chirurg Weltruf besaß, das neue Werk an:
»Hier schicke ich ein paar kleine Klavier­
stücke...«
Billroth, ein begeisterter Brahms-Verehrer,
hatte in diesem Fall jedoch Bedenken ge­
gen die Existenz des 2. Satzes; er disku­
tierte mit Brahms über dessen Notwendig­
keit und schrieb im Oktober 1881 an Wil­
helm Lübke, Brahms legitimiere das Scher­
zo damit, dass der 1. Satz zu simpel sei
und daher vor dem »ebenfalls einfachen
Andante etwas kräftig Leidenschaftliches«
eingeschoben werden müsse. Billroth dürf­
te Brahms mit seinen Zweifeln angesteckt
haben, denn im Begleitbrief zum Arrange­
ment seines B-Dur-Konzerts für zwei Kla­
viere an Verleger Simrock in Berlin fragte
er: »Wollen wir auch lieber den 2. Satz
streichen ? Das Ding ist gar zu lang ge­
rathen.« Zur Streichung des Scherzo kam
es dann glücklicherweise doch nicht.
»EIN WERK KLASSISCHEN
­EBENMASSES...«
Der Uraufführung in Budapest am 9. No­
vember 1881 schlossen sich in knapper
Folge zahlreiche Aufführungen in europäi­
schen Städten an. Brahms’ 2. Klavierkon­
zert behauptet seither seine ungebroche­
ne Beliebtheit bei Interpreten und Publi­
kum und wird als geniale Zusammenfüh­
rung der klassischen und der romantischen
Tradition empfunden. Noch in einer Würdi­
gung aus der zweiten Hälfte des 20. Jahr­
hunderts durch Walther Siegmund-Schultze
erfährt es höchste Anerkennung:
»Ein Werk klassischen Ebenmaßes, innigs­
ter Empfindung und herzlichen Humors.
Aber auch kraftvolle und tragische Töne
fehlen nicht. Man kann dieses Konzert als
eine großartige Schlussfolgerung aus der
gesamten bisherigen Konzertliteratur –
einschließlich des eigenen d-Moll-Konzerts
– bezeichnen. Noch einmal hat der Hornruf
Webers – aus ›Oberon‹ – und Schuberts –
aus der großen C-Dur-Symphonie – bei
Brahms Früchte getragen, noch einmal
klingt das große Erlebnis Robert Schu­
manns nach (Scherzo), wiederum hören wir
ungarische Töne (in allen Sätzen), wiede­
rum – und noch nicht zum letzten Male –
klingen alte und neue Lieder auf (3. Satz).
Und den Beschluss macht ein in die Sphäre
höchster Kunst gehobener Tanz, wie es die
Klassiker lehrten.«
Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur
21
Kent Nagano
DIRIGENT
Pariser Uraufführung seiner einzigen Oper
»Saint François d’Assise« zum musikali­
schen Assistenten ernannte. Eine wichtige
Station in Naganos Laufbahn war seine Zeit
als Chefdirigent des Deutschen Symphonie-­
Orchesters Berlin (2000–2006), mit dem er
bei den Salzburger Festspielen und im Fest­
spielhaus Baden-Baden gastierte.
Der amerikanische Dirigent japanischer Ab­
stammung gilt als einer der herausragenden
Dirigenten für das Opern- wie auch für das
Konzertrepertoire. Seit 2006 ist er Music
Director des Orchestre symphonique de
Montréal und hat seinen Vertrag dort bis
2020 verlängert. Außerdem arbeitet er seit
Herbst 2013 als Principal Guest Conductor
und Artistic Advisor eng mit den Göteborger
Symphonikern zusammen. Mit der Spielzeit
2015/16 begann Kent Nagano seine Amts­
zeit als Generalmusikdirektor und Chefdiri­
gent der Hamburgischen Staatsoper.
Seinen ersten großen Erfolg feierte Kent
Nagano 1984, als ihn Olivier Messiaen bei der
Während seiner Zeit als Generalmusikdirek­
tor an der Bayerischen Staatsoper (2006–
2013) setzte Kent Nagano deutliche Akzen­
te. Unter seiner musikalischen Leitung wur­
den die Opern »Babylon« von Jörg Widmann,
»Das Gehege« von Wolfgang Rihm und »Alice
in Wonderland« von Unsuk Chin erfolgreich
uraufgeführt. Beim Orchestre symphonique
de Montréal leitete Kent Nagano die kom­
pletten Zyklen der Symphonien von Beetho­
ven und Mahler, Schönbergs »Gurrelieder«
sowie Konzertreihen mit Werken von Henri
Dutilleux (2010/11) und Pierre Boulez
(2011/12). Auch an der Hamburgischen
Staatsoper legte er in seiner ersten Spiel­
zeit mit der Uraufführung der Oper »Stilles
Meer« von Toshio Hosokawa einen Schwer­
punkt auf zeitgenössische Musik.
Als begehrter Gastdirigent steht Kent Na­
gano regelmäßig am Pult von renommierten
Orchestern wie den Berliner und Wiener Phil­
harmonikern, dem New York Philharmonic
und dem Chicago Symphony Orchestra. Zahl­
reiche Einspielungen unter seiner Leitung
wurden mit dem Grammy ausgezeichnet.
Die Künstler
hommage à
Kulturprogramm
zur Ausstellung:
Figurentheater
Flamenco
Literatur
Kino
Workshops
PICASSO
22.7.–18.9.2016
Münchner Künstlerhaus
Lenbachplatz 8, München
www.picasso-muenchen.de
23
Nikolai Lugansky
KLAVIER
BBC Proms, in La Roque d’Anthéron sowie
bei den Festivals von Verbier, Rheingau und
Edinburgh zu erleben. Außerdem ist er Lei­
ter des Rachmaninow-Festivals in Tambow
und trat bereits mehrfach in Rachmaninows
einstigem Landgut, dem heutigen Museum
Iwanowka, auf, dessen Förderer er ist. Beim
Abschlusskonzert des ersten Rachmaninow-­
Festivals in Iwanowka im Juni 2014 spielte
er dessen 3. Klavierkonzert mit dem Russi­
schen Nationalorchester unter Mikhail Plet­
nev.
Der 1972 in Moskau geborene Nikolai Lugan­
sky studierte an der Zentralen Musikschu­
le sowie am Tschaikowsky-Konservatorium
seiner Heimatstadt, wo Tatiana Kestner, Tatiana Nikolayeva und Sergei Dorensky
zu seinen Lehrern zählten. 1994 begann
mit seinem Sieg beim 10. Internationalen
Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau seine
internationale Karriere.
Seither hat Nikolai Lugansky mit Dirigenten
wie Riccardo Chailly, Vladimir Fedoseyev,
Valery Gergiev, Kurt Masur, Gennady Rozh­
destvensky und Yuri Temirkanov zusam­
mengearbeitet. Regelmäßig ist er bei den
Zu Höhepunkten der Spielzeit 2015/16 ge­
hören Nikolai Luganskys Rückkehr zum Phil­
harmonia Orchestra, zur Tschechischen
Philharmonie, zum Budapest Festival Or­
chestra und dem San Francisco, Boston und
NHK Symphony Orchestra. Zudem geht er
auf Europa-Tournee mit den Sankt Pe­
tersburger Philharmonikern unter Yuri Te­
mirkanov sowie als Klaviertrio zusammen
mit Leonidas Kavakos und Gautier Capuçon.
Im Frühjahr 2016 führte er einen Zyklus
von Prokofjews Klavierkonzerten mit dem
Royal Scottish National Orchestra auf, um
den 125. Geburtstag des Orchesters und
des Komponisten zu feiern. Rezitalabende
der nächsten Zeit führen ihn in die Alte
Oper Frankfurt, in die Londoner Wigmore
Hall (mit Alexander Kniazev), in die Kon­
zerthäuser in Berlin und Wien, in das Pari­
ser Théâtre des Champs-Elysées, dem Gro­
ßen Saal des Moskauer Konservatoriums
und dem Großen Saal der Sankt Petersbur­
ger Philharmoniker.
Die Künstler
24
Verabschiedung
von Walter
Schwarz
LIEBER WALTER,
den auch für unvergessene Tourneen, die
Du stets sehr genossen hast.
nach 40 Jahren bei den Münchner Philhar­
monikern, man sieht es Dir kaum an, gehst
Du nun in den Ruhestand.
Als Niederbayer hat es Dich schon mit 14
Jahren an das Münchner Konservatorium
gezogen, um bei dem berühmten
Hermann Gschwendtner Schlag­
zeug zu studieren. Mit 18 jedoch
ging es in die Ferne nach Montre­
al, wo Du zunächst einige Monate
mit einer Münchner Volksmusik­
gruppe im »Petit Munich« spiel­
test. Hier schon zeigte sich Dein
Talent und die große Begeiste­
rung für das Drumset! In den
folgenden drei Jahren warst Du als Drum­
mer in einer Profi-Tanzband so erfolgreich,
dass Du beinahe in Kanada geblieben wärst.
Ein Bayer fühlt sich aber nur in Bayern
wirklich zuhause, und so kamst Du wieder
zurück nach München, um 1976 Solo-­
Pauker und Schlagzeuger bei uns zu wer­
den. Celibidache, Levine, Thielemann, Maa­
zel und Gergiev als Deine Chefdirigenten
sorgten neben künstlerischen Sternstun­
Deine Leidenschaft für Jazz- und Pop-­
Musik, die Du in den Bands »Zarathustra«
und »Amphibium« (mit der Du bei den
legendä­ren Philharmonischen Bällen in der
Olympia­halle immer für großartige Stimmung
sorgtest) ausleben konntest,
führte dazu, dass Du seit Jahr­
zehnten immer sonntags abends
in der ARD zu hören bist – in der
Titelmelodie des »Tatort«!
Wir werden Dich als einen sehr
musikalischen und stets gut ge­
launten Kollegen vermissen,
auch wenn wir uns an Dein
»Timing« zu Proben und Konzerten nur
schwer gewöhnen konnten... Es gibt das
Gerücht, dass das heimliche Vorstellen Dei­
ner Uhren um 15 Minuten für Milderung
gesorgt haben soll. Jedoch wissen wir
auch, dass wir Dich als echten Haidhause­
ner nahezu täglich an Deinem 2. Zuhause,
der Konditorei Wölfl, antreffen können.
Alles Liebe wünschen Dir Deine Schlag­
zeugkollegen!
Aus dem Orchesterleben
25
25
Max Reger
und die Münchner
Philharmoniker
GABRIELE E. MEYER
VORSPIEL
Noch vor seinem ersten Auftritt als Dirigent
bei den Münchner Philharmonikern am 15.
Dezember 1905 (damals noch Kaim­ bzw.
Konzertvereins­Orchester) hatte sich Max
Reger schon einen Namen als Komponist von
Orgelwerken, Liedern und Kammermusik ge­
macht. In einem Brief vom 5. November 1900
bittet der selbstbewusste Komponist den mit
ihm befreundeten Sänger Joseph Loritz, sich
bei Franz Kaim für eine Dirigentenstelle ein­
zusetzen: »Wäre es für mich nicht möglich,
beim Kaimorchester als – sollte es sein –
letzter Dirigent unterzukommen ? Ich bin nun
zwei Jahre hier [in Weiden] und der allzu­
lange Aufenthalt in der ›Wüste‹ taugt nichts !«
Kaim aber zeigte sich an einem Musiker ohne
einschlägige Erfahrung verständlicherweise
nicht interessiert. Nach der Übersiedlung in
die Haupt­ und Residenzstadt Anfang Sep­
tember 1901 sah sich Reger zunächst hefti­
ger Ablehnung seitens der »Neudeutschen
Schule« um Ludwig Thuille, Rudolph Louis,
Max Schillings u. a. ausgesetzt. Doch gelang
es ihm mit großer Beharrlichkeit, seine Mu­
sik als inzwischen anerkannter Liedbegleiter
und Kammermusikpartner auch auf diesem
Wege in München durchzusetzen, obwohl die
öffentliche Meinung über den Komponisten
weiterhin geteilt blieb. Gleichwohl schwärm­
ten Konzertbesucher wie Kritiker von Regers
hochsensiblem und einfühlsamem Klavier­
spiel, mit dem er eigene und fremde Werke
in einer »schlechthin vollendeten Weise«
gestaltete. Zu Regers bevorzugten Mitstrei­
tern gehörten neben dem Bariton Loritz die
Altistin Anna Erler­Schnaudt, der Geiger
Henri Marteau, der Pianist August Schmid­
Lindner und das Hösl­Quartett. Auch wenn
in den Annalen der Philharmoniker nur zwei
Auftritte Regers verzeichnet sind, so waren
seine Werke ab 1909 bis zum Tod des Kom­
ponisten am 11. Mai 1916 sehr oft zu hören.
REGERS DEBÜT ALS DIRIGENT
1905 bestimmte der »Porges’sche Chorver­
ein« Reger zum Nachfolger des im Februar
des Jahres verstorbenen bisherigen Leiters
Max Erdmannsdörfer. Auf dem Programm
des Konzerts vom 15. Dezember 1905, das
»in Verbindung mit dem Kaim­Orchester« im
Odeonssaal stattfand, standen Chor­ und
Max Reger zum 100. Todestag
26
Orchesterwerke von Franz Liszt und Hugo
Wolf. Regers dirigentische Leistung sah sich,
man möchte fast sagen, zwangsläufig har­
scher Kritik vor allem von Seiten seines al­
ten Widersachers Rudolph Louis ausgesetzt,
der auch für die »Münchner Neuesten Nach­
richten« tätig war. Dieser leitete seine Be­
sprechung mit der Binsenweisheit ein, dass
man ein Musiker ersten Ranges sein kann,
ohne zum Dirigenten besonders befähigt
zu sein, demzufolge bei einem ersten Ver­
such auf einem »bislang fremden Gebiete
der ausübenden Tonkunst« eine vollkomme­
ne Leistung gar nicht erwartet werden kön­
ne. »Alles, das Eckige, Ungelenke und Unge­
schickte der Bewegungen, die peinliche, von
vornherein jede Freiheit in der Direktions­
führung unmöglich machende Abhängigkeit
von der Partitur, der Mangel an jeglichen
Anzeichen für einen wahrhaft belebenden
und anfeuernden Einfluß auf die Ausführen­
den, all’ das beweist doch wohl, daß Reger,
dem sonst so phänomenal begabten Musi­
ker, das angeborene Dirigententalent so
gut wie gänzlich mangelt. Das offen auszu­
sprechen, halte ich umsomehr für Pflicht,
als es schade wäre, wenn eine solche Bega­
bung, der als Komponist, als Klavierspieler,
als Lehrer die weitesten und fruchtbarsten
Betätigungsgebiete offen stehen, ihre kost­
bare Zeit auf Bestrebungen verschwenden
würde, die schwerlich zu einem nachhalti­
gen Erfolge führen können.« Man kann sich
Regers Zorn auf seinen Intimfeind Louis
trotz dessen ausdrücklicher Anerkennung
für die sorgfältige Einstudierung der Chöre
lebhaft vorstellen. Aber auch die anderen
Stimmen beurteilten das Debüt eher skep­
tisch: »Das geborene Dirigiertalent, das
sich als solches gleich beim ersten Erschei­
nen am Pulte unzweifelhaft kundgibt, ist
Reger jedenfalls nicht.«
ZWISCHENSPIEL
Etwa zu derselben Zeit begann Reger ver­
mehrt für große Besetzungen zu schreiben.
Fiel der erste Versuch, die »Sinfonietta« bei
der Münchner Erstaufführung durch das Kgl.
Hofopernorchester unter der Leitung von
Felix Mottl noch durch – worauf sich Regers
Schüler an Rudolph Louis mit einer nächt­
lichen Katzenmusik rächten, auf die der Kri­
tiker mit »einem öffentlichen Dank an jene
Herren« reagierte, »welche ihm in so liebens­
würdiger Weise Bruchstücke aus dem neues­
ten Werk ihres Meisters« nahegebracht hät­
ten – , so wuchs das Interesse an den Werken
Regers doch stetig. In Ferdinand Löwes Chef­
dirigentenzeit wurden gleich vier symphoni­
sche Werke erstmals vorgestellt: »Sympho­
nischer Prolog zu einer Tragödie« op. 108
(22. November 1909), »Eine Lustspiel­
ouvertüre« op. 120 (4. April 1911), das
»Konzert im alten Stil« op. 123 (18. Dezem­
ber 1912) und, am 29. Dezember 1913, »Eine
Ballett­Suite« op. 130. Außerdem erklan­
gen, ebenfalls als Münchner Erstaufführun­
gen, das Violinkonzert op. 101 unter der
Leitung von Ossip Gabrilowitsch mit Alexan­
der Schmuller als Solisten (23. März 1912)
und »Eine romantische Suite« nach Eichen­
dorff op. 125, die der Dirigent Franz von
Hoesslin aus der Taufe hob (25. Oktober
1912).
REGERS ZWEITER AUFTRITT
Ende 1907 nahm »der wilde Oberpfälzer« –
er hatte von den Münchner Querelen um
seine Person nun endgültig genug – die Be­
rufung zum Konservatoriumslehrer und Uni­
versitätsmusikdirektor in Leipzig an. Die
nachfolgenden Jahre seines Engagements
als Dirigent der Meininger Hofkapelle von
1911 bis 1914 ließen ihn, wie nicht nur sein
Schüler Alexander Berrsche feststellte, zu
Max Reger zum 100. Todestag
27
Max Reger zum 100. Todestag
28
einem »Orchesterleiter ersten Ranges« so­
wohl in künstlerischer als auch in organisa­
torischer Hinsicht reifen. Regers zweiter und
letzter Auftritt als Dirigent bei den Münch­
ner Philharmonikern fiel allerdings in eine
Zeit, in der die Welt schon aus den Fugen
geraten war. Doch trotz kriegsbedingter
Schwierigkeiten konnte der Konzertbetrieb
in der Spielzeit 1914/15 noch in vollem Um­
fang aufrechterhalten werden. Auf dem Pro­
gramm des von »Generalmusikdirektor Max
Reger« geleiteten 8. Abonnementskonzerts
am 1. Februar 1915 standen, neben Mozarts
»Haffner­Symphonie«, »Eine vaterländische
Ouvertüre« op. 140, »gewidmet dem deut­
schen Heere« und, ebenfalls als Münchner
Erstaufführung, die 1914 entstandenen »Va­
riationen und Fuge über ein Thema von Mo­
zart« op. 132. Vor allem dieses Werk wurde
mit großem Beifall bedacht. Die »Münchner
Neuesten Nachrichten« rühmten den »Reich­
tum an Polyphonie, wie er nur dem kontra­
punktischen Genie Regers zu Gebote steht.
Daß dieses Werk trotz der außerordentlich
kunstvollen thematischen Arbeit auch präch­
tig klingt, beweist vor allem die schöne ach­
te Variation. Es versteht sich bei Reger von
selbst, daß die über ein reizvolles achttak­
tiges Thema gehende Fuge glänzend gebaut
ist.« Fünf eigene Lieder, mit Reger am Kla­
vier, und drei orchestrierte Brahms­Lieder,
gesungen von Anna Erler­Schnaut, rundeten
das Programm ab. Der Komponist Max Reger
wurde ebenso gefeiert wie der Dirigent und
Liedbegleiter. Selbst der damals amtierende
Oberbürgermeister der Stadt München, Wil­
helm von Borscht, sprach Reger seinen auf­
richtigsten Dank aus: »Die grösste Anerken­
nung für Sie liegt in dem Erfolg, den Ihr
Auftreten bei uns zeigte: der Besuch unse­
rer Abonnementskonzerte war mit Ausbruch
des Krieges noch nie so stark, wie bei Ihrem
Konzert, die Begeisterung des Publikums
für Ihre bewundernswerten Leistungen war
grösser und herzlicher denn je.«
NACHSPIEL
Die im Brief des Oberbürgermeisters aus­
gesprochene Erwartung, »Euer Hochwohl­
geboren auch noch bei anderen Gelegenhei­
ten in der Tonhalle begrüssen zu dürfen«,
erfüllte sich nicht mehr. Max Reger starb
mit nur 43 Jahren am 11. Mai 1916. Doch
sein gesamtes Orchesterwerk bildete bis in
die 40er Jahre einen festen Bestandteil in­
nerhalb der philharmonischen Programm­
gestaltung, wobei es nach Regers Tod noch
zu weiteren Münchner Erstaufführungen
kam. So stellte Komponisten­Kollege Hans
Pfitzner die Orchesterfassung der 1904
ursprünglich für zwei Klaviere zu vier Hän­
den komponierten »Variationen und Fuge
über ein Thema von Beethoven« op. 86 vor,
der »Gesang der Verklärten« op. 71 erklang
in einer Bearbeitung von Karl Hermann Pill­
ney, die von Florizel von Reuter zu Ende ge­
führte »Symphonische Rhapsodie für Violi­
ne und Orchester« op. 147 erlebte 1932
ihre Uraufführung, der erste Satz des un­
vollendet gebliebenen lateinischen »Requi­
ems« op. 145a seine philharmonische Erst­
aufführung. Nach 1945 aber standen zu­
nächst ganz andere Komponisten im Vor­
dergrund – Reger hatte ja bereits zu seiner
Zeit das Schicksal ereilt, mit seinem Schaf­
fen zwischen alle Stühle geraten zu sein.
Dennoch hatte er innerhalb der zwischen
Schönberg, Strawinsky und der »Münchner
Schule« angesiedelten musikalischen Ex­
trembereiche einen ganz eigenen Weg ge­
funden. Regers unruhig oszillierende Har­
monik und seine meisterliche Beherrschung
der Polyphonie, auch seine bisweilen »klas­
sizistisch« anmutende Einfachheit lohnen
eine Wiederbegegnung allemal.
Max Reger zum 100. Todestag
29
Donnerstag
14_07_2016 20 Uhr b
Mittwoch
14_09_2016 20 Uhr a
Donnerstag
15_09_2016 20 Uhr e4
Samstag
17_09_2016 19 Uhr d
GALINA USTWOLSKAJA
Symphonie Nr. 3 »Jesus, Messias,
errette uns!«
SERGEJ RACHMANINOW
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3
d-Moll op. 30
DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH
Symphonie Nr. 4 c-Moll op. 43
RICHARD STRAUSS
»Don Juan« op. 20
HECTOR BERLIOZ
»Les Troyens«, V. Akt
RICHARD STRAUSS
»Ein Heldenleben« op. 40
VALERY GERGIEV, Dirigent
BEHZOD ABDURAIMOV, Klavier
ALEXEI PETRENKO, Sprecher
VALERY GERGIEV, Dirigent
YULIA MATOCHKINA, Sopran
YEKATERINA KRAPIVINA, Mezzosopran
SERGEJ SEMISHKUR, Tenor
EVGENY AKHMEDOV, Tenor
YURI VOROBIEV, Bass
PHILHARMONISCHER CHOR MÜNCHEN,
Einstudierung: Andreas Herrmann
Samstag
16_07_2016 20 Uhr
KLASSIK AM ODEONSPLATZ
PJOTR ILJITSCH TSCHAIKOWSKY
Suite aus dem Ballett »Schwanensee«
op. 20 a
PJOTR ILJITSCH TSCHAIKOWSKY
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1
b-Moll op. 23
RICHARD STRAUSS
Orchestersuite aus der Komödie für Musik
»Der Rosenkavalier« op. 59
MAURICE RAVEL
»Boléro«
VALERY GERGIEV, Dirigent
DANIIL TRIFONOV, Klavier
Vorschau
30
Die Münchner
Philharmoniker
1. VIOLINEN
Sreten Krstič, Konzertmeister
Lorenz Nasturica-Herschcowici,
Konzertmeister
Julian Shevlin, Konzertmeister
Odette Couch, stv. Konzertmeisterin
Lucja Madziar, stv. Konzertmeisterin
Claudia Sutil
Philip Middleman
Nenad Daleore
Peter Becher
Regina Matthes
Wolfram Lohschütz
Martin Manz
Céline Vaudé
Yusi Chen
Iason Keramidis
Florentine Lenz
2. VIOLINEN
Simon Fordham, Stimmführer
Alexander Möck, Stimmführer
IIona Cudek, stv. Stimmführerin
Matthias Löhlein, Vorspieler
Katharina Reichstaller
Nils Schad
Clara Bergius-Bühl
Esther Merz
Katharina Schmitz
Ana Vladanovic-Lebedinski
Bernhard Metz
Namiko Fuse
Qi Zhou
Clément Courtin
Traudel Reich
Asami Yamada
BRATSCHEN
Jano Lisboa, Solo
Burkhard Sigl, stv. Solo
Max Spenger
Herbert Stoiber
Wolfgang Stingl
Gunter Pretzel
Wolfgang Berg
Beate Springorum
Konstantin Sellheim
Julio López
Valentin Eichler
VIOLONCELLI
Michael Hell, Konzertmeister
Floris Mijnders, Solo
Stephan Haack, stv. Solo
Thomas Ruge, stv. Solo
Herbert Heim
Veit Wenk-Wolff
Sissy Schmidhuber
Elke Funk-Hoever
Manuel von der Nahmer
Isolde Hayer
Sven Faulian
David Hausdorf
Joachim Wohlgemuth
Das Orchester
31
KONTRABÄSSE
Sławomir Grenda, Solo
Fora Baltacigil, Solo
Alexander Preuß, stv. Solo
Holger Herrmann
Stepan Kratochvil
Shengni Guo
Emilio Yepes Martinez
Ulrich Zeller
FLÖTEN
Michael Martin Kofler, Solo
Herman van Kogelenberg, Solo
Burkhard Jäckle, stv. Solo
Martin Belič
Gabriele Krötz, Piccoloflöte
OBOEN
Alois Schlemer
Hubert Pilstl
Mia Aselmeyer
TROMPETEN
Guido Segers, Solo
Bernhard Peschl, stv. Solo
Franz Unterrainer
Markus Rainer
Florian Klingler
POSAUNEN
Dany Bonvin, Solo
David Rejano Cantero, Solo
Matthias Fischer, stv. Solo
Quirin Willert
Benjamin Appel, Bassposaune
Ulrich Becker, Solo
Marie-Luise Modersohn, Solo
Lisa Outred
Bernhard Berwanger
Kai Rapsch, Englischhorn
PAUKEN
KLARINETTEN
Sebastian Förschl, 1. Schlagzeuger
Jörg Hannabach
Alexandra Gruber, Solo
László Kuti, Solo
Annette Maucher, stv. Solo
Matthias Ambrosius
Albert Osterhammer, Bassklarinette
FAGOTTE
Lyndon Watts, Solo
Jürgen Popp
Johannes Hofbauer
Jörg Urbach, Kontrafagott
HÖRNER
Jörg Brückner, Solo
Matias Piñeira, Solo
Ulrich Haider, stv. Solo
Maria Teiwes, stv. Solo
Robert Ross
Stefan Gagelmann, Solo
Guido Rückel, Solo
Walter Schwarz, stv. Solo
SCHLAGZEUG
HARFE
Teresa Zimmermann, Solo
CHEFDIRIGENT
Valery Gergiev
EHRENDIRIGENT
Zubin Mehta
INTENDANT
Paul Müller
ORCHESTERVORSTAND
Stephan Haack
Matthias Ambrosius
Konstantin Sellheim
Das Orchester
32
IMPRESSUM
BILDNACHWEISE
Herausgeber:
Direktion der Münchner
Philharmoniker
Paul Müller, Intendant
Kellerstraße 4
81667 München
Lektorat:
Christine Möller
Corporate Design:
HEYE GmbH
München
Graphik:
dm druckmedien gmbh
München
Druck:
Gebr. Geiselberger GmbH
Martin-Moser-Straße 23
84503 Altötting
Abbildungen zu Max Re­
ger: Fritz Stein, Max Re­
ger, Laaber 1980; Susan­
ne Popp / Susanne Shigi­
hara, Max Reger am Wen­
depunkt zur Moderne
– Ein Bildband mit Doku­
menten aus den Bestän­
den des Max-Reger-Insti­
tus, Bonn 1987; Abbildun­
gen zu Johannes Brahms:
Joseph Müller-Blauttau,
Johannes Brahms – Leben
und Werk, Königsstein
1960; Christian Martin
Schmidt, Johannes Brahms
und seine Zeit, Laaber
1983; Christiane Jacob­
sen (Hrsg.), Johannes
Brahms – Leben und Werk,
Wiesbaden 1983. Künst­
lerphotographien: Ben Ea­
lovega (Nagano), Marco
Borggreve / Naïve-Ambroi­
sie (Lugansky).
TEXTNACHWEISE
Michael Kube, Thomas
Leibnitz und Gabriele E.
Meyer schrieben ihre Tex­
te als Originalbeiträge für
die Programmhefte der
Münchner Philharmoniker.
Stephan Kohler verfasste
die lexikalischen Werkan­
gaben und Kurzkommen­
tare zu den aufgeführten
Werken. Künstlerbiogra­
phien: nach Agenturvorla­
gen. Alle Rechte bei den
Autorinnen und Autoren;
jeder Nachdruck ist sei­
tens der Urheber geneh­
migungs- und kosten­
pflichtig.
TITELGESTALTUNG
»Das vier Sätze, anstelle
der sonst üblichen drei
Sätze, umfassende 2. Kla­
vierkonzert von Brahms
stellt inhaltlich keine fest
umrissene Programmmusik
dar, wodurch die Idee ent­
stand, die Bandbreite der
Emotionen des Zuhörers
auf ein in vier Quadranten
aufgeteiltes Gesicht zu
übertragen. Den großen
Gestus der Brahms’schen
Musik habe ich auf ein ex­
Impressum
pressives Minimum redu­
ziert, sodass man genauer
hinsehen muss, um die fei­
nen emotionalen Unter­
schiede zwischen den ein­
zelnen Feldern wahrzuneh­
men. Die Farben der Klavi­
atur Schwarz und Weiß
stellen das verbindende
Element zwischen ihnen
her.«
(Sonja
Herpich,
2016)
DIE KÜNSTLERIN
Sonja Herpich, 1979 gebo­
ren in Höchstädt a. d. Do­
nau, ist seit 2007 als frei­
schaffende Fotografin tä­
tig. Seit 2011 gehört sie
dem Fototeam des Maga­
zins MUH an. Bekannt
wurde sie 2012 durch ihr
Fotoprojekt »half kit­
chen«, für das sie sich als
Wiesn-Bedienung vor und
nach dem Dienst täglich
porträtiert hat. Im selben
Jahr erhielt die Wahl­
münchnerin eine Auszeich­
nung bei den begehrten
Lead Awards.
Gedruckt auf holzfreiem und
FSC-Mix zertifiziertem Papier
der Sorte LuxoArt Samt
In freundschaftlicher
Zusammenarbeit mit
VALERY GERGIEVS
DAS FESTIVAL
DER MÜNCHNER
PHILHARMONIKER
—
GASTEIG
Freitag
11_11_2016
ERÖFFNUNGSKONZERT
Samstag
12_11_2016
PROKOFJEW–MARATHON
PETER UND DER WOLF
TANZPROJEKTE
Sonntag
13_11_2016
PROKOFJEW SYMPHONIEN
MOZART VIOLINKONZERTE
INFOS UND KARTEN BEI
MÜNCHEN TICKET & MPHIL.DE
3
M
FÜ U TA
R SI GE
AL K
LE
’15
’16
DAS ORCHESTER DER STADT
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