Die Entstehung neuer Erreger: Erkenntnisse aus dem Vergleich der

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Jahrbuch 2010/2011 | Stukenbrock, Eva Holtgrew e | Die Entstehung neuer Erreger: Erkenntnisse aus dem
Vergleich der Genomsequenzen pflanzenpathogener Pilze
Die Entstehung neuer Erreger: Erkenntnisse aus dem Vergleich der
Genomsequenzen pflanzenpathogener Pilze
The emergence of new pathogens: insights from comparing genome
sequences of plant pathogenic fungi
Stukenbrock, Eva Holtgrew e
Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Marburg
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Erforscht w ird, w ie neue Pathogene entstehen und w ie sie sich an neue Umgebungen und W irte anpassen.
Untersucht w erden die evolutionären Prozesse im Verlauf der Artbildung mit Hilfe von Genom-Vergleichen
verw andter, Gras-befallender pilzlicher Erreger. Im Gegensatz zu ihren w ild lebenden Verw andten, kommt es
bei Nutzgräsern (Getreide) zu einer schnelleren Etablierung von für deren Pathogene
vorteilhaften
Mutationen. Die Analyse von über 9500 Genen führte zur Identifizierung derjenigen Merkmale, die für die
W irtsspezialisierung von Pathogenen von entscheidender Rolle sein könnten.
Summary
The key question of our research is how do new pathogens emerge and how fast can they adapt to new
environments and host species. We investigate evolutionary processes during pathogen speciation and host
specialization by comparison of 12 genomes of closely related grass pathogens. Agriculture strongly affects
the rate of pathogen adaptation as crop species more rapidly accumulate beneficial mutations compared to its
w ild relatives. Analyses of more than 9500 genes facilitated the identification of candidate genes involved in
speciation and host specialization of pathogens.
Einleitung
Krankheitserreger stellen für Landw irte eine Herausforderung dar, seit die ersten Nutzpflanzen w ährend des
Übergangs zur Agrikultur, der w eltw eit vor 2.000 bis 12.000 Jahren stattfand, domestiziert w urden. Obw ohl
krankheitserregende Organismen stets und immer w ährend eine beträchtliche Ausw irkung auf die Produktion
und den Ernteertrag von Nutzpflanzen haben, w issen w ir nur sehr w enig über den Ursprung und die Evolution
von Krankheitserregern bei Pflanzen. W ie kommt es zum Auftreten neuer Arten von Erregern, und w ie schnell
können sie sich an eine neue Umgebung und neue beziehungsw eise neu gezüchtete Arten oder Sorten von
W irtspflanzen anpassen? Im Vergleich zu den großen, vergangenen Zeiträumen, die die Evolution der
biochemischen Maschinerie, die den Angriff der Erreger und die Verteidigung der Pflanze steuert, gebraucht
hat, ist die durch den Menschen betriebene Landw irtschaft noch sehr jung. Die Domestikation von Pflanzen als
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Nahrungsgrundlage, zusammen mit der parallel erfolgenden Anpassung von deren Krankheitserregern,
verläuft erst seit w enigen tausend Jahren.
Die Genomsequenzierung und vergleichbare genetische Methoden bieten neue Werkzeuge für das Studium
der
evolutionären
Genomsequenzen
Prozesse
nahe
bei
pflanzenpathogenen
verw andter Arten, die
Pilzen.
Durch
auf verschiedenen
den
Vergleich
W irtspflanzen
in
vollständiger
unterschiedlichen
Umgebungen vorkommen, können Gene und Genabschnitte identifiziert w erden, die bei deren divergierenden
Entw icklung
eine
entscheidende
Rolle
gespielt
haben.
Die
Anw endung
unterschiedlicher
Untersuchungsmethoden auf einen Genomdatensatz erlaubt zusätzlich Schlussfolgerungen über die Evolution
der jew eiligen kompletten Genome und des Phänotyps als Reaktion auf den Übergang zur Landw irtschaft.
Der den Weizen befallende Pilzerreger My cosphaerella gram inicola als Modell für das Studium der
Entstehung neuartiger Pflanzenkrankheiten
Mycosphaerella graminicola ist ein häufig vorkommender und auf W eizen spezialisierter Erreger. Er trat w ährend
der Domestikation der W irtspflanze vor rund 11.000 Jahren im Mittleren Osten auf [1]. Die Artbildung des
Pilzes ging einher mit der Wandlung seiner W irtspflanze vom W ildgras zum Weizen, auf die eine schnelle
Spezialisierung des Erregers folgte. Der Pilz hat sich seitdem w eltw eit überall dorthin verbreitet, w o Weizen
angebaut w ird.
Im Mittleren Osten kann man noch heute den dort heimischen Vorläufer von Mycosphaerella auf W ildgräsern
finden. Die beiden am nächsten verw andten Arten w urden Septoria 1 (S1) und Septoria 2 (S2) genannt.
Obw ohl die Aufspaltung dieser und der auf Weizen spezialisierten Arten erst vor kurzer Zeit erfolgte, haben
sie sich infolge unterschiedlicher W irtspflanzenarten und Umw eltfaktoren seither deutlich auseinander
entw ickelt (Abb. 1). Impfexperimente an unterschiedlichen Grasarten mit M. graminicola (S1 und S2) zeigen,
dass der Pilz sich auf Weizen spezialisiert und sich außerdem, im Vergleich zu seinen Vorgängern, zu einem
virulenteren Erreger entw ickelt hat. S1 und S2 sind w eniger aggressive Erreger, verfügen jedoch über ein
breiteres W irtsspektrum. Diese phänotypischen Unterschiede spiegeln die selektiven Bedingungen w ider,
unter denen sie sich entw ickelt haben. Für ein Pflanzenpathogen unterschieden sich nämlich die von einem
landw irtschaftlichen Ökosystem für eine natürliche Auslese herrschenden Bedingungen sehr stark von denen
eines naturbelassenen, w ilden Graslandes [2]. Ein Weizenfeld ist eine dichte Population von W irtsorganismen
in Form von genetisch nahezu identischen Pflanzen, die eine schnelle Übertragung spezialisierter Erreger
erlaubt. Ein Grasland besteht hingegen aus genetisch sehr unterschiedlichen Populationen verschiedener,
zufällig verteilter W irtspflanzen,, die die Evolution w eniger spezialisierter Erreger begünstigen, sodass diese
über die Fähigkeit verfügen, mehr als nur eine W irtspflanze zu infizieren.
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A bb. 1: Ba um dia gra m m de r Arte n de s Erre ge rs
Mycospha e re lla . De r ve rtik a le P fe il be schre ibt de n ze itliche n
Ve rla uf de r Evolution (die Ge ge nwa rt e ntspricht de m unte re n
P fe ile nde ). De r Artbildungsze itpunk t von M. gra m inicola vor
11000 Ja hre n ist durch de n grüne n P fe il m a rk ie rt. Fa rbige
Kre ise m a rk ie re n die vollstä ndige n Ge nom se que nze n je de r
e inze lne n Art, die de n popula tionsge nom ische n Ana lyse n
zugrunde la ge n. Be i de r a uße rha lb de r Gruppe lie ge nde n
P ilza rt Septoria passerinii ha nde lt e s sich um e in e ntfe rnte r
ve rwa ndte s Ge rste npa thoge n.
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Analysen von Genomsequenzen erlauben Einblicke in die molekulare Basis der Spezialisierung des Erregers
auf die jew eilige W irts- beziehungsw eise Nutzpflanze sow ie darüber, w ie diese Vorgänge durch natürliche
Auslese vermittelt w urden. Durch den Vergleich der Genome der domestizierten und der w ilden Erreger ist es
möglich, diejenigen spezifischen Gene und Genombereiche zu identifizieren, die bei der divergierenden
Entw icklung der Arten eine entscheidende Rolle gespielt haben. Der Grund dafür ist, dass die natürliche
Auslese die Genomsequenzen bei den verschiedenen Erregertypen und Arten so verändert hat, dass diese in
ihren speziellen Umgebungen erfolgreicher gew orden sind; genau diese Unterschiede können in den Genomen
festgestellt w erden.
Eine w eitere interessante Frage, auf die anhand der gew onnenen Datensätze eingegangen w erden kann,
lautet, ob bezüglich der „Evolutionsrate“ der pathogenen Erreger (das heißt der Häufigkeit, mit der sie neue
Mutationen - seien sie begünstigend oder schädlich - akkumulieren) Unterschiede bestehen zw ischen
landw irtschaftlichen Systemen und natürlichem Grasland. Dazu w urde die Hypothese formuliert, dass der
starke gerichtete Selektionsdruck, den ein landw irtschaftliches System ausübt, die Evolutionsrate eines
Erregers erhöht [2]. Für einen pathogenen Pilz w urde diese Vermutung bisher noch nicht getestet.
Erstellen eines populationsgenetischen Datensatzes
Zw ölf Isolate von Pilzen, die alle aus derselben Region im Norden Irans stammen, w urden für eine vollständige
Genomsequenzierung ausgew ählt. Diese Isolate gehörten zu den folgenden drei verschiedenen Arten: M.
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graminicola, gesammelt vom Weizen, und S1 und S2 von den drei Grasarten Lolium perenne, Dactylis glomerata
und Elmys repens. Mithilfe neuester Sequenzierungstechnologie w urden die Genome der 12 Isolate insgesamt
etw a 45-fach abgedeckt, dies bedeutet, dass jedes Basenpaar - etw a 35 Millionen je Genom - durchschnittlich
45-mal sequenziert w urde. Mithilfe umfangreicher bioinformatischer Algorhithmen w urden die 12 Genome
anhand des Referenzgenoms von M. graminicola abgeglichen und analysiert. Etw a 10.500 Gene w urden so, auf
21 Chromosomen verteilt, definiert. Der vollständige Abgleich der 12 Genome umfasste etw a 9.000 Gene,
deren Variation innerhalb und zw ischen den Arten verglichen w urde
Genomplastizität – das Vorhandensein oder Fehlen kleiner Chromosomen
A bb. 2. Sche m a tische Da rste llung de s
Vorha nde nse ins/Fe hle n-P olym orphism us de r e ntbe hrliche n
C hrom osom e n in de n zwölf P ilz-Isola te n. Um ihre Anza hl und
Größe zu e rm itte ln, wa re n die C hrom osom e n e le k trophore tisch
ge tre nnt worde n. Zusä tzlich wurde n zur De finition de r
Ka ryotype n in de n e inze lne n P ilzorga nism e n
Ge sa m tge nom a na lyse n und –ve rgle iche sowie um fa sse nde
Se que nza na lyse n und –ve rgle iche e inge se tzt.
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R e se a rch C e nte r, Aa rhus Unive rsity
Das „Kerngenom“ des Erregers Mycosphaerella besteht aus 13 Chromosomen, die sich in den drei Arten
strukturell erhalten haben. Die
Genome
besitzen jedoch noch zusätzlich eine
hohe
Anzahl kleiner
Chromosomen, die in den verschiedenen Isolaten vorhanden sind oder fehlen [3]. Das Vorhandensein der
kleinen Chromosomen scheint sich auf den Phänotyp des Pilzes nicht auszuw irken, w enn er in einer
axenischen Kultur, also in Abw esenheit anderer Organismen, w ächst. Es gibt sogar Isolate, die nur über die
13 unverzichtbaren und keines der entbehrlichen Chromosomen verfügen. Es w ar eine interessante
Entdeckung, dass sechs beziehungsw eise vier dieser Chromosomen in S1 und S2 ebenfalls vorhanden sind
(Abb. 2) und dass die kleinen Chromosomen in S1 und S2 ebenso entbehrlich sind, w as durch eine
elektrophoretische Trennung der kleinen Chromosomen gezeigt w erden konnte [4]. Die kleinen Chromosomen
sind in gew issem Umfang den entbehrlichen Chromosomen von M. graminicola homolog, jedoch hat eine
umfangreiche Neuanordnung die DNA-Sequenzen auf den kleinen Chromosomen durcheinander gebracht
(Abb. 3). Die Tatsache, dass S1 und S2 mehrere der kleinen Chromosomen behalten haben, belegt, dass es
einen selektiven Druck für die Erhaltung der entbehrlichen Chromosomen gibt, obw ohl sie in einigen Individuen
scheinbar leicht verloren gegangen sind.
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A bb. 3. Da rste llung de s C hrom osom a bgle ichs de r
R e fe re nzge nom se que nz von M. gra m inicola sowie re se que nzie rte r S1-Isola te . De r bla u ge fä rbte Te il ste llt die
a bge gliche ne n Be re iche und de r we iße Te il die nichta bge gliche ne n Be re iche da r. Nicht-a bge gliche ne Be re iche sind
m it re pe titive n Abschnitte n k orre lie rt. Auf de n e ntbe hrliche n
C hrom osom e n ha t e in hohe s Ma ß a n Ne ua nordnunge n zur
Ve rm ischung von DNA-Se que nze n ge führt. Die C hrom osom e n
sind da he r nicht m e hr line a r, obwohl sie hom ologe Se que nze n
e ntha lte n.
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Zur Untersuchung des Ursprungs der entbehrlichen Chromosomen w urden verschiedene Evolutions-Modelle
auf den Datensatz angew endet. Es gibt deutliche Hinw eise darauf, dass die kleinen Chromosomen keinen
fremden Ursprung haben, w as bedeuten w ürde, dass sie in die Genome von Mycosphaerella nicht durch eine
horizontale Übertragung von anderen Organismen eingefügt w urden. Andererseits sieht es so aus, als ob die
entbehrlichen Chromosomen parallel zu den Kernchromosomen entstanden sind und daher in diesen Erregern
schon sehr lange vorhanden w aren – zumindest, seitdem die gemeinsamen Vorläufer von M. graminicola sow ie
von S1 und S2 entstanden sind.
Doch w ie und w arum bleiben die kleinen Chromosomen in dieser Gruppe der Erreger erhalten? Eine kleine
Anzahl von Genen auf den gemeinsamen entbehrlichen Chromosomen ist bei M. graminicola sow ie S1 und S2
erhalten geblieben, und die Rolle genau dieser Gene könnte die treibende Kraft zur Erhaltung dieser
Chromosomen in den Genomen für eine lange Zeit sein, selbst über Artgrenzen hinw eg. Aktuelle
Untersuchungen w idmen sich der Rolle und Expression von Genen auf den entbehrlichen Chromosomen. Es
kann sein, dass der Mechanismus, aufgrund dessen die Chromosomen entw eder vorhanden sind oder fehlen,
eine Selektion ausbalanciert: Eine balancierende, also ausgleichende Selektion tritt dann auf, w enn das
Vorhandensein von Chromosomen (oder Genen) in bestimmten Situationen einen Vorteil und in anderen einen
Nachteil für das Überleben bedeutet. Dieser Selektionstyp w ird als Motor der Evolution einer Reihe von Genen
beschrieben, die mit Pathogenität in Zusammenhang stehen. Er veranschaulicht sehr eindrucksvoll den
Wettlauf zw ischen Pflanzen und den sie befallenden Krankheitserregern [5]. Polymorphismen, die auf dem
Vorhandensein oder Fehlen ganzer Chromosomen beruhen, sind aus anderen Pilzarten bekannt. Eine so
große Anzahl von Chromosomen, w ie im Fall des Erregers Mycosphaerella, ist daran jedoch sonst nie beteiligt.
Anhand dieser Untersuchungen der Sequenzevolution und der Funktion der Gene
auf den kleinen
Chromosomen w ird es möglich sein, die Rolle der Chromosomenplastizität bei Pilzerregern aufzuklären und
darüber hinaus auch allgemeine Erkenntnisse über die Evolution der Genome bei Pilzen zu gew innen.
Identifikation der an der Spezialisierung von Wirtspflanzen und der Artbildung der Erreger potenziell
beteiligten Gene
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Es w aren vermutlich ganz bestimmte Gene, die die Anpassung der pilzlichen Erreger an die jew eilige
Entstehung und durch den Menschen vorangetriebene Züchtung neuer W irtspflanzen vorangetrieben haben.
Durch eine Akkumulation adaptiver Mutationen hat sich die natürliche Selektion auf diese Gene stärker
ausgew irkt. Die adaptiven Mutationen können veränderte Proteinsequenzen zur Folge haben, und diese
können dann neue Funktionen ausüben, w ie zum Beispiel eine veränderte Affinität zu den Genprodukten
neuer oder neuartiger W irtspflanzen. Auf ähnliche Weise können auch solche Gene betroffen gew esen sein,
die beim Übergang in eine landw irtschaftliche Umgebung oder am Prozess der Artbildung selbst beteiligt
w aren. Um derartige positiv selektierte Gene zu identifizieren, konnte die Zahl der adaptiven Mutationen im
Vergleich zu ihrer Gesamtzahl anhand verschiedener Teststatistiken und Modellierungen verglichen und
analysiert w erden.
Die drei Mycosphaerella-Erreger w eisen nur eine sehr kleine Anzahl von Genen (etw a 20) auf, die durch eine
größere Akkumulation adaptiver Mutationen verändert w urden. Interessanterw eise haben sich mehrere
derselben Gene mit positiv selektierten Mutationen in allen drei pathogenen Arten geändert. Dies deutet sehr
darauf hin, dass diese kleine Anzahl von Genen tatsächlich an der Spezialisierung und der Artbildung beteiligt
ist. Was ist die Funktion dieser Gene? Ausgehend von der Annotation des Genoms von Mycosphaerella
graminicola, w urden die Gene lediglich als offene Leserahmen ohne Homologie zu anderen bekannten Genen
verzeichnet. Die Gene sind w ahrscheinlich nur für diese Gruppe von Gras-Pathogenen spezifisch und sind
entsprechend ihrer bestimmten Funktion im Verlauf der Interaktion zw ischen Erreger und W irtspflanze
entstanden.
Die Rolle dieser positiv selektierten Gene kann anhand infizierter Pflanzen charakterisiert w erden. Messungen
von RNA-Gehalten mittels real time PCR, die w ährend verschiedener Stadien des Fortgangs der Erkrankung in
infiziertem Gew ebe vorgenommen w urden, erbrachten den Nachw eis, dass drei der Kandidatengene in M.
graminicola und S2 nur im Verlauf der Kolonisierung der W irtspflanzen zu Expression kommen. Darüber hinaus
zeigte eines der drei analysierten Gene im Vergleich mit einer Infektion eines Grases der Gattung Lolium eine
veränderte Expression nach der Infektion von Weizen, w as die Vermutung nahe legt, dass die Regulation
dieses Gens von der Art der W irtspflanze abhängt. Die Kandidatengene w erden nun w eiter untersucht, indem
Deletionsmutanten von ihnen erzeugt w erden. Mycosphaerella ist ein System, für das kürzlich brauchbare
Ansätze der reversen Genetik entw ickelt w urden [6]. Sobald Mutanten zur Verfügung stehen, w ird deren
Virulenz auf unterschiedlichen W irtspflanzen untersucht. Um die Rolle dieser Gene, die sie bei der Affinität zur
W irtspflanze spielen, beurteilen zu können, w erden die Kandidatengene in S1 und S2 übertragen, um
eventuelle Änderungen der W irtspflanzenkompatibilität zu beobachten. Diese Experimente sind noch nicht
abgeschlossen.
Adaption und Evolutionsrate pathogener Pilzarten
Bekannt ist, dass domestizierte Pflanzenarten mehr unnützliche und sogar schädliche Mutationen enthalten
und sich schneller verändern können als ihre undomestizierten Vorläufer [7]. Ähneln die hier vorgestellten
Ergebnisse der „Ko-Domestizierung“ von M. graminicola denen von domestizierten Nutzpflanzen? Durch die
Anw endung unterschiedlicher Evolutions-Modelle [8, 9] auf den Genomdatensatz von Mycosphaerella-Erregern
w ar es möglich, den Anteil adaptiver Mutationen in den drei Arten im Verhältnis zum Anteil schädlicher
Mutationen zu quantifizieren und die Evolutionsrate in den einzelnen Arten zu bestimmen. Ergebnis: Im
Gegensatz zu dem sich für domestizierte Pflanzen abzeichnenden Muster w eisen die „ko-domestizierten“
Erreger keine übergroße Anzahl schädlicher Mutationen auf. M. graminicola zeigt, ganz im Gegenteil, im
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Vergleich zu seinen w ild lebenden Vorläufern ein Übermaß an vorteilhaften Mutationen. Eine Bew ertung des
Umfangs der Selektion zeigt zusätzlich, dass M. graminicola bei der Eliminierung schädlicher Mutationen äußerst
erfolgreich ist. Die evolutionären Eigenschaften der Erreger unterscheiden sich daher deutlich von denjenigen
der domestizierten Pflanzenarten. W ährend der „Ko-Domestizierung“ von M. graminicola selektierte die
landw irtschaftliche Umgebung somit einen hochgradig w irtsspezifischen Erreger mit der Fähigkeit, sich schnell
an neue Bedingungen anzupassen, w ie zum Beispiel an neue Varianten und Sorten des Weizens oder sogar
an Fungizide.
Ausblick
Zur w eiteren Charakterisierung der funktionalen Unterschiede zw ischen M. graminicola, S1 und S2 w ird eine
vollständige Transkriptomdatenserie erstellt. Diese Daten erlauben die Untersuchung der Genexpression des
Erregers im Verlauf der Infektion und gleichzeitig der Expression der Pflanzengene als Reaktion auf die
unterschiedlichen Erreger. Dies erlaubt zum Beispiel die Erkennung derjenigen Gene, die im Weizen
beispielsw eise durch M. graminicola, jedoch nicht durch S1 aktiviert w erden, sow ie die Beantw ortung der
Frage, w elche Pathogenitätsfaktoren w ährend der Infektion eines W ildgrases in S2, jedoch nicht in M.
graminicola aktiviert w erden.
Die hier vorgestellten Studien fokussieren auf die evolutionären und funktionalen Eigenschaften der
entbehrlichen Chromosomen. Jedoch ist ein Verständnis der molekularen Eigenschaften, die es überhaupt
zulassen, dass diese Chromosomen w ährend der Meiose verloren gehen, ebenfalls und unbedingt erforderlich,
um
w eitere
Grundlagen
von
Vererbungsmechanismen
zu
erkennen.
Mithilfe
von
Hochdurchsatz-
Sequenzierungstechnologien (Chip Sequencing) w ird nunmehr versucht, auf den entbehrlichen Chromosomen
Zentromere zu identifizieren. Man vermutet, dass die kleinen Chromosomen vielleicht entw eder keine
Zentromere besitzen oder dass ihre Zentromere nicht korrekt funktionieren. Die Zentromerbereiche eines
Chromosoms sind bei der Zellteilung entscheidend an der korrekten Aufteilung der Chromosomen auf die
Tochterzellen beteiligt. Mit der Chip-Sequencing-Methode w ird es möglich sein, die Bindungsproteine der
Zentromere zu isolieren und die DNA-Sequenz zu entschlüsseln, an die sie sich binden. Die Charakterisierung
dieser molekularen Eigenschaften ist für ein volles Verständnis des Verlorengehens oder Auftauchens dieser
rätselhaften kleinen Chromosomen unerlässlich.
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