6 Conclusion 6.2. Zusammenfassung Das trigeminale System vermittelt die Wahrnehmung unterschiedlichster Umweltreize und spielt eine wichtige Rolle in verschiedenen Schmerzerkrankungen. Es konnte gezeigt werden, dass die Chlorid-Homöostase ebenfalls eine wichtige Rolle in nozizeptiven Prozessen spielt, allerdings gibt es noch keine Untersuchungen über die Rolle von Chlorid im trigeminalen System. Die vorliegende Arbeit ist die erste Untersuchung zur Chlorid-Homöostase im trigeminalen sensorischen System. Es konnte gezeigt werden, dass trigeminale Ganglienneurone (TGNs), im Gegensatz zu den meisten zentralen Neuronen, auch postnatal eine hohe intrazelluläre Chloridkonzentration vorweisen. Wie hier in ChloridImaging Experimenten mit isolierten TGNs von NKCC1-/- Mäusen gezeigt werden konnte, wird die intrazelluläre Akkumulation von Chlorid hauptsächlich durch den Na+-K+-2Cl⁻ Cotransporter NKCC1 gewährleistet. Auf Grund der hohen intrazellulären Chloridkonzentration führt das Öffnen von Chlorid-leitenden GABAA Rezeptoren nicht zu einem Einstrom von Chlorid-Ionen, wie man ihn bei den meisten zentralen Neuronen beobachten kann, sondern zu einem Ausstrom. Außerdem ist dies die erste Studie, die eine Capsaizin-induzierte Signalverstärkung durch Kalzium-aktivierte Chloridkanäle nachweist. Diese Verstärkung scheint Stimulus-spezifisch zu sein, da bei Icilin-induzierten Signalen keine Verstärkung beobachtet werden konnte. Obwohl die Wahrnehmung von Adstringenz schon vor über 2000 Jahren beschrieben wurde, ist der Detektionsmechanismus oraler Adstringenz noch immer nicht vollständig aufgeklärt. Die weitgehend akzeptierte Theorie, dass adstringierende Substanzen Speichelproteine präzipitieren und dabei die Reibung der Mundoberflächen erhöhen, so dass bei Bewegung der Zunge Mechanorezeptoren aktiviert werden, kann nicht alle Facetten der Wahrnehmung von Adstringenz erklären. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass verschiedene adstringierende Substanzen, die alle eine Galloylgruppe vorweisen, in der Lage sind, TGNs in Kalzium-Imaging Experimenten zu aktivieren. Dahingegen konnte bei anderen 73 Substanzen, die in psychophysiologischen Studien als adstringierend identifiziert worden sind, aber keinen Galloylrest vorweisen, keine Aktivierung von TGNs nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse weisen auf eine wichtige Rolle der Galloylgruppe in einem Rezeptor-vermittelten trigeminalen Detektionsmechanismus hin. In weiteren Kalzium-Imaging Experimenten konnte dieser Detektionsmechanismus mit Hilfe von verschiedenen pharmakologischen Hilfsmitteln weiter charakterisiert werden. Hier konnte gezeigt werden, dass weder Estrogenrezeptoren noch der TRPA1 Rezeptor, jedoch eine Adenylylcyclase involviert sind. Außerdem konnte, in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen der Chlorid-Imaging Studie, gezeigt werden, dass auch bei der Aktivierung von TGNs durch die adstringierende Substanz Epigallocatechin Gallat (EGCG) eine Signalverstärkung durch Kalzium-aktivierte Chloridkanäle nachgewiesen werden kann. Diese Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass es neben der mechanorezeptorischen Wahrnehmung von Adstringenz auch eine trigeminale chemosensorische Detektion von adstringierenden Substanzen gibt. Darüber hinaus konnte in elektrophysiologischen Experimenten gezeigt werden, dass EGCG Natriumströme in TGNs modulieren kann. Die akute Applikation von EGCG führte zu einer Verlängerung der Anstiegszeit und der Zeitkonstante der Inaktivierung, zu einer erhöhten Ladung, sowie einer Verschiebung der halbmaximalen Inaktivierungsspannung zu negativeren Potentialen. Dies führt zu einer verlängerten Aktionspotential-Dauer und zu einer verminderten Frequenz von Aktionspotentialen. Da Natriumströme eine grundlegende Rolle in der Initiierung und Weiterleitung von Aktionspotentialen unter normalen aber auch pathologischen Bedingungen spielt, könnte EGCG ein neuer Kandidat für schmerzlindernde Medikamente darstellen. Insgesamt geben die Erkenntnisse dieser Arbeit neue Einsichten in die Detektion und Verarbeitung von trigeminalen Stimuli. Zum einen konnte gezeigt werden, dass die Chlorid-Homöostase eine wichtige Rolle in der trigeminalen Chemodetetktion spielt. Zum anderen unterstützen die Ergebnisse eine trigeminal-vermittelte chemosensorische Detektion von adstringierenden Substanzen. 74