Öffentliche Güter - Prof. Dr. Hans

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Öffentliche Güter – Moralphilosophische
Grundlagen eines ökonomischen Begriffes
Seminararbeit
im Rahmen des Hauptseminars zur Umweltökonomik
im WiSe 2004/2005
an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät
der Universität Potsdam
Lehrstuhl für Finanzwissenschaft
Prof. Dr. Hans-Georg Petersen
eingereicht von
Marco Münster
Griechische Allee 20
12459 Berlin
Berlin, den 15.11.2004
Gliederung
1.
Einleitung
3
2.
Öffentliche Güter
3
2.1.
Private Güter
3
2.2.
Öffentliche Güter
4
2.3.
Theorie der öffentlichen Güter - Samuelson Bedingung
4
2.4.
Ethische Grundannahmen der Samuelson Bedingung
5
3.
Das Wertesystem des Utilitarismus
6
3.1.
Die Notwendigkeit für ein Wertesystem
6
3.2.
Eudaimonie
7
3.3.
Utilitarismus
8
3.4.
Grundarten des Utilitarismus
10
3.5.
Bentham - Das Pinzip der Nützlichkeit
10
3.6.
Bentham - Die Theorie der Öffentlichen Güter
12
4.
Schlussbetrachtung
14
5.
Literaturliste
15
6.
Internetquellen
15
2
1. Einleitung
Die Moralphilosophischen Grundlagen zur Theorie der öffentlichen Güter sind
Thema dieser Arbeit. Ich versuche darzulegen auf welchen ethischen Annahmen
die Theorie der öffentlichen Güter basiert. Ethischen Grundsätze sind immer
dann maßgeblich, wenn Verhaltensnormen, Gerechtigkeitsmaße, sowie Gesellschaftliche Optima, Gegenstand einer normativen wissenschaftlichen Betrachtung
sind. Um bestimmte Effizienzkriterien besser einordnen zu können, ist es förderlich, auch die dahinter stehenden Moralvorstellungen zu betrachten.
2. Öffentliche Güter
Meine folgenden Ausführungen sollen zunächst den Begriff öffentliche Güter
kurz erläutern. Ich will in diesem Kapitel die Grundgedanken, der Theorie der
öffentlichen Güter, anhand der Samuelson-Bedingung aufzeichnen.
2.1. Private Güter
Es gibt diverse Möglichkeiten Güter zu klassifizieren, ich bediene mich einer sehr
groben, vereinfachten Einteilung in zwei Güterklassen.
Zum einen die privaten Güter, zum anderen die öffentlichen Güter. Charakteristisch für private Güter sind, das Ausschlussprinzip und die Rivalität im Konsum.
Das Ausschlussprinzip steht für die Möglichkeit ein Individuum dessen Zahlungsbereitschaft nicht in ausreichender Höhe vorhanden ist, vom Konsum auszuschließen. Die Rivalität im Konsum zeigt sich anhand der Nutzeneinbuße, die
jemand erleidet, wenn ein weiteres Individuum die selbe Einheit des privaten Gutes mitkonsumiert. Desweiteren sind private Güter teilbar, es ist möglich jedem
Konsumenten seine persönlich gewünschte Menge anzubieten. Die genannten
Eigenschaften machen private Güter zu marktfähigen Gütern, d.h. sie können auf
dezentralen Märkten gehandelt werden1.
1
Blankert 1998, S. 55 ff.
3
2.2. Öffentliche Güter
Öffentliche Güter haben im Vergleich zu privaten Gütern einige Besonderheiten.
Diese sind: die Nichtrivalität im Konsum, das Nichtausschlussprinzip vom Konsum und die Nichtteilbarkeit der Güter.
Die Nichtrivalität im Konsum bedeutet, dass es beim Konsum eines öffentlichen
Gutes zu keinen Nutzeneinbußen für ein Individuum kommt, wenn dasselbe Gut
gleichzeitig von einem oder mehreren anderen Individuen konsumiert wird. Das
Nichtausschlussprinzip steht dafür, das niemand vom Konsum eines öffentlichen
Gutes ausgeschlossen werden kann, auch wenn er keinen Beitrag dafür geleistet
hat. Das Prinzip der Nichtteilbarkeit beschreibt die Tatsache, dass es nicht möglich ist, jedem einzelnen Konsumenten, seine von ihm gewünschte Menge eines
öffentlichen Gutes zur Verfügung zu stellen. Dieses Nichtausschlussprinzip ist
Ursache für ein weiteres Phänomen:
Öffentliche Güter sind nicht marktfähig.
Durch das Nichtausschlussprinzip fehlt der Zwang, für individuell rationale Konsumenten, ihre Zahlungsbereitschaft offen zu legen, um am Konsum teilzunehmen. Eigennutz maximierende Konsumenten verhalten sich deshalb als Freifahrer
und verlassen sich auf die Zahlungsbereitschaft Anderer. Unter der Vorraussetzung, dass alle, oder die meisten Konsumenten so handeln, gibt es letztendlich
keine Zahlungsbereitschaft und damit auch kein Angebot, obwohl eine Nachfrage
nach dem Gut vorhanden ist.
Daher ist es nicht möglich, öffentliche Güter auf dezentralen Märkten zu handeln.
Die Bereitstellung kann von privater, wie auch von staatlicher Seite erfolgen2.
2.3. Theorie der öffentlichen Güter - Samuelson Bedingung
Eine grundlegende Frage in Bezug auf öffentliche Güter, ist jene nach dem Maß
oder dem Umfang der Bereitstellung.
Die Finanzwissenschaft versucht die Frage nach dem optimalen Niveau bei der
Allokation öffentlicher Güter mit der Samuelson - Bedingung zu beantworten.
Paul A. Samuelson leitete erstmalig formal eine notwendige Bedingung für die
optimale Allokation öffentlicher Güter her. Diese Bedingung besagt, dass der op-
2
Blankert 1998, S. 55 ff.; Varian 2001, S. 605 ff.
4
timale Umfang eines bereitgestellten öffentlichen Gutes erreicht ist, wenn die
Summe der individuellen Zahlungsbereitschaften genau so hoch ist, wie die
Grenzkosten der Produktion des Gutes3.
In seinem Modell teilt Samuelson alle Güter in Private und Öffentliche.
Die Individuen haben monoton wachsende, quasi-konkave Nutzenfunktionen und
ihre Präferenzen werden als bekannt vorausgesetzt. Sie ordnen hinsichtlich der
Menge mögliche Konsumbündel, welche aus Mengen beider Güterkategorien bestehen.
Formal gesehen, wird in dem Modell der individuelle Nutzen unter Nebenbedingungen maximiert, um zu der Samuelson - Bedingung in allgemeiner Form zu
gelangen. Diese besagt, dass die Summe der individuellen Grenzraten der Substitution (GRS) zwischen dem öffentlichen und privaten Gut, gleich der Grenzrate
der Transformation (GRT) zwischen jenen Gütern sein muss4.
Der Absolutbetrag der individuellen GRS steht für die marginale individuelle
Zahlungsbereitschaft, für eine zusätzliche Einheit des öffentlichen Gutes, gemessen in Einheiten des privaten Gutes. Folglich stellt die Summe der individuellen
Grenzraten der Substitution, die kumulierte Zahlungsbereitschaft dar. Der Absolutbetrag der Grenzrate der Transformation zwischen privatem und öffentlichem
Gut, steht für die gesamtgesellschaftlichen Grenzkosten der Produktion, gemessen
in Einheiten des privaten Gutes. Vorausgesetzt die individuellen Nutzenfunktionen und Transformationsfunktionen sind bekannt und alle Akteure verhalten sich
im Sinne der Neoklassik rational, kann mit der Samuelson - Bedingung die optimale Bereitstellungsmenge eines öffentlichen Gutes ermittelt werden5.
2.4. Ethische Grundannahmen der Samuelson Bedingung
In der klassischen und neoklassischen Wirtschaftstheorie wird die Annahme gemacht, dass die Zielfunktion jeglichen individuellen Handels, durch die Maximierung des Eigennutzes bestimmt wird. Auch Paul A. Samuelson geht in seinem
Modell davon aus, dass die Individuen monoton steigende Nutzenfunktionen hin-
3
Becker 2002, S. 68.
Pickhardt 2003, S. 23 ff.
5
Pickhardt 2003, S. 27.
4
5
sichtlich der konsumierten Menge haben6. Hier die einzelnen Nutzenfunktionen
durch staatliches Handel maximiert. Dabei stellt das Kriterium der ParetoEffiziens die Entscheidungsregel im Fall verschiedener Allokationen dar.
Eine mögliche Allokation öffentlicher Güter ist dann optimal, wenn niemand bessergestellt werden kann, ohne jemand anderen zu benachteiligen. Mit anderen
Worten, ein Zustand wird angestrebt, in dem niemand seinen eigenen Nutzen erhöhen kann ohne dass der Nutzen eines anderen beschnitten wird7.
Grundsätzlich geht diesen Überlegungen ein Menschenbild vom primär wirtschaftlich handelnden Individuum, dem „homo oeconomicus“ voraus. Ein Indiz
dafür ist die Annahme, dass der empfundene Nutzen eines Menschen ausschließlich von Gütern abhängt. Die Nutzenfunktionen der Individuen bei Samuelson
sind quasi konkav, aber streng monoton wachsend8. Je größer die Gütermenge,
um so größer ist der empfundene Nutzen. Die Maximierungsabsicht unter gegebenen Restriktionen bzw. das Maximalprinzip im Sinne des homo oeconomicus
wird als rationale Handlungsweise voraus gesetzt und ist elementarer Bestandteil
des Samuelson Modell.
3. Das Wertesystem des Utilitarismus
Im folgenden Kapitel möchte ich einen Bezug zu der Theorie der öffentlichen
Güter und dem Utilitarismus herstellen. Dabei gehe ich auf die Notwendigkeit
eines Wertesystems ein und versuche eine allegemeine Definition für den Begriff
Glück zufinden.
3.1. Die Notwendigkeit für ein Wertesystem
Der Mensch hat im Gegensatz zu anderen Lebewesen ein ausgeprägtes Bewusstsein. Dieses Bewusstsein befähigt ihn, seine Handlungen zu kontrollieren. Dabei
endet die Erkenntnis nicht bei der Handlung an sich, sondern schließt ihre Konsequenzen mit ein. Menschen reagieren und agieren meist bewusst, aber durchaus
sehr unterschiedlich. Daher ist ein Normengerüst oder Handlungszielsystem für
6
Pickhardt 2003, S. 24 ff.
Varian 2001, S. 14.
8
Pickhardt 2003, S. 25.
7
6
das Zusammenleben mehrer Individuen, innerhalb jeder erdenklichen Gemeinschaft, absolut notwendig.
Abgesehen von einigen religiösen Vorstellungen, ist ein Normen oder
Zielsystem von keiner „höheren Macht“ vorgegeben. Die Menschen müssen bzw.
können sich ein eigenes Wertesystem schaffen.
Grundsätzlich stellt sich dabei immer die Frage nach der Bewertung des menschlichen Handelns, genauer unter welchen Umständen eine Handlung akzeptabel
oder inakzeptabel ist und wer oder was darüber entscheidet9?
Der Utilitarismus versucht auf jene Fragen Antworten zu geben. Er ist nur eins
von verschiedenen Wertesystemen. Die normative Ethik des Utilitarismus lässt
sich, bei klassischer Auslegung, mit den klassischen und neoklassischen Wirtschaftstheorien vereinbaren. Eine Schnittstelle besteht in der Maximierungsabsicht. Die Wirtschaftstheorie ist stark von der Nutzenmaximierung geprägt, dabei
wird Nutzen mit Konsum gleichgesetzt. Im Utilitarismus wird ebenfalls nach der
optimalen Handlungsalternative gesucht. Der Unterschied besteht in der Komplexität des Maximierungsobjekts. Das empfunden Glück der Utilitaristen, ist nicht
unbedingt gleichzusetzen mit dem Nutzenbegriff der Wirtschaftswissenschaft.
3.2. Eudaimonie
Um nicht dem Irrtum zu verfallen, Utilitaristen wollen die Eintrittswahrscheinlichkeiten gewünschter Ereignisse bei Glücksspielen maximieren oder der Utilitarismus habe etwas mit einer Spaßgesellschaft zu tun, gehe ich in diesem Abschnitt
auf eine Definition des Glücks ein, welche Bezugsmöglichkeiten zum Utilitarismus gibt.
Der Begriff „Eudaimonie“ oder griechisch „eudaimonia“ wurde erstmalig von
Aristoteles in seiner „Nikomachische Ethik“ verwendet. Seinem Ursprung her
(„eu“ = gut und „daimon“ = Gottheit) bezeichnet die „Eudanomie“ einen Zustand,
in dem eine Gottheit es gut mit einem meint, oder kurz die „Glückseligkeit“10.
Die „Glückseligkeit“ hat dabei unterschiedliche Facetten. Eine davon stellt die
existentielle Eudaimonie dar. Verursacht durch materielle oder immaterielle Güter, stellt sich Wohlbefinden ein, dabei ist die Wirkung jener Güter Ausschlag
9
Höffe 1992, S. 7 ff.
Richert 1996, S. 15 ff.
10
7
gebend. Ein Beispiel dafür ist das Erreichen eines bestimmten Wohlstandesniveaus, welches Zufriedenheit oder Glück bewirkt. Dieses Hochgefühl wird im
Sinne der existentiellen Eudaimonie auf Grund des höheren Lebensstandard verursacht, nicht unmittelbar durch die einzelnen materiellen bzw. immateriellen
Güter11.
Moralische Eudaimonie bedeutet im moralischen Sinne glücklich sein. Dieses
Glück stellt sich Aufgrund positiver Eigenschaften ein. Auch ein direkter Bezug
zum guten Gewissen ist vorhanden. Die moralische Eudaimonie steht für die Zufriedenheit, die jemand verspürt, wenn er selbst tugendhaft handelt12.
Neben der existentiellen und moralischen Eudaimonie, welche steuerbar ist, ist die
affektive Eudaimonie nicht steuerbar. Sie tritt spontan aus dem Affekt heraus auf.
Gewisse Umwelteinflüsse könne in bestimmten Situationen Glücksgefühle hervorrufen. Zum Beispiel kann ein Sonnenaufgang in gewissen Situationen zu einer
Art der Glückseligkeit führen. Obwohl diese Empfindung nur kurz ist, wird sie
sehr intensiv wahrgenommen13.
Im Gegensatz dazu hält die kontemplative Eudaimonie länger an, wird aber als
nicht so intensiv empfunden. Sie verkörpert eher eine gewisse Lebenszufriedenheit, welche sich durch betrachtende Geistestätigkeit ergibt, wenn man zum Beispiel wohlwollend auf bestimmte Lebensabschnitte zurück sieht14.
Als homo beatus wird der Mensch bezeichnet, der alle vier Arten der Eudaimonie
in sein persönliches Zielsystem aufnimmt15. Die existentielle Eudaimonie, aber
auch zum Teil die moralische Eudaimonie, beschreiben am geeignetsten den
Glücksbegriff im Utilitarismus.
3.3 Utilitarismus
Der Begriff Utilitarismus ist von dem lateinischen Wort „utilitas“, (Brauchbarkeit,
Nutzen) abgeleitet. Der Utilitarismus ist eine normative ethische Position in der
Beurteilung menschlichen Verhaltens, im Hinblick auf gesamtgesellschaftlichen
Nutzen. Als Begründer der utilitaristischen Ethik gelten Jeremy Bentham (174811
Richert 1996, S. 47 ff.
Richert 1996, S. 131 ff.
13
Richert 1996, S. 185 ff.
14
Richert 1996, S. 185 ff.
15
Richert 1996, S. 245 ff.
12
8
1832) und John Stuart Mill (1806-1873). Der Utilitarismus hat sich seit Bentham
und Mill einer permanenten Entwicklung unterzogen, demzufolge hat er Facetten
angenommen, welche aber eine gemeinsame Basis inne haben.
Jeder Utilitarismus steht auf drei Säulen: der universellen Glücksmaximierung,
dem Wertmonismus und dem Konsequentialismus. Die universelle Glücksmaximierung steht für ein Prinzip, bei dem Lust, Freude, Befriedigung, das Empfinden
von Glück und die Erfüllung der individuellen Präferenzen, ohne die Schädigung
anderer, zu einem intrinsischen Gut zusammengefasst werde. Dieses einzig wertvolle Gut wird auch als undifferenziertes Glück bezeichnet und ist der Gegenstand
der utilitaristischen Ethik. Dieses Gut möchte der Utilitarist maximieren, nicht nur
für ein Individuum, sondern für so viele Menschen wie möglich. Das Ziel der Bestrebungen der Utilitaristen ist der größtmögliche Nutzen für die größtmögliche
Zahl von Individuen.
Der Wertmonismus steht für die alleinige Existenz von nur einem intrinsischen
Gut. Das impliziert die Vorstellung, dass man alle moralisch relevanten Güter
unter dem Aspekt des Glücks bewertet. Jedes Gut wird danach gemessen, ob es
glücksfördernd oder glücksmildern ist.
Der Konsequentialismus ist die logische Folge aus den anderen beiden Basisprinzipien des Utilitarismus. Dieses Prinzip steht dafür, moralische Fragen ausschließlich nach ihren Konsequenzen zu beantworten.
Im Gegensatz zur Deontologie werden Handlungen bzw. Handlungsregeln nicht
für sich selbst betrachtet. Das einzig relevante Kriterium ist die Nützlichkeit, im
Hinblick auf die Maximierung des intrinsischen Gutes Glück16.
Das utilitaristische Prinzip ist nicht nur eine Bewertungsmöglichkeit im Hinblick
auf nutzenbringende Handlungen, sondern auch auf opferbereitende Maßnahmen.
Demnach sind Handlungsalternativen dann optimal, wenn im positiven Fall die
Folgen den größten Nutzen mit sich bringen, oder ihre Konsequenzen das geringste Opfer bereiten. Mit anderen Worten, Ziel aller Bemühungen soll die maximale
Bedürfnis- und Interessenbefriedigung bzw. die minimale Frustration sein17.
16
17
Gesang 2003, S. 17 ff.
Höffe 1996, S. 12 ff.
9
3.4. Grundarten des Utilitarismus
Die diversen Grundarten des Utilitarismus, sind vor allem auf unterschiedliche
Werttheorien zurückzuführen. Die Grundlegenden Prinzipien des Utilitarismus
bleiben dabei weitestgehend erhalten. Unterschiede sind hauptsächlich in der Definition des oben beschriebenen intrinsischen Guts vorhanden. Die unterschiedlichen Spielarten des Utilitarismus stellen sich zum einen dar als hedonistischer und
ideeller Ansatz. Ein hedonistischer Utilitarist definiert das intrinsische Gut ausschließlich mit dem Erleben von Lust. Dabei wird Lust rein quantitativ bewertet.
Jede Form der Lust ist für den hedonistischen Utilitaristen glücksdienlich und
damit wertvoll. Benthams Utilitarismus ist hedonistisch geprägt18.
Im Gegensatz dazu, machen ideell geprägte Utilitaristen wie John Stuart Mill
qualitative Unterschiede im Bezug auf Lust. Dabei wird die verspürte Lust und
damit das empfundene Glück, verursacht durch Geistestätigkeit, stärker gewichtet
als jegliche Freuden körperlicher Natur.
Ein weiterer Aspekt im Hinblick auf die unterschiedlichen Facetten des Utilitarismus, stellen der Handlungs- und Regelutilitarismus dar. Der Handlungsutilitarismus ist ein rein opportunistischer Ansatz, ausschließlich das Ergebnis einer
Handlung ist für die Betrachtung relevant. Der Regelutilitarist ist wie der Handlungsutilitarist zielorientiert. Er betrachtet bei der Bewertung seiner Handlung
bestimmte Regeln. Werden diese verletzt, muss die Handlung abgelehnt werden.
Der Regelutilitarist kann in das Dilemma geraten, dass die regelkonforme Handlung weniger nützlich ist, als jene die nichtregelkonform ist19. Entscheidend ist
wie das Regelsystem ausgestaltet wurde. Regelsysteme könne auch nutzendienlich sein. An einem Beispiel: Ein Verkäufer beim Internetauktionshaus Ebay verhält sich in erster Linie Regelkonform, weil er durch positive Bewertungen seiner
Kunden, Vertrauen in seine Person schafft, wodurch er sich weitere zukünftige
Umsätze verspricht.
3.5. Bentham – Das Pinzip der Nützlichkeit
Der englische Philosoph und Jurist Jeremy Bentham (1748-1832) gilt als Begründer des klassischen Utilitarismus. In seinem 1780 erschienenden Werk "Eine Ein18
19
Höffe 1996, S. 55 ff.
Höffe 1996, S. 183 ff.
10
führung in die Prinzipien der Moral und der Gesetzgebung" stellt er unter anderem
sein „Prinzip der Nützlichkeit“ dar. Bentham definiert dieses Prinzip als Grundsatz, Handlungen nach der Höhe ihres Nutzen für die Gemeinschaft zu bewerten.
„Unter dem Prinzip der Nützlichkeit ist jenes Prinzip zu verstehen, das schlechthin jede Handlung in dem Maß billigt oder missbilligt, wie ihr die Tendenz innezuwohnen scheint, das Glück der Gruppe, deren Interesse in Frage steht, zu vermehren oder zu mindern, [...]20.“ Für Bentham ist sein Prinzip der Nützlichkeit der
einzige Maßstab, um über die Richtigkeit oder Falschheit einer Handlung oder
Maßnahme zu entscheiden. Seine Aussagen sind zum einen sehr individualistisch
geprägt, zum anderen bezieht er sich immer auf des Wohl der Gruppe. Doch das
stellt für ihn keinen Widerspruch dar. Die Gemeinschaft ist für Bentham „[...] ein
fiktiver Körper der sich aus den Einzelpersonen zusammensetzt [...]“21. Analog
bedeutet für Bentham das Gesellschaftsinteresse nichts anderes, als „Die Summe
der Interessen der verschiedenen Glieder, aus denen sie sich zusammensetzt.“22
Benthams Interesse gilt der individuellen Glückseligkeit und von ihr schließt er
durch Kumulation jener, auf die Glückseligkeit der Gemeinschaft. Er präfferiert
dabei keine bestimmte Art von Glück.
„Unter Nützlichkeit ist jene Eigenschaft an einem Objekt zu verstehen, durch die
es dazu neigt, Gewinn, Vorteil, Freude, Gutes oder Glück hervorzubringen [...].“23
Grundsätzlich sind Handlungen oder Maßnahmen, selbst Unterlassungen oder
Billigung bzw. Missbilligung zu bevorzugen, wenn sie einen positiven Nutzen mit
sich bringen, abzulehnen sind sie, wenn irgend eine Form von Leid mit ihnen hergeht.
Das 4. Kapitel in Benthams Buch trägt den Titel, „Wie der Wert einer Menge an
Freude oder Leid gemessen werden kann“. In diesem Kapitel beschreibt Bentham
eine Methode zur Messung des empfundenen Glücks. Dabei geht er davon aus,
dass der Wert einer Freude oder eines Leids von sieben Variabeln beeinflusst
wird. Jene sind die Intensität, die Dauer, die Eintrittswahrscheinlichkeit, die
räumliche und zeitliche Nähe, die Folgenträchtigkeit, die Reinheit und das Ausmaß des empfundenen Glücks oder gefühlten Leids.
20
Höffe 1996, S. 56
Höffe 1996, S. 57.
22
Höffe 1996, S. 57.
23
Höffe 1996, S. 56.
21
11
Die räumliche und zeitliche Nähe, bezieht sich auf den Eintritt der Folgen auf die
getätigte Handlung. Die Folgenträchtigkeit beschreibt die Möglichkeit, dass auf
das verursachte Glück oder Unglück weitere Empfindungen von derselben Art
wirken. Die Reinheit der Empfindung bezieht sich auf die Folgenträchtigkeit. Sie
ist ein Indikator für die Existenz von gegensätzlichen Empfindungen als Folgeerscheinung aus einer Handlung. Das Ausmaß des empfundenen Glücks oder gefühlten Leids steht für die Anzahl der betroffenen Personen24. Das von Bentham
beschriebene Verfahren sieht nun vor, mit den Interessen des am unmittelbarsten
betroffenen Individuums zu beginnen.
Es werden zwei Summen gebildet. Zum einen die empfunden Freude und zum
anderen das gefühlte Leid, im Hinblick auf Intensität, Dauer, Eintrittswahrscheinlichkeit, räumliche und zeitliche Nähe, Folgenträchtigkeit, und Reinheit. Beide
Summen werden miteinander saldiert, um zu entscheiden, unter welchem Vorzeichen die Handlung steht. Folglich ist die Handlung für das Individuum nützlich,
wenn das kumulierte empfundene Glück größer ist als die Summe des empfundenen Leids25.
Ich bezeichne dieses Ergebnis für die folgenden Ausführungen als Leidsaldo, mit
Glückssaldo meine ich den gegensätzlichen, negativen Fall. Dasselbe Verfahren
wird nun für alle betroffenen Personen angewandt. Um die Entscheidung über die
Nützlichkeit im gemeinschaftlich Sinne zu treffen, werden die individuellen Salden der Individuen addiert. Dabei hat ein individueller Leidsaldo ein positives
Vorzeichen und ein individueller Glückssaldo ein negatives Vorzeichen. Logischer Weise gilt ein positives Ergebnis aus der Kumulation der einzelnen Salden
als nützlich für die betroffene Gemeinschaft. Bentham lässt dabei offen, wie die
einzelnen Variablen bewertet werden sollen.
3.6. Bentham und die Theorie der Öffentlichen Güter
Es gibt diverse Schnittstellen in der Theorie der öffentlichen Güter und dem Utilitarismus, wie ihn Jeremy Bentham vertrat.
Die Theorie der öffentlichen Güter beschäftig sich mit der Frage, wie und in welchem Umfang öffentliche Güter optimal bereitgestellt werden sollen. Dabei spielt
24
25
Höffe 1996, S. 79 ff.
Höffe 1996, S. 80.
12
Staatstätigkeit eine wesentliche Rolle, da dieser gewöhnlich öffentliche Güter zur
Verfügung stellt. Allgemein wird versucht, einer Institution Entscheidungsgrundlagen zu geben, um gesellschaftsoptimal zu handeln. Nichts anderes tat Bentham,
nur sein Adressat war die Legislative. “Es wurde gezeigt, dass das Glück der Individuen, aus denen eine Gemeinschaft besteht - ihre Freuden und ihre Sicherheitdas, und zwar das einzige Ziel ist, das der Gesetzgeber vor Augen haben sollte
[...]“.26
Die neoklassische Wirtschaftstheorie lässt sich im Allgemeinen sehr gut mit dem
Handlungsutilitarismus von Bentham vereinbaren. Bentham machte keine Unterschiede in der Qualität des erfahrenden Glücks, dementsprechend kann man so
eine ethische Grundhaltung sehr gut mit einer reinen Güterwissenschaft verbinden. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die rein opportune Grundhaltung in beiden
Theorien. In der Theorie der öffentlichen Güter geht es ausschließlich darum, eine
Nutzenmaximale Allokation zu erreichen. Einzige Nebenbedingung ist die Paretooptimalität. Eine paretooptimale Allokation beschreibt zwar einen Zustand in
dem niemand von seinen Wohl etwas für die Nutzensteigerung eines anderen einbüßen muss. Ob diese Verteilung unter ethischen Gesichtspunkten immer gerecht
ist bleibt offen.
Das Ziel bei Bentham ist auch Nutzenmaximierung, seine einzige Nebenbedingung stellt die Nützlichkeit der Folgen dar. Benthams Handlungsutilitarismus beschäftigt sich nur mit den Folgen einer Handlung und deren Nützlichkeit. Ob die
Handlungen an sich ethisch vertretbar sind, spielt keine Rolle. Entscheidend ist
nur, dass die Konsequenzen, welche die Handlungen mit sich bringen nutzendienlich sind.
Das stärkste Argument für die Verwandtschaft der beide Theorien ist die Art und
Weise, wie der Gesellschaftliche Nutzen definiert wird. Beide Theorien gehen
davon aus, dass die Gemeinschaft nichts anderes ist, als die Summe der Individuen und analog ist auch der gesamte Nutzen, nichts anderes wie die Summe der
Einzelnutzen. Egal ob im Samuelsonmodell oder in Benthams Ausführungen, Basis ist immer der individuelle Nutzen.
26
Höffe 1996, S. 74.
13
4. Schlussbetrachtung
Unter heutigen moralischen Maßstäben zeigt der Bentham - Utilitarismus große
Schwächen. Das Problem stellen dabei die unterschiedlichen Präferenzen der Individuen dar. Oft konkurrieren sie mit einander. Die Folge daraus sind negative
externe Effekte.
Sind die unterschiedlichen Präferenzen ungleich verteilt, d.h. die Präferenzen einer Mehrheit konkurrieren mit den Präferenzen einer Minderheit, kommt es zur
Benachteiligung der Minderheit. Bei strenger Auslegung des Utilitarismus wird
die Nutzeneinbuße einer Minderheit für den Vorteil einer Mehrheit hingenommen.
Damit wird die Minderheit klar benachteiligt, ohne einen Ausgleich dafür zu bekommen.
Ein weiterer Kritikpunkt an Benthams Utilitarismus ist die homogene Betrachtung
von Glück. Diese Homogenität ist moralisch fraglich.
Sie bedeutet, das keine Abstufung gemacht wird, ob die verspürte Freude durch
die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse verursacht wird, oder von geistigen
Tätigkeiten herrührt. Eine rein utilitaristische Gesellschaft ist sicher nicht unbedingt erstrebenswert, aber ein wenig „Bentham“ in der Entscheidungsfindung einiger Probleme würde deren Lösung beschleunigen.
Ich verstehe Benthams Utilitarismus als nutzenorientierten Opportunismus, oder
die Fähigkeit „eine heilige Kuh“ zu schlachten, um an das Ziel zukommen.
In vielen zwischenmenschlichen Konflikten behindern „heilige Kühe“, wie zum
Beispiel Religion, Ethik oder Tradition, eine für alle effiziente Problemlösung.
Wenn dabei der Ausgleich für benachteiligte Minderheiten beachtet wird, ist so
eine Lösung durchaus vertretbar.
Benthams Versuch den Wert der Freude zu errechnen ist sicher fraglich, vor allem
weil er nicht auf die Bewertung im einzelnen eingeht. Trotzdem sind seine Ausführungen im Bezug auf das Ausmaß von Entscheidungen erkenntnisreich.
5. Literaturliste:
14
Becker, Hartmuth: Die Kategorie öffentlicher Güter als Grundlage von Staatstheorie und Staatswissenschaft. Berlin 2002.
Blankart, Charles B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie. München 1998.
Blümel, Wolfgang: Die Allokation öffentlicher Güter in unterschiedlichen Allokationsverfahren. Berlin 1987.
Gähde, Ulrich / Schrader Wolfgang H.: Der klassische Utilitarismus. Berlin 1992.
Gesang, Bernward: Eine Verteidigung des Utilitarismus. Stuttgart 2003.
Höffe, Otfried: Einführung in die utilitaristische Ethik. Tübingen 1992.
Pickhardt, Michael: Studien zur Theorie öffentlicher Güter. Marburg 2003.
Richert, Robert: Eudaimonistische Wirtschaftstheorie. Frankfurt am Main 1996.
Varian, Hal R.: Grundzüge der Mikroökonomik. München 2001.
6. Internetquellen:
www.utilitarismus.de (15.09.2004)
www.phillex.de (10.10.2004)
www.wikipedia.de (05.10.2004)
15
16
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