Grundlagen der pädagogischen Psychologie in der Berufspädagogik Erstausgabe 2007 Überarbeitung 2012 INHALT Teil 1 - Biologische Grundlagen.................................................................................. 3 Gehirnmodelle ......................................................................................................... 3 Das dreiteilige Gehirn………… …………………………………………………………………… 4 Stammhirn ............................................................................................................ 5 Limbische System (Zwischenhirn) ........................................................................ 5 Großhirn ............................................................................................................... 6 4 Teile des Großhirns: .......................................................................................... 7 Das Zweigeteilte Gehirn ....................................................................................... 7 Aktivitätsmessungen im Gehirn ............................................................................ 9 Das menschliche Nervensystem............................................................................ 12 Teilsysteme des Nervensystems ........................................................................ 12 Zentrales Nervensystem (ZNS) .......................................................................... 13 Peripheres Nervensystem (PNS) ........................................................................ 13 Endokrines(autonomes) Nervensystem .............................................................. 13 Aufbau eines Neurons ........................................................................................ 13 Synaptische Übertragung………………………………………………………… ….15 Zusammenfassung des Gehirns……………………………………………….…….16 Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie ...................................................................... 18 Definition:............................................................................................................ 18 Lerntheorien ....................................................................................................... 18 Kognitive Lerntheorie nach Ebbinghaus: ............................................................... 18 Maddox erweiterte die Vergessenskurve nach Ebbinghaus: .............................. 19 Assoziationsgesetze: .......................................................................................... 20 Behaltenskurve ................................................................................................... 21 Einflussfaktoren Vergessen ............................................................................... 21 Dodsen Yerkes Leistung/Erregungsniveau ......................................................... 22 Kognitive Lerntheorie nach Piaget ......................................................................... 23 Kognitives Lernen nach Jean Piaget (1896 – 1980): ......................................... 23 Assimilation: ....................................................................................................... 23 Akkommodation: ................................................................................................. 23 Die 4 Entwicklungsstufen nach Piaget: ............................................................... 24 Kognitives soziales Lernen am Modell (Albert Bandura) ....................................... 25 Behavioristische Lerntheorien ............................................................................... 29 Konditionierungstheorie nach Pawlow ................................................................ 29 Die klassische Konditionierung ........................................................................... 30 Behaviorismus (amerikanische Schule) .............................................................. 35 Pädagogische Praxis 40 Methode des kooperativen Lernens aus Tex…………………..…………………..40 Stufen des Wissenstransfers von einer Basis- auf eine Zielaufgabe…..…… …40 Inhaltswissen - Zur Bedeutung inhaltlichen Vorwissens………………..…………41 Gedächtnishemmungen und Lernstörungen………………………….…………….42 Lernkanäle…………………………………………………….……………………..……. 43 Literaturverzeichnis……………………………………………………………..…………44 Internetverzeichnis……………………………………………….………………………..45 Teil 1 - Biologische Grundlagen 3 Teil 1 - Biologische Grundlagen Gehirnmodelle („Hirne im Hirn“) Vorbemerkung: Neue Methoden der Kreativität, des Selbst-Managements und der PersönlichkeitsEntwicklung erfahren im heutigen Zeitalter der „Informationsgesellschaft“ eine zunehmende Bedeutung. Die Psychologie stellt sich dieser Herausforderung, wobei diese Thematik immer mehr einer breiten Öffentlichkeit durch die Pädagogik zugänglich gemacht wird. Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg liegt in der ganzheitlichen Nutzung der Potentiale unseres Gehirns, d.h. beider Hirn-Hemisphären. Über eine so verstandene Bewusstseinserweiterung lassen sich die Potentiale unseres „BioComputers“ besser nutzen, um damit auch den Herausforderungen einer immer komplexer werdenden Zukunft entsprechen zu können. Durch die Nutzung der „Neuen Medien“ werden Gedächtnisspuren neu angelegt (vgl. Spitzer; 2012 S.15) die zwangsweise zu Verhaltensänderungen führen. Dieses Wissen über die Funktionsweise des Gehirns sollte daher im pädagogischen Kontext angewandt werden. „Wenn man weiß wie das Gehirn lernt, kann man auf der Grundlage dieses Wissens den Unterricht optimieren….“ (Caspary; 2012, S. 10) Abbildung1: Vgl. Zimbardo, 1999, S.70 Teil 1 - Biologische Grundlagen 4 Das dreigeteilte Gehirn Das menschliche Gehirn besteht anatomisch gesehen aus drei (vier) eigenständigen Gehirnen, die entwicklungsgeschichtlich aufeinander folgen: Der amerikanische Hirnforscher Paul D. MacLean hat den Begriff vom dreieinigen Gehirn („trinue brain“) geprägt. Das Stammhirn (Hirnstamm) ist der entwicklungsgeschichtlich älteste Teil des Gehirns. Es steuert die lebenswichtigen Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Blutdruck. Zudem ist es für einige wichtige Reflexe wie den Lidschluss-, Schluck- oder HustenReflex verantwortlich. Das Stammhirn bildet die Schnittstelle zwischen dem übrigen Gehirn und dem Rückenmark. Eintreffende Informationen leitet es überkreuz weiter, daher wird die linke Körperhälfte von der rechten Gehirnhälfte gesteuert und umgekehrt Das Zwischenhirn schließt sich an das Stammhirn an, wobei hier der Thalamus liegt, der als zentrale Schaltstelle für das Bewusstsein gilt. Im Zwischenhirn ist noch der Hypothalamus angesiedelt, der als Vermittler zwischen Hormon- und Nervensystem gilt. Dabei steuert er zum Beispiel den Schlaf-Wach-Rhythmus, Hunger und Durst, aber auch den Sexualtrieb und verarbeitet Schmerz- und Temperaturempfinden. Das Großhirn gilt entwicklungsgeschichtlich als der neueste Teil unseres Gehirns und wird in zwei Hemisphären unterteilt, die durch ein dickes Nervenbündel (Balken) miteinander verbunden sind und eng zusammenarbeiten. Jede Gehirnhälfte ist auf bestimmte Aufgaben spezialisiert: links sitzen in der Regel die Sprache und Logik, rechts die Kreativität und der Orientierungssinn. Die vielfach gefaltete Großhirnrinde (Neocortex) unterteilt sich wiederum in einzelne Lappen, die für divergierende Funktionen wie Lernen, Sprechen, Denken, Beurteilen, etc. zuständig sind. Weiters ist noch die Sensorik und Motorik in der Großhirnrinde angesiedelt (Das Kleinhirn (Cerebellum)) wird nach MacLean nicht mehr zum dreieinigen Gehirn gerechnet, stellt aber trotzdem einen eigenen Bereich dar. Das Cerebellum koordiniert Bewegungen und sorgt dafür, dass sie flüssig ablaufen (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/GehirnAufbau.shtml#Die drei Gehirne) Angewandte Psychologie: Sollten Personen nach einem veränderten Bewusstseinszustand (Narkose) aufwachen und verwirrt sein und erst langsam zu sich kommen, ist das durch die selektive Aufwachphase der drei Gehirnareale zu erklären. Zuerst übernimmt das Stammhirn die lebenswichtigen Funktionen, anschließend wird das Zwischenhirn aktiv und erst Teil 1 - Biologische Grundlagen 5 danach das Großhirn mit unseren Denkfunktionen. Deshalb merken auch Anästhesisten manchmal nicht, dass Patienten während einer Operation wach werden, denn deren Messgeräte zeigen nur die Aktivität der Großhirnrinde und reagieren daher zu spät oder gar nicht auf solche nur halbbewussten Wachzustände (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/GehirnAufbau.shtml#Die drei Gehirne) Stammhirn (Hirnstamm) Mit dem Hirnstamm sind alle Wirbeltiere ausgestattet und es enthält vier Strukturen. Medulla: Ist für lebenswichtige Funktionen wie Herzschlag und Atmung zuständig RAS: Ist für den Funktionsablauf im Gehirn zuständig. Hält das Gehirn auch im Schlaf im Aktivitätszustand. Pons: Stellt die Verbindung zum Cerebellum her und hat mit Träumen und Aufwachen zu tun Thalamus: Hat starke Nervenstränge zum RAS System und ist die Schaltzentrale für sensorische Signale die zum Großhirn weitergeleitet werden. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 67) Zusammengefasst kann man sagen, dass das Stammhirn für die lebenswichtigen Funktionen des Menschen zuständig ist. Hier ist das Zentrum angeborener Steuerungen und Instinkte. Es ist vergangenheitsbezogen (artspezifisches Erbe) und in der Auswirkung konservativ. Das Stammhirn ist lernfähig. Biologische Vorgänge: z.B. Stoffwechsel, Blutkreislauf, Herzschlag, Atmung , Schlaf Das „“Limbische System“ (Zwischenhirn) In der Literatur wird nicht immer explizit zwischen dem „Limbischen System“ und dem Zwischenhirn unterschieden. Mit dem limbischen System sind alle Säugetiere ausgestattet und es ist für die Regulation der Emotionen und des motivierenden Verhaltens zuständig. Es ist weiters für das innere Gleichgewicht (Homöostase) und der Verbindung zum Großhirn zuständig. Teile des Limbischen Systems sind: Hypothalamus: Ist sehr klein und spielt eine wichtige Rolle bei der Verbindung zu den anderen Gehirnarealen. Er spielt weiters eine Rolle bei der emotionalen Erregung, der Kontrolle des Appetits und bei der Regulierung der inneren Körperfunktionen. Amygdala (Mandelkern): Steuert Emotionen und hat beim emotionalen Gedächtnis eine wichtige Funktion. Dieser Teil des Gehirns wird häufig mit Angst in Verbindung gebracht. Eine Entfernung dieses Areals kann einen beruhigenden Effekt nach sich ziehen. Teil 1 - Biologische Grundlagen 6 Hippocampus: Ist die größte der limbischen Strukturen und ist für das explizite Erinnerungsvermögen von entscheidender Bedeutung. Nach neuesten Forschungen spielt der Hippocampus bei der Übertragung vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis eine wichtige Rolle. Patienten, denen Teile des Hippocampus entfernt wurden, konnten sich zwar an länger zurückliegende Begebenheiten erinnern, was aber kurz zuvor geschehen ist, hatten sie kein Erinnerungsvermögen. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 71f) Großhirn (Cortex) Das Großhirn besteht aus den beiden Hemisphären und ist beim Menschen viel höher entwickelt als bei den Tieren. Die beiden Hemisphären sind durch den „Corpus callosum“ verbunden. Weiters wird das Gehirn in vier Teilbereiche unterteilt, wobei diesen Teilbereichen bestimmte Funktionen zugeordnet werden können. Wir können aber nicht davon ausgehen, dass diese Teilbereiche ausschließlich bestimmte Funktionen haben, da das Gehirn immer als Ganzes funktioniert. Im Cortex ist der Sitz der höheren geistigen Funktionen. Hier läuft geplantes, vorausschauendes Denken ab. Es ist also zukunftsbezogen. Sprache, Logik, Vorstellungsvermögen, Erkennen von Form und Gestalt, Fähigkeit zur Abstraktion, Selbstbewusstsein des Menschen usw. (Vgl. Hilgards et al; 2001 S. 49ff) Nach MacLean sind die drei Bereiche des Gehirns miteinander verbunden, aber diese Verbindungen sind eher träge. Abbildung 2: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/ Teil 1 - Biologische Grundlagen 4 Teile des Großhirns: 7 (Vgl. Hilgards et al; 2001 S. 51f) 1. Frontallappen: zuständig für Denkprozesse, Problemlösen, Assoziationsbildung 2. Scheitellappen: zuständig für die Sensorik (das sensorische Feld) und der Motorik 3. Hinterhauptlappen: zuständig für das Sehen 4. Schläfenlappen: zuständig für Hören und Sprechen Querschnittsdarstellung der Sensomotorischen Bereiche der Großhirnrinde Abbildung3: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/GehirnRechtsLinks.shtml Das Zweigeteilte Gehirn Das Gehirn (genauer der Neocortex) besteht aus zwei spiegelbildlichen Hälften, deren Äußeres nicht erkennen lässt, dass tief greifende funktionale Unterschiede zwischen beiden bestehen. Teil 1 - Biologische Grundlagen 8 Man spricht von linker und rechter Hemisphäre, die miteinander über einen großen Nervenstrang, dem Balken (corpus callosum) verbunden sind. Die Entdeckung der funktionellen Gliederung der Großhirnrinde zählt zu den bedeutenden Entdeckungen, welche der modernen Gehirnforschung den Weg gewiesen haben. Vor allem von Roger Sparry und Gazzaniga (amerik. Neurophysiologen) die bei Split-Brain-Patienten (Trennung des Hirnbalkens infolge von neurologischer Notwendigkeit) Leistungsdifferenzen zwischen rechter und linker Gehirnhälfte entdeckten. (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999 S.88f) Abbildung 4: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/GehirnRechtsLinks.shtml Linke Hemisphäre logisch, linear, verbal, mathematisch, analytisch, kontrolliert, detailliert, ordnend, lesen, schreiben, benennen, erinnert sich an Namen Rechte Hemisphäre figurativ, symbolisch, intuitiv, kreativ, musikalisch, emotional, sprunghaft, aufbauend, träumerisch, divergierend, erinnert sich an Gesichter (Vgl. Bierbaumer, Schmidt; 1999 S. 681) Früher wurden Dominanzen in den Gehirnhemisphären verallgemeinert und simplifiziert. (Vgl. Haderer; 2003 S. 108f) Mit der „Split brain Forschung“ üben die zwei Hirnhemisphären aber einen nützlichen pädagogisch-didaktischen Effekt aus. Es erfolgt eine Korrektur einseitiger, vorrangig linear-kognitiv orientierter Lernprozesse. Neue Wege, neue Formen des Lernens beruhen auf dem Hemisphären-Modell (z.B. NLP, Suggestopädie, Mind-Mapping, Mentales Training, ganzheitliches Lernen). Teil 1 - Biologische Grundlagen Beobachtungen: Das „aktive Sprachzentrum“ liegt bei der Mehrheit der Menschen ausschließlich im linken Teil des Gehirns, auch Schriftbilder. Figuren, Symbole und Formen müssen dagegen stärker der rechten Hemisphäre zugeordnet werden. Frauen zeigen eine stärkere Vernetzung der beiden Gehirnhälften und leiden daher weniger an Sprachverlust bei Hirnverletzungen 75% der Menschen haben Präferenz zur rechten Körperseite Männer sind besser in räumlich-geometrischen Aufgaben und weisen hier geringere Lateralisation auf. (Vgl. Haderer; 2003 S. 114) Aktivitätsmessungen im Gehirn Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Bei dieser Methode kann der Blutzuckerverbrauch als Maß eines erhöhten Blutzuckerverbrauchs gemessen werden. Stoffe wie Traubenzucker werden radioaktiv markiert und anschließend in den Blutkreislauf injiziert. Danach wird das Gehirn mit einem PET-Scanner gescannt und der Computer errechnet aus den Daten zweioder dreidimensionale Bilder. Die Ausbreitung der Substanz zeigt, wie und wo der Energieverbrauch im Gehirn erfolgt. (Vgl. Haderer; 2003 S. 38) Mit einem PET-Scanner (Positron Emission Tomograph) kann der Blutzuckerverbrauch als Maß erhöhten Energieverbrauchs gemessen werden. Die nachfolgenden Aufnahmen zeigen (durch die Schädeldecke, Stirn oben) dunkle rote Stellen, das sind Bereiche erhöhten Energieverbrauchs: Abbildung 5: http://www.egbeck.de/skripten/12/bs12-43.htm 9 Teil 1 - Biologische Grundlagen 10 EEG Messung Auch die Messung der Hirnströme (EEG = Elektro Enzephalogramm) findet in der Psychologie Anwendung. Diese Messungen zeigen Zusammenhänge zwischen Verhalten und Gehirnaktivität. (Vgl. Haderer; 2003 S 29f Abbildung 6: http://www.egbeck.de/skripten/12/bs12-43.htm EEGs werden in der Neurologie und Psychologie zur Diagnose von Gehirnkrankheiten wie Epilepsie, Schlafstörungen und Gehirntumoren verwendet. Man unterscheidet im Wesentlichen 4 verschiedene Arten von Hirnströmen: (Vgl. Haderer; 2003 S. 30) Alphawellen Betawellen Deltawellen Thetawellen (Frequenz 8–13 Schwingungen/sec) Zustand der Entspannung; dominiert im Hinterkopf (Frequenz 14–30 Schwingungen/sec) wacher, tätiger Zustand, Reden, Denken usw. Kann auch im REM Schlaf auftreten (Frequenz 1–3 Schwingungen/sec) Tiefschlaf beim Erwachsenen; bei Säuglingen und Kleinkindern dominieren diese Wellen. (Frequenz 4–7 Schwingungen/sec) Abbildung 7: Eigene Darstellung Teil 1 - Biologische Grundlagen 11 fMRT Messungen sind eine Kombination von verschiedenen bildgebenden Verfahren mit einer EEG Aktivitätsmessung Durch eine entsprechende Software kann man durch die Spektralanalyse zusätzliche Informationen gewinnen und diese in 3D-Form darstellen. fMRT Messungen werden in der Experimentalpsychologie in den letzten Jahren immer populärer und man versucht die Ergebnisse in der modernen Psychologie sowie in der Pädagogik einzusetzen. Abbildung 8: http://www.egbeck.de/skripten/12/bs12-43.htm Teil 1 - Biologische Grundlagen 12 Anmerkung: Selbst wenn man bei fMRT Messungen einen Anstieg oder eine Verringerung der Hirnaktivität verzeichnen kann, so erlaubt es aber keine Rückschlüsse, was in bestimmten Bereichen des Gehirns im Moment der Aufnahme vor sich geht. (Vgl. Gluck et.al. 2010, S. 65) Das menschliche Nervensystem Das menschliche Nervensystem Zentrales Nervensystem ZNS Peripheres Nervensystem PNS Neuronen im Gehirn und Rückenmark Netzwerk sensorischer und motorischer Neuronen zwischen Zentralnervensystem und Körperoberfläche Endokrines System Drüsen und Hormone (Sexualität, Wachstum) Info von sensorischen Rezeptoren (Auge, Ohr, Haut, etc.) zum Gehirn Botschaft vom Gehirn und Rückenmark zu den Muskeln und Drüsen Zentrales Nervensystem und peripheres Nervensystem stehen andauernd in Verbindung! (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 67) Teilsysteme des Nervensystems Das Hauptinstrument des Organismus, um Informationen von der Umwelt aufzunehmen und die Reaktionen auf diese Informationen zu koordinieren, ist das Nervensystem. Im Normalfall werden die Impulse (Informationen) zu verschiedenen Zentren der Hirnrinde geleitet, wo Empfindungen entstehen. Sie bilden die Basis für Wahrnehmungen. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 68f) Teil 1 - Biologische Grundlagen 13 Zentrales Nervensystem (ZNS) Dieses Subsystem erstreckt sich in den Knochenhöhlen der Wirbelsäule und bündelt sich dicht gepackt im Schädel (Gehirn). Peripheres Nervensystem (PNS) Es verbindet das ZNS mit Rezeptoren und Effektoren. Alle Nervenfasern, die vom ZNS zu den Effektoren führen, bezeichnet man als efferente Fasern, alle Fasern, die die Impulse von den Rezeptoren ins ZNS leiten, als afferente. Endokrines (autonomes) Nervensystem Besteht hauptsächlich aus Drüsen, die im Körper angesiedelt sind und chemische Botenstoffe in den Blutkreislauf ausschütten. Diese Botenstoffe werden Hormone genannt und sind für das Wachstum, Erregung, Sexualverhalten, Stimmung und den Stoffwechsel verantwortlich. An der Spitze des endokrinen Systems reagiert der Hypothalamus, der Verbindungsfunktionen zu anderen Teilen des Gehirns herstellt. Wichtig für die Pubertät ist auch die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse), die Hormone ausschüttet, die wiederum andere endokrine Drüsen beeinflusst, die das Testosteron bei Männern und das Östrogen bei Frauen produzieren. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 76ff) Aufbau eines Neurons Abbildung 9: http://www.google.at/#q=gehirn+neuronen+bilder Teil 1 - Biologische Grundlagen 14 Neuronen sind darauf spezialisiert, Informationen in Form von elektrischen Impulsen weiterzuleiten und zu übertragen. Ein Neuron besteht aus einem Zellkörper mit Kern und aus einer Reihe von faserartigen Fortsätzen. Nur eine einzige Faser, das Axon, übermittelt Informationen. Die Dendriten – so heißen die anderen Fasern – erhalten Informationen von anderen Neuronen. Die Verbindung zwischen zwei Neuronen, das heißt zwischen dem Axon der einen Nervenzelle und einem Dendriten einer anderen Nervenzelle, heißt „Synapse“ oder „synaptischer Spalt“, weil dort ein winzig kleiner Zwischenraum existiert.. (Vgl. Spitzer; 2007 S. 41ff) Hier wird die Information von einer Nervenzelle an die nächste weitergegeben. Dies geschieht mit Hilfe von chemischen Wirkstoffen, die Neurotransmitter heißen. Sie befinden sich in kleinen Bläschen (Vesikel) am Ende des Axons. (Vgl. Spitzer; 2012 S.49f) Neuronenwachstum während der ersten Lebensmonate Abbildung 10: http://www.google.at/#q=gehirn+neuronen+bilder Teil 1 - Biologische Grundlagen 15 Synaptische Übertragung Die Aktionspotentiale laufen entlang der Axone zu den Endknöpfen und werden mittels Synapsen auf das nächste Neuron übertragen. Die Neuronen sind nie direkt miteinander verbunden, sondern es besteht immer ein „Synaptischer Spalt“ dazwischen. Der synaptische Spalt ist nur einen Milliardstel Millimeter breit. Der Prozess der Übertragung beruht auf Trägerstoffen, die „Neurotransmitter“ genannt werden. . (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S83ff) Abbildung 11: http://www.google.at/#q=bilder+synapsen Eine Nervenzelle wird an ihren Dendriten durch einen elektrischen Impuls erregt. Dieser Impuls durchläuft die Zelle bis zum Axonende und bewirkt dort die Ausschüttung der Neurotransmitter in den synaptischen Spalt. Die Neurotransmitter durchwandern den Spalt und verbinden sich kurzzeitig mit den Rezeptoren an den Dendriten des nächsten Neurons. Durch diese Verbindung ist die nächste Nervenzelle erregt worden. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S83ff) Teil 1 - Biologische Grundlagen 16 Zusammenfassung: Aufbau des Gehirns Das dreiteilige Gehirn Stammhirn Kleinhirn Areale Erklärung Verlängertes Mark Regulierung der Vitalfunktionen: Atmung; Herz(Medulla oblonga- rhythmus; Blutdruck ta) Reflexzentren; schlucken; Speichel; Tränen Pons (Brücke) (Cerebellum) Kleinhirn Thalamus Koordination der komplexen Körperbewegungen (Motorik) Kontrolle der Körperhaltung und des Gleichgewichts; direkte Verbindung zum Innenohr Schaltzentrale (Integrationszentrum), wo einlangende Sinnesreize geordnet, selektiert und weitergeleitet werden an die Großhirnrinde (Cortex) – außer dem Geruchssinn. Wach-Schlaf-Rhythmus Liegt unterhalb des Thalamus (fingernagelgroß); Hypothalamus Oberstes Zentrum für (Kreislauf, Stoffwechsel, Nahrung; Wasserhaushalt, Temperatur, Sexualfunktion usw.) und regt an oder hemmt die Hormonausschüttung und die Homöostase engster Zusammenhang mit dem Hypothalamus Hypophyse Hormonausschüttungen zB.: für Wachstum; Ge(Hirnanhangdrüse) schlecht (Östrogen, Testosteron), Adrenalin; Endorphine usw. Epiphyse (Zirbeldrüse) liegt oberhalb des Thalamus; zuständig für wechselnde Stimmungslagen (Biorhythmus); Wetterfühligkeit; Jahreszeit Setzt sich aus einer „in loser Zusammengehörigkeit liegenden“ Struktur zusammen, die außen rund um den Thalamus und unterhalb des Cortex liegt. Das Limbische System ist oberster Sitz aller emotionalen Reaktionen. Zwischen Hirn Gefühle, Affekte von Lust und Unlust (Limbische) System Hippocampus (Seepferdchen) Hat eine wichtige Funktion für das Gedächtnis. Vergleicht einlangende Reizimpulse mit bereits gespeicherten Daten hinsichtlich Neuigkeit; Bedrohlichkeit Teil 1 - Biologische Grundlagen 17 (Mustervergleich); ermöglicht Assoziationslernen Amygdala (Mandelkern) Direkte Reizleitung mit Reaktionsmöglichkeit ohne bewusste Wahrnehmung möglich (emotionale Bewertung: Angst, Aggression (Wut), (frühkindliche oft traumatische Erlebnisse) – die emotionale Entwicklung beginnt, lange bevor die sprachliche Fixierung möglich ist!! Geteilt in 2 Gehirnhälften (Hemisphären) – Verbindung durch das Corpus callosum (Balken mit Milliarden Fasern von Nervenzellen) Großhirn Das Großhirn besteht aus zwei zerebralen Hemisphären und die wiederum setzen sich aus Frontallappen, Scheitellappen, Hinterhauptlappen und Schläfenlappen zusammen. Cortex oder Äußere graue Schicht: jüngster Teil: zuständig für genaue Wahrnehmung, Denken Neocortex Zentren für Sehen; Sprechen; Hören; Denken, Gedächtnis (Vgl. Hilgards et al; 2001 S. 45ff) Als Resümee kann man bei der Gehirnentwicklung nach dem Motto vorgehen „Use it or lose it“ In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von Konsequenzen damit verbunden, die schon seit einiger Zeit Gegenstand der Gehirnforschungen sind. Das Fehlen von bestimmten Außeninformationen oder die Reichhaltigkeit solcher Informationen hat immense Auswirkungen auf die spätere Hirnleistung. Im Kleinkindalter sind solche Außeninformationen an bestimmte Zeitfenster gebunden (sensitive Phasen), wo ein Fehlen von wichtigen Außeninformationen später nur mehr unter sehr großem Aufwand nachgeholt werden kann. (Vgl. Braun, Bock; 2008 in Braun, Scheuch; 2010, S. 25f) Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 18 Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie Was versteht man unter "Lernen" Definition „Lernen kann man als eine relativ überdauernde Verhaltensänderung definieren, die – zumindest in vielen Fällen – als Resultat von Übung eintritt...“ (Hilgards et.al. 2001, S. 231). „Man kann Lernen als einen Prozess definieren, der zu relativ stabilen Veränderungen im Verhalten oder im Verhaltenspotential führt und auf Erfahrung aufbaut“ (Flatschacher; Toyfl, 2000, S. 7) Lernen ist also die Veränderung im Verhalten oder im Verhaltenspotential eines Organismus in einer bestimmten Situation, die auf wiederholte Erfahrungen des Organismus in dieser Situation zurückgeht. Lernen ist ein wertneutraler Begriff. Es geht um die Kennzeichnung von Änderungen menschlicher Verhaltensdispositionen, die durch Verarbeitung von Erfahrungen erklärt werden können. Lernen ist ein Prozess, der sich nicht beobachten lässt. Lerntheorien Mit Fragen über Lernprozesse haben sich Wissenschaftler schon vor über hundert Jahren auseinandergesetzt, um das Phänomen über Lern und Gedächtnisprozesse systematisch zu untersuchen. Letztendlich haben sich drei große Schulen herausgebildet, die in weiterer Folge jeweils Adaptionen erfahren haben. „Man könnte sagen, dass an der Wiege der Bemühungen einer Lerntheorie drei verschiedene Zugänge oder Ebenen erforscht wurden, auf denen man versuchte, das Problem zu lösen. Das Ergebnis waren allerdings auch drei völlig unterschiedliche Lerntheorien“(Guttmann.G in Flatschacher; Toyfl, 2000, S. 7) Kognitive Lerntheorie nach Ebbinghaus: Hermann Ebbinghaus (1850-1909) beschäftigte sich mit der kognitiven Lerntheorie. Er regte in Deutschland durch seine wegweisenden Studien eine Fülle von Untersuchungen im kognitiven Bereich an. Er forschte mit einer Kunstsprache, um das reine Gedächtnis untersuchen zu können (keine Assoziationen, Ausschluss von Interesse!) Er bezeichnete seine Versuchsmethoden als: Methoden der behaltenen Glieder, Wiederholungsmethode, Ersparnismethode Er prägte den Begriff des „Überlernens“, was er als sinnlose Zeitverschwendung definierte. Durch Pausen und Wiederholungen kann die Vergessenskurve flacher werden. Es kommt zur Verknüpfung der Neuronen Engrammbildung Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 19 Ebbinghaus prägte auch den Begriff Halbwertszeit: Wie lange braucht man, bis nur mehr die Hälfte des Wissens vorhanden ist? 30 Minuten Er machte Versuche mit sinnlosen Silben und entwickelte daraus die bekannte Vergessenskurve. Diese sagt aus, dass von 100 % Lernstoffes nach 30 Min. nur mehr 50 % vorhanden ist. (Vgl. Flatschacher; Toyfl, 2000, S. 35) Abbildung 12: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/VergessenEbbinghaus.shtml Diese schon von Hermann Ebbinghaus beschriebene Vergessenskurve wird dann glücklicherweise bald etwas flacher, doch bleibt im Durchschnitt tatsächlich nicht mehr etwa 20 -30 % des Lernstoffes im Gedächtnis Maddox erweiterte die Vergessenskurve nach Ebbinghaus: Maddox forschte im Bereich der kognitiven Gedächtnisforschung und adaptierte bzw. erweiterte die Vergessenskurve von H. Ebbinghaus. Dazu erstellte er Lernkurven für Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten, Gedichte, Prosa und sinnlose Silben. (Vgl. Maddox. H; in Illichmann. A. 1996, S. 60) Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 20 LERNKURVE Lernstoff 100 % Wiederholungen Gesetzmäßigkeiten Gedichte 50 % Prosa 20 % 30 min Zeit t Tage Abbildung 13: Adaptierte eigene Darstellung und Ergänzung zur Darstellung aus Illichmann. A; 1996, S. 60 Assoziationsgesetze: Ebbinghaus hat sich auch mit den sogenannten Assoziationsprinzipien auseinandergesetzt und erforschte elementare Reproduktionsgesetzmäßigkeiten. (Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Assoziationspsychologie) Elementare Gesetzmäßigkeiten sind z.B. Gesetz der räumlichen und zeitlichen Nähe (räumlich Computer-Maus; zeitlich: Iran-Krieg) Gesetz der Ähnlichkeit: (Sommer-Sonne) Gesetz des Gegensatzes: (kalt-warm) Gesetz der ursächlichen Abhängigkeit: (Rose-Duft) Für den Pädagogen ist es daher unerlässlich, Assoziationen zu den Teilbereichen des Lehrstoffes herzustellen und durch praktische Beispiele zu veranschaulichen. Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 21 Behaltenskurve: Wiederholungen Das Gesetz von Ebbinghaus stellt das Verhältnis Lernstoff/Lernaufwand dar: Mit jeder Vergrößerung des Lernmaterials, steigt der Lernaufwand unverhältnismäßig stark an. (Vgl. Flatschacher; Toyfl, 2000, S. 34) 1 Lesung 17 Lesungen 30 Lesungen 44 Lesungen 7 Silben 14 Silben 15 Silben 24 Silben Wiederholungen 44 30 2 17 Silbenanzahl 7 14 15 Abbildung 14: Eigene Darstellung Einflussfaktoren „Vergessen“ Stress Drogeneinfluss Alter Nervosität Depression 24 Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 22 Nach Ebbinghaus ist das einzige Mittel gegen das Vergessen die Wiederholung. Angehende Pädagogen sollten sich diese Gesetzmäßigkeit immer bewusst sein und in den Unterricht integrieren. Abbildung 15: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/Vergessen-Ebbinghaus.shtml Dodsen Yerkes Leistung/Erregungsniveau Die Kurve von Dodsen und Yerkes zeigt deutlich den Zusammenhang von Aktivierung und Leistungsfähigkeit Abbildung 16: Adaptierte Darstellung aus Spitzer, 2006, S. 142 Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 23 Kognitive Lerntheorie nach Piaget Kognitives Lernen nach Jean Piaget (1896 – 1980): Ein wichtiger Vertreter des Kognitivismus ist Jean Piaget, der sich mit dem kognitiven Lernen beschäftigte und daraus sein sehr bekanntes selektives Entwicklungsstufenmodell für die Entwicklungspsychologie entwickelte. Er formte Begriffe wie Assimilation und Akkommodation und fügte diese in seinem Equilibrationsprinzip (Gleichgewichtsprinzip) zu. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 463) Begriffe Assimilation = angleichen Subjekt Adaption Equilibrium Umwelt Akkommodation = anpassen Homöostase Gleichgewicht kognitiv Abbildung 17: Adaptierte Darstellung aus http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOGNITIVEENTWICKLUNG/Piagetmodell.shtml Assimilation: Bei der Assimilation wird die Information so verändert, dass man es in vorhandene Schemata einordnen kann. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 463) Akkommodation: Bei der Akkommodation werden die Schemata selbst verändert, damit sie sich wieder kognitiv einordnen lassen. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 463) Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 24 Beispiel 1 Assimilation - Akkommodation: Das Baby kann beim Übergang vom Trinken an der Mutterbrust zum Trinken aus der Flasche viele Teile des Reaktionsmusters „Saugen“ weiter ausführen (Assimilation der Flasche an das Saugschema). Es muss jedoch den Sauger etwas anders in den Mund nehmen und lernen, den Winkel der Flasche passend zu halten (Akkommodation des Schemas an die Flasche). (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 463) Beispiel 2 Assimilation - Akkommodation: Schüler lernt Bearbeitung von Stahl Stahl Alu Assimilation Assimilation Akkommodation Bearbeitung NEIN Bearbeitung SCHEMA SCHEMA Weitere Beispiele: Handy, Computer … Die 4 Entwicklungsstufen nach Piaget: Jean Piaget gilt als einer der bedeutendster Erforscher der kognitiven Entwicklung von Kindern. Piaget betonte die Wechselwirkung zwischen den natürlich heranreifenden Fähigkeiten des Kindes und deren Auseinandersetzung mit der Umwelt. J. Piaget unterteilte die kognitive Entwicklung des Menschen in vier qualitativ verschiedene Stufen: (Vgl. Lahmer; 2010, S. 219ff) 1. Sensomotorische Phase (Säuglingsalter ca. 0 bis 2 Jahre) Sensorik und Motorik (= Erfahrungen) In der Phase ist das Kind damit beschäftigt, Kontrolle über seine motorischen Bewegungen zu erlangen und Erfahrungen mit physischen Objekten zu sammeln. Kinder entwickeln in dieser Stufe die Objektpermanenz (Hilgards, 2001, S. 79), d.h. sie lernen, dass die Existenz von Objekten nicht von ihrer eigenen Aktivität oder Aufmerksamkeit abhängt. Gegen Ende des 2. Lebensjahres ist die Fähigkeit, nicht gegenwärtige Ereignisse symbolisch wiederzugeben, stark ausgebildet. Das Kind verfügt dann über Abbilder von Gegenständen und kann mit ihnen im Geist umgehen, ohne diese vor sich zu haben. Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 25 2. Präoperationale Phase (2 bis 7 Jahre) ab dem 4. Lebensjahr Egozentrismus In dieser Stufe lernen Kinder, dass Gegenstände nicht nur ständig vorhanden sind, sondern auch gleich bleibend in ihrer Erscheinung, obwohl die Anschauung sich verändert (z.B. Betrachten aus einer anderen Richtung). Das Kind hat auch nur eine eingeschränkte Selbstwahrnehmung bzw. eine egozentrische Sicht. Das Kind kann sich nicht in eine andere Person hineinfühlen. Beim Übergang zur nächsten Stufe erwerben Kinder die Fähigkeiten Kategorien von Objekten zu bilden oder mit Zahlenbegriffen umzugehen. 3. Stufe der konkreten Denkoperation (7 – 12 Jahre) Unter konkretem operationalem Denken wird hier verstanden, dass das Kind (ca. 7. bis 11. Lebensjahr) nun ein Verständnis für die quantitativen Invarianzen (Erhaltungen) von Menge, Masse oder Volumen von festen oder flüssigen Stoffen erlangt. Sie verlassen sich jetzt zunehmend auf Begriffe und Gesetzmäßigkeiten als auf das, was ihre Wahrnehmung sie sehen oder fühlen lässt. Auch haben sie ein Verständnis für die Beständigkeit von Zahlen und Flächen. Beispiel: Füllt man vor den Augen von 5-, 6- und 7-jährigen Kindern zwei relativ breite niedrige Gläser mit der gleichen Menge Limonade, so werden alle diese als gleichvoll bezeichnen. Schüttet man nun die Limonade aus einem der Gläser in ein hohes schmales Glas, so werden die 5-jährigen behaupten, es sei irgendwie mehr geworden. Die 6-jährigen sind sich nicht sicher, aber sie werden wahrscheinlich noch den Jüngeren Recht geben. Die 7-jährigen hingegen werden behaupten, es sei die gleiche Menge an Limonade in dem Glas wie in dem vorherigen. 4. Stufe der formalen Denkoperation (ab dem 11. Lebensjahr) Ab dem Alter von ca. 11 Jahren ist das Kind/der Jugendliche in der Lage abstrakt zu denken, d.h. sein Denken ist nicht mehr an die konkrete Problemstellung gebunden. Er kann also nun hypothetischen Fragen nachgehen und im Geiste dafür logische Beweise und Lösungen entwickeln. Ab dem frühen Jugendalter sind die kognitiven Strukturen soweit vollendet, dass wir Menschen also fähig sind, vom naiven Denker zum Experten zu werden. Es können abstrakte Regeln angewandt werden. Syllogismus (= Schlussfolgerung) ist möglich. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 219ff) Kognitives soziales Lernen am Modell (Albert Bandura) Sein Leben Albert Bandura wurde am 4. Dezember 1925 in der USA geboren. Er studierte Klinische Psychologie und beschäftigte sich mit der Erforschung von Lernprozessen. In weiterer Folge wurde er bei der Beschäftigung mit der Familientherapie mit den gelernten Aggressionsformen konfrontiert. Bei den unterschiedlichsten Experimenten, Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 26 die er durchführte, fand er heraus, dass das Modellernen einen immensen Einfluss auf das Verhalten von Kindern ausübt. Bandura intensivierte daraufhin seine Experimente auf dem Gebiet der Aggressionsforschung durch das Modelllernen. Seine Studien wurden weltberühmt. (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Modelllernen.shtml) Zum Begriff Modellernen Neben dem zentralen Begriff "Lernen am Modell" oder "Modelllernen" findet man die Bezeichnung "Nachahmungs-" und "Imitationslernen", "Vorbildlernen", "Beobachtungslernen" und "stellvertretendes Lernen Die von A. Bandura eingeführte Bezeichnung steht für einen kognitiven Lernprozess, der vorliegt, wenn ein Individuum als Folge der Beobachtung des Verhaltens anderer Individuen sowie der darauf folgenden Konsequenzen sich neue Verhaltensweisen aneignet oder schon bestehende Verhaltensmuster weitgehend verändert. Der Lernende wird dabei Beobachter (observer) genannt, der Beobachtete Modell (model) oder Leitbild. (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Modelllernen.shtm) Nach Albert Bandura ist das Modelllernen eine Lerntheorie wie die Klassische Konditionierung oder die behavioristischen Modelle von Thorndike und Skinner. Dass Modelllernen auch die Aggression fördern kann, versucht M. Spitzer in seinem Buch „Digitale Demenz“ (Vgl. Spitzer, 2012, S. 198) vehement darzustellen und fordert ein Umdenken in der Nutzung von modernen Medien ein. Beispiel 1 An einem klassischen Beispiel von Bandura wird das Modelllernen in einem Versuch verdeutlicht: Vorschulkinder wurden in vier Gruppen eingeteilt, die unterschiedliche Erfahrungen machten: Gruppe A machte die Beobachtung eines aggressiven Erwachsenen. Gruppe B beobachtete den gleichen Erwachsenen in einem Film. Gruppe C wurde eine als Katze verkleidete Figur in einem Film mit gleichem aggressiven Verhalten präsentiert. Gruppe D war Kontrollgruppe ohne aggressives Modell. Das aggressive Verhalten bestand in der Misshandlung einer großen Puppe. Anschließend wurden die Kinder in einen Raum gebracht, in dem sich die Spielpuppe befand. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Die Kinder der Experimentalgruppen A bis C zeigten fast doppelt so viele aggressive Akte wie die der Kontrollgruppe. Das menschliche Filmmodell (Gruppe C) hat dabei offensichtlich die stärkste Wirkung gehabt. (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/LERNEN/Modelllernen.shtml) Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 27 Abbildung 18: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Modelllernen.shtml Beispiel 2 Kinder sahen einen brutalen Fernsehfilm, wo eine Modellperson mit Gewalt und verbalen Schimpfwörtern gegen eine lebensgroße Puppe vorging. Es gab 3 Versuchsbedingungen 1. Stellvertretende Bestrafung (Tadelung der Modellperson und schlagen mit Zeitung) 2. Stellvertretende Verstärkung (Modellperson gelobt und mit Süßigkeiten beschenkt) 3. Neutral (keine Konsequenzen für aggressives Verhalten) Ergebnis: Kinder der Gruppe 2 und 3 imitierten spontan die beobachtbaren Aggressionen in wesentlich höherem Ausmaß als Kinder der der 1 Versuchsgruppe. (Vgl. Stifter, 1995, S. 42) Es gilt heute als gesichert, dass wir prosoziale als auch unsoziale Verhaltensweisen durch die Beobachtung von Modellen lernen. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S233) Man muss diese Ergebnisse jedoch differenzieren. Vom Erlebten bis zur Ausführung eines Verhaltens durchläuft der Beobachter die im Folgenden beschriebenen vier Verarbeitungsphasen, die Bandura und seine Forschungsgruppe herausgearbeitet haben: 1. Aufmerksamkeitszuwendung 2. Behaltensphase 3. Reproduktionsphase 4. Motivationale Phase Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 28 Abbildung 19: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Modelllernen.shtml Es müssen jedoch bestimmte Bedingungen herrschen, damit ein Modelllernen stattfindet: a) Ähnlichkeit zwischen Modell und Beobachter: Der Beobachter nimmt am Modell ein Verhalten wahr, dass er selbst realisieren möchte. b) Emotionale Beziehung zwischen Beobachter und Modell: Je intensiver die Beziehung, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit der Verhaltensnachahmung c) Konsequenzen des Verhaltens: Vermutet der Beobachter hinter dem gesehenen Verhalten einen Erfolg, dann ist die Wahrscheinlichkeit der Nachahmung größer. d) Stellvertretende Verstärkung: Sieht der Beobachter die Konsequenzen am Modell nach einem Verhalten, so wirkt sich dieses auf sein Handeln aus. e) Sozialer Status des Modells: Personen, die einen höheren sozialen Status als der Beobachter haben, werden eher nachgeahmt, als Personen mit gleichem oder niedrigerem Status. f) Soziale Macht des Modells: Das Modell sollte Macht oder andere kontrollierende Merkmale auf den Beobachter ausüben können. Dem Beobachter ist bewusst, dass das Modell belohnen oder bestrafen kann. Hierin äußert sich die Machtposition. ( http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Modelllernen.shtml) Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 29 Behavioristische Lerntheorien Das behavioristische Modell wird häufig als „Black – box - Modell bezeichnet Abbildung 20: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Behaviorismus.shtml Dreher (2003) bezeichnet die behavioristischen Lerntheorien auch als „Assoziationistische Ansätze“. (Vgl. Dreher; 2003, S. 22) Diese teilt er in 2 Cluster 1. Klassische Konditionierung 2. Operantes Konditionieren Instrumentelles Konditionieren Konditionierungstheorie nach Pawlow Ivan Petrowitsch Pawlow: Der Vater der Verhaltenspsychologie Da die Wichtigkeit der „Klassischen Konditionierung“ in der pädagogischen Psychologie einen breiten Raum einnimmt, soll hier ein kurzer Lebenslauf des Forschers und Begründers der KK dargestellt werden. Im Jahre 1849 wurde Ivan Petrowitsch Pawlow in Russland geboren. Die Kindheit verbrachte er auf einen Bauernhof. Durch einen Unfall in der Kindheit konnte er nicht schwer arbeiten, so begann er sich für theologische und naturwissenschaftliche Bereiche zu interessieren. Gegen den Wunsch seiner Eltern begann Pawlow ein Medizinstudium. Er schloss dieses Studium mit einer Habilitation ab und ging anschließend nach Deutschland, um sich in der Physiologie ausbilden zu lassen. Sein Interesse bekundete er nun alleine durch die Forschung, was aber zur Folge hatte, dass Pawlow ständig in Geldnot war. Pawlow lehnte Stellenangebote ab, wo er sich nicht seiner Forschungen widmen konnte. Durch seine Arbeiten wurde er bald eine anerkannte Persönlichkeit und Pawlow bekam eine Professur in Petersburg. Sein Hauptforschungsgebiet war die Frage, wie der Körper die Verdauung reguliert. Er gründete dazu das „physiologische Labor für experimentelle Medizin" in dem er lange seine Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 30 Forschungsexperimente durchführte. Als „Nebenprodukt“ seiner Experimente, die er mit Hunden durchführte, entwickelte er die „Klassische Konditionierung“. Als Anerkennung für seine Forschungsarbeiten wurde ihm 1904 der „Nobelpreis für Physiologie und Medizin" verliehen. 1936 starb Pawlow als einer der berühmtesten Physiologen seiner Zeit. (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/LERNEN/KonditionierungKlassisch.shtml#Eine neue Perspektive auf Pawlo) Die klassische Konditionierung Mit der Entdeckung des bedingten Reflexes legte Pawlow den Grundstein für die Entwicklung der modernen Lernforschung und Lerntheorie in der Psychologie. Im Anschluss an diese Entdeckung begann Pawlow mit der systematischen Erforschung der verschiedensten Konditionierungsphänomene, die zur Grundlage fast aller Lerntheorien geworden sind. Untersuchungsphasen – Übersicht (Vgl. Stifter, 1995, S. 6f) PHASE BEOBACHTUNG BEISPIEL unbedingter Reiz unbedingte Reaktion Futter Speichelfluss neutraler Reiz Orientierungsreaktion Ton Kopfdrehen Neutraler Reiz + unbedingter Reiz unbedingte Reaktion Ton Futter Speichelfluss Neutraler Reiz wird bedingter Reiz bedingte Reaktion Ton Speichelfluss Löschungsphase Nur bedingter Reiz bedingte Reaktion setzt aus Nur Ton Speichelfluss setzt aus Spontanerholung Nur bedingter Reiz erneute bedingte Reaktion Nur Ton erneuter Speichelfluss Kontrollphase Trainingsphase Ergebnis Kontrollphase Im ersten Versuchsstadium wird dem Hund Futter dargeboten und die daraufhin unwillkürlich erfolgende Speichelsekretion festgehalten. Das Futter wirkt dabei als angeborener Auslöser, unbedingter Reiz (unconditioned stimulus) genannt, die unbedingte Reaktion (unconditioned reaction) ist der Speichelfluss. Dieser Vorgang stellt eine angeborene Reiz-Reaktions-Verbindung dar und kann noch nicht als Lernen bezeichnet werden. Des Weiteren wird ein neutraler Reiz, z.B. ein Ton, erzeugt, der die unbedingte Reaktion Speichelfluss nicht hervorrufen darf. Es erfolgt nur eine Orientierungsreaktion, z.B. ein Kopfdrehen. Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 31 Trainingsphase und Ergebnis Trainingsphase: neutraler Reiz + unbedingter Reiz unbedingte Reaktion Ergebnis: neutraler Reiz wird bedingter Reiz bedingter Reiz bedingte Reaktion Im zweiten Versuchsstadium werden mehrmals gleichzeitig Futter (unbedingter Reiz) und ein neutraler Reiz, z.B. ein Ton, dargeboten. Das Versuchstier reagiert wegen des anwesenden unbedingten Reizes mit der unbedingten Reaktion Speichelfluss. Aufgrund dieser mehrmaligen Reizkopplung folgt im dritten Stadium des Experiments als Ergebnis die Speichelabsonderung allein auf die Darbietung des Tones. Dieser wird nun bedingter Reiz (conditioned stimulus) genannt und der durch ihn ausgelöste Speichelfluss bedingte Reaktion (conditioned reaction). Die relevanten Parameter zur Ausbildung einer bedingten Reaktion sind einerseits der zeitliche Abstand und die Dauer des neutralen und unbedingten Reizes, sowie andererseits die Anzahl notwendiger gemeinsamer Kopplungen. Der Frage nach dem optimalen Zeitintervall zwischen den Reizen wird im Abschnitt „Zeitliche Abhängigkeit bedingter Reaktionen“ nachgegangen. Bezüglich der Anzahl notwendiger gemeinsamer Reizdarbietungen ist festzuhalten, dass sie sowohl innerhalb als auch zwischen verschiedenen Arten sehr großen Schwankungen unterliegt, und von einer einzigen Kopplung bis zu mehreren hundert Versuchsdurchgängen reichen kann. Darüber hinaus eignet sich nicht jeder beliebige Reiz - wie Pawlow ursprünglich annahm - als bedingter Stimulus. Grundvoraussetzung für bedingte Reaktionen bildet jedoch in jedem Fall eine begrenzte Anzahl in der Primärausstattung. D.h. von Geburt an vorhandene, genetisch festgelegte Reiz-Reaktions-Verbindungen, die sog. unbedingten Reflexe (z.B. Schluck-, Speichel-, Beuge- und Lidschlagreflex). Löschungsphase nur bedingter Reiz bedingte Reaktion setzt aus Wurde eine bedingte Reaktion ausgebildet, so bedarf es zu ihrer Beibehaltung gelegentlicher weiterer Kopplungen des bedingten mit dem unbedingten Stimulus. Dieser Sachverhalt veranlasste Pawlow, den unbed. Stimulus als einen Bekräftiger (Verstärker) zu interpretieren. Bleibt die Bekräftigung vollständig aus, kommt es zu einer sukzessiven Rückbildung der konditionierten Reaktion, d.h. der bedingte Reiz verliert allmählich seine Reflexauslösende Wirkung. Den Rückgang einer bedingten Reaktion aufgrund fehlender Reizkopplung nennt man Extinktion oder Löschung. Experimentell lässt sich dies erreichen, indem der bedingte Reiz entweder oft hintereinander oder ununterbrochen ohne Bekräftiger präsentiert wird, bis die bedingte Reaktion nicht mehr auftritt. Spontanerholung nur bedingter Reiz erneute bedingte Reaktion Einige Zeit, nachdem eine bedingte Reaktion durch Löschung verschwunden ist, kann diese unter Umständen aber wieder spontan auf den bedingten Stimulus hin Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 32 auftreten, trotz dessen ausgebliebener Verstärkung durch den unbedingten Reiz. Diese Spontanerholung ist aber von geringerer Intensität als die ursprüngliche bedingte Reaktion und bildet sich in wiederholten Tests bald vollständig zurück. (Vgl. Stifter, 1995, S. 7f) Typischer Verlauf einer Konditionierung Abbildung 21: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/KonditionierungOperant.shtml Generalisation Hierunter versteht man eine Ausweitung des Auftretens einer konditionierten Reaktion auf den konditionierten Reiz ähnliche Stimuli. Diese Ausweitung erfolgt ohne weiteres zu tun und kann sich je nach verwendetem Reiz auf physikalische oder psychologische, quantitative oder qualitative Aspekte beziehen. (Vgl. Hilgards, et.al. 2001, S. 235) Beispiel: Auf einen Ton von 1800 Hz wurde eine konditionierte Reaktion ausgebildet. Treten nun Töne von 1600 oder 2000 Hz auf, so erfolgt die gleiche konditionierte Reaktion, wenngleich in etwas schwächerer Form. Die Intensität der Reaktion variiert in Abhängigkeit von der Ähnlichkeit des Reizes mit dem ursprünglich verwendeten Stimulus. Dieser Zusammenhang lässt sich graphisch durch den Generalisationsgradienten darstellen. Die Bedeutung der Generalisation ist vor allem in einer erhöhten Anpassungsleistung des Organismus an die Umwelt zu sehen, da er sich nicht ständig auf kleine Schwankungen auf der Stimulusseite neu einstellen muss. 30 20 10 0 400 1200 Abbildung 22: Eigene Darstellung der Generalisation 1800 Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 33 Diskrimination Der komplementäre Begriff zur Generalisation ist die Diskrimination. Das Prinzip der Diskrimination führt zu einer differenzierten Reaktion auf Reizunterschiede, die gelernt werden. Dieser Effekt bewirkt eine Einengung der bedingten Reaktion auf einen ganz begrenzten Stimulusbereich. (Vgl. Stifter, 1995, S. 6f) Beispiel Der Speichelfluss des Hundes erfolgt auf einen Ton von 1800 und nicht von 2000 oder 1600 Hz. Experimentell lässt sich dies am einfachsten durch eine Ausdehnung der Trainingsphase, also sehr viele Reizkombinationen, erreichen. D.h., bei entsprechend langer Übung nimmt die Generalisation von alleine ab. Im Labor erreicht man Diskrimination auch durch den gezielten Einsatz des unbedingten Reizes. Bietet man z.B. sowohl Töne von 1600, 1800, 2000 ... Hz an, lässt den unbedingten Reiz aber nur auf den Ton von 1800 Hz folgen, so reagiert das Versuchstier bald nur noch auf den Ton von 1800 Hz mit der bedingten Reaktion. Eine Differenzierung gelingt umso leichter, je unterschiedlicher die verwendeten zu diskriminierenden Reize sind, und sie wird mit zunehmender Ähnlichkeit der Reize zeitaufwendiger. Ist das Versuchstier jedoch nicht mehr in der Lage, die zu unterscheidenden Stimuli auseinander zu halten, kann es zu so genannten experimentellen Neurosen kommen. Experimentelle Neurose als Folge von Diskrimination Pawlow berichtete von einem Versuch, bei dem zuerst eine bedingte Reaktion (Speichelfluss) auf einen Lichtkreis ausgebildet wurde, der auf eine vor dem Versuchstier stehende Scheibe projiziert wurde. Im anschließenden Diskriminationsprozess bot der Experimentator den Kreis mit dem unbedingten Stimulus (Futter) und eine Ellipse, so dass sich eine Diskrimination einstellte. D.h., der Hund reagierte auf den Kreis mit der bedingten Reaktion, auf die Ellipse jedoch nicht. Die Diskrimination wurde nun schrittweise immer stärker verfeinert, das Halbachsenverhältnis der Ellipse also dem Kreis angeglichen. Als sich die Ellipse mehr dem Kreis annäherte reagierte der Hund plötzlich ungewohnt. Der Hund verlor die zum Teil bereits gut beherrschte bedingte Reaktion. Dieses Verhalten nannte Pawlow experimentelle Neurose. (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/KonditionierungOperant.shtml) Konditionierung höherer Ordnung (Vgl. Flatschacher; Toyfl, 2000, S. 34) neutraler Reiz 1 + unbedingter Reiz unbedingte Reaktion neutraler Reiz 1 wird bedingter Reiz 1 bedingter Reiz 1 bedingte Reaktion neutraler Reiz 2 + bedingter Reiz 1 bedingte Reaktion neutraler Reiz 2 wird bedingter Reiz 2 bedingter Reiz 2 bedingte Reaktion Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 34 Bei der Konditionierung höherer Ordnung erfolgen mehrere Trainingsphasen, wobei der bedingte Reiz aus der 1. Phase die Funktion des unbedingten Reizes in der 2. Phase übernimmt. Als Resultat führt nun der zweite neutrale Reiz ebenfalls zur bedingten Reaktion, wird also zu einem bedingten Reiz zweiter Ordnung. Setzt man diesen in einer dritten Trainingsphase quasi als unbedingten Reiz ein und bietet ihn wieder mit einem neuen neutralen Reiz dar, so gewinnt auch dieser dritte Reiz die Fähigkeit zur Auslösung der bedingten Reaktion. In Versuchen mit Ratten wurden von Robert Ader und Nathan Cohen (1981) Experimente durchgeführt, wo das Immunsystem von Ratten aufgrund von Konditionierung geschwächt wurde. Dieses Ergebnis war so bahnbrechend, dass ein neues Forschungsgebiet, die Psychoneuroimmunologie, entstand. (Vgl. Zimbardo; Gerrig; 1999, S. 216) Zeitliche Abhängigkeit bedingter Reaktionen (Kontiguität) Die Leichtigkeit des Zustandekommens bedingter Reaktionen wird wesentlich durch die zwischen bedingtem und unbedingtem Reiz bestehenden zeitlichen Verhältnisse bestimmt. In der experimentellen Literatur werden deshalb bedingte Reaktionen aufgrund dieser Zeitaspekte klassifiziert. (Vgl. Stifter; 1995, S.8) Forward Pairing Ton Futter Simultaneous Pairing Ton Futter Backward Pairing Ton Futter 0 10 20 30 40 Zeit (Sekunden) 50 Abbildung 23: Adaptierte eigene Darstellung aus A. Stifter; 1995 S. 8 Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 35 Forward Pairing: Verzögerte Konditionierung: Neutraler Reiz beginnt vor unbedingtem Reiz Simultaneous Pairing: Gleichzeitig bedingte Konditionierung: Neutraler und unbedingter Reiz treten gleichzeitig auf bzw. der bedingte Reiz beginnt kurz vor dem unbedingten Reiz. Backward Pairing Rückwärts bedingte Konditionierung: Neutraler Reiz erscheint nach unbedingtem Reiz Die zeitliche Beziehung zwischen einem neuralen/unbedingten Reiz ist von großer Bedeutung. Nach Stifter (1995) lassen sich bedingte Reaktionen am leichtesten bilden, wenn der neutrale Reiz kurz vor dem unbedingten Reiz auftritt. Bei der gleichzeitigen Darbietung von beiden Reizen werden schlechtere Ergebnisse erzielt, da der neutrale Reiz keine Signalwirkung hat. Eine rückwirkende Konditionierung hat keinen Erfolg. (Vgl. Stifter; 1995, S. 8) Behaviorismus (amerikanische Schule) Der Behaviorismus gehört zu den einflussreichsten Schulen der amerikanischen Psychologie. Sie wurde 1913 durch Watson gegründet. Sie ist eine allgemeine und umfassende Bezeichnung für alle beobachtbaren Aktivitäten des lebenden Organismus. VERHALTEN = amerik. BEHAVIOR, engl. BEHAVIOUR Watson geht davon aus, dass die Introspektion keine akzeptable Methode zur Untersuchung von Verhalten darstellt. Er akzeptiert lediglich das beobachtbare Verhalten als ein probates Mittel, um aussagbare Daten zu erhalten. Diese Beobachtungen müssen messbar gemacht werden. Folglich definiert Watson als Hauptziel der Psychologie, die „Vorhersage und Kontrolle des Verhaltens“ (Watson in Zimbardo; Gerrig; 1999, S. 207) Im frühen Behaviorismus wurde lediglich die Tätigkeit der Muskeln und Drüsen als Verhalten angesehen. Heute zählt zum Verhalten auch denkerische Tätigkeiten sowie Mimik, Gestik und Haltung. Die wichtigste Methode des Behaviorismus ist das Tierexperiment. Die dort erlangten Untersuchungsergebnisse werden auf den Menschen übertragen. Die bekanntesten Vertreter dieser Schule sind: Skinner, Thorndike und Watson Die einzelnen Forscher entwickelten sehr unterschiedliche Theorien und die extremste Form, der deskriptive Behaviorismus, wurde von Skinner begründet. Diese Theorie wird deshalb als besonders extrem angesehen, weil sie von dem Menschen als einem "leeren Organismus" ausgeht. Physiologische und psychologische Variablen werden dabei völlig ausgeschlossen. Skinners Variante des Behaviorismus bildete den Ausgangspunkt für die Verhaltensanalyse, eine Position der Psychologie, die sich mit der Aufdeckung von spezifischen Umwelteinflüssen auf das Lernen und Verhalten bezieht. (Vgl. Zimbardo; Gerrig; 1999, S. 207) Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 36 Instrumentelles Konditionieren (Thorndike) Das instrumentelle und operante Konditionieren bezeichnet eine Lernform. Ausgangspunkt für das instrumentelle Konditionieren ist das Lernen durch „Versuch und Irrtum“ (Trial & Error) Edward Lee Thorndike Geburtsdatum: 31. August 1874 Geburtsort: Williamsburg, Massachusetts, USA Wirken: Amerikanischer Psychologe und Begründer der instrumentellen Konditionierung. Seine Verhaltensstudien an Tieren und speziell über Lernvorgänge führten zur Theorie des Behaviorismus. Werke: Edward L. Thorndike, Arthur I. Gates: Elementary Principles of Education. MacMillan, New York 1930 (Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Lee_Thorndike) Einführung: Instrumentelle Konditionierung Thorndike entwickelte einen „Problemkäfig“, der sich von innen durch einen Druck öffnen ließ. Wurde nun eine Katze in diesen Käfig gesperrt, konnte durch zufälliges Berühren eines Hebels eine Klappe geöffnet werden und die Katze erlangte die Freiheit. In weiteren Versuchsdurchgängen zeigte sich, dass die Katze immer weniger Zeit brauchte, um sich zurechtzufinden. Am Ende hatte die Katze gelernt, möglichst schnell den Hebel zu finden, um die Freiheit zu erlangte. Die Bezeichnung für diese Variante des Bekräftigungslernens ist die instrumentelle Konditionierung, Lernen am Erfolg, Lernen durch Versuch und Irrtum. (Vgl. Illichmann; 1995, S.72f) Im „Effektgesetz“ respektive „Gesetz der Wirkung“ oder auch “Lernen am Erfolg” wird Thorndikes Lernprinzip beschrieben, dass Verhaltensweisen, die angenehme Konsequenzen zur Folge haben, später häufiger auftreten, während Verhaltensweisen, denen unangenehme Konsequenzen folgen, seltener gezeigt werden. (Vgl. http://lexikon.stangl.eu/3372/effektgesetz/) Abbildung 24: http://lexikon.stangl.eu/3372/effektgesetz/ Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 37 Operantes Konditionieren (Skinner) Ausgangspunkt für operantes Konditionieren ist das Prinzip „Lernen am Erfolg“. Während beim klassischen Konditionieren Reaktionen eines Organismus durch Darbietung eines Reizes ausgelöst werden, handelt es sich beim operanten Konditionieren um spontan auftretende und aktiv produzierte Reaktionen eines Organismus. Die Reaktionen haben keinen zwingenden Bezug zu vorausgehenden Stimulusbedingungen. Die auf sie folgenden Bedingungen entscheiden über ihr zukünftiges Auftreten oder ihre Intensität. Im Gegensatz zum klassischen Konditionieren (dem Vorläufer des operanten Konditionierens) wird der Reiz nicht unabhängig von einer Reaktion präsentiert, sondern es erfolgt erst ein Reiz, wenn eine bestimmte Reaktion eintritt. Operant werden jene Verhaltensweisen genannt, die vom Lernenden selbst hervorgebracht werden. Wesentlich dabei ist, dass dieses Verhalten durch bestimmte Konsequenzen verstärkt wird. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 109) Burrhus Frederic Skinner Geburtsdatum: 20.03.1904 Geburtsort: Susquehanna, Pennsylvania Ausbildung: Studium der PSYCHOLOGIE an der Harvard-University Dort seit 1948 als Professor der Psychologie beschäftigt. Werke: Walden Two (Futurum II), New York 1948 The analysis of behavior. Toronto-London 1961 (mit J.-G. Holland) Er setzte die Arbeit von L.E. Thorndikes „Instrumentelle Konditionieren“ fort und entwickelte daraus die „Operante Konditionierung“ ( Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/B._F._Skinner) Einführung operante Konditionierung Skinners Experimente bezogen sich auf „Lernen durch Erfolg“ bzw. durch positive Verstärkung. Ein erwünschtes Verhalten wird positiv verstärkt, indem es belohnt wird, wie z.B. in der Skinner-Box durch eine Futterkugel. Er unterscheidet dabei zwei Verstärkungsarten. Zum einen die positive Verstärkung und zum anderen den Entzug von unangenehmen Konsequenzen, die negative Verstärkung. Die negative Verstärkung ist keine Form der Bestrafung. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 110f) Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 38 Eines der berühmtesten Beispiele dafür ist die "Skinner Box": Abbildung 25: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/KonditionierungSkinner.shtml Eine Skinnerbox ist ein Käfig, in dem sich ein Versuchstier, z.B. eine Ratte, durch Betätigen eines Hebels (operante Reaktion) Futter (Verstärker) beschaffen kann. Durch Beobachtung des Versuchstiers können abhängige und unabhängige Variablen für das Konditionieren festgestellt werden. Die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Verhaltensweise wird durch "verstärkende" Konsequenzen erhöht. Prinzip der Verstärkung Durch die Verstärkung zufällig auftretender Elemente eines erwünschten Verhaltens kann das Auftreten erwünschter Verhaltensweisen oder die Formung neuer Verhaltensweisen gefördert werden. Neue Verhaltensweisen können durch erfolgreiches Ausprobieren erworben werden. (Vgl. Stifter; 1995, S.23) 4 mögliche Beziehungen von Verstärker (Vgl. Stifter; 1995, S.23) Verstärkung = Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens nimmt zu Bestrafung = Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens wird unterdrückt positiv negativ Typ1 Typ2 angenehmer Stimulus wird hinzugefügt unangenehmer Stimulus wird reduziert unangenehmer Stimulus wird zugefügt angenehmer Stimulus wird weggenommen Ignorieren = Löschung des Verhaltens Auf gezeigtes Verhalten folgt kein Stimulus (Reaktion) Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie 39 Verstärker (Vgl. Stifter; 1995, S.23) Primäre Verstärker: Verstärkungskraft ist angeboren Sekundäre Verstärker: Ehemals neutrale Reize, die durch Kopplung mit einem primären Verstärker ihre Bekräftigungswirkung erhalten haben Verstärkerpläne (Vgl. Stifter; 1995, S.25) Wirkung von Verstärkungsplänen - fixierter Quotenplan Wirkung von Verstärkungsplänen - variabler Quotenplan Wirkung von Verstärkungsplänen - fixierter Intervallplan Wirkung von Verstärkungsplänen - variabler Intervallplan A - fixierter Quotenplan B - variabler Quotenplan C - fixierter Intervallplan D - variabler Intervallplan Konsequenz Es gibt also die Möglichkeit dem Verhalten Reizbedingungen (angenehme oder unangenehme) in divergierenden Quoten oder Intervallplänen zuzuführen. Die Konsequenz daraus ist die Förderung oder die Unterdrückung einer Verhaltensweise Beispiele Programmierter Unterricht: Skinner entwickelte den „Programmierten Unterricht“ und die Methode des „Programmierten Lernens“, die darauf abzielt, den Lernstoff in kleinere Einheiten zu zerlegen und immer wieder Antwortmöglichkeiten einzuflechten. Durch diese Antwortmöglichkeiten können „Verstärker“ eingesetzt werden. Durch den Einzug des Computers in den Unterricht hat diese Lehr- und Lernmöglichkeit auch in Bezug auf die Individualisierung eine neue Bedeutung erhalten. (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/KonditionierungSkinner.shtml) Premarck Prinzip: Mit diesem Prinzip ist es möglich, mit Spielmarken (Token), Gutscheinen etc. ein erwünschtes Verhalten herbeizuführen. (Vgl. Zimbardo; Gerrig; 1999, S. 224) Pädagogische Praxis 40 Pädagogische Praxis Methode zum kooperativen Lernen aus Texten (Vgl. Dreher; 2003, S.98) Der Text wird in Leseabschnitte gegliedert Ein Partner erklärt dem anderen Zuhörer den Sachverhalt Der andere Partner kann bei Unklarheiten nachfragen Beide gemeinsam erarbeiten eine Elaboration Die nächsten Textabschnitte werden jeweils mit vertauschten Rollen bearbeitet Stufen des Wissenstransfers von einer Basis- auf eine Zielaufgabe (Vgl. Steiner in Dreher; 2003, S. 71) Phase 1 – Kodierung - die Aufnahme des Lernmaterials Hier wird z.B. durch Lesen oder Stoffübermittlung des Lehrers neues Lernmaterial aufgenommen. Die unterschiedlichen Lernkanäle, auf die allerdings erst später eingegangen wird, haben einen entscheidenden Einfluss auf die erfolgreiche Aufnahme des Stoffes. Bei der Aufnahme befindet sich der Lernende in einer eher passiven Phase, da er das neue Wissen noch nicht anwenden kann und auch nicht genau weiß, ob er alles richtig verstanden hat. Phase 2 – Abrufen - die Verarbeitung des Lernmaterials In dieser Phase wird der aufgenommene Stoff verarbeitet. Die neuen Informationen werden eingeordnet, Begriffen zugeordnet und strukturiert. Stufenweise wird das neue Wissen eingeordnet. Voraussetzung für die Verarbeitung ist allerdings ein Interesse an Erkenntnis. In dieser Phase bekommt der Lernende einen ersten Überblick darüber, was er gelernt hat. Phase 3 – Auswählen und Abbilden - die Vertiefung des Lernmaterials Diese Phase schließt sich direkt an die Phase der Verarbeitung an. Der Stoff wird mit schon gelernten Themen in Verbindung gebracht und zu diesen zugeordnet. Das funktioniert umso besser, wenn diese neu gelernten Themen zu ähnlichen schon gelernten und verarbeiteten Themen zugeordnet werden können. Diese Phase des Lernens vollzieht sich zu einem großen Teil unbewusst und mit der rechten Gehirnhälfte. Durch diese Vertiefung des Stoffes wird das neue Wissen noch verfestigt. Phase 4 – Abstrahieren - der Transfer des Lernmaterials Der Transfer ist die Anwendung des Gelernten. Der Lernende wiederholt hier den Stoff, indem er ihn anwendet. Dadurch erhält er zudem eine Einsicht darin, ob er den Stoff erfolgreich gelernt hat oder ob er noch üben muss. Beim erfolgreichen Transfer des Stoffes wird das neue Wissen noch stärker im Gedächtnis verfestigt und der Lernende bekommt die Bestätigung bzw. positive Verstärkung erfolgreich gelernt zu haben. Pädagogische Praxis 41 Inhaltswissen – Zur Bedeutung inhaltlichen Vorwissens (Vgl. Friedrich, Mandl in Dreher; 2003, S. 62) Generelle Voraussetzung für den weiteren Wissenserwerb Umfang (Menge), Organisiertheit (Struktur), und Zugänglichkeit (Vernetzung) beeinflusst den weiteren Wissenserwerb Anknüpfungspunkte für die Integration neuer Information in die bestehende kognitive Struktur Filter für die Interpretation neuer Information Vorwissen erleichtert o Die Konstruktion von Bedeutung o Die Einschätzung der Relevanz neuer Information o Den Prozess des Erschließens (Schlussfolgerung) o Die Überwachung des Verstehens Gedächtnishemmungen und Lernstörungen Was für Hinderungsgründe und innerpsychische Prozesse können die Ursache für Lernprobleme und Lernhemmungen sein? In diesem Teil soll auf die Probleme beim Lernen eingegangen werden, die zum einen durch psychische Prozesse beim Lernen entstehen können und zum anderen durch veraltete und fehlerhafte Lernmethoden entstehen können. Viele Menschen verbinden Lernen mit negativen/schwarzen Gefühlen. „ Für viele Menschen ist Lernen identisch mit Pauken und vor allem damit, dass es keinen Spaß macht. Auch das ist gelernt“ (Spitzer; 2006, Vorwort) Sie haben verlernt, dass Lernen Spaß machen kann. Durch Eltern und Lehrer und durch eigene überhöhte Ansprüche stehen sie unter dem Druck, gute Noten zu bekommen. Durch diese Anspannung werden körperliche Prozesse aktiviert (z.B. Ausschüttung von Adrenalin), die die Aufnahme bzw. die Verarbeitung von zu lernenden Themen erheblich erschweren. Dieser Prozess wird als emotionale Lernhemmung bezeichnet. Diese Einstellung zum Lernen hemmt auch die Motivation, denn es wurde verinnerlicht, dass Lernen Angst macht und anstrengend ist. Es entstehen Bedingungen zur Anstrengungsvermeidung (Vgl. Rollett, 1997, S.139) Die Motivation ist allerdings ein zentrales Moment des Lernens. Lernprobleme entstehen auch, wenn über eine zu lange Zeit derselbe Lernstoff gelernt wird. Der Lernstoff wird zwar im Gedächtnis behalten, aber dadurch, dass ein weiterer Lernstoff hinzukommt, entstehen Probleme, das Gelernte richtig einzuordnen und sacken zu lassen bzw. zu verdauen. Dieser Prozess wird umso stärker, je ähnlicher der zu lernende Stoff ist. „Die Psychologie spricht deshalb auch von einer ‚Ähnlichkeitshemmung’ Eine „Retroaktive Hemmung“ liegt vor, wenn bei der Festigung des zuvor gelernten Lernstoffes zu wenig Zeit zur Engrammbildung bleibt und gleich darauffolgend der nächste Lernstoff angeeignet wird. Nach dem bewussten Lernen läuft ein Konsolidie- Pädagogische Praxis 42 rungsprozess ab, der besonders in seiner frühen Phase störanfällig ist. (Vgl. Flatschacher; Toyf; 2000, S.42) Der Arbeit wird häufig nur ein Endziel zugeordnet. Dieses zu erreichen ist schwer und dauert lange, was zwangsläufig zu Enttäuschung und Frustration führt. Diese Enttäuschungen und somit Lernhemmungen treten auch auf, wenn versucht wird, kurz nach dem schon etwas anderes gelernt wurde, neuen Lernstoff aufzunehmen. Diese Hemmung wird „Proaktive Hemmung“ bezeichnet (Vgl. Flatschacher; Toyf; 2000, S.42)l Als „Ekphorische Hemmung“ wird eine Lernbeeinträchtigung bezeichnet, wo kurz vor der Wiedergabe des zuerst gelernten Stoffes ein neuer Lernstoff aufgenommen wird. (Vgl. Flatschacher; Toyf; 2000, S.42)l Lernkanäle (Vgl. http://www.cornelsen.de/be-my-guest/1.c.3061090.de) Viele Schüler stützen sich beim Lernen ganz vorrangig auf das Hören und Sehen/Lesen. Lernaktivitäten wie Schreiben, Nachschlagen, Strukturieren, Lernkärtchen Anlegen oder experimentelles Arbeiten in Gruppen werden vielfach als eher lästiges Arbeiten empfunden. Was die meisten Schüler dabei allerdings weder wissen, noch näher bedacht haben, ist die Tatsache, dass das Gros unter ihnen die praktische Lerntätigkeit zwingend braucht, um den Lernstoff nachhaltiger begreifen zu können. Prozentuelle Aufteilung der Lernkanäle Durch ein Ansprechen verschiedener Lernkanäle ist die Aufmerksamkeit in der Klasse breiter gestreut und jeder Schüler kann individuell seine beste Lernumgebung „lernen“ • Über den Lernkanal „Hören“ behalten wir ca. 10% des dargebotenen Lernstoffs • über den Lernkanal „Lesen“ ca. 30% • über den Lernkanal „Sehen“ ca. 30% • über die Kombination der Lernkanäle „Sehen und Hören“ ca. 50% • über den Lernkanal „Selbersagen“ ca. 80% • über den Lernkanal „Handeln“ (selber etwas tun) ca. 90%. (Vgl. http://www.cornelsen.de/be-my-guest/1.c.3061090.de) Reize werden mit den Sinnesorganen wahrgenommen. Und wenn gelernt wird, werden ebenfalls Reize über die Sinnesorgane wahrgenommen. Die Sinnesorgane die hauptsächlich zum Lernen verwendet werden, bezeichnet man als Lernwege oder Lernkanäle. Die für das Lernen eher sekundären Sinne wie Riechen, Schmecken und Fühlen sollen hier nicht behandelt werden, denn wenn gelernt wird, geschieht das hauptsächlich über das Sehen und/oder Hören. Außerdem kann durch die Reproduktion und/oder Produktion von Lehrmaterial, d.h. durch aktives Handeln, Lernmaterial aufgenommen werden. Diese Lernkanäle werden beim Lernen nicht als einzelne Lernkanäle allein benutzt, es ist eher ein dauern- Pädagogische Praxis 43 des sich Abwechseln der Kanäle und/oder sie werden auch gleichzeitig benutzt. (vgl. Dahmer, 1991 S.9) Lernkanal 1 – Das Hören Hören ist eine wenig anschauliche Form des Wahrnehmens, da das Gehörte „erst im Gehirn in konkrete Vorstellungen von den angesprochenen Gegenständen oder Vorgängen“ (Kugemann 1991, S.90) umgesetzt werden muss. Zwar können „verbale Beispiele (...) Informationen anschaulicher machen“ (Dahmer 1993, S.93), z.B. wenn etwas bildlich beschrieben wird, doch ansonsten hat das Hören Nachteile durch die Abstraktheit und der Flüchtigkeit gehörter Information. Lernkanal 2 – Das Sehen Beim Lernen durch Sehen muss zwischen dem Lesen über etwas, bei dem trotz Illustrationen das Gelernte „verhältnismäßig abstrakt bleibt“ (Dahmer 1993, S.94), und dem Sehen von etwas Realem, der Anschauung der Wirklichkeit, unterschieden werden. Der Vorteil beim Sehen von Bildern, Abbildungen, Grafiken und Zeichnungen „ist die unmittelbare Anschaulichkeit“ (Kugemann 1991, S.95), allerdings können abstrakte Begriffe häufig nicht dargestellt werden. Vorteile des Lesens sind Wiederholbarkeit, Übersichtlichkeit und Gewohnheit durch Lesen zu Lernen. Beim Lesen wird das Gelesene im günstigsten Fall visualisiert, soweit dies dem Leser möglich ist. Dadurch vereinfacht sich die Aufnahme erheblich. Lebendige, innere Bilder führen zu einem ähnlich starken Lerneffekt wie die Anschauung realer Bilder. Der größte Lerneffekt wird jedoch durch den folgenden Lernkanal erzielt. Lernkanal 3 – Aktives Lernen durch Handeln Bei diesem Lernkanal wird Lernstoff aufgenommen, verarbeitet und dann reproduziert. „Dabei soll der Begriff Handeln hier nicht nur als manuelle Verrichtung verstanden werden, sondern auch als denkendes Tun, aktives Lernen ist also auch als geistige Auseinandersetzung mit dem Stoff“ (Dahmer 1993, S.94f) zu verstehen. Die Reproduktion hat den Vorteil, dass man etwas wiederholt, was in jedem Lernkanal eine große Bedeutung für die Speicherung im Gedächtnis hat. Außerdem kann der Lernende überprüfen, ob er etwas wirklich verstanden hat, also die neue Handlung ohne größere Probleme bewältigen kann. Es werden nicht nur Informationen aufgenommen, sondern auch wiedergegeben. Das macht den entscheidenden Unterschied zu den anderen Lernkanälen. Daher empfiehlt es sich täglich das Gelernte in einem Lerntagebuch festzuhalten. Durch die Eintragung findet der Transfer des Gelernten statt und das Gelernte wird dem aktiven Wissen hinzugefügt. Beim Transfer wird zudem noch gelernt das Wissen zu reproduzieren. Effektives Lernen kann mit dem Einatmen und dem Ausatmen verglichen werden, es wird ein Thema aufgenommen, verarbeitet und dann reproduziert. Gibt es nicht die Möglichkeit, das Gelernte wiederzugeben bzw. anzuwenden, entsteht ein eher passives Wissen, welches noch anzuwenden gelernt werden muss. Literaturverzeichnis Bierbaumer, Schmidt; Biologische Psychologie, 4 Auflage, Springer Verlag, 1999 Braun Katharina, Scheich Henning; Bildung in Deutschland, dem Baltikum und Schweden gestern und heute, Konferenz in Magdeburg, Magdeburg 2010 Caspary, Ralf; Lernen und Gehirn. Freiburg im Breisgau: Niklol Verlag, 2012 Dahmer, Jürgen: Effektives Lernen, Gruppenarbeit und Examensvorbereitung. . 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