Teil 1 - Biologische Grundlagen

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Grundlagen der pädagogischen
Psychologie in der Berufspädagogik
Erstausgabe 2007
Überarbeitung 2012
INHALT
Teil 1 - Biologische Grundlagen.................................................................................. 3
Gehirnmodelle ......................................................................................................... 3
Das dreiteilige Gehirn………… …………………………………………………………………… 4
Stammhirn ............................................................................................................ 5
Limbische System (Zwischenhirn) ........................................................................ 5
Großhirn ............................................................................................................... 6
4 Teile des Großhirns: .......................................................................................... 7
Das Zweigeteilte Gehirn ....................................................................................... 7
Aktivitätsmessungen im Gehirn ............................................................................ 9
Das menschliche Nervensystem............................................................................ 12
Teilsysteme des Nervensystems ........................................................................ 12
Zentrales Nervensystem (ZNS) .......................................................................... 13
Peripheres Nervensystem (PNS) ........................................................................ 13
Endokrines(autonomes) Nervensystem .............................................................. 13
Aufbau eines Neurons ........................................................................................ 13
Synaptische Übertragung………………………………………………………… ….15
Zusammenfassung des Gehirns……………………………………………….…….16
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie ...................................................................... 18
Definition:............................................................................................................ 18
Lerntheorien ....................................................................................................... 18
Kognitive Lerntheorie nach Ebbinghaus: ............................................................... 18
Maddox erweiterte die Vergessenskurve nach Ebbinghaus: .............................. 19
Assoziationsgesetze: .......................................................................................... 20
Behaltenskurve ................................................................................................... 21
Einflussfaktoren Vergessen ............................................................................... 21
Dodsen Yerkes Leistung/Erregungsniveau ......................................................... 22
Kognitive Lerntheorie nach Piaget ......................................................................... 23
Kognitives Lernen nach Jean Piaget (1896 – 1980): ......................................... 23
Assimilation: ....................................................................................................... 23
Akkommodation: ................................................................................................. 23
Die 4 Entwicklungsstufen nach Piaget: ............................................................... 24
Kognitives soziales Lernen am Modell (Albert Bandura) ....................................... 25
Behavioristische Lerntheorien ............................................................................... 29
Konditionierungstheorie nach Pawlow ................................................................ 29
Die klassische Konditionierung ........................................................................... 30
Behaviorismus (amerikanische Schule) .............................................................. 35
Pädagogische Praxis
40
Methode des kooperativen Lernens aus Tex…………………..…………………..40
Stufen des Wissenstransfers von einer Basis- auf eine Zielaufgabe…..…… …40
Inhaltswissen - Zur Bedeutung inhaltlichen Vorwissens………………..…………41
Gedächtnishemmungen und Lernstörungen………………………….…………….42
Lernkanäle…………………………………………………….……………………..……. 43
Literaturverzeichnis……………………………………………………………..…………44
Internetverzeichnis……………………………………………….………………………..45
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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Teil 1 - Biologische Grundlagen
Gehirnmodelle („Hirne im Hirn“)
Vorbemerkung:
Neue Methoden der Kreativität, des Selbst-Managements und der PersönlichkeitsEntwicklung erfahren im heutigen Zeitalter der „Informationsgesellschaft“ eine zunehmende Bedeutung. Die Psychologie stellt sich dieser Herausforderung, wobei
diese Thematik immer mehr einer breiten Öffentlichkeit durch die Pädagogik zugänglich gemacht wird. Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg liegt in der ganzheitlichen Nutzung der Potentiale unseres Gehirns, d.h. beider Hirn-Hemisphären. Über eine so
verstandene Bewusstseinserweiterung lassen sich die Potentiale unseres „BioComputers“ besser nutzen, um damit auch den Herausforderungen einer immer
komplexer werdenden Zukunft entsprechen zu können. Durch die Nutzung der „Neuen Medien“ werden Gedächtnisspuren neu angelegt (vgl. Spitzer; 2012 S.15) die
zwangsweise zu Verhaltensänderungen führen. Dieses Wissen über die Funktionsweise des Gehirns sollte daher im pädagogischen Kontext angewandt werden.
„Wenn man weiß wie das Gehirn lernt, kann man auf der Grundlage dieses Wissens
den Unterricht optimieren….“ (Caspary; 2012, S. 10)
Abbildung1: Vgl. Zimbardo, 1999, S.70
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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Das dreigeteilte Gehirn
Das menschliche Gehirn besteht anatomisch gesehen aus drei (vier) eigenständigen
Gehirnen, die entwicklungsgeschichtlich aufeinander folgen: Der amerikanische Hirnforscher Paul D. MacLean hat den Begriff vom dreieinigen Gehirn („trinue brain“) geprägt.
Das Stammhirn (Hirnstamm) ist der entwicklungsgeschichtlich älteste Teil des Gehirns. Es steuert die lebenswichtigen Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Blutdruck.
Zudem ist es für einige wichtige Reflexe wie den Lidschluss-, Schluck- oder HustenReflex verantwortlich. Das Stammhirn bildet die Schnittstelle zwischen dem übrigen
Gehirn und dem Rückenmark. Eintreffende Informationen leitet es überkreuz weiter,
daher wird die linke Körperhälfte von der rechten Gehirnhälfte gesteuert und umgekehrt
Das Zwischenhirn schließt sich an das Stammhirn an, wobei hier der Thalamus liegt,
der als zentrale Schaltstelle für das Bewusstsein gilt. Im Zwischenhirn ist noch der
Hypothalamus angesiedelt, der als Vermittler zwischen Hormon- und Nervensystem
gilt. Dabei steuert er zum Beispiel den Schlaf-Wach-Rhythmus, Hunger und Durst,
aber auch den Sexualtrieb und verarbeitet Schmerz- und Temperaturempfinden.
Das Großhirn gilt entwicklungsgeschichtlich als der neueste Teil unseres Gehirns
und wird in zwei Hemisphären unterteilt, die durch ein dickes Nervenbündel (Balken)
miteinander verbunden sind und eng zusammenarbeiten. Jede Gehirnhälfte ist auf
bestimmte Aufgaben spezialisiert: links sitzen in der Regel die Sprache und Logik,
rechts die Kreativität und der Orientierungssinn. Die vielfach gefaltete Großhirnrinde
(Neocortex) unterteilt sich wiederum in einzelne Lappen, die für divergierende Funktionen wie Lernen, Sprechen, Denken, Beurteilen, etc. zuständig sind. Weiters ist
noch die Sensorik und Motorik in der Großhirnrinde angesiedelt
(Das Kleinhirn (Cerebellum)) wird nach MacLean nicht mehr zum dreieinigen Gehirn
gerechnet, stellt aber trotzdem einen eigenen Bereich dar. Das Cerebellum koordiniert Bewegungen und sorgt dafür, dass sie flüssig ablaufen
(Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/GehirnAufbau.shtml#Die drei Gehirne)
Angewandte Psychologie:
Sollten Personen nach einem veränderten Bewusstseinszustand (Narkose) aufwachen und verwirrt sein und erst langsam zu sich kommen, ist das durch die selektive
Aufwachphase der drei Gehirnareale zu erklären. Zuerst übernimmt das Stammhirn
die lebenswichtigen Funktionen, anschließend wird das Zwischenhirn aktiv und erst
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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danach das Großhirn mit unseren Denkfunktionen. Deshalb merken auch Anästhesisten manchmal nicht, dass Patienten während einer Operation wach werden, denn
deren Messgeräte zeigen nur die Aktivität der Großhirnrinde und reagieren daher zu
spät oder gar nicht auf solche nur halbbewussten Wachzustände
(Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/GehirnAufbau.shtml#Die drei Gehirne)
Stammhirn (Hirnstamm)
Mit dem Hirnstamm sind alle Wirbeltiere ausgestattet und es enthält vier Strukturen.
Medulla: Ist für lebenswichtige Funktionen wie Herzschlag und Atmung zuständig
RAS: Ist für den Funktionsablauf im Gehirn zuständig. Hält das Gehirn auch im
Schlaf im Aktivitätszustand.
Pons: Stellt die Verbindung zum Cerebellum her und hat mit Träumen und Aufwachen zu tun
Thalamus: Hat starke Nervenstränge zum RAS System und ist die Schaltzentrale für
sensorische Signale die zum Großhirn weitergeleitet werden.
(Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 67)
Zusammengefasst kann man sagen, dass das Stammhirn für die lebenswichtigen
Funktionen des Menschen zuständig ist. Hier ist das Zentrum angeborener Steuerungen und Instinkte. Es ist vergangenheitsbezogen (artspezifisches Erbe) und in der
Auswirkung konservativ. Das Stammhirn ist lernfähig.
Biologische Vorgänge: z.B. Stoffwechsel, Blutkreislauf, Herzschlag, Atmung , Schlaf
Das „“Limbische System“ (Zwischenhirn)
In der Literatur wird nicht immer explizit zwischen dem „Limbischen System“ und dem
Zwischenhirn unterschieden. Mit dem limbischen System sind alle Säugetiere ausgestattet und es ist für die Regulation der Emotionen und des motivierenden Verhaltens
zuständig. Es ist weiters für das innere Gleichgewicht (Homöostase) und der Verbindung zum Großhirn zuständig.
Teile des Limbischen Systems sind:
Hypothalamus: Ist sehr klein und spielt eine wichtige Rolle bei der Verbindung zu
den anderen Gehirnarealen. Er spielt weiters eine Rolle bei der emotionalen Erregung, der Kontrolle des Appetits und bei der Regulierung der inneren Körperfunktionen.
Amygdala (Mandelkern): Steuert Emotionen und hat beim emotionalen Gedächtnis
eine wichtige Funktion. Dieser Teil des Gehirns wird häufig mit Angst in Verbindung
gebracht. Eine Entfernung dieses Areals kann einen beruhigenden Effekt nach sich
ziehen.
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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Hippocampus: Ist die größte der limbischen Strukturen und ist für das explizite Erinnerungsvermögen von entscheidender Bedeutung. Nach neuesten Forschungen
spielt der Hippocampus bei der Übertragung vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis eine wichtige Rolle. Patienten, denen Teile des Hippocampus entfernt wurden, konnten sich zwar an länger zurückliegende Begebenheiten erinnern, was aber
kurz zuvor geschehen ist, hatten sie kein Erinnerungsvermögen.
(Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 71f)
Großhirn (Cortex)
Das Großhirn besteht aus den beiden Hemisphären und ist beim Menschen viel höher entwickelt als bei den Tieren. Die beiden Hemisphären sind durch den „Corpus
callosum“ verbunden. Weiters wird das Gehirn in vier Teilbereiche unterteilt, wobei
diesen Teilbereichen bestimmte Funktionen zugeordnet werden können. Wir können
aber nicht davon ausgehen, dass diese Teilbereiche ausschließlich bestimmte Funktionen haben, da das Gehirn immer als Ganzes funktioniert. Im Cortex ist der Sitz der
höheren geistigen Funktionen. Hier läuft geplantes, vorausschauendes Denken ab.
Es ist also zukunftsbezogen. Sprache, Logik, Vorstellungsvermögen, Erkennen von
Form und Gestalt, Fähigkeit zur Abstraktion, Selbstbewusstsein des Menschen usw.
(Vgl. Hilgards et al; 2001 S. 49ff)
Nach MacLean sind die drei Bereiche des Gehirns miteinander verbunden, aber diese Verbindungen sind eher träge.
Abbildung 2: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/
Teil 1 - Biologische Grundlagen
4 Teile des Großhirns:
7
(Vgl. Hilgards et al; 2001 S. 51f)
1. Frontallappen: zuständig für Denkprozesse, Problemlösen, Assoziationsbildung
2. Scheitellappen: zuständig für die Sensorik (das sensorische Feld) und der Motorik
3. Hinterhauptlappen: zuständig für das Sehen
4. Schläfenlappen: zuständig für Hören und Sprechen
Querschnittsdarstellung der Sensomotorischen Bereiche der Großhirnrinde
Abbildung3: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/GehirnRechtsLinks.shtml
Das Zweigeteilte Gehirn
Das Gehirn (genauer der Neocortex) besteht aus zwei spiegelbildlichen Hälften, deren Äußeres nicht erkennen lässt, dass tief greifende funktionale Unterschiede zwischen beiden bestehen.
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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Man spricht von linker und rechter Hemisphäre, die miteinander über einen großen
Nervenstrang, dem Balken (corpus callosum) verbunden sind.
Die Entdeckung der funktionellen Gliederung der Großhirnrinde zählt zu den bedeutenden Entdeckungen, welche der modernen Gehirnforschung den Weg gewiesen
haben. Vor allem von Roger Sparry und Gazzaniga (amerik. Neurophysiologen) die
bei Split-Brain-Patienten (Trennung des Hirnbalkens infolge von neurologischer Notwendigkeit) Leistungsdifferenzen zwischen rechter und linker Gehirnhälfte entdeckten. (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999 S.88f)
Abbildung 4: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/GehirnRechtsLinks.shtml
Linke Hemisphäre
logisch, linear, verbal, mathematisch,
analytisch, kontrolliert, detailliert,
ordnend, lesen, schreiben, benennen,
erinnert sich an Namen
Rechte Hemisphäre
figurativ, symbolisch, intuitiv, kreativ,
musikalisch, emotional, sprunghaft,
aufbauend, träumerisch, divergierend,
erinnert sich an Gesichter
(Vgl. Bierbaumer, Schmidt; 1999 S. 681)
Früher wurden Dominanzen in den Gehirnhemisphären verallgemeinert und simplifiziert. (Vgl. Haderer; 2003 S. 108f)
Mit der „Split brain Forschung“ üben die zwei Hirnhemisphären aber einen nützlichen
pädagogisch-didaktischen Effekt aus. Es erfolgt eine Korrektur einseitiger, vorrangig
linear-kognitiv orientierter Lernprozesse. Neue Wege, neue Formen des Lernens beruhen auf dem Hemisphären-Modell (z.B. NLP, Suggestopädie, Mind-Mapping, Mentales Training, ganzheitliches Lernen).
Teil 1 - Biologische Grundlagen
Beobachtungen:
Das „aktive Sprachzentrum“ liegt bei der Mehrheit der Menschen ausschließlich im
linken Teil des Gehirns, auch Schriftbilder.
Figuren, Symbole und Formen müssen dagegen stärker der rechten Hemisphäre
zugeordnet werden.
Frauen zeigen eine stärkere Vernetzung der beiden Gehirnhälften und leiden daher
weniger an Sprachverlust bei Hirnverletzungen
75% der Menschen haben Präferenz zur rechten Körperseite
Männer sind besser in räumlich-geometrischen Aufgaben und weisen hier geringere
Lateralisation auf.
(Vgl. Haderer; 2003 S. 114)
Aktivitätsmessungen im Gehirn
Positronen-Emissions-Tomographie (PET).
Bei dieser Methode kann der Blutzuckerverbrauch als Maß eines erhöhten Blutzuckerverbrauchs gemessen werden. Stoffe wie Traubenzucker werden radioaktiv
markiert und anschließend in den Blutkreislauf injiziert. Danach wird das Gehirn mit
einem PET-Scanner gescannt und der Computer errechnet aus den Daten zweioder dreidimensionale Bilder. Die Ausbreitung der Substanz zeigt, wie und wo der
Energieverbrauch im Gehirn erfolgt. (Vgl. Haderer; 2003 S. 38)
Mit einem PET-Scanner (Positron Emission Tomograph) kann der Blutzuckerverbrauch als Maß erhöhten Energieverbrauchs gemessen werden. Die nachfolgenden
Aufnahmen zeigen (durch die Schädeldecke, Stirn oben) dunkle rote Stellen, das
sind Bereiche erhöhten Energieverbrauchs:
Abbildung 5: http://www.egbeck.de/skripten/12/bs12-43.htm
9
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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EEG Messung
Auch die Messung der Hirnströme (EEG = Elektro Enzephalogramm) findet in der
Psychologie Anwendung. Diese Messungen zeigen Zusammenhänge zwischen Verhalten und Gehirnaktivität. (Vgl. Haderer; 2003 S 29f
Abbildung 6: http://www.egbeck.de/skripten/12/bs12-43.htm
EEGs werden in der Neurologie und Psychologie zur Diagnose von Gehirnkrankheiten wie Epilepsie, Schlafstörungen und Gehirntumoren verwendet. Man unterscheidet im Wesentlichen 4 verschiedene Arten von Hirnströmen: (Vgl. Haderer; 2003 S.
30)
Alphawellen
Betawellen
Deltawellen
Thetawellen
(Frequenz 8–13 Schwingungen/sec)
 Zustand der Entspannung; dominiert im Hinterkopf
(Frequenz 14–30 Schwingungen/sec)
 wacher, tätiger Zustand, Reden, Denken usw. Kann auch im REM
Schlaf auftreten
(Frequenz 1–3 Schwingungen/sec)
 Tiefschlaf beim Erwachsenen; bei Säuglingen und Kleinkindern
dominieren diese Wellen.
(Frequenz 4–7 Schwingungen/sec)
Abbildung 7: Eigene Darstellung
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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fMRT Messungen sind eine Kombination von verschiedenen bildgebenden Verfahren mit einer EEG Aktivitätsmessung Durch eine entsprechende Software kann man
durch die Spektralanalyse zusätzliche Informationen gewinnen und diese in 3D-Form
darstellen. fMRT Messungen werden in der Experimentalpsychologie in den letzten
Jahren immer populärer und man versucht die Ergebnisse in der modernen Psychologie sowie in der Pädagogik einzusetzen.
Abbildung 8: http://www.egbeck.de/skripten/12/bs12-43.htm
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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Anmerkung: Selbst wenn man bei fMRT Messungen einen Anstieg oder eine Verringerung der Hirnaktivität verzeichnen kann, so erlaubt es aber keine Rückschlüsse,
was in bestimmten Bereichen des Gehirns im Moment der Aufnahme vor sich geht.
(Vgl. Gluck et.al. 2010, S. 65)
Das menschliche Nervensystem
Das menschliche Nervensystem
Zentrales Nervensystem ZNS
Peripheres Nervensystem PNS
Neuronen im Gehirn und
Rückenmark
Netzwerk sensorischer und motorischer Neuronen
zwischen Zentralnervensystem und
Körperoberfläche
Endokrines System
Drüsen und Hormone
(Sexualität, Wachstum)
Info von sensorischen
Rezeptoren
(Auge, Ohr, Haut, etc.)
zum Gehirn
Botschaft vom Gehirn und
Rückenmark
zu den Muskeln und
Drüsen
Zentrales Nervensystem und peripheres Nervensystem stehen andauernd in Verbindung!
(Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 67)
Teilsysteme des Nervensystems
Das Hauptinstrument des Organismus, um Informationen von der Umwelt aufzunehmen und die Reaktionen auf diese Informationen zu koordinieren, ist das Nervensystem.
Im Normalfall werden die Impulse (Informationen) zu verschiedenen Zentren der
Hirnrinde geleitet, wo Empfindungen entstehen. Sie bilden die Basis für Wahrnehmungen.
(Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 68f)
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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Zentrales Nervensystem (ZNS)
Dieses Subsystem erstreckt sich in den Knochenhöhlen der Wirbelsäule und bündelt
sich dicht gepackt im Schädel (Gehirn).
Peripheres Nervensystem (PNS)
Es verbindet das ZNS mit Rezeptoren und Effektoren. Alle Nervenfasern, die vom
ZNS zu den Effektoren führen, bezeichnet man als efferente Fasern, alle Fasern, die
die Impulse von den Rezeptoren ins ZNS leiten, als afferente.
Endokrines (autonomes) Nervensystem
Besteht hauptsächlich aus Drüsen, die im Körper angesiedelt sind und chemische
Botenstoffe in den Blutkreislauf ausschütten. Diese Botenstoffe werden Hormone
genannt und sind für das Wachstum, Erregung, Sexualverhalten, Stimmung und den
Stoffwechsel verantwortlich.
An der Spitze des endokrinen Systems reagiert der Hypothalamus, der Verbindungsfunktionen zu anderen Teilen des Gehirns herstellt.
Wichtig für die Pubertät ist auch die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse), die Hormone
ausschüttet, die wiederum andere endokrine Drüsen beeinflusst, die das Testosteron
bei Männern und das Östrogen bei Frauen produzieren.
(Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 76ff)
Aufbau eines Neurons
Abbildung 9: http://www.google.at/#q=gehirn+neuronen+bilder
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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Neuronen sind darauf spezialisiert, Informationen in Form von elektrischen Impulsen
weiterzuleiten und zu übertragen.
Ein Neuron besteht aus einem Zellkörper mit Kern und aus einer Reihe von faserartigen Fortsätzen.
Nur eine einzige Faser, das Axon, übermittelt Informationen.
Die Dendriten – so heißen die anderen Fasern – erhalten Informationen von anderen
Neuronen.
Die Verbindung zwischen zwei Neuronen, das heißt zwischen dem Axon der einen
Nervenzelle und einem Dendriten einer anderen Nervenzelle, heißt „Synapse“ oder
„synaptischer Spalt“, weil dort ein winzig kleiner Zwischenraum existiert.. (Vgl. Spitzer; 2007 S. 41ff)
Hier wird die Information von einer Nervenzelle an die nächste weitergegeben.
Dies geschieht mit Hilfe von chemischen Wirkstoffen, die Neurotransmitter heißen.
Sie befinden sich in kleinen Bläschen (Vesikel) am Ende des Axons.
(Vgl. Spitzer; 2012 S.49f)
Neuronenwachstum während der ersten Lebensmonate
Abbildung 10: http://www.google.at/#q=gehirn+neuronen+bilder
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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Synaptische Übertragung
Die Aktionspotentiale laufen entlang der Axone zu den Endknöpfen und werden mittels Synapsen auf das nächste Neuron übertragen. Die Neuronen sind nie direkt miteinander verbunden, sondern es besteht immer ein „Synaptischer Spalt“ dazwischen.
Der synaptische Spalt ist nur einen Milliardstel Millimeter breit.
Der Prozess der Übertragung beruht auf Trägerstoffen, die „Neurotransmitter“ genannt werden. . (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S83ff)
Abbildung 11: http://www.google.at/#q=bilder+synapsen
Eine Nervenzelle wird an ihren Dendriten durch einen elektrischen Impuls erregt.
Dieser Impuls durchläuft die Zelle bis zum Axonende und bewirkt dort die Ausschüttung der Neurotransmitter in den synaptischen Spalt.
Die Neurotransmitter durchwandern den Spalt und verbinden sich kurzzeitig mit den
Rezeptoren an den Dendriten des nächsten Neurons. Durch diese Verbindung ist die
nächste Nervenzelle erregt worden. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S83ff)
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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Zusammenfassung: Aufbau des Gehirns
Das dreiteilige Gehirn
Stammhirn
Kleinhirn
Areale
Erklärung
Verlängertes Mark Regulierung der Vitalfunktionen: Atmung; Herz(Medulla oblonga- rhythmus; Blutdruck
ta)
Reflexzentren; schlucken; Speichel; Tränen
Pons (Brücke)
(Cerebellum)
Kleinhirn
Thalamus
Koordination der komplexen Körperbewegungen
(Motorik)
Kontrolle der Körperhaltung und des Gleichgewichts; direkte Verbindung zum Innenohr
Schaltzentrale (Integrationszentrum), wo einlangende Sinnesreize geordnet, selektiert und weitergeleitet werden an die Großhirnrinde (Cortex) – außer
dem Geruchssinn. Wach-Schlaf-Rhythmus
Liegt unterhalb des Thalamus (fingernagelgroß);
Hypothalamus
Oberstes Zentrum für (Kreislauf, Stoffwechsel, Nahrung; Wasserhaushalt, Temperatur, Sexualfunktion
usw.) und regt an oder hemmt die Hormonausschüttung und die Homöostase
engster Zusammenhang mit dem Hypothalamus
Hypophyse
Hormonausschüttungen zB.: für Wachstum; Ge(Hirnanhangdrüse) schlecht (Östrogen, Testosteron), Adrenalin; Endorphine usw.
Epiphyse
(Zirbeldrüse)
liegt oberhalb des Thalamus; zuständig für wechselnde Stimmungslagen (Biorhythmus); Wetterfühligkeit; Jahreszeit
Setzt sich aus einer „in loser Zusammengehörigkeit
liegenden“ Struktur zusammen, die außen rund um
den Thalamus und unterhalb des Cortex liegt.
Das Limbische System ist oberster Sitz aller emotionalen Reaktionen.
Zwischen
Hirn
Gefühle, Affekte von Lust und Unlust
(Limbische)
System
Hippocampus
(Seepferdchen)
Hat eine wichtige Funktion für das Gedächtnis. Vergleicht einlangende Reizimpulse mit bereits gespeicherten Daten hinsichtlich Neuigkeit; Bedrohlichkeit
Teil 1 - Biologische Grundlagen
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(Mustervergleich); ermöglicht Assoziationslernen
Amygdala
(Mandelkern)
Direkte Reizleitung mit Reaktionsmöglichkeit ohne
bewusste Wahrnehmung möglich (emotionale Bewertung: Angst, Aggression (Wut), (frühkindliche
oft traumatische Erlebnisse) – die emotionale Entwicklung beginnt, lange bevor die sprachliche Fixierung möglich ist!!
Geteilt in 2 Gehirnhälften (Hemisphären) – Verbindung durch das Corpus callosum (Balken mit Milliarden Fasern von Nervenzellen)
Großhirn
Das Großhirn besteht aus zwei zerebralen Hemisphären und die wiederum setzen sich aus Frontallappen, Scheitellappen, Hinterhauptlappen und
Schläfenlappen zusammen.
Cortex oder
Äußere graue Schicht: jüngster Teil: zuständig für
genaue Wahrnehmung, Denken
Neocortex
Zentren für Sehen; Sprechen; Hören; Denken, Gedächtnis
(Vgl. Hilgards et al; 2001 S. 45ff)
Als Resümee kann man bei der Gehirnentwicklung nach dem Motto vorgehen „Use it
or lose it“ In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von Konsequenzen damit verbunden, die schon seit einiger Zeit Gegenstand der Gehirnforschungen sind.
Das Fehlen von bestimmten Außeninformationen oder die Reichhaltigkeit solcher
Informationen hat immense Auswirkungen auf die spätere Hirnleistung. Im Kleinkindalter sind solche Außeninformationen an bestimmte Zeitfenster gebunden (sensitive
Phasen), wo ein Fehlen von wichtigen Außeninformationen später nur mehr unter
sehr großem Aufwand nachgeholt werden kann. (Vgl. Braun, Bock; 2008 in Braun,
Scheuch; 2010, S. 25f)
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
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Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
Was versteht man unter "Lernen"
Definition
„Lernen kann man als eine relativ überdauernde Verhaltensänderung definieren, die
– zumindest in vielen Fällen – als Resultat von Übung eintritt...“ (Hilgards et.al. 2001,
S. 231). „Man kann Lernen als einen Prozess definieren, der zu relativ stabilen Veränderungen im Verhalten oder im Verhaltenspotential führt und auf Erfahrung aufbaut“ (Flatschacher; Toyfl, 2000, S. 7)
Lernen ist also die Veränderung im Verhalten oder im Verhaltenspotential eines Organismus in einer bestimmten Situation, die auf wiederholte Erfahrungen des Organismus in dieser Situation zurückgeht.
Lernen ist ein wertneutraler Begriff. Es geht um die Kennzeichnung von Änderungen
menschlicher Verhaltensdispositionen, die durch Verarbeitung von Erfahrungen erklärt werden können.
Lernen ist ein Prozess, der sich nicht beobachten lässt.
Lerntheorien
Mit Fragen über Lernprozesse haben sich Wissenschaftler schon vor über hundert
Jahren auseinandergesetzt, um das Phänomen über Lern und Gedächtnisprozesse
systematisch zu untersuchen. Letztendlich haben sich drei große Schulen herausgebildet, die in weiterer Folge jeweils Adaptionen erfahren haben.
„Man könnte sagen, dass an der Wiege der Bemühungen einer Lerntheorie drei verschiedene Zugänge oder Ebenen erforscht wurden, auf denen man versuchte, das
Problem zu lösen. Das Ergebnis waren allerdings auch drei völlig unterschiedliche
Lerntheorien“(Guttmann.G in Flatschacher; Toyfl, 2000, S. 7)
Kognitive Lerntheorie nach Ebbinghaus:
Hermann Ebbinghaus (1850-1909) beschäftigte sich mit der kognitiven Lerntheorie.
Er regte in Deutschland durch seine wegweisenden Studien eine Fülle von Untersuchungen im kognitiven Bereich an.
Er forschte mit einer Kunstsprache, um das reine Gedächtnis untersuchen zu können
(keine Assoziationen, Ausschluss von Interesse!) Er bezeichnete seine Versuchsmethoden als: Methoden der behaltenen Glieder, Wiederholungsmethode, Ersparnismethode
Er prägte den Begriff des „Überlernens“, was er als sinnlose Zeitverschwendung definierte. Durch Pausen und Wiederholungen kann die Vergessenskurve flacher werden. Es kommt zur Verknüpfung der Neuronen  Engrammbildung
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
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Ebbinghaus prägte auch den Begriff Halbwertszeit: Wie lange braucht man, bis nur
mehr die Hälfte des Wissens vorhanden ist?  30 Minuten
Er machte Versuche mit sinnlosen Silben und entwickelte daraus die bekannte 
Vergessenskurve. Diese sagt aus, dass von 100 % Lernstoffes nach 30 Min. nur
mehr 50 % vorhanden ist. (Vgl. Flatschacher; Toyfl, 2000, S. 35)
Abbildung 12: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/VergessenEbbinghaus.shtml
Diese schon von Hermann Ebbinghaus beschriebene Vergessenskurve wird dann
glücklicherweise bald etwas flacher, doch bleibt im Durchschnitt tatsächlich nicht
mehr etwa 20 -30 % des Lernstoffes im Gedächtnis
Maddox erweiterte die Vergessenskurve nach Ebbinghaus:
Maddox forschte im Bereich der kognitiven Gedächtnisforschung und adaptierte bzw.
erweiterte die Vergessenskurve von H. Ebbinghaus. Dazu erstellte er Lernkurven für
Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten, Gedichte, Prosa und sinnlose Silben. (Vgl. Maddox. H; in Illichmann. A. 1996, S. 60)
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
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LERNKURVE
Lernstoff
100 %
Wiederholungen
Gesetzmäßigkeiten
Gedichte
50 %
Prosa
20 %
30 min
Zeit t Tage
Abbildung 13: Adaptierte eigene Darstellung und Ergänzung zur Darstellung aus Illichmann. A; 1996, S. 60
Assoziationsgesetze:
Ebbinghaus hat sich auch mit den sogenannten Assoziationsprinzipien auseinandergesetzt und erforschte elementare Reproduktionsgesetzmäßigkeiten. (Vgl.
http://de.wikipedia.org/wiki/Assoziationspsychologie)
Elementare Gesetzmäßigkeiten sind z.B.
Gesetz der räumlichen und zeitlichen Nähe
(räumlich Computer-Maus; zeitlich: Iran-Krieg)
Gesetz der Ähnlichkeit:
(Sommer-Sonne)
Gesetz des Gegensatzes:
(kalt-warm)
Gesetz der ursächlichen Abhängigkeit:
(Rose-Duft)
Für den Pädagogen ist es daher unerlässlich, Assoziationen zu den Teilbereichen
des Lehrstoffes herzustellen und durch praktische Beispiele zu veranschaulichen.
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
21
Behaltenskurve: Wiederholungen
Das Gesetz von Ebbinghaus stellt das Verhältnis Lernstoff/Lernaufwand dar: Mit jeder Vergrößerung des Lernmaterials, steigt der Lernaufwand unverhältnismäßig stark
an. (Vgl. Flatschacher; Toyfl, 2000, S. 34)
1 Lesung
17 Lesungen
30 Lesungen
44 Lesungen




7 Silben
14 Silben
15 Silben
24 Silben
Wiederholungen
44
30
2
17
Silbenanzahl
7
14
15
Abbildung 14: Eigene Darstellung
Einflussfaktoren „Vergessen“
Stress
Drogeneinfluss
Alter
Nervosität
Depression
24
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
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Nach Ebbinghaus ist das einzige Mittel gegen das Vergessen die Wiederholung. Angehende Pädagogen sollten sich diese Gesetzmäßigkeit immer bewusst sein und in
den Unterricht integrieren.
Abbildung 15: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/Vergessen-Ebbinghaus.shtml
Dodsen Yerkes Leistung/Erregungsniveau
Die Kurve von Dodsen und Yerkes zeigt deutlich den Zusammenhang von Aktivierung und Leistungsfähigkeit
Abbildung 16: Adaptierte Darstellung aus Spitzer, 2006, S. 142
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
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Kognitive Lerntheorie nach Piaget
Kognitives Lernen nach Jean Piaget (1896 – 1980):
Ein wichtiger Vertreter des Kognitivismus ist Jean Piaget, der sich mit dem kognitiven
Lernen beschäftigte und daraus sein sehr bekanntes selektives Entwicklungsstufenmodell für die Entwicklungspsychologie entwickelte.
Er formte Begriffe wie Assimilation und Akkommodation und fügte diese in seinem
Equilibrationsprinzip (Gleichgewichtsprinzip) zu. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S.
463)
Begriffe
Assimilation
= angleichen
Subjekt
Adaption
Equilibrium
Umwelt
Akkommodation
= anpassen
Homöostase
Gleichgewicht kognitiv
Abbildung 17: Adaptierte Darstellung aus http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOGNITIVEENTWICKLUNG/Piagetmodell.shtml
Assimilation:
Bei der Assimilation wird die Information so verändert, dass man es in vorhandene
Schemata einordnen kann. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 463)
Akkommodation:
Bei der Akkommodation werden die Schemata selbst verändert, damit sie sich wieder
kognitiv einordnen lassen. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 463)
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
24
Beispiel 1 Assimilation - Akkommodation:
Das Baby kann beim Übergang vom Trinken an der Mutterbrust zum Trinken aus der
Flasche viele Teile des Reaktionsmusters „Saugen“ weiter ausführen (Assimilation
der Flasche an das Saugschema). Es muss jedoch den Sauger etwas anders in den
Mund nehmen und lernen, den Winkel der Flasche passend zu halten (Akkommodation des Schemas an die Flasche). (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S. 463)
Beispiel 2 Assimilation - Akkommodation:
Schüler lernt Bearbeitung von Stahl
Stahl
Alu
Assimilation
Assimilation
Akkommodation
Bearbeitung
NEIN
Bearbeitung
SCHEMA
SCHEMA
Weitere Beispiele:
Handy, Computer …
Die 4 Entwicklungsstufen nach Piaget:
Jean Piaget gilt als einer der bedeutendster Erforscher der kognitiven Entwicklung
von Kindern. Piaget betonte die Wechselwirkung zwischen den natürlich heranreifenden Fähigkeiten des Kindes und deren Auseinandersetzung mit der Umwelt. J.
Piaget unterteilte die kognitive Entwicklung des Menschen in vier qualitativ verschiedene Stufen: (Vgl. Lahmer; 2010, S. 219ff)
1. Sensomotorische Phase (Säuglingsalter ca. 0 bis 2 Jahre)
Sensorik und Motorik (= Erfahrungen)
In der Phase ist das Kind damit beschäftigt, Kontrolle über seine motorischen Bewegungen zu erlangen und Erfahrungen mit physischen Objekten zu sammeln. Kinder
entwickeln in dieser Stufe die Objektpermanenz (Hilgards, 2001, S. 79), d.h. sie lernen, dass die Existenz von Objekten nicht von ihrer eigenen Aktivität oder Aufmerksamkeit abhängt. Gegen Ende des 2. Lebensjahres ist die Fähigkeit, nicht gegenwärtige Ereignisse symbolisch wiederzugeben, stark ausgebildet. Das Kind verfügt dann
über Abbilder von Gegenständen und kann mit ihnen im Geist umgehen, ohne diese
vor sich zu haben.
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
25
2. Präoperationale Phase (2 bis 7 Jahre)
ab dem 4. Lebensjahr Egozentrismus
In dieser Stufe lernen Kinder, dass Gegenstände nicht nur ständig vorhanden sind,
sondern auch gleich bleibend in ihrer Erscheinung, obwohl die Anschauung sich verändert (z.B. Betrachten aus einer anderen Richtung). Das Kind hat auch nur eine
eingeschränkte Selbstwahrnehmung bzw. eine egozentrische Sicht. Das Kind kann
sich nicht in eine andere Person hineinfühlen. Beim Übergang zur nächsten Stufe
erwerben Kinder die Fähigkeiten Kategorien von Objekten zu bilden oder mit Zahlenbegriffen umzugehen.
3. Stufe der konkreten Denkoperation (7 – 12 Jahre)
Unter konkretem operationalem Denken wird hier verstanden, dass das Kind (ca. 7.
bis 11. Lebensjahr) nun ein Verständnis für die quantitativen Invarianzen (Erhaltungen) von Menge, Masse oder Volumen von festen oder flüssigen Stoffen erlangt. Sie
verlassen sich jetzt zunehmend auf Begriffe und Gesetzmäßigkeiten als auf das, was
ihre Wahrnehmung sie sehen oder fühlen lässt. Auch haben sie ein Verständnis für
die Beständigkeit von Zahlen und Flächen.
Beispiel: Füllt man vor den Augen von 5-, 6- und 7-jährigen Kindern zwei relativ breite niedrige Gläser mit der gleichen Menge Limonade, so werden alle diese als
gleichvoll bezeichnen. Schüttet man nun die Limonade aus einem der Gläser in ein
hohes schmales Glas, so werden die 5-jährigen behaupten, es sei irgendwie mehr
geworden. Die 6-jährigen sind sich nicht sicher, aber sie werden wahrscheinlich noch
den Jüngeren Recht geben. Die 7-jährigen hingegen werden behaupten, es sei die
gleiche Menge an Limonade in dem Glas wie in dem vorherigen.
4. Stufe der formalen Denkoperation (ab dem 11. Lebensjahr)
Ab dem Alter von ca. 11 Jahren ist das Kind/der Jugendliche in der Lage abstrakt zu
denken, d.h. sein Denken ist nicht mehr an die konkrete Problemstellung gebunden.
Er kann also nun hypothetischen Fragen nachgehen und im Geiste dafür logische
Beweise und Lösungen entwickeln. Ab dem frühen Jugendalter sind die kognitiven
Strukturen soweit vollendet, dass wir Menschen also fähig sind, vom naiven Denker
zum Experten zu werden. Es können abstrakte Regeln angewandt werden. Syllogismus (= Schlussfolgerung) ist möglich. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 219ff)
Kognitives soziales Lernen am Modell
(Albert Bandura)
Sein Leben
Albert Bandura wurde am 4. Dezember 1925 in der USA geboren. Er studierte Klinische Psychologie und beschäftigte sich mit der Erforschung von Lernprozessen. In
weiterer Folge wurde er bei der Beschäftigung mit der Familientherapie mit den gelernten Aggressionsformen konfrontiert. Bei den unterschiedlichsten Experimenten,
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
26
die er durchführte, fand er heraus, dass das Modellernen einen immensen Einfluss
auf das Verhalten von Kindern ausübt.
Bandura intensivierte daraufhin seine Experimente auf dem Gebiet der Aggressionsforschung durch das Modelllernen. Seine Studien wurden weltberühmt. (Vgl.
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Modelllernen.shtml)
Zum Begriff Modellernen
Neben dem zentralen Begriff "Lernen am Modell" oder "Modelllernen" findet man die
Bezeichnung "Nachahmungs-" und "Imitationslernen", "Vorbildlernen", "Beobachtungslernen" und "stellvertretendes Lernen
Die von A. Bandura eingeführte Bezeichnung steht für einen kognitiven Lernprozess,
der vorliegt, wenn ein Individuum als Folge der Beobachtung des Verhaltens anderer
Individuen sowie der darauf folgenden Konsequenzen sich neue Verhaltensweisen
aneignet oder schon bestehende Verhaltensmuster weitgehend verändert. Der Lernende wird dabei Beobachter (observer) genannt, der Beobachtete Modell (model)
oder Leitbild. (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Modelllernen.shtm)
Nach Albert Bandura ist das Modelllernen eine Lerntheorie wie die Klassische Konditionierung oder die behavioristischen Modelle von Thorndike und Skinner. Dass
Modelllernen auch die Aggression fördern kann, versucht M. Spitzer in seinem Buch
„Digitale Demenz“ (Vgl. Spitzer, 2012, S. 198) vehement darzustellen und fordert ein
Umdenken in der Nutzung von modernen Medien ein.
Beispiel 1
An einem klassischen Beispiel von Bandura wird das Modelllernen in einem Versuch
verdeutlicht:
Vorschulkinder wurden in vier Gruppen eingeteilt, die unterschiedliche Erfahrungen
machten:
 Gruppe A machte die Beobachtung eines aggressiven Erwachsenen.
 Gruppe B beobachtete den gleichen Erwachsenen in einem Film.
 Gruppe C wurde eine als Katze verkleidete Figur in einem Film mit gleichem aggressiven Verhalten präsentiert.
 Gruppe D war Kontrollgruppe ohne aggressives Modell. Das aggressive Verhalten bestand in der Misshandlung einer großen Puppe. Anschließend wurden die Kinder in einen Raum gebracht, in dem sich die Spielpuppe befand.
Die Ergebnisse sind beeindruckend:
Die Kinder der Experimentalgruppen A bis C zeigten fast doppelt so viele aggressive
Akte wie die der Kontrollgruppe. Das menschliche Filmmodell (Gruppe C) hat dabei
offensichtlich die stärkste Wirkung gehabt. (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/LERNEN/Modelllernen.shtml)
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
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Abbildung 18: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Modelllernen.shtml
Beispiel 2
Kinder sahen einen brutalen Fernsehfilm, wo eine Modellperson mit Gewalt und verbalen Schimpfwörtern gegen eine lebensgroße Puppe vorging.
Es gab 3 Versuchsbedingungen
1. Stellvertretende Bestrafung (Tadelung der Modellperson und schlagen mit Zeitung)
2. Stellvertretende Verstärkung (Modellperson gelobt und mit Süßigkeiten beschenkt)
3. Neutral (keine Konsequenzen für aggressives Verhalten)
Ergebnis: Kinder der Gruppe 2 und 3 imitierten spontan die beobachtbaren Aggressionen in wesentlich höherem Ausmaß als Kinder der der 1 Versuchsgruppe. (Vgl.
Stifter, 1995, S. 42)
Es gilt heute als gesichert, dass wir prosoziale als auch unsoziale Verhaltensweisen
durch die Beobachtung von Modellen lernen. (Vgl. Zimbardo; Gerrig 1999, S233)
Man muss diese Ergebnisse jedoch differenzieren. Vom Erlebten bis zur Ausführung
eines Verhaltens durchläuft der Beobachter die im Folgenden beschriebenen vier
Verarbeitungsphasen, die Bandura und seine Forschungsgruppe herausgearbeitet
haben:
1. Aufmerksamkeitszuwendung
2. Behaltensphase
3. Reproduktionsphase
4. Motivationale Phase
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
28
Abbildung 19: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Modelllernen.shtml
Es müssen jedoch bestimmte Bedingungen herrschen, damit ein Modelllernen
stattfindet:
a) Ähnlichkeit zwischen Modell und Beobachter: Der Beobachter nimmt am Modell
ein Verhalten wahr, dass er selbst realisieren möchte.
b) Emotionale Beziehung zwischen Beobachter und Modell: Je intensiver die Beziehung, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit der Verhaltensnachahmung
c) Konsequenzen des Verhaltens: Vermutet der Beobachter hinter dem gesehenen Verhalten einen Erfolg, dann ist die Wahrscheinlichkeit der Nachahmung
größer.
d) Stellvertretende Verstärkung: Sieht der Beobachter die Konsequenzen am Modell nach einem Verhalten, so wirkt sich dieses auf sein Handeln aus.
e) Sozialer Status des Modells: Personen, die einen höheren sozialen Status als
der Beobachter haben, werden eher nachgeahmt, als Personen mit gleichem
oder niedrigerem Status.
f) Soziale Macht des Modells: Das Modell sollte Macht oder andere kontrollierende Merkmale auf den Beobachter ausüben können. Dem Beobachter ist bewusst, dass das Modell belohnen oder bestrafen kann. Hierin äußert sich die
Machtposition.
( http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Modelllernen.shtml)
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
29
Behavioristische Lerntheorien
Das behavioristische Modell wird häufig als „Black – box - Modell bezeichnet
Abbildung 20: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Behaviorismus.shtml
Dreher (2003) bezeichnet die behavioristischen Lerntheorien auch als „Assoziationistische Ansätze“. (Vgl. Dreher; 2003, S. 22)
Diese teilt er in 2 Cluster
1. Klassische Konditionierung
2. Operantes Konditionieren
Instrumentelles Konditionieren
Konditionierungstheorie nach Pawlow
Ivan Petrowitsch Pawlow: Der Vater der Verhaltenspsychologie
Da die Wichtigkeit der „Klassischen Konditionierung“ in der pädagogischen Psychologie einen breiten Raum einnimmt, soll hier ein kurzer Lebenslauf des Forschers
und Begründers der KK dargestellt werden.
Im Jahre 1849 wurde Ivan Petrowitsch Pawlow in Russland geboren. Die Kindheit
verbrachte er auf einen Bauernhof. Durch einen Unfall in der Kindheit konnte er nicht
schwer arbeiten, so begann er sich für theologische und naturwissenschaftliche Bereiche zu interessieren. Gegen den Wunsch seiner Eltern begann Pawlow ein Medizinstudium. Er schloss dieses Studium mit einer Habilitation ab und ging anschließend nach Deutschland, um sich in der Physiologie ausbilden zu lassen. Sein Interesse bekundete er nun alleine durch die Forschung, was aber zur Folge hatte, dass
Pawlow ständig in Geldnot war. Pawlow lehnte Stellenangebote ab, wo er sich nicht
seiner Forschungen widmen konnte. Durch seine Arbeiten wurde er bald eine anerkannte Persönlichkeit und Pawlow bekam eine Professur in Petersburg. Sein Hauptforschungsgebiet war die Frage, wie der Körper die Verdauung reguliert. Er gründete
dazu das „physiologische Labor für experimentelle Medizin" in dem er lange seine
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
30
Forschungsexperimente durchführte. Als „Nebenprodukt“ seiner Experimente, die er
mit Hunden durchführte, entwickelte er die „Klassische Konditionierung“. Als Anerkennung für seine Forschungsarbeiten wurde ihm 1904 der „Nobelpreis für Physiologie und Medizin" verliehen. 1936 starb Pawlow als einer der berühmtesten Physiologen seiner Zeit. (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/LERNEN/KonditionierungKlassisch.shtml#Eine neue Perspektive auf Pawlo)
Die klassische Konditionierung
Mit der Entdeckung des bedingten Reflexes legte Pawlow den Grundstein für die
Entwicklung der modernen Lernforschung und Lerntheorie in der Psychologie. Im
Anschluss an diese Entdeckung begann Pawlow mit der systematischen Erforschung
der verschiedensten Konditionierungsphänomene, die zur Grundlage fast aller Lerntheorien geworden sind.
Untersuchungsphasen – Übersicht (Vgl. Stifter, 1995, S. 6f)
PHASE
BEOBACHTUNG
BEISPIEL
unbedingter Reiz  unbedingte Reaktion
Futter  Speichelfluss
neutraler Reiz  Orientierungsreaktion
Ton  Kopfdrehen
Neutraler Reiz + unbedingter Reiz  unbedingte Reaktion
Ton  Futter  Speichelfluss
Neutraler Reiz wird bedingter Reiz 
bedingte Reaktion
Ton  Speichelfluss
Löschungsphase
Nur bedingter Reiz  bedingte Reaktion
setzt aus
Nur Ton  Speichelfluss
setzt aus
Spontanerholung
Nur bedingter Reiz  erneute bedingte
Reaktion
Nur Ton  erneuter Speichelfluss
Kontrollphase
Trainingsphase
Ergebnis
Kontrollphase
Im ersten Versuchsstadium wird dem Hund Futter dargeboten und die daraufhin unwillkürlich erfolgende Speichelsekretion festgehalten. Das Futter wirkt dabei als angeborener Auslöser, unbedingter Reiz (unconditioned stimulus) genannt, die unbedingte Reaktion (unconditioned reaction) ist der Speichelfluss. Dieser Vorgang stellt
eine angeborene Reiz-Reaktions-Verbindung dar und kann noch nicht als Lernen
bezeichnet werden.
Des Weiteren wird ein neutraler Reiz, z.B. ein Ton, erzeugt, der die unbedingte Reaktion Speichelfluss nicht hervorrufen darf. Es erfolgt nur eine Orientierungsreaktion,
z.B. ein Kopfdrehen.
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
31
Trainingsphase und Ergebnis
Trainingsphase:
neutraler Reiz + unbedingter Reiz  unbedingte Reaktion
Ergebnis:
neutraler Reiz wird bedingter Reiz
bedingter Reiz  bedingte Reaktion
Im zweiten Versuchsstadium werden mehrmals gleichzeitig Futter (unbedingter Reiz)
und ein neutraler Reiz, z.B. ein Ton, dargeboten. Das Versuchstier reagiert wegen
des anwesenden unbedingten Reizes mit der unbedingten Reaktion Speichelfluss.
Aufgrund dieser mehrmaligen Reizkopplung folgt im dritten Stadium des Experiments
als Ergebnis die Speichelabsonderung allein auf die Darbietung des Tones. Dieser
wird nun bedingter Reiz (conditioned stimulus) genannt und der durch ihn ausgelöste
Speichelfluss bedingte Reaktion (conditioned reaction). Die relevanten Parameter zur
Ausbildung einer bedingten Reaktion sind einerseits der zeitliche Abstand und die
Dauer des neutralen und unbedingten Reizes, sowie andererseits die Anzahl notwendiger gemeinsamer Kopplungen. Der Frage nach dem optimalen Zeitintervall
zwischen den Reizen wird im Abschnitt „Zeitliche Abhängigkeit bedingter Reaktionen“
nachgegangen. Bezüglich der Anzahl notwendiger gemeinsamer Reizdarbietungen
ist festzuhalten, dass sie sowohl innerhalb als auch zwischen verschiedenen Arten
sehr großen Schwankungen unterliegt, und von einer einzigen Kopplung bis zu mehreren hundert Versuchsdurchgängen reichen kann.
Darüber hinaus eignet sich nicht jeder beliebige Reiz - wie Pawlow ursprünglich annahm - als bedingter Stimulus.
Grundvoraussetzung für bedingte Reaktionen bildet jedoch in jedem Fall eine begrenzte Anzahl in der Primärausstattung. D.h. von Geburt an vorhandene, genetisch
festgelegte Reiz-Reaktions-Verbindungen, die sog. unbedingten Reflexe (z.B.
Schluck-, Speichel-, Beuge- und Lidschlagreflex).
Löschungsphase
nur bedingter Reiz  bedingte Reaktion setzt aus
Wurde eine bedingte Reaktion ausgebildet, so bedarf es zu ihrer Beibehaltung gelegentlicher weiterer Kopplungen des bedingten mit dem unbedingten Stimulus. Dieser
Sachverhalt veranlasste Pawlow, den unbed. Stimulus als einen Bekräftiger (Verstärker) zu interpretieren. Bleibt die Bekräftigung vollständig aus, kommt es zu einer sukzessiven Rückbildung der konditionierten Reaktion, d.h. der bedingte Reiz verliert
allmählich seine Reflexauslösende Wirkung. Den Rückgang einer bedingten Reaktion aufgrund fehlender Reizkopplung nennt man Extinktion oder Löschung.
Experimentell lässt sich dies erreichen, indem der bedingte Reiz entweder oft hintereinander oder ununterbrochen ohne Bekräftiger präsentiert wird, bis die bedingte
Reaktion nicht mehr auftritt.
Spontanerholung
nur bedingter Reiz  erneute bedingte Reaktion
Einige Zeit, nachdem eine bedingte Reaktion durch Löschung verschwunden ist,
kann diese unter Umständen aber wieder spontan auf den bedingten Stimulus hin
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
32
auftreten, trotz dessen ausgebliebener Verstärkung durch den unbedingten Reiz.
Diese Spontanerholung ist aber von geringerer Intensität als die ursprüngliche bedingte Reaktion und bildet sich in wiederholten Tests bald vollständig zurück.
(Vgl. Stifter, 1995, S. 7f)
Typischer Verlauf einer
Konditionierung
Abbildung 21: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/KonditionierungOperant.shtml
Generalisation
Hierunter versteht man eine Ausweitung des Auftretens einer konditionierten Reaktion auf den konditionierten Reiz ähnliche Stimuli. Diese Ausweitung erfolgt ohne weiteres zu tun und kann sich je nach verwendetem Reiz auf physikalische oder psychologische, quantitative oder qualitative Aspekte beziehen. (Vgl. Hilgards, et.al. 2001,
S. 235)
Beispiel:
Auf einen Ton von 1800 Hz wurde eine konditionierte Reaktion ausgebildet.
Treten nun Töne von 1600 oder 2000 Hz auf, so erfolgt die gleiche konditionierte
Reaktion, wenngleich in etwas schwächerer Form.
Die Intensität der Reaktion variiert in Abhängigkeit von der Ähnlichkeit des Reizes mit
dem ursprünglich verwendeten Stimulus.
Dieser Zusammenhang lässt sich graphisch durch den Generalisationsgradienten
darstellen. Die Bedeutung der Generalisation ist vor allem in einer erhöhten Anpassungsleistung des Organismus an die Umwelt zu sehen, da er sich nicht ständig auf
kleine Schwankungen auf der Stimulusseite neu einstellen muss.
30
20
10
0
400
1200
Abbildung 22: Eigene Darstellung der Generalisation
1800
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
33
Diskrimination
Der komplementäre Begriff zur Generalisation ist die Diskrimination. Das Prinzip der
Diskrimination führt zu einer differenzierten Reaktion auf Reizunterschiede, die gelernt werden. Dieser Effekt bewirkt eine Einengung der bedingten Reaktion auf einen
ganz begrenzten Stimulusbereich. (Vgl. Stifter, 1995, S. 6f)
Beispiel
Der Speichelfluss des Hundes erfolgt auf einen Ton von 1800 und nicht von 2000
oder 1600 Hz. Experimentell lässt sich dies am einfachsten durch eine Ausdehnung
der Trainingsphase, also sehr viele Reizkombinationen, erreichen. D.h., bei entsprechend langer Übung nimmt die Generalisation von alleine ab.
Im Labor erreicht man Diskrimination auch durch den gezielten Einsatz des unbedingten Reizes. Bietet man z.B. sowohl Töne von 1600, 1800, 2000 ... Hz an, lässt
den unbedingten Reiz aber nur auf den Ton von 1800 Hz folgen, so reagiert das Versuchstier bald nur noch auf den Ton von 1800 Hz mit der bedingten Reaktion. Eine
Differenzierung gelingt umso leichter, je unterschiedlicher die verwendeten zu diskriminierenden Reize sind, und sie wird mit zunehmender Ähnlichkeit der Reize zeitaufwendiger. Ist das Versuchstier jedoch nicht mehr in der Lage, die zu unterscheidenden Stimuli auseinander zu halten, kann es zu so genannten experimentellen
Neurosen kommen.
Experimentelle Neurose als Folge von Diskrimination
Pawlow berichtete von einem Versuch, bei dem zuerst eine bedingte Reaktion (Speichelfluss) auf einen Lichtkreis ausgebildet wurde, der auf eine vor dem Versuchstier
stehende Scheibe projiziert wurde. Im anschließenden Diskriminationsprozess bot
der Experimentator den Kreis mit dem unbedingten Stimulus (Futter) und eine Ellipse, so dass sich eine Diskrimination einstellte. D.h., der Hund reagierte auf den Kreis
mit der bedingten Reaktion, auf die Ellipse jedoch nicht. Die Diskrimination wurde
nun schrittweise immer stärker verfeinert, das Halbachsenverhältnis der Ellipse also
dem Kreis angeglichen. Als sich die Ellipse mehr dem Kreis annäherte reagierte der
Hund plötzlich ungewohnt. Der Hund verlor die zum Teil bereits gut beherrschte bedingte Reaktion. Dieses Verhalten nannte Pawlow experimentelle Neurose. (Vgl.
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/KonditionierungOperant.shtml)
Konditionierung höherer Ordnung (Vgl. Flatschacher; Toyfl, 2000, S. 34)
neutraler Reiz 1 + unbedingter Reiz  unbedingte Reaktion
neutraler Reiz 1 wird bedingter Reiz 1
bedingter Reiz 1  bedingte Reaktion
neutraler Reiz 2 + bedingter Reiz 1  bedingte Reaktion
neutraler Reiz 2 wird bedingter Reiz 2
bedingter Reiz 2  bedingte Reaktion
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
34
Bei der Konditionierung höherer Ordnung erfolgen mehrere Trainingsphasen, wobei
der bedingte Reiz aus der 1. Phase die Funktion des unbedingten Reizes in der 2.
Phase übernimmt. Als Resultat führt nun der zweite neutrale Reiz ebenfalls zur bedingten Reaktion, wird also zu einem bedingten Reiz zweiter Ordnung. Setzt man
diesen in einer dritten Trainingsphase quasi als unbedingten Reiz ein und bietet ihn
wieder mit einem neuen neutralen Reiz dar, so gewinnt auch dieser dritte Reiz die
Fähigkeit zur Auslösung der bedingten Reaktion.
In Versuchen mit Ratten wurden von Robert Ader und Nathan Cohen (1981) Experimente durchgeführt, wo das Immunsystem von Ratten aufgrund von Konditionierung geschwächt wurde. Dieses Ergebnis war so bahnbrechend, dass ein neues
Forschungsgebiet, die Psychoneuroimmunologie, entstand. (Vgl. Zimbardo; Gerrig;
1999, S. 216)
Zeitliche Abhängigkeit bedingter Reaktionen (Kontiguität)
Die Leichtigkeit des Zustandekommens bedingter Reaktionen wird wesentlich durch
die zwischen bedingtem und unbedingtem Reiz bestehenden zeitlichen Verhältnisse
bestimmt. In der experimentellen Literatur werden deshalb bedingte Reaktionen aufgrund dieser Zeitaspekte klassifiziert. (Vgl. Stifter; 1995, S.8)
Forward Pairing
Ton
Futter
Simultaneous Pairing
Ton
Futter
Backward Pairing
Ton
Futter
0
10
20
30
40
Zeit (Sekunden)
50
Abbildung 23: Adaptierte eigene Darstellung aus A. Stifter; 1995 S. 8
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
35
Forward Pairing:
Verzögerte Konditionierung: Neutraler Reiz beginnt vor unbedingtem Reiz
Simultaneous Pairing:
Gleichzeitig bedingte Konditionierung: Neutraler und unbedingter Reiz treten
gleichzeitig auf bzw. der bedingte Reiz beginnt kurz vor dem unbedingten Reiz.
Backward Pairing
Rückwärts bedingte Konditionierung: Neutraler Reiz erscheint nach unbedingtem
Reiz
Die zeitliche Beziehung zwischen einem neuralen/unbedingten Reiz ist von großer
Bedeutung. Nach Stifter (1995) lassen sich bedingte Reaktionen am leichtesten bilden, wenn der neutrale Reiz kurz vor dem unbedingten Reiz auftritt. Bei der gleichzeitigen Darbietung von beiden Reizen werden schlechtere Ergebnisse erzielt, da
der neutrale Reiz keine Signalwirkung hat. Eine rückwirkende Konditionierung hat
keinen Erfolg. (Vgl. Stifter; 1995, S. 8)
Behaviorismus (amerikanische Schule)
Der Behaviorismus gehört zu den einflussreichsten Schulen der amerikanischen
Psychologie. Sie wurde 1913 durch Watson gegründet. Sie ist eine allgemeine und
umfassende Bezeichnung für alle beobachtbaren Aktivitäten des lebenden Organismus.
VERHALTEN = amerik. BEHAVIOR, engl. BEHAVIOUR
Watson geht davon aus, dass die Introspektion keine akzeptable Methode zur Untersuchung von Verhalten darstellt. Er akzeptiert lediglich das beobachtbare Verhalten
als ein probates Mittel, um aussagbare Daten zu erhalten. Diese Beobachtungen
müssen messbar gemacht werden. Folglich definiert Watson als Hauptziel der Psychologie, die „Vorhersage und Kontrolle des Verhaltens“ (Watson in Zimbardo; Gerrig; 1999, S. 207)
Im frühen Behaviorismus wurde lediglich die Tätigkeit der Muskeln und Drüsen als
Verhalten angesehen. Heute zählt zum Verhalten auch denkerische Tätigkeiten sowie Mimik, Gestik und Haltung. Die wichtigste Methode des Behaviorismus ist das
Tierexperiment. Die dort erlangten Untersuchungsergebnisse werden auf den Menschen übertragen. Die bekanntesten Vertreter dieser Schule sind:
Skinner, Thorndike und Watson
Die einzelnen Forscher entwickelten sehr unterschiedliche Theorien und die extremste Form, der deskriptive Behaviorismus, wurde von Skinner begründet. Diese Theorie
wird deshalb als besonders extrem angesehen, weil sie von dem Menschen als einem "leeren Organismus" ausgeht. Physiologische und psychologische Variablen
werden dabei völlig ausgeschlossen. Skinners Variante des Behaviorismus bildete
den Ausgangspunkt für die Verhaltensanalyse, eine Position der Psychologie, die
sich mit der Aufdeckung von spezifischen Umwelteinflüssen auf das Lernen und Verhalten bezieht. (Vgl. Zimbardo; Gerrig; 1999, S. 207)
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
36
Instrumentelles Konditionieren (Thorndike)
Das instrumentelle und operante Konditionieren bezeichnet eine Lernform.
Ausgangspunkt für das instrumentelle Konditionieren ist das Lernen durch „Versuch
und Irrtum“ (Trial & Error)
Edward Lee Thorndike
Geburtsdatum: 31. August 1874
Geburtsort: Williamsburg, Massachusetts, USA
Wirken: Amerikanischer Psychologe und Begründer der instrumentellen Konditionierung. Seine Verhaltensstudien an Tieren und speziell über Lernvorgänge führten zur
Theorie des Behaviorismus.
Werke: Edward L. Thorndike, Arthur I. Gates: Elementary Principles of Education.
MacMillan, New York 1930 (Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Lee_Thorndike)
Einführung: Instrumentelle Konditionierung
Thorndike entwickelte einen „Problemkäfig“, der sich von innen durch einen Druck
öffnen ließ. Wurde nun eine Katze in diesen Käfig gesperrt, konnte durch zufälliges
Berühren eines Hebels eine Klappe geöffnet werden und die Katze erlangte die Freiheit. In weiteren Versuchsdurchgängen zeigte sich, dass die Katze immer weniger
Zeit brauchte, um sich zurechtzufinden. Am Ende hatte die Katze gelernt, möglichst
schnell den Hebel zu finden, um die Freiheit zu erlangte.
Die Bezeichnung für diese Variante des Bekräftigungslernens ist die instrumentelle
Konditionierung, Lernen am Erfolg, Lernen durch Versuch und Irrtum.
(Vgl. Illichmann; 1995, S.72f)
Im „Effektgesetz“ respektive „Gesetz der Wirkung“ oder auch “Lernen am Erfolg” wird
Thorndikes Lernprinzip beschrieben, dass Verhaltensweisen, die angenehme Konsequenzen zur Folge haben, später häufiger auftreten, während Verhaltensweisen,
denen unangenehme Konsequenzen folgen, seltener gezeigt werden. (Vgl.
http://lexikon.stangl.eu/3372/effektgesetz/)
Abbildung 24: http://lexikon.stangl.eu/3372/effektgesetz/
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
37
Operantes Konditionieren (Skinner)
Ausgangspunkt für operantes Konditionieren ist das Prinzip „Lernen am Erfolg“. Während beim klassischen Konditionieren Reaktionen eines Organismus durch Darbietung eines Reizes ausgelöst werden, handelt es sich beim operanten Konditionieren
um spontan auftretende und aktiv produzierte Reaktionen eines Organismus. Die
Reaktionen haben keinen zwingenden Bezug zu vorausgehenden Stimulusbedingungen. Die auf sie folgenden Bedingungen entscheiden über ihr zukünftiges Auftreten oder ihre Intensität. Im Gegensatz zum klassischen Konditionieren (dem Vorläufer des operanten Konditionierens) wird der Reiz nicht unabhängig von einer Reaktion präsentiert, sondern es erfolgt erst ein Reiz, wenn eine bestimmte Reaktion eintritt. Operant werden jene Verhaltensweisen genannt, die vom Lernenden selbst hervorgebracht werden. Wesentlich dabei ist, dass dieses Verhalten durch bestimmte
Konsequenzen verstärkt wird. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 109)
Burrhus Frederic Skinner
Geburtsdatum: 20.03.1904
Geburtsort:
Susquehanna, Pennsylvania
Ausbildung:
Studium der PSYCHOLOGIE an der Harvard-University
Dort seit 1948 als Professor der Psychologie beschäftigt.
Werke:
Walden Two (Futurum II), New York 1948
The analysis of behavior. Toronto-London 1961 (mit J.-G. Holland)
Er setzte die Arbeit von L.E. Thorndikes „Instrumentelle Konditionieren“ fort und entwickelte daraus die „Operante Konditionierung“
( Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/B._F._Skinner)
Einführung operante Konditionierung
Skinners Experimente bezogen sich auf „Lernen durch Erfolg“ bzw. durch positive
Verstärkung. Ein erwünschtes Verhalten wird positiv verstärkt, indem es belohnt wird,
wie z.B. in der Skinner-Box durch eine Futterkugel. Er unterscheidet dabei zwei Verstärkungsarten. Zum einen die positive Verstärkung und zum anderen den Entzug
von unangenehmen Konsequenzen, die negative Verstärkung. Die negative Verstärkung ist keine Form der Bestrafung. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 110f)
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
38
Eines der berühmtesten Beispiele dafür ist die "Skinner Box":
Abbildung 25: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/KonditionierungSkinner.shtml
Eine Skinnerbox ist ein Käfig, in dem sich ein Versuchstier, z.B. eine Ratte, durch
Betätigen eines Hebels (operante Reaktion) Futter (Verstärker) beschaffen kann.
Durch Beobachtung des Versuchstiers können abhängige und unabhängige Variablen für das Konditionieren festgestellt werden.
Die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Verhaltensweise wird durch "verstärkende"
Konsequenzen erhöht.
Prinzip der Verstärkung
Durch die Verstärkung zufällig auftretender Elemente eines erwünschten Verhaltens
kann das Auftreten erwünschter Verhaltensweisen oder die Formung neuer Verhaltensweisen gefördert werden. Neue Verhaltensweisen können durch erfolgreiches
Ausprobieren erworben werden. (Vgl. Stifter; 1995, S.23)
4 mögliche Beziehungen von Verstärker (Vgl. Stifter; 1995, S.23)
Verstärkung
= Auftretenswahrscheinlichkeit
des Verhaltens nimmt zu
Bestrafung
= Auftretenswahrscheinlichkeit
des Verhaltens wird unterdrückt
positiv
negativ
Typ1
Typ2
angenehmer
Stimulus
wird
hinzugefügt
unangenehmer
Stimulus wird
reduziert
unangenehmer
Stimulus wird
zugefügt
angenehmer
Stimulus wird
weggenommen
Ignorieren
= Löschung
des Verhaltens
Auf gezeigtes
Verhalten folgt
kein Stimulus
(Reaktion)
Teil 2 – Lerntheorien der Psychologie
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Verstärker (Vgl. Stifter; 1995, S.23)
Primäre Verstärker:
Verstärkungskraft ist angeboren
Sekundäre Verstärker:
Ehemals neutrale Reize, die durch Kopplung mit einem primären Verstärker ihre Bekräftigungswirkung erhalten haben
Verstärkerpläne (Vgl. Stifter; 1995, S.25)
Wirkung von Verstärkungsplänen - fixierter Quotenplan
Wirkung von Verstärkungsplänen - variabler Quotenplan
Wirkung von Verstärkungsplänen - fixierter Intervallplan
Wirkung von Verstärkungsplänen - variabler Intervallplan
A - fixierter Quotenplan
B - variabler Quotenplan
C - fixierter Intervallplan
D - variabler Intervallplan
Konsequenz
Es gibt also die Möglichkeit dem Verhalten Reizbedingungen (angenehme oder unangenehme) in divergierenden Quoten oder Intervallplänen zuzuführen. Die Konsequenz daraus ist die Förderung oder die Unterdrückung einer Verhaltensweise
Beispiele
Programmierter Unterricht: Skinner entwickelte den „Programmierten Unterricht“ und
die Methode des „Programmierten Lernens“, die darauf abzielt, den Lernstoff in kleinere Einheiten zu zerlegen und immer wieder Antwortmöglichkeiten einzuflechten.
Durch diese Antwortmöglichkeiten können „Verstärker“ eingesetzt werden. Durch den
Einzug des Computers in den Unterricht hat diese Lehr- und Lernmöglichkeit auch in
Bezug auf die Individualisierung eine neue Bedeutung erhalten. (Vgl.
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/KonditionierungSkinner.shtml)
Premarck Prinzip: Mit diesem Prinzip ist es möglich, mit Spielmarken (Token), Gutscheinen etc. ein erwünschtes Verhalten herbeizuführen. (Vgl. Zimbardo; Gerrig;
1999, S. 224)
Pädagogische Praxis
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Pädagogische Praxis
Methode zum kooperativen Lernen aus Texten (Vgl. Dreher; 2003,
S.98)

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Der Text wird in Leseabschnitte gegliedert
Ein Partner erklärt dem anderen Zuhörer den Sachverhalt
Der andere Partner kann bei Unklarheiten nachfragen
Beide gemeinsam erarbeiten eine Elaboration
Die nächsten Textabschnitte werden jeweils mit vertauschten Rollen bearbeitet
Stufen des Wissenstransfers von einer Basis- auf eine Zielaufgabe (Vgl. Steiner in Dreher; 2003, S. 71)
Phase 1 – Kodierung - die Aufnahme des Lernmaterials
Hier wird z.B. durch Lesen oder Stoffübermittlung des Lehrers neues Lernmaterial
aufgenommen. Die unterschiedlichen Lernkanäle, auf die allerdings erst später eingegangen wird, haben einen entscheidenden Einfluss auf die erfolgreiche Aufnahme
des Stoffes. Bei der Aufnahme befindet sich der Lernende in einer eher passiven
Phase, da er das neue Wissen noch nicht anwenden kann und auch nicht genau
weiß, ob er alles richtig verstanden hat.
Phase 2 – Abrufen - die Verarbeitung des Lernmaterials
In dieser Phase wird der aufgenommene Stoff verarbeitet. Die neuen Informationen
werden eingeordnet, Begriffen zugeordnet und strukturiert. Stufenweise wird das
neue Wissen eingeordnet. Voraussetzung für die Verarbeitung ist allerdings ein Interesse an Erkenntnis. In dieser Phase bekommt der Lernende einen ersten Überblick
darüber, was er gelernt hat.
Phase 3 – Auswählen und Abbilden - die Vertiefung des Lernmaterials
Diese Phase schließt sich direkt an die Phase der Verarbeitung an. Der Stoff wird mit
schon gelernten Themen in Verbindung gebracht und zu diesen zugeordnet. Das
funktioniert umso besser, wenn diese neu gelernten Themen zu ähnlichen schon gelernten und verarbeiteten Themen zugeordnet werden können. Diese Phase des
Lernens vollzieht sich zu einem großen Teil unbewusst und mit der rechten Gehirnhälfte. Durch diese Vertiefung des Stoffes wird das neue Wissen noch verfestigt.
Phase 4 – Abstrahieren - der Transfer des Lernmaterials
Der Transfer ist die Anwendung des Gelernten. Der Lernende wiederholt hier den
Stoff, indem er ihn anwendet. Dadurch erhält er zudem eine Einsicht darin, ob er den
Stoff erfolgreich gelernt hat oder ob er noch üben muss. Beim erfolgreichen Transfer
des Stoffes wird das neue Wissen noch stärker im Gedächtnis verfestigt und der Lernende bekommt die Bestätigung bzw. positive Verstärkung erfolgreich gelernt zu haben.
Pädagogische Praxis
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Inhaltswissen – Zur Bedeutung inhaltlichen Vorwissens (Vgl. Friedrich, Mandl in Dreher; 2003, S. 62)
 Generelle Voraussetzung für den weiteren Wissenserwerb
 Umfang (Menge), Organisiertheit (Struktur), und Zugänglichkeit (Vernetzung)
beeinflusst den weiteren Wissenserwerb
 Anknüpfungspunkte für die Integration neuer Information in die bestehende
kognitive Struktur
 Filter für die Interpretation neuer Information
 Vorwissen erleichtert
o Die Konstruktion von Bedeutung
o Die Einschätzung der Relevanz neuer Information
o Den Prozess des Erschließens (Schlussfolgerung)
o Die Überwachung des Verstehens
Gedächtnishemmungen und Lernstörungen
Was für Hinderungsgründe und innerpsychische Prozesse können die Ursache für
Lernprobleme und Lernhemmungen sein?
In diesem Teil soll auf die Probleme beim Lernen eingegangen werden, die zum einen durch psychische Prozesse beim Lernen entstehen können und zum anderen
durch veraltete und fehlerhafte Lernmethoden entstehen können.
Viele Menschen verbinden Lernen mit negativen/schwarzen Gefühlen. „ Für viele
Menschen ist Lernen identisch mit Pauken und vor allem damit, dass es keinen Spaß
macht. Auch das ist gelernt“ (Spitzer; 2006, Vorwort)
Sie haben verlernt, dass Lernen Spaß machen kann. Durch Eltern und Lehrer und
durch eigene überhöhte Ansprüche stehen sie unter dem Druck, gute Noten zu bekommen. Durch diese Anspannung werden körperliche Prozesse aktiviert (z.B. Ausschüttung von Adrenalin), die die Aufnahme bzw. die Verarbeitung von zu lernenden
Themen erheblich erschweren. Dieser Prozess wird als emotionale Lernhemmung
bezeichnet.
Diese Einstellung zum Lernen hemmt auch die Motivation, denn es wurde verinnerlicht, dass Lernen Angst macht und anstrengend ist. Es entstehen Bedingungen zur
Anstrengungsvermeidung (Vgl. Rollett, 1997, S.139) Die Motivation ist allerdings ein
zentrales Moment des Lernens.
Lernprobleme entstehen auch, wenn über eine zu lange Zeit derselbe Lernstoff gelernt wird. Der Lernstoff wird zwar im Gedächtnis behalten, aber dadurch, dass ein
weiterer Lernstoff hinzukommt, entstehen Probleme, das Gelernte richtig einzuordnen und sacken zu lassen bzw. zu verdauen. Dieser Prozess wird umso stärker, je
ähnlicher der zu lernende Stoff ist. „Die Psychologie spricht deshalb auch von einer
‚Ähnlichkeitshemmung’
Eine „Retroaktive Hemmung“ liegt vor, wenn bei der Festigung des zuvor gelernten
Lernstoffes zu wenig Zeit zur Engrammbildung bleibt und gleich darauffolgend der
nächste Lernstoff angeeignet wird. Nach dem bewussten Lernen läuft ein Konsolidie-
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rungsprozess ab, der besonders in seiner frühen Phase störanfällig ist. (Vgl. Flatschacher; Toyf; 2000, S.42)
Der Arbeit wird häufig nur ein Endziel zugeordnet. Dieses zu erreichen ist schwer
und dauert lange, was zwangsläufig zu Enttäuschung und Frustration führt. Diese
Enttäuschungen und somit Lernhemmungen treten auch auf, wenn versucht wird,
kurz nach dem schon etwas anderes gelernt wurde, neuen Lernstoff aufzunehmen.
Diese Hemmung wird „Proaktive Hemmung“ bezeichnet (Vgl. Flatschacher; Toyf;
2000, S.42)l
Als „Ekphorische Hemmung“ wird eine Lernbeeinträchtigung bezeichnet, wo kurz vor
der Wiedergabe des zuerst gelernten Stoffes ein neuer Lernstoff aufgenommen wird.
(Vgl. Flatschacher; Toyf; 2000, S.42)l
Lernkanäle (Vgl. http://www.cornelsen.de/be-my-guest/1.c.3061090.de)
Viele Schüler stützen sich beim Lernen ganz vorrangig auf das Hören und Sehen/Lesen. Lernaktivitäten wie Schreiben, Nachschlagen, Strukturieren, Lernkärtchen Anlegen oder experimentelles Arbeiten in Gruppen werden vielfach als eher
lästiges Arbeiten empfunden. Was die meisten Schüler dabei allerdings weder wissen, noch näher bedacht haben, ist die Tatsache, dass das Gros unter ihnen die
praktische Lerntätigkeit zwingend braucht, um den Lernstoff nachhaltiger begreifen
zu können.
Prozentuelle Aufteilung der Lernkanäle
Durch ein Ansprechen verschiedener Lernkanäle ist die Aufmerksamkeit in der Klasse breiter gestreut und jeder Schüler kann individuell seine beste Lernumgebung
„lernen“
• Über den Lernkanal „Hören“ behalten wir ca. 10% des dargebotenen Lernstoffs
• über den Lernkanal „Lesen“ ca. 30%
• über den Lernkanal „Sehen“ ca. 30%
• über die Kombination der Lernkanäle „Sehen und Hören“ ca. 50%
• über den Lernkanal „Selbersagen“ ca. 80%
• über den Lernkanal „Handeln“ (selber etwas tun) ca. 90%.
(Vgl. http://www.cornelsen.de/be-my-guest/1.c.3061090.de)
Reize werden mit den Sinnesorganen wahrgenommen. Und wenn gelernt wird, werden ebenfalls Reize über die Sinnesorgane wahrgenommen. Die Sinnesorgane die
hauptsächlich zum Lernen verwendet werden, bezeichnet man als Lernwege oder
Lernkanäle. Die für das Lernen eher sekundären Sinne wie Riechen, Schmecken
und Fühlen sollen hier nicht behandelt werden, denn wenn gelernt wird, geschieht
das hauptsächlich über das Sehen und/oder Hören.
Außerdem kann durch die Reproduktion und/oder Produktion von Lehrmaterial, d.h.
durch aktives Handeln, Lernmaterial aufgenommen werden. Diese Lernkanäle werden beim Lernen nicht als einzelne Lernkanäle allein benutzt, es ist eher ein dauern-
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des sich Abwechseln der Kanäle und/oder sie werden auch gleichzeitig benutzt. (vgl.
Dahmer, 1991 S.9)
Lernkanal 1 – Das Hören
Hören ist eine wenig anschauliche Form des Wahrnehmens, da das Gehörte „erst
im Gehirn in konkrete Vorstellungen von den angesprochenen Gegenständen oder
Vorgängen“ (Kugemann 1991, S.90) umgesetzt werden muss. Zwar können „verbale Beispiele (...) Informationen anschaulicher machen“ (Dahmer 1993, S.93),
z.B. wenn etwas bildlich beschrieben wird, doch ansonsten hat das Hören Nachteile durch die Abstraktheit und der Flüchtigkeit gehörter Information.
Lernkanal 2 – Das Sehen
Beim Lernen durch Sehen muss zwischen dem Lesen über etwas, bei dem trotz
Illustrationen das Gelernte „verhältnismäßig abstrakt bleibt“ (Dahmer 1993, S.94),
und dem Sehen von etwas Realem, der Anschauung der Wirklichkeit, unterschieden werden. Der Vorteil beim Sehen von Bildern, Abbildungen, Grafiken und
Zeichnungen „ist die unmittelbare Anschaulichkeit“ (Kugemann 1991, S.95), allerdings können abstrakte Begriffe häufig nicht dargestellt werden. Vorteile des Lesens sind Wiederholbarkeit, Übersichtlichkeit und Gewohnheit durch Lesen zu
Lernen.
Beim Lesen wird das Gelesene im günstigsten Fall visualisiert, soweit dies dem
Leser möglich ist. Dadurch vereinfacht sich die Aufnahme erheblich. Lebendige,
innere Bilder führen zu einem ähnlich starken Lerneffekt wie die Anschauung realer Bilder. Der größte Lerneffekt wird jedoch durch den folgenden Lernkanal erzielt.
Lernkanal 3 – Aktives Lernen durch Handeln
Bei diesem Lernkanal wird Lernstoff aufgenommen, verarbeitet und dann reproduziert.
„Dabei soll der Begriff Handeln hier nicht nur als manuelle Verrichtung verstanden
werden, sondern auch als denkendes Tun, aktives Lernen ist also auch als geistige Auseinandersetzung mit dem Stoff“ (Dahmer 1993, S.94f) zu verstehen. Die
Reproduktion hat den Vorteil, dass man etwas wiederholt, was in jedem Lernkanal
eine große Bedeutung für die Speicherung im Gedächtnis hat. Außerdem kann der
Lernende überprüfen, ob er etwas wirklich verstanden hat, also die neue Handlung
ohne größere Probleme bewältigen kann. Es werden nicht nur Informationen aufgenommen, sondern auch wiedergegeben. Das macht den entscheidenden Unterschied zu den anderen Lernkanälen.
Daher empfiehlt es sich täglich das Gelernte in einem Lerntagebuch festzuhalten.
Durch die Eintragung findet der Transfer des Gelernten statt und das Gelernte wird
dem aktiven Wissen hinzugefügt. Beim Transfer wird zudem noch gelernt das Wissen zu reproduzieren. Effektives Lernen kann mit dem Einatmen und dem Ausatmen
verglichen werden, es wird ein Thema aufgenommen, verarbeitet und dann reproduziert. Gibt es nicht die Möglichkeit, das Gelernte wiederzugeben bzw. anzuwenden,
entsteht ein eher passives Wissen, welches noch anzuwenden gelernt werden muss.
Literaturverzeichnis
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