Unvollständige Modelle der Finanzmärkte Michał Barski Leipzig University 1. Februar 2013 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 2 Lévyprozesse 2.1 Poissonprozess . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zufallsmaße und Punktprozesse . . . . . . 2.3 Sprungprozesse als Poisson’sche Integrale . 2.4 Sprungmaß des Sprungprozesses . . . . . . 2.5 Zusammengesetzter Poissonprozess . . . . 2.6 Die Lévy-Itô-Zerlegung . . . . . . . . . . . 2.7 Die Lévy-Khinchin Formel . . . . . . . . . 2.8 Eigenschaften der Lévyprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Stochastische Analysis 3.1 Stochastische Integrale . . . . . . . . . . . . . 3.2 Quadratische Variation . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Itô-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Exponentiale und stochastische Exponentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 4 8 10 12 12 16 21 22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 27 31 33 40 4 Lineare Bewertungsregel und Martingalmaße 4.1 Lineare Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Arbitragefreiheit und Martingalmaße . . . . . 4.3 Equivalente Maße in Lévymodellen . . . . . . . 4.4 Die Esscher-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 43 44 46 50 . . . . . . 54 54 56 62 66 73 78 5 Optionsbewertung und Absicherungsstrategien 5.1 Das Merton-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Superhedgingstrategien . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Nutzenmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Quadratic Hedging . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Kostenminimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Partielle Differentialgleichungen . . . . . . . . . . 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Einleitung In diesem Skript werden höhere Finanzmodelle betrachtet welche das Black-Scholes Modell verallgemeinern. Erinnern wir uns an die Dynamik einer Aktie in dem BS-Modell dSt = St (αdt + σdWt ), t > 0, S 0 = s0 , (1) mit α ∈ R, σ > 0. Die Lösung von (1) hat die folgende Form 1 St = s0 e(α− 2 σ 2 )t+σW t , t ≥ 0. Empirische Untersuchungen zeigen, dass das BS-Modell das reelle Verhalten der Aktienkurse nicht genau widerspiegelt. Insbesondere unterscheidet sich die zum BS Modell gehörige Verteilung des Preisprozesses von der reellen Verteilung. Aus diesem Grund werden in der Finanzmathematik allgemeinere Modelle betrachtet, die besser die echte Dynamik des Preises umschreiben. Der Prozess der in der BS-Formel auftritt 1 (α − σ 2 )t + σWt , t ≥ 0, 2 gehört zur Klasse der Lévyprozesse. Deswegen ist es natürlich das Modell zu erweitern und den Aktienpreis folgendermaßen darzustellen St = s0 eZt , t ≥ 0. (2) Dabei ist Zt ein allgemeiner Lévyprozess. Das Modell (2) heißt exponentielles Lévymodell. Für einen gegebenen Preisprozess ist es immer möglich einen solchen Lévyprozess auszuwählen, dass die zum Modell (2) gehörige Preisverteilung und die echte Verteilung fast perfekt übereinstimmen. Obwohl Lévymodelle realistischer sind, ist ihre Untersuchung viel komplizierter (und interessanter). Fast jedes exponentielles Lévymodell ist unvollständig, d.h. nicht jeder Zahlungsanspruch H ist erreichbar und die Menge aller Martingalmaße Q enthält unendlich viele Elemente. In diesem Fall ist der Preis H nicht eindeutig bestimmt. Anstatt des Preises erhält man ein Preis-Intervall Q Q inf E [H], sup E [H] , (3) Q∈Q Q∈Q wobei das linke Ende als der Preis des Käufers und das rechte als der Preis des Verkäufers interpretiert werden können. Im Falle der Calls H = (ST − K)+ hat das Preisintervall in vielen Lévymodellen die folgende Form [(S0 − K)+ , S0 ]. Als eine Folgerung erhalten wir, dass die Superreplikationsstrategie für die Call-Option trivial ist: 1. Im Zeitpunkt t = 0 verkaufe eine Option zum Preis S0 und kaufe ein Aktienstück. 2. Auf dem Zeitintervall (0, T ) halte die Aktie im Portfolio und mache gar nichts. 3. Im Zeitpunkt t = T ist die Option abgesichert, da ST ≥ (ST − K)+ gilt. Diese Prozedur zeigt dass der Preis einer Superreplikationsstrategie zu hoch ist und dass die Superreplikationsmethode im Lévymodell nicht mehr nutzbar ist. Es stellt sich also die Frage nach den neuen Bewertungsmethoden. Wir werden folgende Methoden betrachten: 2 1. Aus der Menge Q werden wir ein bestimmtes Maß betrachten und es als das Bewertungsmaß anwenden. Dieses Maß erhält man mit Hilfe der Methode von Merton in welcher das Risiko in zwei Teilen zerlegt wird - kontinuierliches Risiko und das mit den Sprüngen verbundene Risiko. 2. Nutzenmaximierung. Der Investor mit der Nutzenfunktion U und Anfangskapital x will eine Option H zum Preis p kaufen. Sein Ziel ist seinen Nutzen zu maximieren: Z T ϕt dSt )]. u(x, p, H) := sup E[U (x − p + H + ϕ 0 Dann ist der Preis p so bestimmt dass die Gleichheit u(x, 0, 0) = u(x, p, H), gilt. Das bedeutet, dass dem Investor egal ist ob er die Option zum Preis p kauft oder auf den Kauf der Option verzichtet. 3. Varianzminimierungportfolio. Das Ziel des Investors ist es das folgende Problem zu lösen Z T inf E[| ϕt dSt − H |2 ]. ϕ 0 4. Minimierung der Entropie. Aus der Menge Q wählt man ein bestimmtes Maß aus. Dieses Maß minimiert den Abstand von dem Originalmaß P . Dieser Abstand heißt eine Entropie von Q bezüglich des Originalmaßes P . 5. Man kann den Markt mit Hilfe anderer Optionen auf dieselbe zugrunde liegende Aktie erweitern. In diesem Fall ist die Menge aller Strategien größer und deswegen sinkt der Preis der Absicherungsstrategie. 2 Lévyprozesse Lévyprozesse - benannt nach dem französischen Mathematiker Paul Lévy (1886-1971), sind stochastische Prozesse mit stationären, unabhängigen Zuwächsen. Definition 2.1 Ein stochastischer Prozess Zt , t ≥ 0 mit Z0 = 0 heisst ein Lévyprozess falls folgende Bedingungen erfüllt sind a) die Zuwächse sind unabhängig, d.h. die Zufallsvariablen Zt0 , Zt1 −Zt0 , Zt2 −Zt1 , ..., Ztn −Ztn−1 sind unabhängig für eine belibige Folge t0 < t1 < ... < tn , b) die Zuwächse sind stationär, d.h. die Verteilung von Zt+h − Zt ist unabhängig von t, c) Z ist stochastisch stetig, d.h. ∀ε > 0 limh→0 P (| Zt+h − Zt |≥ ε) = 0. Im Folgenden werden zwei Prozesse eine wichtige Rolle spielen 1. eine deterministische lineare Funktion t → at, t ≥ 0, wobei a ∈ R, 2. eine Brown’sche Bewegung W (t), t ≥ 0. 3 Aus der Definition folgt, dass beide obige Prozesse Lévyprozesse sind. Es ist auch klar, dass sie stetige Pfade haben. Diese Eigenschaft ist jedoch sehr selten von einem allgemeinen Lévyprozess erfüllt und folgt absolut nicht aus dem Punkt (c) in der Definition des Lévyprozesses. Üblicherweise besitzen die Pfade der Lévyprozesse Sprünge. Auf der anderen Seite sind die Pfade nicht total unregelmäßig da jeder Pfad immer càdlàg ist. Das einfachste Beispiel eines Lévyprozesses mit Sprüngen ist ein Poissonprozess der im Folgenden eingeführt wird. 2.1 Poissonprozess Der einfachste Sprungprozess ist ein Poissonprozess. Da die Brown’sche Bewegung sowie der Poissonprozess die Grundprozesse in der Theorie der Lévyprozesse sind, werden wir mit ihrer Hilfe weiterhin einen allgemeinen Lévyprozess bilden. Exponentialverteilung Eine Zufallsvariable τ mit Werten in [0, +∞) hat eine Exponentialverteilung mit einem Parameter λ > 0, falls die Dichte die folgende Form hat fτ (t) := λe−λt 1[0,+∞) (t). Man kann leicht die Verteilungsfunktion bestimmen Z t Fτ (t) = P (τ ≤ t) = λe−λs ds = 1 − e−λt . 0 Die Exponentialverteilung besitzt folgende kennzeichnende Eigenschaft. Satz 2.2 (Gedächtnislosigkeit - absence of memory) Sei τ eine Zufallsvariable mit Werten in [0, +∞) die nicht trivial ist, d.h τ 6= 0. Dann ist τ eine exponentialverteilte Zufallsvarible genau dann wenn P (τ > t + s | τ > t) = P (τ > s), t, s > 0. Beweis: ” ⇒ ” Es gilt P (τ > t + s | τ > t) = 1 − Fτ (t + s) e−λ(t+s) P (τ > t + s) = = = e−λs = P (τ > s) P (τ > t) 1 − Fτ (t) e−λt ” ⇐ ” Definiere g(t) = P (τ > t). Mit Hilfe der Bayes’chen Formel erhält man g(t + s) = P (τ > t + s) = P (τ > t + s | τ > t)P (τ > t) = P (τ > s)P (τ > t) = g(s)g(t). (4) Die Funktion g ist fallend und rechtseitig stetig. Die Gleichung (4) hat eine eindeutige Lösung in der Menge aller fallenden, rechtsstetigen Funktionen. Daraus folgt dass g folgende Form hat g(t) = e−λt wobei λ > 0. In der Wahrscheinlichkeitstheorie modelliert man meistens mit Hilfe der Exponentialverteilung die zufällige Erwartungszeit. Poissonverteilung Eine Zufallsvariable N mit Werten in den natürlichen Zahlen ist Poissonverteilt mit Parameter λ > 0, falls λk n = 0, 1, ..., P (N = n) = e−λ , k! 4 gilt. Für die Poissonverteilung gilt u −1) E[euN ] = eλ(e u ∈ R. , Definition 2.3 (Poissonprozess) Seien τ1 , τ2 , ... unabhängig und identisch exponentialverteilt Zufallsvariablen mit Parameter λ > 0. Für jedes t > 0 definiere eine Zufallsvariable 0 falls t < τ1 , Nt := k falls t ∈ [τ1 + τ2 + ... + τk , τ1 + τ2 + ... + τk + τk+1 ). Der Prozess t → Nt heißt ein Poissonprozess mit Intensität λ. Die Zufallsvariablen Tk := k X τi , k = 1, 2, ... i=1 heißen Sprungzeiten. Mit ihrer Hilfe kann man alternativ den Poissonprozess umschreiben: X Nt = 1{t≥Ti } . (5) i≥1 Das folgende Resultat fasst die grundlegenden Eigenschaften des Poissonprozesses zusammen. Satz 2.4 Sei Nt , t ≥ 0 ein Poissonprozess. Dann gilt a) Für jedes t ≥ 0 ist Nt endlich fast sicher. b) Für jedes t > 0 ist Nt Pissonverteilt mit Parameter λt, d.h. P (Nt = k) = e−λt (λt)k , k! k = 0, 1, ... . (6) c) Für jedes ω ∈ Ω ist der Pfad t → Nt (ω) stückweise konstant mit Sprüngen der Höhe 1. d) Jeder Pfad ist càdlàg. e) Für jedes t > 0 gilt P (Nt = Nt− ) = 1, wobei Nt− := lims↑t Ns . f ) N ist stochastisch stetig, d.h. ∀t > 0, P lim Ns −→ Nt . s→t g) Die charakteristische Funktion von Nt hat die Form iu −1) E[eiuNt ] = eλt(e , u ∈ R. h) N hat unabhängige Zuwächse. i) Die Zuwächse sind stationär, d.h. die Verteilung von Nt − Ns ist gleich der Verteilung von Nt−s für jede t > s. 5 j) N ist ein Markovprozess, d.h. E[f (Nt ) | Nu , u ≤ s] = E[f (Nt ) | Ns ], t > s. Insbesondere folgt aus (f ), (h), (i), dass ein Poissonprozess ein Lévyprozess ist. Beweis: Wir beweisen (a) − (f ). (a) Aus dem Gesetz der Großen Zahlen folgt Tn τ1 + τ2 + ... + τn 1 = −→ E[τ1 ] = , n n n λ f.s., und weiter Tn −→ +∞, f.s.. Das impliziert, dass die Anzahl der Sprünge auf jedem endlichen Intervall [0, t], t > 0 endlich ist. Da jeder Sprung gleich 1 ist, erhalten wir Nt < +∞, f.s. . (b) Bezeichnen wir die Dichte der Exponentialverteilung mit g, d.h. g(t) = λe−λt 1[0,+∞) (t). Da τ1 , τ2 , ... unabhängig sind, kann man leicht die Verteilung der Summe τ1 + τ2 + ... + τk bestimmen. Die Dichte von τ1 + τ2 ist gleich: Z +∞ Z z g2 (z) = g(z − y)g(y)dy = λe−λ(z−y) λe−λy dy −∞ = λ2 Z 0 z e−λz dy = λ2 ze−λz 1[0,+∞) (z). 0 Anschließend bestimmen wir die Dichte von τ1 + τ2 + τ3 . Diese ist gleich: Z +∞ Z z g3 (z) = g2 (z − y)g(y)dy = λ2 (z − y)e−λ(z−y) λe−λy dy −∞ = λ3 Z 0 z (z − y)e−λz dy = λ3 (z 2 e−λz − e−λz 0 z2 z2 ) = λ3 e−λz 1[0,+∞) (z), 2 2 und so weiter. Daraus folgt, dass die Dichte von τ1 + τ2 + ... + τk von der Form gk (z) = λk z k−1 −λz e 1[0,+∞) (z), (k − 1)! ist. Jetzt zeigen wir die Gleichheit (6). P (Nt = k) = P (τ1 + τ2 + ... + τk ≤ t < τ1 + τ2 + ... + τk + τk+1 ) = P (τ1 + τ2 + ... + τk ≤ t) − P (τ1 + τ2 + ... + τk + τk+1 ≤ t) Z t Z t = gk (z)dz − gk+1 (z)dz 0 Z = 0 0 t z k−1 −λz λ e dz − (k − 1)! k 6 Z 0 t λk+1 z k −λz e dz k! R f 0h + k f h0 = f h mit f (z) := zk! , h(z) := λk e−λz und erhalten z k k −λz z=t (λt)k −λt P (Nt = k) = λ e = e . k! k! z=0 Jetzt verwenden wir die Formel R (c) und (d) folgen direkt aus (5). (e) Sei t > 0 festgelegt. Es gilt P (Nt− = Nt ) = P (4Nt = 0) und P (4Nt 6= 0) = P (4Nt = 1) = P (t = Ti für gewisses i=1,2,...). Für jedes i hat die Zufallsvariable Ti eine stetige Verteilung, so gilt P (Ti = t) = 0. Daraus folgt P (4Nt = 1) = +∞ X P (Ti = t) = 0. i=1 (f ) Folgt aus (d) weil die Implikation P Ns −→ Nt , f.s. =⇒ Ns −→ Nt , s→t s→t gilt. Satz 2.5 Seien Nt1 , t ≥ 0, Nt2 , t ≥ 0 zwei unabhängige Poissonprozesse mit Parametern λ1 , λ2 . Dann ist der Prozess Nt1 + Nt2 ein Poissonprozess mit Parameter λ1 + λ2 . Kompensierter Poissonprozess Definition 2.6 Sei N ein Poissonprozess. Der Prozess Ñt := Nt − λt, t ≥ 0. (7) Ñ heißt ein kompensierter Poissonprozess. Der Prozess t → λt heißt ein Kompensator von N . Es ist klar, dass Ñ unabhängige Zuwächse hat. Man kann zeigen, dass er ein Martingal ist: E(Ñt | Ñu , u ≤ s) = E(Ñt | Ñs ) = E(Ñs + (Ñt − Ñs ) | Ñs ) = Ñs + E(Ñt − Ñs | Ñs ) = Ñs + E(Nt − λt) − E(Ns − λs) = Ñs . Der Prozess t → λt (in der Tat in diesem Fall eine deterministische Funktion) heißt ein Kompensator von N . Den Kompensator eines allgemeinen Prozesses definiert man als ein Prozess, so dass die Differenz vom Originalprozess vom Kompensator ein Martingal ist. Der Poissonprozess Nt zählt die zufälligen Zeitpunkte Ti , i = 1, 2, ... die auf dem Intervall [0, t] aufgetreten sind. Dabei ist Ti eine Summe von exponentialverteilten Zufallsvariablen. Man kann diese Konstruktion auf beliebige Verteilungen verallgemeinern. Definition 2.7 (Zählprozess - counting process) Sei Tn , n = 1, 2, ... eine steigende Folge von Zufallsvariablen mit Tn −→ +∞, f.s.. Den Zählprozess definiert man durch die Formel X Xt := 1{t≥Tn } . n≥1 7 Es stellt sich heraus dass der Poissonprozess der einzige Zählprozess mit unabhängigen und stationären Zuwächsen ist. Satz 2.8 Sei Xt , t ≥ 0 ein Zählprozess mit unabhängigen und stationären Zuwächsen. Dann ist X ein Poissonprozess. Beweis:(Skizzierung) Definiere Yn := Tn −Tn−1 . Zunächst zeigt man, dass Y1 exponentialverteilt ist. Es gilt P (Y1 > t + s | Y1 > t) = P (Xt+s = 0 | Xt = 0) = P (Xt+s − Xt = 0 | Xt = 0) = P (Xt+s − Xt = 0) = P (Xs = 0) = P (Y1 > s). Daraus folgt, dass die Zufallsvariable Y1 gedächtnislos ist, somit muss sie exponentialverteilt sein. Weiter beweist man, dass die Zufallsvariable XY1 +t − XY1 unabhängig von Y1 und verteilt wie Xt ist. Daraus folgt, dass Y2 unabhängig von Y1 und wie Y1 verteilt ist. Die Prozedur kann für weitere Zufallsvariablen Y3 , Y4 , ... wiederholt werden. 2.2 Zufallsmaße und Punktprozesse Wie im vorigen Kapitel erklärt wurde, zählt der Poissonprozess Nt die Sprungzeitpunkten auf dem Intervall [0, t] zusammen: Nt = ]{i ≥ 1 : Ti ∈ [0, t]}. Die Anzahl der Sprungzeitpunkte auf (s, t] ist gleich Nt − Ns . Deswegen kann der Poissonprozess mit einem Maß auf R+ identifiziert werden M (ω, A) := ]{i ≥ 1 : Ti ∈ A}, A ⊆ R. Das Maß M (ω, ·) nimmt nichtnegative natürliche Werte an und ist endlich für jede beschränkte Menge A ⊂ R. Da es von ω abhängig ist, heißt es ein Zufallsmaß. Alternativ nennt man es auch ein Zählmaß oder Poisson’sches Zählmaß. Die Intensität des Poissonprozesses bestimmt den Mittelwert des Maßes im folgenden Sinne E[M (A)] = λ | A |, wobei | A | für das Lebesguemaß steht. Anschließend kann man das kompensierte Zufallsmaß einführen Z M̃ (ω, A) := M (ω, A) − λ | A |= M (ω, A) − λds, A ⊆ R. A R Dabei heißt das Maß A −→ A λds ein kompensierendes Maß. Es ist klar, dass man mit Hilfe des Zufallsmaßes den Poissonprozess sowie den kompensierten Poissonprozess darstellen kann: Z t Nt (ω) = M (ω, [0, t]) = M (ω, ds), 0 Z Ñt (ω) = M̃ (ω, [0, t]) = t Z Z t M (ω, ds) − M̃ (ω, ds) = 0 t 0 λds. 0 Das Zufallsmaß M (·) erbt von dem Poissonprozess folgende Eigenschaften 8 a) M ([s, t]), 0 ≤ s < t, ist eine Poissonverteilte Zufallsvariable mit Parameter λ(t − s), b) Für zwei disjunkte Intervalle [s1 , t1 ], [s2 , t2 ], s1 < t1 , s2 < t2 , sind die Zufallsvariablen M ([s1 , t1 ]), M ([s2 , t2 ]) unabhängig. c) Für beliebige messbare Menge A ist die Zufallsvariable M (A) Poissonverteilt mit Parameter R A λds = λ | A |. Zusammenfassend ist M ein Zufallsmaß auf R+ mit dem kompensierenden Maß von der Form R A → λ A ds. Die Definition des Poisson’schen Zählmaßes besitzt eine Erweiterung, welche wir im Folgenden brauchen werden. In der allgemeineren Definition möchten wir die Menge R+ durch E ⊆ Rd , d > 1 und das Lebesguemaß durch das Radon Maß ersetzen. Definition 2.9 (Radon Maß) Das Maß µ auf E ⊆ Rd heißt ein Radon Maß, falls ν(B) < +∞, für jede messbare kompakte Menge B aus E gilt. Definition 2.10 (Allgemeines Poisson’sches Zählmaß) Seien (Ω, F, P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum, E ⊆ Rd und µ ein Radon Maß auf (E, E). Ein Poisson’sches Zählmaß auf E mit Intensitätsmaß µ ist ein Zufallmaß M : Ω × E → N, das folgende Bedingungen erfüllt a) Für fast alle ω ∈ Ω ist M (ω, ·) ein Radon Maß auf E mit Werten in den natürlichen Zahlen, d.h. M (ω, A) ∈ N, A ∈ E. b) Für jede Menge A ∈ E ist die Zufallsvariable M (A) Poissonverteilt mit Parameter µ(A), d.h. P (M (A) = k) = e−µ(A) (µ(A))k , k! k = 0, 1, ... . c) Für disjunkte Mengen A1 , A2 , ..., An ∈ E sind die Zufallsvariablen M (A1 ), M (A2 ), ..., M (An ) unabhängig. Es stellt sich die Frage ob es für ein beliebiges Radon Maß möglich ist ein Poisson’sches Zählmaß zu bilden. Satz 2.11 (Konstruktion des Poisson’schen Zählmaßes) Für beliebiges Radon Maß µ auf E ∈ Rd existiert ein Poisson’sches Zählmaß M mit Intensität µ. Beweis: Wir bestimmen eine explizite Formel für das Maß M und betrachten nur den Fall µ(E) < +∞. 1. Sei X1 , X2 , ... eine iid-Folge mit der Verteilung P (Xi ∈ A) = µ(A) . µ(E) 2. Sei M (E) eine Poissonverteilte Zufallsvariable mit Parameter µ(E) die unabhängig von der Folge X1 , X2 , .. ist. 9 3. Definiere M (E) M (A) := X A ∈ E. 1A (Xi ), i=1 Dann kann man leicht zeigen dass M tatsächlich ein Poisson’sches Zählmaß ist. P Für den allgemeinen Fall µ(E) = +∞ betrachtet man eine Zerlegung E = +∞ i=1 Ei mit µ(Ei ) < P+∞ +∞ und definiert M (A) := i=1 Mi (A), wobei Mi für Ei wie im ersten Schritt gebildet wird. Dann zeigt man dass die unendliche Summe konvergiert. Aus dem Beweis folgt, dass jedes Poisson’sches Zählmaß mit einer Folge der Zufallspunkte X1 , X2 , ... in E identifiziert werden kann. Dann gilt X 1A (Xi ), A ∈ E, M (ω, A) = i≥1 oder in alternativer Notation M (ω, A) = X A ∈ E, δXi (A), i≥1 wobei δXi für das Diracmaß steht. Deswegen nennt man das Poisson’sche Zählmaß auch einen Punktprozess. Die Folge X1 , X2 , ... kann nicht beliebig sein. Da das Maß M ein Radon Maß ist, d.h. M (ω, A) < +∞ für eine kompakte Menge A, darf die Folge keinen Häufungspunkt in E besitzen. Für das Poissonprozess haben wir das Zufallsmaß M , das kompensierende Zufallsmaß A → R A λds und das kompensierte Zufallsmaß M̃ definiert. Diese Begriffe lassen sich auf den allgemeinen Fall des Poisson’schen Zählmaßes verallgemeinern. Definition 2.12 Es sei M ein Poisson’sches Zählmaß auf E ⊆ Rd mit Intensität µ. Dann heißt M̃ (A) := M (A) − µ(A), A ∈ E, ein kompensiertes Poisson’sches Zählmaß. Es ist klar, dass für die Folge der disjunkten Mengen A1 , A2 , ..., An die Zufallsvariablen M̃ (A1 ), M̃ (A2 ), ..., M̃ (An ) unabhängig sind. 2.3 Sprungprozesse als Poisson’sche Integrale Jetzt werden wir zeigen wie man einen Sprungprozess aus dem Poisson’schen Zählmaß M erhalten kann. Das Ziel ist es ein Integral der Form Z tZ Xt = f (s, y)M (ds, dy), t > 0, 0 Rd \{0} zu definieren. Dabei ist f (·, ·) eine deterministische Funktion. Es sei µ(ds, dy) ein Radon Maß auf dem Raum E = [0, T ] × Rd \ {0}. Dann existiert ein Poisson’sches Zählmaß und es kann mit der Folge der Zufallsvariablen (Tn , Yn ), n = 1, 2, ... in E identifiziert werden. Dann gilt X M= δ(Tn ,Yn ) . n≥1 Für jedes n = 1, 2, ... ist Tn ein Zufallszeitpunkt und Yn eine Rd -wertige Zufallsvariable. Ferner werden wir annehmen, dass M regelmäßig ist, d.h. 10 a) Tn ist eine Stoppzeit bzgl. der Filtration (Ft )t≥0 , b) Yn ist FTn -messbar. Dabei ist (Ft )t≥0 eine feste Filtration. Poisson’sches Integral definiert man wie folgt. P 1. Für die Treppenfunktion f = ni=1 ci 1Ai , wobei ci ≥ 0, Ai -disjunkte Mengen aus E darstellen definiert man n X M (f ) := ci M (Ai ). i=1 Dann ist M (f ) eine Zufallsvariable mit Erwartungswert E[M (f )] = Pn i=1 ci µ(Ai ). 2. Für eine positive, messbare Funktion f : E → [0, +∞) existiert eine steigende Folge fn , n = 1, 2, ... der Treppenfunktionen mit fn ↑ f. Nach dem Satz von der monotonen Konvergenz gilt M (f ) = lim M (fn ) n→+∞ und E[M (f )] = R E f (s, y)dyds. Es ist möglich, dass der Fall E[M (f )] = +∞ auftritt. 3. Für eine beliebige messbare Funktion f : E → R betrachtet man die Zerlegung f = f+ −f− , wobei f+ , f− positive Funktionen sind. Wenn Z T Z | f (s, y) | µ(dy, ds) < +∞ 0 (8) Rd \{0} gilt, dann haben die Zufallsvariablen M (f+ ), M (f− ) endliche Erwartungswerte. Insbesondere sind sie fast sicher endlich und deshalb ist die Zufallsvariable M (f ) := M (f+ )−M (f− ) wohldefiniert. Ferner, gilt Z TZ E[M (f )] = f (s, y)µ(dy, ds). 0 Rd \{0} Zusammenfassend stellt man fest, dass für die Funktionen, welche die Bedienung (8) erfüllen, Z tZ X Xt := f (s, y)M (ds, dy) = f (Tn , Yn ) 0 Rd \{0} n:Tn ∈[0,t] ein adaptierter Prozess ist. Er hat Sprünge in den Zeitpunkten Tn , n = 1, 2, ... in Höhe von f (Tn , Yn ). Analog definiert man ein kompensiertes Poisson’sches Integral. Satz 2.13 Sei M ein Poisson’sches Zählmaß auf E = [0, T ] × Rd \ {0} mit Intensität µ. Für die Funktion f : E → R, die die Bedienung (8) erfüllt, ist der Prozess Z tZ Z tZ Z tZ Xt := f (s, y)M̃ (ds, dy) = f (s, y)M (ds, dy) − f (s, y)µ(ds, dy) 0 Rd \{0} 0 Rd \{0} wohldefiniert. Ferner ist X ein Martingal. 11 0 Rd \{0} 2.4 Sprungmaß des Sprungprozesses Im vorigen Kapitel haben wir gezeigt, wie man Sprungprozesse mit Hilfe des Poisson’schen Zählmaßes konstruieren kann. Es stellt sich heraus, dass jeder Sprungprozess mit càdlàg Pfaden ein gewisses Zählmaß bestimmt. Dieses Zählmaß heißt ein Sprungmaß und ist im Allgemeinen kein Poisson’sches Zählmaß. Betrachten wir ein Sprungprozess Xt , t ∈ [0, T ] mit Werten in Rd und càdlàg Pfaden. Dann ist die Menge der Sprungzeiten {t ∈ [0, T ] : 4Xt 6= 0}, für jeden Pfad höchstens abzählbar. Ihre Elemente bilden eine Folge T1 , T2 , ... von Zufallsgrößen die die Sprungzeitpunkte von X umschreiben. In jedem Punkt Tn hat X einen Sprung in Höhe von Yn := XTn − XTn − ∈ Rd \ {0}. Die Folge (Tn , Yn ) bildet einen Punktprozess und das entsprechende Zählmaß X X JX (ω, B) := δ(Tn (ω),Yn (ω)) (A) = δ(t,4Xt ) (A), B ∈ [0, T ] × Rd \ {0}, n≥1 t∈[0,T ],4Xt 6=0 nennt man ein Sprungmaß von X. Das Sprungmaß lässt sich wie folgt interpretieren JX ([0, t] × A) = die Anzahl der Sprünge aus A die auf dem Intevall [0, t] aufgetreten sind. Allgemein gesagt enthält das Sprungmaß alle Informationen über die Sprünge des Prozesses. P Beispielsweise bestimmen wir die Summe s∈[0,t] | 4Xt |2 . Es gilt Z tZ X 2 | 4Xt | = | y |2 JX (ds, dy). Rd 0 s∈[0,t] Ist der Prozess stetig, dann gilt JX (ω, [0, t] × A) ≡ 0 , für jedes ω ∈ Ω, t ∈ [0, T ] und A ∈ Rd . Leider ist das Sprungmaß unregelmäßig, wenn wir keine näheren Informationen über den Prozess X haben. Insbesondere sind die Verteilungen der Zufallsvariablen Tn , n = 1, 2, ... sowie Yn , n = 1, 2, ... unbekannt. Im Folgenden werden wir zeigen , dass das Sprungmaß des Lévyprozesses ein Piosson’sches Zählmaß ist. Beispiel 2.14 Sei N ein Poissonprozess mit Sprungzeitpunkten Ti , i = 1, 2, .... Dann gilt X JN = δ(Tn ,1) , n≥1 d.h. 2.5 ( ]{i ≥ 1 : Ti ∈ [0, t]} JN ([0, t] × A) = 0 falls 1 ∈ / A. falls 1 ∈ A, Zusammengesetzter Poissonprozess Der Poissonprozess lässt sich auf einen zusammengesetzten Poissonprozess verallgemeinern. Definition 2.15 Sei Nt , t ≥ 0 ein Poissonprozess mit Intensität λ > 0 und Yi , i = 1, 2, ... eine iid-Folge der Zufallsvariablen mit der Verteilung f die von N unabhängig sind. Einen zusammengesetzten Poissonprozess definiert man durch die Formel Xt := Nt X Yi , i=1 12 t ≥ 0. Folgende Eigenschaften von X sind ersichtlich 1. Jeder Pfad von X ist eine stückweise konstant, càdlàg Funktion. 2. Die Sprungzeitpunkte von X sind die gleiche wie für den Poissonprozess N . 3. Die Sprünge von X sind unabhängig und identisch verteilt mit Verteilung f . Insbesondere ist der Poissonprozess ein zusammengesetzter Poissonprozess mit Yi ≡ 1, i = 1, 2, ... . Die charakteristische Funktion von X ist gleich E[eiuXt ] = eλt R (eiux −1)f (dx) Rd u ∈ Rd . , Speziell gilt für den Standardpoissonprozess f (dx) = δ{1} dx und damit E[eiuNt ] = eλt(e iu −1) . Satz 2.16 Der zusammengesetzte Poissonprozess ist ein Lévyprozess. Beweis: Sei X ein zusammengesetzter Poissonprozess. Wir müssen zeigen, dass X unabhängige und stationäre Zuwächse hat und, dass es stochastisch stetig ist. Es gilt Nr Ns X X Yi . Xr = Yi , Xs − Xr = i=1 i=Nr +1 (a) Unabhängigkeit der Zuwächse Seien 0 < r < s feste Zeitpunkte und seien f, g beliebige beschränkte Borel’sche Funktionen. Wir beweisen, dass E[f (Xr )g(Xs − Xr )] = E[f (Xr )]E[g(Xs − Xr )]. Daraus folgt, dass Xr und Xs −Xr unabhängig sind. Diese Methode kann auf eine größere Anzahl der Zuwächse verallgemeinert werden. Die Zufallsvariablen Xr und Xs − Xr sind bedingt unabhängig. Ist der Pfad von Nt , t ∈ [0, s] bekannt, so sind Xr und Xs − Xr unabhängig, da Xr von Y1 , ..., YNr abhängt und Xs − Xr von YNr +1 , ..., YNs . Es gilt h i E[f (Xr )g(Xs − Xr )] = E E[f (Xr )g(Xs − Xr ) | Nt , t ∈ [0, s]] h i = E E[f (Xr ) | Nt , t ∈ [0, s]] · E[g(Xs − Xr ) | Nt , t ∈ [0, s]] . Ferner sind die Zufallsvariablen E[f (Xr ) | Nt , t ∈ [0, s]], E[g(Xs −Xr ) | Nt , t ∈ [0, s]] unabhängig, da die erste allein von Nr abhängt und die zweite von Ns − Nr . Daraus folgt h i h i E[f (Xr )g(Xs − Xr )] = E E[f (Xr ) | Nt , t ∈ [0, s]] · E E[g(Xs − Xr ) | Nt , t ∈ [0, s]] = E[f (Xr )]E[g(Xs − Xr )]. 13 (b) Stationäre Zuwächse Sei f eine beschränkte Borel’sche Funktion. Wir zeigen, dass E[f (Xs − Xr )] = E[f (Xs−r )]. Daraus folgt, dass Xs − Xr und Xs−r die gleiche Verteilung haben. Es gilt E[f (Xs − Xr )] = E[f ( Ns X Yi )] = E[f ( NX s −Nr Ns−r Yi )] = E[f ( X i=1 i=Nr +1 Yi )] i=1 = E[f (Xs−r )]. (c) Stochastische Stetigkeit Für ε > 0 gilt | Xt − Xs |> ε ⇒ | Nt − Ns |> 0, und ferner P (| Xt − Xs |> ε) ≤ P (| Nt − Ns |> 0) = P (Nt−s > 0) = 1 − P (Nt−s = 0) = 1 − e−λ(t−s) −→ 0. s→t Man kann auch zeigen, dass der zusammengesetzte Poissonprozess der einzige Lévy prozess ist, der stückweise konstant Pfade hat, d.h. X ist ein stückweise konstanter Lévyprozess ⇐⇒ X ist ein zusammengesetzter Poissonprozess Problem: Wie sieht das Sprungmaß des zusammengesetzten Poissonprozesses aus? Satz 2.17 Sei Xt , t ≥ 0 ein zusammengesetzter Poissonprozess mit Parameter λ > 0 und der Sprungverteilung f . Dann ist das Sprungmaß JX von X ein Poisson’sches Zählmaß auf Rd × [0, +∞) mit Intensitätsmaß µ(dx, ds) := λf (dx)ds. Das Maß ν(dx) := λf (x)dx auf Rd nennt man ein Lévymaß oder ein Intensitätsmaß des zusammengesetzten Poissonprozesses. Weiter werden wir zeigen, dass jeder Lévyprozess ein Sprungmaß mit einem Intensitätsmaß von der Form ν(dx)ds hat. Beweis: Wir müssen zeigen, dass das Maß JX (B) := ]{t : (t, 4Xt ) ∈ B}, B ⊆ Rd × [0, +∞), folgende Bedingungen erfüllt a) es nimmt Werte in N an, b) JX (B) ist Poissonverteilt mit Parameter R B λf (x)dxds, c) die Zufallsvariablen JX (B1 ), JX (B2 ), ..., JX (Bn ) sind unabhängig. (a) ist klar. Um (b) und (c) zu zeigen werden wir die Mengen von der Form B = A × [t1 , t2 ] mit A ∈ Rd , t1 < t2 betrachten. Wir beginnen mit einem Hilfsfakt. 14 FAKT: Für eine Poissonverteilte Zufallsvariable Z gilt Z E[a ] = = +∞ X k=0 +∞ X k=0 k a P (Z = k) = +∞ X k=0 ak e−λ λk k! e−λ −aλ (aλ)k e = eλ(a−1) , k! e−aλ a ∈ C. (b) Sei Nt , t ≥ 0 ein mit X verbundener Poissonprozess. Nehmen wir an, dass der Pfad von N bekannt ist. Dann ist die Zufallsvariable JX (A × [t1 , t2 ]) eine Summe von Nt2 − Nt1 iid-Zufallsvariablen Di mit der Verteilung R 1 mit Wahrsch. P (Yi ∈ A) = A f (x)dx =: f (A), Di := 0 mit Wahrsch. P (Y ∈ i / A) = 1 − f (A). Bestimmen wir die charakteristische Funktion von JX (A × [t1 , t2 ]). iu(DNt +DNt +1 +...+DNt ) 1 2 | Nt , t ≥ 0] 1 E[eiuJX (A×[t1 ,t2 ]) ] = E E[eiuJX (A×[t1 ,t2 ]) | Nt , t ≥ 0] = E E[e h N −N i = E eiu · f (A) + 1 · (1 − f (A)) t2 t1 iu f (A)+1−f (A)−1) = eλ(t2 −t1 )(e iu −1) = eλ(t2 −t1 )f (A)(e . Das ist genau die charakteristische Funktion der Poissonverteilten Zufallsvariable mit Parameter λ(t2 − t1 )f (A). (c) Seien A, C zwei disjunkte Mengen in Rd . Wir werden beweisen dass i i h i h h u, v ∈ R, E eiuJX (A×[t1 ,t2 ])+ivJX (C×[t1 ,t2 ]) = E eiuJX (A×[t1 ,t2 ]) E eivJX (C×[t1 ,t2 ]) , gilt. Daraus folgt dass JX (A × [t1 , t2 ]) und JX (C × [t1 , t2 ]) unabhängig sind. Die Zufallsvariable iuJX (A × [t1 , t2 ]) + ivJX (C × [t1 , t2 ]) ist eine Summe von Nt2 − Nt1 iid-Zufallsvariablen Di mit der Verteilung iu mit Wahrsch. f (A), Di := iv mit Wahrsch. f (C), 0 mit Wahrsch. 1 − f (A) − f (C), und deswegen gilt h i h i iuJX (A×[t1 ,t2 ])+ivJX (C×[t1 ,t2 ]) iuJX (A×[t1 ,t2 ])+ivJX (C×[t1 ,t2 ]) E e = E E[e | Nt , t ≥ 0] h i N −N = E eiu f (A) + eiv f (B) + 1 · (1 − f (A) − f (B)) t2 t1 = eλ(t2 −t1 )(e iu f (A)+eiv f (B)−f (A)−f (B)) iu iv = eλ(t2 −t1 )f (A)(e −1) · eλ(t2 −t1 )f (B)(e −1) h i h i = E eiuJX (A×[t1 ,t2 ]) E eivJX (C×[t1 ,t2 ]) . Falls die Zeitintervalle disjunkt sind, d.h. A × [t1 , t2 ], C × [s1 , s2 ], [t1 , t2 ] ∩ [s1 , s2 ] = ∅, dann sind die Zufallsvariablen JX (A × [t1 , t2 ]), JX (C × [s1 , s2 ]) offensichtlich unabhängig. 15 Der zusammengesetzte Poissonprozess Xt , t ≥ 0 lässt sich in folgender Form darstellen Z tZ X 4Xs = xJX (dx, ds), Xt = 0 s∈[0,t] Rd wobei JX ein Poisson’sches Zählmaß mit Intensitätsmaß ν(dx)ds ist. Diese Darstellung war möglich da der zusammengesetzte Poissonprozess endlich viele Sprünge auf jedem beschränkten Intervall hat. Leider, im Allgemeinen dürfen die Lévyprozesse unendlich viele Sprünge haben und die Summe X 4Xt s∈[0,t] kann divergieren. Auf diesem Grund ist auch das Integral Z tZ xJX (dx, ds) 0 Rd nicht wohldefiniert. Lévyprozesse mit unendlich vielen Sprüngen auf beschränkten Intervallen werden Lévyprozesse von unendlicher Aktivität genannt. Ihre Sprünge kann man jedoch mit einer unendlichen Summe der zusammengesetzten Poissonprozesse identifizieren. Das wird genauer im Abschnitt “Lévy-Itô-Zerlegung“ umschrieben. Satz 2.18 (Exponentielle Formel für die Poisson’sche Integrale) Sei M ein Poisson’sches Zählmaß mit Intensitätsmaß µ. Für eine Menge B und eine Funktion f mit Z | ef (x) − 1 | µ(dx) < +∞ B gilt i h R R f (x) E e B f (x)M (dx) = e B (e −1)µ(dx) . 2.6 Die Lévy-Itô-Zerlegung In diesem Kapitel werden wir eine Darstellung von Lévyprozesse ableiten. Dazu brauchen wir die Definition des Lévymaßes für einen allgemeinen Lévyprozess. Betrachten wir einen zusammengesetzten Poissonprozess X mit Parameter λ > 0 und Sprungverteilung f . Wir haben gezeigt, dass sein Sprungmaß JX ein Poisson’sches Zählmaß mit Intensitätsmaß λf (dx)ds ist. Mit diesem Resultat können wir leicht die erwartete Anzahl der Sprünge von X auf dem Intervall [0, 1] bestimmen die in A liegen. Dabei ist A ⊆ Rd eine beliebige messbare Menge. Es gilt Z 1Z Z E ]{t ∈ [0, 1] : 4Xt ∈ A} = E[JX (A × [0, 1])] = λf (dx)ds = λ f (dx) = ν(A), 0 A A wobei ν(·) für das Lévymaß von X steht. Die obige Gleichheit lässt das Lévymaß für einen beliebigen Lévyprozess definieren. Definition 2.19 Sei Xt , t ≥ 0 ein Lévyprozess in Rd . Das Lévymaß ν ist ein Maß auf Rd definiert als ν(A) := E ]{t ∈ [0, 1] : 4Xt ∈ A} , A ∈ B(Rd ). 16 Für eine gegebene Menge A ist ν(A) ein Mittelwert der Anzahl aller Sprünge von X auf [0, 1] die in A liegen. Es stellt sich natürlich die Frage ob ν(A) wohldefiniert ist, d.h. ob ν(A) < +∞ gilt? Folgendes Resultat umschreibt das Lévymaß genauer. Theorem 2.20 Sei Xt , t ≥ 0 ein Lévyprozess in Rd mit Lévymaß ν. Dann gilt a) ν ist ein Radon Maß auf Rd \ {0} und es erfüllt Z (| x |2 ∧1)ν(dx) < +∞. Rd b) Das Sprungmaß JX von X ist ein Poisson’sches Zählmaß auf Rd ×[0, +∞) mit Intensitätsmaß ν(dx)ds. c) Es existieren ein Vektor γ ∈ Rd und eine d−dimenzionale Brown’sche Bewegung W mit einer Kovarianzmatrix A so dass die folgende Lévy-Itô-Zerlegung gilt Xt = γt + Wt + Xtl + lim X̃tε , ε↓0 mit Xtl Z tZ := xJX (dx, ds) |x|≥1 0 und X̃tε Z tZ Z tZ xJ˜X (dx, ds) x{JX (dx, ds) − ν(dx)ds} = := 0 ε≤|x|<1 0 ε≤|x|<1 Alle Summanden sind unabhängig und X̃tε konvergiert gleichgradig nach t ∈ [0, T ] fast sicher. Bemerkungen 1. Analysieren wir die Bedienung (a). Aus (a) folgt dass für jedes ε > 0 und t > 0 gilt Z tZ ν(dx)ds < +∞. 0 |x|≥ε Das impliziert JX ({x :| x |≥ ε} × [0, t]) < +∞, f.s., und das heißt dass X eine endliche Anzahl der Sprünge größer als ε auf jedem endlichen Zeitintervall hat. Insbesondere, ist die Summe Z tZ X 4Xs = xJX (dx, ds) 0 s∈[0,t]:|4Xs |≥ε |x|≥ε immer wohldefiniert. 2. Mann kann beweisen, dass jedes Maß das (a) erfüllt ein Lévymaß ist, d.h. existiert ein Lévyprozess mit der Lévy-Itô-Zerlegung aus (c). Es ist nicht schwer ein solches Maß zu finden dass (a) gilt und Z ε ν(dx) = +∞, 0 17 für jedes ε > 0. Wenn diese Bedienung gilt dann sagt man dass das Maß ν singulär in 0 ist. In diesem Fall hat X unendlich viele Sprünge auf dem Intervall [0, 1]. Das heißt dass X von unendlicher Aktivität ist. Ferner, die kleinen Sprünge sind summierbar genau dann wenn Z 1 xν(dx) < +∞. 0 Wenn die obige Gleichheit erfüllt ist dann gilt Z tZ X xJX (dx, ds) < +∞, 4Xs = 0 s∈[0,t] f.s. . Rd Also, der Lévyprozess von unendlicher Aktivität kann summierbare oder unsummierbare Sprünge haben. 3. Aus (a) folgt Z | x |2 ν(dx) < +∞. |x|<ε Das bedeutet dass die kleinen Sprünge immer quadratisch summierbar sind, d.h. Z tZ X | 4Xs |2 = | x |2 JX (dx, ds) < +∞. 0 s∈[0,t]:|4Xs |<ε |x|<ε Die obige Ungleichung folgt aus der Ungleichung h i Z tZ X 2 E | 4Xs | = 0 s∈[0,t]:|4Xs |<ε | x |2 ν(dx)ds < +∞. |x|<ε 4. Analysieren wir die Zerlegung aus (c). Es ist bereits klar dass X l wohldefiniert ist. In der Tat, aus (b) folgt, dass X l ein zusammengesetzter Poissonprozess ist und seine Sprüngen größer als 1 sind. Seine Parameter sind gleich λl := ν(x :| x |≥ 1) − Intensität des Standardpoissonprozesses, fl (dx) := ν(dx) − die Sprungverteilung auf dem Raum {x :| x |≥ 1}. ν(x :| x |≥ 1) Das folgt aus (a). Leider wie oben erwähnt wurde, ist der Prozess Z tZ s Xt := xJX (dx, ds) 0 |x|<ε im Allgemeinen nicht wohldefiniert. Jedoch sind die beiden Integrale Z tZ Z tZ xJX (dx, ds), xν(dx)ds, 0 ε≤|x|<1 0 ε≤|x|<1 sowie X̃tε Z tZ Z tZ x{JX (dx, ds) − ν(dx)ds} = := 0 ε≤|x|<1 0 xJ˜X (dx, ds), ε≤|x|<1 für jedes ε > 0 wohldefiniert. Insbesondere, ist das erste Integral ein zusammengesetzter Poissonprozess. Das Theorem besagt dass die kleinen Sprünge von X lassen sich als ein Grenzwert von Xtε darstellen. 18 Aus der Lévy-Itô-Zerlegung folgt, dass jeder Lévyprozess durch drei Parameter charakterisiert ist • γ ∈ Rd - ein deterministischer Vektor, • A ∈ M+d×d - die Kovarianzmatrix der Brown’schen Bewegung, • ν - das Lévymaß. Das Tripel (γ, A, ν) heißt ein kanonisches Tripel des Lévyprozesses. Das Paar (γ, A) entspricht dem kontinuierlichen Teil von X und ν umschreibt seine Sprünge. Der Lévyprozess von der Form γt + Wt , t ≥ 0, heißt ein Gaußscher Lévyprozess. Aus der Lévy-Itô-Zerlegung folgt dass jeder Lévyprozess mit stetigen Pfaden ein Gaußscher Prozess ist. Für den Beweis des Theorems 2.20 brauchen wir folgende Resultate welche teilweise als Aufgaben bewiesen werden. Satz 2.21 Sei X ein Lévyprozess in Rd mit beschränkten Sprüngen, d.h. | 4Xt |< K, t ≥ 0, wobei K > 0 eine Konstante ist. Dann, für jedes n ∈ N, gilt E[| Xt |n ] < +∞, t ≥ 0. Satz 2.22 Seien X ein Lévyprozess in Rd und A eine Teilmenge in Rd die von 0 getrennt ist, d.h. 0 ∈ / Ā. Dann ist der durch die Formel X XtA := 4Xs 1{4Xs ∈A} s∈[0,t] definierte Prozess ein zusammengesetzter Poissonprozess. Aus diesem Satz folgt dass der Prozess X l in der Lévy-Itô-Zerlegung ist ein zusammengesetzter Poissonprozess. Satz 2.23 Seien A1 , A2 , ..., An disjunkte, Borelsche Mengen in Rd die von 0 getrennt sind. Seien XtAi , i = 1, 2, ..., n wie im obigen Satz definierte Prozesse. Dann sind X A1 , X A2 , ..., X An , X − X A1 , X − X A2 , ..., X − X An , unabhängige Lévyprozesse. Beweis von Theorem 2.20: (a) Wir zeigen dass Z (| x |2 ∧1)ν(dx) < +∞. Rd 19 gilt. Aus dem Satz (2.22) folgt dass X l ein zusammengesetzter Poissonprozess ist. Sei N l sein Standardpoissonprozess. Es gilt Z 1Z ν(dx)ds = E ]{t ∈ [0, 1] :| 4Xt |≥ 1} |x|≥1 0 = E ]{t ∈ [0, 1] :| 4Xtl |6= 0} = E[N1l ] < +∞, R und daraus folgt |x|≥1 ν(dx) < +∞. Jetzt definiere eine Folge der Mengen n An := x ∈ Rd : 1 1o ≤| x |< , n+1 n n = 1, 2, ... und entsprechende Prozesse Xtn := X 4Xs 1{4Xs ∈An } , n = 1, 2, ... s∈[0,t] die die Sprünge von X die in An liegen summieren. Betrachten wir den Lévyprozess ohne Sprünge die größer als 1 sind, d.h. X̂t := Xt − Xtl , und die Prozesse n X X̂t − Xtk , n = 1, 2, ... k=1 die Sprünge kleiner als 1 n+1 haben. Aus dem Satz 2.21 folgt dass E[| X̂t |2 ] =: K < +∞, und aus dem Satz 2.23 dass die Prozesse n X Xtk , X̂t − k=1 n X Xtk , k=1 für jedes n, unabhängig sind. Daraus folgt !2 n n X X E[| X̂t |2 ] = E X̂t − Xtk + Xtk k=1 " =E X̂t − n X Xtk k=1 2 # " +E k=1 k=1 und ferner E " n X n X Xtk k=1 20 2 # ≤ K. Xtk 2 # = K, Jetzt, zur Vereinfachung nehmen wir an, dass jeder Sprung den Mittelwert 0 hat, d.h. E[4Xt ] = 0. Da Xti , Xtj unabhängig sind, gilt " n # n hX i h X X 2 i k | 4Xs |2 1{ 1 ≤|4Xs |<1} K≥E =E (Xtk )2 = E Xt n+1 k=1 k=1 s∈[0,t] Z tZ | x |2 ν(dx)ds. = 1 |x|<1 n+1 0 Daraus folgt die Bedienung Z | x |2 ν(dx) < 1. |x|<1 Um die Lévy-Itô-Zerlegung zu beweisen muss man zeigen dass die Summe +∞ X Xtn Z xν(dx) −t An n=1 wohldefiniert ist und dass der Prozess Xt − Xtl − +∞ X Xtn − t Z xν(dx) , t ≥ 0, An n=1 eine Brown’sche Bewegung ist. Das folgt aus der Satz von Lévy der eine Charakterisierung der Brown’schen Bewegung liefert, siehe [3]. 2.7 Die Lévy-Khinchin Formel Mit Hilfe von der Lévy-Itô-Zerlegung kann man die charakteristische Funktion des Lévyprozesses bestimmen. Theorem 2.24 Sei X ein Rd -wertiger Lévyprozess mit charakteristischem Triplett (γ, A, ν). Dann gilt E[eizXt ] = etψ(z) , z ∈ Rd , mit 1 ψ(z) := iγz − zAz + 2 Z Rd (eizx − 1 − izx1|x|≤1 )ν(dx). Beweis: Für ε > 0 betrachten wir den Prozess Ytε := γt + Wt + Xtl + X̃tε , t ≥ 0, wobei X l und X̃ ε in der Lévy-Itô-Zerlegung definiert sind. Die Lévy-Itô-Zerlegung besagt dass alle Summanden in der obigen Formel unabhängig sind und Yt gegen Xt konvergiert mit ε ↓ 0. Daraus folgt ε E[eizXt ] = lim E[eizYt ], ε↓0 und ε l ε E[eizYt ] = E[eizγt ] · E[eizWt ] · E[eizXt ] · E[eiz X̃t ]. 21 Ferner, folgende Formeln gelten 1 E[eizWt ] = e− 2 zAzt , E[eizγt ] = eizγt , l t E[eizXt ] = e R |x|≥1 (e izx −1)ν(dx) ε E[eiz X̃t ] = e , t R izx −1−izx)ν(dx) ε≤|x|<1 (e . Daraus folgt ε lim E[eizYt ] = etψ(z) , ε↓0 und die Lévy-Khinchin Formel gilt. 2.8 Eigenschaften der Lévyprozesse In diesem Abschnitt stellen wir die Eigenschaften der Lévyprozesse in Bezug auf ihre Pfade und Verteilungen dar. Zunächst werden die Lévyprozesse von endlicher Variation charakterisiert. Definition 2.25 Sei f : [0, T ] −→ Rd eine deterministische Funktion. Die Variation von f auf [0, T ] definiert man durch V arT (f ) = sup n X | f (ti+1 ) − f (ti ) |, π∈Π i=1 wobei π = (0 = t0 < t1 < ... < tn = T ) eine Zerlegung von [0, T ] ist und Π steht für die Menge aller Zerlegungen. Problem: Wann hat der Lévyprozess die Pfade von endlicher Variation ? Satz 2.26 Sei X ein Lévyprozess mit dem charakteristischen Triplett (γ, A, ν). X hat die Pfade von endlicher Variation f.s. genau dann wenn die Bedingungen gelten Z A = 0, | x | ν(dx) < +∞. (9) |x|<1 Beweis: Sei JX das Sprungmaß von X. Aus der Lévy-Itô-Zerlegung folgt Z tZ Xt = γt + Wt + xJX (dx, ds) + lim X̃tε , 0 mit X̃tε Z tZ x{JX (dx, ds) − ν(dx)ds}. := 0 ε≤|x|<1 (⇐) Da (9) gilt, haben wir Z tZ Z tZ Xt = γt − xν(dx)ds + 0 ε↓0 |x|≥1 |x|<1 0 Z tZ xJX (dx, ds) + |x|≥1 xJX (dx, ds). 0 |x|<1 Rt Es ist klar, dass die Prozesse t → γt, t → 0 ...ds von endlicher Variation sind. Der dritte Summand ist ein zusammengesetzter Poissonprozess, so ist seine Variation auch endlich. Für den vierten Summanden kann man die Variation explizit bestimmen ! Z Z Z tZ t V ar xJX (dx, ds) = | x | JX (dx, ds). (10) 0 |x|<1 0 22 |x|<1 Aus (9) folgt ! Z tZ | x | JX (dx, ds) E Z tZ | x | ν(dx)ds < +∞, = |x|<1 0 0 |x|<1 und deswegen ist der Ausdruck in (10) endlich fast sicher. (⇒) Für jede Funktion ist immer ihre Variation größer als die Summe ihrer Sprünge. Daraus folgt Z tZ X | x | JX (dx, ds) | 4Xs | 1{ε≤|4Xs |<1} = +∞ > V ar (Xt ) ≥ s∈[0,t] 0 ε≤|x|<1 Z tZ Z tZ n o | x | JX (dx, ds) − ν(dx)ds , | x | ν(dx)ds + = 0 0 ε≤|x|<1 ε > 0. ε≤|x|<1 (11) Es gilt E " Z Z t 0 # Z Z n o2 t = | x | JX (dx, ds) − ν(dx)ds 0 ε≤|x|<1 und, wegen der Bedienung R |x|<1 ε≤|x|<1 | x |2 ν(dx) < +∞, existiert der Grenzwert Z tZ 0 | x |2 ν(dx)ds, n o | x | JX (dx, ds) − ν(dx)ds < +∞. (12) |x|<1 Aus (11) und (12) folgt Z | x | ν(dx) < +∞. t |x|<1 Aus der Lévy-Itô-Zerlegung folgt Xt = Wt + Yt , RtR wobei Yt := γt − 0 |x|<1 xν(dx)ds + 0 Rd xJX (dxds) ein Prozess von endlicher Variation ist. Da W unendliche Variation hat, ist X ein Prozess von endlicher Variation genau dann wenn X = Y , d.h. A = 0. . Aus dem obigen Satz ist es möglich eine spezielle Darstellung der Lévyprozesse von endlicher Variation zu bekommen. RtR Folgerung 2.27 Sei X ein Lévyprozess von endlicher Variation mit dem kanonischen Tripel (γ, 0, ν). Es gilt Z tZ X Xt = bt + xJX (dx, ds) = bt + 4Xs , t ≥ 0, 0 mit b := γ − R |x|<1 xν(dx). Rd s∈[0,t] Ferner ist die charakteristische Funktion von X von der Form E[eizXt ] = etψ(z) , mit Z (eizx − 1)ν(dx). ψ(z) = ibz + Rd 23 In der Menge aller Lévyprozesse von endlicher Variation gibt es eine spezielle Teilmenge von steigender Prozesse die Subordinators genannt werden. Definition 2.28 Ein Lévyprozess in R heißt ein Subordinator falls fast jeder sein Pfad eine steigende Funktion ist. Da die Zuwächse des Lévyprozesses unabhängig sind, erhält man eine alternative Charakterisierung der Subordinators. Satz 2.29 Sei X ein L’evyprozess in R. Folgende Bedingungen sind äquivalent a) Xt ≥ 0 f.s. für ein t > 0, b) Xt ≥ 0 f.s. für jedes t > 0, c) X ist ein Subordinator. d) Das kanonische Tripel erfüllt Z A = 0, +∞ Z (| x | ∧1)ν(dx) < +∞, ν((−∞, 0]) = 0, b := γ − 0 xν(dx) ≥ 0. 0<x<1 Die Bedienung (d) besagt, dass die Brown’sche Bewegung und negative Sprünge verschwinden müssen und die Drift b positive ist. Beweis: Die Implikationen (c) ⇒ (b) ⇒ (a) sind offensichtlich. Wir zeigen (a) ⇒ (c). Betrachten wir die Zerlegung Xt = X t + (X 2t − X t ) + ... + (Xt − X t(n−1) ), n n n n n ∈ N. Die Zufallsvariablen X (k+1)t − X kt , k = 0, 1, ..., n − 1 sind unabhängig und identisch verteilt. n n Deswegen ist Xt ≥ 0 genau dann wenn X t ≥ 0. Analog kann man zeigen Xqt ≥ 0 für jede n rationale Zahl q > 0. Da jeder Pfad càdlàg ist, muss er eine steigende Funktion sein. Im Folgenden behandeln wir die Verteilungseigenschaften der Lévyprozesse. Definition 2.30 Ein Maß F auf Rd heißt unbegrenzt teilbar falls für jedes n ≥ 2 eine Folge von iid-Zufallsvariablen Y1 , Y2 , ..., Yn existiert so dass Y1 + Y2 + ... + Yn die Verteilung F hat. Falls X ein L’evyprozess ist dann ist Xt unbegrenzt teilbar. Für jedes n ≥ 2 kann man Xt in der Form darstellen Xt = X t + (X 2t − X t ) + ... + (Xt − X (n−1)t ). n n n n Da sind die Zufallsvariablen (X (k+1)t − X kt ), k = 0, 1, ..., n − 1 unabhängig und identisch verteilt, n n ist die Verteilung von Xt unbegrenzt teilbar. Umgekehrt, ist F eine unbegrenzt teilbare Verteilung, so existiert ein Lévyprozess so dass X1 F -verteilt ist. Daraus folgt, dass die Verteilung des Lévyprozesses nicht beliebig sein kann. Die Familie der unbegrenzt teilbaren Verteilungen ist relativ weit. Zu dieser Familie gehören: Normalverteilung, Gamma-Verteilung, stabile Verteilungen, Poissonverteilung, Lognormalverteilung, ParetoVerteilung, Student’sche-Verteilung. Ein Beispiel der Verteilung die nicht unbegrenzt teilbar ist ist die Gleichverteilung. 24 Auf der anderen Seite stellt es sich die Frage ob jeder Lévyprozess eine Dichtefunktion besitzt, d.h. ob die Verteilung von Xt stetig ist? Im Allgemeinen ist die Antwort negativ und als ein Beispiel kann der zusammengesetzter Poissonprozess dienen. Sei X ein zusammengesetzter Poissonprozess mit Intensität λ > 0 und Sprungverteilung f . Für jedes t > 0 gilt P (Xt = 0) = P (X hat keinen Sprung auf [0, t]) = P (Nt = 0) = e−λt > 0, und das bedeutet, dass die Verteilung von Xt ist nicht atomlos ist und die Dichtefunktion existiert nicht. Satz 2.31 Sei X ein reelwertiger Lévyprozess mit einem kanonischen Tripel (γ, σ 2 , ν). Falls σ 2 > 0, (13) ν(R) = +∞, (14) oder gilt dann existiert eine stetige Dichtefunktion von Xt für jedes t > 0. Die Bedienung (13) besagt, dass die Brown’sche Bewegung in der Lévy-Itô-Zerlegung verschwindet nicht. Die zweite Bedienung ist äquivalent zur Bedienung ν([−1, 1]) = +∞, und bedeutet, dass der Prozess unendlich viele kleine Sprünge auf jedem Zeitintervall besitzt (d.h. ist X von unendlicher Aktivität). In einigen Anwendungen braucht man nicht nur Existenz der Dichtefunktion sondern auch ihre Regelmäßigkeit. Folgender Satz formuliert die Bedingungen welche eine glatte Dichtefunktion liefern. Satz 2.32 Sei X ein reelwertiger Lévyprozess mit dem Lévymaß ν. Gilt Z ε 1 | x |2 ν(dx) > 0, ∃β ∈ (0, 2), lim inf β ε↓0 ε −ε (15) so, für jedes t > 0, hat Xt eine Dichtefunktion ft (·), so dass ft (·) ∈ C ∞ (R), ∀n ≥ 1 dn ft (x) −→ 0, dxn |x|→+∞ gilt. Jedes Lévymaß ν erfüllt R |x|<1 | x |2 ν(dx) < +∞ und deswegen gilt Z ε lim ε↓0 | x |2 ν(dx) = 0. −ε Die Bedienung (15) ist ein Konvergenzkriterium in dem die obige Funktion mit der Funktion εβ verglichen wird. Im Folgendem betrachten wir die Momente und die exponentiellen Momente des reelwertigen Lévyprozesses mit dem kanonischen Tripel (γ, σ 2 , ν). 25 Satz 2.33 Sei n ∈ N gegeben. Folgende Bedingungen sind äquivalent a) E[| Xt |n ] < +∞ für ein t > 0, b) E[| Xt |n ] < +∞ für jedes t > 0, c) Z | x |n ν(dx) < +∞. (16) |x|>1 Daraus folgt, dass Existenz der Momente liegt an dem Verhältnis des Lévymaßes auf der Menge [−1, 1]c . Mit anderen Worten ist diese Eigenschaft nur von der großen Sprüngen abhängig. Ferner kann man die Momente mit Hilfe von der Lévy-Khintchin-Formel bestimmen. Speziell gilt Z E[Xt ] = t γ + xν(dx) |x|>1 V arXt = t σ 2 + Z +∞ x2 ν(dx) −∞ E[(Xt − EXt )n ] = t Z +∞ xn ν(dx) für n ≥ 3. −∞ Satz 2.34 Sei u ∈ R festgelegt. Folgende Bedingungen sind äquivalent a) E[euXt ] < +∞ für ein t > 0, b) E[euXt ] < +∞ für jedes t > 0, c) Z eux ν(dx) < +∞. |x|>1 Falls (a), (b) oder (c) erfüllt ist dann gilt E[euXt ] = etψ(−iu) , wobei ψ die Lévy-Khintchin-Exponent von X ist. Satz 2.35 Sei X ein reelwetiger Lévyprozess. a) Für jedes u ∈ R ist der Prozess eiuXt , E[eiuXt ] ein Martingal. b) Sei u ∈ R festgelegt. Falls E[euXt ] < +∞ gilt für ein t > 0 dann ist der Prozess euXt , E[euXt ] ein Martingal. 26 (17) c) Falls E[| Xt |] < +∞ gilt für ein t > 0 dann ist der Prozess Mt := Xt − E[Xt ] ein Martingal. d) Falls V ar(Xt ) < +∞ gilt für ein t > 0 dann ist der Prozess Mt2 − E[Mt2 ] ein Martingal. Satz 2.36 Sei X ein reelwertiger Lévyprozess mit dem kanonischen Tripel (γ, σ 2 , ν). R a) X ist ein Martingal genau dann wenn |x|>1 | x | ν(dx) < +∞ gilt und Z xν(dx) = 0. γ+ |x|>1 R b) Der Prozess eXt ist ein Martingal genau dann wenn |x|>1 ex ν(dx) < +∞ gilt und Z +∞ σ2 (ex − 1 − x1{|x|≤1} )ν(dx) = 0. +γ+ 2 −∞ 3 3.1 Stochastische Analysis Stochastische Integrale In der Finanzmathematik ist das selbstfinanzierende Portfolio mit Hilfe von dem stochastischen Integral definiert Z t V t = v0 + ϕ(s)dS(s). 0 Dabei ist v0 das Anfangskapital, ϕ die Handelstrategie und S der Aktienkurs. Im Allgemeinem nimmt man an, dass S ein Semimartingal ist, d.h. lässt sich in der Form zerlegen S t = S 0 + M t + At , wobei S0 ∈ R, M ein lokales Martingal ist und A ein Prozess von endlicher Variation. Das Grundproblem betrifft die Definition des Integrals Z t ϕ(s)dS(s), 0 d.h. für welche Prozesse ϕ ist die obige Formel wohldefiniert? Dieses Problem werden wir zuerst für einen Lévyprozess betrachten. Die Lévy-Itô-Zerlegung zeigt, dass jeder Lévyprozess tatsächlich ein Semimartingal ist. Sei X ein Lévyprozess mit der Zerlegung Xt = γt + Wt + Xtl + lim X̃tε , ε↓0 t ≥ 0. Dann ist At := γt+Xtl ein Prozess von endlicher Variation und Mt := Wt +lim X̃tε ein Martingal. Ferner kann man das Integral bezüglich X folgendermaßen definieren Z t Z t Z t Z t l ϕs dXs := ϕs d(γs + Xs ) + ϕs dWs + ϕs d(lim X̃sε ). 0 0 0 0 Die Integrabilitätsbedingungen für die erste zwei Integrale sind bekannt. Das Integral Xsl ) ist wohldefiniert falls Z t | ϕs | dV ar(γs + Xsl ) < +∞, f.s.. Rt 0 ϕs d(γs+ 0 Die Brown’sche Bewegung hat unendliche Variation, aber das stochastische Integral lässt sich wohldefinieren. Erinnern wir uns an die Konstruktion dieses Integrals. Sie lauft in drei Schritten. 27 1. Sei ϕ ein Treppenprozess, d.h. ϕ hat folgende Form ϕt = ϕ0 1t=0 + n X ϕi 1(τi ,τi+1 ] (t), t ∈ [0, T ]. i=1 Dabei ist 0 = T0 ≤ T1 ≤ T2 ≤ ... ≤ Tn = T eine Folge der Stoppzeiten welche das Intervall [0, T ] zerlegen und für jedes i = 0, 1, ..., n ist ϕi eine beschränkte, FTi -messbare Zufallsvariable. Dann definiert man das Integral folgendermaßen n−1 X T Z ϕt dWt = 0 ϕi (Wτi+1 − Wτi ). i=0 Folgende Eigenschaften des Integrals sind wesentlich für den weiten Verlauf der Konstruktion R· a) 0 ϕs dWs ist adaptiert, R· b) 0 ϕs dWs ist ein Martingal, c) es gilt E h Z T ϕs dWs 2 i =E 0 T hZ 2 i | ϕs | ds = E hZ 0 T i | ϕs |2 d[W ]s , 0 wobei [W ]t für die quadratische Variation der Brown’schen Bewegung steht. 2. Sei P die previsible (vorhersagbare) σ-Algebra auf dem Raum Ω × [0, T ], d.h. P ist von aller linksstetigen Prozesse erzeugt. Sei ϕ ein P-messbarer Prozess der die folgende Integrabilitätsbedienung erfüllt hZ T i E | ϕs |2 ds < +∞. 0 Dann lässt sich ϕ mittels der Treppenfunktionen ϕn , n = 1, 2, ... approximieren und man definiert Z T Z T ϕs dWs = lim ϕns dWs . n→+∞ 0 0 Das so konstruierte Integral besitzt die obige Eigenschaften (a) − (c). 3. Die Konstruktion erweitert man auf alle previsible Prozesse für welche P Z T | ϕs |2 ds < +∞ = 1, 0 gilt. In diesem Fall ist (c) nicht. R· 0 ϕs dWs ein lokales Martingal und im Allgemeinen gilt die Gleichung Die wesentlichen Eigenschaften welche die obige Konstruktion ermöglichen sind • Wt ist ein Martingal, • die quadratische Variation von W endlich ist, d.h [W ]t < +∞, f.s.. 28 Die obige Idee lässt sich auf die Sprungprozesse verallgemeinern. Unser Ziel ist es das Integral Z T ϕt d(lim X̃tε ) (18) ε↓0 0 zu definieren. Da X̃tε als X̃tε Z tZ x JX (dx, ds) − ν(dx)ds , = 0 ε≤|x|<1 definiert wurde, zur Vereinfachung bezeichnen wir Z tZ ε xJ˜X (dx, ds). lim X̃t =: ε↓0 0 |x|<1 Dabei steht JX (J˜X ) für das Sprungmaß (kompensierte Sprungmaß) des Lévyprozeses. Das untersuchte Integral nimmt folgende Form an Z TZ ϕt xJ˜X (dx, ds), |x|<1 0 und für seine Definition nutzt man folgende Eigenschaften • t → J˜X (A × [0, t]), 0 ∈ / Ā ist ein Martingal, • die quadratische Variation des Prozesses t → J˜X (A × [0, t]) ist endlich. Unser Ziel ist es das Integral Z T Z ψ(x, s)J˜X (dx, ds) Rd 0 zu bilden. Dabei ist ψ ein stochastischer Prozess und J˜X das kompensierte Sprungmaß des Lévyprozesses. Erinnern wir uns, dass JX ein Poisson’sches Zählmaß mit dem Intensitätsmaß ν(dx)ds ist. Daraus folgt a) JX (A × [0, t]) ist Poissonverteilt mit Parameter tν(A), b) die Zufallsvariablen JX (A × [0, t]), JX (B × [0, t]), A ∩ B = ∅ sing unabhängig, c) der Prozess t → JX (A × [0, t]) ist ein Martingal. Im ersten Schritt betrachten wir Treppenprozesse. Für eine Folge der Stoppzeiten 0 = τ0 ≤ τ1 ≤ τ2 ≤ ... ≤ τn = T und eine Folge der disjunkten Mengen in Rd ist ein Treppenprozess definiert durch ψ(s, x) := m X ψ0j 1s=0 1Aj (x) + j=1 n−1 m XX ψij 1(τi ,τi+1 ] (s)1Aj (x). i=1 j=1 Für jede i, j ist ψij eine beschränkte FTi -messbare Zufallsvariable. Das Integral definieren wir als Z TZ n−1,m X ψ(s, x)J˜X (dx, ds) := ψij J˜X (Aj × (τi , τi+1 ]) 0 Rd i=0,j=1 = n−1,m X ψij JX (Aj × (τi , τi+1 ]) − i=0,j=1 n−1,m X i=0,j=1 29 ψij ν(Aj )(τi+1 − τi ). Satz 3.1 Sei ψ ein Treppenprozess und Z tZ Mt := ψ(s, x)J˜X (dx, ds). Rd 0 Dann ist M ein Martingal und es gilt hZ tZ E[(Mt )2 ] = E i | ψ(s, x) |2 ν(dx)ds , t > 0. (19) Rd 0 Beweis: Für jedes j = 1, 2, ..., m definiere einen Prozess Ytj := J˜X (Aj × (0, t]). Er ist ein Martingal mit unabhängigen Zuwachsen und es gilt J˜X (Aj × (τi , τi+1 ]) = Yτji+1 − Yτji . Mit Hife der Prozesse Y j , j = 1, 2, ..., m kann man das Integral repräsentieren Z T Z ψ(s, x)J˜X (dx, ds) = MT = Rd 0 m Z X j=1 T n−1 X 0 ψij dYsj . i=0 Analog kann man zeigen, dass es Mt = m Z t n−1 X X j=1 0 ψij dYsj . i=0 gilt. Ferner für s < t gilt s n−1 X Z E(Mt | Fs ) = Z t n−1 X ψij dYsj + E ψij dYsj | Fs 0 Z i=0 s n−1 X s i=0 ψij dYsj = Ms 0 i=0 und deswegen ist M ein Martingal. Die Formel (19) zeigen wir für t = T . Die Methode lässt sich aber leicht für jedes t anwenden. h X 2 i X h i E[MT2 ] = E ψij (Yτji+1 − Yτji ) = E | ψij |2 (Yτji+1 − Yτji )2 i,j i,j i X h i X h = E E[| ψij |2 (Yτji+1 − Yτji )2 | Fτi ] = E | ψij |2 E[(Yτji+1 − Yτji )2 | Fτi ] i,j = X i,j Z 2 E[| ψij | ν(Ai )(τi+1 − τi )] = E[ 0 i,j T Z | ψ(s, x) |2 ν(dx)ds]. Rd Die Definition des Integrals kann auf alle previsible Prozesse die die Integralbedienung erfüllen hZ T Z i E | ψ(s, x) |2 ν(dx)ds < +∞, 0 Rd verallgemeinern. 30 Satz 3.2 Sei ψ : Ω × [0, T ] × Rd −→ R ein previsibler Prozess so, dass E hZ T 0 Z i | ψ(s, x) |2 ν(dx)ds < +∞, Rd gilt. Dann existiert eine Folge der Treppenprozesse ψ n , n = 1, 2, ... die ψ approximiert. Dann ist der Prozess Z tZ Z tZ ˜ ψ(s, x)JX (dx, ds) := lim ψ n (s, x)J˜X (dx, ds) 0 n→+∞ 0 Rd ein Martingal und es gilt 2 i hZ tZ h Z t Z ˜ ψ(s, x)JX (dx, ds) =E E 0 3.2 Rd Rd i | ψ(s, x) |2 ν(dx)ds , t ∈ [0, T ]. Rd 0 Quadratische Variation Erinnern wir uns an die Definition der quadratischen Variation. Sei f eine Funktion auf [0, T ] und Π eine Familie der Zerlegungen von [0, T ] von der Form π = (0 = t0 < t1 < ... < tn = T ). Dann definiert man die quadratische Variation von f durch X | fti+1 − fti |2 . [f, f ]T = sup π∈Π t ∈π i Zunächst finden wir eine alternative Darstellung der quadratischen Variation. Man kann jeden Summand in der Form | fti+1 − fti |2 = ft2i+1 + ft2i − 2fti+1 fti = ft2i+1 − ft2i − 2fti (fti+1 − fti ). schreiben. Daraus folgt, dass für jedes π gilt X X | fti+1 − fti |2 = fT2 − f02 − 2 fti (fti+1 − fti ). ti ∈π (20) ti ∈π Falls X ein Semimartingal ist dann kann man seine quadratische Variation pfadweise definieren, aber muss man wissen, dass sie für jeden Pfad endlich ist. Aus (20) folgt X X | Xti+1 − Xti |2 = XT2 − X02 − 2 Xti (Xti+1 − Xti ). ti ∈π ti ∈π Da die Pfade eines Semimartingales càdlàg sind, kann man beweisen, dass die letzte RiemannSumme konvergiert im Maß gegen Z T 2 Xs− dXs . 0 Das führt zur Definition der quadratischen Variation des Semimartingales. Definition 3.3 Die quadratische Variation des Semimartingales X ist ein stochastischer Prozess definiert durch Z t [X, X]t := Xt2 − X02 − 2 Xs− dXs , 0 31 t > 0. Ferner man kann zeigen, dass folgende Konvergenz gilt X | Xti+1 − Xti |2 = [X, X]t sup π∈Π t ∈π,t <t i i gleichgradig nach t im Maß. Aus obiger Gleichung folgt, dass die quadratische Variation jedes stetigen Prozesses von endlicher Variation gleich Null ist. Es gilt X X | Xti+1 − Xti |2 ≤ sup | Xti+1 − Xti | · | Xti+1 − Xti | ti ∈π ti ∈π n ti ∈π ≤ sup | Xti+1 − Xti | ·V arT (X) −→ 0, n ti ∈π n da X stetig ist und die Feinheit der Zerlegung π n gegen Null konvergiert. Die obige Eigenschaft ist nicht wahr falls X Sprünge besitzt. Satz 3.4 Sei X ein Semimartingal und [X, X] seine quadratische Variation. a) [X, X] ist ein adaptierter Prozess mit steigenden Pfaden. b) X und [X, X] haben gleiche Sprungzeitpunkte. Es gilt 4[X, X]t =| 4Xt |2 . Insbesondere, ist X stetig, so ist [X, X] stetig. c) Falls X ein Lévyprozess ist dann ist [X, X] auch ein Lévyprozess. Da der Prozess [X, X] steigend ist, ist er ein Subordinator. Wir wissen bereits, dass die quadratische Variation eines Standardwienerprozesses ist gleich t, d.h. [W, W ]t = t, t > 0. Jetzt bestimmen wir die quadratische Variation anderer Lévyprozesse. Beispiel 3.5 (a) Sei X ein zusammengesetzter Poissonprozess mit Sprüngen Yi , i = 1, 2, .... Es gilt Nt Nt X X X Xt = Yi =⇒ [X, X]t = | Yi |2 = | 4Xs |2 . i=1 i=1 s∈[0,t] (b) Sei Z = W + X, wobei W eine Brown’sche Bewegung ist und X ein zusammengesetzter Poissonprozess. Es gilt X X | Zti+1 − Zti |2 = | (Wti+1 + Xti+1 ) − (Wti + Xti ) |2 ti ∈π n ti ∈π n = X ti ∈π n | Wti+1 − Wti |2 + X | Xti+1 − Xti |2 +2 ti ∈π n Es ist klar, dass die letzte Summe gegen Null konvergiert. Daraus folgt X [Z, Z]t = t + | 4Xs |2 s∈[0,t] 32 X ti ∈π n (Wti+1 − Wti ) · (Xti+1 − Xti ). (c) Sei X ein Lévyprozess mit einem kanonischen Tripel (γ, σ 2 , ν). Dann gilt X [X, X]t = σ 2 t + | 4Xs |2 = σ 2 + Z tZ 0 s∈[0,t] y 2 JX (dy, ds), R wobei JX ein Sprungmaß von X ist. Den Begriff der quadratischen Variation kann man erweitern. Definition 3.6 Seien X, Y Semimartingale. Die quadratische Kovariation ist ein Prozess definiert durch Z t Z t [X, Y ]t := Xt Yt − X0 Y0 − Xs− dYs − Ys− dXs . 0 0 Die Eigenschaften von [X, Y ] sind im folgenden Satz zusammengefasst. Satz 3.7 a) Es gilt X (Xti+1 − Xti )(Yti+1 − Yti ) −→ [X, Y ]t n ti ∈π n ,ti <t gleichgradig nach t im Maß. b) Es gilt [X, Y ] = 1 [X + Y, X + Y ] − [X − Y, X − Y ] . 4 c) [X, Y ] ist ein adaptierter Prozess mit càdlàg Pfaden von endlicher Variation. Um (b) zu beweisen nutzen wir die Gleichheit ab = 14 [(a + b)2 − (a − b)2 ], a, b ∈ R. Es gilt X i X 1h X (Xti+1 − Xti + Yti+1 − Yti )2 − (Xti+1 − Xti − Yti+1 + Yti )2 4 2 X 2 i 1h X (Xti+1 + Yti+1 ) − (Xti + Yti ) − (Xti+1 − Yti+1 ) − (Xti − Yti ) = 4 1 −→ [X + Y, X + Y ] − [X − Y, X − Y ] . 4 (Xti+1 − Xti )(Yti+1 − Yti ) = 3.3 Die Itô-Formel In diesem Abschnitt werden wir die Darstellung des Prozesses f (Xt ) betrachten. Dabei ist X ein Semimartingal und f eine deterministische regelmäßige Funktion. Erinnern uns auch, dass für eine C 1 Funktion f und einen Prozess X mit stetigen Pfaden von endlicher Variation gilt Z t f (Xt ) = f (X0 ) + f 0 (Xs )dXs . (21) 0 Es wird angenommen, dass die klassische Itô-Formel für die Brown’sche Bewegung bekannt ist, d.h. Z t Z 1 t 00 f (Ws )ds, t ≥ 0. (22) f (Wt ) = f (W0 ) + f 0 (Ws )dWs + 2 0 0 33 Das Ziel ist es die Theorie auf die Sprungprozesse von endlicher und unendlicher Variation zu erweitern. Die allgemeine Itô-Formel werden wir in mehreren Schritten erreichen. Prozesse von endlicher Aktivität und Variation Hier betrachten wir stochastische Prozesse von endlicher Aktivität die die folgende Darstellung Z t X 4Xs , t ≥ 0, Xt = b(s)ds + 0 s∈[0,t] besitzen. Jeder Pfad von X ist eine càdlàg Function die auf dem Intervall [0, T ] eine endliche Anzahl der Sprünge besiztz T1 , T2 , ..., TN . Hier ist N eine N-wertige Zufallsvariable. Zwischen Ti und Ti+1 ist X differenzierbar mit Xt0 = bt . Es gilt t Z f (Xt ) = f (Xs ) + f 0 (Xu )dXu = f (Xs ) + t Z s f 0 (Xu )b(u)du, s, t ∈ [Ti , Ti+1 ), s und ferner Z Ti+1 − f (XTi+1 − ) = f (Ti ) + f 0 (Xu )b(u)du. Ti Die Sprungzeiten von X und f (X) sind gleich und es gilt f (XTi ) − f (XTi − ) = f (XTi − + 4XTi ) − f (XTi − ). Daraus folgt f (XT ) − f (X0 ) = N −1 X f (XTi+1 ) − f (XTi ) + (f (XT ) − f (XTN )) i=0 = N −1 X f (XTi+1 ) − f (XTi+1 − ) + f (XTi+1 − ) − f (XTi ) + (f (XT ) − f (XTN )) i=0 = N −1 X −1 Z NX f (XTi+1 − + 4XTi+1 ) − f (XTi+1 − ) + i=1 Z = T i=0 0 f (Xu− b(u)du + 0 N X Ti+1 − 0 Z T f (Xu )b(u)du + Ti f 0 (Xu )b(u)du TN f (XTi − + 4XTi ) − f (XTi − ) . i=0 Auf dieser Art haben wir eine Version der Itô-Formel bewiesen. Satz 3.8 (Die Itô-Formel (I)) Sei X ein Prozess von der Form Z Xt = t b(s)ds + 0 X 4Xs , t ≥ 0, s∈[0,t] und f ∈ C 1 . Dann gilt Z f (Xt ) = f (X0 ) + t f 0 (Xs− )b(s)ds + 0 X s∈[0,t] 34 f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) . (23) Um das obige Resultat mit der Formel (21) zu vergleichen bemerken wir folgendes dXs = b(s)ds + 4Xs , t > 0. Dann kann man (23) in der Form schreiben Z t X f 0 (Xs− )dXs + f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) − f 0 (Xs− )4Xs . f (Xt ) = f (X0 ) + 0 s∈[0,t] Aus dem Grund, dass X Sprünge besitzt verändert sich die klassische Formel (21). Es ist ein zusätzlichen Ausdruck X f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) − f 0 (Xs− )4Xs s∈[0,t] aufgetreten. In der Finanzmathematik zerlegt man oft einen Prozess auf die Summe eines Martingales und eines Prozesses von endlicher Variation. Jeztz werden wir diese Zerlegung für f (Xt ) bestimmen. Dazu müssen wir genauer den Prozess charakterisieren, d.h. genauer seine Verteilung umschreiben. Bisher brauchen wir diese Information nicht da die obige Itô Formel pfadweise konstruiert wurde. Nehmen wir an, dass der Sprungteil von X ein zusammengesetzter Poissonprozess ist, d.h. Z t Nt X b(s)ds + Yi , t ≥ 0, (24) Xt = 0 i=1 wobei N ein Standardpoissonprozess mit Parameter λ > 0 ist und Yi , i = 1, 2, ... eine iid-Folge mit Verteilung g. Dann ist das Sprungmaß JX von X ein Poisson’sches Zählmaß mit Intensitätsmaß λg(dx)ds. Dann lässt sich der Sprungteil in der Itô-Formel (23) folgendermaßen aufschreiben Z tZ X f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) = f (Xs− + y) − f (Xs− ) JX (dy, ds) 0 s∈[0,t] R und anschließend in der Form Z tZ Z tZ f (Xs− + y) − f (Xs− ) JX (dx, ds) = f (Xs− + y) − f (Xs− ) J˜X (dy, ds) 0 0 R +λ R Z tZ 0 f (Xs− + y) − f (Xs− ) g(dy)ds. R Man muss aber wissen, dass die Integrale auf der rechten Seite wohldefiniert sind. Beispielsweise kann man annehmen, dass f beschränkt ist. Umschreiben wir die Zerlegung von f (X). Satz 3.9 Sei X ein Prozess von der Form (24) und f eine beschränkte Funktion aus C 1 . Dann hat der Prozess f (X) folgende Zerlegung f (Xt ) = Mt + At , t ≥ 0. Dabei ist M ein Martingal von der Form Z tZ Mt := f (Xs− + y) − f (Xs− ) J˜X (dy, ds), 0 R 35 und A ist ein Prozess von endlicher Variation von der Form Z tZ Z t 0 f (Xs− )b(s)ds + λ f (Xs− + y) − f (Xs− ) g(dy)ds. At := f (X0 ) + 0 0 R Die Itô-Formel kann man auch für den Prozess f (t, Xt ) formulieren. Satz 3.10 Sei X ein Prozess von der Form Z t X 4Xs , b(s)ds + Xt = 0 t ≥ 0, s∈[0,t] und f (·, ·) ∈ C 1,1 . Dann gilt Z f (t, Xt ) = f (0, X0 ) + t Z ft0 (s, Xs− )ds 0 X + t + fx0 (s, Xs− )b(s)ds 0 f (s, Xs− + 4Xs ) − f (s, Xs− ) . s∈[0,t] Prozesse von endlicher Aktivität Sei X ein Prozess von endlicher Aktivität von der Form Z t X Xt = b(s)ds + σWt + 4Xs , 0 t ≥ 0. s∈[0,t] Da die Brown’sche Bewegung W unendliche Variation hat, hat X auch unendliche Variation. Bezeichnen wir den kontinuierlichen Teil von X durch Z t c Xt = b(s)ds + σWt , t ≥ 0. 0 Es ist klar, dass die quadratische Variation von X c ist gleich [Xtc , Xtc ] = σ 2 t, und es gilt X Xt = Xtc + 4Xs , t ≥ 0. s∈[0,t] Wir nutzen die ähnliche Methode wie im vorigen Fall, d.h. zunächst bestimmen wir die Integralldarstellung zwischen den Sprüngen und dann addieren die Sprünge. Seien T1 , T2 , ... die Sprungzeitpunkte von X. Sei f ∈ C 2 . Aus (22) folgt Z f (Xt ) = f (Xs ) + t f 0 (Xu )dXuc s 1 + σ2 2 Z t f 00 (Xu )du, s, t ∈ [Ti , ti+1 ), s und ferner Z Ti+1− f (XTi+1− ) = f (XTi ) + f Ti 0 (Xu )dXuc 1 + σ2 2 36 Z Ti+1− Ti f 00 (Xu )du, i = 1, 2, ... . (25) In der Sprungzeit haben wir f (XTi ) − f (XTi− ) = f (XTi− + 4XTi ) − f (XTi− ), i = 1, 2, ... . (26) Für einen Zeitraum [0, t] betrachten wir alle Sprungzeiten die drin liegen und dann addieren alle Ausdrücke der Form (25) und alle Ausdrücke aus (26). Daraus folgt Z Z t X σ 2 t 00 0 c f (Xs )ds + f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) f (Xt ) = f (X0 ) + f (Xs− )dXs + 2 0 0 s∈[0,t] Satz 3.11 (Die Itô-Formel (II)) Sei X ein Prozess von der Form Z t X 4Xs , t ≥ 0. b(s)ds + σWt + Xt = 0 s∈[0,t] und f eine Funktion aus C 2 . Es gilt Z t Z X σ 2 t 00 0 c f (Xt ) = f (X0 ) + f (Xs− )dXs + f (Xu )du + f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) . 2 0 0 s∈[0,t] Ersetzen wir dX c mit dX − 4Xs um die obige Formel mit diese ohne Sprünge zu vergleichen. Es gilt Z Z t σ 2 t 00 0 f (Xs− )dXs + f (Xs )ds f (Xt ) = f (X0 ) + 2 0 0 X + f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) − f 0 (Xs− )4Xs . s∈[0,t] Vergleichend mit (22) ist die Differenz gleich X f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) − f 0 (Xs− )4Xs . s∈[0,t] Die Zerlegung von f (X) auf die Summe eines Martingales und eines Prozesses von endlicher Variation kann wie vorherigem Fall durchgeführt. Die Erweiterung der Itô-Formel auf den Prozess f (t, Xt ), mit f ∈ C 1,2 , ist klar. Lévyprozesse Hier betrachten wir einen Lévyprozess X der allgemeinen Form. So, kann X ein Prozess von unendlicher Aktivität sein. Beginnen wir mit der Formulierung der Itô-Formel und ihrer Umformulierung für Prozesse von endlicher Vriation. Satz 3.12 (Die Itô-Formel (III)) Seien X ein Lévyprozess mit einem kanonischen Tripel (γ, σ 2 , ν) und f eine Funktion aus C 2 . a) Es gilt Z f (Xt ) = f (X0 ) + t f 0 (Xs− )dXs + 0 + X σ2 2 Z t f 00 (Xs )ds 0 f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) − f 0 (Xs− )4Xs . s∈[0,t] 37 (27) R b) Falls das Lévymaß die Bedienung |y|≤1 | y | ν(dy) < +∞ erfüllt dann lässt sich die obige Formel folgendermaßen umformulieren Z t Z X σ 2 t 00 0 c f (Xs− )dXs + f (Xt ) = f (X0 ) + f (Xs− )ds + f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) . 2 0 0 s∈[0,t] (28) R Dabei definiert man Xtc := (γ + |y|≤1 yν(dy))t + σWt , t ≥ 0. Insbesondere gilt diese Formel für alle Lévyprozesse von endlicher Variation. R Der Grund für die Umformulierung der Itô-Formel ist die Bedienung |y|≤1 | y | ν(dy) < ∞. Sie impliziert, dass die Sprünge von X summierbar sind und demzufolge lässt sich X wie folgt zerlegen Z tZ Z tZ y JX (dy, ds) − ν(dy)ds yJX (dy, ds) + Xt = γt + σWt + 0 = γ+ Z |y|≤1 |y|>1 0 |y|≤1 X X yν(dy) t + σWt + 4Xs = Xtc + 4Xs . s∈[0,t] s∈[0,t] Daraus folgt die Gleichheit Z t Z t X f 0 (Xs− )dXs = f 0 (Xs− )dXsc + f 0 (Xs− )4Xs , 0 0 s∈[0,t] und ferner die Implikation (27) ⇒ (28). Beweis: Zunächst muss man wissen, dass die Summe X St := f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) − f 0 (Xs− )4Xs s∈[0,t] in (27) konvergiert. Zerlegen wir diese auf zwei Summen St = St1 + St2 mit X St1 = f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) − f 0 (Xs− )4Xs 1{|4Xs |≥ε} , s∈[0,t] St2 = X f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) − f 0 (Xs− )4Xs 1{|4Xs |<ε|} , s∈[0,t] wobei ε > 0 eine Konstante ist. St1 ist wohldefiniert, da die Anzahl der Summanden endlich ist. Um zu zeigen, dass S2 wohldefiniert ist nehmen wir zur Vereinfachung an, dass die erste und zweite Ableitung von f beschränkt durch C sind. Dann gilt X X | f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) − f 0 (Xs− )4Xs | 1{|4Xs |<ε|} ≤ C | 4Xs |2 1{|4Xs |<ε|} . s∈[0,t] s∈[0,t] Da die Sprünge des Lévyprozesses quadratisch summierbar sind, ist die obige Summe endlich und deswegen ist S 2 wohldefiniert. Jetzt zeigen wir die Formel (27). Für jedes ε > 0 gilt Xt = Xtε + Rtε , 38 mit Xtε := γt + σWt + X 4Xs 1{|4Xs |>ε} s∈[0,t] Rtε Z tZ y J˜X (dy, ds). := 0 |y|≤ε Wir wissen, dass Rε ein Martingal ist mit Z tZ ε 2 E(Rt ) = 0 y 2 ν(dy)ds −→ 0. ε→0 |y|≤ε Da f 0 beschränkt ist, gilt folgende Schätzung | f (Xt ) − f (Xtε ) |2 ≤ C 2 (Rtε )2 . Daraus folgt, dass die Zufalssvariable f (Xtε ) gegen f (Xt ) konvergiert in L2 (P ). Da die Sprünge von X ε summierbar sind, kann man die bereits bewiesene Itô-Formel anwenden Z t Z σ 2 t 00 ε ε f (Xtε ) = f (X0ε ) + f 0 (Xs− )dXsε + f (Xs )ds 2 0 0 X ε ε ε + f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) − f 0 (Xs− )4Xs 1{|4Xs |>ε} . s∈[0,t] Mit ε → 0 erhält man (27). Semimartingale Die Itô-Formel lässt sich auf alle Semimartingale verallgemeinert. Für die Formulierung braucht man die quadratische Variation des Semimartingals. Da die quadratische Variation [X, X] des Semimartingales ein wachsender Sprungprozess ist, kann man sie pfadweise zerlegen X [X, X]t = [X, X]ct + 4[X, X]s , t ≥ 0. s∈[0,t] Dabei ist [X, X]c ein stetiger, steigender Prozess. Beispielsweise für einen Lévyprozess X mit dem kanonischem Tripel (γ, σ 2 , ν) gilt X [X, X]t = σ 2 t + | 4Xs |2 s∈[0,t] und deswegen [X, X]ct = σ 2 t. Satz 3.13 (Die Itô-Formel (IV)) Seien X ein Semimartingal und f eine Funktion aus C 2 . Es gilt Z Z t 1 t 00 0 f (Xs− )d[X, X]cs f (Xt ) = f (X0 ) + f (Xs− )dXs + 2 0 0 X + f (Xs− + 4Xs ) − f (Xs− ) − f 0 (Xs− )4Xs . (29) s∈[0,t] Den Beweis kann man in [4] finden, siehe Theorem 32, s.78. 39 3.4 Exponentiale und stochastische Exponentiale In der Finanzmathematik spielen eine besonders wichtige Rolle stochastische Prozesse der Form eXt , wobei X ein Semimartingal ist. Mit ihren Hilfe modelliert man den Aktienkurs. Zum Beispiel im Black-Scholes Model ist der Assetpreis gegeben durch 1 St = e(α− 2 σ 2 )t+σW t α ∈ R, σ > 0. , und er löst die Gleichung dSt = St (αdt + σdWt ), t > 0. Exponentiale Unser Ziel ist es die Dynamik des Prozesses Y = eX zu bestimmen für einen Lévyprozess X mit dem kanonischen Tripel (γ, σ 2 , ν). Anschließend finden wir die Bedingungen unter welchen ist Y ein Martingal. Die Dynamik von Y bestimmen wir mittels der Itô-Formel. Es gilt Z Z t X σ 2 t Xs− ds + e eXs− +4Xs − eXs− − eXs− 4Xs Yt = 1 + eXs− dXs + 2 0 0 s∈[0,t] Z =1+ t Ys− dXs + 0 σ2 2 t Z Z tZ Ys− ds + 0 0 Ys− (ez − 1 − z)JX (dz, ds). (30) R Die obige Formel schreibt man auch oft in kürzer Form als σ2 dYt = Yt− dXt + dt + (e4Xt − 1 − 4Xt ) . 2 Jetzt finden wir die Bedingungen für Y ein Martingal zu sein. Es gilt Z t Z tZ Z tZ Z t Ys− dXs = Ys− (γds + σdWs ) + Ys− · zJX (dz, ds) + 0 0 0 |z|>1 0 Ys− · z J˜X (dz, ds), |z|≤1 (31) und Z tZ Z tZ z Ys− (e − 1 − z)JX (dz, ds) + 0 Ys− · zJX (dz, ds) = 0 R Z tZ |z|>1 0 Ys− (ez − 1 − z1|z|≤1 )JX (dz, ds). R (32) Jetzt werden wir das letzte Integral kompensieren. Dazu braucht man die Bedienung Z ez ν(dz) < +∞. |z|>1 Dann gilt Z tZ Z tZ z Ys− (e − 1 − z1|z|≤1 )JX (dz, ds) = 0 0 R R Z tZ + 0 40 Ys− (ez − 1 − z1|z|≤1 )J˜X (dz, ds) R Ys− (ez − 1 − z1|z|≤1 )ν(dz)ds. (33) Aus (30), (31), (32),(33) folgt die Darstellung Yt = Mt + At mit Z Z tZ t 0 0 Z t Ys− (γ + At := Ys− (ez − 1)J˜X (dz, ds), Ys− dWs + Mt := 1 + σ σ2 0 2 R Z tZ )ds + 0 Ys− (ez − 1 − z1|z|≤1 )ν(dz)ds. R Insbesondere ist Y ein Martingal falls A ≡ 0 gilt, d.h. Z σ2 γ+ + (ez − 1 − z1|z|≤1 )ν(dz) = 0. 2 R Satz 3.14 Sei X ein Lévyprozess und Yt := eXt , t ≥ 0 sein Exponential. a) Y hat die Darstellung σ2 dYt = Yt− dXt + dt + (e4Xt − 1 − 4Xt ) . 2 b) Falls R |z|>1 e z ν(dz) < +∞ gilt dann ist Y ein Martingal genau dann wenn σ2 γ+ + 2 Z Ys− (ez − 1 − z1|z|≤1 )ν(dz) = 0, s ≥ 0. R Stochastische Exponentiale Betrachten wir eine lineare Gleichung der Form dZt = Zt− dXt , Z0 = 1, wobei Z ein Semimartingale ist. Es stellt sich heraus, dass diese Gleichung eine eindeutige Lösung besitzt. Sie heißt ein stochastisches Exponential oder ein Exponential von Doléans-Dade. Unser Ziel ist es die explizite Form der Lösung zu bestimmen falls X ein Lévyprozess ist. Satz 3.15 Sei X ein Lévyprozess mit dem kanonischen Tripel (γ, σ 2 , ν). Es existiert eine eindeutige càdlàg Lösung der Gleichung dZt = Zt− dXt , Z0 = 1. Die Lösung Z hat die Form Zt = eXt − σ2 t 2 Y (1 + 4Xs )e−4Xs . s∈[0,t] Falls R1 −1 | y | ν(dy) < +∞ gilt dann hat Z eine alternative Darstellung c Zt = eXt − σ2 t 2 Y s∈[0,t] 41 (1 + 4Xs ). Q Beweis: Zunächst zeigen wir, dass der Prozess Vt := s∈[0,t] (1 + 4Xs )e−4Xs wohldefiniert ist. Zerlegen wir V wie folgt Vt = Vt1 · Vt2 mit Y Y Vt1 := (1 + 4Xs )e−4Xs , Vt2 := (1 + 4Xs )e−4Xs . s∈[0,t],|4Xs |≤ 12 s∈[0,t],|4Xs |> 12 Es ist klar, dass V 2 wohldefiniert ist, da die Anzahl der Sprünge größer als Faktoren in V 1 positiv sind, gilt es n o X ln(1 + 4Xs ) − 4Xs . ln Vt1 = 1 2 endlich ist. Da alle s∈[0,t],|4Xs |≤ 21 Für die Schätzung der obigen Summe nutzen wir die Ungleichung h 1 1i 0 ≤ x − ln(1 + x) ≤ x2 , x∈ − , , 2 2 welche impliziert n X 0≥ o ln(1 + 4Xs ) − 4Xs ≥ − X (4Xs )2 . s∈[0,t],|4Xs |≤ 12 s∈[0,t],|4Xs |≤ 12 Da die Sprünge des Lévyprozesses quadratisch summierbar sind, ist V 1 ein wohldefinierter Prozess von endlicher Variation. Jetzt wenden wir die Itô-Formel an mit Z = f (t, X, V ) = eX− σ2 t 2 V. 1 00 (t, Xt− , Vt− )[X, X]ct dZt =ft0 (t, Xt− , Vt− )dt + fx0 (t, Xt− , Vt− )dXs + fv0 (t, Xt− , Vt− )dVt + fxx 2 n o + f (t, Xt , Vt ) − f (t, Xt− , Vt− ) − fx0 (t, Xt− , Vt− )4Xt − fv0 (t, Xt− , Vt− )4Vt σ2 σ2 σ2 Zt− dt + Zt− dXt + eXt− − 2 t dVt + Zt− dt 2 2 n o 2 σ + Zt − Zt− − Zt− 4Xt − eXt− − 2 t 4Vt =− Aus der Definition von V folgt, dass dieser Prozess stückweise konstant ist. Daraus folgt dVt = 4Vt = Vt − Vt− = Vt− (1 + 4Xt )e−4Xt − Vt− = Vt− (1 + 4Xt )e−4Xt − 1 . (34) Schließlich erhält man n o dZt = Zt− dXt + Zt − Zt− − Zt− 4Xt und wir müssen noch zeigen, dass 4Zt = Zt− 4Xt gilt. Aus der Definition von Z und aus (34) folgt h i σ2 σ2 σ2 4Zt = eXt − 2 t Vt − eXt− − 2 t Vt− = e− t t eXt Vt − eXt− Vt− = e− σ2 t 2 h i eXt− +4Xt (Vt− + 4Vt ) − eXt− Vt− = e− σ2 t 2 h i eXt− +4Xt Vt− + Vt− (1 + 4Xt )e−4Xt − 1 − eXt− Vt− = e− σ2 t 2 h i eXt− Vt− e4Xt (1 + 4Xt )e−4Xt − 1 = Zt− 4Xt . 42 Jetzt zeigen wir, dass die Lösung eindeutig ist. Nehmen wir an, dass Z 1 und Z 2 lösen unsere Gleichung. Dann ist der Prozess Ẑt := Zt1 − Zt2 auch eine Lösung und Ẑ0 = 0. Aus der bewiesene Form der Lösung ist es klar, dass Ẑt = Ẑs e(Xt − 2 σ2 t)−(Xs − σ2 s) 2 Y (1 + 4Xu )e−4Xu , 0 ≤ s < t, u∈(s,t] gilt. Das impliziert Ẑs = 0 =⇒ Ẑt = 0 ∀t ≥ s. Daraus folgt Z 1 = Z 2 . 4 4.1 Lineare Bewertungsregel und Martingalmaße Lineare Bewertung Das Hauptziel der Finanzmathematik ist die Optionsbewertung. Wir werden verschiedene Bewertungsmethoden betrachten. Zu Beginn wird die grundlegende lineare Bewertungsregel behandelt. Betrachten wir einen Finanzmarkt auf einem endlichen Zeitintervall [0, T ] mit einem Aktienkurs St , t ∈ [0, T ]. S ist ein mehrdimensionaler stochastischer Prozess auf dem Raum (Ω, F, P ) welcher an die Filtration Ft , t ∈ [0, T ] adaptiert ist. Sei H eine Menge der FT -messbaren Zufallsvariablen die als Optionen interpretiert werden können. Der Preis einer Zufallsvariable H ∈ H ist ein stochastischer Prozess Πt (H), t ∈ [0, T ]. Da der Preis zum Zeitpunkt t auf die Informationen die auf dem Markt bis zum Zeitpunkt t verfügbar sind basieren soll, ist es natürlich anzunehmen, dass • Πt adaptiert ist. Ferner soll der Preis einer positiven Option auch positiv sein, d.h. • H ∈ H, H ≥ 0 =⇒ Πt (H) ≥ 0, t ∈ [0, T ]. Bei der linearen Bewertungsmethode gehen wir von der Annahme aus, dass Pt linear in H ist, d.h. n n X X • Hi ∈ H, i = 1, 2, ..., n, Πt Hn = Πt (Hi ). i=1 i=1 Diese Annahme ist in der Wirklichkeit nicht immer erfüllt, da bei den großen Transaktionen die Skalenerträge auftreten können. Üblicherweise ist jedoch diese Voraussetzung erfüllt. Unter weiteren Annahmen lässt sich die lineare Bewertung in einer speziellen Form darstellen. Die Menge H wird alle einfache Zufallsvariablen 1A , A∈H enthalten. Insbesondere 1Ω liegt in H und Πt (1) gibt den Preis einer deterministischer Auszahlung gleich 1. Auf dem Markt mit einer festen Zinsrate r > 0 ist jedoch dieser Preis gleich dem Diskontierungsfaktor, so es gilt Πt (1) = e−r(T −t) . 43 Definiere eine Funktion Q von F nach R durch Q(A) := Π0 (1A ) = erT Π0 (1A ). Π0 (1) Es ist klar, dass Q folgende Eigenschaften besitzt a) 0 ≤ Q(A) ≤ 1, A ∈ F, b) Für beliebige disjunkte Mengen A, B ∈ F gilt Q(A ∪ B) = erT Π0 (1A∪B ) = erT Π0 (1A + 1B ) = erT Π0 (1A ) + erT Π0 (1B ) = Q(A) + Q(B). Wenn wir die Forderung der Linearität von Π0 auf alle abzählbaren Folgen A1 , A2 , ... erweitern, dann muss Q ein Wahrscheinlichkeitsmaß sein. Dann ist der Preis im Zeitpunkt 0 jeder einfachen Option 1A gleich Π0 (1A ) = e−rT Q(A). Ferner für jede allgemeine Option H ∈ H die mittels der einfachen Optionen approximiert werden kann gilt n n X X Π0 (H) ← Π0 ( ci 1Ai ) = e−rT ci Q(Ai ) −→ e−rT E Q [H]. i=1 i=1 Daraus folgt, dass jede lineare Bewertungsregel führt zu einem Wahrscheinlichkeitsmaß Q und der Preis der Option ist gleich dem diskontiertem Erwartungswert der Option, d.h. Π0 (H) = e−rT E Q [H], H ∈ H. Mit Hilfe der gleichen Argumente kann man zeigen, dass für jeden Zeitpunkt t ∈ [0, T ] gelten muss Πt (H) = e−r(T −t) E Q [H | Ft ], H ∈ H. Das obige Maß Q nennt man ein risikoneutrales Maß. Es stellt sich die Frage ob jedes Maß kann als ein risikoneutrales Maß dienen. Im Folgenden werden wir weitere Bedingungen untersuchen die jedes risikoneutrale Maß erfüllen muss. 4.2 Arbitragefreiheit und Martingalmaße Der betrachtete Markt soll arbitragefrei sein. Das heißt, es existiert keine selbstfinanzierende Handelsstrategie ϕ, so dass der entsprechende Portfoliowert Z t Vt = ϕs dSs 0 die Bedingungen erfüllt P (∀ t ∈ [0, T ] Vt ≥ 0) = 1, P (VT > 0) > 0. Betrachten wir die lineare Bewertungsregel und das verbundene risikoneutrale Maß Q. Dann ist der Preis der Option H gegeben durch Π0 (H) = e−rT E Q [H]. 44 Sei A ∈ F eine Menge mit P (A) = 0. Dann ist die Option 1A für den Investor wertlos, da das Ereignis unmöglich ist. Das heißt, dass Π0 (1A ) = 0 und demzufolge Π0 (1A ) = e−rT E Q [1A ] = e−rT Q(A) = 0 ⇒ Q(A) = 0. gilt. Falls Q(A) = 0 gilt dann ist die Option 1A wertlos und deswegen P (A) = 0. Anderenfalls könnte man in t = 0 diese Option zum Preis 0 kaufen und in t = T ausüben. Diese Strategie ist aber eine Arbitragemöglichkeit, da P (1A > 0) = P (A) > 0. Zusammenfassend, das risikoneutrale Maß Q muss zu dem Originalmaß P äquivalent sein, d.h. P (A) = 0 ⇐⇒ Q(A) = 0, A ∈ F. Betrachten wir jetzt die Option von der Form H = STi , die im Zeitpunkt T den Wert der Aktie auszählt. Da der Wert der Aktie in t gleich Sti beträgt und der Markt arbitragefrei ist, muss gelten Π(STi ) = Sti , t ∈ [0, T ]. Daraus folgt Π(STi ) = e−r(T −t) E Q [STi | Ft ] = E Q [e−r(T −t) STi | Ft ] = Sti , und ferner E Q [e−rT STi | Ft ] = e−rt Sti . Die obige Gleichheit bedeutet, dass der diskontierte Aktienkurs ein Martingal sein muss. Fassen wir die obige Betrachtungen zusammen. Satz 4.1 Mit jeder linearen Bewertungsregel Π ist ein risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß Q verbunden, so dass Πt (H) = e−r(T −t) E Q [H], t ∈ [0, T ]. gilt. Ferner erfüllt Q die Bedingungen a) Q ∼ P , b) Q ist ein Martingalmaß. Es stellen sich eine Reihe von natürlichen Fragen die das risikoneutrale Maß betreffen. 1. Existiert ein risikoneutrales Maß? 2. Falls Q existiert, ist es eindeutig? 3. Falls Q nicht eindeutig bestimmt ist, wie soll man das risikoneutrale Maß für die lineare Bewertung auswählen? 45 4. Nehmen wir an, dass das Finanzmodell mit Hilfe des Lévyprozesses X unter dem Originalmaß P modelliert wird. Wie benimmt sich X unter Q? Ist es immer noch ein Lévyprozess? Die erste zwei Fragen werden mit Hilfe der Hauptsätze der Wertpapierbewertung beantworten. Ihre Formulierung ist ähnlich der Formulierung im Falle der Aktienkurs stetige Pfade hat. Die dritte Frage wird im nächsten Abschnitt behandelt. Die Methoden der Maßauswahl werden wir in folgenden Abschnitten betrachten. Satz 4.2 (Der 1. Hauptsatz der Wertpapierbewertung) Der Markt (Omega, F, P ) mit dem Aktienkurs St , t ∈ [0, T ] ist arbitregefrei genau dann wenn ein äquivalentes Martingalmaß Q existiert. Jedes Maß aus dem obigen Satz kann als ein risikoneutrales Maß dienen. Die Eindeutigkeit von Q ist mit der Vollständigkeit des Marktes verbunden. Erinnern wir uns, dass die Option H erreichbar ist falls eine selbstfinanzierende Handelstrategie ϕ existiert mit H = VTϕ , wobei VTϕ für den Portfoliowert in t = T steht. Der Markt ist vollständig falls jede Option erreichbar ist. Satz 4.3 (Der 2. Hauptsatz der Wertpapierbewertung) Der Markt (Omega, F, P ) mit dem Aktienkurs St , t ∈ [0, T ] ist vollständig falls ein Martingalmaß existiert und eindeutig ist. 4.3 Equivalente Maße in Lévymodellen Betrachten wir einen Lévyprozess Xt , t ∈ [0, T ] auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F = FT , P ) und ein equivalentes Maß Q mit der Dichtefunktion dQ := Z dP auf (Ω, F). Es stellt sich die Frage welche Eigenschaften besitzt der Prozess X unter Q. Im Allgemeinen ist X leider nicht mehr ein Lévzprozess. Da die Maße unter denen ist X ein Lévyprozess sind besonders wichtig, werden sie mit Vorrang betrachtet. Zunächst werden wir diese Frage umformulieren. Betrachten wir das Paar (X, P ), wobei X ein Lévyprozess unter dem Maß P ist. Nehmen wir an, dass (X, Q) auch ein Lévyprozess ist unter einem äquivalentem Maß Q. Unser Ziel ist es die Dichtefunktion Z zu charakterisieren falls P ∼ Q. Satz 4.4 Seien P und Q Wahrscheinlichkeitsmaße. Seien (N, P ) ein Poissonprozess mit dem Sprunghöhe a1 und der Intensität λ1 > 0 und (N, Q) ein Poissonprozess mit dem Sprunghöhe a2 und der Intensität λ2 > 0. Sei N̄t die Anzahl der Sprünge von N , d.h. N̄t := ]{s ∈ [0, t] : 4Ns 6= 0}. a) Falls a1 = a2 gilt dann ist Q äquivalent zu P und die Dichtefunktion ist gleich λ dQ (λ −λ )T −N̄T ln λ1 2. =Z=e 1 2 dP 46 b) Falls a1 6= a2 gilt dann sind die Maße äquivalent nicht. Beweis: (a) Für A ∈ F müssen wir die Gleichheit Q(A) = E P [Z1A ], zeigen. Es gilt Q Q(A) = E [1A ] = +∞ X E Q [1A | N̄T = k] · Q(N̄T = k) k=0 = +∞ X E Q [1A | N̄T = k] · e−λ2 T k=0 (λ2 T )k , k! und h λ N̄T i 2 1A E P [Z1A ] = E P e(λ1 −λ2 )T λ1 = +∞ X k=0 = +∞ X λ N̄T h i 2 E P e(λ1 −λ2 )T 1A | N̄T = k · P (N̄T = k) λ1 e(λ1 −λ2 )T k=0 = +∞ X k=0 e−λ2 T λ k 2 λ1 h i (λ1 T )k E P 1A | N̄T = k · e−λ1 T k! i (λ2 T )k P h E 1A | N̄T = k . k! Die Behauptung folgt, da E P [1A | N̄T = k] = E Q [1A | N̄T = k] gilt. (b) Nehmen wir an, dass a1 < a2 gilt und betrachte das Ereignis A := {NT = a1 }. Bezeichne die erste Sprungzeit von N mit τ . Es gilt Z P (A) = P (N hat einen Sprung auf [0, T ]) = P (τ ≤ T ) = T λ1 e−λ1 s ds > 0, 0 da τ exponentialverteilt ist. Unter dem Maß Q kann NT folgende Werte annehmen: 0, a2 , 2a2 , 3a2 , .... Daraus folgt Q(A) = 0, und deswegen sind P und Q nicht äquivalent. Jetzt behandeln wir das gleiche Problem für einen zusammengesetzten Poissonprozess. Satz 4.5 Seien (X, P ), (X, Q) zussamengesetzte Poissonprozesse mit den Lévymaßen ν P und ν Q . Die Maße P und Q sind äquivalent genau dann wenn ν P ∼ ν Q . In diesem Fall gilt P P Q dQ = Z = e(λ −λ )T + s∈[0,T ] φ(4Xs ) , dP Q mit λP := ν P (R), λQ := ν Q (R) und φ(x) := ln dν . dν P 47 Beweis: Zunächst werden wir zeigen, dass Z tatsächlich eine Dichte ist, d.h. E P [Z] = 1. Dazu P erinnern wir uns, dass die Verteilung der Sprunghöhe unter P gleich dνλP(x) ist und leiten wir eine zusätzliche Formel her Z h Q i Z dν Q dν P (x) 1 λQ P φ(4X) P dν Q E e =E (4X) = (x) = dν (x) = . (35) P dν P λP λP R λP R dν Sei N der zu X gehörige Poissonprozess und erinnern wir uns, dass seine Intensität gleich ν P (R) = λP ist. Es gilt E P [Z] = E P [e(λ = +∞ X P −λQ )T + P E P [e(λ s∈[0,T ] P −λQ )T + P φ(4Xs ) s∈[0,T ] ] φ(4Xs ) | NT = k]P (NT = k) k=0 = e(λ P −λQ )T +∞ h Pk i X (λP T )k P E P e i=1 φ(4Xi ) e−λ T k! k=0 = e−λ QT +∞ X (λP T )k n P φ(4X) ok E [e ] . k! k=0 Aus (35) folgt P E [Z] = e −λQ T k +∞ +∞ X X (λQ T )k (λP T )k λQ −λQ T = e = 1. k! λP k! k=0 k=0 Jetzt beweisen wir die Implikation ν P ∼ ν Q ⇒ P ∼ Q. Es ist hinreichend zu zeigen, dass der Prozess X unter dem Maß ZdP ein zusammengesetzter Poissonprozess mit dem Lévymaß ν Q ist. Das heißt, dass Q durch Z charakterisiert ist und demzufolge ist es äquivalent zu P . Wir zeigen, dass a) X unabhängige Zuwachse unter Q hat, b) E Q [eiuX1 ] = e R iux −1)ν Q (dx) R (e gilt. Daraus folgt unter dem Maß Q ist X ein zusammengesetzter Poissonprozess mit dem Lévymaß ν Q. (a) Seien f, g beschränkte messbare Funktionen und s < t ≤ T und erinnern wir uns, dass der Dichteprozess P P Q Zt := e(λ −λ )T + s∈[0,t] φ(4Xs ) , ein P -Martingal ist. Es gilt E Q [f (Xs )g(Xt − Xs )] = E P [f (Xs )g(Xt − Xs )Z] = E P [f (Xs )g(Xt − Xs )Zt ] Es ist klar, dass ln Zt ein Lévyprozess (in der Tat ein zusammengesetzter Poissonprozess mit Drift) ist und daraus folgt h Zt i E Q [f (Xs )g(Xt − Xs )] = E P f (Xs )Zs g(Xt − Xs ) = E P [f (Xs )eln Zs g(Xt − Xs )eln Zt −ln Zs ] Zs = E P [f (Xs )Zs ]E P [g(Xt − Xs )Zt ] = E Q [f (Xs )]E Q [g(Xt − Xs )]. 48 (b) Es gilt E Q [eiuX1 ] = E P [eiuX1 e(λ = e(λ P −λQ ) P −λQ )+ P +∞ X s∈[0,1] φ(4Xs ) ] = e(λ P −λQ ) h P i E P e s∈[0,1] {4Xs +φ(4Xs )} h P i E P e s∈[0,1] {4Xs +φ(4Xs )} | NT = k P (NT = k) k=0 = e(λ P −λQ ) +∞ X {E P [eiu4X+φ(4X) ]}k e−λ k=0 =e −λQ +∞ n Z X k=0 = e−λ Q R eiux P (λP )k k! dν Q dν P ok (λP )k (x) dν P λP k! +∞ n Z X k=0 ok 1 R iux Q R Q iux Q eiux dν Q (x) = e−λ e R e dν (x) = e R (e −1)dν (x) . k! R Jetzt beweisen wir die Implikation P ∼ Q ⇒ ν P ∼ ν Q . Nehmen wir an, existiert eine Menge B mit ν P (B) > 0 und ν Q (B) = 0. Definiere A := {∃s ∈ [0, 1] : 4Xs ∈ B}. Dann gilt P (A) > 0 und Q(A) = 0 und daraus folgt, dass P und Q nicht äquivalent sind. Im Folgenden formulieren wir noch das Resultat für eine Brown’sche Bewegung mit Drift, d.h. X hat die Form Xt = µ + σWt , wobei µ ∈ R, σ > 0 und W eine Brown’sche Bewegung ist. Satz 4.6 Seien (X, P ) eine Brown’sche Bewegung mit Parametern (µP , σ P ) und (X, Q) eine Brown’sche Bewegung mit Parametern (µQ , σ Q ).Die Maße P , Q sind äquivalent genau dann wenn σ P = σ Q . Falls P ∼ Q gilt dann ist die Dichte gleich Q 2 P 2 µP −µQ 1 (µ ) −(µ ) dQ T σ2 = Z = e σ2 XT − 2 , dP oder, in alternativer Form Q P 2 µQ −µP 1 (µ −µ ) dQ T σ2 = Z = e σ XT − 2 . dP Anschließend formulieren wir ein Resultat für einen allgemeinen Lévyprozess. Theorem 4.7 Seien (X, P ) ein Lévyprozess mit einem kanonischen Tripel (γ, σ 2 , ν) und (X, Q) ein Lévyprozess mit einem kanonischen Tripel (γ 0 , σ 0 2 , ν 0 ). Die Maße P, Q sind äquivalent genau dann wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind. 1. σ = σ 0 , 2. Die Lévymaße sind äquivalent mit Z φ(x) (e 2 − 1)2 ν(dx) < +∞, R wobei φ(x) := ln dν 0 dν (x) . 49 3. Falls σ = 0 dann muss gelten γ0 − γ = Z 1 x(ν 0 − ν)(dx). −1 Sind die Maße äquivalent hat die Dichte die Form dQ = Z = eUT , dP wobei der Prozess U folgende Form hat 2σ2t η Ut = ηXtc − − ηγt + lim ε↓0 2 X Z φ(4Xs ) − t s∈[0,t],|4Xs |>ε |x|>ε (eφ(x) − 1)ν(dx) . Dabei steht X c für den kontinuierlichen Teil von X und η erfüllt die Gleichheit Z 1 0 γ −γ− x(ν 0 − ν)(dx) = σ 2 η −1 falls σ > 0 und η = 0 anderenfalls. Ferner ist U ein Lévyprozess unter P mit dem kanonischen Tripel Z +∞ 1 2 2 (ey − 1 − y1{|y|≤1} )(νφ−1 )(dy), γU := − σ η − 2 −∞ σU2 := σ 2 η 2 , νU := νφ−1 . Aus dem Theorem folgt, dass falls X Sprünge hat dann existieren viele äquivalente Maße Q unter denen X ein Lévzprozess ist. Die echte Beschränkung ist, dass die Diffusionsparameter gleich sind, d.h. σ = σ 0 . Die Bedienung (2) lässt viele Lévymaße zu. Die Bedienung (3) besagt, dass der Drift unter Q eindeutig bestimmt ist im Falle σ = 0. 4.4 Die Esscher-Transformation Die Esscher-Transformation ist ein spezielles Maßwechsel, so dass der Lévyprozess unter dem neuen Maß auch ein Lévyprozess ist. Um diese Methode darzustellen erinnern wir uns wie das Maßwechsel im BS-Model aussieht. Die Dynamik des Preises unter P ist gegeben durch dSt = αSt dt + σSt dWt = St αdt + σdWt , α ∈ R, σ > 0, t ≥ 0. Aus dem Theorem von Girsanov folgt, dass jedes äquivalentes Maß Q einen Dichteprozess der Form Rt R 1 t 2 dQ |Ft = e 0 θs dWs − 2 0 θs ds Zt = dP Rt besitzt. Dabei ist θ ein W -integrierbarer Prozess. Außerdem ist W̃t = Wt − 0 θs ds ein QWienerprozess. Mit anderen Worten löst Z die Gleichung dZt = Zt θt dWt , t ≥ 0. 50 Es ist leicht die Dynamik von S unter Q zu bestimmen dSt = αSt dt + σSt dWt = αSt dt + σSt (dW̃t + θt dt) = St (α + σθt )dt + σSt dW̃t . (36) Dann erfüllt der diskontierte Preis Ŝt = e−rt St die Gleichung dŜt = Ŝt (α − r + σθt )dt + σSt dW̃t und deswegen ist Ŝ ein Q-Martingal falls θt ≡ θ = − α−r , σ gilt. Aus (36) folgt t ≥ 0. dSt = St (rdt + σdW̃t ), Zusammenfassend, wird der Prozess αt + σWt unter dem Martingalmaß Q ein neuer Wienerprozess mit Drift von der Form rt + σ W̃t , t ≥ 0. Mit anderen Worten bekommt der Wienerprozess mit Drift unter dem Maß Q einen neuen Drift. In der Esscher-Transformation nutzt man die gleiche allgemeine Idee. Für einen Lévyprozess X mit einem kanonischem Tripel (γ, 0, ν) unter P betrachten wir die äquivalenten Maße Q, so dass unter Q ist X auch ein Lévyprozess mit dem Lévymaß der Form ν̃(dx) := eθx ν(dx), θ ∈ R. Natürlich muss man wissen, dass ν̃ tatsächlich ein Lévymaß ist, d.h., dass die Bedienung Z (| x |2 ∧1)ν̃(dx) < +∞, R gilt. Es gilt genau dann wenn Z eθx dx < +∞. |x|>1 Jetzt nutzen wir das Theorem 4.7 mit σ = 0 und φ(x) = ln eθx dν(x) = θx, dν(x) und erhalten, dass unter Q hat den kanonischen Tripel (γ̃, 0, eθx ν(dx)) mit Z 1 Z 1 x(ν̃ − ν)(dx) = γ + γ̃ = γ + −1 xe(θx −1)ν(dx). −1 Es folgt, unter Q wird das kanonische Tripel folgendermaßen transformiert Z 1 γ −→ γ + x(eθx − 1)ν(dx), −1 σ=0 −→ 0, ν(dx) −→ eθx ν(dx). 51 Ferner ist der Dichteprozess gegeben durch Zt = eθXt = eθXt +β(θ)t , E[eθXt ] mit β(θ) := − ln E[eθX1 ] . Die Esscher-Transformation lässt sich für einen Lévyprozess mit σ 2 6= 0 anwenden. Jedoch in diesem Fall ist die Drift-Transformation nicht eindeutig bestimmt. Mit Hilfe der Esscher-Transformation lässt sich die Arbitragefreiheit in einem exponentiellen Lévymodel der Form St = ert+Xt beweisen. Dabei ist r eine feste Zinsrate und X ein Lévyprozess. Offensichtlich ist das obige Modell eine Erweiterung des BS-Models. Satz 4.8 Sei S ein Aktienpreis in einem exponentiellen Lévymodell. Sind die Pfade von X weder monoton steigend noch monoton fallend fast sicher dann ist das Model arbitragefrei. Im Beweis werden wir zeigen, dass die Voraussetzungen implizieren Existenz eines Martingalmaßes welches mit Hilfe der Esscher-Transformation konstruiert werden kann. Aus der obigen Formulierung folgt, dass folgende Modelle arbitragefrei sind a) σ 2 > 0, d.h. der Gauß’sche Teil von X verschwindet nicht, R1 b) X hat unendliche Variation, d.h −1 | x | ν(dx) = +∞, c) X hat positive und negative Sprünge, d) X hat entweder positive Sprünge und negativen Drift γ < 0 oder negative Sprünge und positiven Drift γ > 0. Beweis: Zur Vereinfachung werden wir annehmen, dass das kanonische Tripel von X die Form hat (γ, 0, ν) mit Z eθx ν(dx) < +∞, θ ∈ R. |x|>1 Der Satz ist jedoch wahr für den Lévyprozess der generellen Form. Es folgt, dass die EsscherTransformation wohldefiniert für jedes θ ∈ R ist und unter dem neuen Maß Q hat X das Tripel Z 1 γ̃ = γ + x(eθx − 1)ν(dx), 0, eθx ν(dx) . −1 Jetzt finden wir die Bedingungen welche sicherstellen, dass der diskontierte Preis Ŝt = eXt ein Q-lokales Martingal ist. Aus der Itô-Formel folgt Z t X Xt Ŝt = e = 1 + eXs− dXs + eXs − eXs− − eXs− 4Xs 0 Z =1+ 0 s∈[0,t] t eXs− dXs + Z tZ 0 52 R Q eXs− (ex − 1 − x)JX (dx, ds). Aus der Bedienung σ 2 = 0 folgt Z tZ Xt = γ̃t + 0 |x|≤1 Q xJ˜X (dx, ds) + Z tZ Q xJX (dx, ds). |x|>1 0 und ferner Z Z tZ t e Ŝt = 1 + Xs− |x|≤1 0 Q xJ˜X (dx, ds) + Z tZ |x|>1 0 Q eXs− xJX (dx, ds) Q eXs− (ex − 1 − x)JX (dx, ds) + 0 e γ̃ds + 0 Z tZ Xs− R Z e =1+ Z tZ t Xs− e γ̃ds + |x|≤1 0 0 Xs− Q xJ˜X (dx, ds) + Z tZ 0 Q eXs− (ex − 1 − x1|x|≤1 )JX (dx, ds). R Daraus folgt Ŝ ist ein Q-lokales Martingal genau dann wenn der Prozess Z tZ Z t Q (dx, ds) eXs− γ̃ds + eXs− (ex − 1 − x1|x|≤1 )JX 0 0 R ein Q-lokales Martingal ist. Es gilt Z t Z tZ Q Xs− e γ̃ds + eXs− (ex − 1 − x1|x|≤1 )JX (dx, ds) 0 0 R Z Z tZ Z t Q (dx, ds) eXs− (ex − 1 − x1|x|≤1 )JX = eXs− γ̃ + (ex − 1 − x1|x|≤1 ν̃(dx) ds + 0 0 R und daraus folgt Z Z x γ̃ + (e − 1 − x1|x|≤1 )ν̃(dx) = γ + R 1 x(e θx Z − 1)ν(dx) + −1 R (ex − 1 − x1|x|≤1 )ν̃(dx) = 0. R Jetzt müssen wir zeigen, dass die obige Gleichung eine Lösung nach θ ∈ R besitzt. Zunächst merken wir, dass die Funktion Z 1 Z θx g(θ) := x(e − 1)ν(dx) + (ex − 1 − x1|x|≤1 )eθx ν(dx) −1 R stetig ist und betrachten wir beispielsweise den Fall wann die Bedingung gilt +∞ (X hat eine unendliche Variation). Dann gelten Z 0 x(eθx − 1)ν(dx) −→ +∞, x(eθx − 1)ν(dx) −→ +∞, θ→+∞ 0 (ex − 1 − x1|x|≤1 )eθx ν(dx) −→ 0, θ→+∞ −∞ Z | x | ν(dx) = 1 0 Z |x|≤1 θ→+∞ −1 Z R 0 (ex − 1 − x1|x|≤1 )eθx ν(dx) −→ +∞, θ→+∞ −∞ und daraus folgt die Bedingung limθ→+∞ g(θ) = +∞. Analog kann man zeigen limθ→−∞ g(θ) = −∞. Es folgt, dass unsere Gleichung g(θ) = −γ eine Lösung besitzt. 53 5 Optionsbewertung und Absicherungsstrategien In diesem Abschnitt werden verschiedene Methoden der Optionsbewertung in exponentiellen Lévymodellen behandelt. 5.1 Das Merton-Modell Das Merton-Modell ist ein spezielles exponentielles Lévymodell mit dem Aktienkurs der Form St := S0 eµt+σWt + PNt i=1 Yi , t ≥ 0, mit µ ∈ R, σ > 0. Dabei ist N ein von der Browns’schen Bewegung W unabhängiger Poissonprozess mit Intensität λ > 0 und Yi , i = 1, 2, ... ist eine von W und N unabhängige iid-Folge mit Verteilung N (m, δ 2 ) mit m ∈ R, δ 2 > 0. Um die Optionen zu bewerten brauchen wir ein äquivalentes Martingalmaß. Es existieren jedoch in diesem Modell viele Martingalmaße, so es stellt sich die Frage welches von denen soll man auswählen? Die Idee von Merton basierte auf der Voraussetzung, dass der Sprungteil des Lévyprozesses unter dem Originalmaß P und dem risikonetralen Maß Q die gleiche Verteilung hat. Das bedeutet, dass der Prozess Nt X Yi i=1 unter P und Q die gleichen Eigenschaften besitzt. Unter dem Maß Q wünschen wir, dass unser Lévyprozess auch ein Lévyprozess wäre. Aus dem Theorem 4.7 folgt, dass unter Q der Diffusionskoeffizient unverändert werden muss. Demzufolge hat das Merton-Modell unter Q folgende Form PNt St := S0 eµ̃t+σW̃t + i=1 Yi , t ≥ 0, wobei W̃ eine Brown’sche Bewegung unter Q ist und µ̃ ein neuer Drift ist. Jetzt werden wir µ̃ so bestimmen, dass das Maß Q tatsächlich ein Martingalmaß ist. Das heißt, dass der Prozess Ŝt = e−rt St ein Q-lokales Martingal ist. So, muss gelten E Q [Ŝt ] = S0 . Die letzte Bedingung ist äquivalent zu E Q [e(µ̃−r)t+σW̃t + P Nt i=1 Yi ] = 1. Es gelten 1 2 E Q [eσW̃t ] = e 2 σ t , E Q [e PNt i=1 Yi ] = et R x R (e −1)ν(dx) = etλ R R (e x −1)f (dx) = etλ(e 1 δ2 ) (m+ 2 −1) , P t da N i=1 Yi ein zusammengesetzter Poissonprozess mit dem Lévymaß ν ist. Wir wissen bereits, dass ν(dx) = λf (dx) gilt, wobei f die Dichtefunktion von N (m, δ 2 ) ist. Daraus folgt 1 2 1 (µ̃ − r)t + σ 2 t + λt(em+ 2 δ − 1) = 0, 2 54 und anschließend 1 2 1 µ̃ = r − σ 2 − λ(em+ 2 δ − 1). 2 Jetzt werden wir eine Europäische Option der Form H = H(ST ), bewerten. Erinnern wir uns, dass der Preis von H im Zeitpunkt t ∈ [0, T ] gleich Ct = e−r(T −t) E Q [H | Ft ]. ist. Der Preis ist eine Funktion von t und St da es gilt PNT −t Ct = C(t, St ) = e−r(T −t) E Q [H(ST ) | St ] = e−r(T −t) E Q [H(St eµ̃(T −t)+σW̃T −t + i=1 Yi Mittels bedingter Erwartung erhält man C(t, S) = e −rτ = e−rτ +∞ X n=1 +∞ X E Q [H(Seµ̃τ +σW̃τ + e−λτ n=1 mit τ := T − t. Unter Q gilt P Nτ i=1 Yi | Nτ = n]Q(Nτ = n) Pn (λτ )n Q E [H(Seµ̃τ +σW̃τ + i=1 Yi ] n! n X Yi ∼ N (nm, nδ 2 ) i=1 und deshalb kann man die Summe σ W̃τ + σ W̃τ + n X Pn Yi i=1 Yi folgendermaßen darstellen V erteilung = σn W̃τ + nm, i=1 wobei σn definiert mit σn2 := σ 2 + µ̃τ + σ W̃τ + n X i=1 nδ 2 τ . Aus der Form von µ̃ folgt 1 2 1 Yi = (r − σ 2 )τ − λ(em+ 2 δ − 1)τ + σn W̃τ + nm 2 1 2 1 1 = (r − σn2 )τ + σn W̃τ + τ (σn2 − σ 2 ) + nm − λτ (em+ 2 δ − 1) 2 2 = nm + 1 2 nδ 2 1 − λτ (em+ 2 δ − 1) + (r − σn2 )τ + σn W̃τ , 2 2 und anschließend C(t, S) = e−rτ +∞ X e−λτ m+ 1 δ 2 nδ 2 1 2 (λτ )n Q E [H(Senm+ 2 −λτ (e 2 −1)+(r− 2 σn )τ +σn W̃τ )] n! e−λτ 1 2 (λτ )n Q E [H(Sn e(r− 2 σn )τ +σn W̃τ )] n! n=1 =e −rτ +∞ X n=1 55 )]. m+ 1 δ 2 nδ 2 1 2 mit Sn := Senm+ 2 −λτ (e 2 −1) . Der Ausdruck E Q [H(Sn e(r− 2 σn )τ +σn W̃τ )] ist der BS-Preis von der Option H(ST ) mit dem Preis St = Sn und Volatilität σn . Schließlich erhalten wir C(S, t) = e −rτ +∞ X n=1 e−λτ (λτ )n BS C (τ, Sn , σn ). n! Die obige Reihe konvergiert schnell und lässt sich mit Hilfe der numerischen Methoden praktisch anwenden. Für eine Call oder Put-Option ist der Preis eine C 1,2 Funktion und deswegen kann man die Itô-Formel anwenden um die Absicherungsstrategie zu finden. Da der diskontierter Preis Ĉ(t, St ) = e−rt C(t, St ) ein lokales Martingal unter Q ist, es folgt aus der Itô-Fromel dass die Differenz Ĉ(T, ST ) − Ĉ(0, S0 ) folgende Darstellung besitzt Z Z TZ ∂ Ĉ [Ĉ(u, Su− +z)−Ĉ(u, Su− )]Ŝu− J˜S (dz, du). (u, Su− )Ŝu− σdW̃u + ∂S 0 R T Ĉ(T, ST )−Ĉ(0, S0 ) = 0 Die von Merton vorgeschlagene Absicherungsstrategie φ = (φ0 , φ1 ) wird definiert durch ∂C φ (t, St ) := (t, St− ), ∂S 1 0 1 Z φ (t, St ) = φ (t, St )St − t φ1 (s, Ss )dSs . 0 Die obige Strategie ist in der Tat keine Absicherungsstrategie, da das Portfolio V φ im Zeitpunkt T erfüllt Z T φ φ1 (u, Su− )dŜu Ĥ(ST ) − V̂T = Ĉ(T, ST ) − 0 Z T Z [C(u, Su− + z) − C(u, Su− ) − (1 + z) = 0 R ∂C (u, Su− )]Ŝu− J˜S (dz, du). ∂S Das kann man interpretieren, dass das von den Sprüngen erzogene Risiko nicht abgesichert wird. φ sichert nur das von der Brown’sche Bewegung erzogene Risiko ab. 5.2 Superhedgingstrategien Erinnern wir uns, dass auf einem vollständigen Markt existiert genau ein Martingalmaß Q und dann ist jede Option H erreichbar. Das bedeutet, dass es eine selbstfinanzierende Hedgingstrategie ϕ existiert, so dass bei Fälligkeit T gilt P (VTϕ = H) = 1, mit VTϕ = v0 + RT 0 ϕ(s)dSs . Ferner ist der Preis von H in t = 0 gleich p(H) = v0 = E Q [H]. Die Märkte mit Sprüngen sind leider im allgemeinen unvollständig und die obige Bewertungsmethode kann nicht angewendet werden. Stattdessen betrachtet man das Bewertungsproblem aus Sicht des Verkäufers und des Käufers. Das Ziel des Verkäufers ist eine solche Strategie zu bestimmen, dass sein Vermögen nicht negativ ist, d.h. P (VTϕ − H ≥ 0) = 1. 56 Jede solche Strategie heißt eine Superreplikationsstrategie. Die optimale Strategie minimiert die Anfangskosten, so der Preis des Verkäufers definiert man durch ps (H) := inf v0 : ∃ϕ P (VTϕ ≥ H) = 1 . Analog, das Vermögen des Käufers soll auch nichtnegativ sein, d.h. Z T P (−v0 + ϕ(s)dSs + H ≥ 0) = 1, 0 und deshalb wird sein Preis definiert als Z pb (H) = inf v0 : ∃ϕ P (−v0 + T ϕ(s)dSs + H ≥ 0) = 1 . 0 Es gilt T Z pb (H) = − sup −v0 : ∃ϕ P (−v0 + ϕ(s)dSs + H ≥ 0) = 1 0 T Z = − sup u0 : ∃ϕ P (u0 + ϕ(s)dSs ≥ −H) = 1 = −ps (−H). 0 Es folgt, dass es auf dem Markt zwei unterschiedliche Preise gibt pb (H) 6= ps (H). Tatsächlich kann man zeigen, dass jeder Preis p(H) welcher die Ungleichung erfüllt pb (H) ≤ p(H) ≤ ps (H) zulässig ist. Anstatt eines eindeutigen Preises haben wir also ein Preis-Intervall [pb (H), ps (H)]. Im Folgenden charakterisieren wir das Preis-Intervall in einem exponentiellen Lévymodell. Dazu brauchen wir ein allgemeines Resultat welches die duale Umschreibung der Preise liefert. Theorem 5.1 Sei Q = 6 ∅ die Menge aller Martingalmaße und H > 0 eine FT -messbare Zufallsvariable mit sup E Q [H] < +∞. Q∈Q Dann gilt ps (H) = sup E Q [H]. Q∈Q Aus dem Theorem folgt, dass der Preis des Käufers gleich pb (H) = −ps (−H) = − sup E Q [−H] = inf E Q [H], Q∈Q Q∈Q ist und deswegen hat das Preis-Intervall die Form [pb (H), ps (H)] = [ inf E Q [H], sup E Q [H]]. Q∈Q Q∈Q Man sieht auch, dass die auf der Superhedgingstrategien basierte Bewertungsmethode keine lineare Bewertungsregel liefert, d.h. die Operatoren H → inf E Q [H], H → sup E Q [H], Q∈Q Q∈Q 57 sind nicht linear. Um das duale Resultat anzuwenden müssen wir zunächst die äquivalente Martingalmaße charakterisieren. Erinnern wir uns an die Lévy-Itô-Zelegung von X: Z tZ Z tZ ˜ Xt = γt + σWt + y JX (dy, ds) + yJX (dy, ds), |y|≤1 0 0 |y|>1 und führen wir folgende Klassen der Prozesse ein T Z U: u2s ds < +∞, u − vorhersagbar, 0 Z Y: T Z Y ≥ 0, Y − vorhersagbar, 0 | Y (t, y) − 1 |2 ∧ | Y (t, y) − 1 | ν(dy)dt < +∞. R Folgendes Resultat ist eine Erweiterung des Satzes von Girsanov. Satz 5.2 (Girsanov) Sei Q ∼ P und dQ |F , t ∈ [0, T ] dP t der entsprechende Dichteprozess. Dann existieren u ∈ U, Y ∈ Y, so dass Z folgende Gleichung löst dZt = Zt− dMt , t ∈ [0, T ], RtR Rt mit Mt = σ 0 us dWs + 0 R (Y (s, y) − 1)J˜X (ds, dy). Ferner ist der Prozess Z t W̃t := Wt − us ds Zt = 0 ein Wienerprozess unter dem Maß Q , ν̃(dy, ds) := Y (s, y)ν(dy)ds ein Kompensator des Sprungmaßes JX und X hat folgende Darstellung Z tZ Z tZ Q ˜ yJX (dy, ds), Xt = bt + σ W̃t + y JX (dy, ds) + 0 mit bt := γt + σ Rt 0 us ds + RtR 0 |y|≤1 (Y |y|≤1 0 |y|>1 (s, y) − 1)y ν(dy)ds. Aus der Darstellung von X unter Q folgt, dass X nicht mehr ein Lévyprozess unter Q ist. Das gilt nur wenn bt eine deterministische lineare Funktion ist, also nur dann wenn u linear und deterministisch ist und Y deterministisch und unabhängig von t ist. Der Hauptsatz betrifft das exponentiellen Lévymodell St = eXt , t ∈ [0, T ], mit dem Lévyprozess welcher keine Brown’sche Bewegung besitzt, d.h. Z tZ Z tZ Xt = γt + y J˜X (dy, ds) + + yJX (dy, ds), 0 |y|≤1 0 t ∈ [0, T ]. |y|>1 Die Zinsrate ist fest und beträgt r > 0. Die Option die wir bewerten werden hat die Form H = g(ST ), wobei g folgende Bedingungen erfüllt 58 • g ist konvex, • limx→+∞ g(x) x = 1, • 0 ≤ g(x) < x, x > 0. Diese Voraussetzungen umfassen den wichtigsten Fall der Call-Option (ST − K)+ . In der Menge aller Martingalmaße Q trennen wir die Menge Q0 aller Maße unter denen X auch ein Lévyprozess ist, d.h. Q ∈ Q0 ⇐⇒ Q ∈ Q und X ist ein Lévyprozess unter Q. Schließlich betrachten wir die Preise von H unter einem festgestellten Maß Q ∈ Q: p(Q) := E Q [e−rT g(ST )], und führen wir zwei Preisbereiche ein I 0 := {p(Q) : Q ∈ Q0 }. I := {p(Q) : Q ∈ Q}, Aus der Eigenschaften von g folgt sofort Satz 5.3 Es gilt I 0 ⊂ I ⊂ [e−rT g(erT S0 ), S0 ). Beweis: Sei Q ∈ Q. Dann ist e−rt St sowie er(T −t) St ein Q-Martingal. Da g konvex ist, ist Mt := g(er(T −t) St ) ein Q-Submartingal und daraus folgt p(Q) = E Q [e−rT g(ST )] = e−rT E Q [MT ] ≥ e−rT M0 = e−rT g(erT S0 ). Aus der Bedienung g(x) < x folgt p(Q) = E Q [e−rT g(ST )] < E Q [e−rT ST ] = S0 . Das impliziert die Ungleichung e−rT g(erT S0 ) ≤ p(Q) < S0 Hauptsatz 5.4 [Eberlein, Jacod] Sei ν das Lévymaß mit folgenden Eigenschaften a) ν((−∞, a]) > 0 für jedes a ∈ R, b) ν ist atomlos und Z 0 Z | y | ν(dy) = −1 1 yν(dy) = +∞. 0 Dann gilt Q 6= ∅, I = (e−rT g(erT S0 ), S0 ) und I 0 ist dicht in dem Intervall (e−rT g(erT S0 ), S0 ). 59 Die obigen Voraussetzungen besagen, dass der Lévyprozess positive und negative Sprünge hat. Genauer, sind die negativen Sprünge unbeschränkt. Außerdem haben die positiven sowie negativen Sprünge von X eine unendliche Aktivität und sogar eine unendliche Variation. Eine überraschende Eigenschaft des Modells ist, dass jeder Preis aus dem Preis-Intervall lässt sich mittels des Maßes aus der Menge Q0 approximieren, d.h. ∀ε > 0, ∀Q ∈ Q ∃Q0 ∈ Q0 , so dass | p(Q) − p(Q0 ) |< ε. Die zweite Folgerung betrifft direkt die Suprhedgingmethode. Folgerung 5.5 Seien alle Voraussetzungen des Satzes 5.7 erfüllt. Dann ist die Superhedgingstrategie trivial, d.h. der Verkäufer • verkauft die Option zum Preis S0 und kauft die Aktie, • auf dem Intervall (0, T ) halt diese Aktie im Portfolio, • Portfolioswert in t = T beträgt ST , also die Option ist abgesichert, da ST ≥ g(ST ) gilt. Für den Beweis des Satzes 5.7 braucht man ein Hilfsresultat. Führen wir die Klasse Ŷ der deterministischen Funktionen Y : R → R+ ein die die Bedingungen erfüllen R +∞ p a) −∞ ( Y (y) − 1)2 ν(dy) < +∞, R b) |y|>1 (ey − 1)Y (y)ν(dy) < +∞, c) γ − r + R +∞ −∞ ((ey − 1)Y (y) − 1{|y|≤1} (y))ν(dy) = 0. Die obige Funktion Y ∈ Ŷ entspricht dem Martingalmaß unter welchem X ein Lévyprozess ist. Streng genommen ist der entsprechende Dichteprozess durch den Satz von Girsanov gegeben. Satz 5.6 Falls Ŷ = ∅ gilt dann Q = Q0 = ∅. Anderenfalls sind die beiden Mengen Q, Q0 nicht leer. Für jedes Y ∈ Ŷ existiert ein Martingalmaß Q ∈ Q0 unter welchem X ein Lévyprozess mit dem kanonischen Tripel Z 1 γ̃ := γ + (Y (y) − 1)yν(dy), −1 Z ν̃(A) := Y (y)ν(dy), A ist. Der obige Satz besagt, dass die Arbitragefreiheit unseres Modells äquivalent zur Bedingung Ŷ 6= ∅ ist. Aus (c) folgt, dass Y ∈ Ŷ löst die Gleichung Z 1 γ−r− Z +∞ yν(dy) = −1 (1 − ey )Y (y)ν(dy). −∞ Im Allgemeinen hat die obige Gleichung unendlich viele Lösungen Y und deshalb ist das Modell fast immer unvollständig. 60 Beweis von Satz 5.6: Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass r = 0 gilt. Sei Q ∈ Q mit dem entsprechenden Prozess Y ∈ Y. Wir werden zeigen, dass Y 0 ∈ Ŷ tatsächlich existiert. Da Q äquivalent zu P ist, es folgt aus dem Satz von Girsanov, dass ν̃(dy, ds) = Y (s, y)ν(dy)ds ein Q-Kompensator des Sprungmaßes JX (ds, dy) ist. Unter Q hat X also die folgende Darstellung Z tZ Z tZ yJX (dy, ds) y J˜X (dy, ds) + Xt = γt + |y|≤1 0 Z tZ = γt + |y|≤1 0 Z tZ = bt + |y|≤1 0 |y|>1 0 Q y J˜X (dy, ds) + Q (dy, ds) + y J˜X mit Z tZ Z tZ y(Y − 1)ν(dy)ds + |y|≤1 0 yJX (dy, ds) 0 |y|>1 Z tZ yJX (dy, ds), |y|>1 0 Z tZ y(Y − 1)ν(dy)ds. bt := γt + 0 |y|≤1 Wir wissen, dass unter Q der Preisprozess S ein lokales Martingal ist. Das liefert weitere Bedingungen für den Prozess Y . Aus der Itô-Formel folgt Z tZ Z t Z tZ Q Xs− Xs− ˜Q Xt (dy, ds) eXs− yJX e dbs + e y JX (dy, ds) + St = e = 1 + 0 Z tZ 0 |y|>1 eXs− (ey − 1 − y)JX (dy, ds) + 0 |y|≤1 0 R Z =1+ t e Xs− Z tZ dbs + 0 e 0 Xs− |y|≤1 Z tZ Q (dy, ds) + y J˜X 0 eXs− (ey − 1 − y1|y|≤1 )JX (dy, ds), R und ferner, dass der Prozess Z t Z tZ Xs− e dbs + eXs− (ey − 1 − y1|y|≤1 )JX (dy, ds) 0 0 R ein Q-lokales Martingal ist. Jetzt kompensieren wir das Integral. Es ist möglich wenn Z tZ (ey − 1)Y (s, y)ν(dy)ds < +∞ 0 R und dann gilt es Z tZ Z tZ Q Xs− y e (e − 1 − y1|y|≤1 )JX (dy, ds) = eXs− (ey − 1 − y1|y|≤1 )J˜X (dy, ds) 0 0 R R Z tZ + 0 eXs− (ey − 1 − y1|y|≤1 )Y ν(dy)ds. R Daraus folgt, dass S ein Q-lokales Martingal ist genau dann wenn der Prozess Z t Z tZ Zt := eXs− dbs + eXs− (ey − 1 − y1|y|≤1 )Y ν(dy)ds 0 0 R 61 (37) ein Q-lokales Martingal ist. Aber Z hat endliche Variation, so er ist ein stetiges Q-lokales Martingal genau dann wenn Z ≡ 0. Das führt zur Bedingung ! Z Z Z t eXs− 0 (ey − 1 − y1{|y|≤1} Y )ν(dy) ds = 0, y(Y − 1)ν(dy) + γ+ |y|≤1 R welche impliziert Z Z γ− yν(dy) + |y|≤1 (ey − 1)Y ν(dy) = 0. (38) R Jetzt für die festen ω und s definieren wir die Funktion Y 0 (y) := Y (ω, s, y). Aus (37) und (38) folgt, dass Y 0 liegt in Ŷ. Zweiter Teil der Behauptung folgt aus dem Satz von Girsanov. In dem obigen Modell hatte der Lévyprozess keine Brown’sche Bewegung. Es stellt sich die Frage ob die Darstellung des Preis-Intervalls im Satz (5.7) auch andere Modelle umfasst. Die positive Antwort liefert das Resultat von Bellamy und Jeanblanc. Satz 5.7 [Bellamy, Jeanblanc] Sei X ein Lévyprozess der Form Xt = γt + σWt + Zt , t ≥ 0, γ ∈ R, σ > 0, wobei Z ein zusammengesetzter Poissonprozess ist. Der Preis-Intervall für die Call-Option (ST − K)+ in dem Model mit dem Aktienkurs der Form dSt = St− dXt , t ≥ 0, ist gleich [C BS (0, S0 , T, K, σ), S0 ], wobei C BS für den Black-Scholes-Preis steht. Die obige Resultate zeigen, dass die Superhedgingstrategien in exponentiellen Lévymodellen trivial sind. Demzufolge ist die entsprechende Bewertungsmethode aus mathematischer Sicht nicht interessant. Es ist klar, dass in der Superhedgingmethode spielen die ökonomischen Präferenzen des Investors keine Rolle, d.h. bei der Superhedgingstrategie ist die Option immer völlig abgesichert egal welche Aversion gegen das Risiko der Investor hat. Im Folgenden betrachten wir alternative Bewertungsmethoden welche die Risiko-Aversion berücksichtigen. 5.3 Nutzenmaximierung In diesem Abschnitt wird die auf der Nutzenmaximierung basierte Bewertungsmethode dargestellt. Erinnern wir uns an die allgemeine Voraussetzungen. Der Investor besitzt eine Nutzenfunktion U : R −→ R welche folgende Bedingungen erfüllt • U ist monoton steigend, • U ist konkav. 62 Wichtige Beispiele der Nutzenfunktionen sind: U (x) = ln(αx), α > 0 und exponentielle Funktion U (x) = 1 − e−αx , α > 0. Sei H die Option welche wir bewerten werden und x das Anfangsvermögen des Investors. Das Kapital c(x, H) ist äquivalent zu H falls U (x + c(x, H)) = E[U (x + H)], gilt. Man interpretiert die obige Gleichheit, dass dem Investor egal ist ob er in der Zukunft die Option H bekommt oder den deterministischen Betrag c(x, H) im Zeitpunkt 0. Daraus folgt c(x, H) = U −1 (E[U (x + H)]) − x und es ist klar, dass im Allgemeinen c(x, H) nicht linear in H ist, d.h. c(x, λH) 6= λc(x, H). Sei Z t ϕ(s)dS(s), t ∈ [0, T ], Vt = x + 0 der Portfolioswert des Investors. Der entsprechende Nutzen im Zeitpunkt T definiert man durch Z sup E[U (x + ϕ T ϕs dSs )]. 0 Nun nehmen wir an, dass der Investor die Option H zum Preis p kauft. Dann ist sein Ziel den Nutzen zu maximieren: Z T u(x, p, H) := sup E[U (x − p + H + ϕt dSt )], ϕ 0 also soll der Preis p = p(x, H) so bestimmt werden dass die Gleichheit u(x, 0, 0) = u(x, p, H), gilt. Das bedeutet, dass dem Investor egal ist ob er die Option zum Preis p kauft oder auf den Kauf der Option überhaupt verzichtet. Obwohl die obige Bewertungsmethode eine gute ökonomische Begründung hat führt sie zu den zwei seltsamen Folgerungen. 1. Man kann zeigen, dass der Preis p(x, H) nicht linear ist, d.h. p(x, λH) 6= λp(x, H) und deswegen kann man nicht die Bewertungsprozedur mit einem Martingalmaß identifizieren. Es gibt kein Q ∈ Q, so dass p(x, H) = E Q [e−rT H], gilt. 2. Der Preis hängt von dem Anfangsvermögen des Investors ab! Zwei Investoren mit unterschiedlichen Anfangsvermögen haben zwei unterschiedliche Preise. Diese Abhängigkeit verschwindet jedoch im Falle der exponentiellen Nutzenfunktion U (x) = 1 − e−αx d.h. p(x, H) ist unabhängig von x. Die Beziehungen zwischen der obigen Bewertungsmethode der Superhedgingstrategien und der linearen Bewertungsregel liefert das folgende Resultat. 63 Satz 5.8 Sei U (x) = 1 − e−αx die Nutzenfunktion des Investors und pα (H) der entsprechende Preis von H. a) Der Preis pα (H) konvergiert gegen den Superhedgingpreis von H falls die Risiko-Aversion des Investors steigt, d.h. lim pα (H) = sup E Q [e−rT H]. α→+∞ Q∈Q b) Der Preis pα (H) konvergiert gegen den linearen Preis falls die Risiko-Aversion des Investors sinkt, d.h. ∗ lim pα (H) = E Q [e−rT H], α→0 Q∗ wobei ∈ Q ein besonderes Martingalmaß welches die sogenannte Entropie bezüglich des Originalmaßes P minimiert. Entropie Sei Q die Familie aller Martingalmaße und P das Originalmaß. Aus Q möchten wir ein solches Maß auswählen, so dass der Abstand bezüglich P minimal ist. Der Abstand wird folgendermaßen gemessen dQ E P [f ( )], dP wobei f : R+ −→ R eine strikt konvexe Funktion ist. Meistens betrachtet man die Funktionen f (x) = x2 und f (x) = x ln x. Im letzten Fall nennt man den Abstand eine Entropie von Q bezüglich P : dQ dQ dQ E(Q, P ) := E Q [ln ] = EP [ ln ]. dP dP dP Es gilt E(Q, P ) ≥ 0, E(P, P ) = 0. Das entropieminimierendes Martingalmaß existiert nicht immer. In exponentiellen Lévymodellen existiert es jedoch tatsächlich und man kann es explizit bestimmen. Satz 5.9 Sei St = ert+Xt ein Aktienkurs, wobei X ein Lévyprozess mit dem kanonischen Tripel (γ, σ 2 , ν) ist und entweder σ 2 6= 0 oder ν 6= 0 gilt. Nehmen wir an, existiert eine Konstante β ∈ R die die beiden Bedingungen erfüllt Z x ex eβ(e −1) ν(dx) < +∞, (39) {x>1} γ+ 1 + β σ2 + 2 Z x −1) (ex − 1)eβ(e Z − x ν(dx) + |x|≤1 (ex − 1)eβ(e x −1) ν(dx) = r. (40) |x|>1 1. Dann existiert das Martingalmaß Q∗ welches die Entropie bezüglich P minimiert und der entsprechende Dichteprozess ist gleich Zt = dQ∗ |Ft = eβYt −bt , dP 64 mit Z β x (1 + β)σ 2 + βγ + (eβ(e −1) − 1 − βx1|x|≤1 )ν(dx) 2 R Z tZ Z tZ x ˜ (ex − 1)JX (dx, ds) (e − 1)JX (dx, ds) + Yt := αt + σWt + b := 0 1 α := γ + σ 2 + 2 Z |x|≤1 0 |x|>1 (ex − 1 − x)ν(dx). |x|≤1 2. Unter dem Maß Q∗ ist X ein Lévyprozess mit dem kanonischen Tripel Z x x(eβ(e −1) − 1)ν(dx), γ̃ := γ + βσ 2 + |x|≤1 σ̃ 2 = σ 2 , ν̃(dx) := eβ(e x −1) ν(dx). Betrachten wir nun zwei numerische Beispiele aus [6]. Beispiel 5.10 Betrachten wir ein exponentielles Lévymodell der Form St = S0 eγt+σWt +aNt , wobei N ein Standardpoissonprozess mit Intensität λ = 1 ist und γ = 0, 1, σ = 0, 3, a = −0, 1. Dann hat (40) eine numerische Lösung β ' −1, 5. Unter dem entropieminimierenden Maß Q∗ hat das Modell die gleiche Form St = S0 eγ̃t+σW̃t +aÑt , wobei Ñ ein Standardpoissonprozess unter Q∗ mit Intensität λ̃ := eβ(e a −1) ' 1, 15. ist. Beispiel 5.11 (Das Merton-Modell) Betrachten wir das Merton-Modell St = S0 eγt+σWt + PNt i=1 Yi , mit γ = 0, 1, σ = 0, 3 Intensität des Poissonprozess λ = 1 und der Verteilung von Yi ∼ N (−0, 1; (0, 1)2 ). Dann hat (40) hat eine numerische Lösung β ' −2, 73. Unter dem entropieminimierenden Maß Q∗ hat das Modell die Form St = S0 eγ̃t+σW̃t + PÑt i=1 Ỹi , und der Lévyprozess hat das Lévymaß der Form 2 ν̃(dx) = √ (x+0,1) 1 − e 2·(0,1)2 2π0, 1 65 −2,73(ex −1) dx. 5.4 Quadratic Hedging In diesem Abschnitt wird eine alternative Bewertungsmethode präsentiert. Sie basiert auf den Handelstrategien welche die mittlere quadratische Risiko minimieren. Zunächst betrachten wir ein allgemeines Marktmodell mit einem Aktienkurs St , t ≥ 0. Zur Vereinfachung nehmen wir an dass die Zinsrate gleich Null ist. Der Portfoliowert eines Investors mit dem Anfangskapital v und Handlestrategie ϕ ist gleich Z Vtϕ = v + t ϕs dSs , t ∈ [0, T ]. 0 Das quadratische Risiko der Strategie bezüglich der Option H messt man durch r(v, ϕ) := E P [(VTϕ − H)2 ]. Der obigen Erwartungswert wurde unter dem Originalmaß definiert, aber man betrachtet auch alternative Ansätze wobei P gegen ein Martingalmaß Q umtauscht wird. Diesen alternativen Ansatz werden wir zunächst darstellen da er einfacher ist. Risikominimierung unter dem Martingalmaß Das Ziel ist es das Problem zu lösen Z T Q r(v) := min E [(v + ϕs dSs − H)2 ], ϕ (41) 0 mit Q ∈ Q. Weitere Voraussetzungen • H ist Q-quadratisch integrierbar, d.h. E Q [H] < +∞, • unter Q ist S ein quadratisch integrierbares Martingal, d.h. S ist ein Q-Martingal und E Q [St2 ] < +∞, t ≥ 0, ermöglichen das Problem mittels der Orthogonalprojektion zu lösen. Wir betrachten nur diese Strategien für welche ist das quadratische Risiko wohldefiniert also quadratisch integrierbare. Bezeichnen wir die Menge aller zulässiger Strategien mit A, d.h. h Z T 2 i ϕs dSs < +∞. ϕ ∈ A ⇐⇒ E Q 0 Führen wir auch die folgende Menge ein Z Mv := v + T ϕs dSs : ϕ ∈ A . 0 Diese interpretiert man als die alle möglichen Portfoliowerte im Zeitpunkt T . Unser Problem (41) lässt sich mit Hilfe des Hilbertsraum L2 (Q) = L2 (Ω, FT , Q) umformulieren. Erinnern wir und, dass in diesem Raum ist das Skalarprodukt durch hX, Y i := E Q [XY ] p gegeben. Demzufolge ist die Norm von X gleich k X k= E Q [X 2 ]. In diesem Ansatz hat unser Problem (41) die folgende Form k M − H k −→ min . M ∈Mv Das grundlegende Resultat lautet. 66 Satz 5.12 Mv ist eine abgeschlossene Teilmenge von L2 (Q). Demzufolge kann man unser Problem folgendermaßen interpretieren: Finde die Orthogonalprojektion von H auf die Menge M in dem Raum L2 (Q). Die Lösung liefert das folgende Theorem. Theorem 5.13 (Galtchouk-Kunita-Watanabe) Für jede Zufallsvariable H ∈ L2 (Q) gilt die Darstellung Z T H ϕH (42) H = E Q [H] + s dSs + NT , 0 wobei ϕH ein S-integrierbarer Prozess und NTH eine zu ME Q [H] orthogonale Zufallsvariable sind. Außerdem ist der Prozess NtH := E Q [NTH | Ft ], t ∈ [0, T ], ein Q-Martingal, so dass NtH · Mt , M ∈ M0 auch ein Q-Martingal ist. Das Theorem besagt, dass der Ausdruck Z Q T ϕH s dSs E [H] + 0 eine Orthogonalprojektion von H auf ME Q [H] ist. Aus Sicht der Finanzmathematik bedeutet, für das Anfagskapital v = E Q [H] die optimale Strategie ist gleich ϕH und das quadratische Risiko ist gleich Z T 2 Q H 2 ϕH s dSs − H) ] = E [(NT ) ]. E Q [(v + 0 Falls das Anfangskapital beliebig ist, d.h. v > 0 dann folgt von der Gleichung Z T Z T Z T Q 2 Q Q H 2 E [(v + ϕs dSs − H) ] = E [(v + ϕs dSs − E [H] − ϕH s dSs − NT ) ] 0 0 0 Z Q 2 Q = (v − E [H]) + E [( T 2 Q H 2 (ϕs − ϕH s )dSs ) ] + E [(NT ) ] 0 dass das quadratische Risiko minimal für die Strategie ϕ = ϕH ist. Es ist dann gleich r(v) = (v − E Q [H])2 + E Q [(NTH )2 ]. Also in diesem Fall ist ϕH auch optimal. Das Problem ist wie man die optimale Strategie im konkreten Modell explizit bestimmen kann. Wir betrachten exponentielle Lévymodelle mit St = eXt , t ≥ 0, wobei X ein Lévyprozess unter Q ist. Da wir annehmen, dass S ein quadratisch integrierbares QMartingal ist, es gilt E Q [St2 ] = E Q [e2Xt ] < +∞. Wie wir bereits wissen ist die letzte Bedingung äquivalent zu Z e2x ν(dx) < +∞. |x|>1 Dann lässt sich X folgendermaßen darstellen Z tZ Q xJ˜X (dx, ds). Xt = σ W̃t + 0 67 R Satz 5.14 Sei S ein Aktienkurs mit der Dynamik der Form dSt = St− dZt , t ≥ 0, wobei Z ein Q-Lévyprozess mit der Darstellung Z tZ xJ˜ZQ (dx, ds), Zt = σ W̃t + 0 σ > 0. R Für die Option H = H(ST ) mit H : R+ → R, so dass ∃K > 0, | H(x) − H(y) |≤ K | x − y | gilt hat die quadratische Risiko minimierende Strategie die Form ϕt = ϕ(t, St ) mit R 1 σ 2 ∂C ∂S (t, S) + S R [C(t,RS(1 + y)) − C(t, S)]yν(dy) ϕ(t, S) = . σ 2 + R y 2 ν(dy) Dabei ist C(t, S) der Preis von H unter Q, d.h. C(t, S) = E Q [H(ST ) | St = S]. Beweis: Da die optimale Strategie unabhängig von dem Anfangskapital ist, wir betrachten den Fall v = 0, E Q [H(ST )] = 0. Dann erfüllt der Portfoliowert die Gleichung T Z VT = Z T ϕs dSs = 0 T Z ϕs Ss− dZs = 0 T Z Z ϕs Ss σdW̃s + 0 0 ϕs Ss− y J˜ZQ (dy, ds). R Man kann beweisen, dass die Bedingung σ > 0 impliziert, dass die Funktion C(t, S) in C 1,2 liegt. Demzufolge kann man die Itô-Formel anwenden. Es gilt Z t Z t Z 1 t 2 C(t, St ) = Ct (u, Su )du + CS (u, Su− )dSs + CSS (u, Su )σ 2 Su− du 2 0 0 0 X + C(s, Ss ) − C(s, Ss− ) − CS (s, Ss− )4Ss ) , s∈[0,t] und ferner t Z C(t, St ) = Z Ct (u, Su )du + 0 Z t Z tZ CS (u, Su− )σSu− dW̃u + 0 0 CS (u, Su− )ySu− J˜ZQ (dz, du) R t 1 2 CSS (u, Su )σ 2 Su− du 2 0 Z tZ + C(u, Su− + Su− y) − C(u, Su− ) − CS (u, Su− )ySu− ) J˜ZQ (dy, du). + 0 R Da C(t, St ) ein Q-Martingal ist, es gilt schließlich Z t Z tZ C(t, St ) = CS (u, Su− )σSu− dW̃u + C(u, Su− (1 + y)) − C(u, Su− ) J˜ZQ (dy, du). 0 0 R 68 Nun kann man den Hedgingfehler bestimmen Z T VT − C(T, ST ) = σSu [ϕu − CS (u, Su )]dW̃u 0 T Z Z + 0 [ϕu Su− y − (C(u, Su− (1 + y) − C(u, Su− ))]J˜ZQ (dy, du) R und Erwartungswert seines Quadrats i hZ T Q 2 Q σ 2 Su2 [ϕu − CS (u, Su )]2 du E [(VT − C(T, ST )) ] = E 0 Q +E hZ T 0 Z i [ϕu Su− y − (C(u, Su− (1 + y) − C(u, Su− ))]2 νZ (dy)du. R Jetzt minimieren wir den letzten Ausdruck nach ϕ. Er ist eine quadratische Funktion von ϕ, so die Optimalitätsbedingung ist Z 2 2 Su− y[ϕu Su− y − (C(u, Su− (1 + y) − C(u, Su− ))]νZ (dy) = 0. σ Su [ϕu − CS (u, Su )] + R Daraus folgt ϕu = σ 2 ∂C ∂S (u, Su− ) + 1 Su− R R [C(u, Su− (1 + z)) R σ 2 + R y 2 ν(dy) − C(u, Su− )]yν(dy) . Aus dem Beweis folgt, dass das Risiko der Strategie ϕ gleich hZ T i Q R(ϕ) = E σ 2 Su2 [ϕu − CS (u, Su )]2 du 0 +E Q T hZ 0 Z i [ϕu Su− y − (C(u, Su− (1 + y)) − C(u, Su− ))]2 νZ (dy)du. R Es stellt sich die Frage ob es möglich ist R(ϕ) zu Null reduzieren. Es stellt sich heraus, es ist möglich nur in zwei Fällen. Zunächst betrachten wir den Fall wann Z keine Sprünge hat, d.h. νZ = 0. Dann ist dar Risiko gleich hZ T i Q R(ϕ) = E σ 2 Su2 [ϕu − CS (u, Su )]2 du 0 und für ϕ̃t = ∂C ∂S (t, St ) gilt R(ϕ̃) = 0. Das ist genau die Replikationsstrategie im Black-ScholesModell. Anschließend behandeln wir den Fall Zt = aNt wobei N ein Poissonprozess mit Intensität λ > 0 ist und a ∈ R. Das bedeutet, dass Z ein Sprungprozess ist und jeder sein Sprung gleich a ist. Das Lévymaß hat die Form νZ (dy) = λ1a (dy). Das Risiko von ϕ ist gleich R(ϕ) = E Q hZ T 0 = EQ hZ Z i [ϕu Su− y − (C(u, Su− (1 + y)) − C(u, Su− ))]2 νZ (dy)du R T i λ[ϕu Su− a − (C(u, Su− (1 + a)) − C(u, Su− ))]2 du 0 69 und für ϕ̃t = C(t, St− (1 + a)) − C(t, St− ) aSt− verschwindet, d.h. R(ϕ̃) = 0. Die obige Fälle sind die einzige in welchen man das Risiko zu Null reduzieren kann. Betrachten wir beispielsweise den Lévyprozess mit zwei möglichen Sprüngen a1 und a2 und ohne Brown’sche Bewegung. Das Risiko von ϕ hat die Form R(ϕ) = E Q T hZ λ[ϕu Su− a1 − (C(u, Su− (1 + a1 )) − C(u, Su− ))]2 0 i + λ[ϕu Su− a2 − (C(u, Su− (1 + a2 )) − C(u, Su− ))]2 du , und ist gleich Null falls folgende Bedingung gilt ϕt = C(t, St− (1 + a1 )) − C(t, St− ) C(t, St− (1 + a2 )) − C(t, St− ) = . a1 St− a2 St− Die letzte Gleichheit ist jedoch im Allgemeinen unerfüllbar. Analysieren wir noch den Fall wann die Sprünge beliebig klein sind. Der gleiche Argument zeigt, dass risikolose Strategie erfüllt ϕt = C(t, St− (1 + a)) − C(t, St− ) aSt− für jeden Sprung a. Da die linke Seite gegen ϕt = ∂C ∂S (t, St− ) mit a ↓ 0 konvergiert, es gilt ∂C (t, St− ). ∂S Aber die Bedingung C(t, St− (1 + a)) − C(t, St− ) ∂C (t, St− ) = aSt− ∂S ist auch unerfüllbar falls C eine konvexe oder konkave Funktion von S ist. Für die Call- oder Put-Option kann das Risiko nicht zu Null minimierend werden. Folgerung 5.15 Das exponentielle Lévymodell ist vollständig falls νZ = 0 oder σ = 0 und ν(dy) = δa (dy). Im Beweis des Satzes 5.14 wird der Aktienkurs mittels der Gleichung dSt = St− dZt , t ≥ 0, (43) definiert. Es stellt sich die Frage welche Beziehung zwischen dem exponentiellen Lévymodell St = eXt (44) und (43)steht. Die Lösung von (43) ist stochastisches Exponential von Z und hat demzufolge die Form Y σ2 St = E(Z) = eZt − 2 t (1 + 4Zs )e−4Zs . s∈[0,t] Also Z 6= X. 70 Satz 5.16 a) Sei X ein Lévyprozess mit dem kanonischem Tripel (γX , σx X2, νX ) und St := eXt . Dann existiert ein Lévyprozess Z, so dass St = E(Zt ) gilt und er hat die Form Zt = Xt + 2 t X σX {1 + 4Xs − e4Xs }. + 2 s∈[0,t] Das kanonische Tripel von Z ist Z 2 σX γZ = γX + + {(ex − 1)1{|ex −1|≤1} − x1{|x|≤1} }νX (dx) 2 R 2 2 σZ = σX Z νZ (A) = (ex − 1)νX (dx). A b) Sei Z ein Lévyprozess mit dem kanonischen Tripel (γZ , σZ2 , νZ ) und St := E(Zt ). Falls S > 0 gilt dann existiert ein Lévyprozess X, so dass St = eXt und X hat die Form Xt = ln St = Zt − X σZ2 t+ {ln(1 + 4Zs ) − 4Zs }. 2 s∈[0,t] Das kanonische Tripel von X ist Z σZ2 + {ln(1 + x)1{|ln(1+x)|≤1} − x1|x|≤1 }νZ (dx) γX = γZ − 2 R 2 σX = σZ2 Z νX (A) = (ln x + 1)νZ (dx). A Risikominimierung unter dem Originalmaß Jetzt betrachten wir das Risikominimierungsproblem unter dem Originalmaß P , d.h. E P [(v + Z T ϕs dSs − H)2 ] −→ min . ϕ 0 Der Prozess S ist ein Semimartingale und die Handelstrategien müssen quadratisch integrierbare Handelsgewinne liefern, also Z t ϕs dSs )2 ] < +∞, E[( 0 muss gelten. In diesem Fall ist der Preisprozess S kein P -Martingal und deswegen ist die Galtchouk-Kunita-Watanbe-Zerlegung nicht mehr nutzbar. Die Analysis des Problems ist viel komplizierter und liefert generell keine explizite Lösung des Problems wie im vorherigen Fall. Wir beginnen die Präsentation mit einer Definition. Bezeichnen wir Mv die Menge von ZufallsRt variablen der Form v + 0 ϕs dSs . Definition 5.17 Ein M0 -Martingalmaß Q ist ein Maß auf (Ω, F) welches folgende Bedingungen erfüllt • Q(Ω) = 1, 71 • Q P und dQ dP ∈ L2 (P ), • E Q [m] = E[ dQ dP m] = 0 for all m ∈ M0 . Im Allgemeinen muss das M0 -Martinglamaß nicht positive Werte annehmen. Bezeichnen wir die Menge aller M0 -Martinglamaße mit Q̃. Das Maß aus Q̃ heißt Varianz-optimal falls es den Ausdruck r dQ dQ kL2 = 1 + V ar[ ], k dP dP minimiert. Definition 5.18 Die Menge M0 lässt keinen approximierten Gewinn in L2 (P ) zu falls die deterministische Auszahlung H = 1 außerhalb von M̄0 liegt, d.h. 1 ∈ / M̄0 . Die Menge M̄0 enthält alle Auszahlungen die sich mit dem Anfangskapital 0 approximieren lassen. Die Definition besagt, dass die Konstante 1 nicht approximiert aus 0 werden kann. Diese Bedingung entspricht der Arbitragefreiheit des Marktes. Satz 5.19 a) M0 lässt keinen approximierten Gewinn zu ⇐⇒ Q̃ = 6 ∅. b) Falls M0 keinen approximierten Gewinn zulässt dann gilt M̄ = R + M̄0 . c) Falls M0 keinen approximierten Gewinn zulässt dann existiert ein Varianz-optimales Maß Q̃ ∈ Q̃. Es ist eindeutig und erfüllt die Bedingung dQ̃ ∈ M̄. dP Partielle Lösung des Problems liefert das folgende Resultat. Satz 5.20 Nehmen wir an, dass M0 keinen approximierten Gewinn zulässt und dass das optimale Paar (ṽ, ϕ̃) für die Option H existiert. Dann gilt ṽ = E Q̃ [H], wobei Q̃ ∈ Q̃ ein Varianz-optimales Maß ist. Beweis: Da das Paar (ṽ, ϕ̃) optimal ist, ist der Term T Z ṽ + ϕ̃s dSs 0 eine Orthogonalprojektion von H auf die Menge M̄ = R + M̄0 . Das bedeutet, dass die Differenz Z T H − ṽ − ϕ̃s dSs 0 senkrecht zu der Menge M̄⊥ (senkrechtes Komplement von M̄) steht. Erinnern wir uns, dass die Dichte des Varianz-optimalen Maßes Q̃ in M̄ liegt. Daraus folgt die Bedingung Z T h dQ̃ i = 0. E H − ṽ − ϕ̃s dSs dP 0 72 Sie impliziert T Z ṽ = E[(H − ϕ̃s dSs ) 0 dQ̃ ] = E Q̃ [H]. dP Die Schwäche des obigen Satzes ist die Voraussetzung, dass das optimales Paar existiert und dass er keine Darstellung der optimalen Strategie ϕ̃ liefert. Diese Probleme wurden völlig für den stetigen Fall gelöst. Führen wir noch eine Menge von Maßen ˜ Q ∈ Q̃ ⇐⇒ Q ∼ P, dQ ∈ L2 (P ). dP ˜ = Satz 5.21 Sei S ein Semimartingal mit stetigen Pfaden. Unter der Annahme Q̃ 6 ∅ ist das ˜ Varianz-optimales Maß Q̃ ein Element von Q̃. In diesem Fall ist also Q̃ ein Wahrscheinlichkeitsmaß, nicht nur ein Maß welches negative Werte annehmen kann. Mit Q̃ verbinden wir den Dichteprozess unter Q̃ Z̃t := E Q̃ [ dQ̃ | Ft ]. dP Im stetigen Fall beweist man, dass Z̃ folgende Integraldarstellung hat Z t ξ˜s dSs . Z̃t = Z̃0 + 0 ˜ = Theorem 5.22 Sei S ein stetiges Semimartingales und Q̃ 6 ∅. Für die Option H ∈ L2 (P ) betrachten wir die Galtchouk-Kunita-Watanabe-Zerlegung unter dem Varianz-optimalen Maß Q̃: Z T H H = E Q̃ [H] + ϕ̃H s dSs + L̃T . 0 Dann hat das optimale Paar (ṽ, ϕ̃) die Form ṽ = E Q̃ [H], ϕ̃t = ϕ̃H t Z t ξ˜t Q̃ − Ht− − E [H] − ϕ̃s dSs , Z̃t 0 mit Q̃ Q̃ Z Ht := E [H | Ft ] = E [H] + t H ϕ̃H s dSs + L̃t . 0 5.5 Kostenminimierung Im vorigen Kapitel wurde quadratic hedging betrachtet. Das Ziel war es das quadratische Risiko zu minimieren E P [(VTϕ − H)2 ] −→ min nach alle selbstfinanzierenden Handelstrategien. Falls der Markt unvollständig ist, ist es unmöglich eine Absicherungsstrategie finden mit VTϕ = H. 73 Das ist aber möglich wenn wir auf die selbstfinanzierende Bedingung verzichten. In der Kostenminimierung geht es darum eine solche Strategie zu bestimmen dass VTϕ = H gilt und die von ϕ erzeugenen Kosten zu minimieren. Kostenminimierung unter dem Martingalmaß In diesem Ansatz betrachten wir den Markt unter dem Martingalmaß Q, also S ist ein Q-lokales Martingal. Zu Beginn erweitern wir den Begriff der Handelsstrategie. Definition 5.23 Eine Handelsstrategie ist ein Paar ψ = (ϕ, η), so dass R • ϕs dSs ein Q-quadratisch integrierbares Martingal ist, • der entsprechende Portfoliowert Vtψ = ϕt St + ηt quadratisch Q-integrierbar ist. Definition 5.24 Sei ψ eine Handelsstrategie. Den von ψ erzeugten Kostenprozess definiert man durch Z t Ctψ := Vtψ − ϕs dSs . 0 Aus der Definition folgt, dass die Kosten im Zeitpunkt t = 0 sind gleich C0ψ = V0ψ = ϕ0 S0 + η0 . Diese kann man interpretieren als ein Anfangskapital welches der Investor braucht um H abzusichern. Der Punkt ist, dass weitere Kosten auf dem Intervall (0, T ] auftreten können. Im Zeitpunkt t ∈ (0, T ] sind die zusätzlichen Kosten gleich Ctψ − C0ψ . Rt Falls ψ eine selbstfinanzierende Strategie ist, d.h. η = 0 und ϕt St = 0 ϕs dSs , dann gilt Ctψ ≡ 0, t ∈ (0, T ]. Anderenfalls sind die Kosten ungleich Null und das Ziel ist sie zu minimieren, d.h. E Q [(CTψ − C0ψ )2 ] −→ min . ϕ Es stellt sich heraus, dass man ein besseres Kriterium formulieren kann. Man kann fordern die zukünftigen erwarteten Kosten zu jedem Zeitpunkt zu minimieren. Das Optimierungsproblem hat also die Form Rtψ := E Q [(CTψ − Ctψ )2 | Ft ] −→ min . Definition 5.25 Eine Strategie ψ̃ minimiert die Hedging-Kosten falls VTψ̃ = H und für jede Strategie ψ mit VTψ = H gilt Rtψ̃ ≤ Rtψ , P − f.s. ∀ t ∈ [0, T ]. Obwohl sind die betrachtete Strategien nicht selbstfinanzierend, es stellt sich heraus, dass die optimale Strategie in gewissem Sinn selbstfinanzierend ist. Definition 5.26 Eine Strategie ψ ist selbstfinanzierend im Mittel falls der entsprechende Kostenprozess ein Q-Martingal ist, d.h. E Q [Ctψ | Fs ] = Csψ , 74 0 ≤ s ≤ t ≤ T. Die Bedingung in der Definition bedeutet, dass die Strategie Mittel-selbstfinanzierend ist falls die erwarteten zukünftigen Kosten E Q [CTψ | Ft ] − Ctψ = 0, in jedem Zeitpunkt t gleich Null sind. Satz 5.27 Die optimale Strategie ψ ist selbstfinanzierend im Mittel. Beweis: Sei ψ = (ϕ, η) eine optimale Strategie. Für einen festen Zeitpunkt t0 ∈ [0, T ] definiere die Strategie ψ̂ = (ϕ̂, η̂), so dass ϕ̂ = ϕ und Z T i h ψ̂ ψ ψ Q ϕs dSs | Ft 1[t0 ,T ] (t). Vt = Vt 1[0,t0 ) (t) + E VT − t Es gilt VTψ̂ = VTψ , CTψ̂ = CTψ , Ctψ̂0 = E Q [CTψ̂ | Ft0 ]. Daraus folgt CTψ − Ctψ0 = CTψ̂ − Ctψ̂0 + E Q [CTψ̂ | Ft0 ] − Ctψ0 , und ferner 2 Rtψ0 = Rtψ̂0 + Ctψ0 − E Q [CTψ | Ft0 ] . Da ψ optimal ist, es folgt Ctψ0 = E Q [Ctψ0 | Ft0 ]. Schließlich ist C ψ ein Q-Martingal weil t0 beliebig war. Die Lösung des Problems basiert auf der Galtchouk-Kunita-Watanabe-Zerlegung Z T Q H H = E [H] + ϕH s dSs + NT . 0 Theorem 5.28 Sei H eine quadratisch integrierbare Option, d.h. E Q [H 2 ] < +∞. Es existiert eine Strategie ψ̃ mit VTψ̃ = H welche die Hedgig-Kosten minimiert und sie hat die Form ϕ̃t = ϕH t , Vtψ̃ = E Q [H | Ft ]. Der entsprechende Kostenprozess ist gleich E Q [H] + NtH . Beweis: Betrachten wir die Strategie ψ̃ aus der obigen Formulierung und eine beliebige Hedgingstrategie ψ. Wir werden zeigen Rtψ̃ ≤ Rtψ . Aus dem vorherigen Satz folgt, dass wir annehmen können, dass der Prozess C ψ ein Q-Martingal ist. Es gilt Z T Z T h i ψ ψ ψ ψ ψ ψ Q Q CT − Ct = CT − E [CT | Ft ] = VT − ϕs dSs − E VT − ϕs dSs | Ft 0 0 Z =H− T ϕs dSs − E Q [H | Ft ] + Z 0 ϕs dSs = H − 0 75 t Z t T ϕs dSs − E Q [H | Ft ]. Anschließend nutzen wir die GKW-Zerlegung. Z Z T ψ ψ H H Q ϕs dSs + NT − CT − Ct = E [H] + T Q Z ϕs dSs − E [H] − t 0 = NTH − NtH + Z t H ϕH s dSs − Nt 0 T (ϕH s − ϕs )dSs t Aus der Definition von ψ̃ folgt: Ctψ̃ = C0ψ̃ + NtH . Daraus folgt h Z T i 2 ψ ψ̃ Q Rt = Rt + E (ϕH − ϕ )dS | F ≥ Rtψ̃ s s t s t und die Bedingung, dass ψ optimal ist genau dann wenn ψ = ψ̃. Kostenminimierung unter dem Originalmaß Aus Sicht des Investors ist es besser das Kostenminimierungsproblem unter Maß P zu lösen, d.h. Rtψ := E P [(CTψ − Ctψ )2 | Ft ] −→ min (45) nach alle Strategien ψ mit VTψ = H. Satz 5.29 Sei S ein Semimartingale und kein P -lokales Martingal. Im Allgemeinen existiert keine optimale Strategie für das Problem (45). Das obige Resultat ist ein Grund für die Umformulierung des Problems. Im Folgenden werden wir die so genannte lokale Kosten minimieren. Die allgemeine Idee stellen wir zunächst in diskreter Zeit dar. Das Ziel ist es den Ausdruck ψ ψ E[(Ck+1 − Ckψ )2 | Fk ] = E[(4Ck+1 )2 | Fk ] zu jedem Zeitpunkt k = 0, 1, ... zu minimieren. Zu Beginn leiten wir eine alternative Formel für den Zuwachs des Kostenprozesses her. ψ Ck+1 − Ckψ = ϕk+1 Sk+1 + ηk+1 − k+1 X ϕi 4Si − ϕk Sk − ηk + i=0 k X ϕi 4Si i=0 = ϕk+1 Sk+1 − ϕk Sk − ϕk+1 4Sk+1 + ηk+1 − ηk = (ϕk+1 − ϕk )Sk + ηk+1 − ηk ψ = (Vk+1 − Vkψ ) − ϕk+1 (Sk+1 − Sk ) ψ = 4Vk+1 − ϕk+1 4Sk+1 . Erinnern wir uns, dass ϕ vorhersagbar und η adaptiert im Falle der diskreten Zeit sind . Daraus folgt, wir minimieren den Term ψ E[(4Vk+1 − ϕk+1 4Sk+1 )2 | Fk ] nach ϕk+1 und ηk . Aus der bekannten allgemeinen Formel V ar(X | F) = E(X 2 | F) − E 2 (X | F) 76 folgt ψ ψ E[(4Ck+1 )2 | Fk ] = E[(Vk+1 − Vkψ − ϕk+1 4Sk+1 )2 | Fk ] ψ ψ = E[(Vk+1 − ϕk+1 4Sk+1 )2 | Fk ] − 2Vkψ E[Vk+1 − ϕk+1 4Sk+1 | Fk ] + (Vkψ )2 ψ ψ = V ar[Vk+1 − ϕk+1 4Sk+1 | Fk ] + E 2 [Vk+1 − ϕk+1 4Sk+1 | Fk ] ψ − 2Vkψ E[Vk+1 − ϕk+1 4Sk+1 | Fk ] + (Vkψ )2 2 ψ ψ = V ar[Vk+1 − ϕk+1 4Sk+1 | Fk ] + E[Vk+1 − ϕk+1 4Sk+1 | Fk ] − Vkψ Der erste Term ist unabhängig von ηk , so muss man den zweiten nach ηk minimieren. Die Optimalitätsbedingung ist ψ Vkψ = E[Vk+1 − ϕk+1 4Sk+1 | Fk ], und sie ist äquivalent zur Bedingung ψ E[4Ck+1 | Fk ] = 0. Das bedeutet, dass die optimale Strategie selbstfinanzierend im Mittel sein muss. Jetzt minimieψ − ϕk+1 4Sk+1 | Fk ] nach ϕk+1 . Er ist minimal falls ren wir den Term V ar[Vk+1 ψ − ϕk+1 4Sk+1 , 4Sk+1 | Fk ) = 0, Cov(Vk+1 gilt. Nehmen wir nun an, dass S ein Semimartingal ist mit der Darstellung Sk = Mk + Ak , k = 0, 1, .... wobei M ein Martingal und A ein vorhersagbarer Prozess sind. Dann ist die letzte Bedingung äquivalent zu ψ ψ 4Mk+1 | Fk ]. , 4Mk+1 | Fk ) = E[4Ck+1 0 = Cov(4Ck+1 Da bedeutet, dass die Martingale C ψ und M orthogonal sind, d.h. Ckψ Mk ein Martingal ist. Für die Optimalität von ψ = (ϕ, η) haben wir also die folgenden Bedingungen erhalten • der Prozess C ψ ist ein Martingal, • C ψ ist orthogonal zu M , wobei Sk = Mk + Ak . Es stellt sich heraus, in stetiger Zeit ist die Situation ähnlich. Zur Vereinfachung verlassen wir in der folgenden Formulierungen einige technische Voraussetzungen. Satz 5.30 Sei H ∈ L2 (P ). Die Strategie ψ = (ϕ, η) mit VTψ = H minimiert die lokalen Kosten genau dann wenn ψ selbstfinanzierend im Mittel ist und der Prozess C ψ orthogonal zu M ist. Die optimale Strategie kann man mit Hilfe der Föllmer-Schweizer-Zerlegung umschreiben. Diese ist eine Erweiterung von der GKW-Zerlegung. 77 Theorem 5.31 Es existiert eine optimale Strategie ψ̃ = (ϕ̃, η̃) für H ∈ L2 (P ) genau dann wenn H die folgende Föllmer-Schweizer-Zerlegung hat Z T H H = H0 + ϕH s dSs + LT , 0 wobei LH quadratisch integrierbar und orthogonal zu M ist. Die optimale Strategie hat die Form ϕ̃t = ϕH t , t ∈ [0, T ], die entsprechenden Kosten sind gleich Ctψ̃ = H0 + LH t , t ∈ [0, T ], und der Portoliowert ist gleich Vtψ̃ = Ctψ̃ + Z t Z ϕ̃s dSs = H0 + 0 T H ϕH s dSs + LT . 0 Aus dem Theorem folgt, dass das Problem gelöst wird falls wir die FS-Zerlegung finden können. Wir gehen nicht in die Einzelheiten ein wie man diese Zerlegung bekommen kann. 5.6 Partielle Differentialgleichungen Betrachten wir eine Europäische Option der Form H = H(ST ), wobei S ein Semimartingal ist. Falls Q ein Martinglamaß ist dann bezeichnet die Formel E Q [e−r(T −t) H(ST ) | Ft ] den Preis von H unter Q zum Zeitpunkt t ∈ [0, T ]. Die im Folgenden betrachtete Methode ermöglicht die Funktion C(t, S) := E Q [e−r(T −t) H(ST ) | ST = S], zu bestimmen. Dann ist der Ausdruck C(t, St ) der Preis von H. Die Funktion C werden wir mit Hilfe der partiellen Differentialgleichungen bestimmen. Zu Beginn erinnern wir, dass das Black-Scholes-Modell dSt = St (αdt + σdWt ), α ∈ R, σ > 0, unter dem Martingalmaß folgende Dynamik hat dSt = St (rdt + σdWt ), wobei r für die feste Zinsrate steht. Wir wissen bereits, dass in diesem Fall ist C eine Lösung der partiellen Differentialgleichung σ2S 2 CSS (t, S) − rC(t, S) = 0 2 C(T, S) = H(S). Ct (t, S) + rSCS (t, S) + Wir betrachten ein exponentielles Lévymodell welches unter dem Martingalmaß folgende Darstellung hat St = ert+Xt , t ∈ [0, T ]. 78 Dabei ist X ein Lévyprozess mit dem kanonischem Tripel (γ, σ 2 , ν). Das Lévymaß erfüllt die Bedingung Z e2|y| ν(dy) < +∞. |y|≥1 Das bedeutet, dass S quadratisch integrierbar ist. Da der diskontierte Preisprozess Ŝt = eXt ein Q-lokales Martingal ist, hat es die Darstellung Z tZ Z t Z t Q Ss− (ex − 1)J˜X (dx, ds). σSs− dW̃s + rSs ds + St = S0 + 0 0 0 R Die äquivalente Form der obigen Gleichung ist Z Q dŜt = Ŝt− σdW̃t + (ex − 1)J˜X (dx, ds) R Es stellt sich heraus, dass für die Modelle mit Sprüngen löst die Funktion C folgende Gleichung Ct (t, S) + rSCS (t, S) + σ2S 2 CSS (t, S) − rC(t, S) Z2 [C(t, Sey ) − C(t, S) − CS (t, S)S(ey − 1)]ν(dy) = 0 + R C(T, S) = H(S). Im Folgenden brauchen wir das Hilfsresultat welches die Funktion u(x, t) := E Q [h(x + Xt )], t ∈ [0, T ], betrifft. Die Funktion h ist vorgeben. Es gilt ut (0, x) = Lh(x), u(0, x) = h(x). Dabei definiert man den Operator L durch Z σ 2 hxx Lh = γhx + + h(x + y) − h(x) − hx (x)y1{|y|<1} ν(dy). 2 R L heißt ein infinitesimaler Generator von X. Europäische Optionen Wir betrachten eine allgemeine Europäische Option der Form H(ST ) mit der Funktion H, so dass | H(x) − H(y) |≤ K | x − y |, K > 0, gilt. Theorem 5.32 Unter der Annahme, dass entweder σ > 0 oder Z ε −β ∃β ∈ (0, 2), lim inf e | x |2 ν(dx) > 0, ε↓0 −ε ist die Funktion C(t, S) := E Q [H(ST ) | St = S] 79 stetig auf [0, T ] × [0, +∞), in der Klasse C 1,2 auf (0, T ) × (0, +∞) und löst die partielle Differentialgleichung σ2S 2 Ct (t, S) + rSCS (t, S) + CSS (t, S) − rC(t, S) 2 Z + [C(t, Sey ) − C(t, S) − CS (t, S)S(ey − 1)]ν(dy) = 0 auf [0, T ) × (0, +∞), R C(T, S) = H(S), S ∈ [0, +∞). Beweis (Skiezierrung): Unter Q ist der diskontierte Preis von H Ĉt := e−rt C(t, St ), t ∈ [0, T ], ein lokales Martingal. Aus den obigen Annahmen folgt, dass die Funktion C(·, ·) regelmäßig ist und deswegen kann man die Itô-Formel anwenden um die Dynamik von Ĉ zu bestimmen. Erinnern wir uns an die Form von S Z t Z tZ Z t Q (dx, ds). rSs ds + σSs− dW̃s + Ss− (ex − 1)J˜X St = S0 + 0 0 0 R Es gilt dĈt = e−rt dC(t, St ) − re−rt C(t, St )dt σ 2 St2 = e−rt Ct (t, St )dt + CS (t, St− )dSt + CSS (t, St− )dt 2 i h + e−rt C(t, St− e4Xt ) − C(t, St− ) − CS (t, St− )St− (e4Xt − 1) − re−rt C(t, St )dt = at dt + dMt , mit σ 2 St2 at := e−rt Ct + CS rSt + CSS (t, St− ) − rC 2 Z + e−rt C(t, St− ex ) − C(t, St− ) − CS (t, St− )St− (ex − 1) ν(dx) R Z Q −rt dMt := e Cs σSt− dW̃t + [C(t, St− ex ) − C(t, St− )]J˜X (dx, ds) . R Es ist klar, dass Mt ein Q-lokales Martingal ist. Daraus folgt Z t as ds = Ĉt − Mt 0 R ist auch ein Q-lokales Martingal. Da as ds stetig ist, muss gelten at = 0. Diese Bedingung ist äquivalent zu Z σ 2 St2 CSS (t, St− )−rC+ C(t, St− ex )−C(t, St− )−CS (t, St− )St− (ex −1) ν(dx) = 0. Ct +CS rSt + 2 R 80 und die Behauptung folgt. Barriere-Optionen Wir betrachten eine Barriere-Option der Form H = (ST − K)+ 1{maxt∈[0,T ] St <B} , B > K. Führen wir die Ersteintrittszeit in die Menge [B, +∞) τB := inf{t ∈ [0, T ] : St ≥ B}, ein. Dann hat der Preis von H die Form C(t, St ) mit C(t, S) = e−r(T −t) E Q [(ST − K)+ 1{τB >t} | St = S]. Auf dem Intervall [0, τB ) kann man die Funktion genauso bestimmen wie in dem vorigen Fall. Also es gilt σ2S 2 CSS (t, S) − rC(t, S) Ct (t, S) + rSCS (t, S) + 2 Z + [C(t, Sey ) − C(t, S) − CS (t, S)S(ey − 1)]ν(dy) = 0 auf [0, T ) × (0, B). R Da die Option nach der Zeit τB wertlos ist, muss gelten C(t, S) = 0, (t, S) ∈ [0, T ] × [B, +∞). Schließlich entspricht die Bedingung C(T, S) = (S − K)+ , S ∈ (0, B), der Auszahlung im Zeitpunkt T . Theorem 5.33 Der Preis in einem exponentiellen Lévymodell mit σ 2 > 0 erfüllt die Bedingungen σ2S 2 Ct (t, S) + rSCS (t, S) + CSS (t, S) − rC(t, S) 2 Z + [C(t, Sey ) − C(t, S) − CS (t, S)S(ey − 1)]ν(dy) = 0 auf [0, T ) × (0, B), R C(T, S) = (S − K)+ , C(t, S) = 0, S ∈ (0, B), (t, S) ∈ [0, T ] × [B, +∞). Amerikanische Optionen Bei den amerikanischen Optionen kann der Investor die Option in jedem Zeitpunkt τ ∈ [0, T ] ausüben. Da die Auswahl von τ basiert auf den Informationen aus der Vergangenheit, muss τ eine Stoppzeit sein. Beispielsweise ist die Auszahlung der in τ ausgeübte Put-Option gleich (K − Sτ )+ . 81 Man kann beweisen, dass der Preis der Amerikanischen Put-Option gleich Pt = sup E Q [e−r(τ −t) (K − Sτ )+ | Ft ], τ ∈T (t,T ) ist. Dabei ist T (t, T ) ist die Menge aller Stoppzeiten mit Werten in [t, T ]. Die Funktion P (t, S) definiert man wie folgt P (t, S) := E Q [e−r(τ −t) (K − Sτ )+ | St = S]. sup τ ∈T au(t,T ) Dann gilt Pt = P (t, St ). Theorem 5.34 Sei P : [0, T ] × (0, +∞) −→ R+ eine eindeutige Lösung von R 2 2 • Pt + (rSPS + σ 2S PSS + R P (t, Sey ) − P (t, S) − PS (t, S)S(ey − 1) ν(dy)) − rP ≤ 0, • P (t, S) − (K − S)+ ≥ 0, • Z o n σ2S 2 P (t, Sey ) − P (t, S) − PS (t, S)S(ey − 1) ν(dy)) − rP PSS + Pt + (rSPS + 2 R o n · P (t, S) − (K − S)+ = 0 • P (T, S) = (K − S)+ Dann ist der Preis der Amerikanischen Option gleich Pt = P (t, St ). 82 Literatur [1] D. Applebaum: “Lévy Processes and Stochastic Calculus”, Cambridge University Press, 2004, [2] P.J. Hunt, J.E. Kennedy: “Financial Derivatives in Theory and Practice”, John Wiley & Sons, Ltd., 2005, [3] Sz. Peszat, J. Zabczyk: “Stochastic partial differential equations with Lévy noise”, Cambridge University Press, 2007, [4] P. Protter: “Stochastic integration and differential equations”, Springer, 2005, [5] K.I. Sato: “Lévy Processes and Infinite Divisible Distributions”, Cambridge University Press, 1999, [6] R. Cont, P. Tankov: “Financial modelling with jump processes”, Chapman & Hall 2004. 83