Pathobiologie/Pathobiochemie Teil 2 Lektion 8 8.11.10 Endokrinopathien, Gewichtsregulation, Fettstoffwechsel-Störungen Lektion 9 15.11.10 Darm- und Leberkrankheiten Lektion 10 22.11.10 Erkrankungen von Skelett und Muskulatur Rheumatische Erkrankungen Lektion 11 29.11.10 Lektion 12 6.12.10 Pathophysiologie des Blutzellsystems Pathophysiologie der Nieren Störungen beim Wasser/Salz-Haushalt Lektion 13 13.12.10 Pathophysiologie der Lungen Lektion 14 20.12.10 Erkrankungen von Geschlechtsorganen 1 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 1 Stoff aus dem Lehrbuch zu Lektion 8 G. Thews, E. Mutschler, P. Vaupel Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen (6. Auflage) Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2007. Grundlagen aus der Anatomie/Physiologie: Kapitel 16: Seiten 539-596 Pathophysiologie des Hormonsystems: Kapitel 16: ebenfalls zu finden auf den Seiten 539-596 2 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 2 Die Geburt der Endokrinologie 2005 − 100-Jahr-Jubiläum des Begriffs “Hormon” Im Jahr 1902 wiesen Bayliss und Starling die Existenz eines chemischen Agens nach, des (heutigen) Sekretins, das die Pankreassekretion stimuliert. Im Jahr 1905 schlug Starling für dieses Wirkprinzip die Einführung des Begriffs Hormon vor. Dieser Terminus ist ursprünglich durch W.B. Hardy geprägt worden und wird vom griechischen ορµαω, ich errege, hergeleitet, um stimulierende Wirkprinzipien zu beschreiben. In der Croonian Lecture, welche Starling im Januar 1905 in London hielt (On the Chemical Correlations of the Functions of the Body), beschränkte er den Begriff auf das Sekretin. Er erkannte jedoch, dass das Hormon eine neue Gruppe von chemischen Boten repräsentiert, welche nicht nur für die Regulation der Sekretion, sondern auch des Wachstums verantwortlich sind. EH Starling (oben links) and WM Bayliss (unten rechts), in ihrem Labor am University College, London. Die Titelseite (oben rechts) der Croonian Lecture, welche EH Starling am Royal College of Physicians 1905 in London hielt. 3 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 3 Entdeckung und Synthese der Peptidhormone 1954: Struktur von ACTH durch P.H. Bell 1953/54: Oxytocin and Vasopressin: Struktur und Synthese 1963/65: Chemische Synthese von ACTH Vincent du Vigneaud 1955: Struktur von Insulin Robert Schwyzer Frederick Sanger Vasopressin, Oxytocin Thyrotropin, Somatotropin, Lutropin, Follitropin, Prolactin ACTH α-MSH β-MSH β-Lipotropin β-Endorphin CLIP γ-MSH 1950 1980 Diverse Spezies Radiopeptide Strukt. Analoge Isolation, Sequenzierung Immunoassays Rezeptorassays SAR Studien Rezeptorstudien Diverse Spezies Radopeptide Strukt. Analoge 4 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 4 (*) 5 08/11/10 Proopiomelanocortin (POMC), ein Prohormon Das humane Proopiomelanocortin (POMC) ist ein Prohormon: es ist der biosynthetische Präkursor von ACTH (Adrenokortikotropes Hormon; Adrenocorticotropin), MSH (Melanotropes Hormon; Melanotropin), LPH (Lipotropes Hormon; Lipotropin) sowie von EP (Endorphin), die in teilweise verschiedenen Sequenzen (z.B. α, β, γ) oder in glykosylierter (runde Kreise) und/oder phosphorylierter ( P) Form gebildet werden. Allen Melanotropinen und dem ACTH ist die Sequenz HisPhe-Arg-Trp (dunkelrot) gemeinsam. Doppelstriche bedeuten Spaltstellen bei der Biosynthese (Lys-Lys, Lys-Arg). JP (Joining Peptid) und CLIP haben keine eigentliche Funktion als Hormone. A = Acetylgruppe; schwarzes Dreieck = Amidgruppe. Zahlen = Aminosäurenummern der POMC-Sequenz bzw. der einzelnen Peptidhormone. Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 5 * Hormonales Regulationssystem Stimulation Biosynthesis Binding to Plasma Proteins Storage Secretion Activation Transport in the Circulation Storage Permeation into Tissues Excretion Other Tissues Target Tissue Non-specific Binding Binding to Receptors Feedback Signal Transduction in the Cell 6 08/11/10 Inactivation Physiological Response Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 6 * Hormonales Signalling Autokrines Signalling Parakrines Signalling Endokrines Signalling 7 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 7 Signaltransduktionswege 8 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 8 Signaltransduktionswege 9 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 9 Typen der Rezeptor-Effektor-Kupplung 1. Kanal-gekoppelte (ionotrope) Rezeptoren Ions 2. G-Protein-gekoppelte (metabotrope) Rezeptoren Ions G + G R or - + Change in excitability E R/E or - Nucleus Protein phosphoryiation Second messengers R mRNA synthesis Ca release Cellular effects Zeitskala Millisekunden 4. Nukleäre Rezeptoren (an Gentranskription gekoppelt) R/E R Hyperpolarisation or depolarisation 3. Kinase-gekoppelte Rezeptoren Protein phosphorylation Other Protein synthesis Cellular effects Cellular effects Sekunden Minuten Stunden Muscarinischer Ach-Rezeptor Insulin-Rezeptor OestrogenRezeptor Cellular effects Beispiele Nikotinischer Ach-Rezeptor 10 08/11/10 R = Rezeptor; G = G-Protein; E = Enzym Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 10 Ligand-Receptor Interactions: Agonist vs.und Antagonist Ligand-Rezeptor-Interaktionen: Agonist Antagonist Receptor Prohormone Inverse Agonist Processing Competitive Antagonist Agonist Ground state Ligand Hormone Binding Receptor binding assays Crosslinking studies Crystallization, NMR etc. Receptor Inhibition Activation No coupling to intracellular signalling cascade Coupling to intracellular signalling cascade Inhibited state Activated state Intracellular Signal Bioactivity 11 08/11/10 Response No signal Cell and membrane assays Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 Output signal Feed-back regulation 11 (1) Endokrinopathien / Adipositas • Störungen des Hypothalamus-Hypophysen-Systems Beispiele: Beispiele für Mitbeteiligung der HH-Achse: Morbus Cushing, Gigantismus, Akromegalie Pubertas praecox, Pubertas tarda, Amenorrhoe Diabetes insipidus; PCOS Infertilität, Hyperthyreose, Hypothyreose SIADH, Hyperprolaktinämie, Hypopituitarismus • Störungen der Schilddrüsenfunktion Thyroiditis (und der Nebenschilddrüsen) Hyperthyreose, Hypothyreose, Autoimmunthyreopathien, Autonomie, Struma, Karzinom Hyperparathyroidismus • Störungen der Pankreas-Funktion Diabetes mellitus Typ-1 und Typ-2 Retinopathie • Erkrankungen der Nebennierenrinde Cushing-Syndrom, Hyperaldosteronismus, Kongenitale Nebennierenhyperplasie, Nebenniereninsuffizienz Adrenogenitales Syndrom • (Dys-)Regulation des Körpergewichts Hypothalamische Regelkreise; Signalling aus Fett, Magen; Neuropeptid- / Rezeptordefekte Leptin POMC • Fettstoffwechselstörungen Chylomicron Retention Disease (M. Anderson) Abeta-/Hypobeta-/Hyperbetalipoproteinämie Hypertriglyzeridämie, Hypercholesterinämie Chylomikronämie, HDL und Arteriosklerose Hypercholesterinämie • 12 08/11/10 Metabolisches Syndrom Disequilibrium von Bluttfetten, Hormonen / visze- (Insulinrale Fettakkumulation / erhöhter Blutdruck, CVD resistenz) Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 12 * Ursachen für Endokrinopathien Fölsch / Abb 26.1 Endokrine Störungen äussern sich durch eine verstärkte oder verminderte Hormonwirkung an der Effektorzelle. Ursachen können Defekte an der endokrin aktiven Zelle, Störungen des Hormontransports und/oder veränderte Hormonwirkungen an der Effektorzelle sein. Die Abbildung stellt den Weg des Hormons von der endokrinen Zelle bis zu seiner Effektorzelle schematisch dar. Im oberen Teil sind Störungen aufgeführt, die eine Unterfunktion des endokrinen Systems verursachen. Die im unteren Teil angegebenen Veränderungen führen zu einer Überfunktion des Systems. 13 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 13 * Formen von Endokrinopathien Fölsch / Abb 26.3 Schematische Darstellung der Terminologie endokriner Störungen Als primär wird eine Störung bezeichnet, wenn sie das Erfolgsorgan des Regelkreises betrifft. Störungen zentraler Schaltstellen im Regelkreis werden als sekundär oder tertiär bezeichnet. Beispiel: Eine Unterfunktion der Nebennierenrinde durch Zerstörung der Nebennierenrinde selbst (primäre Ebene) führt zu einer primären Nebenniereninsuffizienz, während bei Defekten in der Hypophyse bzw. im Hypothalamus von einer sekundären bzw. tertiären Nebenniereninsuffizienz gesprochen wird. Klinisch unterscheiden sich die verschiedenen Formen nicht wesentlich, obwohl die Ursache bei verschiedenen Drüsen zu suchen ist. 14 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 14 Rep Funktion der Hypophyse Robbins Hypothalamische Faktoren: TRH: Thyrotropin-releasing Factor PIF: Prolactin-release-inhibiting Factor CRH: Corticotrophin-releasing Factor GHRH: Growth Hormone-releasing Factor GIH: Growth Hormone-releaseinhibiting Factor Die Bildung der Hormone der Adenohypophyse wird entweder positiv oder negativ reguliert durch hypothalamische Hormone (Releasing-Faktoren bzw. Release-inhibiting-Faktoren). GnRH: Gonadotropin-releasing Factor Adenohypophysenhormone: TSH: Thyrotropin PRL: Prolaktin ACTH: Corticotropin GH: Wachstumshormon (GH, Somatotropin) FSH: Follikel-stimulierendes Hormon 15 08/11/10 Die Hypophyse enthält zahlreiche verschiedene Zelltypen, welche die verschiedenen (trophischen) Hormone bilden (links). Jedes dieser Hormone zeigt bestimmte Charakteristiken bei der Immunhistochemie-Färbung; als Beispiel (rechts) so genannte somatotrophe Zellen, d.h. Zellen, die Wachstumshormon (Growth hormone, GH) bilden. Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 LH: Luteinisierungshormon 15 (*) Hypothal.-hypophysäre Störungen Fölsch / Abb 26.4 & Tab 26.1 Hypothalamische Hormone gelangen entweder über das Portalsystem in die (Adeno-)Hypophyse (wo sie die Bildung von (Adeno-)Hypophysenhormonen regulieren) oder sie werden neuronal in die (Neuro-)Hypophyse transportiert, von wo sie direkt ausgeschüttet werden können. Die mit Störungen der Ausschüttung hypothalamischer Hormone und Hypophysenhormonen zusammenhängenden Endokrinopathien sind in 16 der Tabelle zusammengestellt. 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 16 * Gestörte Vasopressinsekretion Physiologie und Pathophysiologie der Vasopressinsekretion Fölsch / Abb 26.7 Diabetes insipidus centralis Fehlende Vasopressinsekretion: trotz erhöhter Plasmaosmolalität ist keine Steigerung der Urinosmolalität (auf > 200 mosm/kg) möglich. Sowohl ein Anstieg der Plasmaosmolalität als auch ein Abfall des Blutdrucks führen zu einer verstärkten Vasopressin-(VP)Ausschüttung. Diese bewirkt eine vermehrte Rückresorption von Wasser aus dem Primärharn des Sammelrohrs (antidiuretische Wirkung von VP); in hoher Konzentration wirkt VP vasokonstriktorisch. Ein Diabetes insipidus centralis wird meist durch hypothalamische Defekte oder Verletzung des Hypophysenstiels hervorgerufen; bei der fehlenden Ansprechbarkeit der Niere auf VP handelt es sich um einen nephrogenen Diabetes insipidus. Nephrogener Diabetes insipidus Unempfindlichkeit des Sammelrohrepithels gegenüber Vasopressin (Rezeptordefekt): beobachtet wird eine Verdünnungsnatriämie, Die Urinosmolalität liegt < 300 mosm/kg. V1-Rezeptoren bewirken über eine Aktivierung des Phosphatidylinositol-Signalweges eine Kontraktion der glatten Gefässmuskulatur, eine Stimulation der Prostaglandinsynthese und der hepatischen Glykogenolyse. V2-Rezeptoren vermitteln über cAMP die renalen, nicht-vaskulären Effekte des Vasopressins (Erhöhung der Permeabilität des Sammelrohrepithels für Wassermoleküle (Rückresorption)). 17 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 17 (*) Wirkungsweise von Vasopressin (ADH) in der Niere Rekapitulation 18 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 18 (*) 19 08/11/10 Vasopressin-Rezeptor-Typ-2 (V2-R) Mutanten Vasopressin-V2-Rezeptor-Mutanten können Diabetes insipidus verursachen Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 19 (*) Hypophysentumoren Typen von HypophysenAdenomen: Oben: Ein nicht-sekretierendes HypophysenAdenom; diese sind oft grösser als die Hormon sekretierenden Adenome. Das Gehirn wird durch das Adenom stark bedrängt. Unten: Mikroskopisches Bild eines Hypophysenadenoms; Verlust der lobulären Struktur. 1. Hormon-sekretierende Adenome: • Prolaktinom (30% aller Hypophysenadenome) *) • GH-Zell-Adenom • ACTH-Zell-Adenom • TSH-Zell-Adenom • LH/FSH-Zell-Adenom • Gemischtes Prolaktinom/ GH-Zell-Adenom 2. Nicht-sekretierende Adenome (siehe Bild) Robbins Ursache für das ungebremste Wachstum bestimmter Hypophysenzellen bei einem Adenom sind häufig Defekte in der intrazellulären Signalkaskade, z.B. eine fehlende Down-Regulation des Rezeptors für den entsprechenden hypothalamischen Stimulationsfaktor, der damit eine Hyperproliferation der entsprechenden Zellen und eine exzessive Hormonproduktion auslöst. *) Klinik: erhöhte Prolaktin-Spiegel im Blut, Amenorrhö, Galaktorrhö, Libido-Verlust, Unfruchtbarkeit. 20 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 20 Hypophysentumoren 21 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 21 * Schilddrüsenhormonsynthese Robbins Schilddrüsenhormon-Regelkreis Die Ausschüttung von TRH (Thyrotropin-releasing hormone) aus dem Hypothalamus wird positiv durch Stress, Kälte und zirkadiane Stimuli positiv reguliert, durch Glucocorticoide und T3 (Rückkoppelung) negativ. TRH stimuliert TSH-(Thyrotropin)produzierende Zellen im Hypophysenvorderlappen; durch Rückkoppelung durch T3 und T4 wird die TSH-Sekretion gehemmt. TSH stimuliert in der Schilddrüse die Bildung der Schilddrüsenhormone T3 und T4. Die Bildung von T3 und T4 kann auch durch TSH-Rezeptor-stimulierende Antikörper ausgelöst werden. Thyreostatika und Jodid hemmen die Bildung von T3/T4. 22 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 22 Rep Schilddrüsenhormonsynthese Regulation und Feed-back-Kontrolle der Schilddrüsenhormonsynthese und Wirkungsweise der Schilddrüsenhormone T3 & T4. 23 08/11/10 Robbins; Fölsch Schilddrüsenhormonsynthese im Follikellumen am Bürstensaum der Schilddrüsenzelle gekoppelt an Thyreoglobulin (Tg); Aufnahme von Tg durch die Zelle und Freisetzung von T3 und T4. Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 23 Rep Schilddrüsenhormonsynthese van Holde; Mutschler Thyroid Peroxidase Die Biosynthese der Schilddrüsenhormone erfolgt durch Iodeinbau (mittels Oxidation des Iodids durch die Schilddrüsen-Peroxidase) in Tyrosinreste des Thyreoglobulins, nachfolgender Umlagerung und Freisetzung von T3 und T4 durch Proteolyse. Schilddrüsenhormonsynthese im Follikellumen am Bürstensaum der Schilddrüsenzelle gekoppelt an Thyreoglobulin (Tg); Aufnahme von Tg durch die Zelle und Freisetzung von T3 und T4. 24 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 24 (*) Hyper- und Hypothyreose Fölsch / Tab 26.8-10 Laborbefunde bei Schilddrüsenhormonstörungen Bei Hyper- und Hypothyreose sind die meisten Organe betroffen: Fötale Entwicklung Metabolische Effekte Ursachen der Hypothyreose Kardiovaskuläre Effekte Gastrointestinale Effekte Effekte auf Bindegewebe und Knochen Neuromuskuläre und zentralnervöse Effekte Patientin mit Hyperthyreose (weit offene Augen mit starrem Blick, wegen Überaktivität des ZNS). Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel Ursachen der Hyperthyreose 25 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 25 * Thyroiditis Robbins 1. Infektiöse Thyroiditis Akut oder chronisch, verschiedene Infekte, Halsschmerzen, Fieber etc., meist ohne Veränderungen der Schilddrüsenfunktion. 3. Subakute Thyroiditis (De Quervain) Weniger häufig als die Hashimoto-Thyroiditis; Peak im Alter 30-50; wie bei allen Schilddrüsenkrankheiten sind Frauen auch hier im Verhältnis 3:1 bis 5:1 häufiger davon betroffen. Pathogenese: viraler Infekt oder postviraler Entzündungsprozess. Klinik: Auftreten plötzlich oder allmähliche Entwicklung; Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Fieber, Müdigkeit, Anorexie, Myalgie. Vorübergehende (2-6 Wochen) Hyperthyreose, gefolgt von einer Hypothyreose (2-8 Wochen). Ausheilung in den meisten Fällen. 2. Hashimoto-Thyroiditis Autoimmunkrankheit, mit Reaktionen gegen eine Reihe von Schilddrüsenzellantigenen. Auswirkung: progessiver Verlust von Schilddrüsenepithelzellen (Thyreozyten), die durch die Einwirkung von zytotoxischen CD8+-T-Zellen, durch Zytokine oder Antikörper verloren gehen. Infiltrate mononukleärer Zellen und Fibroblasten ersetzen die Thyreozyten. Klinik: langfristig stellt sich eine Hypothyreose ein (ggf. zuerst eine transiente Hyperthyreose), später oft gefolgt von einem Typ-I-Diabetes. 26 08/11/10 Hashimoto-Thyroiditis Subakute Thyroiditis mit dichtem Lymphozyten-Infiltrat mit chronischem Infiltrat von Entzündungszellen Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 26 * Thyroiditis Robbins 4. Graves Disease (Morbus Basedow) Autoimmun-Thyroiditis mit klinischen Zeichen einer Hyperthyreose. Pathogenese: verschiedene Antikörper können im Serum vorkommen, wie z.B. gegen • TSH-Rezeptor (Stimulation des TSH-Rezeptors durch die Antikörper: exzessive Bildung von T3 / T4) • Schilddrüsenperoxisomen • Thyreoglobulin Klinik: Diffuse Schilddrüsenhyperplasie, Ophthalmopathie, Dermatopathie; charakteristische Zeichen einer Hyperthyreose. Therapie: Thyreostatika, ablative Therapie, Radiotherapie. Weitere Formen von Thyroiditis. Diffuse Hyperplasie des Schilddrüsenparenchyms beim Morbus Basedow 27 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 27 * Autonomie; Struma Fölsch / Abb 26.14 & Tab 26.11 Ätiologie der euthyreoten Struma Autonome Schilddrüsenknoten sind benigne Neoplasien, deren Sekretion nicht der physiologischen Regulation unterliegt. Die Autonomie stellt sich in der Technetium-Szintigraphie als fokale Anreicherung dar, während das normale Schilddrüsengewebe unterdrückt ist. Man kann uni- und multifokale Autonomie unterscheiden. Eine Vergrösserung der Schilddrüse wird als Struma (Kropf) bezeichnet. Die häufigste Ursache für eine Struma ist der Jodmangel, der eine inadäquate Schilddrüsenhormonsynthese zur Folge hat. Kompensatorisch wird vermehrt TSH ausgeschüttet. Neben TSH spielen auch andere Wachstumsfaktoren (z.B. IGF) bei der Genese der Struma eine Rolle. Es bildet sich eine Hypertrophie der Zellen und später eine Hyperplasie aus (Schilddrüsenfollikelknospen). Autonome Areale der Schilddrüse können schliesslich zu einer Hyperthyreose führen. Ursache einer Hyperthyreose bei älteren Menschen ist meist eine Autonomie, die sich in einer Knotenstruma entwickelt. Nodulär strukturierte Struma 28 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 28 Schilddrüsenkarzinome Fölsch / Tab 26.12 Formen und Häufigkeit der Schilddrüsenkarzinome Pathogenese von Schilddrüsenkarzinomen Papilläres Karzinom 29 08/11/10 Follikuläres Karzinom Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 Medulläres Karzinom 29 (*) Hyperparathyroidismus Robbins Primärer Hyperparathyroidismus • Adenome (75-80%) • primäre Hyperplasie (10-15%) • Nebenschilddrüsenkarzinom (<5%) Sekundärer Hyperparathyroidismus Reaktive Hyperplasie aller vier Nebenschilddrüsen aufgrund von Hypokalzämie (bei ungenügender Kalziumzufuhr durch Malabsorption oder Calcitrolmangel (z.B. bei Schwangerschaft). Überfunktion der Nebenschilddrüsen mit vermehrter Bildung von Parathormon (Hyperparathyroidismus) • Hyperkalzämie (hohe Kalzium-Spiegel im Blut) • Osteoporose • Nierensteine • Nephrokalzinose • Gallensteine Adenom der Nebenschilddrüsen • Akute Pankreatitis 30 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 30 Insulin Rep Robbins Insulin stimuliert den tetrameren Insulinrezeptor, dessen βUntereinheit (UE) dabei autophosphoryliert wird und − dank der Kinaseaktivität der β-UE − verschiedene intrazelluläre InsulinRezeptor-Substrate (IRS) phosphoryliert (aktiviert). Diese aktivieren ihrerseits weitere Down-streamSignale wie PI-3K, MAP-Kinasen etc. Hormonproduktion im Pankreas Molekularer Mechanismus der Insulin-Wirkung Insulin-Biosynthese und -Sekretion 31 08/11/10 Insulin-Wirkung Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 Insulin aktiviert die Glykogen- und Proteinsynthese sowie die Lipogenese und inhibiert die Lipolyse. 31 (*) Diabetes Typ-1 Pathogenese von Diabetes Typ-1 Robbins Stadien bei der Entwicklung eines Diabetes Typ-1 32 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 32 (*) Diabetes Typ-2 Stadien der Entwicklung eines Diabetes Typ-2 Robbins Zusammenhänge zwischen Fettleibigkeit und Insulin-Resistenz 33 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 33 * Stufen der Entwicklung eines Diabetes Robbins Stadien der metabolischen Störungen, die bei Diabetes auftreten und zum diabetischen Koma führen. Klinische Manifestationen eines Diabetes Beispiele: • Polyphagie • Diabetische Ketoazidose • Hyperglykämie • Vaskuläre Komplikationen • Diabetische Nephropathie • Polyurie, Polydypsie • Visus-Beeinträchtigung • Diabetische Neuropathie • Erhöhtes Infektionsrisiko • Diabetisches Koma 34 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 34 * Langzeitkomplikationen bei Diabetes Robbins 35 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 35 (*) Charakteristiken von Diabetes Typ-1 und -2 Robbins 36 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 36 (*) Erkrankungen der Nebennierenrinde Fölsch / Abb 26.8 Steroidhormonsynthese der Nebennierenrinde. Vorstufe aller Steroidhormone ist das Pregnenolon, die weiteren Schritte sind innerhalb der Nebennierenrinde und auch innerhalb der einzelnen Zelle kompartimentalisiert. Störungen innerhalb der Synthese führen einerseits zum Ausfall unterschiedlicher nachgeschalteter Syntheseprodukte, andererseits durch eine vermehrte ACTHStimulation zu einem Überschuss der vorgeschalteten Syntheseprodukte. Die einzelnen Enzyme, die bei einem adrenogenitalen Syndrom von einem Defekt betroffen sein können, sind in der Abbildung mit Nummern bezeichnet. Der Ausfall eines jeden Enzyms führt zu charakteristischen Symptomen und Laborveränderungen. 37 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 37 (*) Kongenitale Nebennierenhyperplasie Normale Steroidogenese der Nebennierenrinde 38 08/11/10 Robbins C-21-Hydroxylase-Defizienz beeinträchtigt die Cortisol- und die Aldosteronbildung. Die fehlende Rückkoppelung zur Hypophyse führt zu erhöhter ACTH-Produktion, was die Nebennierenhyperplasie erklärt. Es wird vermehrt Progesteron und 17-Hydroxyprogesteron gebildet, was bei Mädchen zu Virilisierung führt und bei Knaben zu Pubertas praecox (adrenogenitales Syndrom). Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 38 (*) Cushing-Syndrom Eine übermässige Sekretion von Cortisol führt zum Cushing-Syndrom. Fölsch / Robbins Ätiologie des Cushing-Syndroms Ursachen 1. ACTH-produzierende Hypophysenadenome 2. Nebennierenadenome und -karzinome 3. Langandauernde Einnahme von Glukokortikoiden 4. Ektopische ACTH- oder CRF-Produktion Typische Charakteristika eines Patienten mit Cushing-Syndrom sind das Mondgesicht und die bauchbetonte Adipositas sowie die abdominalen Striemen. Symptome des Cushing-Syndroms Patientin mit Cushing-Syndrom vor und nach der Behandlung (die Patientin trägt eine Perücke). Bilaterale idiopathische Hyperplasie im Vergleich mit normaler Nebenniere (oben). Diffuse nodulare Hyperplasie von FasciculataZellen eines Cushing Patienten. 39 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 39 Addison-Krankheit Robbins Nebennierenrinden-Insuffizienz Die Ursache einer primären Unterfunktion der Nebennierenrinde (NNR) liegt in der Drüse selbst, während eine sekundäre Unterfunktion auf eine ungenügende Stimulation durch ACTH zurückzuführen ist. Addison-Krankheit Thomas Addison hat 1855 als erster eine Krankheit beschrieben, die durch allgemeine Müdigkeit und Schwäche, Übelkeit, Gewichtsverlust, Hypotonie, Herzrhythmusstörungen, Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen etc. charakterisiert ist. Im Weiteren weisen betroffene Patienten oft eine verstärkte Pigmentierung in der Haut auf, wegen erhöhter POMC-Produktion (Vorläufer für ACTH, MSH). Pathogenese: verminderte oder fehlende Produktion von Mineralo- und Glukokortikoiden und Androgenen infolge einer gegen NNR-Zellen gerichteten Autoimmunreaktion (Mehrzahl der Fälle). Weitere Auslöser können eine Tuberkulose, eine NNR-Infektion (bei AIDS), ein primärer NNR-Tumor oder Metastasen sein. Autoimmun-Adrenalitis NNR-Entzündung, welche zur AddisonKrankheit führt. Es bleibt oft nur ein Saum von intakten NNR-Zellen unter Kapselhülle. Massive Einwanderung von mononukleären Zellen, welche zur Unterfunktion führt. Waterhouse-Friderichsen-Syndrom: massive, lebensbedrohende Veränderungen der Nebennieren aufgrund eines Befalls druch hochvirulente Bakterien. 40 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 40 Hyperaldosteronismus Robbins NebennierenrindenAdenom mit Aldosteronproduktion Nebennieren-Karzinome Seltene Neoplasmen, die sich in jedem Alter bilden können; invasiv, metastasierend, mittl. Überlebenszeit ca. 2 Jahre. Oft Hormonüberproduktion: Androgene Die wichtigsten Ursachen des primären Hyperaldosteronismus 41 08/11/10 Virilismus Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 Glukokortikoide Mineralokortikoide div. Manifestationen der NNR-Überfunkt. 41 Hyperaldosteronismus Fölsch / Abb 26.10 Pathophysiologie des primären Hyperaldosteronismus. Die häufigste Ursache ist ein Adenom der Nebennierenrinde. Das vermehrt ausgeschüttete Aldosteron bewirkt am distalen Tubulus und dem Sammelrohr eine verstärkte K+- und H+-Ausscheidung, was die oft ausgeprägte Hypokaliämie und metabolische Alkalose erklärt. Die gleichzeitig bestehende verstärkte Na+-Rückresorption ist ein wichtiger ursächlicher Faktor für die Entwicklung der arteriellen Hypertonie. 42 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 42 * Adipositas Adipositas (Fettleibigkeit, engl. Obesity): Sie steht in direktem Zusammenhang mit einer Reihe von bedeutenden metabolischen Erkrankungen, wie z.B. Diabetes Typ-2, Dyslipidämien, kardiovaskuläre Erkrankungen, Hypertonie und Krebserkrankungen. Body Mass Index (BMI) Gewicht (kg) Grösse x Grösse (m2) 43 08/11/10 Normal: Obese (adipös): Morbidly obese: Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 19 − 25 > 30 > 40 Die Adipositas wird definiert als Akkumulation von so viel Fettgewebe, dass darob die Gesundheit gefährdet wird. Als allgemein gebräuchliches Mass für die Einteilung von Übergewicht und Fettleibigkeit hat sich der sog. Body Mass Index (BMI) etabliert: der Quotient des Körpergewichts dividiert durch das Quadrat der Körpergrösse ergibt den BMI einer Person. Der normale BMI liegt zwischen 19 und 25 kg/m2. Bei einem BMI wischen 25 und 30 kg/m2 spricht man von Übergewicht, während ein BMI über 30 kg/m2 eine Adipositas anzeigt. Patienten mit einer schweren Adipositas (BMI >40 kg/m2) werden als morbid adipös bezeichnet und weisen meist Komorbiditäten auf. 43 (*) (Dys-)Regulation des Körpergewichts Robbins Anabole und katabole Regelkreise werden über hypothalamische Zentren gesteuert 44 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 44 (*) Regulation des Energiegleichgewichts Lenard NR, Berthoud H-R, Obesity 16 (Suppl 3): S11-S22, 2008 Wichtigste Mechanismen und Faktoren, welche das Energiegleichgewicht steuern 45 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 45 Steuerung Energiegleichgewicht / Nahrungsaufnahme Lenard NR, Berthoud H-R, Obesity 16 (Suppl 3): S11-S22, 2008 Schematisches Diagramm mit den wichtigsten Komponenten und Informationsflüssen zwischen peripheren und zentralen Regulationszentren, welche das Energiegleichgewicht und die Nahrungsaufnahme steuern. 46 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 46 Steuerung Energiegleichgewicht / Nahrungsaufnahme Lenard NR, Berthoud H-R, Obesity 16 (Suppl 3): S11-S22, 2008 Zusammenhang zwischen dem Sensing der Verfügbarkeit von Nahrungsstoffen im Gastrointestinaltrakt und der Kontrolle der Nahrungsaufnahme. Wichtige prä- und postabsorptive Signaltransduktionsstellen und Mechanismen für die Erfassung der eingenommenen Nahrung und ihrer Komponenten. Die entsprechende Information gelangt ins ZNS, und zwar über vagale und andere afferente neuronale Signale (blau punktierte Linien) sowie − via Blutbahn − über endokrine Signale (rote Linien). Spezifische Rezeptoren, welche auf vagalen afferenten Neuronen exprimiert werden, sind als Rechtecke dargestellt. Sensor-Mechanismen für Glukose, Aminosäuren/Proteine, Lipide/Fettsäuren sind als farbige Quadrate dargestellt. CCK: Cholecystokinin; GHS-R: Ghrelin47 Rezeptor; GLP-1: Glucagon-like Peptid-1; IL-1: Interleukin-1; PYY: Peptid YY; TNF-α: Tumor-Nekrose-Faktor-α. 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 47 (*) (Dys-)Regulation des Körpergewichts Lenard NR, Berthoud H-R, Obesity 16 (Suppl 3): S11-S22, 2008 Beteiligte Neuropeptide α-MSH: α-Melanotropin MC4R: Melanocortin-Rezeptor Typ-4 MCH: Melanin-konzentrierendes Hormon POMC: Proopiomelanocortin CART: Cocain- & Amphetaminreguliertes Transkript AgRP: Agouti-related Protein CRH: Corticotropin-releasing Hormon Dyn: Dynorphin PYY: Peptid YY NPY: Neuropeptid Y NT: Neurotensin Orex: Orexine OT: Oxytocin TRH: Thyrotropin-releasing Hormon 48 08/11/10 Hypothalamische Peptid-Regelkreise, welche die Energie-Homöostase und Nahrungsaufnahme kontrollieren. Vereinfachtes Schema mit den beiden Neuronenpopulationen im Nucleus arcuatus (NPY/AgRP/GABA und POMC/CART), welche einerseits auf Signale der Verfügbarkeit des Energienachschubs reagieren und andererseits Neuronen innerviert, welche das Zusammenspiel des adaptiven Verhaltens und von autonomen und endokrinen Prozessen regulieren. GABA: γ-Aminobuttersäure; PVN: Nucleus paraventricularis; FA: Freie Fettsäuren; AA: Aminosäuren; BAT: Braunes Fettgewebe; WAT: Weisses Fettgewebe. Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 48 * Erblicher Leptinmangel Farooqi et al., J Clin Invest, 2002 Effects of r-metHuLeptin on weight in a child with congenital leptin deficiency. (a) Weight of the child compared with normal centiles for boys. The arrow indicates the start of r-metHuLeptin therapy. (b) Clinical photographs of the child before (height = 107 cm) and 24 months after r-metHuLeptin therapy (height = 124 cm) (reproduced with the permission of the child’s parents). (a) (b) Knabe vor Therapie 24 Monate nach Leptin-Therapie 8-jährig 49 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 49 Regulation der Energiebilanz Vereinfachte Darstellung: Leptin und Ghrelin HYPOTHALAMUS Langzeitregulation des Appetits LEPTIN GHRELIN Kurzzeitregulation des Appetits ADIPOZYTEN APPETIT MAGEN APPETIT 50 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 50 Adipositas bei Agouti-Mäusen Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Haarfarbe: Agouti-Protein, α-MSH und Melanocortin-Rezeptoren ? LEPTIN 51 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 51 Agouti; Mutationen im MC4-Rezeptor Zusammenhang zwischen Agouti-Überschuss bzw. Ausfall des Melanocortin-Rezeptors Typ4 und Übergewicht Agouti α-MSH MC4-R HYPOTHALAMUS APPETIT LEPTIN Nahrungszufuhr Energieverbrauch ADIPOZYTEN 52 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 52 Mutationen im MC1/MC4-Rezeptor- bzw. POMC-Gen • Mutations in POMC cause adrenal insufficiency, red hair, obesity (Krude et al., 1998) • Haploinsufficiency at the MC4-R linked to obesity (2-5% of cases) (Yeo et al., 1998; Vaisse et al., 1998) • Common obesity linked to chromosome 2 (Comuzzie et al., 1997) 53 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 53 Adipositas und Mutationen im MC4-R Gen (1) Model of homeostatic circuit regulating energy balance through the melanocortin 4 receptor (MC4R) Increased adiposity leads to increased leptin production in fat tissue. Leptin stimulates neurons in the arcuate nucleus of the hypothalamus that coexpress the anorexigenic hormones melanocyte-stimulating hormone (αMSH, a cleavage product of proopiomelanocortin [POMC]) and cocaine- and amphetamine-regulated transcript. Leptin also inhibits neurons in the arcuate nucleus that coexpress the orexigenic hormones agouti-related protein and neuropeptide Y. The neurons in the arcuate nucleus project to other regions of the hypothalamus (including the paraventricular nucleus and the lateral hypothalamic area – parafornical area), where α-MSH binds to its receptor, MC4R, resulting in an upregulation of anorexigenic effectors such as corticotropin-releasing hormone (CRH) and thyrotropin-releasing hormone (TRH) and a down-regulation of orexigenic effectors such as melaninconcentrating hormone (MCH) and orexin. Agouti-related protein acts as an antagonist of MC4R. 54 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 54 Adipositas undMutations Mutationen MC4-R Obesity and in the im MC4-R GeneGen (4) (2) Two papers in the New Engand Journal of Medicine (Mach 20, 2003) suggest that mutations in MC4R are strong contributors to the development of hyper-phagiainduced morbid obesity. Farooqui et al. N Engl J Med 2003; 348: 1085-1095 These authors describe several codominantly inherited mutations that result in a distinct obesity syndrome. Growth (A and B) and body composition (C) in subjects with melanocortin-4 receptor (MC4R) deficiency. Panel A shows growth charts for two children with MC4R deficiency during the first year of life, as compared with normal reference values in the United Kingdom (2nd, 50th, and 98th percentiles). Panel B shows mean (±SD) standard-deviation scores for height at different ages in subjects with MC4R deficiency and obese subjects with a normal MC4R genotype who were matched for age and body-mass index. Panel C shows a 9-year-old boy who was homozygous for a mutation in MC4R (left-hand side) and his 16-year-old brother, who had a normal genotype (right-hand side). 55 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 55 Adipositas und Mutationen im MC4-R Gen (3) Branson et al. N Engl J Med 2003; 348: 1096-1103 These authors report a particularly strong correlation between MC4R mutations and binge-eating disorder among patients with severe, refractory obesity. 56 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 56 * LH / FSH und polyzystisches Ovarialsyndrom Hormonelle Änderungen während des Ovulationszyklus. Pfeile: pulsatile Sekretion von GnRH, mit Plasma-Werten von LH (schwarze Linie), FSH (punktierte Linie) (oben), Östradiol (graue Linie, E2), Progesteron (graue Linie, P) und Inhibin A (gestrichelte Line) und Inhibin B (dünne Linie) (unten). Aus: J.C. Marshall, C.A. Eagleson: Neuroendocrine aspects of polycystic ovary syndrome. Endocrinol Metab Clin North Am 1999; 28: 295324 57 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 57 * LH / FSH und polyzystisches Ovarialsyndrom PCOS (polycystic ovary syndrome) Multifaktorielles Krankheitsbild mit Amenorrhö oder anovulatorischen Zyklen und Vergrösserung der Ovarien durch Bildung multipler subkapsulärer Zysten (polyzystische Ovarien). Ätiologie unbekannt; Zusammenhänge mit LH-Sekretion, Insulinresistenz, Übergewicht. • Erhöhte LH-Sekretion (Pulsamplitude) • Erhöhte LH-Sekretionsfrequenz (Pulsfreqeuenz) • FSH normal bis erniedrigt • Hyperandrogenämie • Amenorrhö • Betroffen sind 5-10% der Frauen im gebärfähigen Alter Erhöhte LH-Sekretion führt zu vermehrter Androgensynthese (Testosteron, Androstendion) und die erniedrigten FSH-Werte haben tiefere Östrogenwerte zur Folge. Behandlung mit Kontrazeptiva, Anti-Testosteron (Flutamide), GnRH-Agonisten; Gewichtsreduktion. Erhöhte LH-Sekretion bei PCOS (schraffierter Balken) im Vergleich zum Normalzustand (weisse Balken). 58 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 58 (2) Endokrinopathien / Adipositas Beispiele: Störungen des Hypothalamus-Hypophysen-Systems Beispiele für Mitbeteiligung der HH-Achse: Morbus Cushing, Gigantismus, Akromegalie Pubertas praecox, Pubertas tarda, Amenorrhoe Infertilität, Hyperthyreose, Hypothyreose SIADH, Hyperprolaktinämie, Hypopituitarismus Diabetes insipidus Störungen der Schilddrüsenfunktion (und der Nebenschilddrüsen) Hyperthyreose, Hypothyreose, Autoimmunthyreopathien, Autonomie, Struma, Karzinom Hyperparathyroidismus Thyroiditis Struma • Störungen der Pankreas-Funktion Diabetes mellitus Typ-1 und Typ-2 Retinopathie • Erkrankungen der Nebennierenrinde Cushing-Syndrom, Hyperaldosteronismus, Kongenitale Nebennierenhyperplasie, Nebenniereninsuffizienz Adrenogenitales Syndrom • • • (Dys-)Regulation des Körpergewichts Hypothalamische Regelkreise; Signalling aus Fett, Magen; Neuropeptid- / Rezeptordefekte Leptin POMC • Fettstoffwechselstörungen Chylomicron Retention Disease (M. Anderson) Abeta-/Hypobeta-/Hyperbetalipoproteinämie Hypertriglyzeridämie, Hypercholesterinämie Chylomikronämie, HDL und Arteriosklerose Hypercholesterinämie • 59 08/11/10 Metabolisches Syndrom Disequilibrium von Bluttfetten, Hormonen / visze- (Insulinrale Fettakkumulation / erhöhter Blutdruck, CVD resistenz) Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 59 * Plasmalipoproteine Fölsch / Abb 25.1 Stoffwechselwege der Plasmalipoproteine Chylomikronen transportieren Triglyzeride und Cholesterin vom Darm zur Leber. Ein Teil der Triglyzeride wird im Plasma hydrolysiert. Die freigesetzten Fettsäuren versorgen Muskel und Fettgewebe. Die übrigen Triglyzeride werden zusammen mit den Cholesterinestern in den Restpartikeln (Remnants) von der Leber aufgenommen. Apolipoproteine A-I, B-48, B-100, C, E Mikrosomales TriglyzeridTransportprotein: MTP Lipoproteinlipase: LPL Hepatische Lipase: HL Very-low-density-Lipoproteine (VLDL) enthalten Triglyzeride und Cholesterin der Leber. Die freigesetzten Fettsäuren versorgen ebenfalls periphere Gewebe wie Muskel und Fettgewebe. Die VLDL-Remnants werden zu etwa 60% von der Leber aufgenommen oder konvertieren durch weitere Triglyzeridhydrolyse zu Low-density-Lipoproteinen (LDL). LDL versorgen periphere Gewebe mit Cholesterin, kehren aber zu etwa 70% als Überschuss zur Leber zurück. High-density-Lipoproteine (HDL) dienen dem Rücktransport von überschüssigem Cholesterin aus peripheren Geweben und Arterienwänden zur Leber, die es zu Gallensäuren verstoffwechseln oder mit der Galle ausscheiden kann. Das Cholesterin wird in HDL zunächst von der Lezithin-Cholesterin-Acyl-Transferase (LCAT) verestert. Die Cholesterinester können entweder mittels des Cholesterinester-Transfer-Proteins (CETP) auf VLDL und LDL übertragen werden und gelangen mit ihnen zur Leber oder sie werden zusammen mit HDL-Partikeln und zum grösseren Teil über den Scavenger-Rezeptor BI selektiv von den HDL durch die Leber aufgenommen. 60 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 60 (*) Plasmalipoproteine 61 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 61 * Cholesterin-Transport Voet & Voet LDL ist der wichtigste CholesterinCarrier: • ca. 1500 Cholesterinester-Moleküle • 800 Phospholipid-Moleküle • 500 Cholesterin-Moleküle • ein Apolipoprotein B-100 (513 kDa) Plasma-Triazylglyzerin- und -Cholesterin-Transport beim Menschen 62 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 62 (*) Lipoprotein(a) − Lp(a) Lipoprotein(a) [Lp(a)] wird im Blut gebildet aus LDL und Apolipoprotein A (Apo A). Apo A ist ein Glykoprotein und strukturell verwandt mit Plasminogen, und es wirkt somit hemmend auf die Thrombolyse. Lipoprotein(a) akkumuliert in atherosklerotischen Plaques, hemmt dort die Bildung von TGF-β (Inhibitor für die Proliferation von glatten Myozyten) und spielt somit eine entscheidende Rolle bei atherosklerotischen Umbauprozessen. Seine Plasmakonzentration ist streng genetisch kontrolliert; Diät beeinflusst die Plasmaspiegel nur eingeschränkt. Lipoprotein(a) − Lp(a) Krankheiten in Zusammenhang mit hohen Lp(a)-Plasmawerten: Struktur: • Koronare Herzkrankheit Apo A • Cerebrovaskuläre Krankheiten kovalent an Apo B-100 des LDL gebunden • Atherosklerose • Thrombosen Lp(a) induziert die Rekrutierung von Entzündungszellen durch Bindung an Integrin Mac-1 auf Leukozyten. Lipoprotein(a) − Lp(a) Plasmawerte: Desirable: <14 mg/dL Borderline risk: 14−30 mg/dL High risk: 31−50 mg/dL Very high risk: >50 mg/dL 63 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 63 Hyperlipoproteinämien Pschyrembel Einteilung der primären Hyperlipoproteinämien 64 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 64 Störung der Bildung von Lipoproteinen Fölsch / Abb 25.2 Störung der Bildung von Chylomikronen und VLDL Mittels des MTP verschmelzen präformierte Lipidtröpfchen mit Apolipoprotein B in Enterozyten zu Chylomikronen bzw. in Hepatozyten zu VLDL. Mutationen des MTP verhindern die Bildung von Chylomikronen bzw VLDL. Daraus resultiert die rezessiv vererbte Abetalipoproteinämie (BassenKornfeld-Syndrom). Hypocholesterinämie durch Apolipoprotein-B-Mutanten Die Leber synthetisiert Apolipoprotein B-100 (enthält die Gesamtstruktur): es ist in VLDL und LDL zu finden. Die Enterozyten produzieren das verkürzte Apolipoprotein B-48 (mit 48% der Struktur von Apolipoprotein B). Mutationen von Apolipoprotein B, die die Expression eines verkürzten Apolipoprotein B zur Folge haben, können zur familiären Hypobetalipoproteinämie führen: 1. Apolipoprotein-Länge <48%: VLDL/LDLund Chylomikronen-Synthese beeinträchtigt. Die Chylomicron Retention Disease (Anderson-Krankheit) beruht auf einer gestörten Sekretion von Chylomikronen durch Enterozyten im Dünndarm. Hypo- und Abetalipoproteinämie führen zu verminderter Bildung von Chylomikronen, VLDL und LDL. 2. Apolipoprotein-Länge ≥48%: nur VLDLund LDL-Synthese beeinträchtigt. 65 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 65 Chylomikronämie Fölsch / Abb 25.4 Chylomikronämie durch erniedrigte Lipoprotein-Lipase-Aktivität Etwa drei Viertel der Triglyzeride von Chylomikronen und VLDL werden in den Kapillaren durch Lipoprotein-Lipase (LPL) hydrolysiert. Ihre Aktivität hängt von Apolipoprotein-C-II als Aktivator ab. Mutationen im Gen der LPL haben eine Prävalenz von 1:5000 bis 1:10’000. Heterozygot beeinträchtigen sie die Lipolyse unterschiedlich stark. Homozygotie für Mutationen der LPL bzw. ihres Aktivators (Apolipoptrotein-C-II) führt obligat zur autosomal-rezessiven familiären Chylomikronämie. Nach fettreicher Mahlzeit können Chylomikronen statt ca. 8 Stunden bis zu 2 Tagen im Plasma zirkulieren. Die Hypertriglyzeridämie erreicht Werte von 1’000 bis 15’000 mg/dl mit Ausbildung von Lipaemia retinalis (gelbrote Färbung der Netzhautgefässe). Die Gesamtcholesterinwerte sind normal und steigen erst bei Triglyzeridwerten von >2000 mg/dl merklich an. Bei LPL-Mangel entstehen zuweilen an Hautfalten eruptive Xanthome (gutartige Geschwulste aus Fibroblasten, Histiozyten und Lipidtröpfchen). Ferner häufig zu sehen: Hepatosplenomegalie und Pankreatitis, begleitet von Bauchschmerz-Attacken. Störungen des intraplasmatischen Katabolismus triglyzeridreicher Lipoproteine 66 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 66 Chylomikronämie Schematische Darstellung des endogenen und exogenen Fettabbaus bei Chylomikronämie Siegenthaler Eruptive Xanthome bei Chylomikronämie 67 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 67 Überproduktion von VLDL Fölsch / Abb 25.3 Hyperlipidämie durch Synthese von Apolipoprotein B Die familiäre kombinierte Hyperlipidämie wird verursacht durch eine Apolipoprotein-B-100-Überproduktion (bei normler Triglyzeridsynthese); LDL- und/oder VLDL-Plasmakonzentration ist erhöht. Kombinierte Hyperlipidämie ist eine der häufigsten Ursachen für Herzinfarkte im mittleren Alter. Hypertriglyzeridämie durch erhöhte Synthese Der sporadischen und familiären Hypertriglyzeridämie liegt eine Überproduktion der Triglyzeride in der Leber bei normaler Apolipoprotein-B-100-Synthese zugrunde. Die familiäre Form manifestiert sich häufig im Jugendalter mit Triglyzeridwerten >1’000 mg/dl, einhergehend mit Hepatosplenomegalie, eruptiven Xanthomen und wiederkehrenden abdominellen Schmerzattacken, oft Ausdruck einer Pankreatitis. Sekundäre Hypertriglyzeridämie durch Überproduktion Die Produktion von VLDL und ihren Triglyzeriden unterliegt diätetischen und hormonellen Einflüssen. Die Synthese kann direkt oder indirekt durch vermehrtes Anfluten von Fettsäuren erhöht werden. • Insulin hemmt bereits in niedriger Konzentration die VLDL-Synthese und die Lipolyse im Fettgewebe. Hypertriglyzeridämie ist ein sensitives Zeichen für Insulinmangel bzw. Insulinresistenz bei ungenügend eingestelltem Diabetes mellitus. • Erhöhter Alkoholkonsum ist eine der häufigsten Ursachen für eine Hypertriglyzeridämie und führt zu individuell sehr unterschiedlich ausgeprägter Steigerung der VLDL-Synthese und Hemmung der intraplasmatischen Triglyzeridhydrolyse. • Östrogene (als Antikonzeptiva oder Hormonsubstitution) steigern die VLDL-Synthese. Überproduktion von Very-low-density-Lipoprotein (VLDL) 68 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 68 Hepatische Aufnahme von VLDL, LDL Fölsch / Abb 25.5a Apolipoprotein-E-Polymorphismen beeinflussen das Plasmacholesterin. Im Plasma bilden sich aus Chylomikronen und VLDL durch die Hydrolyse der Triglyzeride die Restpartikel, Chylomikronen-Remnants (vollständig von der Leber aufgenommen) bzw. VLDL-Remnants, die nur zu etwa 60% von der Leber aufgenommen werden, während der Rest in LDL konvertiert wird. Die Aufnahme durch die Leber wird durch Apolipoprotein E (ein 34 kDa Glykoprotein) gesteuert, das polymorph ist und in 3 Formen E2, E3, E4 und zahlreichen weiteren (z.T. seltenen) Varianten existiert: • Apolipoprotein E2: unterscheidet sich von E3 durch zwei Cys, was bei Homozygotie die Aufnahme von Remnants beeinträchtigt, wegen defekter Rezeptorbindung ( Remnant-Dyslipidämie); parallel dazu wird das Plasmacholesterin wegen unkompetitierter Aufnahme von LDL reduziert (es steht mehr LDL-Rezeptor zur Verfügung). Details siehe Abb 25.5b. • Apolipoprotein E3: häufigste Variante (“Normaltyp”) • Apolipoprotein E4: unterscheidet sich von E3 durch ein Cys, was zu beschleunigter Aufnahme der Remnants durch die Leber führt. Dabei reagiert die Leber auf die Cholesterinbelastung mit Suppression des LDL-Rezeptors. Dadurch steigt das LDL-Cholesterin um 10-20 mg/dl und das Arterioskleroserisiko erhöht sich markant. Störung der hepatischen Aufnahme triglyzeridreicher Lipoproteine (Teil 1) 69 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 69 Hepatische Aufnahme von VLDL, LDL Fölsch / Abb 25.5b Hyperlipoproteinämie Typ III durch exogene Belastung Homozygotie für Apolipoprotein E2 und ein weiteres Gen oder ein exogener Faktor wie Östrogenmangel in der Postmenopause oder diätetische Belastung lösen eine derartige Akkumulation von Remnants aus, dass sich aus einer Dysbetalipoproteinämie eine familiäre Hyperlipoproteinämie Typ III (Remnant-Hyperlipidämie) entwickelt (gemäss Fredrickson). Dabei sind Cholesterin und Triglyzeride im Plasma gleichermassen erhöht. Bei Männern manifestiert sich die Krankheit zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, bei den Frauen i.a. nach der Menopause. Als Begleiterscheinung oft Xanthome sowie erhöhtes Risiko für Arteriosklerose, koronare Herzkrankheit, arterielle Verschlusskrankheiten. Störung der hepatischen Aufnahme triglyzeridreicher Lipoproteine (Teil 2) 70 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 70 Dysbetalipoproteinämie Tuberöse Xanthome bei familiärer Dysbetalipoproteinämie Siegenthaler Schematische Darstellung des exogenen und endogenen Fettabbaus bei familiärer Dysbetalipoproteinämie (aufgrund einer Mutation im Apolipoprotein E) 71 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 71 Hypercholesterinämie Genetische Fettstoffwechselstörungen entsprechend der Klassifizierung von Frederickson (s. auch Tabelle Bild 66) Siegenthaler Verschiedene Defekte als Ursache für die familiäre Hypercholesterinämie 72 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 72 (*) Hypercholesterinämie Fölsch / Abb 25.6a Hypercholesterinämie durch defekte LDL-Rezeptoren Etwa 150 genetische Defekte (Punktmutationen, Insertionen, Deletionen) des LDL-Rezeptors sind bekannt: • Null-Allele vermitteln keine Synthese des LDL-Rezeptors • gestörter Transport des LDL-Rezeptorproteins aus dem endoplasmatischen Retikulum in den Golgi-Apparat beeinträchtigt die Glykosylierung • verminderte Affinität für LDL • defekte Lateralbewegung des LDL-Rezeptors in der Zellmembran in die coated pits • defekte Internalisierung von Rezeptoren und LDL in die Zelle Die familiäre Hypercholesterinämie mit heterozygotem Defekt tritt mit einer Häufigkeit von 1:500 auf. Die schwere homozygote Form ist mit einer Frequenz von 1:1’000’000 selten; hier steht für die Aufnahme von LDL nur der sog. Scavanger-Pathway offen, was die Clearance-Kapazität auf nur 15% der Plasma-LDL pro Tag reduziert. Das Plasma-Cholesterin erreicht etwa 600 mg/dl. Homozygote entwickeln bereits im Säuglingsalter Arteriosklerose. Die Hypercholesterinämie beruht auf verminderter Aufnahme von VLDL-Remnants durch die Leber aufgrund der defekten LDLRezeptoren. Dadurch werden vermehrt VLDL-Remnants in LDL umgewandelt, die ihrerseits ebenfalls verzögert aufgenommen werden. - Bis zum 60. Lebensjahr erleiden 85% der heterozygoten Männer und 50% der Frauen einen Herzinfarkt. Gestörter Katabolismus der Low-density-Lipoproteine (LDL; Teil 1) 73 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 73 (*) Hypercholesterinämie Fölsch / Abb 25.6b Gestörter Katabolismus der Low-density-Lipoproteine (LDL; Teil 2) Hypercholesterinämie aufgrund Prädisposition und Ernährung (s. Abb 25.6b) Die polygene Hypercholesterinämie ist für den grössten Teil der Cholesterinerhöhungen (±80%) und die hohe Rate arteriosklerotischer HerzKreislauferkrankungen verantwortlich. Die molekularen Ursachen sind weitgehend unbekannt, doch dürften bei der Prädisposition verschiedene Faktoren mitverantwortlich sein: Veränderungen von regulierenden Enyzmen, Transferfaktoren, Bindungsproteinen etc. Bei der durch diätetische Belastung ausgelösten Hypercholesterinämie ist der Grund in der vermehrten Aufnahme von gesättigten Fettsäuren und Cholesterin zu suchen, auf Kosten von einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Mangel an Ballaststoffen. So ist in den westlichen Industrienationen der durchschnittliche Cholesterinwert auf ca. 220 mg/dl angestiegen, verglichen mit 160 mg/dl in asiatischen und mediterranen Gegenden. Hypercholesterinämie durch Apolipoprotein-B-Mutanten (s. Abb 25.6a) 74 08/11/10 Apolipoprotein-B-100-Mutanten beim familiären Apolipoprotein-B-Defekt weisen eine erniedrigte Affinität zum LDL-Rezeptor auf. Bei heterozygoten Trägern findet sich im Plasma etwa 1/3 LDL mit intaktem und 2/3 mit defektem Apolipoprotein B-100. Die therapeutischen Effekte von Statinen (HMG-CoA-Reduktasehemmer) ist eingeschränkt. Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 74 * LDL und LDL-Rezeptor Low Density Lipoprotein (LDL) Metabolismus Klassifikation von LDL-Rezeptor-Mutationen 75 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 75 * LDL und LDL-Rezeptor LDL-Rezeptor und Cholesterinmetabolismus 76 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 76 (*) Hypercholesterinämie Oben: Xanthelasma = hellgelbe Platten im Bereich der Augenlider, durch Cholesterinablagerungen in Speicherzellen bedingt; in jungem Alter praktisch immer Folge einer Hyperlipoproteinämie des Typ II, in höherem Alter häufig unabhängig von einer Fettstoffwechselstörung (harmlos; Laserchirurgie). Rechts: Xanthom = gelber Knoten in der Haut, durch lokale Lipideinlagerung in Speicherzellen (z.T. Schaumzellen) bedingt (keine entzündliche Reaktion). Xanthome sind ein spezifisches Symptom von Hyperlipoproteinämien; z.T. spontane Rückbildung mit der Normalisierung der Serumlipide. (Oben: tuburöses Xanthom; unten: Sehnenxanthom) 77 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 77 (*) HDL und Arteriosklerose Fölsch / Abb 25.7 In der Regel schützen hohe HDL-Spiegel vor Arteriosklerose, während niedrige HDL-Spiegel das atherogene Potential anderer Lipoproteine wie LDL erhöhen. Letztlich ist aber nicht die Konzentration, sondern die Funktion der HDL im Cholesterin-Rücktransport entscheidend. Der häufigste Grund für niedrige HDL-Spiegel ist die inverse Beziehung zur Hypertriglyzeridämie. Beim Rücktransport der Cholesterinester zur Leber nehmen die HDL im Austausch Triglyzeride und Phospholipide auf und konvertieren dadurch von den kleineren, dichteren HDL3 zu den grösseren und leichteren HDL2. Triglyzeride und Phospholipide werden durch hepatische Lipase hydrolysiert, sodass die HDL regenerieren und erneut Cholesterin für den Rücktransport zur Leber aufnehmen können. Die Leber ist das einzige Organ, das Cholesterin als solches oder katabolisiert zu Gallensäuren mit der Galle ausscheiden kann. Hypertriglyzeridämie bedingt niedriges HDL-Cholesterin, das durch verstärkten CETP-vermittelten Austausch von Cholesterinestern der HDL gegen Triglyzeride und Phospholipide der VLDL zustande kommt. HDL-mediierter Cholesterin-Rücktransport zur Leber 78 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 78 HDL und Arteriosklerose Nat Drug Disc 2008; 7: 143-155 Apolipoprotein A-1 (Apo A1) secreted by the liver and intestine combines with phospholipids to form small, discoidal pre-β-1 high-density lipoproteins (HDL) that can bind cholesterol (a). Pre-β-1 HDL is converted into small, discoidal α4 HDL by the efflux of cellular free cholesterol (FC) (from macrophages in the arterial wall, for example) by the ABCA1 (or ABCG1) transporters (b). This cholesterol is then esterified by lecithin– cholesterol acyl transferase (LCAT) (c). The movement of cholesteryl ester (CE) to the core of the HDL particle converts the α-4 HDL into larger α-2 and α-3 HDL. Lipoprotein lipase (LPL) hydrolyses the triglyceride (TG) carried on TG-rich lipoproteins (TRL) to provide surface components (phospholipids, FC and apolipoproteins) to the HDL particle (d). TG from TRL is exchanged for CE on HDL through cholesterol ester transfer protein (CETP), resulting in the formation of pre-α and pre-α-1 HDL (e). The plasma enzymes hepatic lipase (HL), endothelial lipase (EL) and secretory phospholipase A2 (sPLA2) hydrolyse and remove PL from the newly formed HDL, converting α-1 HDL into α-2 HDL with recycling of surface APOA1 protein (f). The liver then takes up CE from HDL, by scavenger receptor-B1 (SCRB1) (g) and recycling of the surface components of HDL. The final step of RCT is the catabolism of free APOA1 and pre-β-1 HDL by the kidney with excretion in the urine (h). 79 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 79 Behandlung von Hypercholesterinämien *) • HMG-CoA Reduktase-Inhibitoren: Statine 3-Hydroxy-3-methyl-glutaraldehyd-Coenzym-A-Reduktase-Inhibitoren *) Wichtig sind natürlich auch diätetische Massnahmen und körperliche Bewegung 80 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 80 Behandlung von Hypercholesterinämien ff • Anionentauscher • Probucol beeinflusst den LDL-Stoffwechsel aufgrund antioxidativer Eigenschaften und fördert Abtransport von LDL; senkt LDL und HDL • Sitosterol Cholesterin-ähnliches Phytosterol • Nikotinsäurederivate • Fibrinsäure-Derivate Colestipol Colestyramin Pyridylmethanol binden Gallensäuren und unterbrechen den enterohepatischen Kreislauf, sodass die intrazelluläre Cholesterinkonz. in der Leber sinkt und vermehrt LDL aus dem Blut aufgenommen wird hemmen Triacylglycerollipasen und somit die Lipolyse. In der Leber werden weniger VLDL/LDL gebildet. Aktivierung der LPL wirken über Clofibrinsäure. Werden auch eingesetzt zur Behandlung von Hypertriglyzeridämien. Stimulieren die LPL-Aktivität, inhibieren Cholesterinund Gallensäure-Synthese, steigern die Sekretion von Cholesterin in die Galle, induzieren LDL-Rezeptoraktivität Strukturformel einiger FibrinsäureDerivate 81 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 81 Insulinresistenz Shoelson et al, JCI 116, 2006 Die Ausbildung einer Insulinresistenz steht in Zusammenhang mit einem Entzündungszustand Adipositas und übermässige Menge an Nahrungsfetten aktivieren neben anderen Input-Signalen - den IKKβ/NF-κB-Signalweg (ΙκBKinase-β/NF-κB) und den JNK-Signalweg (Janus-Kinase) in Adipozyten, Hepatozyten und Makrophagen. Dabei werden TNF-Rezeptoren, IL-1-Rezeptoren, Rezeptoren für “advanced glycosylation end products” (RAGE) und Toll-like-Rezeptoren aktiviert. Die Adipositasinduzierte Aktivierung von IKKβ führt zu einer Translokation von NF-κB, was eine erhöhte Expression von Entzündungsmarkern auslöst und die Grundlage für die Insulinresistenz bildet. Salicylate, TZDs und Statine hemmen diese Aktivierung. 82 08/11/10 Mechanismen der Auslösung einer Entzündung im Fettgewebe Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 82 Insulinresistenz Shoelson et al, JCI 116, 2006 Mögliche Mechanismen einer durch Adipositas induzierten Entzündung in der Leber Die gesunde Leber hat ein breites Repertoire von Zellen, welche an inflammatorischen und Immunantworten beteiligt sind, wie z.B. hepatische Makrophagen (Kupffer-Zellen), B- und T-Zellen, NK- und NKT-Zellen (natürliche Killerzellen), DC-Zellen (dendritische Zellen), sinusoidale Endothelzellen, hepatische Sternzellen und Hepatozyten. Hepatische Steatose und Adipositas werden begleitet durch eine Aktivierung von Entzündungssignalen. Proinflammatorische Zytokine und freie Fettsäuren (FFAs), welche entweder aus der Leber stammen, als Antwort auf eine Steatose, oder aus dem abdominalen (viszeralen) Fett, aktivieren Kupffer-Zellen. Gleichzeitig wird die Zahl der regulatorischen NKT-Zellen reduziert. 83 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 83 (*) Insulinresistenz Shoelson et al, JCI 116, 2006 Zusammenspiel von Entzündungsprozessen im Fettgebe, der Leber und im Muskel sowie in den Gefässen 84 08/11/10 Zunehmende Adipositas aktiviert Entzündungsprozesse im Fettgewebe und in der Leber, was eine erhöhte Produktion von Zytokinen und Chemokinen zur Folge hat; Zellen des Immunsystems (Monozyten, Makrophagen) wandern in die Entzündungsgebiete ein, was zusammen mit allen andern Stimuli zur Insulinresistenz führt. Leber: Zytokine und Lipide aus dem abdominalen Fettgewebe gelangen über das Portalsystem in die Leber, lösen eine Entzündung aus und tragen mit deren systemischen Verbreitung zur Insulinresistenz bei. Fettgewebe: Proinflammatorische und proatherogene Mediatoren aus dem Fettgewebe (und der Leber) führen zu einer systemischen Entzündungsneigung, was eine Insulinresistenz im Skelettmuskel und/oder eine Atherogenese im Gefässsystem auslösen kann. Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 84 (*) Metabolisches Syndrom Bereits 1923 wurde die Kombination von Bluthochdruck, erhöhten Blutzuckerwerten und Gicht zu einem «Syndrom» zusammengefasst. Die auch als «Syndrom X» oder «deadly quartet» bezeichnete Kombination kardiovaskulärer Risikofaktoren hat unterdessen mehrmals ihren Namen geändert und ist mit weiteren Stoffwechselabnormitäten ergänzt worden. Gemäss den Richtlinien des amerikanischen National Cholesterol Education Program von 2001 umfasst der 1998 von der Weltgesundheitsorganisation als metabolisches Syndrom (metabolic syndrome) bezeichnete Symptomkomplex die bauchbetonte Fettleibigkeit, eine typische Konstellation der Blutfette, einen erhöhten Blutdruck sowie einen im nüchternen Zustand erhöhten Blutzuckerwert. Erfüllt eine Person mindestens drei dieser Kriterien, leidet sie an einem metabolischen Syndrom. Weitere Zeichen können eine Mikroalbuminurie, Veränderungen der Blutgerinnung, vermehrt im Blut zirkulierende Entzündungseiweisse, Leberveränderungen oder erhöhte Harnsäurewerte sein. Laut neuesten Schätzungen weist rund ein Viertel der westlichen Bevölkerung Zeichen eines metabolischen Syndroms auf, wobei dessen Häufigkeit mit dem Alter ansteigt. Insulin-Resistenz, metabolisches Syndrom und Arteriosklerose hängen mit einem reduzierten Spiegel von Adiponektin zusammen. Genetische Faktoren oder Änderungen des Life-Styles (hohe Nahrungsfette, sitzende Tätigkeit/Lebensweise) führen zu einer Verminderung der Sekretion von Adiponektin. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Ausbildung von Insulin-Resistenz, Typ-2-Diabetes (T2D) und dem metabolischen Syndrom. Dabei wird indirekt, aber durch die Verminderung von Adiponektin auch direkt, die Arteriosklerose gefördert. 85 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 85 Metabolisches Syndrom Schematische Übersicht der Effekte von Hormonstörungen auf den Metabolismus des Fettgewebes beim metabolischen Syndrom Links: Cortisol und Insulin induzieren die Expression von Lipoprotein-Lipase (LPL), worauf mehr Triglyzeride (TG) gebildet und in die Zellen einströmen können. Mitte: Wachstumshormon (GH) inhibiert LPL und stimuliert die Lipolyse (die TG-Lipase wird aktiviert). Rechts: Testosteron amplifiziert diesen Effekt und führt zu einer Erhöhung der Zahl der Androgenrezeptoren. FFA: freie Fettsäuren. 86 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 86 (*) Metabolisches Syndrom Gleichgewicht zwischen Hormonen, welche die viszerale Fettbildung stimulieren (Insulin, INS; Cortisol, CORT), und Hormonen, die das viszerale Fett abbauen (Testosteron, T, Wachstumshormon, GH), unter verschiedenen (patho-) physiologischen Bedingungen. Erhöhte Sekretion von Cortisol und Insulin in Kombination mit niedrigem Wachstumshormon (GH) und verminderter Bildung von Sexualsteroiden führt zur Akkumulation von viszeralem Fett. Viszerales Fett enthält kleinere Fettzellen mit mehr Rezeptoren für Cortisol und Testosteron, während subkutanes Fett grössere Adipozyten enthält. 87 08/11/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 8 87