32. Jahrgang - Heft 04 – 4. Quartal - 2010 Akzeptanz und Reaktanz von mobilen Diensten – eine empirische Studie am Beispiel von Deutschland und den USA Von Nadine Losch und Sebastian Schulz Executive Summary Durch die zunehmende Mobilität und Flexibilität unserer Gesellschaft nimmt nicht nur die Bedeutung des Mobiltelefons im alltäglichen Leben, sondern auch dessen Funktion stetig zu. Neben dem reinen Telefonieren nutzen die Konsumenten ihre Mobiltelefone vermehrt zum Aufrufen von mobilen Diensten. Nicht zuletzt durch eine verbesserte Bedienbarkeit der Mobiltelefone steigt die Nutzung von mobilen Diensten, um überall und jederzeit an Informationen zu gelangen (Informationsdienste), einfach nur unterhalten zu werden (Unterhaltungsdienste), einen schnellen Weg zum nächsten Restaurant zu finden (Navigationsdienste) oder ein Bahnticket unterwegs zu kaufen (Transaktionsdienste). Parallel zum gestiegenen Interesse der Konsumenten stieg auch das Interesse auf Seiten der Unternehmen an mobilen Diensten, um über sie Geschäftstransaktionen anzubahnen, abzuwickeln oder nachzubereiten. Das Mobiltelefon wird von den Konsumenten jedoch häufig als ein Teil der Privatsphäre angesehen und insbesondere anbietergetriebene mobile Dienste werden häufig als ein Eingriff ins Privatleben empfunden. Unternehmen können sich daher nicht sicher sein, ob solche Dienste bei den Konsumenten nicht eher auf Ablehnung als auf Zustimmung stoßen. Daher gilt es, die Faktoren, die die Akzeptanz und Reaktanz mobiler Dienste auf Seiten der Konsumenten bestimmen, zu identifizieren. Eine gleichzeitige Erfassung von Akzeptanz und Reaktanz von mobilen Diensten ist bisher jedoch nicht erforscht und daher Inhalt dieser Studie. Im Rahmen der Studie sollen insbesondere Einflussfaktoren auf die Akzeptanz und Reaktanz und Unterschiede in der Akzeptanz und Reaktanz der deutschen und amerikanischen Konsumenten erfasst werden. Hierzu werden in Abschnitt 2 zunächst die Grundlagen mobiler Push- und Pull-Dienste aus technischer und inhaltlicher Sicht vorgestellt. Als entscheidende technische Treiber der zunehmenden Nutzung mobiler Dienste werden vor allem die neuen Übertragungsstandards sowie leistungsfähige Mobiltelefone aufgezeigt. Auf inhaltlicher Ebene ist das Angebot von Tracking-, über Transaktions- bis hin zu Unterhaltungsdiensten mittlerweile sehr umfassend. In Abschnitt 3 werden die theoretischen Erkenntnisse zur Akzeptanz und Reaktanz mobiler Dienste aufgearbeitet mit dem Ziel der Herleitung und Definition der beiden Konstrukte sowie der Hypothesenherleitung und der Bildung des Untersuchungsmodells für die empirische Studie zur Akzeptanz und Reaktanz mobiler Dienste. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Einfluss anwendungsspezifischer und konsumentenspezifischer Einflussfaktoren auf die Ausprägung von Akzeptanz sowie Reaktanz von mobilen Diensten. In Abschnitt 4 wird die empirische Studie zur Akzeptanz und Reaktanz von mobilen Diensten in Deutschland und den USA vorgestellt. Insgesamt wurden Ende 2008 187 Studenten in Deutschland und 103 Studenten in den USA im Rahmen einer Quotenstichprobe per elektronischem Fragebogen befragt. Die Studienergebnisse bestätigen die hergeleiteten Konstrukte der Akzeptanz und Reaktanz. Auf Basis von moderierten Regressionen wird gezeigt, dass die Akzeptanz und Reaktanz durch den Informations- und Unterhaltungswert der mobilen Dienste geprägt werden. Weiterhin stellt der Einfluss mobiler Dienste auf den Alltag einen wesentlichen anwendungsbezogenen Einflussfaktor auf die Akzeptanz dar. In Bezug auf die konsumentenspezifischen Faktoren wird gezeigt, dass die Kenntnisse über mobile Dienste, das Interesse an Technik, die Häufigkeit der Handynutzung sowie das Geschlecht als direkte Einflussfaktoren auf die Akzeptanz der mobilen Dienste wirken. Bei der Reaktanz kann ein positiver Einfluss der Reaktanzneigung nachgewiesen werden. Durch die moderierte Regression konnten zudem Interaktionseffekte des Geschlechts, Einkommens, der Kenntnis über mobile Dienste, des Alters und der Reaktanzneigung auf anwendungsspezifische Faktoren aufgedeckt werden. So verringern ein zunehmendes Einkommen und eine zunehmende Kenntnis über mobile Dienste den Zusammenhang zwischen Einfluss mobiler Dienste auf den Alltag und Akzeptanz. Zudem wird bei Männern der positive Einfluss des Informationswertes auf die Akzeptanz verringert. Weiterhin nimmt der Einfluss des Unterhaltungswertes auf die Akzeptanz mit zunehmender Kenntnis über mobile Dienste ab. In Bezug auf die Reaktanz konnte in beiden Ländern ferner ein Interaktionseffekt des Alters auf den Informationswert und die Reaktanz ermittelt werden. So verstärkt sich der negative Zusammenhang zwischen Informationswert und Reaktanz durch ein geringeres Alter. Zudem besteht ein positiver Zusammenhang zwischen den Reaktanzeffekten (Subjektive- sowie Verhaltenseffekte) und der Reaktanz. Im Ländervergleich zeigt sich, dass amerikanische Konsumenten eine höhere Akzeptanzausprägung und eine höhere Reaktanz aufweisen als die deutschen Nutzer. Die höhere Akzeptanz der amerikanischen Befragten geht mit einer bisher intensiveren Nutzung und besseren Kenntnis von mobilen Diensten einher. Die Studie liefert einen wichtigen Beitrag zur Forschung im Bereich der Akzeptanz und Reaktanz von mobilen Diensten, indem der Zusammenhang zwischen Akzeptanz und Reaktanz erstmals nachgewiesen und wesentliche Einflussfaktoren aufgezeigt werden. Zudem bietet die Studie Ansatzpunkte, um fehlende Akzeptanz und die Folgen von Reaktanz einzudämmen. Autoren M. Sc. Nadine Losch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Unternehmensrechnung und Controlling der Georg-August-Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 3, D-37073 Göttingen, Tel.: +49 (0) 551 3910672, Fax +49 (0) 551 397274. E-Mail: [email protected]. Dr. Sebastian Schulz ist Leiter Marketing Strategie bei der Hannoversche Lebensversicherung AG (bis Ende 2008 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marketing und Handel der Universität Göttingen),VHV-Platz 1, D-30177 Hannover, Tel.: +49 (0) 511 9075575, E-Mail: [email protected]. 2