II. Zur Logik 1. Bemerkungen zur Logik a. Logisches Gebäude der Mathematik: wenige Axiome (sich nicht widersprechende Aussagen) bilden die Grundlage; darauf aufbauend Lehrsätze unter Berücksichtigung der Logik (gr.; denkende Kunst) b. Lehre des vernünftigen Schlussfolgerns (1. System von Regeln von Aristoteles (384 - 322 v. Chr.); sprachliche Argumente c. Es wird die Gültigkeit von Argumenten hinsichtlich ihrer Struktur unabhängig vom konkreten Inhalt der Aussage untersucht d. Weiterentwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts, parallel zur Mengenlehre von Logikern wie Augustus de Morgan (1806 – 1871), Bertrand Russell und Gottlob Frege (1848-1925): symbolische Logik auch mathematische Logik genannt e. Aufbau einer künstlichen Sprache und Verwendung streng definierte Schlussregeln f. Einfaches Beispiel für ein solches System: Aussagenlogik 1 2. Aussagenlogik 2.1 Aussagen und Wahrheitswerte Definition: Eine (mathematische) Aussage ist ein sinnvolles sprachliches Gebilde (Satz), das entweder wahr oder falsch ist. Beispiele: 1. Die Gerade schneidet den Kreis. 2. 2 ist kleiner als 3. 3. Heute ist es über 25 Grad warm. Bezeichnung: große Buchstaben, z.B. A, B, C, … Bemerkungen: • Das gilt für einfache und für verknüpfte Aussagen • Es gibt keine Halbwahrheiten • Es muss nicht bekannt sein, ob die Aussage wahr oder falsch ist • Die Logik befasst sich nur mit Aussagen, deren Wahrheit nicht von den Umständen ihrer Äußerung abhängt • Aufforderungen, Ausrufe, Definitionen, subjektive Meinungen sind keine Aussagen (Achtung: dies ist in der Literatur nicht einheitlich) 2 Definition: Für eine Aussage A wird der Wahrheitswert W(A) definiert durch W(A)=1, falls A eine wahre Aussage ist, und W(A)=0, falls A eine falsche Aussage ist. Bemerkungen: • Statt 0 und 1 wird häufig f (für falsch) und w (für wahr) verwendet. • In der Aussagenlogik interessieren wir uns häufig nur für den Wahrheitswert einer Aussage und nicht für den Inhalt einer Aussage, vor allem, wenn wir später Aussagen miteinander verknüpfen. 2.2 Aussageform und Wahrheitswertetabelle Definition: Eine Aussageform ist eine sinnvolle sprachliche Äußerung, die mindestens eine Variable enthält und die zu einer Aussage wird, wenn für die Variable(n) eine Zahl oder ein Wert aus dem Grundbereich eingesetzt wird. Beim Einsetzen eines konkreten Elements in eine Aussageform entsteht eine Einzelaussage, die etwas über dieses konkrete Element aussagt. 3 Beispiele Aussageform konkretes Element Aussage Eine Figur ist ein Für „eine Figur“ ein ABC ist ein Dreieck Dreieck. konkretes Dreieck (wahr) ABC einsetzen Das Vierfache einer Für „eine Zahl“ 2 Das Vierfache von 2 Zahl ist 12. einsetzen ist 12. (falsch) Da wir uns insbesondere für die Wahrheitswerte der Aussageform interessieren, können wir die Variablen der Aussageform mit den beiden Wahrheitswerten w (wahr oder 1) oder f (falsch oder 0) belegen. Schreiben wir alle verschiedenen Möglichkeiten in eine Tabelle auf, so erhalten wir eine Wahrheitswertetabelle. Beispiel: • Eine Variable A oder A 1 w 0 f 4 • Zwei Variablen A B 1 oder A B 1 w w 1 0 w f 0 1 f w 0 0 f f 5 2.3 Formale Sprache der Aussagenlogik Wir führen eine (formale) Sprache ein, mit der aus endlich vielen Aussagen Ausdrücke gebildet werden können. Definition: Ein Ausdruck ist eine zusammengesetzte Aussage. Syntaktische Regeln (Satzbau) der formalen Sprache Die Elemente („Wörter“) der Sprache sind die Ausdrücke. Die Grundzeichen („Buchstaben“) zur Bildung von Ausdrücken sind: • Aussagen (Bezeichnet mit großen Buchstaben) • Logische Operationen • Technische Zeichen (Klammern, =, ∈ , ∧ , ∨ , … ) Wir lernen folgende logische Operationen kennen: ¬ Negation ∧ Konjunktion (und) ∨ Disjunktion (oder) → Subjunktion (Implikation) (wenn…, dann…) ↔ Bijunktion (Äquivalenz) (genau dann, wenn…) 6 Die Regeln zur Bildung von Ausdrücken sind: • Jede Aussage ist ein Ausdruck. • Sind A, B Ausdrücke, so sind ¬ A A ∧ B A ∨ B A → B A ↔ B ebenfalls Ausdrücke • Für die Bindekraft der Operationen wird vereinbart: ¬ bindet stärker als ∧, ∨ ∧ , ∨ , →, ↔ binden stärker als →, ↔ Ansonsten sind Klammern zu setzen. 7 2.4 Semantische Regeln (Satzbedeutung) der formalen Sprache Sind A und B Ausdrücke, so wird der Wahrheitswert der folgenden Ausdrücke in Abhängigkeit der Wahrheitswerte von A und B wie folgt festgelegt: A ¬ A 1 0 0 1 A B 1 1 1 1 1 1 1 0 0 1 0 0 0 1 0 1 1 0 0 0 0 0 1 1 A ∧ B A ∨ B A → B A ↔ B 8 Was haben wir eingeführt? Zum Vergleich: Grundmaterial Logik Arithmetik Aussagen Zahlen z.B. A:= 16 ist eine 1,2,3,4,5,... Quadratzahl Elemente Ausdruck Formel z.B. A v B Operationen 15 = 3 * 5 Negation, Grundrechenarten Junktoren +,-,*,: (Bindewörter) ^, v , → , ↔ Variablen Aussagenvariablen z.B. A, B, C,... Formeln (A → B) ∧ (B → C) Zahlenvariablen a, b, c, x, y, z → (a+b)² = a²+2ab+b² (A → C) 9 2.5 Logische Operationen - Verknüpfungen von Aussagen Wie verknüpfen wir in der Alltagssprache Aussagen miteinender? weder noch, und, oder, wenn dann, … aber auch während (in temporaler Bedeutung), weil (in kausaler Bedeutung) In der Aussagenlogik betrachten wir nur solche verknüpfende Partikel, bei denen der Wahrheitswert des Ausdrucks (=zusammengesetzte Aussage) allein von den Wahrheitswerten seiner (Teil-)Aussagen abhängt. Dies ist bei während und weil nicht der Fall. Dazu Beispiele: A: 18 ist keine Primzahl. B: 9 ist ein echter Teiler von 18. C: 18 ist ein echter Teiler von 36. Die Aussagen A, B, und C sind alle wahr. „A weil B“ ist ebenso wahr, denn das bedeutet: … „A weil C“ ist falsch. (Warum?) 10 Übersicht logische Operationen Name in der Logik Symbol Umgangssprachlicher Name Negation ¬ Nicht Konjunktion ^ Und Disjunktion v Oder Subjunktion → wenn..., dann... ↔ genau dann..., wenn... (Verneinung) (Implikation) Bijunktion (Äquivalenz) 11 Negation (Verneinung) Definition: Die Negation einer Aussage A ist diejenige Aussage ¬ A, die genau dann wahr ist, wenn A falsch ist, und die genau dann falsch ist, wenn A wahr ist. Schreibweise: ¬ A Sprechweise: nicht A Wahrheitstabelle: A ¬ A 1 0 0 1 Bemerkungen: • Sprachlich einfach: Es ist nicht der Fall, dass … • Achtung: wird an geeigneter Stelle ein „nicht“ eingefügt, muss genau geprüft werden, ob dann wirklich die Negation der Aussage entsteht • Eine Aussage kann nicht gleichzeitig wahr und falsch sein. • Die Aussagen A und ¬ A können nicht gleichzeitig wahr sein. 12 Konjunktion (Und) Definition: Eine Konjunktion ist eine zusammengesetzte Aussage, die die Wahrheit aller ihrer Teilaussagen behauptet. Schreibweise: A ∧ B Sprechweise: A und B Wahrheitstabelle: Die Aussage A ∧ A ∧ A B 1 1 1 1 0 0 0 1 0 0 0 0 B B ist immer dann wahr, wenn sowohl A als auch B jeweils wahr sind. Andernfalls ist A ∧ B falsch. 13 Disjunktion (Oder bzw. nichtausschließendes Oder) Definition: Eine Disjunktion ist eine zusammengesetzte Aussage, die behauptet, dass mindestens eine ihrer Teilaussagen wahr ist. Schreibweise: A ∨ B; Sprechweise: A oder B Wahrheitstabelle: Die Aussage A ∨ A ∨ A B 1 1 1 1 0 1 0 1 1 0 0 0 B B ist immer dann wahr, wenn mindestens eine der Teilaussagen A oder B wahr ist, bzw. wenn beide Aussagen wahr sind, andernfalls ist A ∨ B falsch. Bemerkungen: • Bei Oder muss man unterscheiden zwischen ausschließendem Oder im Sinne von entweder oder und dem nichtausschließenden Oder, welches wir hier behandeln • In der Literatur wird auch das ausschließende Oder als Disjunktion bezeichnet, dann heißt das nichtausschließende Oder Adjunktion 14 Subjunktion (Implikation) (wenn… dann) Definition: → Die Subjunktion A B ist genau dann falsch, wenn A wahr und zugleich B falsch ist. In allen anderen Fällen ist die Subjunktion wahr. Schreibweise: A → B Sprechweise: wenn A dann B Wahrheitstabelle: Die Aussage A → A → A B 1 1 1 1 0 0 0 1 1 0 0 1 B B ist genau dann falsch, wenn A wahr und B falsch ist, andernfalls ist A → B wahr. Eine Subjunktion drückt die hinreichende Bedingung aus: Sie sagt, dass die Wahrheit der einen Aussage eine hinreichende Bedingung für die Wahrheit der anderen Aussage ist. 15 Bemerkungen • Die Festlegungen zu Schlüssen aus falschen Aussagen sind auf den ersten Blick nicht so rasch einzusehen. Hier ist zu bedenken, dass von einer falschen Aussage ausgehend durch logisch korrektes Schließen sowohl wahre als auch falsche Aussagen gewonnen werden können. Deshalb ist die Aussage „wenn A, dann B“ immer wahr, falls A falsch ist. • Wir erinnern uns, dass wir vom Inhalt der Aussagen absehen (abstrahieren) wollen, es interessiert uns nur der Wahrheitswert der Aussagen • Verwenden wir die Sprechweise wenn … dann, so müssen wir vom umgangssprachlichen Gebrauch des wenn … dann völlig absehen und diese Formulierung als eine normierte Redewendung auffassen. Alternativ müsste man sprechen: A subjungiert B 16 Bijunktion (Äquivalenz) (genau dann wenn) Definition: Die Bijunktion A ↔ B ist genau dann wahr, wenn A und B die gleichen Wahrheitswerte haben. Schreibweise: A ↔ B Sprechweise: A genau dann wenn B A genau dann, wenn B dann und nur dann A, wenn B Wahrheitstabelle: A ↔ A B 1 1 1 1 0 0 0 1 0 0 0 1 B Eine Bijunktion drückt die hinreichende und notwendige Bedingung aus: Sie sagt also, dass eine Aussage A genau dann zutrifft, wenn eine Aussage B zutrifft. 17 Wahrheitswerteverlauf, Tautologie In einer Wahrheitswertetabelle wird der Wahrheitswerteverlauf für (mehrere) Variablen festgehalten. Ebenso wie für Aussagen können wir auch für Aussageformen, d.h. für verknüpfte Aussagen, die Wahrheitswertetabellen betrachten. Die Tabellen zeigen den Wahrheitswerteverlauf für die Aussageform. So kann man beispielsweise überprüfen, ob zwei Aussageformen logisch gleichwertig sind. Ist dies der Fall, so erscheinen beim Vergleich der Ausdrücke Zeile für Zeile die gleichen Wahrheitswerte. Die Ausdrücke sind dann wahrheitswerteverlaufsgleich. Beispiel: Vergleiche A ∧ B mit B ∧ A A B A∧B B∧A 1 1 1 1 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 Die 3. und 4. Spalte sind wahrheitswerteverlaufsgleich. 18 Definition: Eine Aussageform heißt allgemeingültig (Tautologie), wenn sie bei jeder Belegung aller Variablen mit Wahrheitswerten stets in eine wahre Aussage übergeht. Beispiele: Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten: ¬ A A A ∨ ¬ A A ∨ ¬ 1 0 1 0 1 1 A Gesetz vom ausgeschlossenen Widerspruch: ¬ A ¬ A (A ∧ ¬ A) A ∧ ¬ A ¬ (A ∧ ¬ 1 0 0 1 0 1 0 1 A) 19 Gesetz der Identität: A → A A A → 1 1 0 1 A 20