Skript zur 5. Vorlesung 16.11.2016

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7.3 Entwicklungstheorem
7.3 Entwicklungstheorem
Im Folgenden soll die Anwendung des Superpositionsprinzips erweitert werden.
• Alle Zustandsfunktionen lassen sich aus einem vollständigen Satz Eigenfunktionen eines quantenmechanischen Operators entwickeln, z.B.
∞
X
c n ϕn
(7.3)
ψ=
n=0
• Normierungsbedingung: Auch für die durch Reihenentwicklung erhaltene Zustandsfunktion muss gelten
!
hψ|ψi = 1
Da die Eigenfunktionen eines hermiteschen Operators orthonormiert sind (siehe Abschnitt 6.4), folgt
als Bedingung für die Entwicklungskoeffizienten:
!
!
∞
∞
X
X
XX
h
c∗n cm hϕn |ϕm i
c n ϕn |
c m ϕm i =
| {z }
n m
n=0
m=0
=δnm
⇒
X
2 !
|cn | = 1
n
• Damit ergibt sich die Gesamtenergie E als gewichtetes Mittel der Zustandsenergien
X
|cn |2 En
E=
n
• Berechnung anderer Eigenschaften: die Energie-Zustandsfunktionen sind nicht notwendigerweise auch
Eigenfunktionen anderer quantenmechanischer Operatoren Â. Ist dies nicht der Fall, muss der Erwartungswert gebildet werden.
∞
∞ X
X
hϕn |Â|ϕm i
hAi = hψ|Â|ψi =
n
m
Aufgrund der Wirkung des Operators auf ϕm kann die Orthogonalität der Zustandsfunktionen hier
nicht ausgenutzt werden. Vielmehr müssen hier alle Integrale hϕn |Â|ϕm i berechnet werden, die als
Matrixelemente Anm bezeichnet werden.
Aus diesem Grund werden in der Praxis nur endliche Reihenentwicklungen durchgeführt.
• Berechnung der Entwicklungskoeffizienten: Im Allgemeinen werden die cn durch ein Variationsverfahren
oder im Rahmen der Störungstheorie erhalten, wie in späteren Abschnitten gezeigt wird.
Für gegebene Funktionen ψ und ϕn , etwa wenn ψ als analytische Näherungsfunktion angesetzt wurde,
lassen sich die cn durch Projektion berechnen.
X
cn hϕa |ϕn i
hϕa |ψi =
n
=
X
cn δan = ca
n
Formal lässt sich die Berechnung durch Anwendung eines Projektionsoperators P̂a auf die Zustandsfunktion beschreiben (7.4).
P̂a ψ = ca ϕa
(7.4)
8 Bestimmung mehrerer Observablen
In der klassischen Physik sind für ein System (z.B. für ein Elektron in einem Atom) im Prinzip alle
Eigenschaften gleichzeitig exakt messbar (wenn von Beschränkungen der Messapparaturen abgesehen wird).
Experimentell wurde gefunden, dass dies für Elementarteilchen nicht allgemein gilt.
Physikalische Erklärung: die erste Messung (z.B. von Eigenschaft A) verändert das System, so dass die
zweite Messung (z.B. von Eigenschaft B) nicht denselben Wert liefert wie bei einer separaten Einzelmessung.
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8 Bestimmung mehrerer Observablen
Hierbei bedeutet „gleichzeitig”, dass die beiden Messungen auf atomarer Zeitskala (atomare Zeiteinheit: 0.024
fs) kurz nacheinander am selben System durchgeführt werden. Die Veränderung des Systems beruht dabei
nicht auf Wechselwirkungen zwischen Messapparatur und System, sondern ist quantenmechanischer Natur.
In der Quantenmechanik wird die Messung zweier Eigenschaften am selben System durch Anwendung zweier
Operatoren auf eine Zustandsfunktion beschreiben:
ÂB̂ψ
8.1 Quantenmechanische Berechnung mehrerer Observablen
Bei der quantenmechanischen Interpretation des gerade beschriebenen experimentellen Befunds wird davon
ausgegangen, dass sich das System zunächst im Zustand ψ befindet.
Die Zustandsfunktion kann sowohl aus den Eigenfunktionen {ϕn } des Operators  als auch aus den Eigenfunktionen {φm } des Operators B̂ entwickelt werden (7.3).
ψ=
∞
X
c n ϕn =
∞
X
dm φ m
m=1
n=1
Beim Anwenden des Operators B̂ (physikalisch: einer Einzelmessung von B) wird ein zufälliger Eigenwert
Bb mit b ∈ [0, ∞] erhalten (mit der Wahrscheinlichkeit |db |2 ).
Danach (physikalisch betrachtet: nach der ersten Messung) befindet sich das System im Eigenzustand φb .
In der quantenmechanischen Interpretation entspricht also die Messung einer Eigenschaft der Anwendung
eines Projektionsoperators (Gl. 7.4).
Danach sind für die Messung von A (die Anwendung des Operators Â) zwei Fälle möglich:
Fall a) φb ist auch eine Eigenfunktion von Â, das heißt es gilt φb = ϕa für ein bestimmtes Paar a, b (bei
der Verwendung der Indizes a und b wurde von dem allgemeinen Fall ausgegangen, dass die Reihenfolge der
Eigenfunktionen unterschiedlich sein kann).
⇒ die Anwendung des Operators  liefert ebenfalls einen Eigenwert:
)
B̂φb = Bb φb
⇒ Âφb = Âϕa = Aa ϕa
(8.1)
Âϕa = Aa ϕa
Im quantenmechanischen Formalismus bedeutet dies, dass A und B gleichzeitig exakt messbar sind.
Zudem ist das Ergebnis von der Reihenfolge der Operatoren (der Messungen) unabhängig, es gilt ÂB̂ = B̂ Â.
Eine Verallgemeinerung ist nur möglich, wenn alle Eigenfunktionen von B̂ auch Eigenfunktionen von  sind.
Zwei Eigenschaften sind nur dann gleichzeitig messbar, wenn die zugehörigen QM-Operatoren einen
vollständigen Satz gemeinsamer Eigenfunktionen besitzen
Fall b) φb ist keine Eigenfunktion von Â.
⇒ für die Observable B kann nur ein Mittelwert angegeben werden, bzw. jede Einzelmessung liefert ein
zufälliges anderes Ergebnis mit der Wahrscheinlichkeit |cba |2 .
Dies liegt daran, dass die bei der Anwendung von B̂ auf ψ erhaltene Zustandsfunktion φb in die Eigenfunktionen
von  entwickelt werden muss:
φb =
∞
X
cnb ϕn
n
Aufgrund der unendlichen Entwicklung ist der Einzelwert einer Messung von A nicht vorhersagbar bzw.
unendlich unbestimmt.
Im Folgenden wird die quantitative Beschreibung dieses Effekts vorgestellt.
8.2 Heisenbergsche Unschärferelation
In der klassischen Physik wird die Streuung (Unschärfe) (∆A)2 von Messwerten einer Messgröße A als
mittlerer quadratischer Fehler berechnet:
8.2 Heisenbergsche Unschärferelation
(∆A)2 =
(∆A)2 (∆B)2 =
Dabei ist
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N
1 X
(An − Ā)2
N n=1
N
1 X
(An − Ā)2 (Bn − B̄)2
N n=1
N die Anzahl von Einzelmessungen
An , Bn der Wert einer Einzelmessung
Ā, B̄ der Mittelwert der Messwerte
Für die Unschärfe der Messung zweier Eigenschaften wird das Produkt (∆A)2 (∆B)2 berechnet.
Quantenmechanisch ist die Unschärfe als Erwartungswert definiert:
(∆A)2 = hψ|(Â − hAi)2 |ψi
mit dem Erwartungswert hAi = hψ|Â|ψi
2
= hψ|Â |ψi − 2hψ|hAiÂ|ψi + hψ|hAi2 |ψi
= hA2 i − hAi2
Für zwei Observablen A, B ergibt sich:
(∆A)2 (∆B)2 = hψ|(Â − hAi)2 |ψihψ|(B̂ − hBi)2 |ψi
2
2 = h(Â − hAi)|ψ ih(B̂ − hBi)2 |ψ i
Dabei wurde die Hermitezität der quantenmechanischen Operatoren Â, B̂ ausgenutzt.
Mit X̂ ≡ Â − hAi gilt:
!
hψ|X̂ X̂|ψi = [h(ψ|X̂) (X̂|ψ)i]∗
| {z } | {z }
(P
Q)∗
= h(X̂|ψ) (X̂|ψ)i
| {z } | {z }
Q∗
P∗
= h(X̂|ψ)(X̂|ψ)i
für hermitesche Operatoren
Nach mehreren Umformungen und Anwendung der Schwarzschen Ungleichung (vgl. Vektoralgebra)
|~a|2 |~b|2 ≥ |~a · ~b|2
ergibt sich die in der Quantenmechanik allgemein verwendete Darstellung der Heisenbergschen Unschärferelation:
2
1
(∆A)2 (∆B)2 ≥ hψ|(ÂB̂ − B̂ Â)|ψi
2
1 |∆A∆B| ≥ hψ|(ÂB̂ − B̂ Â)|ψi
(8.2)
2
Physikalische Bedeutung: |∆A∆B| ist das kleinstmögliche Fehlerprodukt bei gleichzeitiger Messung
zweier Eigenschaften eines Systems aus Elementarteilchen.
Bei allen realen Messungen kann der Fehler nur größer sein.
Die Differenz der Anwendung zweier Operatoren in vertauschter Reihenfolge ÂB̂ − B̂ Â in der Heisenbergschen
Unschärferelation (8.2) wird als Kommutator der Operatoren  und B̂ bezeichnet.
Schreibweise:
h
i
ÂB̂ − B̂ Â ≡ Â, B̂
(8.3)
Kommutatoren besitzen eine allgemeine, über die Quantenmechanik hinausgehende mathematische Bedeutung.
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8 Bestimmung mehrerer Observablen
8.3 Kommutatoren
Im Allgemeinen ist das Resultat der Anwendung zweier Operatoren auf eine Funktion von der Reihenfolge
abhängig,
ÂB̂ψ(x) = Â(B̂ψ) = Âb(x) = u(x)
B̂ Âψ(x) = B̂(Âψ) = B̂a(x) = v(x)
denn die Identität u(x) = v(x) kann nicht allgemein vorausgesetzt werden.
Dies soll am Beispiel der quantenmechanischen Operatoren für Ort und Impuls gezeigt werden.
⇒ praktisches Beispiel: Auflösungsgrenze von Licht- bzw. Elektronenmikroskop
Beispiel 7: Kommutator der Orts- und Impulsoperatoren
d
 = p̂ = ~i dx
und B̂ = x
Für die Berechnung von Kommutatoren wird empfohlen, beide Reihenfolgen konkret auf eine allgemeine
Wellenfunktion ψ anzuwenden:
~ d
~ dψ
~
(xψ) = x(
)+ ψ
i dx
i dx
i
~ dψ
~ d
ψ) = x(
)
B̂ Âψ = x(
i dx
i dx
ÂB̂ψ =
Daraus folgt: p̂x 6= xp̂
Der Kommutator gibt die Differenz der Anwendungen beider Reihenfolgen an. Er wird ohne die Wellenfunktion
formuliert:
~
(8.4)
i
In diesem Fall ist der Kommutator der beiden Operatoren von Null verschieden.
Nomenklatur: Die Operatoren kommutieren nicht.
Wenn der Kommutator zweier Operatoren Null ist, heißt es: die Operatoren kommutieren (miteinander).
[p̂, x] = (p̂x − xp̂) =
Durch Einsetzen des Resultats (8.4) in die Heisenbergsche Unschärferelation (8.2) ergibt sich, dass das
Unschärfeprodukt von Ort und Impuls größer als Null ist:
1 ~ ~
|∆p∆x| ≥ =
2 i
2
Physikalisch bedeutet dies, dass es unmöglich ist, eine Messapparatur zu konstruieren, mit der das Fehlerprodukt der Messwerte von Ort und Impuls eines Elementarteilchens kleiner als ~2 ist.
Wenn es z.B. möglich wäre, den Ort des Elektrons zu einem bestimmten Zeitpunkt exakt zu messen (etwa
beim Aufprall auf dem Messschirm im Doppelspaltexperiment), dann ist der Impuls vollständig unbestimmt.
Das obige Beispiel lässt sich auf alle Paare von Eigenschaften, die durch quantenmechanische Operatoren
(z.B. Â, B̂) dargestellt werden, erweitern:
Allgemeine Konsequenz für die Bestimmung der zugehörigen Observablen A und B:
h
i
Â, B̂ = 0 =⇒ A und B sind gleichzeitig exakt messbar
h
i
Â, B̂ =
6 0 =⇒ A und B sind nicht gleichzeitig exakt messbar
Rechenregeln für Kommutatoren:
Der Kommutator selbst ist nur die Größe ÂB̂ − B̂ Â.
Für die konkrete Berechnung ist es jedoch zweckmäßig, diesen Ausdruck auf eine Wellenfunktion ψ anzuwenden
(siehe auch Beispiel 8.3).
ÂB̂ψ − B̂ Âψ = [Â, B̂]ψ
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8.3 Kommutatoren
Im Resultat wird ψ wieder weggelassen.
Für Kommutatoren gelten folgende Beziehungen:
h
i
Â, B̂ = −[B̂, Â]
h
i
Â, α = 0
α : Konstante
h
i
dabei ist n ∈ N
Â, Ân = 0
h
i h
i h
i
Â, B̂ + Ĉ = Â, B̂ + Â, Ĉ
h
i
h
i h
i
Â, B̂ Ĉ = B̂ Â, Ĉ + Â, B̂ Ĉ
(8.5)
i
h
Die letzte Beziehung ist dann nützlich, wenn die direkte Berechnung des Kommutators Â, D̂ mit D̂ = B̂ Ĉ
zu aufwendig ist.
Gemeinsame Eigenfunktionen zweier Operatoren
Im Folgenden soll gezeigt werden, dass zwei quantenmechanische Operatoren, die einen vollständigen
gemeinsamen Satz von Eigenfunktionen besitzen, miteinander kommutieren.
Wie in Abschnitt 8.1 wird angenommen, dass {ϕn } und {φm } unendliche Sätze von Eigenfunktionen der
Operatoren  bzw. B̂ sind.
Âϕn = An ϕn
B̂φm = Bm φm
Wenn es für jedes ϕn mit n = 0, 1, . . . , ∞ ein φm = ϕn mit m = 0, 1, . . . , ∞ gibt (siehe Gleichung 8.1), dann
haben  und B̂ einen gemeinsamen vollständigen Satz von Eigenfunktionen.
In diesem Fall gilt:
ÂB̂φm = ÂBm φm
= ÂBm ϕn
= An Bm ϕn
und B̂ Âϕn = B̂An ϕn
= B̂An φm
= Bm An φm
= An Bm ϕn
D.h. in diesem Fall ist die Reihenfolge der Operatoren nicht für das Ergebnis relevant, bzw. der Kommutator
von  und B̂ ist Null.
Dieses Ergebnis kann auch umgekehrt formuliert werden:
Wenn zwei Operatoren miteinander kommutieren, besitzen sie einen vollständigen gemeinsamen Satz von Eigenfunktionen. Hinweis: Dies ist eine hinreichende, aber keine notwendige Bedingung, d.h. zwei Operatoren können auch ohne die Existenz gemeinsamer Eigenfunktionen kommutieren.
Damit ergibt sich das folgende Schema für die Zusammenhänge zwischen gleichzeitiger exakter Messbarkeit
zweier Eigenschaften, den Kommutatoreigenschaften der zugehörigen Operatoren und der Existenz gemeinsamer Eigenfunktionen (EF):
40
9 Teilchen im Kasten, TiK
(c) Einschränkung von ψ durch Randbedingungen an erlaubte Wellenfunktion:
Normierbarkeit: erfüllt durch Beschränkung auf Intervall [0, L]
!
Stetigkeit: daraus ergibt sich die Forderung ψ(0) = ψ(L) = 0
=⇒ B = 0.
Stetige Differenzierbarkeit: überall erfüllt, außer an den Rändern. Dort gilt aber eine Ausnahme, da V
dort Unendlichkeitsstellen (Unstetigkeiten) besitzt.
!
Aus der Randbedingung ψ(L) = 0 ergibt sich die Bedingung
k=
nπ
L
(9.2)
Im Prinzip kann n eine ganze Zahl sein, linear unabhängige erlaubte Wellenfunktionen ergeben
sich durch Beschränkung auf natürliche Zahlen.
n = 0 ist ausgeschlossen, da ψ0 = 0 nicht normierbar ist.
Negative n führen nicht zu linear unabhängigen Lösungen, da gilt: ψ−n = −ψn .
Als Konsequenz der Randbedingungen ergibt sich die Quantisierung der Eigenschaften.
n ist hier die Quantenzahl, durch die Randbedingungen werden diskrete Lösungen erhalten.
Die Lösungsfunktionen der Schrödingergleichung im Bereich II bilden einen (unendlichen) vollständigen Satz.
ψII,n =
r
π
2
sin( nx)
L
L
n = 1, . . . , ∞
Der Normierungsfaktor A ergibt sich durch Auswertung des Integrals
ZL
π
!
A sin ( nx) dx = 1 ⇒ A =
L
2
2
0
Hierbei wurde das Additionstheorem sin2 x =
1
2
r
2
L
(1 − cos(2x)) verwendet.
(9.3)
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